Wie Glut unter dem Schnee

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Ein plötzlich aufziehender Schneesturm in der Wildnis zwingt die schöne Naomi, bei Royce Miller Unterschlupf zu suchen. Aber was heißt schon zwingen?! Eigentlich ist sie zu dem brillanten Wissenschaftler gefahren, um alles über sein geheimes Forschungsprojekt herauszufinden. Es könnte ihrer Familie, den mächtigen Steeles, bei der Ölförderung helfen. Doch von ihrem doppelten Spiel darf Royce nichts erfahren, als er sie in der eiskalten Nacht an sich zieht und so heiß küsst, dass glatt der Schnee in Alaska schmelzen könnte …


  • Erscheinungstag 30.04.2019
  • Bandnummer 2078
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724894
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Naomi Steele war nicht naiv.

Das Leben hatte genug Herausforderungen für sie bereitgehalten, aus denen sie gelernt hatte – oder vielleicht sogar zynisch geworden war. Sie hatte damit gerechnet, dass die Schwangerschaft Veränderungen mit sich bringen würde. Hormonellen Aufruhr, natürlich. Aber zugleich überschäumende Gefühle und dass Träume wahr wurden.

Doch sie war nicht darauf gefasst gewesen, dass sie in ihrem Innern ein solch wildes Tosen spüren würde – den archaischen Drang, ihr Kind um jeden Preis zu beschützen.

Oder vielleicht ihre Kinder. Zwillinge waren in ihrer Familie keine Seltenheit, und die künstliche Befruchtung erhöhte die Wahrscheinlichkeit, zweieiige Zwillinge zu bekommen. Eine Welle der Nervosität – und Übelkeit – brach über sie herein.

Atme. Konzentrier dich.

Sie war gerade damit beschäftigt, den Bericht des Privatdetektivs mit den Informationen auf ihrem Computer abzugleichen. Es ging um einen bekannten Wissenschaftler, der ihr beruflich die Sicherheit bringen konnte, die sie für ihr Kind brauchte. Sie hatte zwar eine große, reiche Familie, auf deren Anwesen bei Anchorage sie lebte. Ihre Wohnung war weitläufig. Vom glasverschalten Balkon aus hatte man einen grandiosen Blick auf die Bucht und die Berge.

Trotzdem hatte sie nicht das Gefühl, wirklich einen Anteil am Familienunternehmen zu haben. Ein Erbe, das sie mit ihrem Kind teilen konnte. Da ihre Schwangerschaft Ergebnis einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen war, lag es an ihr allein, dieses Erbe zu schaffen. Das Stück vom Steele-Portfolio, das ihr keiner nehmen konnte.

Ihre Familie war in höchster Aufregung. Die bevorstehende Hochzeit ihres Vaters mit einer ehemaligen Konkurrentin und die Fusion ihrer Ölimperien sorgten dafür, dass in beiden Familien alle um ihre Position in der neuen Firma Alaska Oil Barons kämpften. Naomi musste einen Beitrag zum Unternehmen leisten, den ihr niemand absprechen konnte.

Und der Forscher Royce Miller sollte ihr dazu verhelfen.

Sie blätterte den Bericht des Privatdetektivs durch wie ein Daumenkino. Diese Informationen über Dr. Royce Miller kannte sie schon auswendig. Ihr Blick fiel auf den Monitor, auf dem eines der seltenen Fotos von ihm im Großformat zu sehen war. Er war brillant, ein eigenbrötlerisches Genie. Sein grüblerisches, ausdrucksstarkes Gesicht wurde von intensiven Augen dominiert. Seine Intelligenz war so unübersehbar wie seine breiten Schultern.

Sie brauchte ihn, um sich für das Familienunternehmen unersetzlich zu machen.

Ob der anonyme Vater ihres Kindes auch nur halb so klug war? Halb so stark? Nutzlose Überlegungen. Sie hatte sich entschieden, alleinerziehende Mutter zu werden.

Bis jetzt hatte diese Unabhängigkeit ihr gefallen.

Seit ihrem Kampf gegen den Krebs als Teenager kostete sie ihr Leben voll aus. Sie war immer ehrgeizig gewesen – erst nur im Sport, später als Anwältin für das Familienunternehmen. Feste Bindungen scheute sie, nur ihrem verwitweten Vater und ihren Geschwistern stand sie wirklich nah.

Sie ging noch immer ihren eigenen Weg, aber es stand jetzt mehr auf dem Spiel.

Sie hatte oft genug erlebt, wie schnell ein erfolgreiches Unternehmen den Bach runtergehen konnte. Und angesichts der turbulenten Fusion von Steele mit Mikkelson machte Naomi sich Sorgen um die Zukunft der Firma. Ihr größter Konkurrent, Johnson Oil United, war ihnen dicht auf den Fersen und würde die Übergangsphase nutzen, um Marktanteile zu gewinnen.

Naomi durfte nicht selbstzufrieden werden. Sie durfte nicht lockerlassen.

Im Moment waren der Privatdetektiv und ihre Internetrecherchekünste ihre größten Trümpfe.

Sie musste Miller finden und ihn überreden, ihrer Familie seine Forschungsergebnisse zur Verfügung zu stellen, damit ihre Firma die Pipeline-Sicherheit verbessern konnte. Ganz abgesehen von den Vorteilen für ihr Familienunternehmen konnten seine Studien der Schlüssel dafür sein, die Anzahl der Krebserkrankungen aufgrund von Umweltgiften zu verringern. Für das Thema interessierte sie sich genauso leidenschaftlich wie ihre Schwester, die Ökologin Delaney.

Dank ihrer unermüdlichen Suche nach Dr. Miller hatte Naomi nun endlich eine Spur zu dem einsiedlerisch lebenden Wissenschaftler. Er hatte sich in den Bergen in einen abgelegenen, aber luxuriösen Glasiglu zurückgezogen, um an seinem Forschungsprojekt zu arbeiten.

Jetzt musste sie sich nur noch überlegen, wie sie ihn treffen konnte – und dann ihre ganze Kreativität zum Einsatz bringen, um sich bei ihm einzuschmeicheln und sich den Deal ihres Lebens zu sichern.

1. KAPITEL

Royce Miller hatte kein Problem damit, vom Denker zum Alphamann zu werden, um eine Frau vor einem hungrigen Grizzly zu retten, der eigentlich noch im Winterschlaf hätte sein sollen.

Aber erst musste er sich etwas anziehen.

Er griff nach Jeans und Parka, um sich etwas über Boxershorts und T-Shirt zu streifen. Hinter der dicken Glaswand seiner entlegenen Ferienhütte tappte ein Braunbär auf einen SUV zu, der in seiner schneebedeckten Einfahrt hielt. Die Fahrerin – jemand in einem pinkfarbenen Parka – hupte mehrfach. Der Lärm hätte in der Stadt ganze Straßenzüge aufgeschreckt, aber seine Hütte lag fast hundertfünfzig Kilometer von der Zivilisation entfernt.

Na gut – eigentlich war es keine Hütte.

Er hatte sich diesen Glasiglu im Nirgendwo gemietet, weil er nicht widerstehen konnte, ein paar der seltenen alaskischen Sonnenstrahlen aufzusaugen, während er sich in die Entwicklung neuer Sicherheitsmaßnahmen für Pipelines vertiefte. Ihm war es zwar nicht wichtig, braun zu werden, aber Vitamin D war so weit nördlich Mangelware und unverzichtbar für die Gesundheit seiner Knochen, seine Muskelmasse und seine Kraft. All das würde er brauchen, wenn er sich hinauswagte, um dem riesigen Grizzly Hallo zu sagen, der sich immer weiter dem SUV näherte, in dem sein unerwarteter Gast saß.

Gast?

Mit dem Problem würde er sich später befassen.

Seine Privatsphäre war ihm eigentlich so heilig wie seine Pascaline, eine antike Rechenmaschine. Aber das hieß noch lange nicht, dass er zulassen konnte, dass der Bär über die zierliche Frau am Steuer des Wagens herfiel. Ihre Kapuze bewegte sich hin und her, als suchte sie nach einem Ausweg. Oder nach Hilfe.

Wenigstens war sie in einem Fahrzeug. Das verschaffte ihm ein paar wichtige Augenblicke, um sich vorzubereiten, statt halbnackt ins Freie zu stürmen.

Er trat von der Glaswand zurück und wäre fast über seine Bernhardinerin gestolpert. „Entschuldige bitte, Tessie.“

Die zottelige Hündin hob den schweren Kopf von den Pfoten und legte ihn schief. Sie war erschöpft, weil sie vorhin so lange draußen gespielt hatte. Er hatte viel Zeit mit ihr im Freien verbracht, weil er wusste, dass ein Schneesturm drohte. Ob die Fahrerin deshalb hier angehalten hatte? War sie auf dem Rückweg nach Anchorage hier gestrandet? Der Frühling war in Alaska immer nur einen Atemzug vom Winter entfernt.

Tessie musterte ihn aufmerksam. Sie schnüffelte, winselte leise und stand auf. Vielleicht hatte sie die Witterung des Bären aufgenommen. Nicht gut.

„Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, neugierig zu sein, Mädchen.“ Hastig streifte er sich die Jeans über und schaltete im Vorübergehen den Computer aus.

Sensible Daten geschützt.

Vor einer Touristin auf Abwegen und einem Bären? Unwahrscheinlich.

Aber bei dieser Art von Arbeit konnte man nie vorsichtig genug sein. Wenn alles lief wie erwartet, war seine Forschung ein Patent wert. Und was seinen Job betraf, irrte er sich nie. Es stand zu viel auf dem Spiel – auch persönlich.

Sein Vater war Pipeline-Arbeiter gewesen, wie ein Großteil der Bevölkerung in dem kleinen Ort in Texas, in dem Royce aufgewachsen war. Es war eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen. Wenn jemand starb, hatte das Auswirkungen auf alle.

Als der Vater seiner ehemaligen Verlobten bei einer Explosion ums Leben kam, hatte das auch Royces Welt erschüttert. Dann hatte seine Verlobte eine Fehlgeburt erlitten und das Land verlassen. Ihn verlassen …

Royce schüttelte die Vergangenheit ab und zog sich schnell und methodisch weiter an: ein fleecegefüttertes Holzfällerhemd, darüber einen Parka. Auf dem Weg zur Tür stieg er in seine Stiefel, um sich mit dem gewaltigen Ärgernis zu befassen, das über seinen Tag hereingebrochen war. Es wäre ein perfekter einsamer Nachmittag gewesen, um produktiv nachzudenken. Eine sichere, umweltfreundliche Ölpipeline zu entwickeln bedeutete ihm viel.

Unternehmen unterbreiteten ihm immer wieder Stellenangebote, aber er arbeitete lieber freiberuflich. Dank einiger Patente hatte er mehrere Millionen Dollar zur Verfügung, um zu seinen eigenen Bedingungen Innovationen zu entwickeln. Er konnte es sich leisten, hier draußen zu arbeiten. Allein.

So viel dazu …

Dünne Isolierhandschuhe waren alles, was er an den Händen tragen durfte, wenn er noch die Werkzeuge bedienen wollte, die ihm zur Verfügung standen, um die SUV-Fahrerin von dem Bären zu befreien: eine Leuchtpistole und als letztes Mittel ein Gewehr.

„Tessie“, sagte er fest, „bleib.“

Sie schnaufte sichtlich gereizt, rührte sich aber nicht.

„Gutes Mädchen“, lobte er sie.

Dann schloss er die Tür auf, die in einen kurzen Tunnel führte. Ein kalter Luftzug schlug ihm entgegen und ließ ihm den Atem in der Brust gefrieren. Er kämpfte sich in den heulenden Wind hinaus. Die Autohupe war fast lauter als das Brummen des Bären.

Royce stellte sich dem vollen Anprall des Sturms. Wenn er den Bären weglockte oder ablenkte, damit die Frau nach drinnen fliehen konnte …

Der Grizzly spazierte auf den SUV zu, der im Leerlauf neben Royces Truck stand. Hier draußen sah er, dass der SUV Schneematsch aufspritzen ließ: Die Hinterräder drehten durch, weil die Fahrerin vergeblich versuchte zurückzusetzen.

Brüllend stürzte sich die Bestie auf die Motorhaube des Autos. Die gewaltigen Tatzen schlugen auf die Windschutzscheibe ein. Selbst im dichten Schneetreiben sah Royce die langen, tödlichen Bärenkrallen.

Es war zu spät für Raffinesse.

Er rief: „Hey, Teddy, guck mal!“

Seine Stimme ging im Hupen unter, das sich mit dem Tosen des Sturms vermischte. Die Ohren des Grizzlys zuckten, aber er schüttelte weiter den SUV. Schneematsch blieb in seinem Fell hängen. Der Sturm wütete immer heftiger und trieb die Flocken wie kleine Eisgeschosse seitwärts. Royce hob die Leuchtpistole und schoss in die Luft, wobei er darauf achtete, nicht auf die eisüberzogenen Zweige zu zielen.

Der Bär brummte und wandte den gewaltigen Kopf.

„Ja, Paddington, so kommen wir ins Geschäft“, rief Royce und riss seinen aufgeknöpften Parka weit auf, um so groß wie möglich zu wirken.

Bären bevorzugten leichte Beute, deshalb konnte man sie manchmal verscheuchen, wenn man riesig wirkte. Aber er verließ sich nicht darauf. Er behielt das Gewehr in der Hand. „Ja, du da! Verschwinde, Balu.“ Warum gibt es bloß so viele nette Bären in der Literatur? Man sollte Kindern beibringen, sich von ihnen fernzuhalten, nicht, mit ihnen zu kuscheln! „In meiner Mülltonne ist kein Essen, und die kleine Dame da verspeist du auch nicht zum Abendbrot!“

Oder als Appetithappen. Die Frau wirkte ziemlich drahtig.

Sie hatte wirklich Mumm. Statt sich in Todesangst unter dem Armaturenbrett zu verkriechen, drückte sie weiter auf die Hupe und ließ den Motor aufheulen. Eine Abgaswolke stieg auf.

Das Fenster auf der Fahrerseite öffnete sich, und ein Kopf spähte hervor. Aus der Kapuze des Parkas hing ein schwarzer Pferdeschwanz. „Ich versuche zurückzusetzen, aber entweder stecken die Reifen fest, oder der Bär wiegt zu …“

„Wieder rein da, bevor Pu dir mit der Pranke den Kopf abhaut“, blaffte Royce. Eine rasche Berechnung verriet ihm, dass er den Bären binnen zwei bis drei Minuten weglocken musste. Sonst würde die Windschutzscheibe nachgeben.

„Ich bleibe im Auto“, rief sie zurück. „Ich wollte ja nur wissen, ob ich etwas anders machen muss. Aber ich rühre mich nicht von der Stelle, bis Pu sich wieder in den Hundert-Morgen-Wald trollt …“

Der Bär schlug den Seitenspiegel ab – nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Der zerbrochene Spiegel war im Nu unter einer Schneedecke verschwunden. So wütete der alaskische Sturm. Royce hatte es nicht nur mit dem Grizzly zu tun.

Die Frau schrie auf und zog sich in den SUV zurück, während der Bär sich vom Fahrzeug wälzte und auf dem Boden landete. Er richtete sich auf den Hinterbeinen auf, machte aber keine Anstalten, sich zu trollen.

Keine Spielchen mehr.

Royce hob das Gewehr.

Zielte.

Der SUV machte einen Satz nach hinten, dann einen nach vorn. Schnee spritzte auf. Anscheinend hatte ihn doch nur das Gewicht des Bären festgehalten. Royces Schuss ging daneben, und der Wagen schlitterte auf dem eisigen Boden dicht an ihm vorbei. Der glänzende silberne SUV war auf dem besten Weg, in seinen Iglu zu krachen.

Royce warf sich nach links, um dem Auto auszuweichen, behielt aber den Grizzly im Auge. Der Bär trottete in den nahen Wald. Offenbar hielt es Teddy-Balu-Paddington-Pu für besser, sich nicht mit dem pink Parka anzulegen.

Apropos …

Royce sah nach rechts und stellte fest, dass der SUV in einer Schneewehe feststeckte. Die Hupe war endlich still. Und die Fahrerin? Sie stieg gerade aus. Offensichtlich unverletzt.

Und nicht so drahtig, wie er erst gedacht hatte. Sie war zierlich, aber in ihrem taillierten Parka kamen ihre Kurven zur Geltung.

Ein verdammt süßer, aber trotzdem unwillkommener Anblick.

Was macht diese Frau hier draußen?

Und was will sie von mir?

Naomi Steele hasste es, für irgendeinen Mann das zarte Pflänzchen zu spielen.

Sie war in Alaska geboren, hatte dank ihrer verstorbenen Mutter Inuit-Wurzeln und hatte in ihrem rauen und schönen Heimatstaat an der Seite ihrer Brüder alles übers Überleben gelernt. Mit der Leuchtpistole in ihrer Ausrüstung wäre sie auch allein mit dem Bären fertiggeworden.

Aber sich von Royce Miller retten zu lassen war die Chance, seinen Argwohn zu zerstreuen.

Sie schirmte die Augen gegen die untergehende Sonne ab und beobachtete, wie der übellaunige Grizzly im Wald verschwand. Langsam drehte sie sich um und sah sich vor, nicht im Schnee auszurutschen. Und …

Wow, was für ein sexy Schneemann!

Sie hatte bei ihrer Internetrecherche Pressemitteilungen über Royce Miller gelesen. Vor einem Monat hatte sie sogar einen seiner Vorträge besucht. Aber weder die Porträtaufnahmen noch der Blick aus der letzten Reihe des Saals hatten sie darauf vorbereitet, wie viel Charisma er hatte. Er hatte mehr zu bieten als grüblerischen Charme und gutes Aussehen. Seine Reize beschränkten sich nicht auf seinen athletischen Körper, der unter dem offenen Parka zu sehen war. Und, ja, er bekam Bonuspunkte für das etwas zu lange dunkle Haar, das so zerzaust war, als wäre er eben erst aufgestanden. Aber es waren seine dunkelbraunen Augen, die sie fesselten. Diese Fenster zur Seele. Zu Royce selbst. Einem Mann mit messerscharfer Intelligenz, dessen Blick bis in ihr Innerstes drang und zu sagen schien: Nur zu, ich kann mithalten.

Schieres sexuelles Begehren knisterte so heiß in der Luft, dass sie fast damit rechnete, die Eiszapfen an den Bäumen schmelzen zu sehen.

Normalerweise hätte sie sich darüber gefreut. Aber das hier war schlechtes Timing. Sie musste sich auf ihre Mission konzentrieren und ihn dazu bringen, seinen brillanten Verstand für das Unternehmen ihrer Familie einzusetzen.

Und sie war im zweiten Monat schwanger.

Ihre Teenagerjahre, in denen sie gegen den Krebs gekämpft hatte, waren ihr manchmal surreal vorgekommen, aber sie hatte damals für alle Fälle einige Eizellen einfrieren lassen. Ihr Onkologe hatte einen Psychologen hinzugezogen, um ihr bei der schweren Entscheidung zu helfen.

Jetzt war sie bereit, Mutter zu werden. Sie hatte genug davon, auf einen imaginären Märchenprinzen zu warten. Ihre Anwaltskarriere und die Bindung an ihre Familie waren ihr wie ein solides Fundament erschienen, aber seit der Verlobung ihres Vaters stand ihre Welt kopf. Wie als Kind musste sie ihren Wert unter Beweis stellen. Für ihr Baby. Für ihre verstorbene Schwester. Sie blinzelte Tränen fort.

Schwangerschaftshormone. Natürlich. Das war die Erklärung für ihre heftige Reaktion auf diesen wildfremden Mann.

Sie fand ihn immer noch zum Anbeißen, als er das Gewehr senkte und vorschlug: „Gehen wir hinein, bevor der Bär zurückkommt – oder bevor wir hier einschneien.“

„Oh, ja, das stimmt.“ Wenn sie ihn noch eine Sekunde anstarrte, würde ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sie brauchte einen Vorsprung, um ihm immer einen Schritt voraus zu sein. Royce war nicht einfach nur klug. Er war ein Genie – und exzentrisch.

Den Eigenbrötler aufzuspüren war eine wahre Herkulesaufgabe für die Privatdetektive gewesen. Aber wenn diese Suche ihr Zugang zu seiner Pipeline-Forschung verschaffte, war sie jeden Cent wert. Falls ihr sogar das Undenkbare gelang und sie diesen einsamen Wolf überreden konnte, bei der Ölfirma ihrer Familie zu unterschreiben, war das ein Coup, der mit Geld nicht zu bezahlen war.

Royce öffnete die Tür zum Iglu – und die nächste Bestie kam auf sie zugeschossen. Ein riesiger Bernhardiner lehnte sich an ihn, schnüffelte und nahm die ganze Umgebung in sich auf. Der Duft nach Nadelbäumen und der Geruch der abgefeuerten Leuchtpistole lagen in der Schneeluft.

„Tessie“, befahl Royce, „rein mit dir.“

Hechelnd verschwand die Hündin von der Türschwelle.

Naomi stützte sich am Türrahmen ab und sah sich um. Der Glasiglu ähnelte denen, in denen ihre Familie früher immer Urlaub gemacht hatte. Es waren schöne Erinnerungen an die Zeit vor dem Tod ihrer Mutter und ihrer Schwester bei einem Flugzeugabsturz. Bevor Naomi Krebs bekommen hatte. Eine Zeit, von der sie damals geglaubt hatte, sie würde ewig dauern. Aber die Jahre waren so plötzlich vorbei gewesen wie ein Tag in Alaska.

Sie hob das Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen. Die Glaskuppel des Iglus ließ das letzte Licht herein. Nur eine Wand, an der ein Bett stand, war undurchsichtig. Wahrscheinlich befanden sich dahinter das Bad und ein Einbauschrank.

Die Hälfte des Raums wurde von einem langen, bogenförmigen Sofa an der Glaswand eingenommen. Tessie hatte es sich darauf bequem gemacht. Sie musterte Naomi und Royce aus großen braunen Augen.

Abgesehen davon gab es noch eine Küchenzeile und einen Esstisch, auf dem im Moment ein Computer stand. Bestimmt waren darin seine Forschungsergebnisse abgespeichert.

„Na?“, riss Royces Stimme sie aus ihren Gedanken.

„Ja, also …“ Sie suchte nach Worten. Sie hatte so viel Zeit damit verbracht herauszufinden, wo er war, dass sie nicht lange darüber nachgedacht hatte, wie es sein würde, hier zu sein. Mit ihm. Allein. „Vielen Dank. Du hast mir das Leben gerettet.“

Er entlud das Gewehr so geübt, dass man sofort glaubte, dass er in Texas aufgewachsen war, und steckte die Munition ein. „Warum zum Teufel bist du bei diesem Sturm hier unterwegs?“

„Hey, nicht so feindselig! So redet man doch nicht mit dem Menschen, der einem neue Vorräte bringt, oder?“, fragte sie und ließ den Charme spielen, der schon Dutzende von hammerharten Geschworenen auf ihre Seite gebracht hatte. „Wenn ich nicht hergefahren wäre, wärst du verhungert. Und dir wäre bestimmt auch das Deo ausgegangen.“

„Vorräte?“ Er musterte sie misstrauisch, streifte seinen Parka ab und schüttelte den Schnee auf die Fußmatte.

Das Holzfällerhemd stand ihm.

Aber sie ignorierte es und redete einfach weiter: „Ja, du hast doch einen Lieferdienst beauftragt.“ Sie hatte dem Fahrer ein üppiges Trinkgeld zugesteckt, damit er sie diese Vorräte zu ihrem angeblichen Freund bringen ließ. Der war ein richtiger Romantiker und hatte sich schnell überreden lassen. Die rhetorischen Fähigkeiten einer Anwältin waren manchmal auch außerhalb des Gerichtssaals nützlich. „Ich bin hier, um deine Speisekammer aufzufüllen. Ich dachte, ich wäre früh genug dran, um dem Sturm zuvorzukommen, aber er ist schneller und heftiger als erwartet hereingebrochen. Hier bin ich nun.“

Natürlich war es etwas geschummelt, so zu tun, als würde sie für das Versorgungsunternehmen arbeiten, auch wenn sie es nicht ausdrücklich gesagt hatte. Aber wenn er gewusst hätte, dass sie zu einer Familie von Ölmoguln gehörte, hätte er sie wohl dem Bären überlassen.

„Und du bist?“

„Naomi.“ Sie nannte nur ihren Vornamen und spielte am Reißverschluss ihres Parkas herum. Dann ertappte sie sich bei der nervösen Geste und hörte auf. Ich lüge nicht direkt, rief sie sich ins Gedächtnis.

Sie musterte ihn, um festzustellen, ob ihm bei ihrem Namen etwas dämmerte. Nein. Nichts. Sie zweifelte nicht daran, dass sie seine Miene richtig deutete. Sie war die Beste ihres Juristenjahrgangs gewesen und hatte noch nie eine Schlacht im Gerichtssaal verloren.

„Naomi, danke für die Vorräte, die du mitten durch den Schneesturm hergefahren hast“, sagte er angespannt. „Aber was hast du jetzt vor?“

„Wir sollten die Vorräte ausladen, bevor alles gefriert.“

Seufzend griff er nach seinem Parka und machte sich auf den Weg zur Tür. „Setz dich. Ich hole sie.“

Sie hob eine manikürte Hand. „Vergiss die Leuchtpistole nicht, falls unser ‚Freund‘ wiederkommt.“

„Ich habe alles im Griff.“

„Wenn nötig, kann ich dir mit dem Gewehr Schützenhilfe leisten“, setzte sie hinzu und spürte im Voraus, dass er Nein sagen würde.

Er blieb an der Tür stehen. „Ich habe alles im Griff“, wiederholte er und ging nach draußen.

Wie erwartet glaubte er, dass sie so hilflos war, wie sie aussah. Dieser kluge Mann hatte eine Schwäche, und die hatte sie schnell ausfindig gemacht.

Er fasste Frauen mit Samthandschuhen an.

Einige hätten das sicher toll gefunden und ihm aus der Hand gefressen. Aber sie legte Wert auf ihre Unabhängigkeit. Ihre Kraft.

Ihre Gesundheit.

Als Teenager hatte sie erst gegen den Krebs um ihr Leben gekämpft und dann gleich schon wieder kämpfen müssen: gegen die überbehütende Art ihrer Familie. Manchmal war sie damit über das Ziel hinausgeschossen. Das hatte ihr den Ruf eingebracht, ein ziemlich wildes Leben zu führen. Sie war mutig, feierte gern und kostete jeden Tag voll aus. Und sie hatte zugelassen, dass sie inzwischen als frivol galt, frivoler, als es der Realität entsprach.

Die Entscheidung bereute sie mittlerweile, da es ihr jetzt wirklich darauf ankam, ein Teil des Familienunternehmens zu sein.

Und deshalb musste sie in die Hufe kommen, bevor Royce zurückkehrte. Die Zeit, in der er die Vorräte auslud, war kostbar. Sie musste seine Hütte ausspionieren. Sie würde jeden verfügbaren Hinweis brauchen, um seine Abwehr auszuhebeln.

2. KAPITEL

Royce duckte sich im eisigen Wind. Er trug die letzte Kiste ins Haus. Fünf Mal war er draußen gewesen. Diese Naomi war eine unglaubliche Lieferfahrerin. Er hatte jetzt genug Vorräte, um den Weltuntergang zu überstehen. Zumindest fast.

Das Schleppen hatte ihm Zeit verschafft, darüber nachzudenken, was er von dieser unerwarteten Wendung hielt.

Eine Besucherin in seiner Privathütte.

Eine Frau.

Eine umwerfend schöne Frau.

Drinnen begrüßte seine Hündin ihn schwanzwedelnd. Ihre braunen Augen schienen zu fragen, was es mit diesem Neuzugang auf sich hatte. Royce hatte keine Antwort darauf. Aber er würde bald eine haben.

„Das war die letzte Kiste“, sagte er.

„Tut mir leid, dass das Wetter so fürchterlich ist.“ Sie stand bei den anderen Kisten vor den Küchenschränken und packte Dosenmilch aus.

Naomi hatte den Parka abgelegt, und … Verdammt. In ihrer eng anliegenden Jeans mit den silbernen Nieten sah sie zum Anbeißen aus. Ihr flauschiger roter Pullover rief geradezu: Ich bin weich – fass mich an. Ihr dunkler, seidiger Pferdeschwanz schwang hin und her, als sie nach oben langte, um eine Dose abzustellen, und sich dann bückte, um eine Packung Müsli aufzuheben.

Starr ihr nicht auf den Po.

Er stellte die letzte Kiste auf einen der beiden bequemen Küchenstühle. Diese Art Stuhl konnte er auch im Büro oder im Wohnbereich einsetzen. Alles hier diente mehreren Zwecken. „Macht sich niemand Sorgen, wenn du nicht zurückkommst?“

„Ich habe einem meiner Brüder eine SMS geschrieben, während du draußen warst.“ Sie wackelte in ihren dicken Socken mit den Zehen und stapelte Dosen, um Platz für das Müsli zu schaffen.

Eine SMS? „Wie hast du das denn geschafft? Hier oben hat man doch kaum Empfang.“

Er konnte jederzeit Anrufe tätigen und Mails schreiben, aber seine Ausrüstung hatte Spitzenqualität und verfügte über eine tragbare Mini-Satellitenschüssel.

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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