Verführt von einem dunklen Ritter

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Wenige Stunden noch, dann legt Lady Rowena das lang ersehnte Gelübde als Novizin ab - gegen den Willen ihrer Familie! Doch als sie einen letzten Ausritt außerhalb der Klostermauern unternimmt, wird sie von einem maskierten Ritter entführt. Verzweifelt versucht sie ihm zu entkommen, bis sie überrascht entdeckt, dass er Sir Eric de Montfort ist: ein ehrenhafter Mann, der im Dienste ihres Vaters stand. Doch ihre Erleichterung währt nur kurz. Schockiert erfährt sie, dass Eric gezwungen wurde, ihren Plan zu vereiteln - indem er sie verführt! Trotz allem ist seine Nähe so ungeahnt erregend, dass sie nicht widerstehen kann, als er sie küsst …
  • Erscheinungstag 01.04.2024
  • Bandnummer 360
  • ISBN / Artikelnummer 9783963692031
  • Laufzeit 08:37:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mai 1175. Schloss Jutigny, nahe der Stadt Provins in der Champagne

Es war eine Weile her, seit Eric de Montfort Schloss Jutigny das letzte Mal besucht hatte, und es fühlte sich seltsam an, wieder zurück zu sein. In seiner Kindheit war dieser Ort sein Zuhause gewesen. Eric überließ sein Pferd den erfahrenen Händen eines der Stallburschen, dann ging er mit seinem Knappen Alard über den Innenhof zu den Stufen, die in die große Halle führten.

Jutigny hatte sich nicht sehr verändert. Der Turm überragte noch immer alles andere, so wie er es immer getan hatte, und an dem hellen Farbton des neuen Holzes auf dem Weg, der zu der Ringmauer führte, ließ sich erkennen, dass Faramus de Sainte-Colombe seine Befestigungsanlagen in Ordnung hielt. Dann war da noch die vertraute Reihe der Außengebäude, die Kapelle, das Backhaus …

Der Verwalter Macaire, ein alter Freund, stand im Eingang zur Halle und sprach mit einem der Bediensteten. Seine Miene hellte sich auf, als er Eric sah. „Eric, Gott sei es gedankt, dass du hier bist! Comte Faramus wird ungeduldig, du kannst gleich hineingehen.“

„Zuerst brauche ich einen Krug Bier“, sagte Eric, trat zu einem Tisch an der Seite und nahm sich einen Becher. „Ich war den ganzen Morgen in Provins auf dem Markt, und ich bin ausgetrocknet. Comte Faramus hat nichts davon erwähnt, dass die Angelegenheit dringend sei. Was will er?“

Macaire verzog das Gesicht. „Es steht mir nicht zu, darüber zu sprechen, Junge, aber dein Bier wird warten müssen. Comte Faramus und Comtesse Barbara warten seit einer Stunde in ihren Privatgemächern auf dich, und wie du weißt, ist der Comte nicht gerade bekannt für seine Geduld.“ Macaire warf einen finsteren Blick auf einen Ritter, der es sich auf einer Bank neben der Treppe bequem gemacht hatte. „Außerdem – wenn du nicht gleich nach oben gehst, muss ich Breon hinaufschicken, so hat man es mir befohlen. Und das wäre blanker Hohn.“ Er schüttelte den Kopf. „Blanker Hohn.“

„Hohn?“ Eric musterte das Gesicht des Verwalters. Das war ohne Zweifel eine seltsame Wortwahl. Er goss sich Bier in einen Becher und trank rasch einen Schluck. Eric kannte Breon aus seiner Zeit in Jutigny, und er hatte ihn nie besonders gemocht. Nicht, dass er irgendetwas gegen den Mann hätte sagen können. Breon hatte eine einschüchternde Art und war ein Grobian, aber so waren viele Ritter. Allerdings konnte Eric sich nicht erinnern, dass Breon je zuvor Macaire Schwierigkeiten bereitet hatte. „Macaire, was zum Teufel ist hier los?“

„Es steht mir nicht zu, dir das zu sagen.“ Mit einer Kopfbewegung deutete Macaire zur Treppe. „In Gottes Namen, Eric, jetzt beeil dich und geh hinauf.“

„Du sagst, sie sind in der Kemenate? Beansprucht nicht Comtesse Barbara gewöhnlich die Kemenate für sich und ihre Damen?“ Eric wurde immer neugieriger. Auf Macaires Stirn erschienen Schweißperlen, und sein Verhalten – er wirkte geradezu angsterfüllt – war rätselhaft, wenn nicht sogar besorgniserregend. „Wo liegt das Problem?“

„Die Kemenate, Junge. Begib dich dorthin, und du wirst deine Antworten bekommen.“

In der Kemenate schritt Comte Faramus auf und ab und zupfte dabei an seinem Bart. Seine Stirn lag in tiefen Falten. Comtesse Barbara, seine Gemahlin, saß unter dem Fenster und umklammerte mit ihren langen, weißen Fingern eine Pergamentrolle.

Eric hatte liebevolle Erinnerungen an sie, die ihn immer freundlich behandelt hatte. Die gewöhnlich glatte Stirn hatte sie jetzt gerunzelt, und ihre Miene war sorgenvoll angespannt. Sie wirkte zutiefst bedrückt. Mitgefühl erfasste ihn. Hatten sie und Comte Faramus wieder einmal gestritten?

„Guten Morgen“, sagte Eric und verneigte sich.

Ungeduldig winkte Comte Faramus ab. „Wo zum Teufel seid Ihr gewesen? Ich warte schon den ganzen Morgen.“

„Ich war auf dem Markt in Provins, Monsieur.“

„Auf dem Markt?“ Die Miene des Comte hellte sich auf. „Ah ja, ich erinnere mich. Ihr habt nach einem Hengst gesucht, nicht wahr? Habt Ihr einen gefunden?“

„Noch nicht, mon Seigneur.“ Eric suchte nicht nur nach einem Hengst, sondern auch nach einer Zuchtstute. In Provins auf dem Markt hatte er erfahren, dass er in Bar-sur-Aube Erfolg haben könnte. Da es beinahe unmöglich war, Pferde mit einem guten Stammbaum zu finden, hatte Eric sich direkt vom Markt aus dorthin begeben wollen. Dann hatte er sich an die Nachricht des Comte erinnert. Er fühlte sich seinem früheren Herrn verbunden, daher hatte er es als seine Pflicht betrachtet, zuerst nach Jutigny zu reiten. Sobald dieses Treffen vorüber war, würde er nach Bar-sur-Aube aufbrechen.

„Ich entschuldige mich, wenn ich Euch warten ließ, Monsieur. Ich nehme an, Ihr habt eine Aufgabe für mich?“

Eric blickte die Comtesse an. Gewöhnlich war sie nicht anwesend, wenn ihr Gemahl mit den Rittern des Hauses seine Geschäfte besprach. Jetzt, da er darüber nachdachte, fiel es Eric auf, dass er während seiner Zeit in Jutigny seine Befehle stets in der großen Halle oder im Waffensaal erhalten hatte. Was war hier los?

Comte Faramus holte tief Luft, und Eric sah, wie die beiden einen Blick tauschten. „Eric, Monsieur Eric, ehe wir zum Kern der Sache kommen, möchte ich Euer Wort darauf haben, dass das, was zwischen diesen Wänden besprochen wird, vertraulich bleibt. Zumindest für den Moment.“

„Wie Ihr wünscht, Monsieur.“

„Eric, dies betrifft meine Tochter Rowena. Ihr erinnert Euch an Rowena?“

Jeder Muskel in Erics Körper verkrampfte sich. Es geht um Rowena?

Natürlich erinnerte sich Eric an Rowena – das einzige Kind des Comte Faramus und der Comtesse Barbara – wie sollte er sie vergessen? Rowena war ein schüchternes blondes Mädchen, einige Jahre jünger als er. Bevor sie den Wunsch geäußert hatte, Nonne zu werden, war Rowena die Erbin von Sainte-Colombe gewesen, und jeder Ritter in der Champagne hatte ihre Hand begehrt. Zuweilen hatte es ausgesehen, als stünde Jutigny unter Belagerung. Schließlich hatte sich Comte Faramus mit Gawain de Meaux geeinigt, aber es hatte einen Skandal gegeben, und die Heirat hatte nie stattgefunden. Details kannte Eric nicht. „Ich hörte, dass die Dame Rowena in ein Kloster nahe Provins eingetreten ist?“

„In die Abtei Sainte Marie.“ Comte Faramus’ Miene verfinsterte sich. „Ja, das stimmt.“

Der Comte hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit der Entscheidung seiner Tochter, den Schleier zu nehmen, nicht einverstanden war. Aber Rowena war die Patentochter des Königs, und wenn der König – der selbst ein religiöser Mann war – sich damit einverstanden erklärte, dass sie Nonne werden wollte, dann konnte der Vater wenig dagegen tun.

Die Haut in Erics Nacken prickelte, und er begann sich außerordentlich unbehaglich zu fühlen.

„Eric, ich bin mir wohl bewusst, dass ich nicht länger Euer Dienstherr bin und dass ich Euch keine Befehle geben kann, aber ich muss Euch um einen Gefallen bitten.“ Faramus ballte die Hände zu Fäusten. „Einen sehr großen Gefallen. Es ist eine Aufgabe, von der ich sicher bin, dass Ihr sie verabscheuen werdet.“

„Mon Seigneur?“

„Eric – ich möchte, dass Ihr meine Tochter aus diesem Kloster holt. Bringt sie in Ihr Haus in Monfort. Haltet sie dort fest, bis sie sich bereit erklärt, Euch zu heiraten.“

Eric sah auf. Er musste sich verhört haben. „Ich glaube, ich habe Euch nicht verstanden, mon Seigneur.“

Comte Faramus räusperte sich. „Ich möchte, dass Ihr Rowena ruiniert. Holt sie aus diesem Kloster und verführt sie. Geht mit ihr ins Bett. Macht es so, dass sie keine andere Wahl hat, als Euch zu heiraten …“

Monsieur, das kann ich nicht tun!“ Kein Wunder, dass Comtesse Barbara so angespannt aussah.

„Warum nicht, zum Teufel?“

Eric trat näher. „Es wäre falsch, mon Seigneur. Eure Tochter hat einen Ruf erhalten, ich kann nicht zwischen sie und ihren Glauben treten.“

„Rowena glaubt, sie hätte einen Ruf erhalten“, erwiderte Comte Faramus knapp. „Das ist nicht dasselbe, ganz und gar nicht dasselbe.“

Energisch schüttelte Eric den Kopf. „Das werde ich nicht tun.“

Der Comte bewegte die Lippen, sprach aber nicht. „Habt Mitleid, Ihr müsst es tun. Bald ist das Fest der Heimsuchung Mariens.“

Eric schien verwirrt. „Monsieur, ich sehe den Zusammenhang nicht.“

Comtesse Barbara beugte sich vor. Das Pergament raschelte. „Eric, Rowena wird an jenem Tag ihr Gelübde ablegen.“

Comte Faramus räusperte sich. „De Montfort, Rowena steht im Begriff, Novizin zu werden. Ihr müsst sie aus dem Kloster schaffen, ehe das geschieht.“

Eric trat vor und verneigte sich. In seinem Magen hatte sich ein Knoten gebildet. „Monsieur, mir ist bewusst, dass ich Euch und Comtesse Barbara eine Menge schulde, aber ich fürchte, dies hier muss ich ablehnen.“

Die Miene des Comte verfinsterte sich. „De Montfort, offensichtlich vergesst Ihr, welches Glück Ihr hattet, vor unserem Toreingang zu landen.“ Er deutete auf seine Gemahlin. „Wer außer meiner Barbara hätte ein halb verhungertes Kind aufgenommen? Wer außer Macaire hätte Euch – einen völlig Ungebildeten – unter seine Fittiche genommen und Euch ausgebildet? Ich selbst habe Euch zum Ritter geschlagen. Und Ihr habt die Unverschämtheit, mein Anliegen zurückzuweisen?“

Eric hielt stand. „Ich werde niemals die Freundlichkeit vergessen, die mir in Eurem Haushalt begegnete, Monsieur, aber Ihr habt mich gelehrt, dass es sich nicht gehört, Jungfrauen zu verführen. Es wäre falsch, die Dame Rowena zu entführen. Sie ist berufen.“

„Den Teufel ist sie.“ Comte Faramus sah Eric aus zusammengekniffenen Augen an. „Wollt Ihr nicht mehr Ländereien haben? Heiratet Rowena, und Ihr werdet selbst eines Tages der Comte sein.“

Eric holte tief Luft – er konnte kaum glauben, was er da hörte. Comte Faramus forderte ihn auf, seine Tochter zu ruinieren. Sie zu einer Ehe zu zwingen. Das war ein verzweifelter Plan. Und was noch schlimmer war – der Comte schien die Tatsache völlig zu ignorieren, dass der König der Verbindung zustimmen musste, wenn Rowena ihn heiratete.

Hatte Comte Faramus den Verstand verloren? Natürlich war es außerordentlich schmeichelhaft, dass der Comte ihn als Schwiegersohn willkommen heißen würde, ganz zu schweigen davon, dass es seine kühnsten Träume übertraf, eines Tages ein Comte zu werden – und das ihm! – aber er konnte das nicht tun.

Er warf einen Blick auf die Frau, die am Fenster saß. Ihre Miene konnte er nicht lesen. Sie hatte das Pergament zur Seite gelegt und sich über eine Stickarbeit gebeugt. Comtesse Barbara billigte doch wohl nicht diese dumme Idee, oder?

„Der König selbst hat Rowenas Wunsch zugestimmt, in ein Kloster einzutreten“, sagte Eric freundlich.

„Nun, ich bin ihr Vater, und ich habe dem nicht zugestimmt. Hört auf zu widersprechen, Montfort. Holt sie aus Sainte Marie heraus, und bringt sie dazu, Euch zu heiraten. Mir ist es egal, wie Ihr das macht, tut es einfach. Vielleicht inspiriert es Euch, wenn ich Euch sage, dass Ihr der Comte de Sainte-Colombe werdet, wenn ich sterbe.“

„Ich bedaure es wirklich, Euch enttäuschen zu müssen, Monsieur, aber ich werde das nicht tun. Es wäre ganz einfach nicht die Tat eines ehrbaren Ritters.“

„Eric, wir haben Euch ausgewählt, weil wir uns daran erinnerten, dass Ihr als Kind freundlich wart zu meiner Tochter.“

Wir? Comtesse Barbara war also in diesen lächerlichen Plan verwickelt? Eric konnte es nicht fassen. „Wenn ich mich recht erinnere, Monsieur, so habt Ihr mich vor zu viel familiärer Vertraulichkeit gewarnt. Tatsächlich habt Ihr mir verboten, mit ihr zu sprechen.“

Comtesse Barbara hielt mit ihrer Stickerei inne. „Monsieur, Ihr spielt auf den Tag an, an dem Ihr zusammen mit Rowena im Pflaumenbaum entdeckt wurdet. Dafür müsst Ihr meinem Gemahl vergeben. Er neigt dazu, übertrieben besorgt und etwas übereilt in seinen Schlüssen zu sein. Ihr dürft nicht vergessen, dass Ihr zu der Zeit jung und unerfahren gewesen seid. Ihr hattet Euch noch nicht bewährt.“

„Und nun, da ich ein Herrenhaus und ein paar Hektar Land besitze, haltet Ihr mich für geeignet?“

Comte Faramus sah ihm fest in die Augen. „De Montfort, ich selbst habe Euch ausgebildet, ich weiß, Ihr seid ein ehrenwerter Mann.“

„Was Ihr verlangt, ist unehrenhaft.“

Comtesse Barbara machte eine heftige Bewegung. „Bitte, Ihr müsst uns helfen.“

Madame, es tut mir leid, das werde ich nicht tun.“

Der Comte ließ die Schultern sinken. „Also gut, de Montfort, Ihr könnt gehen.“ Er winkte ab. „Schickt auf dem Weg nach draußen Breon herauf.“

Comtesse Barbara wirkte beunruhigt. Eric beschlich ein überaus unwohles Gefühl. Was würde als Nächstes geschehen? Er sagte sich, dass das nicht seine Angelegenheit sei, und war schon auf halbem Wege zur Tür, als er sich wieder daran erinnerte, dass Macaire etwas davon gesagt hatte, welch Hohn es wäre, wenn Breon in die Kemenate ginge. Offensichtlich wusste Macaire davon, dass der Comte entschlossen war, seine Tochter aus dem Kloster zu holen, und die Vorstellung, dass sie an Breon weitergereicht wurde, gefiel ihm nicht.

Eric sah Rowenas Gesicht vor sich, wie er es das letzte Mal gesehen hatte, so schön in seiner Unschuld. Die Vorstellung, dass dieses süße Kind ein Leben lang dazu gezwungen sein würde, ein Dasein in Breons Gesellschaft zu fristen, war abstoßend. Eric hatte immer den Eindruck gehabt, dass sie vor diesem Mann Angst hatte. Bei dem Gedanken wurde ihm übel. Dieses Kind mit dieser Kröte – das würde einfach nicht gehen.

Vielleicht würde Breon ablehnen. Vielleicht.

Ganz kurz schloss Eric die Augen. Er machte sich etwas vor. Es bestand keine Chance, dass Breon sich die Gelegenheit entgehen lassen würde, die Erbin von Sainte-Colombe zu heiraten.

Rowena, dieses reizende Mädchen, dazu verdammt, Breon zu heiraten?

Besser ich als er.

Eric machte auf dem Absatz kehrt und sah seinem früheren Dienstherren direkt ins Gesicht. „Ihr würdet ihr Breon aufzwingen?“

„Da Ihr offenbar nicht der Mann seid, für den ich Euch gehalten habe, ja. Breon weiß, wem gegenüber er loyal sein muss. Ich bin zuversichtlich, dass er keine so große Enttäuschung sein wird.“

Monsieur, das könnt Ihr unmöglich ernst meinen.“

Comte Faramus sah ihn grimmig an. „Jemand muss sie heiraten. Ich will verdammt sein, bevor ich zusehe, wie meine Ländereien Armand in die Hände fallen.“

„Armand?“

„Armand de Velay, ein entfernter Cousin.“

Eric begann zu verstehen. Wenn das einzige Kind des Comte den Schleier nahm, würde Sainte-Colombe diesem Cousin zukommen. Außer, Rowena heiratete.

Comte Faramus kniff die Lippen zusammen. „Glaubt Ihr, wir hätten nicht versucht, sie zu überreden? Rowena ist das eigensinnigste Geschöpf der gesamten Christenheit. Sie will keine Vernunft annehmen.“

Eric hatte Rowena nie eigensinnig erlebt. Ihm kam der Gedanke, dass sie ihrem Vater ähnlich war, wenn das stimmen sollte. Klugerweise hielt er zu diesem Thema seine Zunge im Zaum und sagte nur: „Monsieur, meiner Ansicht nach mag Rowena Breon nicht.“

Comte Faramus zog eine Braue hoch. „So? Breon wird schon noch ihr Einverständnis erlangen.“

Eric runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Ja, vielleicht wird er das. Breon ist kein sanfter Mann. Monsieur, habt Ihr daran gedacht, mit welchen Methoden er versuchen könnte, sie zu überreden?“

„Breon wird meine Wünsche befolgen. Schickt ihn herein.“

Mon Seigneur, Rowena möchte Nonne werden.“

Tant pis. Auf die eine oder andere Weise wird sie heiraten.“ Seufzend schlug Faramus Eric auf die Schulter. „Nichts für ungut, Montfort. Ich werde Euch das nicht nachtragen.“

„Wartet.“ Eric hob eine Hand. Er wusste nicht genau warum, aber die Vorstellung, dass Breon sich Rowena aufdrängte, war ihm unerträglich. Natürlich war der Gedanke verlockend, eines Tages der Herr von Sainte-Colombe zu werden, aber es war die Vorstellung, dass Rowena in Breons Hand war, die ihn dazu veranlasste zu akzeptieren. „Ich werde es tun.“

Barbara schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns. Hätte Eric in diesem Augenblick geblinzelt, er hätte es verpasst. Seltsamerweise machte dieses Lächeln ihm Mut. Dadurch erkannte er, dass das Ganze ihre Entscheidung gewesen war. Comtesse Barbara wollte ihn für ihre Tochter haben. Nie hätte Eric daran gedacht, eine Frau zur Ehe zu zwingen, ganz zu schweigen von Rowena, aber wenn er sich nicht einverstanden erklärte, dann würde es zweifellos Breon tun. Das musste Eric ihr ersparen.

Der Comte sah ihn aus funkelnden Augen an. „Seid Ihr einverstanden?“

„Ja.“ Eric überlegte rasch. Ein Einverständnis würde Zeit verschaffen. Offensichtlich war Comte Faramus noch nicht so weit, Rowenas Entscheidung zu akzeptieren, ins Kloster einzutreten. Das war verständlich, das Wissen, dass sein Cousin seine Ländereien erben würde und nicht seine Tochter, musste schwer erträglich sein. Mit der Zeit würde Rowenas Vater sicher zu Verstand kommen.

Eric musste zugeben: Es schmeichelte ihm, dass Comte Faramus und Comtesse Barbara beschlossen hatten, zuerst ihm diesen außergewöhnlichen Vorschlag zu unterbreiten. Das zeigte ein hohes Maß an Vertrauen. An Zustimmung. Comte Faramus war ein harter Mann, unerbittlich und entschlossen, aber seine Tochter musste er lieben.

Und da saß Comtesse Barbara und lächelte ihr kleines Lächeln. Eric sah ihr in die Augen. „Ich werde Eure Tochter gut behüten“, sagte er. Allerdings würde er sie nicht heiraten. Das konnte er nicht. Es wäre ein Sakrileg, sich zwischen Rowena und ihren Ruf zu stellen.

„Ich weiß“, murmelte Comtesse Barbara.

„Ich bin nicht sicher, ob sie sich an mich erinnert.“

„Das wird sie.“ Comtesse Barbara beugte sich wieder über ihre Näharbeit.

Ja, wenn Eric Rowena entführte, würde er sie beschützen können. Und wenn Comte Faramus dann Vernunft angenommen hatte, würde er sie in die Abtei zurückbringen. Irgendwann musste der Comte ein Einsehen haben. Nicht einmal ein hoher Herr wie er konnte die Patentochter des Königs zu einer Heirat zwingen.

„Unter diesen Bedingungen werde ich es tun“, sagte Eric. „Ich werde sie nicht verletzen. Und Ihr müsst mir Euer Wort geben, dass Ihr Euch nicht einmischt.“

Comte Faramus strich sich über den Bart. Eine Pause entstand. „Ja, ja, ich werde alles Euch überlassen.“

Mit einer Verbeugung verließ Eric das Zimmer.

Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, legte Barbara ihre Näharbeit beiseite. „Ich habe dir gesagt, er wird einverstanden sein.“

„Für einen Moment war ich ernsthaft besorgt, dass er sich wirklich weigern würde. Rowena ist ein eigensinniges Frauenzimmer, aber der Himmel weiß, dass ich ihr nicht Breon wünschen würde.“

„Breon wünsche ich keiner Frau“, bemerkte Comtesse Barbara. „Ich wusste, Eric würde einwilligen, wenn er das hört. Er hat ein gutes Herz.“

„Das hat nichts mit seinem Herzen zu tun. Waisenkinder sind immer die treuesten Gefolgsleute.“

„Faramus!“

„Mach dir nichts vor, Barbara, für de Montfort ist dies die Chance seines Lebens. Er war ein Findelkind. Mit dem Herrnhaus hat er es gut getroffen, aber er will mehr Macht und mehr Land.“

„Er will Rowena.“

Comte Faramus sah seine Frau mitleidig an und schüttelte den Kopf. „Barbara, du hast zu viele Balladen gehört. Dieser Junge will Land, es geht ihm nur um Land.“

Comtesse Barbara sah ihren Ehemann an und schwieg.

Am nächsten Morgen im Kloster Sainte Marie kleidete sich Rowena de Sainte-Colombe so rasch an, wie sie nur konnte. „Beeil dich, Berthe“, sagte sie.

Draußen schien die Sonne. Rowena hielt es keinen Augenblick länger im Haus aus. Sie lebte nur für ihre morgendlichen Ausritte, oder besser gesagt – sie lebte für diese kurzen Momente am Tag, wenn sie so tun konnte, als könnte sie ihr Leben selbst bestimmen. Misstrauisch beäugte sie die Tür zu ihrer Zelle, wie immer befürchtete sie, dass eine der Nonnen auftauchen und sie daran hindern würde, sich an der frischen Luft zu bewegen.

„Jawohl, Madame.“

Berthe fuhr fort, ihr das Haar zu einem einfachen Zopf zu flechten, und Rowena versuchte nicht zusammenzuzucken. Berthe schien eine Ewigkeit zu brauchen, um ihren Kopf mit dem grauen Schleier zu bedecken, der sich schickte für ein Mädchen, das bald das erste Gelübde ablegen würde. Sie rückte ihn zurecht und schob eine goldene Haarsträhne darunter.

Madame, bitte sitzt still. Um ein Haar hätte ich Euch mit einer Nadel gestochen.“

„Es tut mir leid, Berthe. Ich will unbedingt nach draußen.“

Berthe zupfte ein letztes Mal an dem Schleier und trat zurück, um ihr Werk zu bewundern. „So. Ihr seht reizend aus, Madame. Bereit, der Welt entgegenzutreten.“ Dann wurde ihre Miene traurig. „Nicht, dass das eine Rolle spielen würde. Sie werden Euch bald genug in diesen Mauern einsperren. Und all dieses schöne Haar abschneiden. Wenn Ihr mich fragt – das ist ein Verbrechen, Madame.“

Rowena sah sie an. „Es gefällt dir hier nicht, oder?“

Berthe sah sich in der Kammer um. Wegen des hohen Ranges ihrer Herrin war der Raum größer als die meisten anderen, groß genug, um Platz für ein Bett für Rowena und eines für Berthe zu bieten. Die Wände hatte man grob verputzt und gekalkt. Der einzige Schmuck war ein hölzernes Kruzifix, das an der Wand gegenüber Rowenas Bett hing.

Berthe zuckte mit den Schultern. „Was ich denke, spielt keine große Rolle, oder, Madame? Ihr seid diejenige, die hierbleiben wird, nicht ich.“

Rowena spürte einen Kloß im Hals. „Das stimmt.“

Sie nahm ihre Reitgerte zur Hand. Gern hätte sie Berthe gebeten, mit ihr im Kloster zu bleiben. Das Problem war, dass Berthe an dem Klosterleben offenbar keinen Gefallen fand, eher im Gegenteil. Das war schade, denn Rowena mochte Berthe, und die Damen durften in diesem Kloster eine Zofe haben, auch wenn sie nicht so bezeichnet wurden. Aber Berthe zeigte keine Anzeichen für eine Berufung. Tatsächlich schien sie diesen Ort ebenso sehr zu hassen, wie sie selbst es tat …

Rowena holte tief Luft. Nein! Was dachte sie da nur? Sie hasste es nicht hier. Es war still. Friedlich. Das Leben in einem Kloster war weitaus ruhiger als das in einem Schloss. Im Kloster war es eine Frau, die die Anweisungen gab, und hier hatte Mutter Pauline definitiv die Befehlsgewalt. Die wenigen Männer, die durch dieses Tor treten durften – ein paar Gärtner, die Pferdeknechte –, würden es nie wagen, sie zu verärgern. Innerhalb dieser Mauern hatten ohne jeden Zweifel die Frauen das Sagen.

Rowena war hin und her gerissen. Aller Welt hatte sie erzählt, dass sie Nonne werden wollte, jedem hatte sie erklärt, sich berufen zu fühlen. Ihr Vater war weniger ein religiöser als vielmehr ein praktisch veranlagter Mann, und sie hatte mit ihm kämpfen müssen, um hierherzugelangen. Sie starrte auf ihre Reitgerte, ohne sie zu sehen. Bald schon würde sie das erste Gelübde ablegen. Der Bischof würde ins Kloster kommen, um die Messe zu lesen an dem Morgen des Festes der Heimsuchung Mariens, und danach würde ihr das Gewand der Novizin angelegt werden.

Für einen Moment schloss sie die Augen. Sie hatte eine Berufung, natürlich hatte sie die. Aber sie wäre nicht menschlich, wenn sie nicht hin und wieder Zweifel verspüren würde. Sie hatte so viel aufwenden müssen, um als Nonne anerkannt zu werden, wie sollte sie jetzt zugeben, dass sie nicht so gut hierherpasste, wie sie es sich vorgestellt hatte? Das Problem war – ihr Vater wollte, dass sie heiratete. Und sie würde niemals heiraten können; die Wunde, die Mathieus Tod verursacht hatte, war zu tief. Er war so sanft gewesen, so freundlich. Nie würde sie vergessen, wie sie stundenlang zusammen auf der Wiese am Fluss gesessen, geredet und einander Blumenkränze geflochten hatten.

Madame, stimmt etwas nicht?“

Rowena packte die Reitgerte fester und betete um Durchhaltevermögen. Sie musste dies schaffen. Bei ihrer Ankunft im Kloster war sie ganz erfüllt gewesen von der Idee, den Schleier zu nehmen. Sie war zu sehr mit ihrer Trauer beschäftigt gewesen, um eine Heirat mit Comte Gawain zu erwägen, und das Kloster war ihr als einziger Ausweg erschienen. Das war ein Aufbegehren gegen eine Welt, in der sie als bewegliche Habe angesehen wurde, mit der nach den Wünschen ihres Vaters verfahren und die verheiratet werden konnte. Anfangs war das Leben hier befriedigend gewesen. Aber jetzt …

Trotz ihrer anfänglichen Entschlossenheit, den Schleier zu nehmen, wurde sie immer unsicherer, was ihre Entscheidung betraf. Die Tage vergingen so langsam. Die Stille, die ihr einst so angenehm friedlich erschienen war, wirkte jetzt wie die Stille des Grabes.

„Madame?“ Berthe nahm ihren Arm und sah ihr tief in die Augen. „Gott sei Dank, Ihr habt erkannt, dass Ihr nicht dafür bestimmt seid, den Schleier zu nehmen.“

„Nein. Nein!“

„Doch, das habt Ihr, ich kann es an Eurem Gesicht sehen. Ihr habt Eure Meinung geändert.“

Rowena schüttelte heftig den Kopf und griff nach dem Riegel an der Tür. „Das bildest du dir ein.“

„Das glaube ich nicht. Seht Euch doch an, wie sehr Ihr Euch danach sehnt, den Klostermauern zu entkommen.“ Berthe schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Das ist keine Schande, Madame. Tatsächlich ist es besser festzustellen, dass Ihr nicht ins Kloster passt, ehe Ihr das Gelübde ablegt. Deswegen haben sie darauf bestanden, dass Ihr einige Zeit bei ihnen verbringt, ehe Ihr Novizin werdet. Es ist eine Art Prüfung. Ihr wollt nach Hause, Ihr wollt wieder Comtesse Rowena sein. Euer Vater wird nicht böse sein, er hasst die Vorstellung, dass Ihr hier vermodert.“

„Mein Vater hasst die Vorstellung, dass sein Cousin Armand sein Land bekommen soll.“ Und er wird mich nicht zu einer Ehe zwingen, die ich nicht will. Ich werde Nonne.

Rowena öffnete die Tür und trat über die Schwelle. Ihr war durchaus bewusst, dass die Monate, die sie in Sainte Marie verbracht hatte, eine Art Prüfung waren. Aber Berthe irrte sich, wenn sie glaubte, Rowena könnte es kaum erwarten, in ihr früheres Leben zurückzukehren. Rowena de Sainte-Colombe würde gezwungen sein, nach den Wünschen ihres Vaters zu heiraten, und sie weigerte sich zu heiraten. Sie vermisste Mathieu. „Du irrst dich, Berthe. Du irrst dich. Ich sehe, dass du es hasst, hier zu sein, aber du darfst nicht davon ausgehen, dass ich das auch tue. Das Leben hier ist besser als das Leben im Schloss. Es mag nicht so aufregend sein, aber es ist friedlich. Und das ist alles, was ich verlange. Ich möchte mein Haupt dort niederlegen, wo Frauen die Verantwortung tragen.“

Als Rowena den Gang hinuntereilte, rief Berthe ihr nach: „Wenn Ihr erst das Gelübde abgelegt habt, werden sie Euch nicht einfach so ausreiten lassen, wenn Euch danach zumute ist. Und sie werden Euch das Haar abschneiden.“

Einer der Stallburschen hatte Lily gesattelt, Rowenas graue Stute, und wartete bei ihrer Ankunft im Stall bereits auf sie. „Danke, Aylmer“, sagte Rowena und führte Lily zu dem Aufsitzblock.

Aymler schwang sich auf ein anderes Pferd. „Wohin heute, Madame? Reiten wir in die Stadt?“

„Heute nicht. Heute möchte ich nach Norden reiten.“

„Wie Ihr wünscht, Madame.“

Rowena und Aylmer ritten im Schritt durch die Tore und schlugen den Pfad ein, der durch die Obstgärten führte. Es beunruhigte Rowena, dass ihre Stimmung sich nicht so hob, wie es gewöhnlich geschah. Sie betrachtete Lilys Kopf und runzelte die Stirn.

Wie Nonnen durften Novizinnen keine anderen Besitztümer haben als ihren Habit, ihr Kreuz und ihr Gebetbuch. Wenn Rowena das Gelübde abgelegt hatte, würde Lily nicht mehr ihr gehören, sie würde dem Kloster gehören. Rowena spürte einen Kloß im Hals und schluckte. Sie hatte Lily als Fohlen bekommen und war froh, dass sie nicht richtig voneinander getrennt sein würden. Trotzdem würde sie die Ausritte vermissen. Novizinnen war es nicht erlaubt, sich so auf dem Gelände des Klosters zu bewegen, wie sie es in den letzten Wochen getan hatte.

Rowena beugte sich vor und streichelte den Hals des Tieres. „Lily, du bist ein Teil meiner Mitgift für das Kloster. Bald wirst du allen Nonnen der Gemeinschaft gehören. Vielleicht werde ich dich nicht mehr reiten dürfen, aber ich werde dich noch immer jeden Tag sehen können.“

Lily spitzte die Ohren, als würde sie zuhören.

Das Kloster und die Stadt lagen jetzt hinter ihnen, und der Weg wand sich gleichmäßig zwischen den Apfelbäumen hinauf. Die Hauptstraße war noch ungefähr eine Meile entfernt. Zwei Reiter standen auf dem Gipfel der Anhöhe. Sie blickten hinab auf das Kloster.

Ein Ritter und sein Knappe? Rowena hielt die Zügel fester. Es war ein Bauchgefühl, das ihr sagte, dass es ein Ritter und sein Knappe waren, die sie dort sah, aber sie war sicher, dass sie recht hatte, obwohl die Reiter, so weit sie es beurteilen konnte, keine Farben trugen. Um ihre Gesichter zu erkennen, waren sie zu weit entfernt. Sie nahm das Aufblitzen von Sporen wahr – ja, der größere Mann war definitiv ein Ritter – und spürte einen Anflug von Unbehagen. Er hatte dunkles Haar. Nur zu gern hätte sie sein Gesicht gesehen, aber es ließ sich aus der Ferne nicht erkennen.

Der Ritter saß auf einem Grauschimmel, einem Hengst. Rowena ertappte sich dabei, ihn anzustarren. Sie kannte ihre Pferde, und der Hengst auf der Anhöhe erinnerte sie an einen Grauschimmel, den sie vor Jahren in den Stallungen ihres Vaters gesehen hatte. Nur wenig beunruhigt – sie befand sich noch immer auf dem Gebiet des Klosters, und wenn dies ein Reiter ihres Vaters war, dann hatte sie sicher nichts zu befürchten – ritt sie den Hügel hinauf.

Als sie zusammen mit Aylmer näher kam, setzte der Ritter seinen Helm auf, und jetzt verspürte Rowena wieder Unbehagen. Der Mann trug kein Kettenhemd, nur ein Gambeson aus braunem Leder, und die Art und Weise, wie er den Helm aufsetzte – es war beinahe so, als wollte er nicht erkannt werden. Der Hengst, der von starker Hand gehalten wurde, tänzelte ein wenig zur Seite.

Im Näherkommen blickte Rowena den Knappen an, ein Junge von vielleicht fünfzehn Jahren. Er hatte ehrliche braune Augen und einige Sommersprossen auf der Nase. Er sah aus wie ein Chorknabe, der Soldat spielte. Dieses Mal erschien ihr irgendetwas definitiv vertraut. Als sie auf einer Höhe mit dem Knappen war, zügelte Rowena ihr Pferd. „Kenne ich dich?“

Der Junge errötete bis über beide Ohren und schluckte hörbar. Mit einer Hand hielt er den Knauf seines Schwertes umklammert. Ob sie ihn nun kannte oder nicht, bei der Art, wie er sie ansah, fröstelte es Rowena.

Das Pferd des Ritters machte einen Schritt, und dann spürte Rowena eine große Hand an ihrem Arm, die sie mit eisernem Griff festhielt. Rowena ließ die Zügel los und versuchte, sich zu befreien. „Wie könnt Ihr es wagen! Lasst mich sofort los!“

Aylmer schrie auf. „Madame!“

Der Ritter packte sie fester. Rowena hob ihren freien Arm, und Lily schnaubte und wich seitlich aus.

Rowena sah, wie der Knappe auf Aymler zuritt, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, sich zu befreien, als dass sie dem viel Aufmerksamkeit hätte schenken können. Dann hörte sie einen dumpfen Laut und wieder Aylmers Stimme, schwach und voller Verzweiflung. Madame!“

Der arme Aymler lag auf dem Boden, sein Schwert einige Schritte von ihm entfernt. Der Chorknabe hatte seine Waffe auf ihn gerichtet.

Der Ritter ergriff auch Rowenas freie Hand und begann sofort, ihr die Handgelenke auf dem Rücken zu fesseln. Kalte Furcht ergriff sie. Wütend zog und zerrte sie, aber es war ihr nicht möglich, das Gesicht hinter dem Visier des Helmes zu erkennen, sie sah nur ein Paar grüne Augen aufblitzen. Als sie zu schreien anfing, hielt der Ritter ihr den Mund zu.

Ihr Herz hämmerte, als sie versuchte, den eisernen Griff abzuschütteln. Dann, gerade als sie dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, wurde sie aus dem Sattel gezerrt und fand sich bäuchlings vor dem Ritter wieder, als wäre sie ein Sack Weizen. Der Kerl hatte sie quer über den Sattel gelegt.

Das Zaumzeug klirrte, als das Pferd sich in Bewegung setzte. Der Ritter entführte sie! Ihr stieg das Blut in den Kopf, sie sah, wie sich die Vorderbeine des Grauschimmels bewegten, der Boden unter ihr – das Gras, Gänseblümchen, eine Butterblume …

„Wer seid Ihr?“, stieß sie hervor, durchgeschüttelt von den Bewegungen des Pferdes. So zornig sie auch war, war sie doch davon überzeugt, dass dieser Mann irgendetwas mit Jutigny zu tun hatte. Wer war er?

Er legte ihr eine große Hand auf den Rücken. Sie spürte, wie er ihren Gürtel packte und sie festhielt. „Keine Angst, ich werde Euch nichts tun. Ihr seid in Sicherheit.“

Sie wusste, sie hatte keine Chance gegen ihn, und ihr entfuhr ein Schluchzen.

Madame, Ihr seid nicht in Gefahr. Ich gebe Euch mein Wort darauf.“ Erstaunlicherweise klang sein Tonfall beruhigend.

„Lass mich herunter!“

„Ich lasse Euch hinunter, wenn wir nicht mehr in Sichtweite des Klosters sind. Bleibt ruhig, Madame.“

2. KAPITEL

Eric hielt die zornige Rowena mit festem Griff. Um ein Haar hätte er sie nicht erkannt, als sie im Obstgarten auf ihn zugeritten war. Wie lange war es her, seit er sie zuletzt gesehen hatte? Zwei Jahre? Drei? Inzwischen musste sie achtzehn Jahre alt sein.

Rowena de Sainte-Colombe war ein hübsches Kind gewesen, und Eric hatte gehört, dass sie zu einer schönen Frau herangewachsen war. Doch nichts hatte ihn vorbereitet auf diesen Anblick, schlank und elegant selbst in dem schlichten Kleid und dem Schleier, wie man sie nur in einem Kloster trug. Das Grau, das ihre Erscheinung hätte unauffällig machen sollen, tat nichts dergleichen. Vielmehr betonte es eine Schönheit, die einfach atemberaubend war. Ihre Augen wirkten strahlender, blauer, als es in ihrer Kindheit der Fall gewesen war. Ihre Haut war makellos, perfekt, und was ihre Lippen betraf – Himmel, Eric hatte noch nie einen Mund gesehen, der derart verführerisch zum Küssen einlud.

Das ist der Mund einer Frau, die Nonne werden will, ermahnte er sich und hielt sie am Gürtel gepackt. Ein Mund, der nichts anderes wollte als Litaneien aufsagen und Psalme singen. Diese Frau hatte das Leben in einem Kloster dem einer Comtesse de Meaux und eines Tages auch der Comtesse de Sainte-Colombe vorgezogen. Als sie auf ihn zugekommen war, hatte sie zweifellos sehr sittsam gewirkt. Sittsam und unnahbar. Von dem sorglosen Kind, das er gekannt hatte, war nichts zu sehen gewesen.

Als sie so dahinritten, flatterte Rowenas grauer Schleier wie ein Banner. Eric unterdrückte ein Lächeln. Jetzt sah sie nicht mehr so sittsam aus. Er hatte Angst, der Schleier könnte sich in Captains Beinen verwickeln, und beugte sich vor, um ihn zur Seite zu schieben. Dabei stellte er fest, dass er noch mehr in der Hand hielt. Rowenas blondes Haar, das zu einem ordentlichen Zopf geflochten war, lag unter dem Stoff. Das Band, das den Schleier hielt, glitt aus dem Haar, und die langen, goldenen Strähnen lösten sich.

Eric hielt den Schleier fest, zügelte das Pferd und blickte über die Schulter zurück. Er sah, dass Alard aus dem Sattel gesprungen war und Rowenas Burschen in Schach hielt. Die Zügel seines Pferdes hatte der Junge sich über den Arm gelegt, die beiden anderen Pferde, das Rowenas und das ihres Burschen, grasten friedlich unter einem der Apfelbäume.

Eric nickte Alard zu, das war das Zeichen, das sie zuvor vereinbart hatten.

„Geh“, sagte Alard und ließ von dem armen Burschen ab.

Der zögerte und rieb sich den Schädel. Seine Miene war schmerzerfüllt. „Was ist mit der Dame Rowena?“

Alards Schwert blitzte im Sonnenlicht auf, als er sich vorbeugte. „Geh. Dein Schwert kannst du nachher holen.“

Der Bursche stolperte zu den Pferden beim Apfelbaum.

„Nimm dein Pferd mit. Lass das der Dame Rowena stehen!“, rief Eric. Er war sicher, der Bursche würde berichten, was geschehen war, sobald er das Kloster erreicht hatte. Eric verließ sich darauf, dass er das tat. Die Nachricht würde sofort nach Jutigny weitergegeben werden, und Comte Faramus würde wissen, dass er seine Tochter hatte. Breon würde nicht ins Spiel kommen.

Alles lief genau so, wie Eric es geplant hatte.

Es war beinahe zu einfach, vor allem, nachdem Eric festgestellt hatte, dass Rowena die Angewohnheit, jeden Morgen auszureiten, nicht abgelegt hatte. Er wusste, dies würde der beste Zeitpunkt sein, um zuzuschlagen. Und da es heller Tag war, hatte er vermutet und gehofft, dass sie kaum ängstlich sein würde. Natürlich war sie beunruhigt über das, was jetzt geschehen war, und sobald sie außer Sichtweite des Klosters sein würden, würde er ihr abermals versichern, dass sie nicht in Gefahr war.

Eric sah zu, wie der Bursche mit seinem Pferd zum Tor ritt, und verzog das Gesicht. Es war bedauerlich, dass er eine Beule am Kopf davongetragen hatte, aber es schien nicht schlimm zu sein. Zweifellos würde er das Kloster bald in Aufruhr versetzt haben.

Unbehaglich betrachtete er die Frau, die vor ihm über dem Pferd lag. Obwohl Rowena zweifellos eine erwachsene Frau war, war sie immer noch sehr zart. Zierlich. Eine Weile würde sie ihm misstrauen, aber das war immer noch besser, als eine Gefangene Breons zu sein. Als er merkte, dass sein Blick zu lange auf der sanften Rundung ihrer Hüfte verharrte, trieb er Captain zum Schritt an und wandte sich in Richtung der Haselnusssträucher auf der anderen Seite des Hügels. Dort, im Schutz des Grüns, würde er sie absetzen und versuchen, ihr alles so gut wie möglich zu erklären.

Eric freute sich nicht gerade auf den Augenblick, da er den Helm abnehmen musste. Sie würde ihn erkennen, schließlich war er jahrelang einer der Ritter im Haushalt ihres Vaters gewesen. Als Comtesse Barbara gehört hatte, dass Comte Faramus Erics Bitte, lesen und schreiben lernen zu dürfen, abgelehnt hatte, hatte sie die Missbilligung ihres Gatten in Kauf genommen und Eric erlaubt, am Unterricht ihrer Tochter teilzunehmen. Rowena und er hatten sich damals recht gut gekannt.

Er würde dafür sorgen, dass sie verstand, dass sie sich für eine Weile vom Kloster fernhalten musste. Dann würde er sie in sein Haus in Montfort zurückbringen, und dort würden sie abwarten, bis Comte Faramus sich besonnen hatte. Obwohl die Vorstellung, Rowena zu heiraten und eines Tages der Comte de Sainte-Colombe zu werden, in vieler Hinsicht etwas Verlockendes hatte, konnte er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, sie zu einer Heirat zu zwingen.

Rowena spürte, wie der Kerl, der sie entführt hatte, ihren Schleier und ihr Haar mit festem Griff hielt. Die Sporen des Ritters funkelten, und sein Pferd begann zu traben. Es fiel ihr schwer, Luft zu bekommen – mit jedem Schritt des Pferdes wurde ihr der Atem aus den Lungen gepresst. Vermutlich hätte sie dankbar sein sollen, dass der Ritter einen gewöhnlichen Sattel benutzte und nicht einen, der im Kampf verwendet wurde. Sonst hätte sie über einem großen Knauf gelegen, und dann wäre es unmöglich gewesen, überhaupt Luft zu holen.

Er hat das geplant. Was wird er mit mir machen? Kann das wirklich einer der Ritter meines Vaters sein? Vater wird ihn umbringen!

Dass es keinen hohen Knauf gab, war nur ein schwacher Trost, als der Weg sie bergauf führte. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und raubte ihr ebenso sehr den Atem wie der Sattel, der ihr gegen die Rippen drückte. Ihr ging durch den Kopf, welche Ironie in ihrer Situation lag – eben noch hatte sie sich nach etwas mehr Aufregung gesehnt! Sie drehte den Kopf ein wenig, um besser sehen zu können, rang bei der Anstrengung nach Luft und stellte fest, dass sie das kleine Wäldchen erreicht hatten. Schatten zeichneten sich als dunkle Flecke auf dem Gras ab, als sie auf die Haselnusssträucher zuhielten.

„Haltet still, Madame. Es ist nicht mehr weit“, sagte der Ritter.

Gleich darauf blieb der graue Hengst tatsächlich stehen, und der Ritter saß ab.

„Mit Eurer Erlaubnis, Madame“, sagte er.

Rowena spürte warme Hände an ihren Hüften, und dann wurde sie halb vom Pferd gezogen, halb gehoben und neben einem Baum auf die Füße gestellt. Ihr Schleier fiel zu Boden. Das Haar hing ihr in die Augen. Der Ritter trug noch immer seinen Helm, das Visier war geschlossen, sodass sie sein Gesicht nicht erkennen konnte. Abgesehen von dem Helm und seinen Sporen war er wie ein Jäger gekleidet mit dem braunen Gambeson über einer blauen Tunika und ebensolchen Beinlingen. Er überragte sie deutlich. Entschlossen, sich von seiner Körpergröße nicht einschüchtern zu lassen, holte Rowena bebend Atem und blickte ihn an.

„Mein Vater wird Euch töten“, sagte sie. „Ich weiß, Ihr seid einer seiner Ritter. Ihr könntet den Anstand besitzen, Euer Gesicht zu zeigen.“

Er schüttelte den Kopf. Einzig seine Augen waren zu sehen. Sein Blick war warm und unvergesslich. Rowena erinnerte sich gut an diese Augen, sie waren grün und hatten Flecke, die in manchem Licht wie Gold glitzerten und in manchem wie Bernstein. Hier in dem Wäldchen wirkten sie golden.

Sie starrte ihn mit offenem Mund an. „Eric?“ Ihre Gedanken überschlugen sich. Eric de Monfort stand schon seit ein paar Jahren nicht mehr in den Diensten ihres Vaters, aber er war tatsächlich ein Ritter auf Jutigny gewesen. Als Liebling Macaires hatte er früh seine Sporen gewonnen. Dann hatte er bei einem Turnier sein Haus errungen. Kurz danach war er aus dem Dienst ihres Vaters ausgeschieden – ein Ritter mit Landbesitz musste keinem anderen Mann ständig zur Verfügung stehen.

Erics Erfolg hatte Rowena gefreut. Es gab einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Leben eines Ritters mit Land und dem ohne Land. Ein Ritter, der Grund und Boden besaß, besaß auch ein gewisses Maß an Unabhängigkeit, er hatte Einnahmen, auf die er zählen konnte, und einen Ort, den er sein Zuhause nennen konnte. Für jemanden wie Eric – ein Findelkind – musste das viel bedeuten. Wäre Eric landlos geblieben, wäre sein Leben völlig anders verlaufen. Er hätte rasch wechselnde Vereinbarungen mit Männern wie ihrem Vater getroffen und leicht als kaum mehr als ein bezahlter Söldner enden können. Landlose Ritter, die zu alt oder zu müde zum Kämpfen waren, endeten oft in der Gosse. Das hätte sie sich für Eric nicht gewünscht.

Finster blickte sie ihn an, sie hatte ihn gemocht. Was ungewöhnlich war. Als er ein Junge gewesen war, hatte sie für ihn geschwärmt. Ehe er das Gut gewonnen hatte und fortgegangen war, hatte sein Anblick sie mit geheimen Sehnsüchten erfüllt. Sicher hatte er sich nicht so sehr verändert? „Ich verlange, dass Ihr meine Fesseln löst.“

„Ihr werdet nicht schreien oder versuchen, zum Kloster zurückzulaufen?“

„Nein.“ Sie reckte das Kinn. „Jedenfalls nicht sofort.“

Seine Augen funkelten, und Rowena fiel noch etwas anderes ein, das Eric betraf. Er konnte sehr charmant sein, wenn er wollte. Die Dienstmägde hatten ihn angehimmelt. Sie drehte sich um und kehrte ihm den Rücken zu, sodass er ihre Fesseln erreichen konnte. Sie spürte seine Finger an ihren Handgelenken.

„Haltet still, ich will Euch nicht schneiden.“

Die Stricke gaben nach. Rowena wandte sich wieder um, rieb sich die Handgelenke und sah ihn noch einmal finster an.

„Warum tut Ihr das, um Himmels willen?“ Fieberhaft suchte sie nach einer möglichen Erklärung. Dies war Eric – er hatte mit ihr gespielt, als sie Kinder gewesen waren, und sie hatten zusammen lesen gelernt. Es fiel ihr schwer, Böses von ihm zu denken. „Handelt es sich um eine Wette?“

Er presste die Zähne aufeinander. Dann deutete er auf einen von der Sonne beschienenen Fleck und breitete seinen Umhang auf dem Boden aus. „Bitte setzt Euch.“

Rowena blieb stehen und tappte mit dem Fuß. „Bitte?“

„Keine Wette.“ Er hielt ihrem Blick stand. Über ihnen raschelte das Laub in einer Brise. Lichtreflexe zuckten über sein Haar.

Sie blickte den Hügel hinunter. „Was wurde aus Aylmer?“

„Das ist Euer Bursche?“

Sie nickte. „Habt Ihr ihm etwas getan?“

„Aylmer wird inzwischen sicher ins Kloster zurückgekehrt sein.“

Vor Verwunderung runzelte sie die Stirn. „Ihr wisst aber, dass Aylmer meinen Vater benachrichtigen wird?“

„Ich hoffe doch sehr, dass er das tun wird.“

„Seid Ihr verrückt? Mein Vater wird Euch umbringen.“

Ein etwas schiefes Lächeln breitete sich langsam über sein Gesicht, und Eric schüttelte den Kopf. „Das bezweifle ich. Ihr müsst wissen, dass ich dies auf Geheiß Eures Vaters tue.“

Sie spürte, wie sie erbleichte. „Vater hat Euch gebeten, mich zu entführen?“

„Bitte, Madame.“ Wieder deutete Eric auf den Umhang. „Setzt Euch, und ich will mich bemühen, alles zu erklären.“

Rowena hatte es die Sprache verschlagen, und sie ließ sich auf seinen Umhang sinken. Ihr Vater hatte Eric gebeten, sie zu entführen? Ihr Vater?

Eric setzte sich neben sie auf den Boden und stützte die Arme auf die Knie. Rowena bemerkte das dunkle Haar auf seinen Unterarmen und ertappte sich dabei, dass sie ihn musterte. Sie wusste nicht mehr, wann sie ihn zuletzt gesehen hatte, und manches an ihm hatte sich verändert, während anderes noch immer so war wie früher. Er sah älter aus, obwohl sie noch Spuren des Jungen entdeckte, den sie gekannt hatte. Seine Züge waren markanter geworden – das Kinn, die Nase, die Lippen. Ein Kribbeln machte sich in ihrem Bauch bemerkbar, und sie löste den Blick von seinem Mund. Sein Haar war so dick wie eh und je, dunkles Braun mit rötlichen Lichtern, in denen sich das Licht fing, wenn er sich bewegte. Er hatte breite Schultern, wirkte stark und sehr viel männlicher als früher. Ein Mann, ein richtiger Mann. Es gab nicht viele Männer, die Rowena mochte, und seit sie im Konvent lebte, war sie nicht mehr in Gesellschaft von Männern gewesen, die so stark waren wie Eric. Es fühlte sich seltsam an. Merkwürdigerweise nicht so beunruhigend, wie sie es sich vorgestellt hatte, immerhin kannte sie ihn seit vielen Jahren. Verwundert wurde ihr klar, dass die Angst, die sie verspürt hatte, wie weggeblasen gewesen war, als sie sein Gesicht gesehen hatte. Noch immer klopfte ihr Herz viel zu schnell – mehr vor Aufregung denn vor Furcht. Sie fühlte sich lebendiger als in den Wochen zuvor.

Außer – ihr fiel nur ein Grund ein, aus dem Eric sie entführt haben könnte. Sie schluckte. „Mein Vater will nicht, dass ich das Gelübde ablege.“

„Nein.“

„Er hat Euch gebeten, mich nach Jutigny zurückzubringen?“ Gegen ihren Willen klang ihre Stimme belegt. „Er hat jemanden gefunden, mit dem er mich verheiraten will?“

Eric trat von einem Fuß auf den anderen und fühlte sich sichtlich unbehaglich. Er griff nach einem Grashalm, riss ihn ab und drehte ihn zwischen den Fingern. Finger, von denen Rowena nicht den Blick abwenden konnte – warum, wusste sie auch nicht. Eric hatte geschickte Hände mit schlanken Fingern. Es waren die Hände eines erfolgreichen Ritters, und so lange sie ihn kannte, hatten diese Hände niemals etwas Unehrenhaftes getan. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich so sehr verändert hatte, und doch war es kaum die Tat eines Ehrenmannes, sie aus dem Konvent zu entführen.

„Eric?“

„Ja?“

„Bringt mich nach Hause. Bitte.“

„Ich nehme an, mit nach Hause meint Ihr das Kloster und nicht das Schloss?“

„Ja.“

Ohne ihr in die Augen zu sehen, schüttelte er den Kopf. „Das kann ich nicht. Sosehr es mich schmerzt, das zuzugeben, aber Comte Faramus hat tatsächlich einen Mann gefunden, den Ihr heiraten sollt.“

Rowena erschauerte und schlang die Arme um sich. „Wisst Ihr – wisst Ihr, wer er ist?“

Autor

Carol Townend
<p>Carol Townend schreibt packende Romances, die im mittelalterlichen England und Europa spielen. Sie hat Geschichte an der Universität London studiert und liebt Recherchereisen nach Frankreich, Griechenland, Italien und in die Türkei – historische Stätten inspirieren sie. Ihr größter Traum ist, den Grundriss einer mittelalterlichen Stadt zu entdecken, die einzelnen Orte...
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