Nur eine heiße Nacht in Rom?
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Die Flucht war überraschend einfach. Der königliche Leibwächter Abdul, der vor der Tür der Hotelsuite wachte, war gegen zehn Uhr abends eingenickt. Und so schlich Halina Amari, Prinzessin von Abkar, auf Zehenspitzen und mit angehaltenem Atem an ihm vorbei.
Nie zuvor hatte sie versucht, den engen Grenzen ihres Lebens zu entfliehen. Aber vermutlich war dies ihre letzte Chance. Die Erkenntnis, dass sie beinahe noch mehr zu einer Gefangenen geworden wäre, als sie es ohnehin schon war, hatte sie in Angst und Schrecken versetzt. Heute wollte sie einmal ihre Freiheit genießen.
Die Tür zu ihrer Suite war von innen verschlossen gewesen. Abdul sollte sie vor Eindringlingen schützen. Niemand hatte erwartet, dass Halina fliehen würde. Sie konnte es selbst kaum glauben. Schnell huschte sie durch den Flur des eleganten Luxushotels in Rom zum Aufzug.
Als die Aufzugtüren sich öffneten, trat Halina mit klopfendem Herzen hinein. Ihr ganzes bisheriges junges Leben hatte sie hinter Mauern verbracht, denen des Palastes oder denen der Klosterschule. Dabei war sie angehalten gewesen zu warten – darauf, dass ihr Verlobter Prinz Zayed al bin Nur, den sie nie zuvor gesehen hatte, endlich seinen Thorn zurückeroberte und somit ein passender Gemahl für sie wurde.
Vor drei Tagen hatte Zayed irrtümlich ihre Schulfreundin Olivia Taylor entführt, die als Gouvernante ihrer jüngeren Schwestern im Palast arbeitete. Er hatte sie für Halina gehalten. Es hieß, er habe Olivia irgendwo in der Wüste geheiratet, bevor er seinen Fehler bemerkt hatte. Halinas Vater war fuchsteufelswild gewesen und hatte sie zusammen mit ihrer Mutter nach Rom geschickt, damit Zayed nicht an sie herankam.
Halina hatte Zayed nie heiraten wollen. Aber die ganze Geschichte hatte ihr bewusst gemacht, wie wenig Freiheit sie hatte. Ihr Vater würde sie von nun an noch strenger bewachen lassen, und das ertrug Halina nicht. Zweiundzwanzig Jahre lang hatte sie gewartet. Nun wollte sie endlich leben, wenigstens für eine Nacht.
Als Halina im Erdgeschoss aus dem Aufzug stieg, drangen Pianoklänge und das Gewirr von Stimmen aus dem Ballsaal des Hotels. Bei ihrer Ankunft am Nachmittag hatten sie in der Lobby die Ankündigung für einen privaten Wohltätigkeitsball gesehen, den ein Geschäftsmann an diesem Abend veranstaltete. Ein rauschendes Fest für die Reichen und Bekannten Italiens. Ihre Mutter hatte Halina verständnisvoll angelächelt.
„Eines Tages wirst du auch an solchen Partys teilnehmen“, sagte sie und dirigierte Halina zum Aufzug. „Wenn du verheiratet bist. Heute Abend bleiben wir auf dem Zimmer und warten auf weitere Anweisungen deines Vaters.“
Halina war noch nie auf einer richtigen Party gewesen. Seit ihrem achtzehnten Geburtstag hatte sie an einigen schrecklich langweiligen Staatsbanketten mit alten Würdenträgern teilgenommen, aber nie an einer Party. Noch nie hatte sie ein Cocktailkleid getragen, geflirtet oder Champagner getrunken. Aber genau das wollte sie heute Abend tun: eine normale junge Frau sein, die Spaß am Leben hat.
Die Flucht aus dem Zimmer war ihr gelungen. Nun brauchte sie ein Kleid für die Party. Glücklicherweise gab es in dem Hotel eine teure Boutique. Halina eilte durch die Lobby, betrat das elegante Geschäft und entschied sich binnen Sekunden für ein knielanges Etuikleid aus schwarzem Satin. Schlicht, aber beeindruckend und sehr sexy. Sie fand passende Strümpfe und Pumps und ließ alles auf die Zimmerrechnung schreiben. Vielleicht sah sich ihre Mutter die Rechnung ja nicht genau an.
Mit ihren Einkäufen huschte Halina auf die Damentoilette in der Lobby und zog sich in einer der Kabinen um. Aufgeregt stopfte sie ihr einfaches Kleid in die Tüte aus der Boutique. Wenn ihre Mutter sie entdeckte oder ihr Vater es herausfand … Beim bloßen Gedanken an die Enttäuschung und den Zorn ihrer Eltern zitterte Halina innerlich. Weder sie noch ihre Schwestern hatten sich ihnen jemals wirklich widersetzt. Trotzdem musste sie es versuchen – und mit den Konsequenzen leben.
Die Tür zur Damentoilette wurde geöffnet. Halina hielt den Atem an. Man durfte sie jetzt auf keinen Fall entdecken. Der Abend fing doch gerade erst an. Sie hörte das Klappern hoher Absätze und sah die Füße zweier Frauen, die an den Waschbecken standen.
„Hast du ihn gesehen?“, fragte eine der Frauen auf Italienisch, das Halina fließend sprach. Sie beobachtete durch den Spalt der Toilettentür, wie die beiden eleganten Frauen vor dem Spiegel ihr Make-up auffrischten.
„Falcone? Er ist gerade angekommen“, erwiderte die andere. „Der Mann ist wahnsinnig sexy, aber er hat ein Herz aus Eis. Seiner letzten Geliebten hat er gerade den Laufpass gegeben, ihr wie üblich ein Diamantarmband geschenkt und sie seitdem keines Blickes mehr gewürdigt. Sie hat sich am Buffet die Augen ausgeweint.“
„Das französische Supermodel? Das hat ja kaum eine Woche gehalten!“
„Das tun sie alle nicht.“ Die Frau schloss ihren Lippenstift. „Stehst du auf ihn?“
„Welche Frau tut das nicht? Nach allem, was man so hört, soll er im Bett einfach fabelhaft sein.“ Die Frau überlegte. „Aber mit einem derart kalten Mann würde ich mich nicht einlassen. Eine seiner Geliebten hat erzählt, dass er die Frauen hinterher sofort auffordert zu gehen. Und er verbietet ihnen jegliche persönliche Fragen. Keine Fragen, keine Antworten, nichts. Es interessiert ihn nicht.“
„Solange man das weiß …“
„Also wäre es nur Sex“, fuhr die Frau seufzend fort. „Und der soll überwältigend sein. Dieses Model hat gesagt, sie wäre für den Rest ihres Lebens für andere Männer ruiniert. Dabei waren sie nur eine Woche zusammen.“
Derartige Gespräche hatte Halina noch nie zuvor belauscht. Wer auch immer dieser Falcone war, er klang sowohl abschreckend als auch faszinierend. Überwältigender Sex? Sie war noch nicht einmal geküsst worden!
„Na ja“, meinte die erste Frau und schloss ihre Tasche. „Es heißt, er sei schon wieder auf der Suche nach der nächsten Geliebten. Er bleibt nicht gern lange allein.“
„Scheint so“, bemerkte die andere. „Nun, ich werde es nicht sein.“ Doch sie klang eher betrübt als entschlossen.
Als die beiden Frauen die Damentoilette verließen, atmete Halina erleichtert auf. Nun konnte sie selbst auch gehen. Sie versteckte die Tüte mit ihrer alten Kleidung hinter der Toilette und hoffte, dass niemand sie dort entdecken würde, bevor sie wieder auf ihr Zimmer musste.
Noch wusste sie nicht genau, wie sie wieder zurückkehren würde. Ob der Leibwächter dann immer noch schlief? Falls nicht, könnte sie vorgeben, sie hätte nur etwas frische Luft schnappen wollen. Sie konnte nur hoffen, dass Abdul – und ihre Mutter – ihr diese Lüge abkaufen würden.
Halina verließ die Kabine und betrachtete sich staunend in dem großen Spiegel. Das Kleid betonte ihre weiblichen Kurven. Nie zuvor hatte sie ein derart aufreizendes und sexy Kleid getragen. Sie kam sich fast nackt vor. Die durchsichtigen Strümpfe und die hochhackigen schwarzen Pumps ließen ihre Beine lang und schlank aussehen. Sie hatte weder Schmuck noch Make-up und musste ihr Haar offen tragen. Daher sah sie nicht annähernd so elegant aus wie die beiden Frauen gerade, aber es musste reichen.
Eine Nacht. Sie wollte sich nur unter die Leute mischen, Champagner trinken, sich unterhalten und vielleicht ein wenig flirten. Dann würde sie sich wieder in ihr Bett schleichen. Eine oder zwei Stunden lang wollte sie Spaß haben und sich lebendig fühlen.
Mit hoch erhobenem Kopf verließ Halina die Damentoilette. Sie war etwas unsicher auf den ungewohnt hohen Absätzen, gewöhnte sich aber schnell daran und schwang die Hüften. Es stärkte ihr Selbstvertrauen, ebenso wie die bewundernden Blicke des Mannes am Empfangsschalter. Offenbar erkannte er sie nicht.
Sie ging zum Ballsaal und blieb abrupt stehen, als sie sah, wie der Mann an der Tür die Gästeliste überprüfte. Daran hatte sie nicht gedacht. Der Gedanke, er könnte sie abweisen, ehe sie auch nur einen Fuß in den eleganten Ballsaal gesetzt hatte, war entsetzlich. Das konnte sie nicht zulassen.
Ein Paar ging an ihr vorbei und blieb vor dem Mann stehen. Halina beobachtete, wie die beiden ihren Namen nannten und der Mann sie auf der Gästeliste abhakte. Könnte sie den Mann überreden, sie dennoch hineinzulassen? Sie musste es versuchen.
In dem Augenblick bemerkte der Mann mit der Gästeliste sie und sah sie fragend und etwas herablassend an. „Kann ich Ihnen helfen?“
Halina schlug das Herz bis zum Hals. „Nun …“, begann sie und suchte verzweifelt nach einer guten Ausrede, warum ihr Name nicht auf der Gästeliste stand.
Das höfliche Lächeln des Mannes verschwand. „Sind Sie eingeladen?“
Unglücklich schaute Halina ihn an. Es war vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte. Da hörte sie eine Stimme hinter sich.
„Sie gehört zu mir“, sagte ein Mann mit tiefer, dunkler Stimme.
Rico Falcone war auf der Suche nach einer Frau, und sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er sie gefunden hatte. Die betreffende Frau schnappte erschrocken nach Luft und drehte sich zu ihm um. Ihre rosigen Lippen waren leicht geöffnet, und ihr schwarzes Haar fiel in üppigen Wellen über ihre Schultern.
Er hatte sie gesehen, als er durch die Halle ging, und sein Interesse war sofort geweckt worden. Das enge Seidenkleid betonte ihre üppigen Kurven. Ihr langes schwarzes Haar trug sie offen und ungebändigt, wie eine Einladung. Als sie sich zu ihm umdrehte, sah er, wie ihre dunkelbraunen Augen sich weiteten. Sie hatten die Farbe von Mahagoni und waren von langen, tiefschwarzen Wimpern umrahmt.
„Ich …“, begann sie mit zitternder Stimme.
„Cara“, schmeichelte Rico, legte den Arm um ihre Taille und genoss das Gefühl ihrer Hüfte an seiner. „Danke, dass du auf mich gewartet hast.“
„Ich …“ Erschrocken verstummte sie.
Wollte sie die Unschuldige spielen, oder war sie schwer von Begriff? Sie war offensichtlich ein Party-Crasher, daher hätte Rico erwartet, dass sie ihre Rolle etwas überzeugender spielte. Aber egal. Es interessierte ihn nicht, ob die Frauen, mit denen er schlief, intelligent waren.
„In Ordnung, Signor Falcone“, sagte der Mann und hakte seinen Namen auf der Gästeliste ab. Den Arm immer noch um die Taille der Frau gelegt, dirigierte Rico sie in den Ballsaal. Sie wehrte sich nicht.
„Champagner, denke ich“, sagte er leise und schnippte mit den Fingern. Sofort kam ein Kellner mit einem Tablett. Rico nahm zwei Gläser Champagner und reichte eines der Frau, die er zu seiner nächsten Geliebten machen wollte. Aber nicht für allzu lange.
„Offensichtlich haben Sie keine Einladung für diese Party. Wie heißen Sie?“ Ihr Name war alles, was er wissen musste.
„H… Lina“, antwortete sie und hielt dabei den Stiel des Champagnerglases fest umklammert.
„Lina?“ Fragend hob er eine Augenbraue. „Es hörte sich an, als wollten Sie etwas anderes sagen.“
Sie lächelte sanft, ihre dunklen Augen funkelten herausfordernd. „Lina reicht für Sie.“
Sie hatte Temperament. Das gefiel ihm. Hauptsache, sie kam nicht auf dumme Ideen und hoffte, er würde sich in sie verlieben. Ein paar der Frauen, mit denen er ins Bett gegangen war, hatten diesen Fehler begangen. Er hatte sie schnell loswerden müssen, selbst wenn er sich gern noch länger mit ihnen vergnügt hätte.
„Lina“, wiederholte er. „Warum wollten Sie unbedingt auf diese Party, zu der Sie nicht eingeladen waren?“
Sie legte den Kopf schief und lächelte ihn neckend an. Ihre Augen leuchteten, dennoch wirkte sie irgendwie nervös. „Welche Frau möchte nicht gern Spaß haben?“
„Richtige Antwort“, erwiderte er und stieß mit ihr an. Ihr Lächeln wurde breiter, und ein süßes Grübchen bildete sich auf der einen Wange. Sie trank einen Schluck Champagner.
„Oh, der schmeckt köstlich!“, rief sie aus.
Er musste lachen.
„Das klingt, als hätten Sie noch nie Champagner getrunken.“
Empört sah sie ihn an. „Natürlich habe ich das.“ Dann leerte sie das Glas, als wollte sie etwas beweisen.
„Wir brauchen wohl noch einen“, bemerkte Rico und winkte den Kellner mit einer gebieterischen Geste heran. Diese Lina war faszinierend. Definitiv ein Party-Crasher und nur auf Geld aus. Aber das war ihm egal, solange eine Frau ehrlich sagte, was sie wollte. Er sagte ja auch ehrlich, was er nicht wollte. Ein solches Arrangement war im Allgemeinen sehr zufriedenstellend. Er fühlte sich zu der Frau hingezogen und begehrte sie. Sie war wirklich sehr hübsch und ungeniert sexy in ihrem engen Kleid und mit der wilden Mähne. Sie trug weder Make-up noch Schmuck, als benötige sie keinen zusätzlichen Flitterkram. Diese Nacht könnte sehr zufriedenstellend werden.
Er nahm ein Glas Champagner von dem Tablett, das der Kellner ihm anbot, und reichte es der Frau.
„Cin, cin“, prostete er ihr zu.
Sie lächelte.
„Cin, cin.“ Sie hatten sich auf Italienisch unterhalten, das die Frau fehlerfrei beherrschte. Dennoch glaubte Rico nicht, dass es ihre Muttersprache war. Mit ihren leicht schrägen Augen und der goldfarbenen Haut wirkte sie exotisch. Doch er hatte nicht die Absicht, mehr über sie zu erfahren. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass Frauen emotionale Nähe erwarteten, wenn er mehr über sie wissen wollte. Und die wollte er nicht.
„Lina“, sagte er. „Diese Party langweilt mich. Möchten Sie mit nach oben kommen?“
Überrascht sah sie ihn an und fuhr sich dabei mit der Zunge über ihre Lippen, was sein Verlangen noch steigerte. „Nach oben?“
„Ja. Ich wohne in der Penthouse-Suite.“ Er lächelte leicht. „Da haben wir es viel bequemer, und der Champagner ist auch besser.“
„Ich kenne nicht einmal Ihren Namen“, entgegnete sie und errötete leicht. Sie sah unsicher aus, aber auch aufgeregt.
„Rico“, sagte er. Sicher wusste sie, wer er war. Jeder hier kannte ihn. „Ich bin der Geschäftsführer von Falcone Enterprises.“
„Falcone …“ Ihre Augen blitzten wissend auf.
„Sie haben also von mir gehört.“
„Ja, gerade eben auf der Damentoilette.“ Lina biss sich auf die Lippe und sah dabei amüsiert und schuldig zugleich aus. „Zwei Frauen haben über Sie gesprochen.“
„Tatsächlich?“ Rico hob eine Augenbraue. „Ich kann mir vorstellen, was sie gesagt haben. Und ich versichere Ihnen, es entspricht alles der Wahrheit.“
Sie machte große Augen. „Wirklich alles?“
Rico zögerte keine Sekunde und nickte. „Alles“, antwortete er.
Lina lachte laut auf. Sie hatte ihr zweites Glas Champagner schon geleert, wie er bemerkte.
„Sie sagten, Sie seien kalt und hätten ein Herz aus Eis.“
„Nicht sehr schmeichelhaft, aber eigentlich wahr.“
„Oh?“ Lina legte den Kopf schief und sah ihn mit funkelnden Augen an. Um ihren Mund spielte ein Lächeln. „Und warum sind Sie so kalt?“
Rico dachte nach und trank einen Schluck Champagner. „Ich bin sachlich“, erklärte er ehrlich. „Ich mache keine großen Worte über etwas, das eine rein körperliche und sehr befriedigende Angelegenheit ist.“ Herausfordernd erwiderte er ihren neugierigen Blick. Sie errötete und öffnete leicht die Lippen. Ihre Reaktion gefiel ihm.
„Heißt das …“, begann sie, doch Rico fiel ihr ins Wort.
„Ja, das heißt es.“
Langsam schüttelte sie den Kopf. Ihre Pupillen waren geweitet und ihre Wangen immer noch gerötet. „Auf der Damentoilette haben sie noch etwas gesagt.“
„Ach ja?“ Er gab vor, gelangweilt zu sein, wollte aber unbedingt wissen, was Lina gehört hatte und welche vorgefasste Meinung sie von ihm hatte.
„Sie sagten …“ Noch einmal fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, und wieder reagierte sein Körper sofort. „Sie sagten, Sie seien fabelhaft im Bett.“ Sie lachte leicht unsicher.
Rico verzog den Mund zu einem Lächeln. „Stimmt auch.“
Wieder lachte sie und schüttelte den Kopf, ein wenig verlegen, fast schüchtern. Tut sie nur so? Will sie damit mein Interesse wecken? Keine Frau ohne Selbstvertrauen und Hintergedanken zog ein so aufreizendes Kleid an und schlich sich auf einer Party ein.
„Und?“, fragte Rico mit tiefer, verführerischer Stimme. Er wollte nicht länger warten. „Gehen wir nun nach oben?“
„Nach oben?“
„In meine Suite. Eine Flasche Champagner steht schon bereit.“ Wie immer.
„Ich … Ich weiß nicht …“
Rico nahm ihre Hand. Schon diese leichte Berührung machte ihn fast wahnsinnig. Er hatte die richtige Wahl getroffen. „Kommen Sie jetzt, oder nicht?“
Halina konnte nicht klar denken. Von dem Moment an, als Rico Falcone sie vor dem Türsteher mit der Gästeliste gerettet hatte, war sie von ihm fasziniert gewesen. Das sinnliche Charisma dieses Mannes, der so arrogant und selbstsicher und so überaus attraktiv vor ihr stand, hatte sie vollkommen in den Bann geschlagen.
Sie hatte kaum Erfahrung im Umgang mit Männern und war noch nie zuvor einem Mann wie Rico begegnet. Er hatte eine Augenbraue fragend hochgezogen. Um seinen Mund spielte ein äußerst selbstbewusstes Lächeln.
„Kommen Sie mit?“, fragte er herausfordernd und ein wenig ungeduldig.
Halina zögerte. Natürlich sollte sie nicht mit ihm mitgehen. Einem Mann, der, wie er selbst zugegeben hatte, ein eiskalter Schürzenjäger und ein fabelhafter Liebhaber war. Sie hatte nicht die Absicht, mit ihm ins Bett zugehen. Ihre Jungfräulichkeit war ein Zeichen der Ehre und ein wertvolles Gut. Als Prinzessin eines Königreichs in der Wüste war ihre Keuschheit von äußerster Wichtigkeit. Vor heute Abend hatte kein Mann sie je auch nur berührt. Aber warum sollte es auf Sex hinauslaufen? Sie wollte ja nur Champagner trinken und vielleicht geküsst werden.
Es war schwer, einer derart verführerischen Einladung zu widerstehen. Rico war ein äußerst gut aussehender Mann. Dunkle kurz geschnittene Haare, silbergraue Augen, die aufblitzten wie Metall in der Sonne, während er mit den Fingerspitzen ihre Hand berührte. Er war groß, muskulös und braun gebrannt und trug einen eleganten Smoking.
Im Augenwinkel bemerkte Halina die beiden Frauen aus der Damentoilette, die ihr neugierige und neidische Blicke zuwarfen. Beide wollten diesen Mann, obwohl sie vorhin etwas anderes gesagt hatten. Aber dieser Mann wollte Halina. Wie war das möglich?
„Ja“, sagte sie mutig. „Ich komme mit.“
„Ausgezeichnet.“ Er umfasste ihre Hand.
Ein Schauer überlief Halina. Nach den zwei Gläsern Champagner war ihr ohnehin schon etwas schwindlig. Auf einmal fühlte sie sich völlig überwältigt von dem Zauber dieser Situation. Die unschuldige Prinzessin wurde von dem attraktivsten Mann der Welt auf sein Zimmer entführt. Und er begehrte sie.
Halina folgte Rico den Flur entlang. Sie kämpfte gegen die aufkommende Panik und die Zweifel. Noch ein Glas Champagner, ein wenig flirten und vielleicht ein Kuss. Dann würde sie gehen. Ganz bestimmt. Sie würde weder an ihre Mutter noch an Abdul denken. Und schon gar nicht an ihren Vater, den Sultan, der außer sich vor Wut wäre und dem das Herz brechen würde, wenn er wüsste, was sie hier tat. Ganz zu schweigen davon, was in Ricos Suite noch geschehen könnte.
Eine Nacht. Ein Abenteuer. Mehr wollte sie nicht. Das war doch nicht zu viel, oder?
Rico drückte den Knopf für den Aufzug. Als die Türen sich öffneten, gingen sie hinein und fuhren allein nach oben.
„Warum wollten Sie heute Abend ohne Einladung auf die Party gehen?“, fragte er beiläufig. Halina schluckte.
„Ein spontaner Impuls.“
„Einige der besten Entscheidungen beruhen auf spontanen Impulsen.“
„Ihre auch?“, wollte sie wissen. Sie war nervös und von seiner Nähe so berauscht, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug.
„Meine Impulse beruhen auf Instinkt“, antwortete Rico. „Ich liege immer richtig.“
Sie lachte leicht amüsiert wegen seiner Arroganz. „Sind Sie auch mal unsicher?“
Ein dunkler Ausdruck huschte über sein Gesicht, so schnell, dass Halina ihn fast nicht bemerkt hätte. Was war das? Doch er hatte sich schnell wieder im Griff und lächelte. Seine Zähne waren sehr weiß und sehr gerade. „Nein“, entgegnete er. „Niemals.“
Die Türen öffneten sich, und sie gingen direkt in die Penthouse-Suite des Hotels. Diese Suite hatte ihre Mutter eigentlich haben wollen, doch der Mann am Empfang hatte ihr mit Bedauern mitgeteilt, dass sie schon belegt sei. Wer war Rico Falcone, dass ein Hotel ihm den Vorzug gegenüber einer Königin gab?
„Wo ist denn nun dieser wunderbare Champagner?“, erkundigte sich Halina. Ihre hohen Absätze klapperten auf dem Marmorboden. Die Suite lag im Dunkeln. Nur die raumhohen Fenster, die einen wunderbaren Blick über die Stadt boten, ließen etwas Licht herein.
Rico musterte sie amüsiert. „Willst du wirklich noch ein Glas trinken?“, fragte er und ging unvermittelt zum vertrauten Du über.
Er behandelte sie wie ein Kind. Halina hob das Kinn. „Warum denn nicht?“
„Ich will nicht, dass du betrunken bist, wenn ich mit dir schlafe.“
Ihre Knie wurden weich. „Wer sagt denn, dass wir miteinander schlafen werden?“ Halina gab sich mutiger, als sie sich fühlte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ein verführerisches Bild. Zwei eng umschlungene Körper, Satinbettwäsche, auf der sich Kerzenlicht spiegelte. Plötzlich erfüllte sie heftiges, brennendes Verlangen.
„Ich“, antwortete Rico schlicht und nahm die Champagnerflasche aus dem Eiskübel, der neben zwei weißen Ledersofas stand. „Warum wärst du sonst mitgekommen?“
Ihr Magen krampfte sich nervös zusammen. Hatte sie sich zu weit vorgetraut? Garantiert. Aber sie wollte nicht gehen, jedenfalls noch nicht. „Wegen des Champagners natürlich“, entgegnete Halina, ging zu den raumhohen Fenstern hinüber und sah auf die Ewige Stadt hinaus, deren alte Häuser im Mondschein lagen.
„Damit kann ich dienen.“ Er ließ den Korken knallen und füllte zwei Gläser. Eines davon reichte er Halina. Sie trank einen Schluck und genoss das Prickeln der Champagnerbläschen auf ihrer Zunge. Was nun?
„Du solltest wirklich nicht so arrogant sein“, bemerkte sie. Ihre Handflächen waren feucht, und ihr Herz klopfte wie verrückt, doch sie hielt Ricos zynischem Blick stand.
„Tatsächlich? Und warum nicht?“
Sein dreistes Selbstvertrauen erstaunte sie. Und sie bewunderte es. Vor ihren Schulfreunden und Schwestern mochte sie zwar selbstbewusst auftreten, aber in der realen Welt hatte sie diesem Mann nichts entgegenzusetzen.
„Es ist kein besonders anziehender Charakterzug“, sagte sie schließlich.
„Das sehe ich anders.“
Seine Selbstsicherheit war wie eine undurchdringliche Mauer. Aus irgendeinem Grund reizte sie das. „Hältst du es für Stärke, so lächerlich selbstbewusst zu sein?“
Er zuckte mit den Schultern, als läge die Antwort auf der Hand. „Natürlich.“
„Warum?“
„Weil es einen guten Grund dafür gibt. Ich weiß, was ich tue. Außerdem weiß ich, was ich will. Und ich hole es mir.“ Herausfordernd sah er sie an. „Und weißt du, was ich jetzt gerade will, Lina?“
Sie schluckte. Heißes Verlangen strömte wie Feuer durch ihren Körper. „Was?“
„Dich.“
Bevor sie sich eine einigermaßen passende Antwort überlegen konnte, kam er bereits zu ihr und nahm ihr das Glas aus der Hand. Sie wollte protestieren. Doch er legte die Hände auf ihre Schultern und verschloss ihre Lippen mit einem Kuss.
Ihr allererster Kuss. Sie hatte das Gefühl, kopfüber in eiskaltes Wasser zu stürzen. Ihr ganzes System stand unter Schock. Unter seinem fordernden Kuss versteifte sie sich, ihr wurde heiß, vor ihren Augen tanzten Sterne. Sie spürte Rico lächeln, als er ihre offensichtliche Reaktion auf ihn richtig einschätzte.
Völlig überwältigt umklammerte sie das glänzende Revers seiner Smokingjacke. War jeder Kuss so? Hatte man immer das Gefühl, in einem Strudel aus Leidenschaft zu versinken? Nie zuvor hatte Halina etwas Derartiges erlebt. Und sie wollte mehr, viel mehr.
Bereitwillig öffnete sie die Lippen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm noch näher zu sein. Sie spürte seinen muskulösen Oberkörper an ihren Brüsten, was sie noch mehr erregte.
Rico ließ die Hände von ihren Schultern zu ihrer Taille wandern, umfasste ihre Hüften und drückte sie an sich, sodass sie seine Erregung an ihrem Unterleib spürte. Trotz ihrer Unschuld wusste sie, was das war. Doch sosehr es sie auch erregte, so sehr schockierte es sie gleichzeitig. Was tue ich hier?
Mit all ihren Sinnen spürte sie ihn, seine breite Brust, seine muskulösen Schenkel und die kundigen Hände. Und immer noch wollte sie mehr. Ihre Gefühle waren so überwältigend, dass sie Angst hatte, in Flammen aufzugehen. Wie konnten Menschen so etwas erfahren und es überleben?
Urplötzlich löste Rico sich von ihr, trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Seine Wangen waren leicht gerötet, sein Atem ging stoßweise. Als hätte ihn der Kuss genauso berührt wie sie. Ein unglaublicher Gedanke.
Halinas Knie zitterten so sehr, dass sie sich mit der Hand an einem Tisch abstützen musste. Ohne Ricos Berührung fühlte sie sich auf einmal leer und voller Sehnsucht. Sie hatte sich so wunderbar lebendig gefühlt, das durfte nicht so schnell vorbei sein. Es durfte nie vorbei sein. So unerfahren und nervös sie auch sein mochte. Eines wusste sie genau. Sie wollte und brauchte mehr. Und sie hoffte, dass Rico ebenso empfand.
Nachdenklich betrachtete Rico die Frau vor ihm. Linas unbeholfene Küsse hatten ihn mehr berührt, als er sich selbst eingestehen wollte. Auch beim Liebesspiel und sogar beim Höhepunkt behielt er immer die Kontrolle. Diese zu verlieren wäre eine Form von Schwäche, und Schwäche verabscheute er. Nie wieder würde er sich zum Sklaven eines Gefühls machen, sei es nun Liebe oder deren ärmere, aber ebenso mächtige Variante, die Lust. Das hatte er sich schon vor langer Zeit geschworen, nachdem er verlassen und sein Herz gebrochen worden war. Nie wieder würde er das zulassen. Niemals würde er dem schwächsten der Gefühle, der Liebe, Einlass in sein Herz gewähren.
Er musterte Lina von Kopf bis Fuß, ihre geröteten Wangen, die geschwollenen Lippen, ihr tiefschwarzes lockiges Haar, das in Wellen über ihre Schultern fiel. Arglos presste sie eine Hand auf ihr pochendes Herz. Sie war genauso tief berührt wie er und versuchte nicht einmal, es zu verbergen. In dieser Hinsicht war sie ganz anders als die Frauen, mit denen er normalerweise ins Bett ging. Schöne Frauen, aber kalt. Sie wollten sein Geld und in sein Bett. Er bereitete ihnen Vergnügen, das wusste er, aber keine hatte je so reagiert wie Lina. Zitternd, bereit und ungehemmt, als würde sie sich nur nach ihm verzehren. Das allein war schon berauschend.
„Was ist?“ Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern. „Warum siehst du mich so an?“
„Wie sehe ich dich denn an?“
„Als wäre ich ein Rätsel, das du zu lösen versuchst.“
Er musste lachen. Sie hatte recht, und diese Auffassungsgabe war er nicht gewohnt, besonders nicht von potenziellen Bettgespielinnen.
„Ja“, gab er zu. „Genau so sehe ich dich an. Du faszinierst mich, Lina.“ Mehr, als sie sollte. Er wollte nicht an seinen Bettgespielinnen interessiert sein, jedenfalls nicht über das hinaus, was sie im Bett zu bieten hatten. Doch etwas an Lina, ihre vollkommen hemmungslose Reaktion, ließ ihn zögern. Sie schien genau das zu sein, was er schon lange nicht mehr war. Jedenfalls nicht seit seinem neunten Lebensjahr, als er hatte erfahren müssen, wie Versprechen gebrochen und Träume zerstört wurden. Einfach so.