Wenn ein Prinz so feurig küsst …

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Die Hochzeitsglocken müssen läuten, damit das Königreich weiter besteht. Rocco von Erminien steht vor einer schweren Entscheidung: Seine Braut soll von edler Herkunft sein und sich einwandfrei benehmen. Leider keine Eigenschaften, die Ottavia Romolo auszeichnen. Die Küsse dieser Kurtisane versetzen ihn zwar in einen Rausch der Ekstase - aber für den Thron von Erminien ist sie ungeeignet. Denkt Rocco jedenfalls, bis sie beide plötzlich in Lebensgefahr geraten - und er merkt, dass er Ottavia auf gar keinen Fall verlieren will …


  • Erscheinungstag 16.05.2017
  • Bandnummer 1976
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723729
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Er war hier.

Sie spürte es. In dem sonst so ruhigen Inselschloss summte es plötzlich vor Energie. Ottavia strich sich zum fünfzehnten Mal an diesem Tag das Kleid glatt und redete sich ein, dass sie nicht nervös war. Als Kurtisane war sie den Umgang mit mächtigen Männern gewohnt. Mit einem König konnte es nicht so viel anders sein, oder?

Die goldbronzene französische Portaluhr, die auf dem Kaminsims stand, tickte leise, während die Sekunden verstrichen. Doch glücklicherweise musste Ottavia nicht lange warten. Die verschnörkelte zweiflügelige Holztür wurde geöffnet. Ein nervöser Schauer lief ihr über den Rücken. Doch anstelle des königlichen Antlitzes, das sie zu sehen erwartet hatte, stand nun eine der engsten Beraterinnen des Königs vor ihr: Sonja Novak.

Die Frau war mit ihrem Chanel-Kostüm wie gewöhnlich makellos gekleidet, und ihr stahlgraues Haar war zu einem unfassbar ordentlichen Dutt hochgesteckt. Auf ihren klassisch schönen Gesichtszügen lag ein aufgesetzt höflicher Ausdruck, und das war offensichtlich das Netteste, was die Frau zustande brachte.

„Seine Majestät wird Sie nun empfangen.“

„Ich werde hier auf ihn warten“, antwortete Ottavia so bestimmt sie konnte.

Sie hätte wissen müssen, dass sie dafür einen besonders hasserfüllten Blick ernten würde.

„Ms. Romolo, der König von Erminien ruft Sie zu sich. Nicht andersherum.“

„Dann wird Seine Majestät wohl enttäuscht sein, nicht wahr?“ Sie nahm all ihren Mut zusammen, drehte der Frau den Rücken zu und sah aus dem Fenster. Sie zählte langsam in Gedanken. Mit jeder Zahl beruhigte sie ihren Atem und ihren Herzschlag. Eins, zwei, drei … Sie war bei sieben, als sie ein empörtes Schnaufen hörte, gefolgt vom harten Klappern von Absätzen auf dem Parkettboden. Dann willkommene Stille.

Ottavias Lippen kräuselten sich zu einem kleinen, triumphierenden Lächeln. Er würde zu ihr kommen. Das wusste sie sicher. Sie hatte den Ausdruck in seinen Augen gesehen, als sie sich das erste Mal getroffen hatten, und diesen Blick sofort erkannt. Ottavia war an dem Tag allerdings nicht perfekt zurechtgemacht gewesen. Wer war das schon nach mehreren Tagen Gefangenschaft ohne Wechselkleidung? Doch obwohl sie seit fast einer Woche dieselbe Kleidung getragen hatte und ungeschminkt gewesen war, hatte sie diesen Blick gesehen. Er wollte sie. Und sie hatte jahrelange Erfahrung darin, diese Begierde bei Männern zu beeinflussen.

Davon abgesehen, schuldete er ihr einiges. Nicht nur, dass seine Schwester Ottavia entführt hatte, Prinzessin Mila war auch noch so dreist gewesen, Ottavias Garderobe zu stehlen, sich für Ottavia auszugeben und an ihrer Stelle in die Dienste ihres aktuellen Klienten zu treten. In der Zwischenzeit war Ottavia für einige Tage gefangen gehalten worden, bis sie schließlich entkommen konnte. Zugegeben, sie war in einer Luxussuite in einem der besten Hotels in Erminien festgehalten worden, doch das entschuldigte nicht, was passiert war.

Als sie dann den König aufgesucht hatte, um ihn zu warnen, hatte er ebenfalls angeordnet, sie festzuhalten, damit sie nicht etwa auf die Idee käme, mit der Presse zu sprechen. Nicht, dass es etwas geholfen hätte. Die Geschichte war auch ohne Ottavias Zutun ans Tageslicht gekommen und hatte einen Skandal ausgelöst. Ihre Garderobe war ihr vor zwei Wochen endlich zurückgegeben worden. Jetzt hatte sie nur noch ein Hindernis zu überwinden: mit dem König zu verhandeln.

Ottavia war angespannt. Es wurmte sie, jemandem ausgeliefert zu sein. Sie war eine Frau, die ihr Leben im Griff hatte und daran gewöhnt war, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Ottavia war so in Gedanken versunken, dass sie fast überhört hätte, wie die Tür hinter ihr plötzlich aufschwang. Sie drehte sich um und spürte sofort die machtvolle Präsenz, die den Raum erfüllte. Trotz ihrer so mühsam aufrechterhaltenen Fassung konnte sie nicht verhindern, dass ihr Körper beim Anblick ihres Königs heftig reagierte.

Da er sie um mindestens einen Kopf überragte, war sie gezwungen aufzuschauen, um in seine sherryfarbenen Augen zu sehen. Er stand bewegungslos da, aber diese Augen, die waren lebendig. Nicht das erste Mal erinnerte er sie an eine geschmeidige Raubkatze, die ihre Beute verfolgt, stets zum Sprung bereit. Der Gedanke hätte sie in Panik versetzen müssen, aber stattdessen durchströmte es sie heiß.

Doch auch er war nicht gegen sie immun, bemerkte sie zufrieden. Sie sah, wie sein Blick zu der Mulde unterhalb ihrer Kehle wanderte, dann hinab zu der Stelle, an der sich ihre Brustwarzen durch die feine Seide ihres hochgeschlossenen Kleides hindurch abzeichneten. Auf ihren Lippen erschien ein kaum wahrnehmbares Lächeln.

Ottavia machte einen anmutigen, tiefen Knicks und senkte ihren Kopf. Sie wusste, dass man Fliegen mit Honig fängt und nicht mit Essig.

„Ihre Demut kommt ein wenig zu spät, Ms. Romolo.“ Seine tiefe Stimme vibrierte in ihrem Körper. „Erheben Sie sich.“

Als sie tat, wie er ihr geheißen hatte, sah sie durch ihre langen Wimpern zu ihm auf und bemerkte, wie er die Lippen zusammenpresste und wie angespannt seine Kiefer waren. Er war verärgert. Es lohnte sich jedoch, dieses Risiko einzugehen. Ottavia richtete sich auf, straffte ihre Schultern und schwieg.

Die Frau stand vor dem Fenster, und er konnte nicht anders, als ihre Strategie zu bewundern. Ihre Silhouette zeichnete sich vor der leuchtenden Nachmittagssonne ab und überzog jede Kurve ihres Körpers mit einem goldenen Schimmer. Es war ein atemberaubender Anblick. Doch die Kurtisane irrte sich, wenn sie dachte, ihr kleines Machtspielchen würde ihr irgendeinen taktischen Vorteil verschaffen. Während der letzten fünfzehn Jahre als Regent hatte Rocco sich ein fast übermenschliches Maß an Selbstkontrolle angeeignet.

Rocco ging auf sie zu, bis sie nur noch eine halbe Armlänge voneinander trennte. Die Kurtisane wich keinen Zentimeter zurück. Sie blinzelte nicht einmal, obwohl er wusste, dass er einen ziemlich einschüchternden Anblick abgeben konnte, wenn er wollte. Und wie ärgerlich oder amüsiert er auch immer gewesen war über die Tatsache, dass sie ihm eine Rechnung gestellt hatte, für die Zeit, die er sie gegen ihren Willen festgehalten hatte, würde er sich das ganz sicher nicht anmerken lassen.

Er hielt ihr ein Blatt Papier unter die Nase. „Was hat das zu bedeuten?“, fuhr er sie an.

„Ich denke, selbst Sie müssten mit dem Begriff ‚Rechnung‘ vertraut sein“, sagte sie.

Ihre Stimme war tief und melodisch und steigerte seine körperliche Empfänglichkeit für sie in einem Maße, das ihn überraschte. War das ihre Taktik? Einen Mann zuerst mit ihrer Stimme zu verführen, bevor sie ihre anderen unübersehbaren Reize einsetzte? Seine Lippen kräuselten sich trotzig. Sie würde sehr bald merken, dass er kein Mann war, der sich von einer schönen Frau um den Finger wickeln ließ.

„Sie sind meine Gefangene.“ Er zerriss die Rechnung und ließ sie vor ihr auf den Boden fallen. „Sie haben kein Recht, mir für Ihre Zeit eine Rechnung zu stellen.“

Als Antwort zog sie eine ihrer perfekt geschwungenen Augenbrauen in die Höhe. „Ich erlaube mir, Ihnen zu widersprechen, Majestät. Ich denke, dass Ihre Familie mir einiges schuldig ist.“

Er konnte nicht anders, als ihre Frechheit zu bewundern. Es gab nicht viele Menschen, die es wagten, ihn herauszufordern.

„Ist das so? Dann klären Sie mich auf.“, verlangte er.

„Zunächst einmal war ich nicht in der Lage, meinen Vertrag einzuhalten, da Ihre Schwester und in Folge Sie selbst mich gegen meinen Willen festgehalten haben. Wie die meisten Menschen in diesem Land habe ich finanzielle Verpflichtungen, und die kann ich unmöglich erfüllen, wenn ich für meine Zeit nicht bezahlt werde.“

Rocco ließ seinen Blick über die Frau schweifen. Ihr Nacken war lang und grazil und der Ausschnitt ihres trügerisch einfach geschnittenen Kleides entblößte ihre femininen Schultern. Das Rubinrot ihres Kleides ergänzte den leicht gebräunten Farbton ihrer Haut perfekt.

Wie es schien, schätzte sie es nicht, dass ihre Worte ignoriert wurden. „Sie haben mich unfair behandelt und tun es noch immer. Lassen Sie mich gehen.“

Sie sprach mit Leidenschaft, und in ihren Augen blitzen kleine Funken. Er bemerkte, dass es ihm Freude bereitete, sie zu provozieren.

„Sie gehen lassen?“ Er beobachtete sie aufmerksam, während er ihre Forderung überdachte, und sah den hoffnungsvollen Ausdruck in ihrem Blick. „Ich denke nicht. Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.“

„Nicht fertig?“, sprudelte es aus ihr heraus. „Sie haben nie angefangen.“

„Ah ja, und da gibt es noch ein Problem, Ms. Romolo. Sie haben mir für Ihre Zeit hier eine Rechnung gestellt. Ich gehe davon aus, dass Sie dafür ihren üblichen Tagessatz angesetzt haben?“

Mit vollendeter Anmut neigte sie ihren Kopf.

„Dann sind Sie sicher damit einverstanden“, fuhr er sanft fort, „mir einen Nachlass wegen nicht erhaltener Leistung zu gewähren.“

Er trat einen Schritt zurück und betrachtete das plötzliche Durcheinander von Gefühlen, das auf ihren bezaubernden Gesichtszügen abzulesen war. Doch sie brachte sich rasch wieder unter Kontrolle und nahm einen tiefen Atemzug.

„Wünscht Eure Majestät von meinen Diensten Gebrauch zu machen?“

Hätte sie ihn das vor fünf Minuten gefragt, wäre ein ausdrückliches Nein die Antwort gewesen. Diese Frau hatte ihm nichts als Schwierigkeiten bereitet. Wenn sie nicht das Angebot von König Thierry von Silvanien angenommen hätte, sich für eine Zeit lang als Kurtisane in dessen Dienste zu stellen, wäre Roccos und Thierrys Königreichen ein Haufen Ärger erspart geblieben.

Thierry und Roccos Schwester Mila waren vor einigen Jahren aus strategischen Gründen miteinander verlobt worden. Als Mila von Thierrys Plan erfahren hatte, die Dienste einer Kurtisane in Anspruch zu nehmen, hatte sie in einer waghalsigen Aktion Ms. Romolos Identität angenommen, um sicherzustellen, dass ihr zukünftiger Ehemann sich in keine andere Frau als sie selbst verlieben würde. Milas Plan hatte funktioniert, zumindest anfänglich. Doch als er später ihren Betrug bemerkte, war Thierry in Wut geraten, und es hatte obendrein ein riesiges Medienspektakel gegeben. Thierry hatte die Hochzeit zunächst abgesagt. Aber durch ein dramatisches Ereignis hatten die beiden wieder zueinander gefunden und doch noch geheiratet. Am Ende war alles gut geworden.

Das machte Rocco allerdings auch nicht glücklicher in Bezug auf Ottavia, denn ohne sie hätte all das vermieden werden können. Deshalb war er weit davon entfernt gewesen, ihre zweifellos charmanten Dienste in Anspruch nehmen zu wollen.

Doch jetzt, da seine Sinne prickelten und seine Neugierde auf sie geweckt war, schien ihm die Idee weitaus weniger abwegig.

„Ich habe mich noch nicht entschieden.“

„Und ich habe noch kein Angebot gemacht“, erwiderte sie.

Oh, sie war gut! Tapfer bewahrte sie ihren Stolz und ihre Würde, auch wenn ihr die Kontrolle über diese Situation langsam aus den grazilen Händen glitt. Hitze durchströmte seine Lenden angesichts der Herausforderung und der Versuchung, die sie für ihn darstellte. Seine Reaktion auf sie verwirrte und stimulierte ihn zugleich. So wie die Frau selbst.

„Sie irren sich, wenn Sie denken, Sie hätten eine Wahl, Ms. Romolo.“

Herausfordernd hob sie das Kinn. „Ich habe immer eine Wahl. Ich bin froh, dass Sie meine ursprüngliche Rechnung zerrissen haben.“ Sie lächelte.

Das hatte Rocco nicht erwartet. „Es freut mich, das zu hören. Aber warum?“

„Weil mein Preis gestiegen ist, Majestät.“

2. KAPITEL

Stille herrschte. Ottavia sah ihrem König verwegen in die Augen und hoffte, dass er ihr die Angst nicht ansah.

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und seine sherryfarbenen Augen glühten wie polierter Bernstein. Nicht die helle Farbe, die oft mit dem Schmuckstein assoziiert wird, sondern ein satterer Farbton. Ein Farbton, der so komplex war wie der mächtige Mann, der jetzt vor ihr stand. Und er war mächtig. So einfach wie er angeordnet hatte, sie hier in diesem hübschen kleinen Palast festzuhalten – von der Außenwelt abgeschottet und auf einer atemberaubend schönen Insel in der Mitte eines Sees –, so einfach hätte er sie auch in ein fensterloses Gefängnis werfen lassen können.

Als plötzlich dunkle Punkte vor ihren Augen zu tanzen begannen, bemerkte sie, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Sie erlaubte sich einen kleinen Atemzug, dann noch einen. Die Punkte verschwanden nach und nach, doch ihre wiedererlangte klare Sicht trug nicht dazu bei, ihr wild hämmerndes Herz zu beruhigen. War sie zu weit gegangen?

Dass er so viel Macht über sie hatte, ärgerte sie. Hatte sie nicht geschworen, dass kein Mann jemals wieder über sie und ihr Leben bestimmen würde? Und doch war sie jetzt völlig hilflos. Nutze deine Stärken, rief sie sich ins Gedächtnis und erlaubte sich, eine entspanntere Haltung einzunehmen. Sie öffnete ein wenig die Lippen und benetzte sie mit der Zungenspitze. Er hat es bemerkt, dachte sie zufrieden. Sein Blick war an ihren Lippen hängen geblieben, und seine Nasenflügel hatten kaum spürbar beim Einatmen gebebt.

Sie hatte ihren Köder ausgeworfen, aber würde er auch anbeißen?

„Hoffentlich sind Sie Ihren Preis auch wert“, grollte er mit tiefer und leicht rauer Stimme, als ob er innerlich mit sich kämpfte.

Ottavia erlaubte sich ein Lächeln und senkte leicht die Augenlider. „Und, kommen wir miteinander ins Geschäft, mein König?“

Sie ließ die letzten beiden Worte langsam auf der Zunge zergehen und gab sich die größte Mühe, sie wie eine Liebkosung klingen zu lassen. Sie wusste, dass sie versagt hatte, als er den Kopf zurückwarf und ein herzhaftes Lachen erklingen ließ, dass sein ernstes Gesicht völlig verwandelte und sie auf eine Art und Weise magnetisch anzog, die ihr vollkommen neu war. Schließlich beruhigte er sich wieder.

„Sie glauben immer noch, dass Sie einen Einfluss darauf haben, wie diese Geschichte hier ausgeht, nicht wahr?“ Er zog eine Braue hoch. „Sind Sie immer so optimistisch?“

„Ich habe immer die Kontrolle über mein Leben und meine Entscheidungen.“ Noch als sie die Worte aussprach, wusste sie, dass das nicht immer so gewesen war. Ganz sicher nicht, als sie vierzehn Jahre alt gewesen war und der damalige Freund ihrer Mutter begonnen hatte, ein ungesundes Interesse an ihr und ihrer erblühenden Weiblichkeit zu entwickeln. Und noch weniger, als ihre Mutter von diesem Interesse Wind bekam und mit ihm um die Summe feilschte, mit der er Ottavia haben könnte.

Sie unterdrückte ein Schaudern. Diese Zeiten lagen zum Glück hinter ihr. Sie hatte an diesem Tag ihr Leben selbst in die Hand genommen. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und sich geschworen, dass sie nie wieder auf Gedeih und Verderb jemandem ausgeliefert sein würde.

Ottavia zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart zu richten und überdachte ihre Strategie. Vielleicht brauchte König Rocco noch einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Sie trat einen Schritt zurück. Dann drehte sie sich um und ging langsam in Richtung des Fensters, von dem man einen Ausblick auf den Garten und den See hatte. Wäre ihre Aufmerksamkeit nicht trotzdem vollkommen bei ihm verblieben, hätte sie nicht wahrgenommen, wie er beim Anblick ihres tiefen Rückenausschnitts scharf die Luft einsog. Sie konnte geradezu spüren, wie sein heißer Blick ihr entblößtes Rückgrat hinabwanderte bis er an dem Stoff hängenblieb, der die beginnende Rundung ihres Pos bedeckte.

Sie spürte eher, als dass sie es hörte, wie er sich ihr von hinten näherte. Bildete sie es sich nur ein oder fühlte sie seinen heißen Atem auf ihrer nackten Haut?

„Dann können Sie sich glücklich schätzen“, sagte er ganz dicht an ihrer Ohrmuschel.

Ottavia schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, still zu bleiben. Darauf, seine Nähe aufzunehmen, ohne die einzelnen Reaktionen ihres Körpers zu analysieren.

„Glücklich?“, fragte sie mit befremdlich heiserer Stimme.

„Ein König hat nur selten die Wahl“, sagte er zu ihrer Überraschung.

„Ich hätte gedacht, Sie haben stets die Wahl, Majestät.“

Die Wärme, die von hinten auf sie gestrahlt hatte, war nun verschwunden, und sie wusste, dass er sich von ihr entfernt hatte. Vielleicht, weil er mit diesen wenigen Worten bereits zu viel gesagt hatte? Langsam drehte sie sich um. Er stand auf der anderen Seite des Raumes und starrte auf das Porträt seines verstorbenen Vaters an der Wand.

„Ich habe einen Vorschlag für Sie, Ms. Romolo“, sagte er, ohne sie anzuschauen. „Ich würde Ihnen raten, ihn anzunehmen.“

„Einfach so? Ohne die Bedingungen zu kennen? Ohne zu verhandeln? Ich denke, nicht.“

„Verhandeln Sie immer alles?“

„Ich bin eine Geschäftsfrau.“

Er wirbelte zu ihr herum. „Nennen Sie so Ihr … Gewerbe? Ein Geschäft?“

„Wie würden Sie es sonst nennen?“, forderte sie ihn heraus.

Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Ottavia kämpfte gegen die in ihr aufsteigende Wut an. Er stellte sie auf die Probe, das war offensichtlich. Wenn sie bekommen wollte, was er ihr ihrer Meinung nach schuldig war, würde sie auch das letzte bisschen Selbstbeherrschung, über das sie verfügte, gebrauchen können.

„Kommen Sie her, Ms. Romolo.“

Sie tat, was er verlangte, aber nur, weil sie es wollte, sagte sie sich, während sie sich mit der Eleganz und Haltung, die sie in den letzten fünfzehn Jahren gelernt hatte, auf ihn zu bewegte.

„Majestät?“ Sie senkte den Kopf, als sie vor ihm stand. Ein leises Lachen entfuhr ihm, und sie spürte, wie sich ihre Lippen ebenfalls kräuselten.

„Untertänigkeit passt nicht zu Ihnen.“ Mit der Fingerspitze hob er ihr Kinn an, sodass sie ihm wieder in die Augen sah.

Als sie den plötzlich auflodernden Hunger in seinem Blick wahrnahm, atmete sie hörbar ein und öffnete die Lippen dabei ein wenig. Ihren nächsten Atemzug eroberte er, indem er seinen Mund auf ihren drückte und ihre Lippen mit einem Kuss in Besitz nahm, der jeden vernünftigen Gedanken aus ihrem Kopf verbannte. Überrascht wie sie war, gab sie sich seiner Berührung hin, seinem Geschmack. Seiner fordernden Zunge, als diese jeden Winkel ihres Mundes erkundete.

Ein Geräusch, ein Stöhnen, das tief aus seiner Kehle kam, als Ottavia mit der Zunge die seine berührte, setzte ungewohntes Verlangen in ihr frei. Das Blut strömte heiß durch ihre Adern, und ihr Körper wurde von einer Begierde erfüllt, die ihr den Atem nahm.

Und dann, einfach so, war es vorbei. Sie taumelte etwas, bevor sie sich wieder fasste. Wut stieg in ihr auf und erstickte das Verlangen, dass noch in ihren Adern summte, als ihr klar wurde, dass er dachte, er hätte das Recht, sich ohne Erlaubnis von ihr zu nehmen, wonach auch immer ihm verlangte. Auf die Wut folgte Enttäuschung. Vor ihr stand noch einer von diesen Männern, die sie als etwas betrachteten, das man benutzen und danach wegwerfen konnte.

Sie musste wieder die Oberhand gewinnen, also schluckte sie ihre Entrüstung herunter und lächelte ihn an. „Ist das Ihre Art, die Ware zu testen?“, sagte sie scharfzüngig.

Gegen besseres Wissen lächelte Rocco gelassen zurück. Keine leichte Aufgabe, hatte sich doch ein Großteil seines Blutes als Reaktion auf diesen Kuss in tieferen Regionen seines Körpers versammelt. Er verstand langsam, warum diese Kurtisane so erfolgreich war. Sie machte süchtig. Nur ein Kuss, und er wollte mehr. Es war so lange her, dass er sich etwas aus reinem Vergnügen gestattet hatte. Die Pflicht seinem Land gegenüber kam stets an erster Stelle. Doch sein Land würde wohl kaum Schaden daran nehmen, wenn er diese Chance nutzte, um seine Lust zu stillen. Vielleicht würde ihm ein wenig guter, befriedigender, unverbindlicher Sex dabei helfen, seinen Kopf frei zu bekommen.

„Sie sagen, Ihr Preis sei gestiegen“, begann er. „Vielleicht haben Sie sich auch nur anfänglich unter Wert verkauft?“

Seine Bemerkung hatte sie überrascht, das merkte er daran, dass sie nicht sofort antwortete. „Ich werde Ihre Dienste in Anspruch nehmen.“ Er zögerte und stellte den Kopf schräg, so als begutachtete er ein Kunstwerk. „Nennen Sie mir Ihren Preis.“

Ottavia benannte eine Summe, die im Vergleich zu ihrer ursprünglichen Rechnung astronomisch hoch war.

„Sie messen Ihren Diensten einen hohen Wert bei, Ms. Romolo“, bemerkte er, und wusste nicht, ob er frustriert oder amüsiert sein sollte. Sie dachte, sie könnte ihn mit ihren Forderungen abschrecken? Nun, da irrte sie sich gewaltig.

„Im Gegenteil. Ich messe mir selbst einen hohen Wert bei“, gab sie zur Antwort.

Doch er hatte das leichte Zittern in ihrer Stimme bemerkt. Sie wusste, dass sie zu weit gegangen war mit ihrem absurden Preis.

„Ich werde bezahlen, was Sie verlangen.“

Er sah, wie sie die Hand hob, um mit einer Haarsträhne zu spielen. Sie wickelte sie um ihren Zeigefinger, und diese fast kindliche Geste sah unendlich hinreißend aus an einer solch eleganten und weltgewandten Frau, wie sie es war. Abrupt ließ sie die Hand sinken, als hätte sie gerade bemerkt, was sie tat, und straffte die Schultern. Da war die Geschäftsfrau wieder. Und doch hatte Rocco das Gefühl, dass er während dieses kurzen Moments den wahren Menschen hinter der Fassade der Kurtisane gesehen hatte. Wie alles andere an ihr, faszinierte ihn diese verborgene Seite.

„Haben wir eine Abmachung?“, drängte er.

„Wir haben noch nicht über die Dauer gesprochen.“

„Für diese Summe sollte ich erwarten können, dass unser Vertrag unbefristet ist.“ Seine Frustration war ihm anzuhören.

„Ich bin sicher, Sie verstehen, dass das für mein Geschäft kontraproduktiv wäre“, gab sie mit einem kleinen Lächeln zurück.

Wieder mischte sich unerwartete Heiterkeit mit Ärger. Sie sah aus wie eine Göttin der Sinnlichkeit, und doch konnte sie es an Verstand und Scharfsinnigkeit mit jedem noch so knallharten Verhandlungspartner aufnehmen, dem er in seinem Leben begegnet war. Tatsächlich war sie anders als alle Frauen, die er kannte. Es war, als ob es ihr egal wäre, ob er sie wollte oder nicht, als ob sie genauso gern einfach gegangen wäre. Der Gedanke faszinierte ihn, forderte ihn heraus.

Nichts mochte er lieber als Herausforderungen.

„Dann einen Monat.“

Schon als er die Worte aussprach, wurde ihm klar, dass dies eher unrealistisch war, so verführerisch es auch klingen mochte, einen Monat mit ihr zu verbringen. Er konnte nicht ewig hierbleiben. Auf ihn warteten Pflichten, wie zum Beispiel die Suche nach seiner zukünftigen Braut. Doch nun, da seine Schwester glücklich mit dem ehemaligen Widersacher des Landes in Heirat verbunden war, konnte er sich eigentlich eine kleine Pause gönnen, wenn er mit der Hauptstadt durch Telefon und E-Mail in Verbindung blieb.

„Ein Monat“, wiederholte sie. „Einverstanden. Wenn Sie mir Zugang zu meinem Handy und meinem Computer gestatten, werde ich die nötigen Unterlagen zusammenstellen und Ihrem Personal meine Bankdaten zukommen lassen.“

„Tun Sie das. Ich sehe Sie dann heute Abend um halb zehn zu einem späten Abendessen in meinen privaten Gemächern.“

Er ging zur Tür und hielt vor dem Öffnen kurz inne. „Und, Ms. Romolo?“

„Majestät?“

„Machen Sie sich gar nicht erst die Mühe, sich in Schale zu werfen.“ Zufrieden, dass er am Ende wieder die Oberhand gewonnen und das letzte Wort gehabt hatte, verließ er das Empfangszimmer und ging den Korridor hinunter.

Sonja Novak tauchte plötzlich wie aus dem Nichts auf, als er kurz vor seinem Arbeitszimmer war. „Soll ich alles für die Abreise dieser Frau veranlassen?“

„Nein.“

„Nein?“

„Sie bleibt hier. Bei mir. Für einen Monat oder bis ich genug von ihr habe, was immer auch zuerst eintritt.“ Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es nicht das Letztere sein würde.

„A-aber …“, begann Sonja zu protestieren.

Rocco blieb abrupt stehen und unterdrückte das Bedürfnis zu seufzen. Es hatte den Anschein, dass ihm, wohin er auch ging, die Frauen widersprachen. Erst seine Schwester, dann die Kurtisane und nun auch noch seine langjährige Beraterin, der er mehr als allen anderen vertraute. „Ich bin immer noch König von Erminien, oder?“

„Natürlich sind Sie das.“

„Dann denke ich, dass es mir zusteht zu bestimmen, wer sich hier als mein Gast aufhält und wer nicht. Ich weiß, Sie waren stets an meiner Seite, seit mein Vater starb, und davor an der seines Vaters. Aber vergessen Sie trotzdem nicht Ihre Position.“

Sie senkte den Kopf. „Verzeihen Sie, natürlich.“

„Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Sie immer noch der Meinung sind, ich würde einen Fehler begehen.“

„Eine Kurtisane zu haben ist wahrscheinlich nicht die beste Idee, wenn man auf Brautschau ist.“

Autor

Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
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