Verführt von einem Scheich

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Scheich Kadens Berührung versetzt Julia in heftige Erregung. Seit ihrer letzten Begegnung vor zwölf Jahren ist er noch attraktiver geworden! Sie kann seinen Verführungsversuchen einfach nicht widerstehen. Bis sie schockiert entdeckt, dass er bald heiratet. Allerdings nicht sie!


  • Erscheinungstag 14.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739744
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Der Emir von Burquat. Seine Königliche Hoheit Scheich Kaden Bin Rashad al Abbas.“

Kaden ließ den Blick über die im Ballsaal des exklusiven Londoner Royal Archaeology Club versammelten Gäste schweifen, deren ungeteilte Aufmerksamkeit sich sofort auf ihn richtete. Es machte ihm nichts aus, angestarrt zu werden. Er kannte es nicht anders. Lässig eine Hand in der Hosentasche haltend schritt er die eleganten Marmorstufen hinunter und beobachtete mit unbewegtem Gesicht, wie sich die Menschen, die sich beim Starren ertappt fühlten, schnell abwandten. Oder besser gesagt: Die Männer wandten sich ab. Den Frauen fiel es schwerer, einige verschlangen ihn geradezu mit Blicken – auch die vollbusige Serviererin, die am Fuß der Treppe wartete, um ihm ein Glas Champagner zu reichen. Ihr kokettes Lächeln blieb jedoch unerwidert, denn Kaden nahm das Glas und sah weg. Die Kleine war viel zu jung für sein abgeklärtes Herz.

Schon als Teenager hatte er gemerkt, dass er eine gewisse Anziehungskraft auf Frauen ausübte. Wenn er seine markanten Gesichtszüge im Spiegel betrachtete, fragte er sich allerdings, ob es der Damenwelt nur darum ging, ein zärtliches Lächeln auf seine spöttische Miene zu zaubern. Früher war er nicht zynisch gewesen, doch das war so lange her, dass er sich kaum noch daran erinnern konnte. Vielleicht hatte er es auch nur geträumt.

In diesem Moment fiel sein Blick auf eine blonde Frau, die sich deutlich von den dunkelhaarigen Gästen abhob. Sein Körper reagierte sofort. Immer noch. Nach so langer Zeit! Kaden verfluchte sich für diesen unwillkürlichen Reflex, der von einer Erinnerung ausgelöst worden war, die kaum mehr als ein flüchtiger Traum gewesen war. Dann wandte er sich erleichtert dem Geschäftsführer des Clubs zu, der auf ihn zueilte.

Julia Somertons Herz raste, ihr wurde schwindlig.

Kaden.

Hier.

Im selben Raum!

Würdevoll schritt er die Treppe hinunter und verschwand in der Menge – obwohl er die meisten Menschen überragte. Doch der erste Eindruck von ihm, wie er dort oben einer eleganten dunkelhaarigen Gottheit gleich den Ballsaal überblickte, hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt. In ihrem Herzen bewahrte sie sein Bild schon seit Jahren, trotz aller Versuche, es auszulöschen.

Als seine Ankunft verkündet worden war und Julia erstaunt aufgeblickt hatte, war ihr sofort aufgefallen, dass er noch immer so blendend aussah wie bei ihrer ersten Begegnung. Groß, breitschultrig, dunkelhaarig, exotisch – mit den markanten Gesichtszügen eines Mannes, dessen Vorfahren seit Menschengedenken in dem kargen, unwirtlichen Land Burquat überlebt hatten. Selbst aus der Entfernung nahm der Blick seiner fast schwarzen Augen sie gefangen. Sie waren so dunkel, dass man sich in ihnen zu verlieren glaubte. Und war ihr nicht genau das passiert?

Seltsam, auch nach all den Jahren hatte er noch immer diese Wirkung auf sie. Genau genommen waren seit ihrer letzten Begegnung zwölf lange Jahre ins Land gegangen. Inzwischen hatte sie eine Scheidung hinter sich und war vieler Illusionen beraubt worden. Das idealistische junge Mädchen von damals gab es nicht mehr!

Sie war gerade zwanzig Jahre alt geworden, als sie Kaden – wenige Wochen vor seinem zwanzigsten Geburtstag – zum letzten Mal gesehen hatte. Damals hatte sie ihn gern damit aufgezogen, dass er etwas mit einer „älteren“ Frau hatte.

Allein die Erinnerung daran versetzte ihrem Herzen einen schmerzhaften Stich. Als Julia erschrocken zusammenzuckte, fragte einer der umstehenden Kollegen besorgt: „Alles in Ordnung, Julia? Du siehst plötzlich kreidebleich aus.“

Mit bebender Hand stellte Julia ihr Glas auf einen Tisch und antwortete heiser: „Es ist nur die Hitze. Ich gehe kurz an die frische Luft.“

Blicklos bahnte sie sich einen Weg zwischen den dicht gedrängten Gästen hindurch zu den Terrassentüren, hinter denen sich ein gepflegter Garten auftat. Sie registrierte nur am Rande, dass der Kollege sie bat, sich nicht zu weit zu entfernen. „Du musst doch gleich deine Rede halten.“

Sobald sie auf die Terrasse trat, atmete sie tief ein und aus. Sie fühlte sich schwach und hatte das Gefühl, neben sich zu stehen. Offenbar hatte sie einen Schock erlitten! Außerdem schien sich an diesem schwülen Abend Mitte August ein Gewitter zusammenzubrauen. Die Luft über der Stadt war schwül. Dunkle Wolken waren heraufgezogen und kamen bedrohlich näher.

Der Garten des Royal Archaeology Club war berühmt für seine exotischen Pflanzen, die Archäologen von ihren abenteuerlichen Reisen aus aller Welt mitgebracht hatten und die von den Gärtnern des Clubs liebevoll gehegt und gepflegt wurden. Doch Julia nahm diese Pracht gar nicht wahr. Sie klammerte sich so fest an die Brüstung, dass die Knöchel gespenstisch weiß hervortraten. Vor ihrem geistigen Auge lief ein Film bittersüßer Erinnerungen ab.

Verzweifelt drängte sie die aufsteigenden Tränen zurück. Aus heiterem Himmel überkam sie das Gefühl, einen schmerzlichen Verlust erlitten zu haben. Wie hatte alles so falsch laufen können? Sie war zweiunddreißig Jahre alt und stand, wie manche sagen würden, in der Blüte ihres Lebens, aber sie selbst hatte eher den Eindruck, ihre besten Jahre lägen bereits hinter ihr. An dem Tag vor zwölf Jahren, als ihre Maschine vom Flughafen des auf der Arabischen Halbinsel gelegenen Emirats Burquat abgehoben war, war etwas in ihr gestorben. Zwar hatte sie ihr Studium abgeschlossen und sogar promoviert, geheiratet und ihren Ehemann auf ihre Weise geliebt, doch sie hatte nie wieder richtig tief empfunden. Der Grund dafür befand sich im Ballsaal hinter ihr – bedrohlich und unheilvoll. Sie hatte ihn so sehr geliebt!

„Dr. Somerton, es wird Zeit für Ihre Rede.“

Der dringliche Tonfall riss Julia aus ihren Gedanken. Mühsam gelang es ihr, neue Kräfte zu mobilisieren. Sie atmete noch einmal tief durch, dann drehte sie sich um. Mit Spannung wurde im Ballsaal ihre fünfzehnminütige Rede erwartet – und sie würde sie in dem Wissen halten müssen, dass er da war und ihr zusah.

Falls er sich überhaupt an mich erinnert.

Vielleicht hatte er sie auch längst vergessen. Julia presste die Lippen zusammen. Sicher hatte er genug Frauen gehabt, um sich nicht im Detail an jede zu erinnern. Verheiratet war er auch gewesen. Leider musste sie zugeben, dass sie ebenso gut über ihn informiert war wie die Leute, die in der Mittagspause Klatschblätter verschlangen.

Möglicherweise würde er sich wundern, wieso sie ihm bekannt vorkam. Energisch unterdrückte Julia den erneuten Schmerz. Vielleicht hatte er die langen Nächte in der Wüste vergessen, in denen sie sich unter dem glitzernden Sternenhimmel wie die einzigen Menschen auf der Welt vorgekommen waren. Vielleicht erinnerte er sich nicht mehr an den ergreifenden Augenblick, als sie beide eins geworden waren. Es war für sie beide die erste Begegnung mit der körperlichen Liebe gewesen. Die anfängliche Unerfahrenheit war bald heißer Leidenschaft und unersättlichem Verlangen gewichen.

Vielleicht hatte er auch vergessen, was er ihr eines Nachts zugeflüstert hatte: „Ich werde dich immer lieben. Keine andere Frau wird jemals mein Herz so erobern wie du.“ Und vielleicht erinnerte er sich auch nicht mehr an den schrecklichen Tag, als er ihr im prachtvollen königlichen Palast von Burquat eine so kalte, distanzierte und grausame Abfuhr erteilt hatte.

Julia war sich sicher, dass sie für einen Mann wie Kaden längst in Vergessenheit geraten war. Daher widerstand sie dem Impuls, den altehrwürdigen Club fluchtartig zu verlassen. Stattdessen setzte sie ein Lächeln auf und folgte ihrem Kollegen zurück in den Ballsaal. Dabei versuchte sie verzweifelt, sich zu erinnern, worüber sie eigentlich reden sollte.

„Ach, Scheich Kaden, da sind Sie ja. Dr. Julia Somerton wird gleich ihren Vortrag halten. Sie hat in Burquat für ihre Abschlussarbeit geforscht. Vielleicht kennen Sie sich von damals? Inzwischen ist sie dafür zuständig, Drittmittel für archäologische Forschungen weltweit zu verwalten.“

Kaden musterte den rotgesichtigen Mann, der sich durch die Menge zu ihm vorgearbeitet hatte, und nickte vage. Der Geschäftsführer hatte ihn eingeladen, weil er sich davon Spendengelder erhoffte. Kaden versuchte zu verbergen, wie sehr es ihn schockiert hatte, den Namen Julia zu hören, und redete sich ein, es könne sich gar nicht um dieselbe Frau handeln. Zwar war er in Burquat nie wieder einer Julia begegnet, aber schließlich kamen viele ausländische Studenten in sein Heimatland. Und sein Interesse an Ausgrabungen war schlagartig erloschen, nachdem Julia das Emirat verlassen hatte.

Welch eine Ironie des Schicksals, dass er bei seinem ersten Ausflug in die Welt der Archäologie nach zwölf Jahren wieder auf eine Julia treffen musste. Diese hier hieß allerdings Somerton, nicht Connors. Vielleicht hatte sie inzwischen geheiratet. Er war ja schließlich auch verheiratet gewesen. Beim Gedanken an seine Ehe stieg kalte Wut in ihm auf, die er jedoch sofort im Keim erstickte. Er gehörte eigentlich nicht zu den Menschen, die sich ständig mit der Vergangenheit befassten.

Und doch wurde er jetzt wieder mit ihr konfrontiert. Falls es sich wirklich um Julia handelte. Urplötzlich schlug sein Herz schneller. Das Stimmengewirr im Saal verstummte. Die Welt schien für einen Sekundenbruchteil stillzustehen, als Kaden die schlanke Frau im schwarzen Cocktailkleid erblickte, die soeben die Stufen zum Podium heraufstieg. Julia! Sie war es tatsächlich! Sofort erinnerte er sich, dass er sie aus erotischer Lust auf ein Podest gehoben und gerade noch rechtzeitig erkannt hatte, dass sie dort nichts zu suchen hatte. So war ihm der größte Fehler seines Lebens erspart geblieben.

Schnell schüttelte er die verstörend lebhaften Erinnerungen ab und musterte die Julia von heute. Ihre rauchige Stimme hatte ihn schon bei ihrer ersten Begegnung fasziniert. Damals trug sie ein T-Shirt und staubige enge Jeans, das lange Haar fiel ihr lockig über die Schultern. Eine Art Tropenhelm schützte ihr Gesicht vor der brennenden Sonne. Ihre natürlich-sinnliche Figur hatte ihm die Sprache verschlagen. Und jetzt war sie womöglich noch schöner. Ihr Gesicht war schmaler geworden und die Wangenknochen traten stärker hervor. Die runden mädchenhaften Züge waren verschwunden und auch ihr Körper war schmaler geworden, doch der V-Ausschnitt ihres Kleides ließ ein verführerisches Dekolleté erahnen. Im Gegensatz zur Julia von damals wirkte die Frau auf dem Podium fast zerbrechlich.

Mit dem neunzehnjährigen Mädchen, das er in der staubigen Wüste getroffen und dessen Anblick sich unauslöschlich in seiner Erinnerung eingebrannt hatte, war diese elegante Erscheinung wirklich nicht zu vergleichen. Ihr langes blondes Haar war im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden; ein tiefer Seitenscheitel verlief bis hinter das Ohr, sodass ihr das Haar schräg über die Stirn fiel. Doch auch das elegante Äußere konnte nicht verhindern, dass ein erotischer Film vor Kadens geistigem Auge ablief und ihn in Erregung versetzte.

Sonderbar, dass er so heftig auf eine Exgeliebte reagierte! Es war ihm unbegreiflich. Allerdings musste er widerstrebend zugeben, dass keine andere Frau nach Julia ihn je wieder so erregt hatte. Nur bei ihr hatte er völlig die Kontrolle über sich verloren – jedes Mal. Nie wieder hatte die Eifersucht ihn fast zerfressen, so wie damals, als er Julia in den Armen eines anderen Mannes überrascht hatte, der sie geküsst, seinen Körper an ihren gepresst hatte. Auch dieses Bild quälte ihn jetzt. Er war zu benommen sich zu fragen, was das zu bedeuten hatte.

Diese Frau hatte ihn gelehrt, nie wieder seinen natürlichen Bedürfnissen zu folgen, sondern stets auf seinen Verstand zu hören. Doch bei ihrem Anblick geriet dieser Vorsatz empfindlich ins Wanken. Die Heftigkeit, mit der die Erinnerungen auf ihn einstürmten, verwirrte ihn. Es machte ihn geradezu wütend, dass Julias bloße Anwesenheit solche Emotionen entfesseln konnte.

Als eine Bemerkung von ihr plötzlich amüsiertes Gelächter bei den Zuhörern hervorrief, presste Kaden wütend die Lippen zusammen. Angespannt erklärte er dem Geschäftsführer, der noch immer neben ihm stand, er bräuchte frische Luft, und verließ den Saal durch die offenen Terrassentüren. Sowie Julia ihre Rede beendet hat, verschwinde ich und vergesse dieses Wiedersehen, nahm er sich wütend vor.

Julia verließ das Podium. Fast hätte sie bei ihrem Vortrag den Faden verloren, als Kaden, der die meisten Anwesenden überragte, sie vom anderen Ende des Ballsaals mit loderndem Blick durchbohrt hatte und dann plötzlich nach draußen gestürzt war, als hätte er sich über eine ihrer Bemerkungen geärgert. Nur durch äußerste Selbstbeherrschung war es ihr gelungen, ihre plötzliche Verunsicherung zu überspielen und ihren Vortrag fortzusetzen.

Der Vorfall hatte ihr jedoch so zugesetzt, dass sie sogar froh war, als ihr Vorgesetzter von der Fundraising-Stiftung zu ihr eilte und sie besitzergreifend unterhakte. Normalerweise achtete sie darauf, die Distanz zu ihm zu wahren. Seit ihrer Scheidung vor einem Jahr gab Nigel ihr immer deutlicher zu verstehen, dass er sich für sie interessierte, obwohl Julia nicht auf seine Annäherungsversuche einging. Heute Abend brauchte sie jedoch jede Unterstützung. Wenn der schier endlose Small Talk überstanden war und sie endlich verschwinden konnte, könnte sie sich vielleicht einreden, Kaden wäre gar nicht da gewesen.

Nigel redete aufgeregt auf sie ein, als er sie vom Podium wegführte. Doch der Geräuschpegel im Saal war so hoch, dass Julia kein Wort verstand. Die Gäste sprachen eifrig dem Champagner zu, der gratis ausgeschenkt wurde. Auch Julia sehnte sich nach einem Glas, vielleicht würde sie der Alkohol etwas beruhigen. Doch Entspannung war ihr nicht vergönnt, denn entsetzt musste Julia feststellen, dass Nigel sie direkt zu dem großen schwarzhaarigen Mann an der Terrassentür führte, den sie am liebsten ignoriert hätte. Genau wie damals reichte Kadens dichtes lockiges Haar ein wenig zu lang über den Kragen seines Sakkos.

Wie ein aufsässiges Kind versuchte sie stehen zu bleiben, doch Nigel zog sie einfach weiter und flüsterte ihr zu: „Er ist ein Emir. Ich habe keine Ahnung, wie man ihn anreden muss. Am besten sagen wir einfach ‚Eure Hoheit‘, damit können wir nichts falsch machen. Es wäre ein echter Coup, ihn für die Stiftung zu gewinnen.“

Im Bruchteil einer Sekunde erinnerte sich Julia an die erste Begegnung mit Kaden. Sie hatte erst seit zwei Wochen an der Ausgrabungsstätte gearbeitet und noch mit der enormen Hitze gekämpft, als sie aus dem Augenwinkel ein Paar Männerschuhe wahrgenommen hatte. Ohne aufzublicken, hatte sie den Träger der Schuhe ärgerlich angeherrscht: „Keinen Schritt weiter! Sonst stehen Sie gleich auf einem etwa dreitausend Jahre alten Fossil.“

Der Mann gehorchte. Mit tiefer, leicht fremdländisch klingender Stimme fragte er zuckersüß: „Begrüßen Sie alle Menschen so enthusiastisch?“

Julia biss die Zähne zusammen. Seit ihrer Ankunft stand sie im Mittelpunkt männlichen Interesses – wie sie sich illusionslos eingestand, vermutlich allein deshalb, weil sie blond und die einzige Frau unter fünfzig war.

„Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin!“

Die Schuhe bewegten sich keinen Millimeter und erneut ertönte die Stimme, dieses Mal in arrogantem, vorwurfsvollem Tonfall. „Das gibt Ihnen nicht das Recht, den Kronprinzen zu ignorieren. Ich erwarte Ihre volle Aufmerksamkeit, wenn ich mit Ihnen spreche!“

Bestürzt legte Julia die Bürste hin. Sie hatte völlig vergessen, dass der Emir mit einigen wichtigen Begleitern die Ausgrabungsstelle besuchen sollte – und mit seinem Sohn! Geblendet von der Sonne sah sie höher und höher hinauf zu dem großen breitschultrigen Mann, der über ihr stand. Alles, was sie in dem gleißenden Licht von ihm erkennen konnte, war seine Silhouette. Langsam zog sie die Handschuhe aus und richtete sich auf. Vor ihr stand der unwiderstehlichste Mann, den sie je gesehen hatte. Seine Körpergröße und die breiten Schultern wurden von dem weißen Gewand noch betont. Unter einem Turban lugten pechschwarze Locken hervor, die sich bis über den Kragen kräuselten. Und dann diese hypnotisierenden dunklen Augen! Völlig überwältigt hatte Julia den Helm abgenommen und eine Hand zur Begrüßung ausgestreckt …

„Und das ist Dr. Somerton, deren Vortrag Sie gerade gehört haben. Ihre Aufgabe in der Stiftung besteht darin, sicherzustellen, dass die Spendengelder auch tatsächlich an den jeweiligen Ausgrabungsstätten ankommen.“

Die Vergangenheit verband sich mit der Gegenwart; Julia streckte automatisch die Hand aus und begegnete Kadens Blick, dem sie gern ausgewichen wäre. Gleichzeitig fesselte sie sein Anblick: Kaden trug einen dunklen Anzug und ein blütenweißes Hemd mit offenem Kragen und hob sich dadurch von den anderen formeller gekleideten Gästen ab. Er sah unwiderstehlich aus, aber auch geheimnisvoller und gefährlicher als jeder andere Mann im Club.

Seine jugendliche Erscheinung hatte er sich bewahrt, und er strahlte unbändige Vitalität und erotische Anziehungskraft aus, die noch anziehender und kraftvoller waren als damals. Julia wurde schwindlig. Sein Gesicht wirkte markanter und hatte alles Weiche verloren. Der Nasenrücken war seit einem Bruch leicht gekrümmt, was Kaden erst recht gefährlich erscheinen ließ. Julia erinnerte sich schaudernd, wie er bei der Ausübung des Nationalsports von Burquat zu der Verletzung gekommen war.

Bei genauerem Hinsehen entdeckte sie auch die Linien, die seine Gesichtszüge harscher erscheinen ließen. Wann mochten die entstanden sein? Unwillkürlich ließ sie den Blick weiter nach unten gleiten. Sein Mund war unverändert – sinnlich und vollkommen mit der volleren Unterlippe und der wunderschön geschwungenen Oberlippe. Hingerissen hatte sie deren Konturen immer wieder mit dem Finger nachgezogen. Heißes Verlangen flammte in ihrem Bauch auf. Und mit der Zunge. Beim Anblick dieses sinnlichen Mundes wurde auch die zynischste Frau schwach und sehnte sich danach, diesen Mann zu erobern.

Bestürzt stellte Julia fest, wie stark dieser Wunsch sie beherrschte. War es denn möglich, dass sie diesen Mann auch nach all den Jahren wieder begehrte?

Noch immer schwebte ihre Hand in der Luft, während Kaden sie genauso unbeweglich ansah wie sie ihn. Kein höfliches Aufblitzen zum Zeichen des Wiedererkennens, stattdessen eine unglaublich angespannte Atmosphäre. Er hatte sie erkannt, freute sich aber nicht über das Wiedersehen. Diese Erkenntnis durchzuckte Julia, als Kaden schließlich ihre schmale Hand in seine große nahm. Bei der Berührung explodierte ein wahres Gefühlsfeuerwerk in ihrem Körper.

Seine gute Erziehung verbot es ihm, Julias ausgestreckte Hand zu ignorieren, auch wenn ihm das lieber gewesen wäre. Also umschloss er sie und biss die Zähne zusammen, um sich gegen den Körperkontakt zu wappnen. Natürlich funktionierte das nicht! Sowie er ihre zarte Hand in seiner spürte, wollte er impulsiv den Daumen zwischen ihren Daumen und Zeigefinger schieben, einer sinnlichen Liebkosung gleich. Er sehnte sich danach, jeden Millimeter ihrer Handfläche mit seinen Fingern zu erforschen.

Mit allen Sinnen wollte er diese Frau aufs Neue kennenlernen. Durch den Körperkontakt geriet Kaden in einen sinnlichen Strudel biblischen Ausmaßes. Verblüfft überlegte er, wann ein einfacher Händedruck je ein so überwältigendes Verlangen in ihm entfesselt hatte.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: vor zwölf Jahren an einem glutheißen Nachmittag auf einer staubigen Ausgrabungsstätte, als dieselbe Frau schüchtern gelächelt und ihm die Hand gereicht hatte! Zu Kadens großem Verdruss löste sich in diesem Moment sein Vorsatz in Wohlgefallen auf, diese Frau einfach zu ignorieren, denn über ihm schlug eine Welle unbezwingbarer Lust zusammen.

2. KAPITEL

Julia hatte das Gefühl, der Boden schwanke unter ihren Füßen. Kaden machte keine Anstalten, ihre Hand freizugeben, und sie selbst brachte nicht die Energie auf, sie ihm zu entziehen. Sein zweideutiger Blick weckte heißes Verlangen in ihr. Verzweifelt versuchte sie, die schmerzliche Sehnsucht zurückzudrängen. Doch die Tatsache, dass sie Kaden gegenüberstand, überforderte sie völlig und machte sie praktisch willenlos.

Der intensive Ausdruck in Kadens dunklen Augen verschwand so schnell, wie sie ihn entdeckt hatte. Seine Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf die Gesellschaft, in der sie sich befanden. Julia hatte alles um sie beide herum völlig vergessen und erschrak, als Kaden ihre Hand so plötzlich losließ, als hätte er sich verbrannt. Sie fröstelte und widerstand dem Impuls, ihren Körper schützend mit den Armen zu umfassen.

Nigel übernahm nervös die Vorstellung. „Seine Königliche Hoheit, der Emir von Burquat.“ Erwartete er etwa einen Hofknicks von ihr? Julia unterdrückte ein hysterisches Kichern und fing Kadens Blick auf, der nun wieder auf ihr lag.

„Dr. Somerton.“

Seine Stimme klang so vertraut, aber seltsam kühl.

Erst jetzt bemerkte Julia den kleinen rotgesichtigen Mann, der neben Kaden stand. Es handelte sich um den Geschäftsführer des Clubs. Wie von weit her vernahm sie seine Stimme.

„Kennen Sie sich schon, Dr. Somerton? Sie haben sich doch zu Studienzwecken in Burquat aufgehalten.“

Ein heftiger Schmerz durchzuckte Julia bei der Erinnerung. Hilfe suchend schaute sie Kaden an.

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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