Die sinnliche Braut des Italieners
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„Nur dass ich das richtig verstehe.“ Pietro starrte den Mann an, der ihm an seinem Schreibtisch gegenübersaß und den er seit zwanzig Jahren verehrte. „Du bittest mich, deine Tochter zu heiraten – eine Frau, die dreizehn Jahre jünger ist als ich, eine Frau, die ich kaum kenne? Wie kommst du darauf, dass ich Ja sagen könnte?“
Col rutschte auf seinem Stuhl hin und her, doch sein Blick war fest und klar. „Emmeline ist eine schöne und intelligente Frau. Warum reagierst du so empört auf meinen Vorschlag?“
In Pietros Augen war Emmeline krankhaft schüchtern und nichtssagend.
„Ich habe nicht vor, jemals zu heiraten“, erwiderte er ausweichend.
„Umso besser. Die Ehe mit meiner Tochter wird dich nicht von irgendwelchen Affären abhalten.“
Pietro kniff die Lippen zu einer geraden, dünnen Linie zusammen. Er sprach mit Nachdruck und der eisernen Autorität, die seine Widersacher so fürchteten. „Es wird keine Hochzeit geben.“
Col schmunzelte. Pietros Befehlston beeindruckte ihn offenbar wenig.
„Ich liebe dich wie einen Sohn, Pietro. Du und Emmeline, ihr seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Du musst sie heiraten.“
„Warum? Wo kommt das plötzlich her?“ Pietro lehnte sich vor und studierte das Gesicht des älteren Mannes.
„Ich denke schon seit ein paar Wochen darüber nach.“
„Warum?“, wiederholte Pietro.
Col atmete langsam aus und senkte den Blick. „Emmeline möchte hier in Rom studieren. Ich habe ihr gesagt, dass sie meinen Segen hat. Aber nur, wenn sie dich heiratet.“
„Und sie war einverstanden?“, fragte Pietro verächtlich. Sein Eindruck von der Tochter des Senators als unselbstständige Klette schien sich zu bestätigen.
„Es gab ein paar Diskussionen“, gestand Col. „Aber am Ende war sie einverstanden.“ In seinen Augen lag ein herausforderndes Funkeln. „Emmeline würde alles tun, worum ich sie bitte. Sie ist ein braves Mädchen.“
Ein braves Mädchen. Pietro hätte fast die Augen verdreht. Brave Mädchen waren langweilig.
„Na und? Ich kann doch ein Auge auf deine Tochter haben, ohne sie gleich zu heiraten!“
„Verdammt!“, fluchte Col auf einmal aufgebracht. „Das reicht nicht.“
„Zum dritten Mal, warum nicht?“ Pietro kniff die Augen zusammen. „Was habe ich verpasst?“
In Cols Blick lag Trotz, und er wirkte verstimmt. Nach einem Moment bedrückender Stille nickte er einmal. Es war eindeutig, dass er kapitulierte.
„Was ich dir jetzt sage, darf dieses Zimmer nie verlassen.“
Pietro signalisierte verblüfft seine Zustimmung.
„Schwör es, Pietro. Schwör, dass du die Sache vertraulich behandelst.“
„Natürlich.“
„Es gibt außer mir nur zwei Menschen, die wissen, was ich dir jetzt anvertraue. Nicht einmal Emmeline weiß davon.“
Schweigend wartete Pietro darauf, dass der Senator fortfuhr.
„Es fällt mir nicht leicht, darüber zu sprechen … Ich sterbe.“
Pietro erstarrte vor Schreck. „Was?“, hörte er sich selbst nach einer Weile sagen. Es klang, als würde ihm jemand das Wort aus dem Mund ziehen.
„Ich sterbe. Mein Onkologe meint, mir bleiben wahrscheinlich noch ein paar Monate.“
Col beugte sich vor, und die Entschlossenheit in seinem Blick ließ Pietro schaudern.
„Doch es werden keine guten Monate. Ich will Emmeline so weit weg von mir wie möglich wissen. Ich will, dass sie glücklich ist. Sicher. Behütet. Ich will nicht, dass sie mitbekommt, wie es mir geht.“
Pietro fühlte sich, als läge ein Berg Ziegelsteine auf seiner Brust. Sein geliebter Vater war vor zwanzig Jahren ebenfalls an Krebs gestorben. Die Aussicht, das noch einmal durchmachen zu müssen, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren.
„Das kann nicht sein.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und musterte den Senator erneut. Er sah so gesund aus. Genau wie immer. „Hast du eine zweite Meinung eingeholt?“
„Das brauche ich nicht. Ich habe die Röntgenbilder gesehen. Der Krebs ist überall.“
Pietro fluchte in seiner Muttersprache. Lange hatte er sich nicht so machtlos gefühlt. „Das tut mir leid, Col.“
„Ich brauche nicht dein Mitleid, sondern deine Hilfe. Verdammt, ich bitte dich darum.“
Innerlich stöhnte Pietro. Er würde fast alles für den älteren Mann tun. Aber seine Tochter heiraten?
„Sicher würde Emmeline es vorziehen, sich selbst einen Ehemann zu suchen“, warf er ein.
„Wen denn? Jemanden, der es auf ihr Vermögen abgesehen hat?“, spottete Col. „Sie erbt Milliarden, wenn ich sterbe. Milliarden. Ganz zu schweigen von dem Anwesen und den Ölfeldern in Texas. Und sie ist völlig weltfremd.“ Er brummte unzufrieden. „Das ist meine Schuld. Nach dem Tod ihrer Mutter wollte ich sie beschützen. Ich wollte sie von allem fernhalten. Und das habe ich geschafft. Aber jetzt habe ich eine zweiundzwanzigjährige Tochter, die bald Vollwaise ist – und, zur Hölle, Pietro, ich muss wissen, dass sich jemand um sie kümmert.“
„Das werde ich“, versprach Pietro, und er meinte es ernst.
„Eine gelegentliche E-Mail reicht nicht. Sie muss unter deinem Dach wohnen. Emmeline braucht jemanden, der auf sie aufpasst.“
„Du sagst, sie weiß nichts von dem Krebs?“
„Und sie wird auch nichts davon erfahren. Ich möchte ihr diesen Schmerz ersparen. Das bin ich ihr schuldig.“
Darauf war Pietro nicht vorbereitet gewesen. Er spürte, wie sich alles in ihm gegen Cols Wunsch sträubte.
„Ich habe dich noch nie um etwas gebeten, Pietro. Versprich mir, dass du es tust. Für mich.“
„Du kannst mich nicht leiden, oder?“
Emmeline betrachtete den gutaussehenden Italiener nachdenklich – den teuren Anzug, den straffen, durchtrainierten Körper, das volle dunkle Haar, die dunkelbraunen Augen und die Lippen, die wie zum Küssen und Fluchen gemacht waren.
Bei dem Gedanken, dass sie ihn heiraten sollte, wurde ihr ganz anders.
Pietro antwortete nicht. Hat er mich überhaupt gehört? Sie holte tief Luft und setzte erneut an: „Ich habe gesagt …“
„Ich weiß, was du gesagt hast“, unterbrach er sie.
Er trommelte mit den Fingern auf der Stuhllehne.
„Es ist spät. Möchtest du einen Kaffee? Oder etwas Stärkeres?“, erkundigte er sich.
Emmeline schüttelte den Kopf, und ihr langes, glattes Haar bewegte sich dabei wie ein glänzender Vorhang. „Ich möchte nichts.“
Er presste die Lippen aufeinander, stand auf und durchquerte mit raubtierhafter Anmut das Zimmer. Sie beobachtete, wie er den Glasverschluss einer Karaffe abnahm, sich bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein Longdrinkglas füllte und gut die Hälfte davon in einem Zug austrank.
„Ich weiß, das Ganze ist verrückt …“, murmelte Emmeline. Ihre Augen weiteten sich, als sie seinem Blick begegnete, und sie schaute schnell wieder weg.
„Un po“, gab er zu. „Ein bisschen.“
„Die Sache ist, ich will nicht, dass Daddy sich aufregt. Ich ertrage den Gedanken nicht, ihm wehzutun.“
Erneut suchte sie seinen Blick, und diesmal zwang sie sich, ihm standzuhalten. Wenn sie diesen Mann zu ihrem Komplizen machen wollte, musste sie ihm beweisen, dass sie keine Angst vor ihm hatte.
„Seit dem Tod meiner Mutter hat er mich in Watte gepackt. Und ich habe es geschehen lassen.“
Emmeline seufzte leise. „Ich denke schon seit Jahren, dass ich mich mehr durchsetzen müsste. Dass ich die Freiheiten und Privilegien genießen sollte, die jedem in meinem Alter zustehen.“
„Und? Warum tust du es nicht?“
Allein der Gedanke an Emmelines behütete Existenz war Pietro zuwider. Buchstäblich von Kindesbeinen an hatte er gegen jede Form von Zwang aufbegehrt. Er hatte schon immer nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung gestrebt.
„Schwer zu erklären.“ Sie verstand es ja selbst kaum. „Nach Moms Selbstmord war Daddy am Boden. Mich zu beschützen, wurde zu seiner Obsession. Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, mich dagegen zu wehren.“
Der Ausdruck auf Emmelines Gesicht berührte etwas in Pietros tiefstem Innern.
„Ja“, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage. „Ich weiß, wie sie starb.“ Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und sie schlug die schlanken Beine übereinander, die Hände im Schoß gefaltet.
„Dein Vater hat alles versucht, um dich vor der Wahrheit zu beschützen.“
„Ja.“ Sie lächelte schief. „Wie gesagt, er ist geradezu besessen davon, mich zu beschützen.“
„Wie hast du es herausgefunden?“
Die Frage rief Erinnerungen an eine dunkle Zeit in ihrem Leben wach.
„Ich war fünfzehn, nicht fünf“, erwiderte sie schulterzuckend und bemühte sich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck. „Daddy hat versucht, mich von allem fernzuhalten, aber in die Schule musste ich trotzdem, und Kinder können ziemlich grausam sein. Sie ist gegen einen Baum gefahren, klar – aber es war kein Unfall.“
In ihren Augen sah er den Schmerz, den sie zu überspielen versuchte. Unter normalen Umständen hätte er sie vielleicht getröstet. Doch dies waren keine normalen Umstände, und sie war keine normale Frau. Wenn er mitspielte, war sie seine zukünftige Braut.
Als hätte ich eine Wahl! Col hatte ihn vor vollendete Tatsachen gestellt.
„Ich glaube, er ist nie über ihren Tod hinweggekommen, und darum hat er solche Angst, dass mir etwas zustoßen könnte. Das kann ich sogar nachvollziehen.“ Sie räusperte sich. Jetzt kam der schwierige Teil. „Also, ja. Ich denke, wir sollten heiraten.“
Er lachte pikiert. „Glaubst du nicht, dass ich ein Mann bin, der dieses Anliegen gern selbst anspricht?“
„Oh …“
Ihr selbstbewusster Blick irritierte ihn etwas.
„Ich denke, dass du ein Mann bist, der nicht vorhat, diese Frage überhaupt jemals irgendeiner Frau zu stellen.“ Sie räusperte sich noch einmal. „Wenn man den Klatschblättern glauben darf, würdest du in deinem Schlafzimmer lieber eine Drehtür einbauen, als dich festzulegen.“
Sein Lächeln war kalt. „Ist das so?“
„Was du so treibst, ist kaum ein Geheimnis.“
Emmeline senkte den Blick. Das Licht war schummrig, doch ihm entging nicht, dass sich ihre Wangen röteten.
„Nein“, bestätigte er sanft.
Das hätte ihr eine Warnung sein sollen, doch sie hatte keine Erfahrung mit Männern. Und schon gar nicht mit Männern wie Pietro Morelli.
„Ich verlange nicht, dass du … damit … aufhörst.“ Sie machte eine unbestimmte Geste, sodass die zarten Armreifen an ihrem Handgelenk klimperten.
„Ach, nein? Wie entgegenkommend.“
„Ich meine, die Ehe wäre ja nur Mittel zum Zweck“, erklärte sie hastig. „Wir können ganz getrennte Leben führen.“
Sie versuchte, sich an die Bilder von seiner Villa vor den Toren Roms zu erinnern. „Dein Haus ist riesig. Wahrscheinlich begegnen wir uns kaum.“
Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn, beruhigt, dass sie mit der Situation so nüchtern umging. Wenigstens ließ sie sich nicht zu irgendwelchen Disneymärchenfantasien hinreißen.
„Und das würde dir nichts ausmachen?“, fragte er, während er sie musterte.
Sie war das Abbild der langweiligen, amerikanischen High Society. Kein Sinn für Stil oder Mode – ein beigefarbener Hosenanzug mit cremefarbener Bluse und eine Perlenkette um den schlanken, blassen Hals. Welche Zweiundzwanzigjährige zog sich freiwillig so an?
„Natürlich nicht“, erwiderte sie überrascht. „Ich sagte doch, es wäre keine echte Ehe. Sie dient nur dazu, meinen Vater zu beruhigen. Er ist so altmodisch. Es ist eine Zweckehe.“
„Eine Zweckehe?“, wiederholte Pietro.
„Ja. Für Leute wie uns ist es schwer, jemanden zu finden, der es nicht nur auf unser Vermögen abgesehen hat.“
Langsam gewann Pietro den Eindruck, dass Col seine Tochter falsch einschätzte. Auf Pietro wirkte Emmeline überhaupt nicht wehrlos. Zu seiner Überraschung schien sie die Situation klar zu erfassen.
„Ich will dein Geld jedenfalls nicht. Ich will eigentlich gar nichts von dir. Nur die Freiheit, die mir unsere Ehe gestattet“, fuhr sie fort.
„Meine Mutter hätte gern Enkelkinder“, hörte er sich zu seiner Verblüffung sagen.
Der Klang ihres Lachens traf ihn völlig unvorbereitet. Es war ein melodisches Lachen, das überhaupt nicht zu ihrer farblosen Erscheinung passte.
„Wahrscheinlich hat sie schon ein paar, wenn man deinen Ruf bedenkt.“
Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. „Willst du damit sagen, dass ich Kinder habe, von denen ich nichts weiß?“
Sie hob die Schultern. „Diese Möglichkeit solltest du wohl in Betracht ziehen.“
Nachdenklich kniff Pietro die Augen zusammen. Sie hatte mehr Mut als erwartet. Hinter der Fassade der kultivierten, höflichen Millionenerbin offenbarten sich im Gespräch Intelligenz und bissiger Humor.
„Es gibt keine“, erklärte er mit Nachdruck. „Vor der Verantwortung als Vater würde ich mich niemals drücken.“
„Dann wird deine Mutter mit der Enttäuschung leben müssen. Aber wenigstens wird sie dein Gesicht nicht mehr jede Woche in den Klatschspalten sehen.“
Sie stand auf und ging auf und ab, was ihn an sein Gespräch mit Col am selben Abend erinnerte.
„Du müsstest in Zukunft allerdings etwas diskreter sein. Ich heirate dich nicht, um mich öffentlich demütigen zu lassen. Die Außenwelt soll glauben, dass es sich um eine ganz normale Ehe handelt. Ich schätze, wir müssen uns gelegentlich gemeinsam auf Veranstaltungen blicken lassen. Doch hinter verschlossenen Türen kannst du treiben, was du willst – mit wem du willst.“
„Es würde dir also nichts ausmachen, wenn du in dieses Zimmer kommst und mich beim Sex erwischst?“
Emmelines Herz setzte einen Schlag aus, doch sie verzog keine Miene. „Nur in hygienischer Hinsicht.“
Er verkniff sich ein Lächeln. „Verstehe.“
„Daddy möchte, dass wir so schnell wie möglich heiraten. Wenn wir es noch diesen Monat schaffen, kann ich mich schon fürs nächste Semester einschreiben.“
„Einschreiben?“, fragte Pietro verwundert. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie in Rom studieren wollte. Von Cols Krebserkrankung zu erfahren, hatte alles andere aus seinem Kopf verdrängt.
„Ja. An der Universität. Hat Daddy dir nichts davon erzählt?“
„Doch“, bestätigte Pietro.
„Tja, du siehst, ich werde dir nicht auf die Nerven gehen. Ich mache mein eigenes Ding.“
„Was das angeht, haben wir vielleicht ein Problem“, wandte er ein. „Ich weiß deine Großzügigkeit zwar zu schätzen, bin aber andersherum nicht so tolerant.“
„Was meinst du damit?“
„Ich werde keine Frau heiraten, die mit anderen Männern ausgehen will. Die mit anderen Männern schlafen will.“
Diese Möglichkeit war ihr zwar gar nicht in den Sinn gekommen, aber seine Kompromisslosigkeit überraschte sie. „Warum nicht?“
„Weil es den Eindruck erwecken könnte, dass ich meine Frau nicht befriedigen kann.“
„Oh, Gott bewahre, dass irgendjemand an deinem riesengroßen Macho-Ego kratzt.“ Sie verdrehte die karamellbraunen Augen.
„Das ist meine Bedingung, cara.“
Sie hatte gar nicht vorgehabt, sich einen Freund zu suchen. Der Gedanke war ihr nie gekommen. Aber die Ungerechtigkeit, dass er sich durch ganz Rom schlafen durfte, während ihr nichts dergleichen erlaubt sein sollte, wurmte sie.
„Dann solltest du dich vielleicht auch zurückhalten“, murmelte sie.
„Das ist keine schlaue Idee.“
„Warum nicht? Es wäre nur gerecht.“
Er pirschte sich an sie heran. Wie eine Katze, die sich an einen Vogel heranschleicht.
„Weil ich Sex mag“, raunte er ihr zu, als er nur noch einen Schritt entfernt war. „Ich bin ein heißblütiger Mann, und Sex gehört zu meinem Leben. Wenn du mich zwingst, andere Frauen aufzugeben, bleibst nur du.“
„Okay … okay.“ Sie hob kapitulierend die Hände. „Kein Sex.“ Ihre Stimme zitterte. „Ich meine, du darfst Sex haben.“ Sie schloss die Augen. „Und wenn ich jemanden kennenlerne, den ich mag … rede ich vorher mit dir. Abgemacht?“
Pietro musterte ihr Gesicht. Ihre Wangen waren gerötet, die Augen geweitet, die Lippen bebten. Faszinierend. War sie aufgebracht? Oder waren es andere Gefühle, die diese körperliche Reaktion bewirkten?
„Sì.“
Sie nickte langsam. „Dann heiraten wir?“
„Es gibt noch ein paar andere Dinge zu besprechen.“
„Zum Beispiel?“
„Dein Erscheinungsbild.“
„Du meinst, mein Aussehen?“
Er verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. „Das meint man im Allgemeinen mit Erscheinungsbild, oder?“
„Was ist damit?“
„Niemand wird glauben, dass ich dich freiwillig geheiratet habe.“
„Warum nicht?“ Sie versuchte zu verbergen, welche Wirkung seine unsensiblen Worte auf sie hatten.
„Weil du nicht der Typ Frau bist, auf den ich stehe. Und wie du selbst gesagt hast: Wer mich googelt, findet im Internet mehr als genug Bilder von mir mit Frauen.“
Genau das hatte Emmeline getan. Und sie hatte eine glamouröse Powerfrau nach der anderen auf den Bildern gesehen: groß, schlank und durch die Bank sexy. Das war Pietro Morellis Typ.
„Ich mag es, wie ich aussehe“, log sie. Sie hatte sich bewusst angewöhnt, ihre Figur zu kaschieren und sich möglichst unauffällig zurechtzumachen, und war nicht sicher, ob sie das ändern wollte.
„Es wäre kein großer Aufwand“, entgegnete er ruhig.
Flüchtig dachte er daran, wie er sie das erste Mal gesehen hatte. Dachte an das instinktive Verlangen, das er damals verspürt hatte, bevor ihm eingefallen war, wie jung sie war. Emmeline war eine Naturschönheit. Warum kaschierte sie ihr Aussehen?
„Nein“, erklärte sie widerspenstig.
Pietro unterdrückte ein Lächeln. „Wenn wir das durchziehen, erwarte ich, dass du dich so kleidest, als hättest du eine Figur und Geschmack. Das erwarten die Leute von meiner Frau.“
„Du machst Witze“, keuchte sie.
„Nein, carissima. Das ist kein Witz. Das hier ist Rom. Such dir eine Boutique und mach etwas aus dir. Dann sehen wir weiter.“
Seine beleidigende Arroganz machte sie wütend. Doch ihr Traum war so kurz davor, Wirklichkeit zu werden, ihre Flucht so nah, dass sie die Freiheit schon zu riechen glaubte. Nichts konnte sie jetzt noch aufhalten.
Trotzdem war es ungerecht, dass sie so hart für etwas kämpfen musste, das andere als selbstverständliches Recht betrachteten. Was, wenn ich mich nicht nur weigere, mich figurbetonter zu kleiden, sondern auch Daddys Wunsch zu folgen und Pietro zu heiraten? Wenn ich mich einfach mit einer Kreditkarte davonmache?
Darüber hatte sie schon oft nachgedacht. Der Gedanke, ihrem Vater wehzutun, hatte sie jedoch stets davon abgehalten. Endlich gab es einen Weg in die Unabhängigkeit, mit dem ihr Vater glücklich war. Sie musste nur ein paar Bedingungen erfüllen.
„Na schön.“ Noch immer lag Trotz in ihrem Blick.
„Gut.“ Pietro nickte knapp.
Er griff in seine Tasche und zog etwas heraus. Etwas Kleines, Weißes. Als er es ihr gab, sah sie, dass es die Visitenkarte einer Frau war: Elizabetta Ronimi.
„Das ist die Telefonnummer meiner Sekretärin. Sie wird die Einzelheiten mit dir organisieren. Irgendwann im nächsten Monat passt.“
„Du willst, dass ich unsere Hochzeit organisiere?“
„Eigentlich dachte ich, du engagierst jemanden dafür, aber du musst meine Termine mit Elizabetta abgleichen, und sie wird dir beim Umzug in meine Villa behilflich sein. Sì?“
„Sì“, murmelte sie resigniert. „Das klingt vernünftig.“
„Bene.“
Nach ein paar Sekunden fiel der Groschen, und Emmeline begriff, dass sie entlassen war. Zornesröte stieg ihr in die Wangen, während sie zum Stuhl zurückging, um ihre Tasche zu holen.
„Remi fährt dich nach Hause“, informierte Pietro sie.
„Remi?“
„Mein Chauffeur.“
„Oh, klar.“ Sie nickte, schüttelte dann aber den Kopf und erklärte: „Ich nehme mir ein Taxi.“
Er fing sie an die Tür ab und fasste sie am Ellbogen. Ihr Mund wurde plötzlich ganz trocken.
„Er ist bald auch dein Chauffeur, cara. Fahr mit ihm.“
Sie wollte nicht streiten, sondern nur so schnell wie möglich weg.
„Danke.“
„Non ce di que“, entgegnete er sanft. „Bis bald, Mrs. Morelli.“
Emmeline schloss die Augen, als sie aus seinem Büro trat. Eine einzige Frage ging ihr durch den Kopf.
Worauf habe ich mich da nur gerade eingelassen?
Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte auf Rom hernieder, doch Emmeline spürte sie kaum. Sie fror von innen.
Am Ende hatte es fünf Wochen gedauert, alle Dokumente zu besorgen, darunter auch ein Visum für Italien, bei dem ihr Nachname half, der ihr schon immer Türen geöffnet hatte.
Mit wachsender Verzweiflung betrachtete sie ihr Spiegelbild, innerlich von Zweifeln zerrissen.
„Bist du nicht froh, dass wir uns für das Kleid von Vera entschieden haben?“, fragte Sophie und schlang einen Arm um ihre beste Freundin. „Es ist ein Traum.“
Emmeline nickte langsam. Sophie hatte recht. Das Kleid war wunderschön. Eine Reminiszenz an die glamourösen Zwanziger Jahre mit Flügelärmeln und Perlenstickerei. Die Schuhe, die sie dazu gewählt hatte, machten sie ein paar Zentimeter größer – auch wenn sie das gar nicht nötig hatte.
Ihr Haar war passend zu dem Look gewellt und mit einem Diamantclip, der Grandma Bovington gehört hatte, an einer Seite festgesteckt. Ihren Hals schmückte eine enge Diamantkette. Die passenden Ohrringe vervollständigten den Look. Ihr Make-up war das Werk eines Zauberers, denn die Frau, die Emmeline entgegenstarrte war tatsächlich … hübsch.
Oder schön?
Ja, tatsächlich schön.
„Ich glaube, wir müssen los“, sagte sie zu Sophie.
„Tja, wir sind ein bisschen spät dran – aber das ist dein gutes Recht als Braut.“
Emmeline verzog das Gesicht und nickte knapp.
„Süße, kannst du nicht ein bisschen glücklicher aussehen?“, fragte Sophie leise. „Dein Vater wird sonst denken, dass es eine Qual für dich ist.“
„Es ist keine Qual“, erklärte sie hastig.
Obwohl Emmeline den wahren Grund für die überstürzte Hochzeit für sich behalten hatte, kannte Sophie sie gut genug, um eins und eins zusammenzuzählen.
„Warum auch. Ich habe deinen Bräutigam schon gesehen – und wow!“ Sie fächerte sich Luft zu. „Er ist heißer als heiß.“
Das glaubte Emmeline sofort. Pietro Morelli war schon an normalen Tagen verboten attraktiv, aber an seinem Hochzeitstag …
„Selbst im Anzug?“, fragte sie ironisch.
„Ja, aber wie er ihn trägt!“
Sophie lächelte vielsagend, und Emmeline kam in den Sinn, dass ihre Freundin viel mehr Pietros Typ entsprach als sie selbst – mit dem blonden Haar, das zu einem üppigen Dutt hochgesteckt war, und dem smaragdgrünen Brautjungfernkleid, das ihre Kurven und die endlos langen Beine betonte.
Ihre Freundin war ebenfalls Politikertochter – allerdings nicht die eines Senators, sondern eines Kongressabgeordneten –, hatte aber eine ganz andere Lebenseinstellung als Emmeline. Sie ging aus, mit wem sie wollte, reiste, wann und wohin sie wollte. Während Col seine Tochter mit seiner übertriebenen Fürsorge erstickte, genoss Sophie eine Freiheit, die an Vernachlässigung grenzte.
Emmeline hatte ihre E-Mails immer voller Neid gelesen, die Fotos studiert und sich gewünscht, dabei zu sein. Wie mochte Paris im Frühling duften? Wie Argentinien im Sommer? Einmal war Sophie auf einer Jacht durchs Mittelmeer gesegelt und hatte einen ganzen Monat an der französischen Riviera Halt gemacht.
All das liegt jetzt auch vor mir!
Die Ehe mit Pietro Morelli bedeutete Freiheit – die Freiheit, ihr eigenes Leben zu leben, ohne ihrem Vater wehzutun, weit weg von Annersty.
Hätte es einen anderen Weg in die Freiheit gegeben?
Sie biss sich auf die Lippe. Natürlich hätte es ihn gegeben. Sie hätte jederzeit die Koffer packen und gehen können.
Warum habe ich es nicht getan? Weil sie nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater gewesen war. Sie hatte miterlebt, wie etwas in ihm gestorben war, und sie brachte es nicht fertig, ihm weiteren Schmerz zuzufügen.
Die Entscheidung, Pietro zu heiraten, war richtig. Sie würde bekommen, was sie wollte, und ihr Vater wäre beschwichtigt. Irgendwann würde sie sich von Pietro scheiden lassen, und alles wäre gut.
Neue Hoffnung blitzte in ihren Augen auf. „Lass uns gehen.“
Sophie nickte anerkennend. „Braves Mädchen. Das ist besser.“ Sie eilte zur Tür des kleinen Hinterzimmers der Kapelle, sah hinaus und nickte.
Die Musik begann zu spielen, eine Mischung aus Orgel, Streichern und Holzblasinstrumenten. Es war Pachelbels Kanon in D-Dur, ein Stück, das Emmeline schon immer geliebt hatte.