Skandalöses Angebot unter griechischer Sonne
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„Bleiben Sie.“
Milly James erstarrte bei diesen Worten, die von dem Mann kamen, den sie noch nie persönlich gesehen hatte. Ihrem Arbeitgeber.
„Entschuldigung …?“ Blinzelnd sah sie sich in dem dämmrigen, holzgetäfelten Arbeitszimmer um. Die Vorhänge waren zugezogen, um das helle Licht des azurblauen Himmels der Ägäis auszusperren. Nur ein winziger Streifen Sonnenlicht drang durch einen Spalt zwischen dem schweren Stoff. Es war ein wunderschöner Sommertag, doch bei dem Dämmerlicht hätte es ebenso gut eine dunkle Winternacht sein können, zumal die dicken Steinwände der Villa die brütende Hitze abhielten.
„Bleiben Sie.“
Es war eindeutig ein Befehl, das verriet der autoritäre Ton. Langsam schloss sie die Tür, und das Klicken hallte in dem Raum wider.
Als sie das Zimmer betreten hatte, um hier wie üblich Staub zu wischen, hatte sie nicht einmal gemerkt, dass er da war.
Alexandro Santos’ Anweisungen waren deutlich gewesen – er wollte nicht gestört werden. Niemals. Und nun hatte sie es unabsichtlich doch getan, weil sie geglaubt hatte, ihn wegfahren zu hören. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, während sie ihn in der Dämmerung auszumachen versuchte. War er wütend? Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können? „Es tut mir leid, Kyrie Santos. Mir war nicht bewusst, dass Sie hier sind. Brauchen Sie etwas?“, fragte sie und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu geben.
In den beinahe sechs Monaten, die sie als Haushälterin für Alexandro Santos arbeitete, hatte sie noch nie mit ihm gesprochen, außer dem kurzen Telefonat zu Anfang, als er ihr die Stelle angeboten hatte. Und jetzt war er zum ersten Mal, seit sie für ihn arbeitete, hier in seiner Villa auf der griechischen Insel Naxos. Während der letzten zwei Tage war sie auf Zehenspitzen durch die Villa geschlichen und hatte versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, nachdem er mehr als deutlich gemacht hatte, dass er nicht belästigt werden wollte. Und nun hatte sie vielleicht alles vermasselt.
„Es tut mir sehr leid“, sagte sie noch einmal. „Ich werde Sie nicht wieder stören …“
Er tat ihre Worte mit einem Fingerschnippen ab, wobei sie die Bewegung eher spürte als sah. „Sie haben gefragt, ob ich etwas brauche, Miss James.“
Sie blinzelte und versuchte, mehr zu sehen.
Als hätte er ihren forschenden Blick gespürt, stand er von seinem Schreibtisch auf und ging zum Fenster, während er ihr den Rücken zuwandte. Der Streifen Sonnenlicht tauchte seine große, muskulöse Gestalt in goldenes Licht.
„Ja“, antwortete er. „Ich brauche etwas.“
„Und wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Milly, froh darum, dass sie vielleicht etwas tun könnte. „Möchten Sie etwas zu essen … oder soll ich das Zimmer saubermachen …?“ Ihre Stimme verlor sich, weil sie plötzlich das unerklärliche Gefühl hatte, dass er nichts von beidem wollte.
Alexandro Santos gab ihr keine Antwort. Er rührte sich nicht, sodass sie sein Gesicht immer noch nicht sehen konnte. Von ihren Nachforschungen im Internet zu Anfang ihrer Anstellung wusste sie, wie er aussah: dunkle Haare, hohe Wangenknochen, kühle blaue Augen, ein Körper von gezähmter und doch gefährlicher Kraft.
„Seit wann arbeiten Sie für mich, Miss James?“, fragte er nach einem weiteren endlosen Moment.
„Seit fast sechs Monaten.“ Milly versuchte, nicht unruhig zu werden. Er hatte doch sicher keinen Grund, sie zu feuern? Oder sich zu beschweren. Die letzten fünfeinhalb Monate hatte sie das Anwesen in Schuss gehalten, im Garten mitgeholfen und alle Rechnungen bezahlt, die für den Haushalt angefallen waren. Sie wusste, dass sie einen einfachen Job hatte, weil das Haus fast ständig leer stand. Doch sie liebte die Villa und Naxos und war sehr froh um die Arbeit – und die Bezahlung.
Auch wenn manche ihr Leben vielleicht einsam finden mochten, war es für Milly perfekt. Nachdem sie zu viele Jahre Zaungast gewesen war bei dem chaotischen Leben ihrer Eltern mit all den ausschweifenden Partys und von einem Internat zum anderen wechseln musste, hatte sie sich auf ein wenig Einsamkeit gefreut – und auf das sehr großzügige Gehalt, das Alexandro ihr zahlte. Er durfte ihr all das nicht nehmen, nachdem sie schon einiges an Geld gespart hatte, damit Anna für immer ein sicheres und glückliches Leben führen konnte.
„Sechs Monate.“ Alexandro drehte sich ein wenig, sodass sie sein Profil ausmachen konnte – die kurzen dunklen Haare, die gerade Nase, die hohen Wangenknochen und vollen Lippen. Er sah wie eine Statue aus – ein dunkler, gefährlicher und wunderschöner Marmorblock, vollkommen und doch so kalt. Selbst in dem dämmrigen Raum spürte sie, wie distanziert er war. „Sind Sie glücklich hier?“
„Glücklich?“ Seine Frage verblüffte sie. Warum sollte er sich Gedanken darum machen, ob sie glücklich war? „Ja. Sehr.“
„Aber es muss doch ziemlich einsam sein.“
„Ich habe nichts dagegen, allein zu sein.“ Sie entspannte sich ein wenig, weil er sich anscheinend nur um ihr Wohlergehen Sorgen machte. Trotzdem schien das ihrem Arbeitgeber überhaupt nicht ähnlich zu sehen, der, zumindest laut Internet, ein kühler, ehrgeiziger Workaholic war, dem eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber seinen Konkurrenten bescheinigt wurde. Es gab Fotos von ihm bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen, auf denen er hart aussah und kein Lächeln zeigte. Hin und wieder hing eine elegante Frau an seinem Arm, der er jedoch kaum Aufmerksamkeit schenkte. Zumindest wirkte es auf den Fotos und Videos so, die sie sich angesehen hatte.
„Aber Sie sind noch recht jung.“ Er hielt inne. „Wie alt …“
„Vierundzwanzig.“
„Und Sie waren auf der Universität …“
„Ja, in England.“ Vier Jahre lang hatte sie neuere Fremdsprachen studiert und sprach neben Englisch fließend Italienisch und Französisch und inzwischen auch ein bisschen Griechisch. Doch Alexandro Santos sollte all das aus ihrem Lebenslauf wissen.
„Haben Sie dann nicht andere Ziele?“, fragte er. „Als nur Zimmer sauberzumachen …?“
„Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich habe, Kyrie Santos.“
„Bitte nennen Sie mich Alex.“ Als sie schwieg, fuhr er fort: „Und Sie haben noch nicht daran gedacht, nach Paris zurückzugehen? Ich glaube, Sie haben als Übersetzerin gearbeitet, bevor sie hierherkamen.“
„Ja.“ Und ein mageres Gehalt bekommen im Vergleich zu dem jetzigen. Sie dachte an ihre Zeit in dem tristen Büro, in dem sie langweilige Geschäftsbriefe übersetzt hatte. Dann dachte sie an Philippe, mit seinen hellen Haaren, dem strahlenden Lächeln und seinen ach so süßen Worten, und ein Schauer erfasste sie. „Ich habe nicht den Wunsch, nach Paris zurückzugehen, Kyrie …“
„Alex.“
Verunsichert schwieg sie und fragte sich, wohin diese verstörenden Fragen führen sollten.
„Und wie sieht es mit einer Liebesbeziehung aus?“, fragte er abrupt. „Ehemann, Kinder …? Wollen Sie so etwas irgendwann?“
Milly zögerte, weil sie nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. Solch eine Frage von einem Arbeitgeber war doch sicher nicht angebracht. Trotzdem konnte sie ihm eine Antwort wohl kaum verweigern.
„Ich frage deshalb, weil ich Kontinuität bevorzuge“, fuhr Alex fort, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Sollten Sie nach einem Jahr wegen eines Mannes gehen …“
„Ich werde nicht wegen irgendeines Mannes gehen“, entgegnete Milly steif. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da wäre sie Philippe überall hin gefolgt, bis sie die Wahrheit herausgefunden hatte. Selbst jetzt noch erinnerte sie sich an das spöttische Funkeln in seinen Augen, seinen Mund, der sich zu einem grausamen Lächeln verzogen hatte. Sie zwang sich, das Bild zu verdrängen und konzentrierte sich auf Alex Santos, obwohl sie sein Gesicht kaum erkennen konnte.
Alex blickte weiter durch den Spalt zwischen den Vorhängen. Es war unmöglich zu sagen, was er dachte. Sie fühlte sich wie eine Requisite in einem Theaterstück, und trotzdem stellte er ihr solch persönliche Fragen. Warum?
„Und was ist mit Kindern?“, wollte er schließlich wissen.
Milly schluckte. „Ich habe noch nicht darüber nachgedacht“, sagte sie schließlich. „Im Moment kommt das für mich nicht infrage.“
„Nur im Moment? Oder überhaupt nicht?“
Hilflos zuckte Milly die Schultern. „Jetzt jedenfalls ganz sicher nicht. Vielleicht auch nie oder nicht so bald.“ Sie wusste, wie zerrüttet Familien sein konnten. Auch wenn sie wie die meisten Frauen einen Mutterinstinkt besaß, hatte sie nicht den Wunsch, ihn anzufeuern. Anna galt ihre oberste Sorge.
„Also möchten Sie keine Kinder?“
Milly spürte, dass sie rot wurde. Warum versuchte er, sie in diesem Punkt festzunageln? „Vielleicht eines Tages“, murmelte sie „So weit habe ich noch nicht gedacht. Aber ich verstehe wirklich nicht, warum Sie sich darum Gedanken machen sollten.“
„Vielleicht werden Sie es doch verstehen.“
„Entschuldigung …?“ Als er nicht antwortete, stieß sie die Luft aus, die sie angehalten hatte. „Ist das alles, Kyrie … Alex? Wenn ja, werde ich jetzt gehen …“
„Nein, das ist nicht alles“, antwortete er brüsk. „Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.“
„Ein Angebot?“ Das Wort gefiel ihr nicht, weil es zweideutig schien. „Ich weiß nicht, ob …“
„Ein sehr anständiges. Soweit das in diesem Fall möglich ist.“ Ein freudloses Lachen klang in seiner Stimme mit, das sie nicht verstand. Deshalb wartete sie, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. „Ein Geschäftsangebot“, stellte Alex klar. „Ein sehr großzügiges. Sie haben diese Stellung wegen des Gehalts angenommen, nicht wahr?“
„Ja …“ Und um von Paris wegzukommen, dem spöttischen Blick von Philippe und seinen Freunden, aber darauf wollte sie jetzt nicht eingehen.
„Geld ist also ein Anreiz für Sie?“
„Finanzielle Stabilität, das ja.“ Und Geld für Anna zurückzulegen, doch auch das wollte sie ihm nicht verraten. All das war zu kompliziert und traurig, außerdem musste ihr Arbeitgeber keine persönlichen Details über sie wissen.
„Mein Geschäftsangebot gibt Ihnen ganz sicher finanzielle Stabilität. Was vielleicht als Hauptvorteil betrachtet werden kann. Obwohl ich zugeben muss, dass es auf den ersten Blick ein ziemlich unkonventioneller Gedanke sein mag.“ Wieder dieses freudlose Lachen, das ihr vielleicht einen kalten Schauer über den Rücken gejagt hätte, hätte es nicht verzweifelt geklungen. „Auf den zweiten Blick möglicherweise nicht, weil Sie mir sehr vernünftig und besonnen vorkommen und auch die praktischen Vorteile sehen.“
Nervös sah Milly ihn an. „Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden. Um was geht es bei diesem … Angebot?“
Allerdings war sie nicht sicher, ob sie es wirklich wissen wollte. Was könnte er von ihr wollen, im Gegenzug zu Geld?
Sie war nicht naiv, und leider auch nicht so unschuldig. Auch wenn sie eine Ahnung hatte, was ihm vorschwebte, konnte sie es kaum glauben. Milly wusste, dass sie nicht hübsch war, mit den mausbraunen Haaren und den Augen von gleicher Farbe, der schlanken Figur. Sie war keine Frau, die leidenschaftliches Verlangen in einem Mann weckte, auch wenn sie es dummerweise einmal geglaubt und von einem Märchen geträumt hatte.
Genauso dumm wäre es anzunehmen, dass ein Mann wie Alexandro Santos, ein attraktiver Milliardär, der sicher jede Frau haben konnte, auf diese Weise an ihr interessiert sein sollte. Es war absolut lächerlich, und sie würde gut daran tun, es nicht zu vergessen.
Was könnte er also wirklich wollen? Was hatte sie sonst zu bieten? Ihre Gedanken flogen in alle möglichen Richtungen, und das, was ihr in den Sinn kam, gefiel ihr nicht. Was, wenn er etwas … Perverses von ihr wollte? Aber nein, jetzt ging ihre Fantasie wirklich mit ihr durch. Vielleicht brauchte er sie einfach nur in ihrer Funktion als Haushälterin.
Zum Beispiel, dass sie nach Athen flog, um dort sein Penthouse in Ordnung zu machen. Doch Milly wusste, dass sie sich selbst etwas vormachte. Offenbar wollte Alex Santos ihr etwas vorschlagen, was über das Übliche hinausging.
„Kyrie Santos …“
„Alex.“
„Alex.“ Sie zwang sich, seinen Namen zu wiederholen, auch wenn es ein unangenehmes Gefühl bei ihr hinterließ. Er hatte sich immer noch nicht umgedreht und auch nichts gesagt. „Wollen Sie mir jetzt verraten, was das für ein Vorschlag ist?“
Er wandte sich nicht vom Fenster ab, als er mit tonloser, kühler Stimme antwortete: „Ich möchte, dass Sie mich heiraten.“
Auch wenn Alex weiter aus dem Fenster starrte, spürte er ihr Entsetzen. Er legte den Kopf schräg, sodass er über die Schulter in ihre Richtung sehen konnte. Ihre Augen waren geweitet, der Mund geöffnet.
Sie war keine schöne Frau, doch ihre schlanke Gestalt hatte etwas Bezwingendes, und ihre stolze Haltung verriet eine angeborene Anmut. Zu seiner Überraschung fühlte Alex einen Anflug von Interesse – und Verlangen, was er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Und das ihm ziemlich ungelegen kam.
„Das … ist nicht Ihr Ernst“, stotterte sie schließlich.
„Durchaus.“
„Warum wollen Sie ausgerechnet mich heiraten?“
Eine sehr gute Frage, die Alex wahrheitsgemäß beantworten wollte. Es würde keine Spielchen in ihrer Ehe geben, keine Heuchelei. „Weil ich keine Zeit habe, mir eine passendere und willige Frau zu suchen …“
„Oh, danke schön.“ Die Worte platzten aus ihr heraus und zeigten, wie verletzt sie war.
„Und ich brauche sobald wie möglich einen Erben“, fuhr er unerbittlich fort.
Milly schwankte rückwärts, stieß gegen die Tür und tastete nach dem Knauf.
„Keine Panik“, sagte Alex. „Ich versuche, nur ehrlich zu sein. Es wäre doch dumm von uns beiden, so zu tun, als wäre eine Ehe zwischen uns mehr als eine geschäftliche Vereinbarung, die natürlich auf beiden Seiten Höflichkeit und Respekt einschließt.“
„Und trotzdem haben Sie von einem Erben gesprochen …“
„Es wäre offensichtlich keine Ehe, die nur auf dem Papier besteht.“ Er sprach immer noch ruhig, obwohl gleichzeitig verwirrende Bilder durch seinen Kopf tanzten. Von glatter, goldener Haut im Kerzenlicht, offene hellbraune Haare auf nackten Schultern mit Sommersprossen. Und das war absurd, weil sie nie eine solche Ehe führen würden. Außerdem wusste er nicht einmal, ob sie Sommersprossen hatte.
„Offensichtlich …“, wiederholte Milly mit dünner Stimme und war immer noch fassungslos.
„Die Zeit spielt eine ziemlich wichtige Rolle, obwohl wir die Einzelheiten natürlich besprechen können – vorausgesetzt, Sie sind einverstanden.“
„Vorausgesetzt ich bin einverstanden?“ Die Worte kamen als Krächzen heraus. Er hatte sie schockiert, dabei hatte sie noch nicht einmal sein Gesicht gesehen. Bei dem Gedanken hätte Alex beinahe rau aufgelacht, wobei er seit Monaten nichts mehr amüsant gefunden hatte. Seit zweiundzwanzig Monaten, um genau zu sein.
„Kyrie Santos“, sagte sie nachdrücklich, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. „Ich bin aber nicht einverstanden.“
„Sie haben die Bedingungen noch nicht gehört.“
„Das muss ich auch nicht. Weil ich nicht die Angewohnheit habe, mich zu verkaufen.“
„Wir werden verheiratet sein“, erklärte Alex. „Deshalb kann man es wohl kaum so bezeichnen.“
„Für mich wäre es so.“ Sie schüttelte den Kopf, und ein Schauder erfasste sie, eine instinktive Reaktion auf etwas Abstoßendes, was ihn an einer empfindlichen Stelle traf. „Tut mir leid, aber ich sage Nein. Niemals.“
„Sie klingen fast so, als hätten Sie solch ein Angebot schon einmal bekommen“, bemerkte er.
„Das stimmt nicht.“
„Ach nein?“ Er hob eine Augenbraue. „Viele Ehen basieren auf einer Art Geschäft, Miss James. Einer Absprache, egal, wie das emotionale Fundament aussieht.“
„Bei unserer Ehe würde es kein emotionales Fundament geben“, entgegnete sie. „Ich kenne Sie nicht einmal und habe Sie heute überhaupt zum ersten Mal persönlich gesehen.“
„Das ist nicht unüblich bei Arbeitsbeziehungen wie diesen.“
„Und was bringt Sie auf den Gedanken, dass ich heiraten will?“
„Nichts. Wie ich schon sagte, es wäre ein geschäftliches Arrangement. Und ich denke, dass es die finanzielle Stabilität bei diesem Angebot ist, die Ihnen gefallen könnte.“ Er stieß ein Lachen aus. „Nichts anderes.“
Als sie schwieg, drehte Alex sich ein wenig, um sie besser zu sehen. Sie wirkte unangenehm berührt, aber auch … hin und her gerissen. Nervös knabberte sie an ihrer Lippe, während ihr Blick unstet hin und her flog. Sie sah aus, als wäre sie versucht, sein Angebot anzunehmen oder würde es zumindest faszinierend finden, auch wenn sie es nicht zugeben wollte.
„Finanzielle Stabilität“, sagte sie schließlich. „Was meinen Sie damit?“
„Ich würde dafür sorgen, dass die Ehe sich für Sie lohnt.“ Er wartete, ob sie noch weiter nachfragen würde, doch sie schüttelte den Kopf.
„Das klingt jetzt tatsächlich so, als würde ich mich verkaufen, und obendrein noch an einen Fremden. Ich finde, jede Ehe sollte eine emotionale Basis haben, wenn nicht sogar auf Liebe beruhen.“
Er legte den Kopf schräg. „Sie klingen beinahe zynisch.“
„Zynisch …?“
„Als würden Sie nicht wirklich glauben, was Sie sagen“, erklärte er. „Sie wollen es glauben, tun es aber nicht.“
„Was ich glaube oder nicht, ist nicht Ihre Sache und auch nicht wichtig für dieses Gespräch“, gab sie scharf zurück. „Die Antwort lautet immer noch Nein.“
„Warum?“, fragte Alex gedehnt. „Nur aus Interesse.“
„Warum?“ Ungläubig sah sie ihn an, stand aber mit dem Rücken zur Wand. Im übertragenen und wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie presste sich gegen die Tür und atmete heftig, sodass er sehen konnte, wie ihre Brüste sich hoben und senkten. Ein paar hellbraune Strähnen hatten sich aus ihrem sonst ordentlichen Pferdeschwanz gelöst und umrahmten ihr herzförmiges Gesicht. Überrascht wurde ihm bewusst, dass sie sehr hübsch war. Als er sich entschlossen hatte, sie zu heiraten, war ihr Aussehen nicht Teil der Idee gewesen. Es war praktisch, sie war geeignet, und ihre untergeordnete Stellung bedeutete, dass er mit ihr fertigwerden konnte. Mehr war nicht erforderlich.
„Ja, warum?“, wiederholte er. „Weshalb sind Sie nicht bereit, über mein Angebot nachzudenken? Sie fragen nicht einmal, wie unser Arrangement aussehen würde.“
„Das ‚Wie‘ haben Sie bereits deutlich gemacht …“
„Sie meinen Sex?“
„Nun … ja“, stotterte sie.
„Haben Sie etwas gegen Sex mit Ihrem Ehemann?“
„Ich habe etwas dagegen, jemanden zu heiraten, für den ich nichts empfinde und den ich nicht einmal kenne …“
„Seit Jahrhunderten machen die Menschen das so. Seit Jahrtausenden.“
„Trotzdem …“
„Würden fünf Millionen Euro Sie umstimmen?“.
Sie öffnete den Mund, schloss ihn und öffnete ihn erneut. „Das ist viel Geld“, sagte sie schließlich mit schwacher Stimme.
„So ist es.“ Er legte den Kopf schräg. „Möchten Sie sich jetzt die Details anhören?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Sie glauben, dass ich meine Meinung nur wegen Geld ändere? Das ist beleidigend.“
„Finanzielle Stabilität“, rief er ihr in Erinnerung. „Das ist ein mächtiger Antrieb.“
„Ich bin nicht jemand, der nur auf Geld aus ist.“ Die Worte platzten aus ihr heraus, wie eine alte Wunde, die aufbrach und Alex ins Grübeln brachte.
„Das weiß ich.“
„Ich werde mich nicht verkaufen.“
„Das sagen Sie immer wieder, aber so darüber zu denken, ist geschmacklos. Wir reden hier über die Ehe, nicht über Sie als Geliebte.“
„Trotzdem stimmt es.“
„Nicht unbedingt. Es ist ein Deal, Miss James. Wir haben beide etwas davon.“
Langsam schüttelte sie den Kopf. „Wenn man bedenkt, über was wir sprechen, sollten Sie mich vielleicht Milly nennen.“
Der Sieg kam in greifbarere Nähe, trügerisch, aber doch möglich. Vielleicht sogar wahrscheinlich. Sie war nicht aus dem Zimmer gestürmt. Hatte ihm nicht ins Gesicht geschlagen. Gesehen hatte sie es auch noch nicht. Darauf würden sie zurückkommen, wenn es so weit war. „Also gut, Milly. Warum nehmen Sie nicht Platz?“
„Na schön.“ Vorsichtig ging sie zu einem der Ledersessel, die vor dem Schreibtisch standen, und setzte sich in züchtiger Haltung hin. „Können wir das Licht anmachen?“, fragte sie „Ich kann Sie kaum erkennen und habe Sie noch nie persönlich gesehen. Wenn man bedenkt, worüber wir sprechen, scheint das lächerlich.“
Er verspannte sich. „Ich habe eine Abneigung gegen Licht.“
„Sie sind doch kein Vampir, oder?“ Es war offensichtlich ein Scherz, aber sie klang trotzdem unsicher.
„Nein, ganz sicher nicht.“ Er drehte sich zu ihr um, wobei er den Kopf so hielt, dass das Schlimmste verborgen blieb. „Vielleicht mache ich es gleich an, nachdem wir ein paar der Details besprochen haben.“
„Warum ich?“, fragte Milly unverblümt. „Weshalb nicht eine, die viel passender ist?“
„Weil Sie hier sind“, antwortete Alex genauso geradeheraus. „Und Sie sind froh, wenn Sie auf der Insel bleiben können. Außerdem scheinen Sie in den sechs Monaten, die Sie für mich arbeiten, vertrauenswürdig gewesen zu sein und haben hart gearbeitet, so hat es mir jedenfalls Yiannis, mein Angestellter hier, gesagt.“
„Yiannis hat Bericht über mich erstattet?“
„Er hat nur anerkennende Worte über Sie gefunden.“
„Ach.“ Sie klang überrascht. „Er und seine Frau sind sehr nett. Sie sind mir gegenüber sehr gastfreundlich.“
„Freut mich zu hören“, entgegnete er ruhig. Das schien alles sehr vielversprechend. Offenbar lebte sie gerne hier, und sie wollte das Geld. Blieb nur noch die Frage, ob sie es aushalten könnte, ihn anzusehen – und mit ihm das Bett zu teilen.
„Und das sind die einzigen Qualifikationen, die eine Ehefrau für Sie braucht?“, fragte Milly.
„Ja.“
„Wirklich?“ Wieder klang sie zynisch. „Ist es Ihnen egal, was Ihre Frau mag oder nicht mag? Ob sie Humor hat, oder Ehrgefühl? Oder was für eine Mutter sie sein wird?“
Alex’ Lippen verzogen sich zu einem Strich. „Ich kann es mir nicht leisten, mir Gedanken über diese Dinge zu machen.“ Ezios letzte Eskapade hatte ihn spontan dazu bewegt, die Dinge zu regeln, und zwar schnell.
Als Milly schwieg, betrachtete Alex ihr Gesicht, auf dem sich die verschiedensten Gefühle widerspiegelten. Unschlüssigkeit, Angst, aber auch etwas anderes. Schuldbewusstsein vielleicht, oder Trauer. Sein Vorschlag hatte einen wunden Punkt in ihr getroffen. Dessen war er sich fast sicher. „Und warum ein Erbe?“, fragte sie schließlich. „Ist das nicht eine ziemlich veraltete Denkweise?“
„Eine biologische.“
„Trotzdem.“
„Ich möchte mein Unternehmen an mein Kind weitergeben.“
„Einen Sohn?“
„Oder eine Tochter. Das ist egal.“
Sie verengte die Augen, um ihn in dem Dämmerlicht ausmachen zu können. „Warum?“
„Wenn ich es nicht tue“, antwortete Alex, „geht es an meinen Stiefbruder, der es wahrscheinlich innerhalb weniger Monate zugrunde richten wird.“
„Aber das ist doch nicht wie bei einem Adelstitel, oder? Warum sollte es auf ihn übergehen?“
Hastig atmete er ein und zwang sich, sich zu entspannen, während er von Erinnerungen bombardiert wurde. Christos, blass und schwach, eine klauenähnliche Hand nach ihm ausgestreckt und ihn anflehend. Und Ezio – betrunken in irgendeinem Nachtclub –, der sich nicht einmal die Mühe machte zu kommen und seinem leiblichen Vater Lebwohl zu sagen. „Weil mein Stiefvater es in seinem Testament so festgelegt hat. Das Unternehmen hat ursprünglich ihm gehört, und er hat es mir hinterlassen, bevor er gestorben ist. Jedoch mit der Einschränkung, es an meinen Stiefbruder weiterzugeben, sollte ich ohne Nachkommen sterben.“
„Das klingt alles ziemlich archaisch.“
Alex legte den Kopf schräg. „Familienbande sind in diesem Land sehr stark.“
„Aber er war Ihr Stiefvater“, warf Milly ein.
„Er war für mich wie ein Vater“, entgegnete Alex barsch, überwältigt von Gefühlen, die seine Kehle zuschnürten und es ihm schwer machten zu sprechen. „Und das Testament ist wasserdicht. Also ist das die einzige Möglichkeit.“
„Was ist mit Adoption? Einer Leimutter?“
„Wie ich schon sagte, die Zeit drängt. Ich bin sechsunddreißig, und ich möchte, dass mein Kind erwachsen ist, wenn ich das Unternehmen weitergebe. Außerdem denke ich, dass ein Kind sowohl eine Mutter als auch einen Vater haben sollte. Familie ist mir wichtig.“ Die Worte entfachten einen Schmerz in ihm, den er schnell verdrängte. Denn nur so konnte er weiterleben.
„Und was ist, wenn ich nicht schwanger werden kann?“, fragte Milly unverblümt. „Es gibt keine Garantie.“
„Sie müssen medizinisch natürlich von Kopf bis Fuß durchgecheckt werden, bevor wir heiraten.“ Er hob eine Schulter. „Der Rest ist Schicksal.“
„Möchten Sie denn noch mehr Kinder?“