Flammen des Verlangens

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Samantha weiß, dass sie verloren hat: Rafaele Falcone, der einflussreiche Italiener mit den faszinierend grünen Augen, zwingt sie gegen ihren Willen für Falcone Industries zu arbeiten. Will er sich auf diese Weise dafür rächen, weil sie ihm vier Jahre lang seinen Sohn vorenthalten hat? Aber damals wollte er das Kind nicht! Samantha ahnt nicht, wie weit Rafaele mit seiner süßen Vergeltung gehen wird: Er will sie ganz in der Hand haben, will sie heiß küssen und sinnlich lieben. Bis sie, gefangen in den Flammen des Verlangens, versteht, was sie ihm schuldet …


  • Erscheinungstag 06.01.2015
  • Bandnummer 2160
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701291
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Rafaele Falcone sah auf den Sarg in dem offenen Grab hinunter. Erde und einzelne Rosen lagen auf dem Sargdeckel, ein letzter Abschiedsgruß von Freunden und Bekannten. Mehrere Männer der Trauergesellschaft schienen untröstlich. Vielleicht war ja doch etwas dran an diesen Gerüchten, dass die schöne Esparanza Christakos während ihrer dritten Ehe mehrere Liebhaber gehabt hatte.

Neben der Trauer um seine verstorbene Mutter tobten gemischte Gefühle in Rafaeles Brust. Er konnte nicht behaupten, dass sie sich besonders nahegestanden hätten. Seine Mutter hatte sich immer ätherisch gegeben und die Melancholische gespielt. Und ja, sie war wirklich schön gewesen, so schön, dass es seinen Vater halb in den Wahnsinn getrieben hatte, als sie ihn verließ.

Sie war die Art Frau gewesen, die erwachsene Männer dazu brachte, jegliche Würde und sich selbst zu vergessen. Ihm würde so etwas niemals passieren. Er konzentrierte sich ausschließlich auf seine Arbeit, ihm lag allein daran, das Falcone Motor-Imperium wieder zu alter Größe aufzubauen. Schöne Frauen waren ein angenehmer Zeitvertreib, aber mehr nicht. Keine seiner Begleiterinnen machte sich da Illusionen, sie alle wussten von vornherein, dass sie nicht mehr als ein kurzfristiges Vergnügen mit ihm zu erwarten hatten.

Eine Frau hatte es allerdings gegeben, die ihn an die Grenzen geführt hatte, aber damit hielt er sich nicht auf. Nicht mehr.

Alexio Christakos, sein Halbbruder, wandte sich mit einem schwachen Lächeln zu ihm, und Rafaele verspürte den vertrauten Druck auf der Brust. Er liebte seinen Halbbruder, auch wenn ihre Beziehung nicht immer einfach gewesen war. Rafaele hatte den Jüngeren unter der liebevollen Fürsorge des erfolgreichen Vaters aufwachsen sehen – so ganz anders als seine Erfahrung mit dem eigenen Vater. Lange war er eifersüchtig auf den Halbbruder gewesen, was das ohnehin schon schwierige Verhältnis zu seinem Stiefvater noch mehr belastet hatte.

Die beiden Männer gingen in Richtung Parkplatz, beide tief in Gedanken versunken. Von ihrer Mutter hatten sie die grünen Augen geerbt, wobei Alexios Augen leicht ins Goldene gingen, während Rafaeles von einem auffallenden Hellgrün waren. Beide hatten sie dunkles Haar, Rafaeles dabei kräftiger und eher dunkelbraun im Vergleich zu dem kurz geschnittenen pechschwarzen Haar des Bruders.

Beide waren sie auch nahezu gleich groß, über ein Meter neunzig, und breit gebaut, Alexio vielleicht ein wenig schlanker. Auf Rafaeles Wangen stand ein dunkler Bartschatten, und als sie bei den Autos ankamen, bemerkte der Bruder trocken: „Nicht einmal für die Beerdigung konntest du dich rasieren?“

Der Druck auf seiner Brust hob sich langsam, aber er musste den Drang im Zaum halten, sich zu rechtfertigen, wollte sich nicht anmerken lassen, wie verwundbar er sich fühlte. „Ich bin zu spät ins Bett gekommen“, antwortete er mit einem unmissverständlichen Glitzern in den Augen.

Er würde seinem Bruder jetzt nicht erklären, dass er nach Ablenkung in den Armen einer willigen Frau gesucht hatte, um sich nicht mit den Erinnerungen beschäftigen zu müssen, die der Tod seiner Mutter wieder heraufbeschworen hatte. Erinnerungen daran, wie sie vor so vielen Jahren seinen Vater verlassen und den Mann damit zerbrochen hatte. Noch immer war sein Vater so verbittert, dass er sich geweigert hatte, zur Beerdigung zu kommen, obwohl Rafaele alles versucht hatte, ihn zur Teilnahme zu bewegen.

Alexio ahnte nichts von Rafaeles innerem Tumult. Kopfschüttelnd lächelte er. „Unglaublich. Du bist gerademal mal zwei Tage in Athen. Jetzt verstehe ich auch, wieso du es vorgezogen hast, im Hotel zu wohnen statt bei mir.“

Rafaele hob skeptisch eine Braue, wollte zu einer frechen Erwiderung ansetzen, doch die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als er den späten Neuankömmling erblickte. Und auch Alexios Lächeln erstarb, als er sich umdrehte und dem Blick des Bruders folgte.

Ein Mann kam mit versteinertem Gesicht auf sie beide zu. Ein Fremder, und doch sah er vertraut aus. Fast so, als würde man in einen Spiegel blicken. Oder Alexio ansehen – hätte er dunkelblondes Haar. Es waren die Augen, die Rafaele erschauern ließen – grün wie die von Alexio und seine eigenen, nur dunkler, fast grün-braun.

Rafaele sträubten sich die Nackenhärchen. „Können wir Ihnen helfen?“, fragte er kühl.

Der Mann musterte beide, dann wanderte sein Blick zu dem Grab weiter hinten. Abfällig verzog er die Lippen. „Gibt es noch mehr von uns?“

Alexio runzelte die Stirn. „Von uns? Wovon reden Sie?“

Der Fremde sah zu Rafaele. „Du erinnerst dich nicht, oder?“

Eine entfernte Erinnerung brach sich Bahn: Rafaele sah sich an der Hand seiner Mutter vor einer Haustür stehen … ein Junge, ein paar Jahre älter als er, mit blondem Haar und riesigen Augen …

„Sie ist mit dir zu uns gekommen. Du musst ungefähr drei gewesen sein. Ich war damals fast sieben. Sie wollte mich mitnehmen, aber ich wollte nicht. Nicht, nachdem sie mich allein gelassen hatte.“

Eiseskälte überkam Rafaele. „Wer sind Sie?“, fragte er heiser.

Ein Lächeln zog auf die Lippen des Mannes, das seine Augen nicht erreichte. „Ich bin dein älterer Bruder – Halbbruder. Ich heiße Cesar Da Silva. Ich kam her, um der Frau, die mich geboren hat, die letzte Ehre zu erweisen. Auch wenn sie es nicht wirklich verdient hat. Aber ich war neugierig, wer noch aus der Versenkung auftauchen würde. So wie es aussieht, sind es nur wir drei.“

„Was, zum Teufel …?“, brauste Alexio auf.

Rafaele war zu perplex, um irgendetwas zu erwidern. Er kannte den Namen Da Silva. Cesar gehörte also die weltweit erfolgreiche Da Silva Global Corporation. Vermutlich hatte er schon öfter mit dem Mann zu tun gehabt, ohne zu ahnen, dass sie Brüder waren. Denn er zweifelte nicht an den Worten des anderen. Die Ähnlichkeit zwischen den dreien war frappierend.

Die Erinnerung, die er für einen Traum gehalten hatte, war also real. Er war sich nie sicher gewesen, denn jedes Mal, wenn er seine Mutter danach gefragt hatte, hatte sie sofort das Thema gewechselt. Genau wie sie nie über ihr Leben in der spanischen Heimat gesprochen hatte. Ein Leben, das sie geführt hatte, bevor Rafaeles Vater sie, das junge Model, in Paris entdeckt und vom Fleck weg geheiratet hatte.

Rafaele deutete auf Alexio. „Das ist Alexio Christakos … unser jüngerer Bruder.“

Mit eiskalten Augen studierte Cesar Da Silva den anderen. „Drei Brüder von drei Vätern … doch euch hat sie nicht im Stich gelassen und den Wölfen überlassen.“

Er machte einen Schritt vor, genau wie Alexio. Die beiden Männer standen sich fast Nase an Nase gegenüber. Und mit genau den gleichen harten Zügen wie Alexio stieß Cesar aus: „Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir anzulegen, Bruder. Mit euch habe ich kein Problem. Mit keinem von euch beiden.“

Alexios Lippen wurden schmal. „Nur mit unserer verstorbenen Mutter … falls es stimmt, was Sie behaupten.“

Cesar lächelte bitter. „Oh, es ist die reine Wahrheit – und daher umso bedauerlicher.“

Er schob sich an Alexio vorbei und ging zu dem offenen Grab. Langsam zog er etwas aus seiner Jackentasche und ließ es auf den dunklen Sarg fallen. Einen kurzen Augenblick blieb er dort stehen, kam dann mit großen Schritten zurück zu der wartenden Limousine, stieg auf den Rücksitz, schloss die Tür, und der Wagen fuhr langsam davon.

Rafaele drehte sich zu Alexio um, der ihn völlig perplex anstarrte.

„Was, zur Hölle …“ Seine Stimme erstarb.

Kopfschüttelnd starrte Rafaele auf die Stelle, wo eben noch die silberne Limousine gestanden hatte. „Ich weiß es nicht …“

1. KAPITEL

Drei Monate später …

„Entschuldigen Sie die Störung, Sam, aber auf Leitung eins ist ein Anruf für Sie … Jemand mit einer sehr tiefen Stimme und einem sehr sexy Akzent.“

Sam versteifte sich. Tiefe Stimme, sexy Akzent … Nicht nur lief ihr eine ungute Ahnung über den Rücken, sondern sofort flammte auch Hitze in ihrem Schoß auf. Eine komplett alberne Reaktion. Sie hob den Kopf von dem Bericht vor sich und sah die Sekretärin der Entwicklungsabteilung der Londoner Universität in der Tür stehen.

„Haben Sie am Wochenende jemanden kennengelernt?“, fragte die Frau mit funkelnden Augen.

Wieder lief dieser Schauer über Sams Rücken, aber sie lächelte Gertie an. „Das wäre zu schön. Aber leider habe ich das ganze Wochenende mit Milo an seinem Kindergartenprojekt gearbeitet.“

„Sie wissen, dass ich immer für Sie hoffe.“ Die Sekretärin lächelte milde. „Sie und Milo brauchen einen netten Mann, der sich um Sie beide kümmert.“

Sam hielt sich zurück. Milo und sie kamen bestens ohne Mann zurecht. „Sagten Sie, Leitung eins?“

Gertie nickte ihr blinzelnd zu und ging wieder, und Sam nahm den Hörer ab. „Dr. Samantha Rourke“, meldete sie sich.

Einen Moment blieb es still am anderen Ende, dann ertönte die Stimme. Samten, tief, sexy … und unvergesslich. „Ciao, Samantha. Ich bin’s, Rafaele.“

Die ungute Ahnung schlug zu wie eine Ohrfeige. Außer ihrem Vater war er der Einzige gewesen, der sie Samantha nannte. Nur im Strudel der Leidenschaft hatte er Sam ausgestoßen. Wut, Schuld, Kummer, Lust und ein verräterisches Gefühl von Zärtlichkeit stürzten auf sie ein. Und erst als die Stimme erneut ertönte, dieses Mal erheblich kühler, wurde ihr klar, dass sie noch keine Reaktion von sich gegeben hatte.

„Rafaele Falcone. Vielleicht erinnerst du dich ja nicht mehr?“

Als ob das überhaupt möglich wäre! Ihre Finger umklammerten den Hörer fester. „Nein … ich meine, ja, natürlich erinnere ich mich.“

Am liebsten hätte sie laut gelacht. Wie sollte sie den Mann vergessen können, wenn sie jeden Tag seine Miniaturausgabe vor sich sah?

„Bene“, kam die Antwort vom anderen Ende. „Wie geht es dir, Sam? Du trägst also jetzt einen Doktortitel?“

„Ja …“ Ihr Herz hämmerte so hart, dass ihr davon schwindelte. „Ich habe promoviert, nachdem …“ Die Worte hallten unausgesprochen in ihrem Kopf. Nachdem du in meinem Leben aufgetaucht bist und es zerstört hast. Tapfer bemühte sie sich um Fassung. „…nachdem wir uns das letzte Mal gesehen haben“, sagte sie mit fester Stimme. „Was kann ich für dich tun?“

Wieder wollte ein hysterisches Lachen in ihrer Kehle aufsteigen. Ein guter Anfang wäre es, ihn wissen zu lassen, dass er einen Sohn hat.

„Ich bin in London, weil wir hier eine Niederlassung von Falcone Motors eröffnen.“

„Wie schön“, brachte sie gezwungen heraus.

Plötzlich fror sie erbärmlich. Rafaele Falcone war in London! Er hatte sie aufgespürt. Weshalb? Wegen Milo. Milo, ihr Sohn, ihre Welt. Sein Sohn.

Er weiß es. Panik wollte sie übermannen, doch Sam riss sich zusammen. Rafaele Falcone würde sie nie so gelassen anrufen, wüsste er es. Aber sie musste ihn abwimmeln. Schnell. Und dann würde sie in Ruhe überlegen.

„Hör zu … es ist nett, dass du anrufst, aber im Moment habe ich wirklich viel zu tun …“

„Bist du nicht einmal neugierig, weshalb ich anrufe?“

Eiskalte Angst kroch über ihren Rücken, als sie an ihren wunderbaren kleinen Sohn dachte. „Nun … sicher.“ Sie hätte sich nicht weniger begeistert anhören können.

Rafaeles Stimme klang auch dementsprechend kalt durch die Muschel. „Ich wollte dir eine Position bei Falcone Motors anbieten. Dein Fachgebiet deckt genau den Bereich ab, den wir ausweiten wollen.“

Sams Herz raste. Schon einmal hatte sie für diesen Mann gearbeitet, und seither war nichts mehr so wie früher. „Ich fürchte, das ist unmöglich“, antwortete sie kühl. „Ich bin vertraglich an die Universität gebunden.“

Eine Weile blieb es still, dann kam ein knappes „Ich verstehe“ vom anderen Ende.

Offensichtlich hatte er erwartet, sie würde ihm vor Dankbarkeit zu Füßen sinken. Das war die Wirkung, an die er bei Frauen gewöhnt war. Also hatte er sich nicht geändert, trotz allem, was zwischen ihnen passiert war.

So als wäre es gestern gewesen, konnte sie seine Worte hören, mit denen er sie zum Abschied hatte trösten wollen. Es ist besser so, cara. Schließlich war es ja nichts Ernstes, nicht wahr?

Und er hatte so augenscheinlich mit ihrem Einverständnis gerechnet, dass sie sich nicht hatte wehren können, auch wenn sie innerlich gestorben war. Seine Erleichterung war nahezu greifbar gewesen. Und das hatte sie letztlich davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, die alleinige Verantwortung für Milo zu übernehmen. Nur meldete sich jetzt auch ihr Gewissen: Du hättest es ihm sagen sollen.

Die Panik setzte wieder ein. „Du musst entschuldigen, aber ich bin wirklich beschäftigt …“

„Du hast nicht einmal Interesse, Genaueres zu erfahren?“

Verbitterung stieg auf, als sie sich zurückerinnerte, wie wenig Interesse Rafaele an ihr gehabt hatte. „Nein, definitiv kein Interesse. Auf Wiederhören, Signor Falcone.“

Auf Wiederhören, Signor Falcone? Und das von einer Frau, mit der er solch leidenschaftliche Stunden erlebt hatte!

Verdattert starrte Rafaele auf das Telefon in seiner Hand. Sie hatte tatsächlich aufgelegt. Frauen legten nicht einfach auf, wenn er anrief.

Er legte das Telefon zur Seite und presste die Lippen zusammen. Aber Samantha Rourke war ja auch nicht wie andere Frauen, von Anfang an war sie anders gewesen. Rastlos stand er auf und stellte sich an das große Fenster, von dem aus er den Blick auf seine neuen Produktionshallen am Stadtrand von London hatte. Aber seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit …

Sam absolvierte ein Praktikum in seiner Fabrik in Mailand, nachdem sie ihr Studium in Maschinenbau und Fahrzeugtechnik abgeschlossen hatte. Die Jüngste und die einzige Frau in einem Team aus Männern, dazu einschüchternd intelligent. Er hätte sie sofort fest angestellt, wenn nicht … wenn er nicht abgelenkt worden wäre.

Abgelenkt von ihrer großen schlanken Figur, von den Arbeitsoveralls, die sie immer trug und die in ihm den drängenden Wunsch geweckt hatten, sie ihr auszuziehen, um die darunter versteckten Kurven endlich erforschen zu können. Abgelenkt von ihrer makellosen hellen Haut und diesen großen, leicht schräg gestellten Augen. Graue Augen … wie die stürmische See. Abgelenkt davon, wie sie hastig den Blick senkte und die volle Unterlippe zwischen die Zähne zog, wenn er sie ansah. Abgelenkt von den langen, schimmernden schwarzen Haaren.

Und je mehr Zeit verging, desto heißer hatten die Flammen des Verlangens an ihm geleckt. Er hatte dagegen angekämpft. So etwas behagte ihm nicht, schon gar nicht in der Firma. Da arbeiteten genügend Frauen in seinem Unternehmen, und nie war es auch nur einer gelungen, ihm den Kopf zu verdrehen. Er hielt Arbeit und Privates immer strikt getrennt. Aber Sam war so ganz anders als die Frauen, für die er sich normalerweise interessierte – elegante, weltgewandte, erfahrene Frauen, die wussten, wie sie ihren Sexappeal zu nutzen hatten. Zynische Frauen, genauso zynisch wie er.

Sam war nichts dergleichen. Außer sexy. Nur wusste sie das nicht. Sie schien die hungrigen Blicke der Männer gar nicht zu bemerken. Aber Rafaele bemerkte sie, und es machte ihn wütend. Dabei waren ihm Eifersucht und Besitzanspruch bislang völlig fremd. Und das ohne auch nur einen Kuss!

Letztendlich war die Frustration so übermächtig geworden, dass er Sam in sein Büro hatte rufen lassen. Ohne ein Wort hatte er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasst und sie geküsst. Was berauschend gewesen war …

Allein bei der Erinnerung meldete sich seine Libido. Er stieß einen Fluch aus. Auf der Beerdigung seiner Mutter hatte er auch an sie gedacht. Überhaupt dachte er öfter an sie, als ihm lieb war. Sam war die eine Frau, die ihn fast an den Rand gebracht hätte. Sie hatten mehr als nur eine kurze sexuelle Episode miteinander erlebt. Fast hätten sie … ein Kind miteinander gehabt.

Wie knapp er davorgestanden hatte, sich mit etwas auseinandersetzen zu müssen, mit dem er sich nie hatte auseinandersetzen wollen. Das war es, was er immer im Auge behalten musste.

Sam wollte offensichtlich nichts mit ihm zu tun haben, und genauso sollte er es auch halten. Er hätte sie nicht kontaktieren sollen. Er sollte sich von Samantha Rourke fernhalten und sie aus seinen Gedanken verbannen. Und zwar endgültig.

Am Samstagmorgen wachte Samantha auf, als jemand zu ihr ins Bett schlüpfte und sich eng an sie kuschelte. Sie lächelte mit geschlossenen Augen und schlang die Arme um ihren Sohn, atmete tief seinen Duft ein.

„Guten Morgen, mein Großer.“

„Morgen, Mummy. Hab dich lieb.“

Sams Herz zog sich zusammen, sie drückte einen Kuss auf Milos Haar. „Hab dich auch lieb, mein Schatz.“ Sam öffnete nur ein Auge, zog eine Grimasse gegen das helle Morgenlicht.

Der Junge kicherte. „Du siehst lustig aus.“

Sam kitzelte den Kleinen, bis er vor Vergnügen quietschte. Bald waren sie beide hellwach, und er krabbelte aus dem Bett und hüpfte die Treppe hinunter zum Wohnzimmer.

„Der Fernseher wird nicht eingeschaltet!“, rief sie ihm nach. Sie hörte, wie er stehen blieb, konnte sich seinen Schmollmund genau vorstellen. Dann rief er zurück: „Na gut, dann schaue ich mir mein Buch an“, und sie wusste, dass er sich daran halten würde, obwohl er noch nicht richtig lesen konnte. Er war ein so lieber Junge. Und ein intelligenter Junge. Manchmal wurde ihr bang, wie intelligent er war.

Bridie, die Haushälterin ihres Vaters, die auch nach dessen Tod vor zwei Jahren geblieben war, würde sie oft mit zusammengekniffenen Augen ansehen und sagen: „Na, von wem, meinst du wohl, hat er das? Sein Großvater war Physikprofessor, und du hast die Nase schon in die Bücher gesteckt, als du noch keine zwei Jahre alt warst.“ Dann würde sie auf die ihr eigene Art leise schnauben und Sam durchdringend mustern. „Da ich den Vater nicht kenne, kann ich mir natürlich über die andere Seite der Familie kein Urteil erlauben …“, und das war immer das Zeichen für Sam, schnellstens das Thema zu wechseln.

Ohne Bridie O’Sullivan hätte ich wohl nie promoviert, dachte Sam jetzt und kletterte aus dem Bett. Der Doktortitel hatte ihr eine sichere Stelle an der Universität verschafft, die für das Dach über ihren Köpfen, einen vollen Kühlschrank und das Gehalt für Bridie sorgte. Bridie wohnte in der kleinen Wohnung im Anbau des Hauses und kümmerte sich fünf Tage die Woche ganz wundervoll um Milo.

Sam verknotete den Gürtel ihres Bademantels und ging nach unten, um Frühstück für sich und Milo zuzubreiten. Sie musste gegen das aufflammende Schuldgefühl ankämpfen, das seit diesem Anruf an ihr nagte. Wenn sie ehrlich war, nagte es schon seit vier Jahren an ihr. Häufig schlief sie schlecht, träumte wirres Zeug und wachte dann schweißnass und mit rasendem Puls in zerwühlten Laken auf.

Träumte wirres Zeug von Rafaele Falcone. Von dem Mann, der ihr gezeigt hatte, wie farblos ihre Welt gewesen war. Der ihr bewiesen hatte, wie leicht es ihm fiel, sie wieder in das Grau zurückzustoßen, als hätte sie nie Anspruch auf einen so aufregenden, sinnlichen Traum gehabt.

Selbst heute noch fragte sie sich, was ihn an ihr gereizt hatte. Was immer es gewesen war … sie würde sich nie verzeihen, dass sie tatsächlich geglaubt hatte, es könnte mehr sein als pure Lust. Sie hatte sich in ihn verliebt wie ein alberner Teenager.

Zum zigsten Mal versicherte sie sich, dass er es überhaupt nicht verdient hatte, von Milo zu erfahren. Er hatte das Baby nicht gewollt. Und nie würde sie sein Gesicht vergessen, als sie ihm von der Schwangerschaft erzählt hatte …

Drei Wochen waren vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Rafaele war auf Geschäftsreise gewesen, doch nach seiner Rückkehr hatte er sie sofort in sein Büro rufen lassen. Sams Herz hatte wild vor Aufregung gehämmert. Vielleicht hatte er ja nicht ernst gemeint, was er vor seiner Abreise zu ihr gesagt hatte: „Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, cara, dass wir uns eine Weile nicht sehen. Du bist eine zu große Ablenkung für mich … meine Arbeit beginnt darunter zu leiden.“

Doch als sie in sein Büro gekommen war, hatte sie sofort gespürt, dass etwas nicht stimmte. Und bevor sie es sich anders überlegen konnte, hatte sie erklärt: „Ich muss dir etwas sagen.“ Nervös wrang sie die Hände, denn mit einem Mal fragte sie sich, ob es nicht vielleicht sehr naiv war, zu erwarten, dass er sich über die Neuigkeiten freuen würde. Vier Wochen hatten sie miteinander verbracht, ein glorreicher Monat. Aber war das überhaupt genug Zeit?

„Sam?“ Argwöhnisch schaute er sie an.

Sie holte tief Luft und wagte den Sprung ins kalte Wasser. „Ich bin schwanger, Rafaele.“

Die Worte hingen zwischen ihnen in der Luft, das Schweigen dehnte sich. Rafaele war bleich geworden, und in diesem Moment erkannte Sam, was für eine Närrin sie doch gewesen war.

Rafaeles grüne Augen stachen auf dem aschfahlen Gesicht heraus. „Wie?“ Mehr sagte er nicht.

Und Sam fühlte das Blut in ihren Adern gefrieren. „Vermutlich, als … als wir nicht aufgepasst haben.“

Wie lächerlich das klang, wenn man bedachte, wie oft sie „nicht aufgepasst“ hatten – unter der Dusche, im Salon seines Palazzos, weil sie es nicht mehr bis ins Schlafzimmer geschafft hatten, in der Küche ihres kleinen Apartments …

Sam brannte vor Verlegenheit. Jetzt kam ihr alles so … so billig vor. Es war nur Sex gewesen, mit Liebe hatte es nie zu tun gehabt. Hatte sie Rafaele je gekannt? Dieses Gefühl von Verwundbarkeit würde auf ewig in ihre Erinnerung eingebrannt bleiben.

Glühender Hass stand in seinen Augen, als er sie mit seinem Blick durchbohrte. „Du hast gesagt, du nimmst die Pille.“

Sam ging in Verteidigungshaltung. „Tue ich auch. Aber ich hatte dir ebenfalls gesagt, dass es eine der schwächeren Pillen ist, nicht unbedingt zur Verhütung gedacht. Und vor ein paar Wochen hatte ich Probleme mit dem Magen …“

Rafaele ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Innerhalb von Sekunden schien er um Jahre gealtert. „Das kann einfach nicht wahr sein“, murmelte er vor sich hin.

Sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, wollte sich nicht von ihnen erdrücken lassen. „Für mich ist es genauso ein Schock wie für dich.“

Er lachte bitter auf. „Bist du dir sicher, dass es ein Schock für dich ist? Woher soll ich wissen, ob du das nicht alles genau geplant hast?“

Sam wankte zurück. „Du glaubst, ich wäre absichtlich schwanger geworden?“, brachte sie zitternd hervor.

Rafaele stand wieder auf und ging nervös im Zimmer auf und ab. Sein kaltes Lachen jagte Sam einen Schauer über den Rücken. „Ist ja nicht so, als hätte man noch nie davon gehört. So manche Frau sichert sich auf diese Weise die lebenslange Unterstützung eines reichen Mannes.“

Nein, sie hatte ihn nicht gekannt. Dass er so zynisch war, hatte sie nicht einmal geahnt. Sie stapfte auf seinen Schreibtisch zu, die Hände zu Fäusten geballt. „Du Mistkerl. So etwas würde ich niemals tun.“ Plötzlich erinnerte sie sich wieder an seinen Gesichtsausdruck, als sie vorhin in sein Büro gekommen war, und ihr dämmerte die bittere Wahrheit. „Du wolltest mir sagen, dass es aus ist, nicht wahr? Deshalb hast du mich hergerufen.“

Zumindest besaß er so viel Anstand, ihrem Blick auszuweichen. Doch als er ihr dann das Gesicht zuwandte, war es völlig ausdruckslos. „Ja.“

Ein einzelnes Wort, mehr nicht. Es bestätigte, dass Sam die ganze Zeit in einem Luftschloss gelebt hatte, sich vorgemacht hatte, dass das, was sie mit einem der größten Playboys der Welt hatte, anders wäre.

Aus Angst, jeden Moment in Tränen auszubrechen, schwang sie abrupt herum und rannte aus seinem Büro, zur Firma hinaus und versteckte sich in ihrem Apartment. Seine Versuche, sie zu kontaktieren, ignorierte sie.

Und irgendwann hatten dann plötzlich die Blutungen und Krämpfe eingesetzt. In ihrer Panik hatte sie Rafaele die Tür geöffnet und ihn mit den Worten empfangen: „Ich blute.“

Bleich und mit grimmigen Zügen fuhr er sie ins Krankenhaus. Auf der Fahrt hielt Sam sich mit beiden Händen den Bauch, versuchte, den kleinen Zellklumpen mit der Macht ihrer Gedanken dazu zu bringen, zu überleben. Bei ihr, die die eigene Mutter früh verloren und die bisher noch nie daran gedacht hatte, Kinder zu haben, setzte plötzlich ein so starker Mutterinstinkt ein, der sie bis in ihr Innerstes erschütterte.

In der Klinik konnte der freundliche Doktor sie dann beruhigen. Nein, sie habe keine Fehlgeburt erlitten, es handle sich lediglich um etwas stärkere Schmierblutung. Und die Krämpfe seien stressbedingt. Wenn sie Stresssituationen mied und sich mehr Ruhe gönnte, stehe einem normalen Schwangerschaftsverlauf nichts im Weg, lautete der Rat des Arztes.

Die Erleichterung überwältigte sie. Bis ihr wieder einfiel, dass Rafaele vor dem Krankenzimmer wartete. Er war ihr größter Stressfaktor, allein die Vorstellung, dass sie jetzt mit ihm reden sollte, ließ die Krämpfe zurückkehren.

Und den Mutterinstinkt. Sie musste ihr Kind beschützen. Ihr grauste davor, ihm zu sagen, dass sie keine Fehlgeburt erlitten hatte.

Die Krankenschwester ging hinaus und ließ die Tür offen stehen, und Sam konnte Rafaeles Stimme auf dem Gang hören.

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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