Das erotische Versprechen des Fremden

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"Sie sehen aus wie ein Mann, der ein Mädchen mit einem Kuss in die Knie zwingen könnte." "Ist das eine Aufforderung?", fragte er, hin- und hergerissen zwischen Belustigung und rasant wachsender Versuchung. Beschwipst vom Champagner, stolpert Alice nach der Party in dem eleganten Hotel in den Fahrstuhl - direkt in die Arme eines sexy Unbekannten, der sich als Adoni Petrakis vorstellt. Mutig nimmt Alice die Einladung in seine Suite an und verbringt heiße Stunden mit ihm. Ohne ein Wort des Abschieds stiehlt sie danach aus ihrem Liebesnest. Aber als sie ihn einige Wochen später aufsuchen muss, um ihm die Folgen dieser Nacht zu gestehen, reagiert er eiskalt. Der steinreiche Grieche scheint sie für eine gewissenslose Betrügerin zu halten …
  • Erscheinungstag 22.04.2024
  • Bandnummer 2351
  • ISBN / Artikelnummer 9783963692352
  • Laufzeit 05:22:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Adoni Petrakis ließ den Blick über die Gäste im Ballsaal seines Londoner Luxushotels schweifen. Während der Trauung hatten sie sich noch von der besten Seite gezeigt, was auch dem vornehmen Ort geschuldet war. Einige hatten die antike Glaskuppel, die kürzlich restaurierten mundgeblasenen Kronleuchter und die eleganten Möbel mit offenem Mund angestarrt.

Inzwischen ging es deutlich ungehemmter zu. Die neuen englischen Verwandten seines Schulfreunds Leo ließen es richtig krachen.

Adoni sah zu Leo und dessen Braut. Das Paar war umringt von den Trauzeugen, die gerade ein Trinkspiel organisierten. Aufgekratzte Brautjungfern gesellten sich zu ihnen. Sie trugen Rüschenkleider in verschiedenen Farben, von Blassgelb bis zu einem besonders scheußlichen Senfton. Eine Brautjungfer lachte schrill. Es klang, als würde man mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzen. Er bekam eine Gänsehaut.

Sämtliche Pflichtabläufe waren erledigt – Hochzeitstorte angeschnitten, Fotos geschossen, Reden gehalten. Hier hielt ihn nichts mehr. Er hatte Leo den Saal zur Verfügung gestellt, an der Feier teilgenommen und sogar mit der Braut getanzt.

Adoni hob eine Schulter, um das steife Gefühl am Schlüsselbein zu vertreiben. Eine harte Woche lag hinter ihm. Ein harter Monat, um genau zu sein. Obwohl er noch nicht ins Bett gehen wollte, wollte er auch nicht auf einer Party bleiben, die immer heftiger ausuferte. Diese Gäste hatten wenig gemein mit einem Mann, für den Arbeit an erster Stelle stand.

Hätte ihn eine der anwesenden Frauen gereizt, hätte er sie möglicherweise zu einer privaten Feier in seine Suite eingeladen. Doch alle wirklich hübschen Damen waren entweder vergeben, oder sie musterten ihn mit Dollarzeichen in den Augen.

Was diesen Typ betraf, hatte er seine Lektion vor langer Zeit gelernt.

Also wünschte er dem frischgebackenen Ehepaar alles Gute und küsste die Braut auf beide roten Wangen. Auf dem Weg hinaus nickte er seinem Mitarbeiter zu, der das Fest koordiniert hatte und alles im Auge behielt. Wenig später stand er im erfreulich stillen Atrium.

Da er keine Gesellschaft hatte, würde er den neuen Vertrag durchlesen oder in den Fitnessraum gehen.

In Gedanken war er bei den zwei Menschen, die eben gelobt hatten, ihr Leben gemeinsam zu verbringen. Und unweigerlich auch bei seiner eigenen, überstürzt abgesagten Hochzeit vor etlichen Jahren. Um seine Mundwinkel erschien ein harter Zug.

Chryssa fehlte ihm kein bisschen. Trotzdem war es seltsam, wie er den ganzen Abend über immer wieder an seine inzwischen halb vergessene Vergangenheit gedacht hatte. An die Zeit, in der er das Leben für unkompliziert gehalten und an die Liebe geglaubt hatte.

Das war eine Ewigkeit her.

Adoni tippte den Code für den Privataufzug zu seiner Suite ein. Die Türen glitten auseinander, und er trat ein. Sekunden später stürzte jemand hinter ihm in die kleine Kabine. Jemand in einem Satinkleid, mit penetrant riechendem Haarspray, prallte gegen ihn.

Er musste niesen.

„Entschuldigung. Habe ich Ihnen wehgetan?“, flüsterte die Person mit rauchiger Stimme in der Nähe seines Kinns. „Bitte verraten Sie mich nicht.“ Statt zurückzuweichen, drängte sie sich an ihn, ihre Hüfte an seinem Oberschenkel, und umklammerte seinen Ärmel.

„Sie verraten?“

„Bitte. Er wird Sie hören.“ Sie streckte eine blasse Hand aus und drückte ungeduldig den Knopf, um die Türen zu schließen. Sobald das geschehen war, ließ sie Adoni los und sank in eine Ecke des Aufzugs.

„Sind Sie in Ordnung?“, fragte er scharf. Zwar hatte sie den Kopf gesenkt, doch ihre verkrampften Schultern und die pulsierende Ader am Halsansatz sprachen Bände. Die Frau hatte Angst. „Hat jemand Sie verletzt?“

„Verletzt?“ Sie schüttelte den Kopf und richtete sich auf, wobei sie leicht schwankte. „Nein, obwohl er mich garantiert erwürgen würde, wenn er könnte. Die bösartige kleine Kröte hasst mich.“

Sie schnappte nach Luft und schlug eine Hand vor den Mund. Schieferblaue Augen blickten in seine. Augen, die ohne den grellen azurfarbenen Lidschatten und die lächerlich langen falschen Wimpern hübsch hätten sein können. Wie eine erschrockene Prostituierte sah sie aus.

„Das wollte ich nicht laut sagen.“ Sie blickte Adoni argwöhnisch an, als hätte er ihr die Worte entlockt.

„Klingt nach einem Mann, um den man einen Bogen machen sollte.“

„Das ist er.“ Das Mädchen nickte so eifrig, dass ihm erneut der beißende Geruch seines Haarsprays in die Nase stieg. Es war ein Mädchen. Achtzehn vielleicht, höchstens zwanzig. Mit dem knalligen Make-up wollte sie älter wirken. „Ich hätte Emily nie zugesagt, wenn ich gewusst hätte, dass er kommt.“

„Emily?“ Adoni verschränkte die Arme und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Er hatte keine Ahnung, warum ihn diese unansehnliche Person neugierig machte, aber er war nicht in Eile. In seiner Suite warteten lediglich Arbeit und ein guter Brandy auf ihn.

„Die Braut. Waren Sie nicht auf der Hochzeit? Ich dachte, ich hätte Sie im Saal gesehen. Sie haben ziemlich grimmig ausgesehen.“ Sie beugte sich vor und musterte ihn eindringlich. Außer dem penetranten Haarspray roch er noch etwas anderes, einen schwachen, zarten Duft.

Sie wich wieder zurück. „Ich bin sicher, dass Sie es waren. Die albernen Hühner haben sich gegenseitig angestachelt, Sie zum Tanzen aufzufordern.“

„Alberne Hühner?“

„Die anderen Brautjungfern.“

„Ah.“ Kein Wunder, dass sie ihm vage bekannt vorkam. Diese Brautjungfer hatte am Ende des langen Tischs gesessen. Das dunkelgelbe, ins Grüne spielende Kleid verlieh ihr eine ungesunde Gesichtsfarbe. Oder war ihr tatsächlich übel? „Ist Ihnen schlecht?“

„Nur von der Gesellschaft da drinnen.“ Sie riss entsetzt die Augen auf und hielt sich erneut eine Hand vor den Mund.

Widerwillig fasziniert beobachtete Adoni, wie sie blinzelte und die Schultern straffte.

„Muss am Champagner liegen“, murmelte sie und ließ die Hand sinken. „Wer hätte das gedacht? Ich habe doch nur zwei Gläser getrunken. Reichen die schon?“ Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihn fragend.

„Wofür?“ Er verkniff sich ein Lächeln.

„Um mich so geschwätz…“ Sie runzelte die Stirn vor lauter Konzentration. „Redselig zu machen. Normalerweise überlege ich, bevor ich spreche. Immer.“

„Hängt davon ab, wie viel Sie sonst trinken.“

„Nichts. Heute habe ich zum ersten Mal Champagner probiert.“

„Dann reicht es wahrscheinlich.“ Die Fremde war amüsant, aber inzwischen suchten ihre Freunde sie bestimmt. „Sollten Sie nicht allmählich zurückgehen?“

Sie schauderte und packte wieder seinen Ärmel. „Nein! Erst, wenn er weg ist.“ Verdutzt blickte sie auf die Fahrstuhlanzeige. „Warum fahren wir nicht?“ Hastig drückte sie den Aufwärts-Knopf. „Tut mir leid. Ich hoffe, Sie wollen nach oben. Mir ist alles recht, solange es mich fort von ihm bringt.“

„Der Kröte?“

„Ja! Woher wissen Sie das?“ Ihr Lächeln traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Wenn sie lächelte, sah er etwas, das sogar die dicke Schminke nicht verbergen konnte. „Grimmig und clever! Sie gefallen mir, Mr. …“

„Petrakis. Adoni Petrakis.“

„Adoni?“, wiederholte sie erstaunt.

Er nickte und wartete auf die übliche Begeisterung. Bei Frauen war er schon immer gut angekommen, und seit er ein Vermögen verdient hatte …

„Wie in Adonis?“

„Es ist ein griechischer Name.“

„Natürlich, aber er passt nicht zu Ihnen.“ Sie kniff die Augen leicht zusammen und taxierte ihn mit geschürzten Lippen, was überraschend sexy wirkte – trotz des korallenroten Lippenstifts, der sich mit ihrer hellen Haut biss. „Sie sind kein Adonis.“

Er starrte sie an. Komplimente von Frauen war er gewohnt, Enttäuschung hingegen nicht. „Wissen Sie, wer Adonis war?“

Sie winkte ab, als würde er ihren Gedankengang stören. „Der griechischen Mythologie zufolge ein hinreißender junger Mann, Geliebter der Göttin Aphrodite. Ein Eber hat ihn getötet.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Oder vielleicht jemand anderes, ich erinnere mich nicht genau. Aber Sie sind kein Adonis.“

Nun konnte er sich das Lächeln nicht mehr verkneifen. Hatte je eine Frau so mit ihm gesprochen? Nicht schmeichelnd und willig? „Nicht hübsch genug?“

Wieder winkte sie ab. „Niemand könnte Sie hübsch nennen“, erklärte sie entschieden. „Attraktiv schon, allerdings auf eine strenge, gefährliche Weise. Und dann diese dunklen Brauen.“ Sie hob eine Hand zu seinem Gesicht, berührte es aber nicht. „Eher wie Ares, der Kriegsgott. Sexy, aber unerbittlich.“

Hinter ihr glitten die Aufzugtüren auf. Sie drehte sich um, während Adoni überlegte, ob er ihre Worte als Beleidigung oder Kompliment auffassen sollte.

„Oh, wie schön.“ Sie schlenderte in das Foyer seiner Privatsuite und spähte durch die offene Tür in das riesige Wohnzimmer. „Ist es in Ordnung, wenn ich hierbleibe, bis er weg ist?“

Beim nächsten Schritt blieb sie mit dem Absatz im handgeknüpften Teppich hängen und ruderte mit den Armen. Adoni schloss eine Hand um ihren Oberarm. Ihre Haut fühlte sich kühl und seidenglatt an.

„Sind Sie sicher, dass Sie nur zwei Gläser Champagner getrunken haben?“

Sie lehnte sich an ihn, eine Handfläche auf seiner Brust. „Hundertprozentig. Aber ich schätze, ich sollte keinen mehr trinken. Ich fühle mich ein bisschen … anders.“ Jetzt hob sie den Kopf und blinzelte, als würde sie verschwommen sehen. „Finden Sie, dass ich mich eigenartig benehme?“

Er fand, dass unter dem grellen Make-up und dem unvorteilhaften Kleid eine verblüffend anziehende – womöglich verletzliche – junge Frau steckte. „Ihre Freunde wundern sich gewiss, wo Sie bleiben.“

„Das sind nicht meine Freunde, und sie werden mich nicht vermissen. Außer Emily kenne ich niemanden. Sie ist meine Cousine. Natürlich kenne ich ihre Eltern, aber die haben keine Zeit für mich. Hatten sie nie. Ich bin nur eine Lückenbüßerin, weil Brautjungfer Nummer sieben kurzfristig abgesagt hat. Oh – und die Kröte kenne ich natürlich auch.“ Sie verzog das Gesicht. „Kann ich einfach eine Weile hier sitzen? Mich rausschleichen und mit dem Zug heimfahren, ginge zwar auch, aber mir ist ein wenig schwummrig.“

Adoni sah sie forschend an. Sie war eindeutig nicht in der Verfassung, allein nach Hause zu fahren. Und so arglos, dass jemand ein Auge auf sie haben musste.

„Also gut. Bleiben Sie hier. Ich mache Kaffee.“

„Wunderbar! Für so häuslich habe ich Ares nie gehalten. Ich dachte immer, er wäre ausgesprochen leidenschaftlich und feurig.“ Sie strahlte wieder – und so glückselig, dass er zu seinem Erstaunen zurücklächelte. Diese Person redete Unsinn, doch er mochte ihren Sinn für Humor. Genau wie die Tatsache, dass sie ihn nicht mit Samthandschuhen anfasste.

„Glauben Sie, ich darf das Bad benutzen?“

„Natürlich. Den Flur entlang, letzte Tür links.“

Als Adoni ins Wohnzimmer zurückkehrte, war es leer. Er stellte das Tablett mit Kaffee und Keksen auf einen Tisch. Dumm von dir, sie reinzulassen, schalt er sich. Schließlich wusste er nichts über sie, nicht einmal ihren Namen. Nur dass sie keinen Champagner vertrug und sich unerwartet gut in griechischer Mythologie auskannte.

Seine Zweifel wuchsen, während er sich auf die Suche nach ihr machte.

„Alles in Ordnung?“ Er klopfte laut gegen die Badezimmertür.

„Sorry. Bin gleich fertig.“

„Müssen Sie sich übergeben?“

„Nein, ich bin nur klebrig.“

Klebrig? Adoni runzelte die Stirn. Das ergab keinen Sinn.

Die Tür ging auf. Seine Besucherin sah völlig anders aus. Unter anderem kleiner, denn die Schuhe baumelten in ihrer Hand.

„Ich habe geduscht. Jetzt fühle ich mich viel besser.“ Sie machte ein paar Schritte den Flur entlang und stolperte über ihr Kleid, direkt in seine Arme. Instinktiv fing er sie auf, wobei er ihre weichen Brüste an seinem Oberkörper spürte und ihr schlanker Körper auf seinen prallte.

„Ups. Tut mir leid.“ Sie wich zurück und lächelte leicht. „Das Kleid ist zu lang. Es war für jemand anders gedacht.“

„Jemand mit Schuhen an den Füßen“, murmelte Adoni und versuchte, den Gedanken an ihren geschmeidigen Körper zu verdrängen.

„Ach so. Deshalb.“ Sie schnupperte. „Rieche ich da etwa Kaffee?“ Bevor er antworten konnte, raffte sie den Rock so hoch, dass er einen Blick auf verlockend wohlgeformte nackte Beine werfen konnte. Dann drehte sie sich um und ging, mit einer Hand an die Wand gestützt, zum Wohnzimmer.

Adoni ließ sich Zeit. Seine Reaktion auf die Frau, die aus seinem Gästebad gekommen war, brachte ihn aus dem Konzept. Das grelle Make-up und die falschen Wimpern waren fort. Darunter verbarg sich ein klarer, frischer Teint, der ausgezeichnet zu den dunkelblauen Augen in dem herzförmigen Gesicht passte. Und ihr rosiger Mund mit dem Amorbogen zog unwillkürlich den Blick jedes Betrachters auf sich.

Die aufwendig gelockte und mit Spray in Schach gehaltene Frisur mit den senfgelben Bändern war verschwunden und langen dunklen Haaren gewichen. Sie waren noch nass. Von den Spitzen fielen kleine Tropfen auf die Korsage ihres Kleides, die sich prompt enger an den Oberkörper schmiegte.

Er schluckte, als sie ins Wohnzimmer abbog und auf das Sofa sank. Das Licht betonte die reizvolle Kurve ihrer Brüste unter dem feuchten Stoff. Und Adoni spürte eine verlangende Hitze in sich aufsteigen.

Derart jäh und heftig reagierte sein Körper selten. Zumal diese Frau nicht einmal versuchte, ihn zu locken.

Oder doch?

Adoni hatte schon einige hinterlistige Frauen getroffen, die sich besonders ins Zeug gelegt hatten, um ihn zu verführen. Doch sein Instinkt verriet ihm, dass diese junge Frau nicht zu ihnen gehörte.

„Wie heißen Sie?“ Er klang schroff, doch es schien ihr nicht aufzufallen.

„Alice. Alice Trehearn.“ Sie blickte ihn über die Schulter an. Die geschwungene Linie ihres Nackens, das hübsche Kinn und ihr ungewöhnliches Lächeln ließen sein Verlangen wachsen.

„Gucken Sie nicht so böse. Obwohl ich zugeben muss, dass Sie sehr sexy aussehen, wenn Sie es tun, so machomäßig und …“ Sie kniff die Augen zusammen. „Erinnern Sie mich daran, nie wieder Champagner zu trinken.“

Er musste lachen. Eine Frau, die aussprach, was ihr in den Sinn kam, hatte etwas ungemein Erfrischendes an sich.

„Wie alt sind Sie, Alice?“ Plötzlich war es ihm wichtig, das zu erfahren.

„Nächste Woche werde ich dreiundzwanzig.“ Sie drehte sich wieder um und goss Milch in einen der Kaffeebecher. „Und Sie?“

„Einunddreißig“, antwortete er erleichtert. Was Erfahrung betraf, hatte er ihr ein Leben voraus. Entgeistert merkte er, dass diese Tatsache sein Interesse nicht dämpfte. Als er sich ihr gegenübersetzte, war ihm seine Hose zu eng.

„Sie sehen älter aus“, stellte sie fest und legte den Kopf schief. „Außer wenn Sie lächeln. Ich mag Ihr Lächeln. Sie sollten öfter lächeln.“

Adonis Mundwinkel zuckten. Ist mir Aufrichtigkeit wirklich lieber?

Ja. Unbedingt.

„Ich dachte, Sie mögen meine … äh … grimmige Miene.“

„Oh, das tue ich.“ Sie brach ab, als würde ihr klar, was sie gesagt hatte. Dann nippte sie am Kaffee. „Aber wenn Sie lächeln, wirken Sie weniger wie ein herrischer griechischer Gott.“

„Ares?“

Sie nickte. „Ja. Oder der mit den Blitzen.“

„Zeus?“ Bin ich tatsächlich so furchterregend? Adoni hielt sich für einen beherrschten, fokussierten Mann. Einen Mann, der weder Dummköpfe im Geschäftsleben noch Goldgräberinnen in seinem Privatleben duldete.

„Genau der. Allerdings trägt er auf allen Bildern einen Bart, und Sie haben keinen.“

„Ich könnte mir einen zulegen.“

„Nein, das wäre Verschwendung. Sie haben ein hübsches Kinn. Vielleicht macht es Sie einen Tick stur, aber auf jeden Fall ist es sehr hübsch.“ Sie trank noch einen Schluck und lächelte.

„Danke, gleichfalls.“ Ein wenig spitz war ihr Kinn, doch es bildete den perfekten Kontrapunkt zu den üppigen Lippen, auf die er gerade starrte.

Adoni beugte sich vor, griff nach seinem Becher und trank einen großen Schluck. Er bemerkte, dass Alice ihn ebenfalls anstarrte. Ihr Mund war leicht geöffnet, und sie atmete flach.

„Alles okay?“ Du benimmst dich tadellos, lobte er sich, weil er vorgab, ihren Zustand nicht als das zu erkennen, was er war – weibliches Interesse.

„Bestens. Sie sehen nur so …“

Vielleicht wurde sie allmählich nüchtern, denn sie beendete ihren Satz nicht.

„So …“ Er war nicht auf Komplimente aus, fragte sich aber, was sie hatte sagen wollen.

Sie senkte den Blick auf ihren Becher. „Nett. Sie sehen nett aus.“

Eigentlich wollte sie etwas anderes sagen, jede Wette. „Sie auch.“

„Es gibt keinen Grund zu lügen.“ Sie hob den Kopf und betrachtete ihn würdevoll mit hochgezogenen Brauen. „Ich sehe grässlich aus. Keine Ahnung, warum Emily diese Farbe ausgesucht hat.“

Adoni lachte. Es stimmte. „Man darf wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Ihnen die Farbe nicht steht.“

„Eben, aber es war zu spät für ein anderes Kleid. Sogar zu spät, um die Passform zu ändern.“

Er fand ihren Schmollmund sehr verführerisch. „Ist ja nur für einen Abend.“

„Das sage ich mir auch schon die ganze Zeit. Heute ist ein Tag voller erster Male.“

„Erster Male?“

Sie nickte. „Erstes Mal in Gelb. Nie wieder. Erstes Mal in London. Erstes Mal Brautjungfer. Ich dachte, es würde Spaß machen, aber die anderen Brautjungfern sind unter sich geblieben. Und die Trauzeugen …“

„Nicht Ihr Typ?“

Alice zuckte mit den Schultern. Ein Puffärmel rutschte ihr über die Schulter. „Keine Ahnung. Ich glaube nicht.“ Sie schlug die Beine unter und ruckelte hin und her, bis sie bequem saß.

Nichts an dieser Bewegung hatte auch nur annähernd verführerisch sein sollen. Trotzdem fand er es unerhört erotisch, wie Hüften und Brüste seiner Zufallsbekanntschaft sich sanft hin- und her bewegten.

„Keine Ahnung?“ Seine Stimme klang fremd.

„Nein. Ich muss noch mehr recherchieren. Ich habe heute einige erste Male“, meinte sie mit einem verdrossenen Blick auf ihr Kleid. „Aber es gibt auch etliche Nies.“

„Nies?“

„Genau.“ Sie hob einen Finger. „Ich hatte nie Glück mit Männern.“ Der zweite Finger folgte. „Wurde nie so geküsst, dass es mich umgehauen hat.“ Nachdenklich betrachtete sie ihn. „Sie sehen aus wie ein Mann, der ein Mädchen mit einem Kuss in die Knie zwingen könnte.“

Er verschluckte sich am Kaffee. „Ist das eine Aufforderung?“, fragte er, schwankend zwischen Belustigung und rasant wachsender Versuchung.

Ohne den billigen Lippenstift hatte Alice Trehearn den entzückendsten Mund, den er je gesehen hatte. Er schluckte schwer und ermahnte sich, dass sie beschwipst war.

„Als ob ein Mann wie Sie ein Mädchen wie mich küssen würde.“ Sie lehnte den Kopf zurück, und ihre Lider senkten sich. Adoni fragte sich, ob sie gleich einschlafen würde.

„Auto bin ich auch noch nie gefahren.“ Sie seufzte. „Ich wette, Sie haben ein tolles Auto.“

„Richtig.“ Und er würde diese angeheiterte Frau auf keinen Fall in dessen Nähe lassen, trotz ihres enthusiastischen Lächelns. „Aber Sie dürfen nicht ans Steuer.“

Sie sah dermaßen enttäuscht aus, dass er fast wünschte, er könnte ihr sonniges Lächeln und das Funkeln in ihren schönen Augen zurückzaubern. „Steht noch etwas auf Ihrer Nies-Liste?“

Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder. Das Blut stieg ihr in die Wangen.

„Alice?“, bohrte er.

„Nichts.“

„Sie können mir ebenso gut sagen, was Sie noch nie gemacht haben. Ich verspreche, es für mich zu behalten.“

Bin ich tatsächlich derart neugierig, mehr über sie zu erfahren?

Ja, stellte er erstaunt fest.

Sie nestelte an ihrem Ärmel. „Ich rede schon die ganze Zeit. Sollten Sie nicht auch mal etwas erzählen?“

Als wäre sie gar nicht ohne Einladung in seine Privatsuite geplatzt. Und doch hatte er sich lange nicht mehr so gern mit einer Frau unterhalten.

Welchen Schluss ließ das über die Frauen zu, mit denen er ausging?

„Was möchten Sie denn hören?“

„Was immer Sie sagen wollen. Etwas, das niemand sonst weiß. Ich verspreche, es für mich zu behalten.“

Absurd. Warum sollte ich mich einer Fremden anvertrauen? Er saß da, im gedämpften Licht, registrierte Alice Trehearns unschuldiges Lächeln und ihren erwartungsvollen Blick und spielte mit dem Gedanken, darauf einzusteigen.

Weil ich es nicht gewohnt bin, jemandem etwas wirklich Persönliches anzuvertrauen?

Weil ich sie nie wiedersehen werde?

Daran und an ihrer eigentümlichen Anziehungskraft musste es liegen, dass er es überhaupt in Erwägung zog. Und warum er, der notorische Privatmensch, sie an sich herangelassen hatte.

Den ganzen Abend war er ruhelos gewesen. Erst seit diese Frau sich ihm aufgedrängt hatte, konnte er entspannen.

„Ich mag keine Hochzeiten.“ Das Geständnis tat erstaunlich gut.

„Wirklich? Aus einem bestimmten Grund?“

Er trank noch einen Schluck. Jetzt schmeckte der Kaffee weniger aromatisch. „Einmal hätte ich fast geheiratet. Ich schätze, Hochzeiten bringen schlechte Erinnerungen zurück.“

Erinnerungen an Zurückweisung, Fassungslosigkeit und Enttäuschung. Aber Adoni hatte aus der Erfahrung gelernt. Heute vertraute er außer ein paar handverlesenen Managern nur sich selbst. Das war sicherer. Wenn sich die Menschen, die einem am nächsten standen, gegen einen selbst wandten, segelte das Vertrauen zuerst über Bord. Dicht gefolgt von Liebe.

Zerstreut kreiste er mit den Schultern, um das steife Gefühl am Schlüsselbein loszuwerden.

„Das tut mir sehr leid.“ Sie beugte sich vor und hob eine Hand, als wollte sie die Falte auf seiner Stirn glatt streichen, lehnte sich aber wieder zurück.

Adoni wartete auf das Unausweichliche. Die Frage, warum seine Hochzeit nicht stattgefunden hatte. Und wieder überraschte Alice Trehearn ihn. Sogar beschwipst war sie taktvoll genug, um nicht nachzuhaken. „Der heutige Abend muss schwierig für Sie gewesen sein.“

Er schüttelte den Kopf, um das Mitgefühl abzuwehren. „Alles in Ordnung. Keine große Sache.“ Höchste Zeit, das Thema zu wechseln. „Also, was ist es, das Sie noch nie gemacht haben? Mein Geheimnis kennen Sie. Jetzt sind Sie dran.“

Ärger? Scham? Er konnte ihren Blick nicht einordnen. Jedenfalls färbten sich ihre Wangen hochrot.

„Alice?“

Sie presste die Lippen zusammen. Gleich darauf purzelten ihr die Worte aus dem Mund. „Ich hatte noch nie einen Orgasmus, wenn Sie es unbedingt wissen müssen.“ Majestätisch wie ein junger Schwan sah sie aus mit ihrem schlanken Hals, als sie verlegen den Kopf senkte.

Im nächsten Moment blitzte etwas in ihren Augen auf. „Sie wollen mir nicht zufällig dabei helfen?“

2. KAPITEL

Ihr zum ersten Orgasmus verhelfen? Während der folgenden Stunde versuchte Adoni, Alice Trehearns Worte zu vergessen.

Die Frage war dermaßen abwegig – und einfach zum Lachen.

Dass eine beschwipste Frau ihn so ungeschickt anbaggerte!

Eine Frau ohne Glamour oder Kenntnisse in der Kunst des Verführens, die er bei einer Geliebten voraussetzte.

Eine Frau im schlecht sitzenden Kleid, dessen Farbe an Gallenflüssigkeit erinnerte. Mit feuchten Haaren, ohne Make-up. Sie gehörte nicht in seine Welt und hätte nicht die Spur attraktiv sein sollen.

Trotzdem konnte er die provokative Idee, Alice ihren ersten Orgasmus zu schenken, nicht abschütteln. Lag das an der Vorstellung, ihr als erster Mann zu zeigen, welche Lust sie empfinden konnte? Oder an Alice selbst?

Der rosige Schimmer, der jetzt ihre Wangen überzog, würde sich über ihre Brüste ausbreiten. Die dunklen Augen würden glitzern, und sie würde mit ihren vollen Lippen nach Luft schnappen, vielleicht sogar aufschreien, wenn er sie zum Höhepunkt trieb.

Das Bild von ihr, nackt unter ihm, zitternd vor Befriedigung, stieg so klar vor ihm auf, dass er schlagartig hart wurde.

Ein Anruf seines Nordamerika-Managers ersparte sowohl ihm als auch ihr die Peinlichkeit einer Antwort. Als er ihr nach dem Telefonat sagen wollte, dass er arbeiten und sie gehen müsse, schlief sie.

Zuerst glaubte Adoni an eine List. Vor allem, weil Alice unfassbar niedlich aussah, zusammengerollt, beide Hände unter einer Wange, die nackten Füße auf den Kissen. Doch ihre gelegentlichen leisen Schnaufer belehrten ihn eines Besseren. Sie glichen zu sehr einem Schnarchen, als dass eine Möchtegern-Verführerin sie von sich gegeben hätte.

Und so saß er nun am Schreibtisch auf der anderen Seite des Zimmers und las den Vertrag, den sein Manager ihm gemailt hatte. Düster blickte er zu der Frau auf seinem Sofa.

Wie kann sie es wagen, mir ein solches Angebot zu machen und dann einzuschlafen? Sie drehte sich auf den Rücken, sodass der weite Ausschnitt ihres Kleids auseinanderklaffte und eine sanft gerundete Brust enthüllte.

Der Puls in seiner Leiste schlug fester und schneller, während er den Blick über ihren grazilen Körper gleiten ließ. Sein Mund fühlte sich wie ausgedörrt an, als sie sich erneut im Schlaf leicht bewegte und die Korsage beinahe eine Brustknospe entblößte. Ihr Rock war bis über die Knie hochgerutscht.

Sie hätte nicht hübsch aussehen sollen. Schon gar nicht reizvoll. Dennoch spürte er die Hitze, die durch seinen Unterleib strömte. Unruhe. Verzehrenden Hunger.

Autor

Annie West
<p>Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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