Tiefschwarze Nacht

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Aus dem strömenden Regen taucht eine Gestalt auf. Nick Tyson. Der Junge, der Sara ihren ersten Kuss gegeben hat. Nur dass Nick rein gar nichts Jungenhaftes mehr an sich hat. Sara ist nach Cape Darkwood zurückgekehrt, um den Mord an ihren Eltern aufzuklären. Und die Albträume zum Verstummen zu bringen. Ist Nick Teil dieser furchteinflößenden Vergangenheit - oder der Mann, mit dem sie einer sicheren Zukunft entgegen schauen kann?


  • Erscheinungstag 01.09.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783956494574
  • Seitenanzahl 120
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Linda Castillo

Tiefschwarze Nacht

Aus dem Amerikanischen von Ivonne Senn

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins GermanyGmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyrightdieses eBooks ©2015by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischenOriginalausgabe:

In The Dead Of The Night

Copyright© 2007 by Linda Castillo

erschienenbei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partnergmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Thorben Buttke

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München

Autorenfoto:Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-457-4

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit

lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

PROLOG

Sara Douglas fürchtete sich nicht in der Dunkelheit. Immerhin war sie mit beinahe acht Jahren schon groß. Sie glaubte auch nicht an Monster oder an den Schwarzen Mann oder an seltsame Wesen, die nachts an Türen klopften. Doch jetzt lag sie in ihrem rüschenbesetzten Bett, sah die grellen Blitze vor dem Fenster ihres Kinderzimmers aufleuchten und zitterte vor Angst.

Sie klammerte sich an ihr kleines blaues Stoffnilpferd und zählte die Sekunden so, wie es ihr ihre Mommy beigebracht hatte. Eins. Zwei. Sie schrie, als ein Donner dumpf grollte. Sie schlug ihre Hand vor den Mund und schloss ganz fest die Augen. Der Donner hallte eine Ewigkeit nach, er klang wie die Schritte eines herannahenden Riesen.

Sara wäre nur zu gerne zu ihrer Schwester ins Bett gekrabbelt, doch Sonia verbrachte die Nacht bei ihrer Freundin Jonie. Sonia war neun Jahre alt und fürchtete sich nie. Sie lachte über Saras Angst vor Gewittern und nannte sie eine Heulsuse. Es ärgerte Sara ungemein, dennoch wünschte sie sich, Sonia wäre jetzt hier.

Die Vorhänge an den Glastüren zum Balkon blähten sich in einer plötzlichen Bö. In der Dunkelheit wirkten sie wie rastlose Geister. Sara zog die Decke bis zu den Augen. Ein weiterer Blitz durchriss die Nacht, und der darauffolgende Donner polterte so hart, dass die Fenster wackelten.

Schnell warf Sara die Decke von sich, schlüpfte aus dem Bett und eilte zur Glastür. Es regnete nicht, doch die Spitzen der Bäume wiegten sich im Wind wie dürre Finger. Sie fasste all ihren Mut zusammen, atmete tief durch und lief über den Balkon zum Zimmer ihrer Eltern. Ihre nackten Füße klatschten dabei wie kleine Schwimmflossen über die Fliesen.

Eine der Türen zum Zimmer ihrer Eltern stand einen Spaltbreit offen. Gelbes Licht fiel wie ein Sonnenstrahl auf den Balkon. Stimmen wurden durch den Wind zu Sara herübergetragen. Es waren die Stimmen von Mommy, Daddy und Onkel Nicholas. Sara mochte Onkel Nicholas. Er roch nach Pfefferminzkaugummi und brachte sie mit seinen lustigen Geschichten ständig zum Lachen.

Sie linste vorsichtig in das Zimmer hinein. Mommy, Daddy und Onkel Nicholas standen um den Tisch herum und sahen sich irgendwelche Papiere an. Aber sie lachten nicht. Beim Anblick ihrer Mienen zog sich Saras Magen seltsam zusammen. Sie wollte hineingehen, wollte von ihrer Mommy getröstet werden, während Onkel Nicholas lustige Geschichten erzählte.

Doch Mommy weinte, und Onkel Nicholas sah seltsam wütend aus. Er brüllte, und die Adern an seinem Hals schwollen an. Sie zeichneten sich wie Schlangen unter seiner Haut ab. Daddys Gesicht war gerötet. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt.

Sara wollte hineinlaufen und sich in die Arme ihrer Mutter werfen. Aber sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Füße schienen wie festgenagelt. Sie wusste nicht, warum, doch der Gedanke, jetzt dort hineinzugehen, bereitete ihr mehr Angst als das Gewitter.

Sie fing an zu weinen. Blitze zuckten. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich die Äste der Bäume in den Nachthimmel krallten. Sie hielt sich die Ohren zu, um den unvermeidlich folgenden Donner nicht hören zu müssen, aber sie wusste, dass es nicht half.

Es donnerte dreimal in schneller Folge. So oft, dass Sara glaubte, es würde nie wieder aufhören. Sie presste die Hände über die Ohren und schob weinend mit den Ellbogen die Glastür auf. Eine andere Art der Panik erfasste sie, als sie das Zimmer betrat. Ihre Beine zitterten, und ihr Magen rumorte.

Sie sah die Waffe. Tod explodierte aus der Mündung. Einmal. Zweimal. Jeder Schuss war so hell wie ein Blitz und lauter als der Donner.

Sara sah Rot aufblühen, so strahlend wie die Rosen in Mommys Garten. Die Welt drehte sich, als ob sie ein gigantischer Wirbelsturm mitreißen würde. Das Zimmer verschwamm vor ihren Augen.

„Mommy“, flüsterte Sara.

Als ihre Mommy nicht antwortete, fiel die Nacht über Sara herein und zog sie in ihre dunkle Umarmung.

1. KAPITEL

Die Scheinwerfer des Mietwagens durchschnitten die regenverhangene Nacht. Sara Douglas umklammerte das Lenkrad und schlich über die schmale Küstenstraße. Sie wagte es nicht, über die Leitplanke zu schauen, hinter der die Landschaft steil zur steinigen Küste abfiel.

Das Haus lockte sie schon seit einiger Zeit. Seit Jahren, um genau zu sein, doch Sara hatte nie auf diese kleine nagende Stimme tief in ihrem Inneren gehört. Ihre Arbeit als Kostümbildnerin beschäftigte sie zu sehr, um sich diese Träumerei zu gestatten. Zumal diese mit einer schrecklichen Kette von Ereignissen zusammenhing, die ihr Leben vor zwanzig Jahren in seinen Grundfesten erschüttert hatte.

Doch der Anruf vor zwei Tagen änderte alles.

Selbst jetzt noch jagte ihr die Erinnerung an die elektronisch veränderte Stimme einen Schauer über den Rücken. Warum rief sie jemand an und weckte eine Vergangenheit, die sie ihr ganzes Leben lang so mühevoll verdrängt hatte? Wer gab sich solche Mühe, seine Identität zu verbergen, und vor allem, warum? Sara wollte es herausfinden.

Mitternacht war nicht gerade der ideale Zeitpunkt, um ein weitläufiges altes Herrenhaus anzusteuern, das man seit zwei Jahrzehnten nicht mehr betreten hatte. Eigentlich wollte sie schon am Tag hier angekommen sein, aber ihr Flug von San Diego nach San Francisco verzögerte sich wegen technischer Probleme. Von dort nahm sie ein Kleinflugzeug zum Shelter Cove Airport, einem winzigen Flughafen, der den nordwestlichen Teil Kaliforniens, den man die Lost Coast nannte, bediente. Als sie endlich ihr Gepäck hatte und im Mietwagen saß, war es beinahe zehn Uhr abends.

Ein schief stehender, mit Efeu überwachsener Briefkasten verriet ihr, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Sie lenkte den Wagen auf die mit Unkraut überwucherte Einfahrt. Die alte Douglas-Villa ragte wie eine alternde Hollywooddiva vor ihr auf. Umhüllt von geheimnisvollen Rätseln, verblasstem Glamour und Skandalen, hockte das Haus hoch über den felsigen Klippen des Pazifiks. Saras Vater Richard Douglas hatte dieses Haus vor fünfundzwanzig Jahren als aufstrebender Hollywoodproduzent für seine Familie entworfen und gebaut. Das Traumhaus sollte sich mit Kindern, mit Glück und Lachen füllen.

Doch fünf Jahre später verwandelte ein Doppelmord dieses Glück in einen Albtraum. Das Haus wurde zu einer düsteren Legende und zum Hintergrund für noch düsterere Geschichten.

Sara und ihre Schwester Sonia erbten das Anwesen und vermieteten es im Laufe der Jahre gut ein Dutzend Mal. Sie hatten oft darüber gesprochen, es zu verkaufen, es einmal sogar auf dem Immobilienmarkt angeboten, doch es fand sich kein Käufer. Später sagte ihnen der Makler, dass niemand ein Haus kaufen wolle, das einst Schauplatz des schlimmsten Verbrechens von Cape Darkwood war.

Die Scheinwerfer erleuchteten das ramponierte Garagentor aus Mahagoni. Sara parkte den Wagen und schaltete den Motor aus. Der Regen prasselte laut auf das Autodach.

„Willkommen daheim“, flüsterte Sara. Ihre Stimme klang angespannt.

Sie nahm sich nicht die Zeit, darüber nachzudenken, ob es klug war, heute Nacht hierherzukommen, sondern stieß die Tür auf und trat in den strömenden Regen hinaus. Eilig holte sie ihren Koffer aus dem Kofferraum und lief zur Haustür. Die kühle Luft roch nach Meer und nassem Laub.

Sie zog den Koffer über den Schieferweg zur großen Eingangstür aus geschliffenem Glas und steckte den Schlüssel ins Schloss. Nachdem sie ihn herumgedreht hatte, schob sie die knarzende Tür auf. Der Geruch von Staub und Jahren der Vernachlässigung trat ihr entgegen. Sie hatte vor ihrer Abreise bei der Versorgerfirma angerufen und Strom, Wasser und das Telefon freischalten lassen. Als ihre Hand nun über die Wand nach dem Lichtschalter tastete, hoffte sie inbrünstig, dass es auch geschehen war.

Sie seufzte erleichtert auf, als ihre Finger den Schalter fanden und helles Licht den Eingangsbereich flutete. Sara stand ergriffen da und starrte die majestätische Doppeltreppe an, die in den ersten Stock führte. Die aus Marmor und Mahagoni gebauten Treppen schwangen sich links und rechts zu einem Balkon hinauf, der das große Foyer überblickte.

Die Erinnerungen stürmten auf sie ein. Sie sah ihren Dad in der Halle stehen, die Arme eng um ihre Mutter geschlungen. Sie hörte, wie sie und Sonia lachend mit ihren Schlafsäcken über die glatten Marmorstufen nach unten rutschten. Sie roch förmlich die Rosen, die ihre Mutter jeden Morgen pflückte und in einer Vase auf dem Konsolentisch im Eingang arrangierte.

Doch diese fröhlichen Bilder verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren, und wurden von der Einsamkeit dieses verlassenen Hauses ersetzt.

Saras Stiefel klackerten auf dem Marmorfußboden, als sie die Eingangshalle in Richtung Esszimmer durchquerte. Sie schaltete auch hier das Licht an. Einen Moment lang konnte sie nur dastehen und die Großartigkeit des Raumes auf sich wirken lassen. Ein mit Spinnenweben überzogener Kronleuchter warf sein Licht auf einen ovalen Tisch, der mit einem staubigen Tuch bedeckt war. Die bodentiefen Fenster gingen auf einen Garten hinaus, indem einst Rosen und Wildblumen üppig um die Wette blühten, umgeben von Beeten mit Kräutern sowie dem verzierten Pavillon, den Daddy und Onkel Nicholas in jenem letzten Sommer errichtet hatten. Keiner ahnte damals, dass die Erwachsenen den Winter nicht erleben würden und man ihren Vater beschuldigen würde, erst Mommy und Onkel Nicholas und dann sich selbst getötet zu haben.

Zwanzig Jahre lang hatte auch Sara daran geglaubt. Sie hatte ihren Vater dafür gehasst, dass er ihr die Kindheit gestohlen und ihr Glück zerstört hatte. Zwei Jahrzehnte lang hatte sie diesen Hass dicht bei sich getragen, sich an ihn geklammert, weil sie irgendjemandem die Schuld für alles geben musste. Sie benötigte den Hass, um all die alten Gefühle in sich zu verschließen und weiterleben zu können.

Der Anruf hatte all die tief verborgenen Gefühle wieder an die Oberfläche gezerrt.

Sara ließ ihren Koffer im Esszimmer und ging durchs Erdgeschoss, um überall Licht zu machen. In einigen Räumen gab es keine Lampen mehr, doch das Licht reichte aus, um ihr zu zeigen, wie verfallen alles inzwischen war. Im Büro ihres Vaters ging sie an den Regalen vorbei, die bis zur Decke reichten. Sara fragte sich, was wohl aus all seinen Büchern geworden war. Sie meinte den Duft von Zitronenöl, würzigen Zigarren und dem Leder seines Schreibtischstuhls wieder wahrzunehmen, doch das war nur Einbildung. Durch den Torbogen hindurch ging sie ins Bad. Einige der Marmorfliesen waren von der Wand gefallen und auf dem Boden zerbrochen. Rostfarbenes Wasser tropfte von der Decke und hatte über die Jahre einen Fleck von der Größe einer Untertasse auf dem Boden hinterlassen. Im Halbdunkel erinnerte sie die Farbe an Blut.

„Denk nicht daran“, murmelte sie. Sie weigerte sich, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen.

Sara holte ihren Koffer aus dem Esszimmer und schleppte ihn die Treppe hinauf in den ersten Stock. Ihr Herz klopfte wild, als sie die Tür zu ihrem alten Schlafzimmer aufdrückte und das Licht anschaltete. Einen Moment lang hoffte sie, zwei gleiche Betten mit rosafarbenen Tagesdecken und rüschenbesetzten Kissen zu sehen. Die geschnitzten Kiefernmöbel, den violetten Sitzsack und ein Puppenhaus so groß wie ein Kleinwagen.

Stattdessen blickte sie auf ein Queensize-Bett und einen verstaubten antiken Kirschbaumsekretär. Auf dem Nachttisch neben dem Bett stand eine angelaufene Messinglampe. Auf der Lehne eines Ohrensessels lag frische Bettwäsche.

Sara war froh, dass sie Skeeter Jenks gemailt und ihm geschrieben hatte, dass sie eine Woche bleiben wolle. Der Rentner bekam jeden Monat einen kleinen Scheck von ihr und Sonia, damit er nach dem Rechten sah. Sara dachte an das Leck im Bad und nahm sich vor, Skeeter Jenks am nächsten Morgen darum zu bitten, es zu beheben.

Sie legte ihren Koffer aufs Bett und begann, ihn auszupacken. Sie hängte gerade die letzte Jeans in den Schrank, als das Licht zu flackern begann und schließlich ausging. Sara wusste, es war dumm, aber ihr Herz klopfte trotzdem heftig, als sie sich plötzlich in totaler Finsternis wiederfand.

„Na super“, murmelte sie.

Es ist nichts, wovor du Angst haben musst, versicherte sie sich zitternd. Das Haus war alt und baufällig. Vermutlich hatte der Wind oder ein Blitz die Stromleitung unterbrochen. Vielleicht brannten aber auch nur zu viele Lichter gleichzeitig im Haus, und die Sicherung war herausgesprungen.

Zum Glück hatte Sara eine Taschenlampe dabei. Sie holte sie aus der Nachttischschublade hervor und hoffte, dass Skeeter Jenks irgendwo im Haus Kerzen, Streichhölzer und Ersatzsicherungen deponiert hatte.

Das ohrenbetäubende Krachen eines aufziehenden Gewitters ließ sie zusammenfahren. Sara lachte zu schnell. Sie fürchtete sich nicht mehr vor Gewittern. Wirklich nicht.

Blasses Licht fiel durch die Glastüren. Innerhalb von Sekunden gewöhnten sich Saras Augen an die Dunkelheit, in der das Prasseln des Regens lauter und die Schatten bedrohlicher wirkten. Der Wind heulte um das schmiedeeiserne Gitter der Balkonbrüstung. Die Bäume draußen schwankten im Sturm. Irgendwo im Haus klapperte etwas. War es ein Fensterladen? Oder etwas anderes?

Mit der Taschenlampe in der Hand machte sie sich auf den Weg in den Flur. Die Treppenstufen knarrten unter ihren Füßen, als sie nach unten ins Foyer ging. Das Klopfen wurde lauter. Sara richtete den Strahl der Taschenlampe auf die Küche. „Das ist nur der Wind“, sagte sie sich. Irgendetwas am Haus hatte sich vermutlich im Sturm losgerissen. Dennoch zitterte Saras Hand.

Sie nahm die Taschenlampe wie eine Waffe in die Hand und ging in die Küche. Sie war riesengroß, blau gefliest und mit fein geschnitzten Rosenholzschränken möbliert. Einst war es das Neueste vom Neuen gewesen. Ihre Eltern hatten gerne für Gäste gekocht. Sara erinnerte sich an die vielen Nachmittage, an denen sie hier am Tresen saß, während ihre Eltern ausgefallene Kanapees und Horsd’œuvres kreierten.

Durch die Bogenfenster über der Spüle fiel ein wenig Licht hinein. Tagsüber hatte man von diesem Fenster aus einen unglaublichen Blick auf die stürmische See. Heute Nacht jedoch sah sie nur die Dunkelheit und eine vage Bedrohung, die Sara nicht wahrhaben wollte.

Sie legte die Taschenlampe auf den Tresen und durchsuchte alle Schubladen. Sie atmete erleichtert auf, als sie endlich eine halb abgebrannte Kerze und eine Schachtel Streichhölzer fand.

„Wer sagt denn, dass ich kein Glück habe.“

Sie fand eine Untertasse in einem der Schränke, stellte die Kerze darauf und zündete sie an. Gelbes Licht warf flackernde Bilder an die Wände. Sara nahm erneut die Taschenlampe und ging zum Hauswirtschaftsraum. Sie hatte die Küche gerade zur Hälfte durchquert, als sie im Augenwinkel eine seltsame Bewegung bemerkte. Sie erstarrte.

Sara wirbelte erschrocken herum. Ihr Herz pochte gegen ihre Rippen, als sie einen Schatten am Fenster vorbeihuschen sah. Sie stolperte ein paar Schritte zurück. Das Adrenalin brannte in ihrer Kehle. Die Taschenlampe glitt aus ihren Händen und fiel scheppernd zu Boden.

Schnell hob sie sie auf, doch die Lampe war durch den Sturz ausgegangen. Sara klopfte sie gegen ihren Handballen. Als sie erneut zum Fenster blickte, war der Schatten fort.

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Da draußen war jemand, dessen war sie sich sicher. Aber warum schlich jemand in einer Nacht wie dieser auf der Rückseite eines leer stehenden alten Hauses herum? Waren es Vandalen? Teenager, die einen Ort suchten, an dem sie ungestört sein konnten? Oder geschah hier etwas Unheilvolleres?

Sara erinnerte sich an den Anruf und bekam ein mulmiges Gefühl. Hatte sie die Haustür verschlossen? Und was war mit den Terrassentüren?

Sie legte eine Hand an ihr Handy, das an ihrem Gürtel klemmte, und löschte die Kerze. In totaler Finsternis war sie für einen Eindringling schwerer zu sehen.

Ohne den Blick vom Fenster abzuwenden, ging sie rückwärts aus der Küche. Ihr Herz hämmerte, als sie leise durch die Eingangshalle auf die Treppe zusteuerte. Sie hörte ihren eigenen Atem. Ihr Blut schien in ihren Ohren zu dröhnen. Als sie die Haustür passierte, sah sie durch das geschliffene Glas einen grellen Blitz aufleuchten, und in dessen Schein leuchtete die Silhouette einer großen, tropfnassen Gestalt auf. Sara schrie erschrocken auf. Sie stolperte zurück, die Hand fest um ihr Telefon geklammert. Die Tür flog auf, und Wind und Regen bliesen ins Haus.

„Bleiben Sie, wo Sie sind“, befahl eine tiefe männliche Stimme.

Sara klammerte sich an ihr Handy wie an eine Rettungsleine, drehte sich abrupt um und rannte um ihr Leben. Sie raste durch das Foyer und eilte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Währenddessen versuchte sie sich verzweifelt daran zu erinnern, ob ihre Schlafzimmertür ein Schloss besaß.

Sie hörte den Eindringling hinter sich, als sie den obersten Treppenabsatz erreichte. Sie hörte seine schweren Schritte, seinen angestrengten Atem. Das Wissen, dass sie hier alleine mit jemandem war, der ihr vielleicht Böses antun wollte, jagte ihr eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken. Mit zitternden Fingern versuchte sie, den Notruf zu wählen.

„Stopp! Polizei!“

In ihrer Panik nahm sie die Worte kaum wahr. Sie stürmte ins Schlafzimmer und drehte sich um, um die Tür zu schließen. Doch der Fremde stellte seinen Fuß dazwischen. „Ganz ruhig“, befahl er.

Mit Blick auf die Tür stolperte Sara langsam rückwärts. Wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme der Vermittlung durch ihr Handy. „Ich habe einen Eindringling in meinem Haus“, rief sie.

Die Schlafzimmertür sprang auf. Der gelbe Strahl einer Taschenlampe durchschnitt die Dunkelheit. Die Silhouette des Mannes zeichnete sich im Türrahmen ab. Sara schaute sich hektisch nach einer Waffe um. Als sie nichts fand, hob sie ihr Handy und warf es dem Fremden mit aller Kraft entgegen.

Er duckte sich, war jedoch nicht schnell genug. Das Handy traf ihn an der linken Wange. Stöhnend hob er eine Hand ans Gesicht.

„Die Polizei ist auf dem Weg“, schrie sie.

Sie erblickte die Lampe auf dem Nachttisch, packte sie, bereit, sie einzusetzen, sollte der Eindringling näher kommen.

„Ich bin die verdammte Polizei“, zischte er zurück. „Jetzt beruhigen Sie sich doch endlich.“

Die Worte drangen zu ihr wie durch einen Schleier. Der Fremde strahlte sein Gesicht mit der Taschenlampe an, und Sara senkte die Lampe.

„Ich bin Polizist“, wiederholte er. „Bitte stellen Sie die Lampe ab.“

Allerdings sah er nicht aus wie ein Polizist. Mit der dunkelblauen Jeans und dem T-Shirt unter einem dunklen Regenmantel wirkte er eher wie ein Bösewicht in einem Film. Der Gedanke ließ sie erschaudern.

„Ich … ich will Ihren Ausweis sehen“, brachte sie hervor.

„Halten Sie Ihre Hände so, dass ich sie sehen kann.“ Er richtete die Taschenlampe direkt auf Sara und ließ den Lichtschein von Kopf bis Fuß über ihren Körper gleiten. „Wer sind Sie, und was tun Sie hier?“

„Mir gehört das Haus“, erwiderte Sara.

Der Eindringling zog einen Ausweis aus der Manteltasche und streckte ihn ihr entgegen. „Sie sind die Besitzerin dieses Anwesens?“

„Das sagte ich doch gerade.“

„Können Sie sich ausweisen?“ Er neigte den Kopf ein wenig und sprach in ein an seinem Mantelaufschlag befestigtes Mikrofon. „Hier ist Null-zwei-vier. Ich bin Zehn-zwanzig-drei. Over.“

„Was ist los, Chief?“, erklang eine blecherne männliche Stimme.

„Streich die Zehn-vierzehn, okay?“

„Verstanden.“

Überzeugt, dass dieser Mann tatsächlich ein Polizist war, ging Sara vorsichtig zum Bett und holte ihren Führerschein aus der Handtasche. „Sie haben mich zu Tode erschreckt“, sagte sie angespannt, als sie zu ihm ging und ihm den Ausweis hinhielt.

Er leuchtete mit der Taschenlampe darauf. „Sara Douglas.“ Er sprach den Namen aus, als würde er einen schlechten Geschmack in seinem Mund hinterlassen.

„Da war ein Herumtreiber“, sagte sie stockend. „Ich habe ihn durch das Küchenfenster gesehen. Es war ein Mann.“

Er neigte den Kopf und massierte sich den Nasenrücken. „Wie lange ist das her?“

„Eine Minute, vielleicht zwei.“

„Das war vermutlich ich.“

„Oh.“ Sara lachte nervös auf, was die Spannung in ihrem Inneren ein wenig löste.

Der Polizist runzelte die Stirn. Offensichtlich fand er die Situation alles andere als komisch. Was vielleicht daran lag, dass er da, wo Sara ihn mit ihrem Handy getroffen hatte, eine Beule bekam.

„Tut mir leid, dass ich das Handy nach Ihnen geworfen habe.“

„Ja.“ Er berührte die Beule. „Ich lasse Sie wissen, ob ich Sie wegen tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten anzeigen werde.“

„Das war ein Scherz, oder?“

Er erwiderte nichts, und Sara wünschte, sie könnte sein Gesicht besser sehen.

„Was tun Sie hier?“, fragte sie.

„Vor zwanzig Minuten erreichte uns ein Anruf. Jemand hatte die Lichter hier gesehen.“

Langsam dämmerte es ihr. „Jemand dachte, dass ich ein Eindringling bin?“

„Dieses Haus steht seit einigen Jahren leer. Die Nachbarn sind es nicht gewohnt, hier irgendwelche Lichter oder Menschen zu sehen. Es sei denn, es handelt sich um Geister.“

Sara blickte verwirrt auf. „Geister?“

„In der Stadt geht das Gerücht um, dass es hier spukt.“

„Das ist doch lächerlich.“

„Wenn man bedenkt, was hier geschehen ist …“ Er zuckte mit den Schultern. „Die Leute lieben gute Geistergeschichten.“

Oder mysteriöse Morde, dachte sie.

Der Polizist steckte seinen Ausweis wieder weg. Sie erhaschte einen Blick auf die Pistole in seinem Schulterholster. Doch noch gefährlicher als die Waffe war der Mann, denn er war wie ein Langstreckenläufer gebaut. Er war groß mit schmalen Hüften und langen, muskulösen Beinen, über denen sich der Stoff seiner Jeans spannte. Das blaue T-Shirt war vom Regen feucht und klebte an einem Bauch, der offenbar regelmäßig in einem Fitnessstudio trainiert wurde.

„Hatten Sie vor, mich damit zu schlagen?“

Sara bemerkte, dass sie die Lampe immer noch umklammert hielt. Sie stellte sie auf den Nachttisch zurück. „Ich dachte, Sie wären ein Einbrecher.“

„Wie gut für Sie, dass ich das nicht bin.“ Er zeigte auf die Lampe. „Damit haben Sie keine guten Chancen gegen eine Waffe.“

Sara wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Wie gefährlich eine Pistole war, wusste sie aus erster Hand.

„Ich wollte Ihnen keine Angst einjagen“, sagte der Polizist. „Geht es Ihnen gut?“

„Ich bin nur ein wenig erschrocken. Der Strom ist ausgefallen.“

„Ein Blitz ist in einen der Transformatoren unten auf der Wind River Road eingeschlagen. Die Techniker sind schon unterwegs, aber es kann noch eine Weile dauern.“

„Wie entzückend.“

„Haben Sie eine Taschenlampe oder Kerzen?“

„Die Taschenlampe ist mir heruntergefallen und kaputtgegangen, als ich Sie da draußen sah. Aber ich glaube, in der Küche gibt es noch ein paar Kerzen.“

„Ich bleibe gerne so lange, bis Sie sie gefunden haben.“

„Ich habe keine Angst vor Geistern.“

„Natürlich nicht.“ Er tippte sich an seine Mütze, drehte sich um und ging zur Treppe.

Sara kam sich dumm vor, weil sie so überreagiert hatte, und folgte ihm.

„Wo kommen Sie her?“, fragte er, als sie die Treppe hinuntergingen.

„Aus San Diego.“

Vor der Küchentür trat er beiseite und bedeutete ihr, voranzugehen, wobei er ihr mit seiner Taschenlampe den Weg leuchtete. Sara ging zu der Kerze, die noch auf der Arbeitsplatte stand, und zündete sie an. Dann suchte sie in den Schränken nach weiteren Kerzen.

„Alexandra und Richard Douglas waren Ihre Eltern?“

Eigentlich sollte es sie nicht verwundern, dass er die Vornamen ihrer Eltern kannte, dennoch war sie verblüfft. Cape Darkwood war eine kleine Stadt. Sara schaute auf. Im Kerzenlicht konnte sie das Gesicht ihres Gegenübers besser erkennen. Irgendwie kam es ihr bekannt vor. Sie wollte nach einer weiteren Kerze greifen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Sie war nicht sicher, warum, aber ihr Magen zog sich in Erwartung einer bösen Überraschung zusammen. „Ja, sie waren meine Eltern. Warum fragen Sie?“

„Ich kannte sie. Also, meine Eltern kannten sie, aber das ist lange her.“

Sie spürte, dass da noch etwas mehr war, deshalb hörte sie auf, herumzuwühlen, und sah den Polizisten über die Schulter hinweg an. Sein Blick traf ihren. Er war ein wenig zu neugierig – und zu intensiv. Sie war sich der Nähe dieses Fremden auf einmal sehr bewusst. Sie wollte es zu gerne auf die Dunkelheit schieben, auf das Gewitter oder die Fremdheit des Hauses, doch woran es auch immer lag, dieser Mann besaß eine viel größere Anziehungskraft als alle anderen Männer, die sie je getroffen hatte.

„Sie kannte ich damals natürlich auch“, fügte er hinzu.

Sara drehte sich zu ihm um. Sie war sicher, sie würde sich daran erinnern, wenn sie diesem Mann schon einmal begegnet wäre. Er hatte ein durchaus erinnerungswürdiges Gesicht und unvergessliche Augen. „Das glaube ich kaum.“

„Es ist eine ganze Weile her“, entgegnete er.

„Ich habe Ihren Namen vorhin nicht verstanden.“ Die Worte waren nur ein Flüstern.

„Ich bin der Chef der hiesigen Polizei. Nick Tyson.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen. „Ihr Vater hat meinen Vater in der gleichen Nacht erschossen, in der er auch Ihre Mutter umgebracht hat.“

2. KAPITEL

Sara starrte Nick ungläubig an. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie hatte immer gewusst, dass sie sich irgendwann der Vergangenheit stellen musste sowie den Menschen, deren Leben ihr Vater vor all diesen Jahren auseinandergerissen hatte. Doch dass sie ausgerechnet jetzt einem dieser Menschen gegenüberstand, erschien ihr wie eine grausame Wendung des Schicksals.

„Nicky?“, fragte sie.

„So nennen mich die Leute heute eigentlich nicht mehr.“ Sein Grinsen ließ einen Anflug von dem kleinen Jungen aufblitzen, den sie einst gekannt hatte. Ein wilder Junge mit schwarzen Haaren und Augen von der Farbe des Pazifiks. Die Erinnerungen steckten in ihrem Kopf wie ein Monster, das nach zwei Jahrzehnten Winterschlaf geweckt wurde. Sie war gerade sieben Jahre alt, als der zwölfjährige Nicky Tyson sie zum Versteckenspielen überredete. Doch als sie die Augen schloss, um abzuzählen, war er nicht weggelaufen, um sich zu verstecken, sondern hatte ihr einen Kuss gestohlen. Es war ihr erster Kuss von einem Jungen. Er war vollkommen harmlos, und doch blieb er Sara für immer in Erinnerung.

Lustig, dass sie sich in einem Augenblick wie diesem an etwa so Albernes erinnerte. Dabei hatte sie doch so viel von dem, was in jenem letzten Sommer geschehen war, verdrängt.

Doch der Mann, der jetzt vor ihr stand, hatte nichts mit dem störrischen Jungen gemein, der sie einst geärgert hatte und dessen Charme sie heimlich erlegen war. An ihm war nichts Unschuldiges mehr. Seine Augen hatten noch immer die Farbe des Meeres, aber jetzt war es eine stürmische See mit brechender Brandung und aufgewühlten Wellen. Unter dem Rand seiner Polizeimütze lugte sein militärisch kurz geschnittenes, schwarzes Haar hervor. Man könnte ihn ruhigen Gewissens als attraktiv bezeichnen, wären da nicht der raue Bartschatten und der harte Glanz in seinen Augen.

„Überrascht?“, fragte er.

Sara bemerkte, dass er ihr seine Hand immer noch entgegenstreckte, und sie ergriff sie. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Er umfasste ihre Hand komplett. Sein Griff war fest. Sie spürte die Schwielen und eine Stärke, die er unter einer unterschwelligen Sanftheit verbarg.

Hallo würde reichen“, sagte er.

Sara schwieg beklommen. Sara wusste, dass das, was ihr Vater damals getan hatte, nicht ihre Schuld war. Sie war damals ein kleines Mädchen, aber es war verstörend, zu wissen, dass der Vater dieses Mannes einst der verbotene Liebhaber ihrer Mutter war. Dass ihr Vater Nicholas Tyson in einem Anfall von Eifersucht getötet und dann die Waffe gegen sich gerichtet hatte. Zumindest hatte es so in den Zeitungen gestanden.

Sara war sich jedoch nicht sicher, ob sie das immer noch glaubte.

Sie musterte Nick Tyson und dachte an den Anruf, der sie vor zwei Tagen erreicht hatte. Eine elektronisch verzerrte Stimme hatte ihr gesagt, dass Richard Douglas in jener fürchterlichen Juninacht niemand ermordet hatte. War wirklich eine vierte Person in die Tat involviert, wie der Anrufer angedeutet hatte? Ein so hasserfüllter Mensch, der ein Geheimnis mit sich trug, das sie nun ans Licht bringen oder widerlegen konnte?

Die Erinnerung an die Stimme jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Sie betrachtete Nicks Gesicht, das auf sie nun zwar vertraut, gleichzeitig aber auch bedrohlich wirkte. Es war das harte Gesicht eines Polizisten, dessen durchdringende Augen Sara so misstrauisch und kühl betrachteten, dass sie ganz nervös wurde. Sie fragte sich, ob er als Polizist die offizielle Version jenes Abends jemals angezweifelt hatte.

„Ah, du hast Glück.“

Die Worte rissen Sara aus ihren Gedanken. Sie ließ seine Hand los. Er musste die Unsicherheit in ihrem Gesicht gesehen haben, denn er zeigte auf die Schublade, die sie kurz zuvor geöffnet hatte. „Da ist noch eine Kerze“, sagte er.

„Oh. Stimmt.“

Sie spürte seinen bohrenden Blick. Fragte er sich, warum sie zurückgekehrt war? Oder ob der Hang zur Gewalt erblich war?

„Wenn ich schon mal hier bin, sollte ich vielleicht einen Blick in den Sicherungskasten werfen.“

„Oh ja, wir wollen ja nicht, dass die Geister auf dumme Gedanken kommen“, erwiderte sie.

„Jeder weiß, dass sie am liebsten im Dunkeln arbeiten“, neckte er leicht.

Saras Anspannung löste sich, als Nick in Richtung Hauswirtschaftsraum ging, wo sich der Sicherungskasten befand. In dem fahlen Licht der Kerze suchte sie nach einer weiteren Untertasse, die sie als Kerzenhalter benutzen konnte.

„Die Sicherungen sind in Ordnung.“

Beim Klang seiner Stimme zuckte Sara zusammen, beinahe wäre ihr die Untertasse, die sie gerade erst gefunden hatte, aus den Händen gefallen. Nick trat so nah an sie heran, dass sie den holzigen Geruch seines Aftershaves riechen konnte. Zum ersten Mal bemerkte sie, wie groß Nick war. Er maß mindestens einen Meter fünfundachtzig, vielleicht sogar eins neunzig. Er überragte sie um mindestens anderthalb Köpfe. Onkel Nicholas war auch groß gewesen.

Nick sah sie eindringlich an. „Du fürchtest dich doch nicht etwa immer noch vor Gewittern?“

„Natürlich nicht“, erwiderte sie ein wenig zu schnell.

Ein Muskel zuckte um seine Mundwinkel. „Sieht so aus, als wenn du die Nacht im Dunkeln verbringen müsstest.“

Autor