Versuchung auf der Luxusjacht

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

30 Tage weder Sex noch Skandal - das müsste doch zu schaffen sein! Nur so kann Gideon seinen Playboy-Ruf loswerden und einen riesigen Deal landen. Er lädt seinen Kunden auf einen glamourösen Segeltörn über das Mittelmeer ein, wo er garantiert sicher ist. Doch falsch gedacht! Denn an Bord trifft er auf die unerhört sinnliche Leonie Branson, die Besitzerin der Luxusjacht … Sein 30-Tage-Ultimatum ist plötzlich in Gefahr, denn Leonie ist die pure Versuchung!


  • Erscheinungstag 02.04.2020
  • Bandnummer 35
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751895
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Prolog

Gideon

Großtante Flo lief in meinem Büro auf und ab.

Fünfundsiebzigjährige, ganz gleich, wie munter sie noch sein mochten, sollten drei Monate nach einer doppelten Hüftimplantation nicht so auf und ab marschieren.

Normalerweise hatte ich nichts gegen ihre spontanen Besuche, denn von allen meinen Blutsverwandten war sie die Einzige, die ich länger als fünf Minuten ertragen konnte. Was gut war, denn ich liebte jede Falte an ihr.

Und normalerweise beruhte die Zuneigung auf Gegenseitigkeit.

Heute jedoch lag in jedem Blick, den sie mir aus ihren hellblauen Augen zuwarf, Enttäuschung – und zwar in einem beunruhigenden Maße.

Mein Nacken verspannte sich.

Ich ging im Stillen die Liste meiner Verfehlungen durch, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte – verdammt, es gab einige –, und war rechtzeitig wieder im Hier und Jetzt, um ihren melodramatischen Seufzer zu hören.

„Dass man dich einen draufgängerischen Playboy genannt hat, bringt das Fass zum Überlaufen.“

Ich widerstand der Versuchung, die Augen zu verdrehen. „Das ist absurd, Tante Flo. Erstens bin ich definitiv kein ‚Boy‘. Wären wir nicht miteinander verwandt, würde ich jetzt die Hose herunterlassen und es dir beweisen.“

Nelly, Tante Flos treue Assistentin, hustete und verschüttete den Tee, den sie gerade einschenkte.

Tante Flo schnalzte mit der Zunge. „Gideon Alexander Mortimer, die Angelegenheit ist ernst. Und nein, diesmal kannst du dich nicht mithilfe deines Charmes herauswinden.“

Ich stieß mich von der Schreibtischkante ab, an der ich gelehnt hatte, und zog einen Sessel heran. „Bitte setz dich, Flo. Mir wird sonst ganz schwindelig.“

„Weil du schon wieder einen Kater hast?“, fragte sie spitz.

Ich hatte keinen Kater, und ihr scharfer Ton brachte mich aus der Fassung. Für gewöhnlich war Florence Jane Mortimer, die von ihren Liebsten Flo genannt wurde, ein sanftmütiger, nachsichtiger Mensch, der meinen schrägen Humor schätzte. Heute offenbar jedoch nicht.

„Nein, ich bin nicht verkatert“, erklärte ich wahrheitsgemäß. Allerdings hätte ich mehr als die zwei knappen Stunden Schlaf gebrauchen können nach dem Telefonat mit Vadim Ilyev, dem russischen Geschäftsmann, dessen Verzögerungstaktik bei unserem Milliarden-Pfund-Deal mir das Leben in den vergangenen Monaten zur Hölle gemacht hatte.

Merke: Fange nach Mitternacht niemals ein Gespräch mit einem kompromisslosen Russen an.

Der Vorstand ist mit seinem Latein am Ende.“

Ich horchte auf. „Was?“ Jetzt ging es ums Geschäft. Dingen, die die Firma betrafen, schenkte ich immer meine ganze Aufmerksamkeit.

Sie schürzte die Lippen, während sie die Teetasse von Nelly entgegennahm, und trank vornehm einen Schluck. „Die Mortimer Group ist ein traditionsreiches englisches Familienunternehmen und blickt auf eine lange makellose Geschichte zurück.“

„Ja, deren letztes Kapitel vor sechs Jahren ohne Happy End geschrieben worden wäre, wenn ich mich nicht eingemischt hätte“, murmelte ich leise vor mich hin.

„Sei kein Angeber, Gideon. Du weißt genau, dass ich für eingebildete Männer nichts übrig habe.“

Meine Miene verfinsterte sich weiter. „Was ist los, Flo? Normalerweise erzählst du jedem, der es hören will, wie großartig meine Leistungen sind.“

Sie nahm einen weiteren anmutigen Schluck und wich meinem Blick beharrlich aus. „Der Vorstand hat genug von deinen außerbetrieblichen Mätzchen.“

„Bedeutet ‚außerbetrieblich‘ nicht genau genommen, dass es sich dabei um meine Privatangelegenheiten handelt?“, konterte ich so sachlich wie möglich.

„Nicht, wenn man der Chef eines milliardenschweren Unternehmens ist.“

Jetzt fing ich an, auf und ab zu gehen.

In jüngster Zeit waren Unmutsäußerungen über meinen Lebensstil laut geworden, der harte Arbeit und wilde Partys beinhaltete, und den ich nicht so bald aufzugeben gedachte. In Anbetracht der Tatsache, dass ich ganz allein das Unternehmen aus den roten Zahlen geholt und in ein unfassbar profitables Unternehmen verwandelt hatte, war dieser Unmut nur hinter meinen Rücken geäußert worden. Niemand wagte es, Gideon Mortimer offen für das zu kritisieren, was er tat, wenn er nicht gerade das profitabelste Bauunternehmen der westlichen Hemisphäre lenkte.

Außerdem war Tante Flo bisher mein Bollwerk gegen all diesen Unsinn gewesen. Als fünffach Geschiedene war gerade sie Skandale und Klatsch gewohnt und empfing auch mit fünfundsiebzig noch gelegentlich Herrenbesuch in ihrem Haus in Fitzrovia. Sie unterstützte mich auch deshalb, weil sie auf diese Weise ihren anderen verklemmten Nichten und Neffen den schon leicht arthritischen Mittelfinger zeigen konnte.

Darüber hinaus war sie die Einzige, die wusste, was wirklich in jener Nacht vor drei Jahren mit Damian passiert war. Und sie war dabei gewesen, als Penny die letzte seelenzerfetzende Bombe hatte platzen lassen.

Sie allein verstand, weshalb ich für ganze sechs Monate aus der Bahn geworfen war – dass mein Leben zerstört worden war. Ohne ihre Einmischung säße ich jetzt womöglich wegen Mordes an meinem Cousin im Gefängnis. Sie behielt mein Geheimnis für sich, nutzte ihre Kontakte, damit die schlüpfrigen Details und die Gründe meines Zusammenbruchs nicht an die Öffentlichkeit drangen.

Hätte ich sie nicht schon vorher verehrt, dann spätestens nachdem sich der Rauch verzogen und ich erkannt hatte, dass mein Leben noch nicht vorbei war.

Der üble doppelte Verrat verfolgte mich noch immer. Die Dämonen wurden nur stiller, wenn ich sie mit einer willigen Frau und Single Malt Whisky verdrängte. Offenbar war das jedoch für einige scheinheilige Mitglieder meiner Familie inakzeptabel. Ich verbarg ein grimmiges Lächeln und fragte mich, ob sie ebenfalls so hyperkritisch gewesen wären, wenn sie den Grund für mein Verhalten gekannt hätten.

„Vor allem, da du in vier Monaten dreiunddreißig wirst …“

Mist, ich musste mich wirklich konzentrieren. „Was hat denn mein Alter damit zu tun?“

„Du bist kein Junge mehr. Sie wollen eine deutliche Veränderung sehen, mehr Vernunft, sonst …“

„Sonst was? Werden sie andernfalls meinen Bonus halbieren?“ Wen interessierte das? Ich besaß mehr Geld, als ich in zwei Leben hätte ausgeben können. Außerdem hielt ich dreiundzwanzig Prozent der Anteile an einem Unternehmen, das eine Milliarde wert war. Damit war ich einflussreicher als jeder andere Einzelanleger.

„Sonst werden sie in Erwägung ziehen, Harry für eine Weile das Kommando zu überlassen.“

Ich blieb unvermittelt stehen. „Harry?“ Ich musste spöttisch lachen. „Haben die den Verstand verloren? Ich habe diesem kleinen Schwachkopf alles beigebracht, was er weiß …“

„Was bedeutet, dass er einen brillanten Job machen wird. Besonders wenn er einen deiner anderen Cousins verpflichtet. Der Vorstand ist zuversichtlich, jemanden wählen zu können, der die Firma leitet, ohne dass ihnen auf Seite drei der Zeitung ständig der neueste Klatsch über dessen fragwürdigen Lebensstil entgegenspringt.“

Das war ein Schuss vor den Bug, gegen den ich wenig ausrichten konnte. Der saß.

Mein Cousin Harry war öder als eine Pfütze im Winter, ohne einen Funken Persönlichkeit und ohne nennenswertes Privatleben. Mich hätte es nicht gewundert, wenn er jeden Abend in einem seiner gebügelten braunen Anzüge ins Bett ging, die Haare ordentlich gekämmt und mit akkurater Krawatte, stets bereit, sich wie ein Roboter wieder an die Arbeit zu machen.

Das letzte Familienmitglied, das den anspruchsvollen Posten des Vorstandsvorsitzenden bekleidet hatte, hatte genau sechs Monate durchgehalten, ehe ein Nervenzusammenbruch es für einen längeren Aufenthalt in die Rehaklinik gebracht hatte.

Man hatte mich für zu jung gehalten, als ich ihnen eine Drei-Jahres-Prognose über die Situation des Unternehmens vorgelegt hatte. Hätte sich nichts geändert, wäre alles auf einen Bankrott hinausgelaufen. Ich bot ihnen an, die Mortimer Group zu retten, unter der Bedingung, dass sie mich dafür zum Vorstandsvorsitzenden machten.

In den sechs Jahren, seit ich das Kommando übernommen hatte, führte ich das Unternehmen extrem erfolgreich, verprellte dabei jedoch unglücklicherweise nicht gerade wenige Mitglieder meiner Familie.

„Seite drei gibt es nicht mehr“, sagte ich geistesabwesend, während ich gleichzeitig fieberhaft überlegte, was für meinen Posten wohl eine echte Bedrohung darstellen könnte.

Trotz seiner Defizite war Harry ein hart arbeitender und intelligenter Untergebener, doch er war nicht einmal annähernd bereit, die Führung einer Firma zu übernehmen, die ich dazu gebracht hatte, wie ein Schweizer Uhrwerk zu funktionieren. Man durfte ihm auf keinen Fall den großen Deal anvertrauen, der kurz vor dem Abschluss stand. Jener Deal, der in den vergangenen acht Monaten neunundneunzig Prozent meiner Arbeitskraft beansprucht hatte.

„Das wird verdammt noch mal nicht passieren“, knurrte ich.

Tante Flo stellte ihre Teetasse klappernd auf die Untertasse, erhob sich und richtete sich zu ihrer vollen Größe von knapp einem Meter sechzig auf. In ihrem Chanel-Kostüm mit perfektem Make-up und modisch gestyltem Haar sah sie zehn Jahre jünger aus. „Nein, wird es nicht. Denn das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist einer von Onkel Josephs Ich-hab’s-dir-doch-gesagt-Vorträgen.“

Ich hatte mich immer gefragt, wann aus dem Stock, der Onkel Joseph im Arsch steckte, eigentlich ein Baum werden würde. Mit achtundsechzig gehörte er zu den ältesten Mitgliedern des Mortimer-Clans und war vermutlich derjenige, der mich am meisten hasste. Gegen die fetten Schecks, die meine harte Arbeit ihm einbrachten, hatte er allerdings nie etwas einzuwenden, während er gleichzeitig den Lynchmob in Bereitschaft hielt, für den Fall, dass ich es richtig vermasselte – und das nicht mal im Verborgenen.

„Wenn du nicht willst, dass das passiert, solltest du deine Eskapaden einstellen. Zumindest, bis dieser Russen-Deal über die Bühne gegangen ist. Darauf haben wir uns geeinigt.“

„Moment mal, wer hat sich darauf geeinigt?“

„Heute Morgen fand eine zwanglose Familienzusammenkunft statt.“

Ich zog eine Braue hoch. „Zu der ich nicht eingeladen war?“

„Es bestand allgemein Einigkeit darüber, dass es besser sei, dich nicht mit einzubeziehen. Außerdem warst du gerade in den Sozialen Medien aufgetaucht mit der Schlagzeile ‚Kürzlich genagelt‘. Ich dachte, du brauchst deinen Schlaf.“

„Ich habe bis drei Uhr morgens mit einem störrischen russischen Oligarchen telefoniert. Glaub mir, danach hatte ich gar keine Kraft mehr, um irgendwen zu nageln.“

„Aber dir ist klar, dass es ein Muster gibt, das diese Unterstellungen nährt, oder?“, ließ sie nicht locker.

Zum ersten Mal seit Ewigkeiten konnte ich dem Blick der einzigen Person, die mir etwas bedeutete, nicht standhalten. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und trat ans Fenster.

Ich glaubte zu wissen, wer diese Fake-News gepostet hatte, und hätte ich nicht schon letzte Woche mit Mischa Schluss gemacht wegen all ihrer Macken, würde ich es spätestens jetzt tun, allein wegen ihrer dämlichen Instagram-Besessenheit.

Seufzend drehte ich mich wieder zu Tante Flo um. „Ihr hattet also ein Treffen. Und da habt ihr euch alle auf diese … widerliche kleine Erpressung geeinigt?“

Sie schürzte die Lippen. „Ich bin deine engste Verbündete, Gideon. Das weißt du. Doch selbst ich habe bemerkt, dass du in letzter Zeit ein wenig … nachgelassen hast.“

Ich knirschte mit den Zähnen, während ich mich zwang, den Mund zu halten. Ja, es stimmte, ich hatte die Handvoll exklusiver Gentlemen-Clubs, in denen ich Stammgast war, ausgiebig frequentiert. Tja, aber was machte es denn schon, dass ich nie länger als ein paar Wochen mit einer Frau zusammen war? Jeder sexuelle Kontakt stumpfte mich weiter ab. Hatte nicht irgendwer mal gesagt, die beste Methode, über mittelmäßigen Sex hinwegzukommen, sei, jemand anderen zu vögeln?

Ich verzog innerlich das Gesicht bei der Erinnerung daran und wollte nicht wahrhaben, dass die üble Wunde des Verrats erneut aufzuklaffen drohte.

„Und dich wählte man aus, die Überbringerin dieser bedeutsamen Neuigkeiten zu sein?“

Zum ersten Mal, seit sie mein Büro betreten hatte, rang sie sich ein Lächeln ab. „Ich war versucht, einen deiner Onkel zu schicken, nur um zu erfahren, welche anschauliche Beschimpfung du dir diesmal ausdenken würdest. Letztes Mal war es, glaube ich, Giraffenarsch, oder?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Onkel Conrad hätte nicht ohne anzuklopfen in mein Büro marschieren dürfen. Er hat die Aston-Martin-Vertreterin in große Verlegenheit gebracht. War ja nicht meine Schuld, dass sie ihre Präsentation höchst spärlich bekleidet gehalten hat.“

Tante Flo schüttelte den Kopf, und wir grinsten beide. Gleich darauf wurde sie wieder sachlich. „Ich liebe dich, mein Junge. Genug, um dich wissen zu lassen, wie ernst es diesmal ist. Es geht das Gerücht, einige Vorstandsmitglieder wollten sich zusammentun, um eine Aktienmehrheit zu bilden. Ich unterstütze dich gerne mit meinen sechs Prozent, aber sollte es hart auf hart kommen, wird das nicht reichen.“

„Ich kann diesen Mist nicht glauben. Durch mich haben die mehr Geld verdient, als sie jemals ausgeben können.“

Sie nickte ein bisschen traurig. „Es sind undankbare Mistkerle. Jeder Einzelne von denen. Aber sie gehören nun einmal zur Familie. Und sie sind mächtig genug, um gemeinsam zuzuschlagen. Ich will nicht, dass dir das passiert.“

„Die nehmen mein Sexleben als Geisel?“

„Nicht dein Sexleben. Sie wollen bloß keine anstößigen Schlagzeilen mehr oder Social-Media-Posts wie den von heute Morgen – alles, was den Deal gefährden könnte. Besorg dir doch einen dieser Sexroboter, die neuerdings Konjunktur haben.“

Ich schnaubte verächtlich. „Nein, danke. Wenn das meine einzige Wahl ist, lebe ich lieber im Zölibat.“

Flos sorgfältig gezupfte Augenbrauen schossen in die Höhe, bevor sie anfing zu lachen. „Sei lieber vorsichtig mit deinen Äußerungen, sonst nehmen die Anwälte das in deinen Vertrag mit auf.“

Ich stutzte. „Welcher Vertrag?“

Sie machte ein gequältes Gesicht. „Die wollen etwas Verpflichtendes, damit du die Angelegenheit ernst nimmst. Dreißig Tage ohne schädliche Publicity sollten in Ordnung sein.“

Wow, das wurde ja immer besser. „Die haben wirklich Anwälte eingeschaltet, ohne mich zu informieren?“ So etwas sollte eigentlich nicht wehtun, tat es aber doch. Auf die gleiche Weise, wie Damian mir bohrende Schmerzen bereitet hatte.

Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, warum ich nach London zurückgekehrt war. Warum ich nicht in Singapur geblieben war, als Co-Manager einer auf Hotels spezialisierten Baufirma, die ich zusammen mit meinem Bruder Bryce vor acht Jahren gegründet hatte. Stattdessen hatte ich sie mit der Mortimer Group vereint. Alles außerhalb der Glaswände dieses gigantischen Wolkenkratzers des Unternehmens ging den Bach runter, seit ich Vorstandsvorsitzender geworden war.

„Nelly, warten Sie draußen auf mich“, hörte ich Flo leise sagen. Sie wartete ab, bis ihre Assistentin den Raum verlassen hatte, ehe sie sich wieder an mich wandte. „Ich bin die Letzte, die taktlos sein möchte, aber ich werde es dir rundheraus erklären. Du läufst Gefahr, durch die Geschehnisse vor drei Jahren dauerhaft Schaden davonzutragen. Es wird Zeit, dein Leben wieder besser unter Kontrolle zu bekommen, Gideon.“

Ich ballte die Faust, und die Wut, die die Erinnerungen an damals auslösten, drohte mich zu ersticken. „Ich wurde von meinem eigenen Fleisch und Blut verraten, Flo. Von der Person, der ich am meisten vertraut habe“, brachte ich zähneknirschend hervor.

Sie legte sanft ihre Hand auf meinen Arm. „Ich weiß. Du möchtest das vielleicht nicht hören, aber du könntest die Dinge klarer sehen, wenn du etwas Abstand gewinnst.“

Sie meinte es nur gut, doch ich konnte nichts gegen die Bitterkeit in mir tun. Und der unausgesprochene Vorwurf in ihren Worten passte mir schon gar nicht. Jene Andeutung, dass ich die Fehler meiner Eltern, die ich kaum kannte, zu wiederholen drohte.

„Ich bin nicht wie meine Mutter, Flo“, erwiderte ich angespannt. „Würde ich an irgendeiner Form von Sucht leiden, würde ich wohl kaum jeden Morgen um sechs zur Arbeit erscheinen und mich für diese Familie abrackern.“ Dabei war mir klar, dass mir die Heroinabhängigkeit meiner Mutter, die sie vor zehn Jahren schließlich in der Schweiz dazu gebracht hatte, mit ihrem Maserati von einer Klippe zu rasen, als charakterlicher Makel ausgelegt wurde. „Da gibt es nichts zu heilen oder aufzugeben. Aber ich werde ihren verdammten Vertrag unterschreiben, wenn es das ist, was sie wollen. Und sobald ich diesen Deal ohne Skandal unter Dach und Fach gebracht habe, erwarte ich, dass jeder Einzelne von ihnen auf Knien angekrochen kommt und mich um Verzeihung bittet.“

„Ich werde an deiner Seite sitzen, und wir werden Cognac trinken und uns amüsieren, während sie das tun.“

Ich brachte das Grinsen, das sie erwartete, einfach nicht zustande, also nickte ich nur.

„Ich werde den Anwälten mitteilen, dass sie die Papiere heute Nachmittag fertig haben sollen, damit du unterschreiben kannst. Und jetzt mache ich mich lieber auf den Weg. Ich will zu meinem nächsten Termin nicht zu spät kommen.“ Sie stand auf und ging.

Allein in meinem Büro, stand ich am Fenster und schaute hinaus, ohne irgendetwas wirklich zu sehen.

Was zum Geier hatte ich gerade getan?

Du hast dich damit einverstanden erklärt, dich dreißig Tage lang zu benehmen. Ergo keine Partys. Keine Gentlemen’s Clubs. Kein Sex.

Keine Ablenkung von den Dämonen, die nachts hervorkrochen und mich lockten mit der Vorstellung dessen, was hätte sein können. Keine Ablenkung von der Hölle, die der Verlust der Person bedeutete, die ich einst für meinen besten Freund gehalten hatte. Grund für diesen Verlust war der Verrat, der mich nachts immer noch verfolgte. Ich ballte die Fäuste angesichts des Schmerzes, den die Erinnerung auslöste.

Ich hoffte bei Gott, dass meine bevorstehenden Leiden es wert waren. Andernfalls würden Köpfe rollen.

1. KAPITEL

Leonie. Zwei Wochen später

Kein Mann war es wert.

Ich knallte das Telefon hin und wurde noch wütender, weil ich die Beherrschung verloren hatte. Drei Tage lang hatte ich jeden Firlefanz mitgemacht, den man sich nur vorstellen konnte, und darüber hinaus noch solchen, den ich nicht für möglich gehalten hatte.

Sicher, im Falle des Erfolges wäre es der Verkauf meines Lebens. Die fünfzehn Prozent, die für mich bei diesem Deal drin waren, würden die Summe auf meinem ohnehin beachtlichen Bankkonto verdoppeln. Wichtiger war jedoch, dass es mich für die Liga all dieser arroganten, aufgeblasenen Milliardäre interessant machen würde.

Ich könnte mir glatt ein anderes Plätzchen an der Sonne suchen. Eines ohne die üblen Erinnerungen, die ich mit diesem Ort verband.

Ich schaute aus meinem Bürofenster auf den beeindruckenden Jachthafen, der wohl den meisten Menschen als das Tor zum Paradies erschienen wäre. Die meisten Leute würden ein Stück ihrer Seele dafür geben.

Ich nicht.

Für mich würde es stets der Ground Zero des schlimmsten Augenblickes meines Lebens sein. Der Ort meiner größten Demütigung. Auf jeden Fall der traurigste …

Ich schämte mich nicht zuzugeben, dass ich diesen Deal unter anderem auch wegen meines gebrochenen Herzens abschließen wollte. Ich brauchte die Arbeit, um zu heilen, und in letzter Zeit war mir aufgefallen, dass ich auf dem Weg der Genesung wohl ein paar wichtige Dinge übersehen hatte.

Die Arbeit half, bei Verstand zu bleiben, doch sobald es um anspruchsvollere Dinge ging wie Vertrauen und Gefühl oder, Gott behüte, eine weitere Chance auf Glück, versagte dieses Mittel kläglich, und sämtliche Warnlichter blinkten wieder.

Es war zu spät für den Versuch, die Bruchstücke meines Herzens nach diesem Verrat wieder zusammenzufügen, aber es war nicht zu spät, die Reset-Taste für mein restliches Leben zu drücken.

Wenn bloß dieser verdammte Klient mitspielen würde.

Ich seufzte und ließ den Blick über den Horizont schweifen.

Die Côte d’Azur im Juni wurde ihrem Klischee gerecht mit dem wolkenlosen blauen Himmel, der strahlenden Sonne, dem glitzernden Meer und all dem Geprotze. Im Jachthafen schaukelten Boote in der Hitze des Vormittags, die Millionen wert waren.

Einem Drang nachgebend, schaute ich nach links, wo jenseits der Kaimauern, eine Viertelmeile weit in tieferem Gewässer, die Superjacht dümpelte.

La Sirène.

Meine größte und bisher riskanteste Investition.

Größer als alle anderen momentan hier vertäut liegenden Boote, war sie ein unvergesslicher Anblick. Sie war der Star der Bootsausstellung vor einer Woche gewesen.

Frisch aus einer griechischen Werft kommend, bot sie wirklich einen atemberaubenden Anblick. Sie war die innovativste Jacht, die es im Moment gab, mit unvorstellbarem Luxus, der selbst Menschen mit dem gesättigtsten Appetit noch etwas zu bieten hatte.

Der Tag, an dem ich den Anruf erhalten hatte, dass meine Investition angenommen worden sei und ich damit Mitbesitzerin der großartigsten jemals gebauten Jacht war, zählte zu den stolzesten Momenten meines Lebens.

Aber ich hatte gelernt, mich nicht in sie zu verlieben. Ich hängte mein Herz nicht mehr an Dinge, schon gar nicht an solche, die ich wieder zu verkaufen versuchte.

Einer nach dem anderen waren die Interessenten abgesprungen, bis nur noch einer übrig geblieben war.

Gideon Mortimer.

Ein potenzieller Kunde, der mein Sprungbrett sein konnte zum nächsten Status-Level. Allerdings auch einer mit absurden Forderungen …

Ich erschrak, als mein Telefon klingelte. Ich nahm mir einen Moment, um tief durchzuatmen und mir eine Strähne meines blonden Haares hinter das Ohr zu streichen, bevor ich den Hörer nahm.

Branson Sales and Leasing, Leonora Branson am Apparat …“

„Sie haben aufgelegt, Miss Branson. Aber ich war noch nicht fertig“, unterbrach mich die tiefe männliche und äußerst arrogante Stimme.

Sexy war sie jedoch leider auch, was mir trotz meiner Irritation einen sinnlichen Schauer über den Rücken jagte. Ich kehrte der Aussicht vor meinem Fenster den Rücken zu und ignorierte dieses Gefühl.

„Nach zehn Minuten hatte ich keine Lust mehr, dranzubleiben und zu warten.“

Der Mann gab einen Laut von sich, als knirsche er mit den Zähnen. „Es waren weniger als fünf Minuten, und ich glaube, meine Sekretärin hat Sie darüber unterrichtet, dass ich im Lauf unseres Gesprächs möglicherweise einen Anruf entgegennehmen muss, auf den ich den ganzen Tag gewartet habe. Vielleicht benötigen Sie einen Auffrischungskurs in Kundenfreundlichkeit?“

Vielleicht brauchen Sie einen Auffrischungskurs im Menschsein.

In den sechs Jahren, seit ich gegen alle Widerstände mein eigenes Unternehmen an der südfranzösischen Mittelmeerküste gegründet hatte, bekam ich es bei meinen Kunden mit Egos jeder Kategorie zu tun und wurde mit so vielen übertriebenen Forderungen konfrontiert, dass es schon jetzt für ein ganzes Leben reichte. Gideon Mortimers Wünsche passten zu den oberen fünf Prozent.

„Zur Jacht gehört eine fünfundzwanzigköpfige Crew. Das ist mehr als angemessen für den von Ihnen gewünschten Service. Was Ihre andere Bitte betrifft, so verfügt der Kapitän über eine Helikopterfluglizenz, hat über zwanzig Jahre Flugerfahrung und kann Sie von der Jacht aus überall hinfliegen.“

„Ich bringe meinen wichtigsten Kunden an Bord, um ein Geschäft abzuschließen, an dem ich den Großteil des Jahres gearbeitet habe. Da darf absolut nichts schiefgehen.“

„Wird es auch nicht, sofern es in meinen Zuständigkeitsbereich fällt und im Rahmen der Konditionen bleibt, die ich Ihrer Sekretärin geschickt habe. Alle Ihre Forderungen werden berücksichtigt, sofern vertret- und machbar.“

„‚Unser Service ist lückenlos exzellent‘ – lautet so nicht Ihr Slogan?“

„Durchaus, und die Crew steht bereit für Sie, sollten Sie sich dazu entschließen, die Jacht zu mieten. Dazu gehören drei zusätzliche Mitarbeiter aus meinem Büro in Monte Carlo. Mehr geht nicht, sonst müsste ich dieses Büro den Sommer über schließen.“

„Dann tun Sie das.“

„Nein, das werde ich nicht. Sie sind ein potenzieller geschätzter Kunde, aber nicht mein einziger. Als Geschäftsmann werden Sie also verstehen, dass ich mich nicht bloß auf einen Kunden konzentrieren kann. Ehrlich gesagt ist Ihre Forderung nach Angestellten exzessiv. Wenn Sie in diesem Punkt nicht nachzugeben bereit sind, drehen wir uns im Kreis.“

„Als Geschäftsfrau sollten Sie wissen, dass der Erfolg manchmal davon abhängt, die eine gewagte Entscheidung zu treffen, die sich letztlich zum entscheidenden Vorteil auswirkt.“

Die Ironie des Ganzen entlockte mir ein Lächeln. Gideon Mortimer hatte keine Ahnung, wie viel ich schon allein dadurch riskiert hatte, dass ich mich dem Konsortium anschloss, das für den Bau der Jacht verantwortlich war. Und wie wichtig er für mich war, um mein nächstes Ziel zu erreichen. „Glauben Sie mir, das weiß ich. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie derjenige sind, der mich den entscheidenden Schritt weiterbringt.“ Bisher war er eher eine Nervensäge gewesen, wenn auch eine sexy klingende Nervensäge.

Die Reaktion am anderen Ende war Schweigen.

War ich zu direkt gewesen? Aufgrund meiner zierlichen Figur wurde ich oft unterschätzt, aber ich ließ mir nichts gefallen.

In Gedanken zuckte ich mit den Schultern. Wenn Gideon Mortimer sein Geschäft anderswo zum Abschluss bringen wollte, wäre das ein ziemlicher Schlag für mich. Doch meine Zukunftspläne würde es nicht gleich zunichtemachen. Es würde sie höchstens ein wenig verzögern.

Das Ziehen unterhalb meines Brustbeins war heftig, als wollte es mir ein Signal geben. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und hielt es aus.

„Ziemlich gewagt, einen potenziellen Kunden zu beleidigen“, sagte er, klang allerdings amüsiert.

„Ich setze auf klare Verhältnisse. Wenn das zu offensiv für Sie ist – ich habe Ihrer Sekretärin die Namen viel größerer Firmen gegeben, die Ihnen liefern können, was Sie wünschen.“ Diese Firmen tätigten ihre Geschäfte ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Ich machte das nicht.

„Es ist nicht die Aufgabe meiner Sekretärin, mir diese Jacht zu verkaufen, sondern Ihre. Sollten Sie sich nicht ins Zeug legen, um mich zufriedenzustellen? Oder sind Sie wirklich so unflexibel?“

„Ich bin in jeder Hinsicht flexibel. Ich war Turnerin, bevor ich an die Uni ging, und habe drei Medaillen, die das beweisen, zwei davon in Gold.“

„Und wie lange ist das her?“, wollte er wissen. „Dreißig, vierzig Jahre? Sie sind offenbar eingerostet.“

Meine Finger schlossen sich unwillkürlich fester um das Telefon, während ich im Stillen bis zehn zählte. Mir waren persönliche Informationen herausgerutscht. Dabei lautete meine oberste Regel fürs Geschäftliche, Privates außen vor zu lassen. Dazu gehörte auch, mich nicht von Kunden aus der Reserve locken zu lassen.

„Ich kann diesen speziellen geräucherten Lachs einfliegen lassen, den Sie wollen, damit er ihnen jeden Morgen zum Frühstück serviert wird. Das Gleiche gilt für den Kaviar aus Island und den Tunfisch aus Norwegen. Auch alle anderen kulinarischen Wünsche werden erfüllt, darauf haben Sie mein Wort. Außerdem kann ich die Crew auf siebenundzwanzig aufstocken, wenn das wirklich nötig ist. Dazu müsste ich Mitarbeiter aus Monaco abziehen, aber mit kluger Organisation bekäme ich das wohl hin.“

„Mein Klient bringt eine große Entourage mit, möglicherweise seine ganze große Familie. Das gilt auch für mich. Genau deshalb brauchen wir ja eine Jacht mit zwanzig Kabinen. Drei Wochen sind eine lange Zeit auf einem Boot. Da brauchen wir alle verschiedene Formen der Unterhaltung. Eine siebenundzwanzigköpfige Crew ist da knapp bemessen. Zudem haben Sie meiner Sekretärin erklärt, der Kapitän sei der Einzige, der die Jacht genau kennt. Ich werde ein erfahrenes Mitglied der Crew brauchen – denn der Kapitän wird ja wohl mit der Navigation des Bootes beschäftigt sein –, um den Fragen meines Klienten über die Jacht zur Verfügung zu stehen. Dies ist Ihre einmalige Chance, eine Vermietung in einen Kauf zu verwandeln. Möglicherweise bin ich auf der Suche nach einer geeigneten Jacht. Mein Klient besitzt zwei und sucht eine dritte. Ist Ihnen das bewusst?“

„Selbstverständlich“, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Jedes Crew-Mitglied erhielt eine Einführung an Bord.“

„Tatsächlich? Und wie lange dauerte die?“

Ich spürte, wie die Hitze mir den Nacken hinaufkroch. „Sechzig Minuten.“

Er sagte eine Weile nichts. „Für eine Hundertfünfzig-Meter-Jacht mit fünf Decks?“ Er klang ungläubig. „Wollen Sie eigentlich diese Provision, Miss Branson?“

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, woraufhin mir Tränen in die Augen stiegen. Mit jeder Faser meines Seins wollte ich mit nein antworten. Ich hatte mein gesamtes Kapital in diese Jacht investiert, in der Hoffnung, den Verkauf meines Lebens zu tätigen, der die Erfüllung all meiner Träume bedeutete. Aber die Vermietung, mit der Gideon Mortimer mich lockte, würde ebenfalls einen nicht unerheblichen Betrag einbringen. Genug für mich, um zu expandieren. Von der Kaufoption ganz zu schweigen.

Und dafür brauchte ich Männer wie Gideon Mortimer. „Ich will dieses Geschäft.“

„Dann finden Sie einen Weg, wie wir beide bekommen, was wir wollen.“

Ich holte Luft. „Na schön. Sie hören um fünf Uhr heute Nachmittag wieder von mir.“

„Wunderbar. Und bitte behalten Sie im Hinterkopf, dass ich mich sehr lange daran erinnern werde, falls Sie mich nicht anrufen.“ Danach war die Leitung tot.

Diesmal widerstand ich dem Impuls, das Telefon auf den Tisch zu knallen. Nachdem ich das Mobilteil in die Basis zurückgestellt hatte, ging ich zur Küchenzeile des offen gestalteten Büros, setzte Wasser auf und warf einen Teebeutel in meinen Lieblingsbecher.

Ich goss Wasser hinein und rührte langsam um, während ich bis Hundert zählte. Dann kippte ich alles in den Ausguss. Normalerweise liebte ich meinen Job, liebte es, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen – für Durchschnittsleute wie meinen Großvater, der meine Kindheit durch seine Liebe ein wenig erträglich gemacht hatte.

Er hatte mich immer mit hinaus aufs Wasser genommen, wenn meine Mutter mal wieder verbittert und deprimiert war oder mein Vater einen seiner flüchtigen Besuche bei der Frau machte, die sich nie von ihm losmachen konnte und der ihre Liebe nicht verdient hatte.

Die Freiheit auf dem offenen Meer hatte mir geholfen, den Mann zu vergessen, der sich für seine Vaterschaft nie interessiert hatte.

Später dann war es mir nur allzu richtig erschienen, aus dieser Leidenschaft ein Unternehmen zu machen. Zusammen mit Adam. Zusammen mit dem Mann, von dem ich geglaubt hatte, dass ich ihn heiraten würde.

Bis mein Leben beinah aus den Bahnen geraten war wegen seines üblen Verrats.

Doch Grandma nannte mich nicht umsonst störrisch. Daher kam es einfach nicht infrage, mich von diesem Betrug unterkriegen zu lassen.

Anfangs hatte ich vielleicht noch gehofft, Adam würde wieder angekrochen kommen und um Verzeihung bitten. Schließlich war es mein Name, der über der Tür und auf dem schicken Briefpapier stand. Möglicherweise wollte ich ihm aber auch nur meinen Erfolg unter die Nase reiben und ihm zeigen, dass ich mich auch ohne ihn behaupten konnte. Was auch immer, aus psychologischer Sicht war das bestimmt interessant.

Aber diese Gefühle verschwanden schnell wieder, und es blieb mein brennender Wunsch, erfolgreich zu sein.

Doch leider verschwand die Erinnerung an Adams Verrat nicht.

Ich spülte den Becher aus und ging zu der großen Korkpinnwand, an die ich die Planung für die nächsten drei Monate geheftet hatte. Natürlich hatte ich alle Pläne auf meinem Laptop gespeichert, aber ich musste sie auch immer noch in großem Format auf Papier vor mir sehen.

Von Mai bis August lief die Bootssaison auf Hochtouren, und die meisten meiner Vollzeit-Mitarbeiterinnen befanden sich da an Bord geleaster Jachten.

In Monaco gab es immer besonders viel zu tun. Doch eine rasche Kalkulation bestätigte, was ich Gideon Mortimer gesagt hatte. Ich konnte eine, höchstens zwei Mitarbeiterinnen entbehren, sodass nur noch Andrea, meine Stellvertreterin und Teilzeit-Sekretärin, übrig blieb. Da sie fast im achten Monat schwanger war und sogar an Land seekrank wurde, würde die nirgendwohin fahren.

Als hätte ich sie durch die Kraft meiner Gedanken materialisiert, kam sie eine Sekunde später herein und blieb überrascht stehen, als sie mich sah. „Oh, ich dachte, du hättest schon Feierabend gemacht.“

„Nein, ich habe noch mit Mr. Mortimer telefoniert.“

Sie verdrehte die Augen und fächerte sich mit einer Papierserviette Luft zu. „Oje, gibt er immer noch nicht Ruhe wegen der Extra-Crew?“

Unter anderem. „Jap.“

„Und?“ Sie kam näher und ließ sich auf den erstbesten Stuhl sinken.

„Ich muss mich erkundigen, ob irgendeines der anderen Leasing-Unternehmen Crew-Mitglieder entbehren kann.“

Andrea verzog das Gesicht. „Ich will ja keine Pessimistin sein, aber die Chancen stehen schlecht. Die waren alle super sauer, als Giannopolous Boats dich in das Investment-Konsortium für diesen Jacht-Deal gewählt haben. Die werden es nicht eilig haben, dir zu helfen.“

Genau was ich befürchtet hatte. Ich zwang mich zu einem lässigen Schulterzucken. „Dann komm um fünf vorbei. Ich werde Mortimer anrufen und ihm sagen, er soll sich anderswo umsehen.“

Andrea rieb sich mit einer Hand den Bauch, während sie sich mit der anderen weiter Luft zufächelte. Ich wollte ihr gerade anbieten, die Klimaanlage höher zu stellen, als sie meinte: „Was ist das Wichtigste, um das er gebeten hat und was wir ihm nicht bieten können? Mal abgesehen von der unnötigen Crew.“

„Es hört sich so an, als wolle er ein Boot kaufen, und dieser Klient, den er beeindrucken will, ist ein Bootsfan. Mortimer will deshalb jemanden rund um die Uhr zur Verfügung haben, der Daten über die Jacht ausspucken kann.“

Sie sah mich an, und ihre Miene hellte sich auf. „Die Schwangerschaft beeinträchtigt vielleicht mein Gehirn, aber stehe ich nicht der Person gegenüber, die absolut alles über diese Jacht auswendig gelernt hat, um einen Platz im Konsortium zu ergattern?“

Ich schüttelte den Kopf. „Schon, aber das wird nicht funktionieren …“

Andrea wollte sich nach vorn beugen, verzog das Gesicht und lehnte sich wieder zurück. „Okay, kein Grund, mich so hart zu treten, mon petit coeur“, flüsterte sie ihrem Baby zu, während sie ihren Bauch streichelte. Dann schaute sie wieder auf. „Leonie, denk drüber nach. Du bist genau das, was dieser Kunde braucht. Willst du diese Provision oder diesen Verkauf wirklich riskieren wegen einer einzigen zusätzlichen Person, die gewünscht wird?“

Ich sah sie düster an. „Der ist noch nicht mal an Bord und jetzt schon eine Nervensäge sondergleichen.“

„Na und? Du bist schon mit schlimmeren Leuten fertig geworden und warst diejenige, die am Ende gegrinst hat.“

„Aber mit so einem wie ihm hatte ich es noch nicht zu tun, Andrea.“ Nicht mit einem Mann mit einer solchen Stimme und dieser Art, ganz selbstverständlich die Führung zu übernehmen, für die ich schon immer eine Schwäche hatte. Es hieß ja, Gegensätze ziehen sich an. Nur war ich kein bisschen scheu oder zurückhaltend. Gideon Mortimer sollte also der Letzte sein, der erotische Gefühle in mir auslöste. Leider tat er genau das. Ich hatte diese Reaktion zuerst ignoriert, nur hielt die Wirkung noch immer an – länger, als mir lieb war.

„Tja, in meiner Pause habe ich im Internet über ihn recherchiert. Er ist verdammt reich, Leonie. Und nicht nur er. Seine Familie ist sehr einflussreich, das reinste Imperium. Sein IQ ist enorm. Frag mich nicht, wie hoch genau, ich hab’s vergessen. Und habe ich schon erwähnt, dass er reich ist?“

Ich musste lächeln. „Ja, hast du. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich keine Crew herbeischaffen kann, die ich nicht habe.“

„Schon, aber du kannst dich selbst anbieten.“

„Was?“

„Für die Dienste, die er benötigt“, erklärte sie.

Ich verdrängte die Bilder meiner hyperaktiven Fantasie, wie ich Gideon Mortimer auf sehr elementare Weise zu Diensten war, und konzentrierte mich auf das rein Berufliche. „Es ist nicht nur das. Ich kann dir nicht drei Wochen lang die Leitung des Büros aufbürden.“

„Klar kannst du. Laurent verliert ständig ein wenig mehr den Verstand, wenn ich das Haus verlasse. Ich dachte, ich sei schlimm, aber bei ihm wird es immer schlimmer, je näher der Geburtstermin rückt. Er macht mittags Feierabend und täte nichts lieber, als mir den restlichen Nachmittag Gesellschaft zu leisten. Außerdem wären auf einen Schlag unsere finanziellen Probleme gelöst, wenn du die Provision bekommst oder es sogar zu einem Kauf kommt.“

Ich dachte darüber nach. Wenn ich die Jacht verkaufte, hätte ich hinterher zahlreiche Möglichkeiten. Andrea zur Teilhaberin machen, zum Beispiel, was ich seit meiner Expansion in Erwägung gezogen hatte. „Bist du dir sicher?“

Autor

Zara Cox
<p>Zara Cox schreibt zeitgenössische und erotische Romane. Sie lebt im Garten Englands -- also Kent --, zusammen mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie liebt es zu lesen und zu reisen. Im Jahr 2017 schaffte sie es, ihr Nummer-Eins-Ziel auf ihrer Liste zu bereisen: Hawaii. Jetzt bettelt sie ihren Ehemann...
Mehr erfahren