Bestsellerautorin Lynne Graham - italienische Sehnsucht

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EIN MILLIARDÄR ENTDECKT DIE LIEBE

Einen Mann wie ihn verschmäht man nicht! Für den faszinierenden Milliardär Cesario di Silvestri bedeutet das Nein der schönen Jessica nur eins - eine Herausforderung! Eiskalt stellt er ihr ein Ultimatum: Wenn Jessica den Ruf ihrer Familie retten will, muss sie ihn heiraten und ihm schnellstens einen Erben schenken. Danach wird er sie wieder freigeben. Doch dann bricht er mit Jessica in die Flitterwochen nach Italien auf. Kaum hat er sie zu einer ersten Nacht der Leidenschaft verführt, spürt er nicht den heiß ersehnten Triumph, sondern ein weit gefährlicheres Gefühl …

ICH BRAUCHE DEIN LACHEN

Ein Märchen wird wahr: Mit einem charmanten Lächeln und einem süßen Kuss entführt Rio Lombardi die mittellose Holly in eine Welt ohne finanzielle Sorgen! Er verwöhnt sie mit teuren Geschenken und edler Kleidung und kümmert sich auch noch rührend um ihren vaterlosen kleinen Sohn! Aber warum macht Rio all das? fragt sie sich immer wieder. Warum schenkt er ihr den Himmel auf Erden? Warum besteht er sogar darauf, dass sie heiraten? Erst während der Flitterwochen auf den Malediven kommt Holly der Wahrheit auf die Spur. Doch jetzt ist es zu spät, um zu fliehen …

VERRÄTERISCHE SEHNSUCHT

Seit die schöne Caroline ihn vor dem Altar stehen ließ, hat der attraktive Milliardär Valente Lorenzatto nur eins im Sinn: Rache! Erst wird er alles in Besitz nehmen, was Caroline lieb und teuer ist - und dann sie selbst! Genüsslich malt er sich aus, wie er sie in seinem Palazzo in Venedig heiß verführt. Und anschließend eiskalt fallen lässt … Doch als er sie dann leidenschaftlich küsst, sehnt er sich plötzlich nach etwas ganz anderem. Und sein verräterisches Herz fragt: Ist diese betörend unschuldige Frau wirklich die Betrügerin, für die er sie immer hielt?


  • Erscheinungstag 23.09.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733772963
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lynne Graham

Bestsellerautorin Lynne Graham - italienische Sehnsucht

Lynne Graham

Ein Milliardär entdeckt die Liebe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2011 by Lynne Graham
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2024 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: SAS

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 06/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86494-135-1

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY, STURM DER LIEBE

 

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1. KAPITEL

Cesario di Silvestri fand keinen Schlaf.

Die Ereignisse der letzten Monate hatten wichtige Entscheidungen von ihm verlangt. Entschlossen hatte er die Spreu vom Weizen getrennt und seine Energien auf das wirklich Wichtige im Leben konzentriert. Er hatte immer unermüdlich gearbeitet, um zu dem immens reichen Tycoon zu werden, der er war, dabei hatte er allerdings ein echtes Privatleben völlig außer Acht gelassen. Der einzige Mensch, dem er vertraute, war sein Cousin Stefano, mit dem er aufgewachsen war.

Sicher, Cesario hatte viele Frauen in seinem Bett gehabt, aber nur eine hatte ihm wirklich etwas bedeutet. Und sie hatte er mit solcher Gedankenlosigkeit behandelt, dass sie ihn für einen anderen verließ. Er war dreiunddreißig Jahre alt und bisher nicht einmal in die Nähe eines Altars gekommen. Was sagte das über ihn aus? War er von Natur aus ein Einzelgänger, oder hatte er einfach nur Beziehungsangst?

Cesario fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Dieses Philosophieren lag ihm nicht. Er war kein Denker, sondern ein Macher – ein durchtrainierter Sportler, ein dynamischer, kühl kalkulierender Geschäftsmann …

Es hatte keinen Zweck. Cesario gab auf, zog sich Shorts an und lief durch seine prächtige marokkanische Villa, unbeeindruckt von dem Prunk, der zum Lebensstil eines Milliardärs gehörte und der ihm seit Neuestem nichts mehr bedeutete.

Er füllte ein Glas mit kaltem Wasser und trank in großen Schlucken. Wie er schon Stefano gestanden hatte – in seinem Alter hätte er gern ein eigenes Kind gehabt, aber eben nicht mit einer Frau, der nur an Geld lag. Denn eine solche Frau würde die eigenen oberflächlichen Werte ihrem Kind weitergeben.

„Aber es ist doch nicht zu spät für dich, eine Familie zu gründen“, hatte Stefano überzeugt erklärt. „Du solltest das tun, was du willst, nicht das, was du meinst, tun zu müssen.“

Sein Handy klingelte, und Cesario lief wieder nach oben zurück. Wer von seinem Personal hielt es für nötig, ihn mitten in der Nacht anzurufen?

Es waren keine guten Nachrichten. Rigo Castello, sein Sicherheitschef, informierte ihn darüber, dass ein Gemälde, gut eine halbe Million Pfund wert, aus Halston Hall, Cesarios englischer Landvilla, gestohlen worden war. Laut Rigo deutete alles darauf hin, dass ein Angestellter für den Diebstahl verantwortlich war. Kalte Wut überkam Cesario, doch er würde nicht toben, sondern es auf andere Art regeln. Er bezahlte seine Leute großzügig, dafür erwartete er allerdings auch Loyalität. Wenn der Täter gefunden war, würde Cesario dafür sorgen, dass man denjenigen dem Gesetz nach ohne Wenn und Aber verurteilte.

Ein grimmiges Lächeln zog auf seine sinnlich geschwungenen Lippen. Ein Besuch des englischen Herrenhauses war also nunmehr unvermeidlich. Und sicher würde Cesario in den Ställen auch seiner wunderschönen Madonna wiederbegegnen, denn seine Pferde brauchten schließlich ständige Pflege und Betreuung. Anders als alle Frauen, die er kannte, besaß seine englische Madonna eine einzigartige Qualität: Sie war die Einzige, die bisher Nein zu ihm gesagt hatte. Ein Dinner mit ihm, und sie hatte Cesario di Silvestri aus ihrer Erinnerung gelöscht – eine Tatsache, die ihn maßlos ärgerte und frustrierte. Diese Frau würde ihm immer ein Rätsel sein und ein Geheimnis für ihn bleiben.

Die langen Locken in einem praktischen Pferdeschwanz zusammengebunden, murmelte die zierliche Brünette unablässig beruhigende Worte, während sie mit der Schermaschine das verfilzte Fell des ängstlich kauernden Hundes entfernte.

Und je mehr Jess von dem ausgemergelten Körper des Tieres freilegte, desto mehr verhärteten sich die Züge um ihren schönen vollen Mund. Das Leiden wehrloser Tiere hatte sie schon als Kind aufgewühlt, deshalb hatte sie auch Tiermedizin studiert, um zu helfen, wo sie nur konnte.

Ihre freiwillige Helferin, ein hübsches blondes Mädchen, drückte den Hund behutsam auf den Tisch nieder. „Wie steht es mit ihm?“, fragte Kylie besorgt.

Jess warf dem Teenager einen Seitenblick zu. „Nicht allzu schlecht, wenn man sein hohes Alter bedenkt. Wenn ich erst seine Wunden versorgt und ihn ein wenig aufgepäppelt habe, wird es ihm wesentlich besser gehen.“

„Es ist immer schwierig, ein Zuhause für alte Hunde zu finden.“ Kylie seufzte.

„Das kann man nie im Voraus sagen.“ Jess gab sich optimistisch. In den letzten Jahren hatte sie selbst einer ganzen Meute von Hunden ein neues Heim gegeben – alten Hunden, verkrüppelten Hunden, Hunden mit Verhaltensstörungen. Nur wenige Leute holten einen solchen Hund aus dem Tierheim, das wusste sie.

Als Jess die Stelle in der Tierarztpraxis der englischen Kleinstadt Charlbury St Helens angetreten hatte, war sie in die Räume über der Praxis gezogen. Doch als der Seniorpartner beschloss, sich zu vergrößern und in der kleinen Wohnung Büroräume einzurichten, hatte Jess sich eine andere Bleibe suchen müssen. Sie hatte Glück gehabt und ein altes Cottage etwas außerhalb des Städtchens gefunden.

Das Cottage selbst war weiß Gott nichts Besonderes, aber es stand auf einem riesigen Grundstück, auf dem es wiederum mehrere Ställe und Hütten gab. Der Vermieter hatte sich einverstanden erklärt und Jess erlaubt, hier ein kleines Tierheim aufzuziehen. Als Tierärztin verdiente Jess zwar gut, aber sie war praktisch immer pleite, steckte sie doch jeden Cent in Futter und Medikamente für die Tiere. Trotzdem war sie glücklicher, als sie je in ihrem Leben gewesen war. Sie tat nämlich genau das, was sie liebte, und sie wäre auch die Erste, die zugeben würde, dass sie mit Vierbeinern wesentlich besser zurechtkam als mit Menschen.

Bei dem Geräusch eines vorfahrenden Autos steckte Kylie den Kopf zur Tür hinaus. „Dein Vater, Jess.“

Überrascht schaute Jess auf. Robert Martin kam nur selten am Wochenende vorbei. Überhaupt hatte sie in letzter Zeit nur wenig von ihrem Vater gesehen, schien er doch außergewöhnlich beschäftigt mit seiner Arbeit. Normalerweise half er ihr nämlich regelmäßig dabei, Ställe und Zäune zu reparieren. Der stille Mittfünfziger war ein guter Ehemann und ein noch besserer Dad.

Die anderen Familienmitglieder waren immer der Meinung gewesen, Jess wolle zu hoch hinaus mit ihrem Veterinärmedizinstudium, Robert jedoch hatte seine Tochter bei jedem Schritt zur Vollendung ihres Traums ermutigt. Seine Liebe und Unterstützung bedeuteten ihr umso mehr, da Robert der einzige Vater war, den sie hatte, auch wenn er nicht ihr leiblicher Vater war. Dieses Geheimnis kannten jedoch nur wenige außerhalb des Familienkreises.

„Ich übernehme das Füttern“, bot Kylie an, als der stämmige, grauhaarige Mann eintrat und grüßend nickte.

„Ich bin gleich so weit, Dad.“ Jess stand über den Hund gebeugt und trug Desinfektionsmittel auf dessen Wunden auf. „Wie kommt es, dass du so früh an einem Sonntagmorgen vorbeischaust?“

„Ich muss mit dir reden. Nachher gehst du in die Kirche, und abends hast du ja meist immer Bereitschaftsdienst“, brummte ihr Vater.

Etwas in seiner Stimme ließ sie den Kopf heben, mit ihren ungewöhnlichen hellgrauen Augen schaute sie ihn fragend an. Ihr fiel auf, wie blass und angespannt er aussah. Nicht nur merkte man ihm sein Alter jetzt an, sondern er wirkte sogar noch älter als seine Jahre. So besorgt hatte sie ihn nicht mehr gesehen, seit ihrer Mutter letztes Jahr die Diagnose Krebs gestellt worden war.

„Kümmere dich erst um deinen Patienten.“

Nur mit Mühe hielt Jess die jähe Angst in Schach. Großer Gott, war der Krebs bei ihrer Mutter etwa wieder ausgebrochen? Ihre Hände begannen bei dem Gedanken leicht zu zittern. Soviel sie wusste, stand der Termin zur Kontrolluntersuchung noch nicht an, und sie schalt sich, sofort an das Schlimmste zu denken. „Geh am besten schon ins Haus vor. Ich brauche hier nicht mehr lange“, schlug sie Robert knapp vor.

Sobald sie mit ihrer Behandlung fertig war, schloss sie den Hund in den Hundezwinger, wo bereits eine Schüssel Futter auf das Tier wartete. Kurz sah sie zu, wie der Hund sich gierig über die Schüssel hermachte. So, wie das arme Tier schlang, musste es die erste richtige Mahlzeit seit Wochen sein.

Gründlich wusch sie sich dann die Hände in dem kleinen Bad, bevor sie ins Haus hinübereilte und in die Küche ging, wo Robert Martin bereits an dem alten Küchentisch saß und auf sie wartete.

„Was stimmt nicht?“, fragte sie ohne Einleitung. Die Angst um die Mutter machte es ihr unmöglich, mehr zu sagen.

Robert schaute auf, Schuldgefühl und Sorge stand in den braunen Augen zu lesen. „Ich hab etwas Dummes getan. Etwas wirklich Dummes. Tut mir leid, dass ich das bei dir ablade, aber ich bringe es nicht über mich, deine Mutter damit zu belasten“, brachte er gepresst hervor. „Sie hat so viel durchmachen müssen in letzter Zeit, das hier würde ihr den Rest geben …“

„Sag endlich, was los ist“, drängte Jess und setzte sich ihm gegenüber. Sicher übertrieb er, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er irgendetwas Falsches tun könnte. Er war ein grundehrlicher und bescheidener Mann, von allen gemocht und respektiert. „Was hast du denn angestellt?“

Robert Martin schüttelte das graue Haupt. „Ich habe mir Geld geliehen – viel Geld – und dann auch noch von den verkehrten Leuten …“

„Du hast Schulden gemacht?“ Ungläubig sah Jess ihn an.

„Das war nur der Anfang.“ Der ältere Mann seufzte schwer. „Erinnerst du dich noch an den Urlaub, den ich mit deiner Mutter nach ihrer Behandlung gemacht habe?“

Jess nickte. Robert hatte ihre Mutter zu einer Kreuzfahrt eingeladen – eine Reise, die so bescheiden lebende Menschen wie Jess’ Eltern sich eigentlich nie hätten leisten können. „Ich war damals überrascht, aber du sagtest ja, dass du deine Ersparnisse dafür aufgelöst hast …“

„Ich habe gelogen.“ Wieder schüttelte Robert den Kopf. „Es gab nie Ersparnisse. Ich habe mir das Geld geliehen – vom Bruder deiner Mutter, Sam Welch.“ Er konnte mitverfolgen, wie besorgt die Miene seiner Tochter wurde.

„Der Mann ist ein Kredithai, das weißt du! Mums ganze Familie ist eine dubiose Bande. Du selbst warnst doch ständig davor, sich mit ihnen einzulassen“, stieß Jess herzhaft aus. „Bei allem, was du von Sam weißt, wie konntest du dir da bei ihm Geld leihen?“

„Die Bank hatte einen Kredit abgelehnt, dein Onkel Sam blieb als einzige Möglichkeit. Weil er Mitleid mit deiner Mutter hatte, wollte er auch auf die Rückzahlung warten. Er war wirklich nett und hörte sich sehr verständnisvoll an. Jetzt aber haben seine Söhne das Geschäft übernommen, und Jason und Mark gehen ganz anders mit Leuten um, die ihnen Geld schulden.“

Jess stöhnte laut auf, während sie schon darüber nachdachte, ob sie irgendwie helfen konnte. Doch sie selbst hatte auch nichts gespart, und jetzt fühlte sie sich deshalb schrecklich schuldig. Sie verdiente mehr als ihre Eltern und mehr als ihre beiden Brüder, und dennoch konnte sie nicht helfen. Aber vielleicht konnte sie ja einen Kredit aufnehmen …

„Die ursprüngliche Summe ist durch Zins und Zinseszins immer weiter angewachsen“, fuhr Robert auch schon fort. „Jason und Mark saßen mir ständig im Nacken. Sie verfolgten mich zur Arbeit, riefen mitten in der Nacht an und erinnerten mich ständig daran, wie viel ich ihnen schulde. Es war der pure Albtraum, die ganze schreckliche Sache vor deiner Mutter geheim zu halten. Die beiden haben mich völlig aufgerieben, ich wollte sie nur noch loswerden. Und als sie mir dann einen Deal vorschlugen …“

„Einen Deal?“, fiel Jess ihm ins Wort. „Was für einen Deal?“

„Sie sagten, wenn ich ihnen helfe, sei die Sache erledigt, und ich Narr, der ich bin, habe mitgemacht.“

Die Angst und die Reue im Gesicht ihres Vaters ließen Übelkeit in Jess aufwallen. „Wobei hast du ihnen geholfen?“, wollte sie matt wissen.

„Sie sagten, sie wollten Fotos von der Einrichtung in Halston Hall machen, um sie dann an eines von diesen Hochglanzmagazinen zu verkaufen … du weißt schon, eine von den Zeitschriften über die Schönen und Reichen, die deine Mutter so gern liest.“ Seine Worte begleitete er mit einer Geste eines Mannes, der sich noch nie für so etwas interessiert hatte. „Jason hat doch immer damit geprahlt, was für ein guter Fotograf er sei, und Mark meinte, solche Fotos wären ein kleines Vermögen wert. Ich dachte mir nichts Böses dabei.“

„Nichts Böses?“, wiederholte Jess fassungslos. „Du lässt wildfremde Leute in das Haus deines Arbeitgebers ein und denkst dir nichts dabei?“

„Mir war schon klar, dass es Mr di Silvestri nicht gefallen würde. Ich weiß, wie viel Wert er auf seine Privatsphäre legt“, gestand er betroffen. „Aber dann dachte ich auch – dummerweise –, dass niemand herausfinden würde, dass ich die beiden eingelassen habe … oder wer überhaupt im Haus war.“

Langsam fügte sich alles zu einem Bild und Jess sprang vom Stuhl auf. „Großer Gott! Das Gemälde, das aus Halston Hall gestohlen wurde! Bist du etwa in den Diebstahl verwickelt?“, verlangte sie schrill zu wissen.

„Ich habe Jason und Mark meine Schlüsselkarte überlassen und ihnen den Sicherheitscode gegeben.“ Flehend schaute Robert sie an. „Ich glaubte wirklich, sie würden nur Fotos machen, ich ahnte doch nicht, dass sie etwas stehlen wollten, ehrlich nicht. Doch inzwischen bin ich überzeugt, dass das alles von vornherein geplant war und ich Trottel ihnen auf den Leim gegangen bin.“

„Du musst sofort zur Polizei gehen und alles, was du weißt, zu Protokoll geben“, riet Jess sofort.

„Das ist gar nicht nötig … die Polizei wird nämlich schon sehr bald bei mir auftauchen“, erwiderte Robert tonlos. „Gestern Abend erst habe ich herausgefunden, dass Mr di Silvestri ein sehr ausgeklügeltes Sicherheitssystem hat einbauen lassen. Jeder, der für ihn arbeitet, hat einen persönlichen Sicherheitscode. Das heißt, sobald der bestellte IT-Experte sich daran setzt, sieht er sofort, dass es meine Karte war, die benutzt wurde, um den Alarm abzustellen.“

Jess überkam ein Schauder. Sie war entsetzt. Ganz offensichtlich hatten ihre Cousins Robert absichtlich bedrängt, um so Zugang zu dem Herrenhaus zu erhalten. Und der ältere Mann war zu naiv und gutgläubig und hatte ihnen tatsächlich abgenommen, dass sie nur Fotos machen wollten.

„Haben Jason und Mark Welch das Gemälde gestohlen?“

„Ich weiß nicht, was in dieser Nacht passiert ist. Ich habe ihnen nur den Code und die Karte überlassen, die am nächsten Morgen wieder im Briefkasten lag“, gab er bedrückt zu. „Irgendwann in der nächsten Woche warnten mich die beiden, ich solle bloß den Mund halten, und als ich sie dann auf den Einbruch ansprach, beharrten sie darauf, nichts damit zu tun zu haben. Sie wollen auch ein Alibi für den besagten Abend haben. Ehrlich gesagt, als internationale Kunstdiebe sehe ich die beiden nicht unbedingt. Aber vielleicht haben sie Code und Karte ja an jemand anders weitergegeben … Ich weiß es nicht.“

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen dachte Jess an Cesario di Silvestri, den italienischen Tycoon, aus dessen Haus ein wertvolles Gemälde gestohlen worden war. Letztendlich würde ihr Vater für den Diebstahl zur Verantwortung gezogen werden. Di Silvestri war kein Mann, der so etwas ungeahndet lassen würde, er war nicht der Mann, der vergab und vergaß. Wer würde überhaupt die Version ihres Vaters glauben? Dass Robert Martin seit über vierzig Jahren auf dem Halston-Anwesen arbeitete, würde kaum Gewicht haben, genauso wenig wie die Tatsache, dass er keine Vorstrafen hatte und einen guten Ruf genoss. Am Ende würde er als Verbrecher dastehen.

Als ihr Vater sie beim Abschied drängte, ihrer Mutter gegenüber kein Sterbenswörtchen verlauten zu lassen, runzelte Jess besorgt die Stirn. „Du musst Mum davon erzählen, so schnell wie möglich“, widersprach sie. „Stell dir nur vor, wie groß ihr Schock sein wird, wenn plötzlich die Polizei vor der Haustür steht und sie von nichts weiß.“

„Der Stress könnte sie wieder erkranken lassen“, gab Robert zu bedenken.

„Das kann niemand mit Sicherheit sagen, und so oder so gibt es keine Garantien, das hat uns der Arzt doch schon gesagt. Wir können nur auf das Beste hoffen.“

„Ich hab sie im Stich gelassen.“ Tränen schimmerten in Roberts dunklen Augen. „Das hat sie nicht verdient.“

Jess schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Die Zukunft sah tatsächlich düster aus. Ob sie bei Cesario di Silvestri für ihren Vater vorsprechen sollte? Wenn sie allerdings an die eigene unbehagliche Beziehung zu dem Mann dachte, schien ihr das keine besonders gute Idee zu sein. Ein Mal war sie mit ihm ausgegangen – er hatte sie zum Dinner eingeladen. Ihrer Ansicht nach hatte sie keine andere Wahl gehabt, als die Einladung zu akzeptieren, schließlich war er der Arbeitgeber ihres Vaters und der wichtigste Kunde der Tierarztpraxis.

Noch immer begannen ihre Wangen zu brennen, wenn sie an jenen katastrophalen Abend zurückdachte. Alles, was schiefgehen konnte, war auch schiefgegangen. Heute hasste sie es geradezu, in die Ställe auf dem Anwesen zu kommen, wenn sie wusste, dass Cesario di Silvestri sich auf Halston Hall aufhielt. Sobald sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich schrecklich verlegen, und selbst ihre berufliche Selbstsicherheit setzte dann zu einem rasanten Sturzflug an.

Nicht, dass er unhöflich zu ihr gewesen wäre, im Gegenteil. Sie hatte nie jemanden mit derart perfekten Manieren getroffen. Und sie konnte ihm auch nicht vorwerfen, dass er sie belästigt hätte. Seit jenem Abend hatte er sie nicht wieder eingeladen. Aber immer lag ein Funkeln in seinem Blick, wenn er ihr begegnete, so als würde er sich königlich über sie amüsieren.

Bis heute verstand sie nicht, weshalb er sie überhaupt eingeladen hatte. Sie entsprach so gar nicht den schillernden Partygirls und glamourösen Schönheiten, mit denen er sich normalerweise umgab. Der italienische Milliardär war berüchtigt für seinen Erfolg beim weiblichen Geschlecht. Und Jess kannte alle Gerüchte, schließlich wohnte Dot Smithers, seine ehemalige Haushälterin, gleich neben ihren Eltern. Dot hatte von wilden Partys und schönen Mädchen erzählt, die extra zum Amüsement reicher männlicher Gäste eingeflogen wurden. Vieles von diesem Klatsch hatte der Skandalpresse auf Jahre hin Futter für die anrüchigsten Geschichten geliefert. Jess selbst hatte Cesario di Silvestri häufiger mit mehr als nur einer Frau im Arm gesehen, und für sie bestand kein Grund zu zweifeln, dass diese Damen ihm auch gemeinsam das Bett wärmten.

Schon allein aufgrund dieser Informationen wollte Jess auch nie wieder eine Einladung von Cesario erhalten. Aber selbst wenn da nicht all diese Geschichten um seinen anrüchigen Lebensstil kursieren würden … Jess war sich bewusst, dass sie nicht zu seiner Liga gehörte. Ihrer Meinung nach sollten Menschen die Grenzen, die sie trennten, akzeptieren. Ihre Mutter hatte einen hohen Preis bezahlt, weil sie als Teenager diese Grenzen nicht beachtet hatte.

Ihre Theorie von den zwischenmenschlichen Grenzen war durch das katastrophale Dinner erhärtet worden. Cesario hatte sie damals in ein kleines exklusives Restaurant geführt. Sie war sich völlig fehl am Platze vorgekommen unter den eleganten und glamourösen Gästen, vor allem im Vergleich zu den anwesenden Frauen. Cesario hatte ihr sogar die pompöse fremdsprachige Speisekarte erklären müssen. Und noch heute erinnerte sie sich daran, dass sie ihr Dessert mit dem Löffel gegessen hatte, während Cesario eine kleine Gabel benutzte.

Die Krönung des Abends war jedoch sein Angebot gewesen, die Nacht mit ihm zu verbringen, und das nach nur einem Kuss. Cesario di Silvestri arbeitete offenbar mit Lichtgeschwindigkeit, sobald es um Frauen ging. Allerdings hatte seine Offerte nur ihren Stolz verletzt und ihr Selbstbild angekratzt. Wirkte sie wirklich wie eine Frau, die so billig und so leicht zu haben war, dass sie mit einem Mann ins Bett fiel, den sie kaum kannte?

Zugegeben, es war ein absolut fantastischer Kuss gewesen. Doch diese berauschende Sinnlichkeit und Cesarios augenscheinlich durch Übung erreichte Kunstfertigkeit hatten Jess umso entschlossener gemacht, eine solch gefährliche Episode nicht zu wiederholen. Sie besaß viel zu viel Selbstachtung und gesunden Menschenverstand, um sich auf eine Affäre mit einem verboten reichen Frauenheld einzulassen.

Nach einer traumatischen Erfahrung während ihrer Universitätszeit hatte Jess sich so oder so von Männern ferngehalten. Sie zog einen unkomplizierten, ruhigen Lebensstil vor. Der einzige Nachteil, den sie bedauerte, war, dass sie vielleicht nie ein eigenes Baby haben würde, obwohl sie sich immer gewünscht hatte, Mutter zu werden. Jetzt, nur wenige Wochen vor ihrem einunddreißigsten Geburtstag, verstärkte sich der Verdacht in ihr, dass sie vielleicht nie ein Kind haben würde. Sie war sich durchaus klar darüber, dass sie vermutlich deshalb ihre Zuneigung so großzügig an all die Tiere verschenkte. Sie hatte sogar schon darüber nachgedacht, ob sie nicht ein Kind allein aufziehen sollte, doch erstens arbeitete sie zu den unmöglichsten Zeiten, und zweitens war es immer besser, wenn ein Kind auch eine Vaterfigur in seinem Leben hatte.

In dieser Nacht schlief Jess nur unruhig. Sie sorgte sich um ihren Vater. Dass ihre Mutter Sharon nicht angerufen hatte, war der Beweis – Robert hatte nicht den Mut gefunden, ihr von der Sache zu erzählen. Schon jetzt blutete Jess das Herz, wenn sie sich vorstellte, wie schockiert ihre Mutter sein würde, wenn sie die volle Wahrheit erfuhr. Jess machte sich keine Hoffnung, dass sie mit einem persönlichen Vorsprechen bei Cesario di Silvestri etwas erreichen würde. Andererseits … selbst wenn es nur die kleinste Chance gab … Sie war es ihrer Familie schuldig, es zumindest zu versuchen. Und mit dem Wissen um Cesarios gestrige Ankunft war ihr auch bewusst, dass sie sich so bald wie möglich an ihn wenden musste.

Am Dienstag hatte sie einen Termin auf dem Halston-Gestüt, um sich die Zuchtstuten anzusehen. Bei dieser Gelegenheit würde sie auch an Cesario herantreten.

Jess nahm die Hälfte ihrer reiseerfahrenen Hunde mit. Sie teilte die kleine Meute regelmäßig und nahm immer die eine oder andere Gruppe mit zu ihren Außenterminen. Heute begleiteten sie Johnson, ein Collie, der nach einem Unfall mit einem Traktor nur noch drei Beine und ein Auge hatte, Dozy, ein Windhund, der an Narkolepsie litt, also bei jeder Gelegenheit unvermittelt einschlief, und Hugs, ein riesiger Wolfshund, der vor Nervosität zu zittern begann, sobald er Jess aus seinem Sichtfeld verlor.

Cesario wusste, dass Jessica Martin sich auf seinem Land befand, als er die drei zerzausten Hunde auf dem Weg zu den Ställen erblickte. Er musste lächeln – eine kläglicher aussehende Truppe würde wohl schwer zu finden sein. Der Wolfshund tapste jaulend im Kreis wie ein weinendes Kleinkind, der Windhund war mitten in einer Pfütze eingeschlafen, und der Collie drückte sich ängstlich gegen eine Stallwand, sobald irgendwo auch nur das leiseste Motorengeräusch erklang. Und Cesario fragte sich, wieso Jessica sich Tiere aufhalste, die niemand mehr haben wollte.

Perkins, der Stallmeister, kam auf Cesario zu, doch dessen Blick ging an dem Mann vorbei und hin zu der zierlichen Frauengestalt, die gerade eine Spritze mit Impfstoff aufzog. Jessica Martins klassisch schöne Züge im Profil erinnerten Cesario immer an die Madonnenbildnisse der Renaissance. Die Frau war gesegnet mit einer Haut so rein und samten wie Milch und Sahne, ihre Züge waren fein und dennoch extrem ausdrucksstark, und der herzförmige Mund mit den vollen roten Lippen regte die Fantasie eines jeden Mannes an, der auch nur einen Tropfen Blut in sich hatte. Das Bild vervollständigten hellgraue Augen, die, je nachdem, wie das Licht auf sie traf, wie Silber blitzten, und eine glorreiche Mähne aus langen dunklen Locken. Weder trug Jess Make-up noch feminine Kleidung, und dennoch bot sie eine atemberaubende Erscheinung.

In den verwaschenen Cordhosen, den schweren Gummistiefeln und einer Regenjacke, die schon seit Jahren ausrangiert gehörte, stellte Jessica Martin die Antithese zu allem dar, was Cesario normalerweise an Frauen gefiel. Er zog gewandte, elegante und makellos gepflegte Frauen vor. Doch jedes Mal, wenn er Jessica Martin begegnete, musste er sich an diese Tatsache erinnern und fragte sich dann, weshalb ausgerechnet diese Frau eine solche Wirkung auf ihn haben sollte. Weil sie ihn mit ihrem Nein zu einer kalten Dusche verurteilt hatte? Auch wenn sie es sicher vehement bestreiten würde … die Anziehung beruhte auf Gegenseitigkeit. Das wusste er, seit sie sich so angestrengt bemüht hatte, seinem Blick im Restaurant auszuweichen. Und weil sie seither alles tat, um ihn auf Abstand zu halten. Entweder, irgendeinem Mann war es gelungen, ihr das andere Geschlecht zu vergällen, oder aber die Frau hatte ein Problem mit Intimität an sich.

Leider wirkten seine Bedenken nicht im Geringsten ernüchternd auf ihn. Wenn er sie sich ohne die Kleidung vorstellte, dann war sie die verkörperte Perfektion. Bei dem Bild meldete sich auch prompt das vertraute Ziehen in den Lenden. Cesario verwünschte sich für diese Schwäche. Per l’amor di Dio!

In Sekundenbruchteilen wandelte sich seine Stimmung von genießerischer Bewunderung zu Frustration. Er hatte noch nie viel davon gehalten, nur zu gucken, ohne zu berühren. Sie ist nicht dein Typ, rief er sich harsch zur Ordnung. Er brauchte sich ja nur an dieses Dinner zu erinnern, zu dem sie in einem viel zu weiten schwarzen Kleid aufgetaucht war und dann kaum geredet hatte. Und er brauchte sie ja auch jetzt nur anzusehen – sie gab vor, ihn nicht bemerkt zu haben, und versuchte alles, um seine Anwesenheit so lange wie nur möglich zu ignorieren!

Die plötzliche Hektik im Stall war Warnung genug: Cesario di Silvestris Kommen kündigte sich an. Das blieb auch Jess nicht verborgen. Und das sonore Brummen des Ferraris konnte niemand überhören. Andere hätten sicher einen Geländewagen für die holprigen Feldwege auf dem Anwesen gewählt, Cesario jedoch fuhr grundsätzlich mit seinem teuren Sportwagen.

Langsam drehte Jess den Kopf und blickte zu ihm. Er stand mit Donald Perkins im Gespräch, und für einen kurzen Moment erlaubte sie es sich, ihn genauer zu betrachten.

Cesario sah so umwerfend gut aus, dass sie selbst nach zwei Jahren noch immer von einer seltsamen Faszination befallen wurde. Abgesehen von einer winzigen Narbe an seiner Schläfe war er die verkörperte Perfektion – der winzige Makel jedoch erinnerte Jess an die eigenen Narben und ließ sie leicht schaudern. Über einen Meter neunzig groß und athletisch gebaut, machte Cesario selbst in lässiger Kleidung den Eindruck, als wäre er soeben einem Magazin für Männermode entstiegen. Das schwarze Haar trug er kurz geschnitten, und sein gebräuntes Gesicht mit der klassisch-schmalen Nase, den stolzen hohen Wangenknochen und dem sinnlichen Mund hatte die Wirkung, dass man, sobald man ihn ansah, den Blick gleich wieder abwenden wollte – so als wäre man bei etwas Verbotenem erwischt worden.

Jess widmete sich wieder ihrer Aufgabe und überlegte sich gehetzt, wie sie die Sache mit ihrem Vater aufbringen sollte. Robert war noch immer auf freiem Fuß, das musste wohl heißen, dass noch niemand auf seine Rolle in dem Diebstahl gestoßen war.

„Jessica …“ Cesario weigerte sich, weiterhin ignoriert zu werden.

Mit roten Wangen drehte Jess sich zu ihm um. Er war der Einzige, der sie mit ihrem vollen Namen ansprach. „Mr di Silvestri …“

Er musste zugeben, dass er beeindruckt war. Sie sprach seinen Namen richtig aus, ohne über die Silben zu stolpern – und weigerte sich dabei noch immer, seiner Bitte nachzukommen, ihn beim Vornamen zu nennen. Dann fragte Perkins sie um Rat wegen eines Hengstes mit einer Bänderverletzung, gegen die bisher weder kalte Umschläge noch Verbände gewirkt hatten, und Jess begleitete Perkins in den Stall. Soldier war ein wertvolles Tier, der Stallmeister hätte sich eher an den Tierarzt wenden sollen, doch vor seinem Arbeitgeber wollte Jess den Mann nicht kritisieren.

„Jessica hätte noch am gleichen Tag gerufen werden müssen, als das Tier sich verletzte.“ Cesario hatte die Situation sofort erkannt.

Jess gab dem Tier eine entzündungshemmende Spritze und ging dann langsam wieder zum Tor. Und ein einziges Mal hätte sie einen Versuch vonseiten Cesarios, ein Gespräch anzufangen, begrüßt, doch er machte keinerlei Anstalten, sie aufzuhalten. Beim Stallausgang angekommen, wappnete sie sich und drehte sich mit steifen Schultern zu ihm um.

„Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen, Cesario …“ Ihre Stimme klang rau und leicht abgehackt.

Überraschung stand in seinem Blick zu lesen. Da hatte sie doch seinen Vornamen benutzt! Er konnte sich beim besten Willen nicht denken, was sie von ihm wollte, aber er konnte mitverfolgen, wie sie unter seiner Musterung rot anlief.

„Sicher. Ich komme gleich zu Ihnen“, erwiderte er mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue.

Und kein Augenblick in Jess’ Leben hatte sich je länger gezogen als dieser, in dem sie, umgeben von ihren Hunden, im Hof auf Cesario wartete. Am schlimmsten war jedoch, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, was sie zu ihm sagen sollte …

2. KAPITEL

„Vielleicht lässt sich dieses Gespräch ja heute Abend bei einem gemeinsamen Dinner führen“, schlug Cesario sehr zufrieden vor, als er wenig später aus dem Stall trat.

Dass er wirklich annahm, sie würde nur einen Vorwand suchen, um ein weiteres Mal mit ihm auszugehen, ärgerte Jess maßlos. Mit silbern blitzenden Augen drehte sie sich zu ihm um. „Nein, ich denke eher nicht. Das wäre absolut unpassend, da es sich um etwas dreht, das mit meiner Familie zu tun hat.“

„Mit Ihrer Familie?“

Die fragend hochgezogenen Brauen und der wache Blick machten sein Gesicht so attraktiv, dass Jess für einen Moment tatsächlich Mühe hatte, sich zu konzentrieren. Ein Prickeln durchlief sie, ihre Brustspitzen richteten sich auf; so, als erwarte sie etwas Bedrohliches. Es war eine unwillkürliche Reaktion ihres Körpers, die Jess bereits in Cesarios Nähe erfahren hatte und die sie verabscheute. Natürlich, er sah fantastisch aus, und keine Frau mit einem gesunden Hormonhaushalt würde sich dieser maskulinen Ausstrahlung entziehen können. Da funktionierte eine Chemie, die Mutter Natur wohl zum eigenen königlichen Amüsement geschaffen hatte!

Ihre Haltung war dahin, ihre Wangen brannten. Jess warf einen vielsagenden Blick zu den Stallhelfern. „Ich würde die Angelegenheit lieber nicht hier besprechen.“

Cesario sah den pochenden Puls an ihrem schlanken Hals, sah die angespannten Züge in ihrem Gesicht und wurde erst richtig neugierig. Weshalb war sie so nervös? Begierig ließ er seinen Blick über ihre feinen Gesichtszüge und ihren verhüllten Körper wandern. Was gäbe er darum, sie jetzt nackt zu sehen, über ihre zarte Haut zu streichen und ihren nur allzu willigen Körper zu liebkosen.

„Dann folgen Sie mir am besten zurück zum Haus.“ Er schüttelte den seltsamen sinnlichen Zauber ab und ließ sich hinter das Steuer seines Ferraris gleiten.

Im Rückspiegel beobachtete er, wie Jess den schlafenden Windhund aus der Pfütze hob, ohne darauf zu achten, was das mit ihrer Kleidung anstellte. Während sie den Hund behutsam auf den Rücksitz ihres alten Landrovers legte, stürmten die anderen beiden Hunde auf sie zu, als hätten sie sie wochenlang nicht gesehen – dabei war nicht einmal eine Stunde vergangen. Cesario war bekannt, dass Jess alle herrenlosen Tiere aus der Gegend bei sich aufnahm, und er bewunderte sie für ihren Großmut und ihr Mitgefühl. Ihre Gleichgültigkeit gegenüber ihrer äußeren Erscheinung jedoch konnte er nicht gutheißen. Sie war schön, aber sie benahm sich nicht so, und das wiederum verwirrte einen Mann, der daran gewöhnt war, dass Frauen generell oberflächlich und durchschaubar waren. Irgendwann war Jessica Martin etwas zugestoßen, das verhindert hatte, dass sich bei ihr die Selbstverliebtheit und die anspruchsvolle Erwartungshaltung der typischen Schönheit entwickelten. Da war sich Cesario sicher.

Jess parkte ihren Landrover neben dem Ferrari vor der beeindruckenden elisabethanischen Villa. Das altehrwürdige Halston Hall mit seinen alten Ziegelsteinmauern und den bauchigen Bleiglasfenstern, in denen sich die Sonne brach, strahlte einen bezaubernden Charme aus. Dot Smithers hatte Jess und ihre Mutter zwar einmal zu einem erinnerungswürdigen Kaffee in die Küche eingeladen, aber das Haupthaus hatte Jess noch nie betreten. Generationen von Dunn-Montgomerys hatten in Halston Hall gelebt und zahlreiche männliche Erben hatten hohe Posten in der Regierung besetzt, aber für Tage der offenen Tür waren sie nie zu haben gewesen. Liquiditätsprobleme hatten dann vor sechs Jahren gezwungenermaßen zum Verkauf des Anwesens geführt. Zur großen Erleichterung des Personals, das um die Arbeitsplätze fürchtete, hatte Cesario di Silvestri den Besitz mitsamt Personal übernommen, das Haus renovieren lassen, das Ackerland mit modernen Methoden wieder ertragreich gemacht und ein erfolgreiches Gestüt aufgezogen.

Nach Dots Pensionierung hatte Tommaso, ein rundlicher Italiener, ihre Stelle übernommen, der Jess jetzt mit überschwänglichen Gesten ins Haus bat. Trotz aller Nervosität gelang es Jess, ihre Neugier zu zügeln und sich nicht mit vor Staunen offenem Mund in der prächtigen Eingangshalle umzusehen. Sie wurde in ein modernes Büro geführt, in dem die neueste Technik mit holzvertäfelten Wänden und dem pittoresken Blick auf von Buchsbaum eingegrenzte Blumenrabatten kontrastierte.

„Sie sagten, es gehe um Ihre Familie?“ Die leichte Ungeduld in Cesarios Stimme war nicht zu überhören, obwohl er, mit einer Hüfte an den Schreibtisch gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, das Bild der verkörperten Lässigkeit bot.

„Ja. Sie leben im Dorf als Ihre Pächter, mein Vater und meine Brüder arbeiten für Sie hier auf dem Anwesen.“

„Das weiß ich“, erwiderte er mit einem schmalen Lächeln. „Mein Verwalter teilte mir dies bereits mit, als wir uns das erste Mal trafen.“

Jess hob leicht das Kinn an. Falls ihm diese Information zugeleitet worden war, um zu betonen, dass Jess aus einfachen Arbeiterverhältnissen stammte und nicht etwa zum Landadel gehörte, so hatte ihn diese Information scheinbar nicht davon abgehalten, sie dennoch zum Dinner einzuladen.

Sie holte tief Luft. „Ich habe Ihnen etwas zu sagen … im Zusammenhang mit dem Diebstahl hier …“

Cesario runzelte die Stirn und lehnte sich vor. Alle Lässigkeit fiel von einer Sekunde zur nächsten von ihm ab. „Mein gestohlenes Gemälde?“

Jess wurde blass. „Ich fürchte, ja.“

„Wenn Sie Informationen haben, warum sind Sie dann nicht damit zur Polizei gegangen?“

Jess’ Anspannung wuchs, ihr war plötzlich viel zu warm, und sie schüttelte sich die schwere Jacke von den Schultern und legte sie auf den Stuhl neben sich. „Weil mein Vater involviert ist und ich zuerst mit Ihnen reden wollte.“

Cesario begriff schnell. Es kostete ja auch keine große Mühe, zwei und zwei zusammenzuzählen. Als Handwerksmeister des Anwesens hatte Robert Martin sich das Recht erarbeitet, das Haus zu jeder Tages- und Nachtzeit zu betreten, um die Anlagen zu überprüfen und notwendige Reparaturen auszuführen. „Falls Ihr Vater den Dieben geholfen haben sollte, suchen Sie bei mir an der falschen Stelle nach Verständnis.“

„Lassen Sie mich Ihnen doch erklären, bitte … Ich selbst habe erst gestern von der ganzen Sache erfahren. Letztes Jahr wurde bei meiner Mutter Brustkrebs diagnostiziert, es war eine sehr schwere Zeit für unsere Familie“, setzte Jess leise an.

„Während mein Mitgefühl jedem gilt, der in die Situation Ihrer Mutter kommt, kann ich dennoch nicht sehen, was das mit mir oder dem gestohlenen Gemälde zu tun haben sollte“, gab er kühl zurück.

„Wenn Sie mir zuhören, dann werden Sie versteh…“

„Nein, ich glaube viel eher, dass ich die Polizei rufen werde, damit sie die Fragen stellt. Das ist schließlich ihr Job, nicht meiner“, fiel er ihr ins Wort. Mit düsterer Miene richtete er sich auf und griff nach dem Telefon.

„Bitte, rufen Sie sie noch nicht!“ Mit vor Schrecken geweiteten Augen stürzte Jess abrupt vor, so als wollte sie mit ihrem grazilen Körper seinen Zugriff auf das Telefon verhindern. „Bitte, geben Sie mir die Chance, zu erklären …“

„Dann erklären Sie“, erwiderte er knapp. Zwar ließ er das Telefon unberührt, aber seine Augen blitzten vor Ärger und Misstrauen. Auf einer primitiv männlichen Ebene jedoch schmeichelte ihr Flehen seinem Ego. Der Wind kam jetzt aus einer ganz anderen Richtung, und das befriedigte ihn. Nein, jetzt zeigte sie ihm keineswegs mehr hochmütig die kalte Schulter!

„Dad hat sich solche Sorgen um Mum gemacht. Er wollte, dass sie sich nach der Krebsbehandlung erholte und ist mit ihr in Urlaub gefahren, doch das Geld dafür musste er sich leihen … Er hat es sich von meinem Onkel geborgt, zu einem horrenden Zins.“ Jess stolperte regelrecht über ihre Worte, hastig bemüht, die ganze Geschichte zu erzählen – von dem Druck, den ihre Cousins dann auf ihren Vater ausgeübt hatten, und von dem zwielichtigen Angebot.

„Sie reden hier über Ihre Familie“, rief Cesario ihr in Erinnerung. Es erstaunte ihn, dass sie so bereitwillig und offen über ihre mehr als fragwürdigen Verwandten sprach. Und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass sie, trotz ihrer akademischen Ausbildung, von der falschen Seite der Straße stammte.

„Der Bruder meiner Mutter hat immer wieder Zeit im Gefängnis abgesessen. Ihm war gleich, auf welche Art er sein Geld verdiente. Doch seine beiden Söhne hatten eigentlich nie wirklichen Ärger mit der Polizei.“ Vor Scham brannten ihre Wangen feuerrot. „Mein Vater glaubte, was sie zu ihm sagten – dass sie nur Fotos machen wollten, um diese dann verkaufen zu können.“

Cesario warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Dieses Haus ist voller wertvoller Antiquitäten und unbezahlbarer Kunstwerke. Erwarten Sie wirklich von mir, dass ich Ihnen das abnehme? Dass ein Mann so dumm sein kann?“

„Mein Vater ist nicht dumm, er wollte einfach nur diese Schulden loswerden und Mum beschützen. Er wollte es ihr ersparen, herauszufinden, wie naiv er gewesen war. Ich glaube, weiter hat er gar nicht gedacht. Ich suche nicht nach Entschuldigungen für ihn. Das, was er getan hat, ist schrecklich falsch. Als langjähriger Angestellter hatte er Zugang zum Haus, weil ihm vertraut wurde, und dieses Vertrauen hat er missbraucht. Aber ich bin überzeugt, dass meine Cousins es ganz bewusst auf ihn abgesehen hatten.“

Cesario studierte sie mit grimmig zusammengepressten Lippen. „Für mich ist das alles unerheblich, mir geht es nur um mein Gemälde. Solange Sie keine Informationen haben, wie ich es zurückbekommen kann …“

„Ich fürchte, dazu kann ich nichts sagen, und mein Vater weiß auch nichts darüber. Er hat an jenem Abend nur seine Schlüsselkarte und den Code für die Alarmanlage übergeben.“

„Damit hat er sich zum Komplizen der Diebe gemacht und ist ebenso schuldig“, warf ihr Cesario ohne Zögern vor.

„Er ahnte doch nicht, dass etwas gestohlen werden würde! Mein Vater ist ein ehrlicher Mann und kein Dieb.“

„Ein ehrlicher Mann hätte Männern, wie Sie sie beschrieben haben, niemals den Zutritt zu meinem Haus ermöglicht“, tat er verächtlich ab. „Wieso kommen Sie damit zu mir? Was erhoffen Sie sich davon?“

„Ich hatte gehofft, Ihnen verständlich zu machen, dass mein Vater niemals daran gedacht hat, dass hier ein Verbrechen begangen werden könnte.“

Cesario verzog spöttisch die Lippen. „Und dafür habe ich nur Ihr Wort, nicht wahr? Hier wurde ein Diebstahl begangen, der nie passiert wäre, hätte Ihr Vater sich der Verantwortung, die ihm übertragen wurde, als würdig erwiesen.“

„Bitte, so glauben Sie mir doch“, flehte sie drängend. „Mein Vater ist kein schlechter Mann, auch nicht unehrlich. Er ist verzweifelt über den Verlust, den seine Unbesonnenheit Sie gekostet hat.“

„‚Unbesonnenheit‘ ist nur eine unzureichende Beschreibung für das, was ich als beispiellosen Vertrauensbruch ansehe. Ich wiederhole meine Frage: Was erhoffen Sie sich von diesem Gespräch?“

Bedrückt sah Jess in sein Gesicht. „Ich wollte sicherstellen, dass Sie alle Fakten kennen.“

Cesario lachte zynisch auf. „Und jetzt erwarten Sie, dass ich Ihrem Vater vergebe, nur weil ich Sie attraktiv finde?“

Blut schoss in ihre Wangen und brannte wie eine heiße Flamme unter ihrer Haut. Er konnte doch jede haben! Dass ein Mann wie er sie attraktiv finden könnte, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. „Nein, natürlich nicht …“

Er verzog abfällig die Lippen. „Spielen Sie keine Spielchen mit mir. Selbst wenn Ihre grazile Figur mich äußerst reizt, so wiederum doch nicht so sehr, dass ich deswegen ein Gemälde von über einer halben Million Pfund abschreibe. Als Wiedergutmachung müssten Sie mir schon wesentlich mehr anbieten.“

Schockiert schnappte Jess nach Luft. „Was für ein Mann sind Sie nur? Ich hatte nicht vor, Ihnen Sex anzubieten! Niemals!“

„Das ist gut“, gab er kühl zurück. „Denn im Gegensatz zu dem Bild, das die Klatschpresse von mir zeichnet, zahle ich nicht für sexuelle Gefälligkeiten, im Gegenteil. Ich meide Frauen, an deren Körper ein Preisschild hängt.“

Mit seiner kühlen Gelassenheit verspottete er sie nur noch. „Ich wollte Ihnen nie Sex anbieten“, bekräftigte Jess murmelnd.

Unbeeindruckt zog er eine Augenbraue in die Höhe. „Ich soll also Ihrem Vater vergeben, einfach so? Sagen Sie, erscheint Ihnen das als fairer Deal in einer so gravierenden Angelegenheit?“

„Deal? Welcher Deal? Sie reden genau wie meine Cousins!“, warf Jess ihm erstickt vor. Empört griff sie nach ihrer Jacke und kämpfte sich mit ruckartigen Bewegungen in die Massen von schwerem Stoff. „Und nur zu Ihrer Information“, die wütende Entrüstung ließ ihre Worte abgehackt klingen, „ich steige nicht von einem Bett ins andere. Sex ist für mich weder eine Währung noch ein schneller Imbiss. Um genau zu sein …“

Erstaunlicherweise erheiterte ihn ihr jähes Aufbrausen. Aber woher hätte er auch wissen sollen, dass sie so empfindlich war? Er musste sich bemühen, diese unerwartete Leidenschaft in ihr nicht in ein Bild umzusetzen, in dem er ihren wundervollen kurvigen Körper sich vor Ekstase winden sah. Denn das war eine Fantasie, die sicherlich nie real werden würde. „Ja? Ich bin ganz Ohr.“

„Ich bin Jungfrau!“ Jess erstarrte. Sie konnte nicht fassen, dass ihr diese Worte über die Lippen geschlüpft waren. „Nicht, dass es wichtig wäre, da ich Ihnen ja kein Sexangebot gemacht habe“, ruderte sie hastig wieder zurück. „Doch alles andere hätte ich Ihnen angeboten, damit Sie meinem Vater die Unüberlegtheit nachsehen.“

Cesario starrte sie entgeistert an. „Jungfrau? Unmöglich! Doch nicht in Ihrem Alter …!“

Jess stopfte die Hände in die Jackentaschen und hob trotzig ihr Kinn. „Ich schäme mich nicht dafür, warum auch? Ich habe einfach nur nicht den richtigen Mann dafür getroffen. Damit kann ich leben.“

Allerdings war Cesario sich keineswegs sicher, ob er mit diesem Wissen leben konnte. Immerhin bot das die Erklärung für ihre seltsame Verlegenheit in seiner Gegenwart. Er hatte natürlich angenommen, dass sie Erfahrung hatte, und hatte sich an dem einen gemeinsamen Abend auch dementsprechend verhalten … Das musste ihr viel zu forsch erschienen sein und hatte sie abgeschreckt. Oder sein Ruf als notorischer Frauenheld hatte das besorgt, wurde ihm plötzlich klar. Jessica Martin war noch unberührt, und obwohl er noch nie eine Jungfrau in seinem Bett gehabt hatte, wäre er doch gern derjenige, der Jessica in dieses für sie neue und in ihrem Leben fehlende Gebiet einführte. Allein bei der Vorstellung reagierte sein Körper, und mit einem unterdrückten Fluch legte er seiner überenthusiastischen Libido die Zügel an.

„Es muss doch etwas geben, das ich tun kann, um Ihre Meinung über meinen Vater zu ändern.“ Jess merkte, wie Panik Besitz von ihr ergriff. Sie konnte an Cesarios Miene sehen, dass er immer mehr auf Distanz ging. Er hatte sie gefragt, was sie sich von ihm erhoffte, und ehrlich gesagt, sie hatte nicht die geringste Ahnung. Er hatte nicht mit dem Verständnis reagiert, auf das sie gezählt hatte, als sie ihm vom Zustand ihrer Mutter erzählte, er hatte überhaupt keine Regung gezeigt. Genauso gut hätte sie vor eine Steinmauer rennen können!

Tränen waren aufgestiegen, ließen ihre Augen wie silberne Teiche schimmern. Cesario war nicht der Mann, der sich von Tränen beeinflussen ließ, aber mit dieser weiblichen Schwäche hatte er bei ihr nicht gerechnet. Er hatte sie immer für zäh gehalten, schließlich arbeitete sie in einem Feld, das größtenteils von Männern besetzt war, und sie zeigte selbst vor seinen größten und ungestümsten Hengsten nicht das geringste Zeichen von Angst. Und doch hielt er bei diesen Tränen den schneidenden Kommentar zurück.

„Versprechen Sie mir, dass Sie über das, was ich Ihnen erzählt habe, in Ruhe nachdenken“, drängte sie ihn verzweifelt. „Mein Vater ist ein anständiger Mann. Er hat einen schrecklichen Fehler begangen. Ich will auch nicht schönreden, was er getan hat, aber bitte, ruinieren Sie deshalb nicht sein Leben.“

„Ich lasse Verbrecher nicht ungeahndet davonkommen. Ich gehöre eher in die ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘-Kategorie.“ Er fragte sich, weshalb sie so beharrlich blieb, wenn er ihr doch nicht die geringste Hoffnung machte. Schon allein wegen seines Rufs als hartgesottener Geschäftsmann müsste sie eigentlich davon ausgehen, dass er einen Galgen vor dem Haus aufstellen lassen würde.

„Bitte …“, flehte sie noch einmal, schon bei der Tür.

Bevor sie nach der Klinke greifen konnte, hielt Cesario aus reiner Gewohnheit galant die Tür für sie auf. An solch selbstverständliche Höflichkeit war Jess nicht gewöhnt. Ihre Brüder hätten sie eher zur Seite geschoben, um als Erste nach draußen zu kommen.

„Ich werde meine Meinung trotzdem nicht ändern. Aber ich informiere die Polizei erst morgen früh.“ Noch während er das zusicherte, fragte er sich, warum er das überhaupt tat.

Von der Halle aus sah er ihr nach, wie sie mit dem alten Geländewagen davonfuhr. Es muss doch etwas geben, das ich tun kann … alles andere hätte ich Ihnen angeboten … Und dann dachte er an das Eine, das er sich nicht kaufen konnte, und fragte sich, ob er jetzt verrückt geworden war, sie überhaupt in diesem Licht zu sehen. Blieb überhaupt genug Zeit, um dieses Ziel zu erreichen?

Er könnte sie haben und … Infierno, trotz der vielen Frauen, mit denen er ausgegangen war, um die Frustration zu mildern, begehrte er Jessica Martin noch immer! Mit ein bisschen Glück würde er von ihr erhalten, was er unbedingt haben wollte, und das zu fairen Konditionen. In einem Leben, das inzwischen von einer Bitterkeit überschattet wurde, die Cesario verabscheute, wäre eine Frau, die die Macht besaß, ihn nachts vor sexueller Frustration wach zu halten, vielleicht sogar die perfekte Lösung.

Der gesunde Menschenverstand sagte ihm auch, dass es nicht nur die Lust war, die ihn in diese Richtung denken ließ. Jessica Martin besaß Charaktereigenschaften, die er bewunderte und die sie eindeutig auf eine höhere Stufe stellten als all die anderen Frauen, die er kannte. Sie arbeitete hart und war loyal gegenüber ihrer Familie, so sehr, dass sie sogar den eigenen Stolz opferte. Sie kümmerte sich um Tiere, die andere Leute nicht mehr wollten, und sein Geld, das andere Angehörige ihres Geschlechts immer wie ein Magnet anzog, wirkte bei ihr überhaupt nicht. Nein, eine Goldgräberin war sie bestimmt nicht, im Gegenteil. Sie hatte starke Prinzipien, und das gefiel ihm an ihr. Ob ihr vielleicht genau diese Prinzipien im Weg stehen würden, um ihre Familie zu retten?

Ein kalkulierendes Lächeln zog auf Cesarios Lippen. Nun gut, er würde ihr also eine letzte Chance bieten …

Um neun Uhr abends hatte Jess Dienstschluss. Müde und bedrückt fuhr sie nach Hause, die Hunde schliefen hinten im Wagen. Den ganzen Nachmittag hatte sie damit gerechnet, ihre Mutter würde völlig aufgelöst anrufen, um ihr zu berichten, dass die Polizei ihren Vater festgenommen hätte. Cesario di Silvestri hatte zwar gesagt, er würde bis morgen früh warten, aber im Grunde wusste Jess, dass sie ihn um das Unmögliche gebeten hatte.

Selbst wenn er ihren Vater nicht anzeigen sollte … Jason und Mark würden sofort mit Schuldzuweisungen aufwarten, sobald man sie verhörte. Es bestand nur wenig Aussicht, das Gemälde zurückzubekommen, ohne nicht die gesamten Umstände offenzulegen. Und dann war da ja auch noch die Versicherung, die bestimmt darauf bestehen würde, dass alles unternommen wurde, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Cesario konnte ihren Vater gar nicht außen vor halten …

Jess holte die anderen drei Hunde, bevor sie in ihr kleines Cottage trat. Es war kalt hier drinnen, der alte Kohlenherd in der Küche war ausgegangen, und sie seufzte. Erst würde sie sich etwas Sauberes anziehen, dann sich etwas Kleines zu essen machen und sich dann um die Tiere kümmern.

Magic, der taube schwarze Scotchterrier, rannte dem Ball nach, den sie zwischen Waschen und Umziehen immer wieder in den Flur hinauswarf. Weed, ein dünner grauer Lurcher, wachte argwöhnisch bei der Tür. Selbst nach Jahren liebevoller Pflege war er noch immer nicht überzeugt, dass er dieses Haus als sein Zuhause ansehen konnte. Harley, ein zuckerkranker alter Labrador, lag still vor dem Bett und schaute ihr zu, zufrieden damit, einfach nur in ihrer Nähe zu sein.

Wieder in der Küche, aß Jess ihr Sandwich im Stehen und schaute aus dem Fenster in den jetzt rasch dunkler werdenden Frühsommerabend, bevor sie hinausging und den Tieren, die sie hier beherbergte, Futter brachte und frisches Wasser hinstellte. Sie ging zurück ins Haus und schürte das Feuer neu im Ofen.

Ihr Handy klingelte, als sie sich fürs Schlafengehen fertig machte. Mit dem Elan eines Zombies nahm sie den Anruf an.

„Cesario hier“, meldete er sich mit einer lässigen Selbstverständlichkeit, so als würde er sie schon seit Ewigkeiten persönlich anrufen.

„Ja?“ Hastig schluckte sie die schneidende Frage herunter, von wem er ihre Handynummer hatte.

„Können Sie morgen früh um neun nach Halston Hall kommen? Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten.“

„Einen Vorschlag? Was für einen Vorschlag?“ Alle möglichen Gedanken wirbelten plötzlich in ihrem Kopf durcheinander.

„Das lässt sich nicht übers Telefon besprechen“, wiegelte er sofort ab. „Können Sie das einrichten?“

„Ja, ich habe morgen meinen freien Tag.“

Sehr behutsam klappte Jess das Handy wieder zusammen, ebenso vorsichtig legte sie es auf den Tisch zurück … und dann stieß sie einen lauten Triumphschrei aus, dass die armen Hunde erschreckt zusammenfuhren. Cesario di Silvestri hatte es sich also tatsächlich überlegt! Dieser Anruf konnte nur bedeuten, dass er ihr wirklich zugehört hatte, und im Gegenzug war er auf einen „Vorschlag“ gekommen, den er ihr jetzt präsentieren wollte … Wobei „Vorschlag“ eigentlich nichts anderes bedeutete als „Deal“ – ein Wort, das sie verabscheute.

Sobald ihr das bewusst wurde, schwand auch die Euphorie rapide und machte Platz für wesentlich weniger erfreuliche Überlegungen. Ein „Auge um Auge“-Typ würde ihren leichtsinnigen Vater bestimmt nicht ohne Gegenleistung davonkommen lassen, das hatte Cesario ja selbst deutlich gemacht. Was also stellte er sich vor?

Eingewickelt in ihren warmen Baumwollpyjama, ließ sie die Schultern sacken und erschauerte, als sie an die Narben auf ihrem Rücken dachte. Kein Wunder, dass sie sich nie vor einem Mann hatte ausziehen wollen. Sie wollte auch nie wieder erklären müssen, woher diese Narben stammten.

Sex stand also außer Frage. Nach dem, was sie in den sensationslüsternen Zeitungen über Cesario di Silvestri gelesen hatte, würde sie mit seinen exotischen und abenteuerlichen Gewohnheiten im Schlafzimmer so oder so nicht mithalten können …

3. KAPITEL

Hinter den Fensterscheiben verfolgte Cesario Jess’ Ankunft mit. Mehrere Hunde liefen ihr nach, als sie sich von ihrem geparkten Landrover entfernte.

Sie hatte gesagt, es sei ihr freier Tag, und so hatte er angenommen, dass sie sich etwas zurechtmachen würde … vielleicht sogar aufhübschen würde für das Treffen mit ihm. So etwas wäre doch auch nicht abwegig, oder? Doch sie trug Jeans, ein viel zu weites T-Shirt und eine Strickjacke, die man eher an einer Vogelscheuche zu sehen erwartet hätte. Nichts, was sie anhatte, passte, geschweige denn schmeichelte.

Jess Martin blieb Cesario ein Rätsel. Nun, in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sie zu einer Einigung kommen sollten, würden beide Seiten wohl eine Menge Kompromisse machen müssen. Jess mochte vielleicht nicht viel von Haute Couture halten, aber er hielt definitiv nichts von Hundehaaren.

Tommaso empfing Jess mit einem strahlenden Lächeln, so als wären sie alte Freunde, und führte sie in einen großen Empfangssalon, der eines Rockstars würdig gewesen wäre – gehalten in dramatischem Schwarz und verschiedenen Violetttönen, bestimmten tiefe Samtsofas, flache Glastische und moderne Kunst an den Wänden die Atmosphäre. Keine zwei Minuten später erschien der rundliche Mann erneut mit einem Tablett, stellte Kaffee und Kekse ab und versicherte, dass sein Chef gleich zu ihr kommen würde.

„Arbeit, immer nur Arbeit“, klagte er, ahmte mit kleinem Finger und Daumen ein ans Ohr gehaltenes Telefon nach und verdrehte die Augen, bevor er wieder ging.

Jess war zu nervös, um still zu sitzen. Die Kaffeetasse in der Hand, schlenderte sie zu einem Gemälde in kräftigen Farben und studierte es, versuchte zu entscheiden, ob das, was wie ein verzerrtes Gesicht aussah, tatsächlich ein Gesicht darstellen sollte. Ihr Kunstverständnis beschränkte sich auf traditionelle Landschaften und Tierporträts, mit Cesarios unbestreitbar wertvoller Gemäldesammlung wusste sie nicht viel anzufangen.

Ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Tasche, erkannte auf dem Display, dass es ihre Mutter Sharon war, und eilte zum Tisch zurück, um die Tasse abzustellen.

Sharon war in Tränen aufgelöst, Jess konnte kaum verstehen, was sie sagte, doch aus den wenigen verständlichen Worten konnte sie sich den Rest zusammenreimen. Ihr Vater hatte beim Frühstück offensichtlich die Beichte abgelegt und dann hastig den Rückzug angetreten und das Haus verlassen, um dem Bombardement von Fragen und Vorwürfen zu entgehen. Sharon war völlig am Ende mit den Nerven und fest davon überzeugt, dass jede Minute die Polizei auftauchen und ihren Mann ins Gefängnis schleifen würde.

„Und alles nur wegen dieses blöden Urlaubs, auf den ich gut hätte verzichten können!“ Sharon schluchzte herzzerreißend. „Jetzt verlieren wir auch noch unser Zuhause …“

Jess runzelte die Stirn. „Was redest du da?“

„Mr di Silvestri wird uns bestimmt nicht in einem seiner Häuser bleiben lassen, nach allem, was dein Vater ihm angetan hat, oder?“, jammerte Sharon. „Seit ich achtzehn bin, lebe ich in dem Haus. Ich überlebe es nicht, wenn ich mein Heim verliere. Und was, meinst du wohl, wird aus den Jobs deiner Brüder werden? Ich sage es dir … Die Martins sind auf Halston Hall nicht mehr erwünscht. Man wird Mittel und Wege finden, um uns alle loszuwerden!“

Jess tat ihr Bestes, um ihre Mutter zu beruhigen, doch Sharon war generell eine sehr emotionale Frau und zudem Pessimistin. Für sie stand bereits fest, dass die gesamte Familie arbeits-, obdach- und mittellos war. Jess versprach, später zurückzurufen, und beendete das Gespräch. Als sie sich umdrehte, sah sie Cesario in der Tür stehen.

Wie erstarrt sah sie ihm entgegen. Ziel seiner schweigsamen Musterung zu sein, rieb sie auf. Er trug einen dunklen Geschäftsanzug und dazu eine silberne Krawatte, wirkte damit geradezu einschüchternd elegant. Nur der Bartschatten auf seinem Kinn ließ darauf schließen, dass sein Tag schon wesentlich früher angefangen hatte. Jess hatte ihn immer für sehr attraktiv gehalten, doch jetzt sah er einfach verboten sexy aus.

„Das war meine Mutter … Mein Vater hat wohl endlich den Mut aufgebracht, ihr zu gestehen, was er getan hat.“ Ungelenk und mit roten Wangen verstaute sie das Telefon in der Jackentasche. „Sie regt sich schrecklich auf.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Niemandem hätte ihre besorgte Miene entgehen können, und es verlieh Cesario eine enorme Befriedigung, dass es in seiner unmittelbaren Macht stand, ihr die Sorgen zu nehmen. Die halbe Nacht hatte er wach gelegen und seinen Plan genauestens ausgearbeitet, um das zu erhalten, was er wollte, und es dabei so praktikabel wie möglich zu machen – eine schlichte Vereinbarung, ohne Gefühle, Forderungen und unrealistische Erwartungen. Jeder von ihnen würde die eigene Freiheit behalten.

„Sie wollten einen Vorschlag machen“, sagte sie nun leise und stopfte die Hände in die Jackentaschen. Sie konnte ihre Nervosität nicht verbergen.

„Lassen Sie mich erst zu Ende reden, bevor Sie mir Ihre Antwort geben.“ Er stellte erneut fest, dass sie trotz der unvorteilhaften Kleidung überwältigend jung und anmutig aussah. Es kostete ihn Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was er sagen wollte. „Und denken Sie daran, dass Sie sich zu dem Zeitpunkt, da unsere Vereinbarung ausläuft, in einer sehr vorteilhaften Lage befinden werden.“

Seine Bemerkung war ihr ein Rätsel. Mit gerunzelter Stirn fragte sie sich, von welcher Vereinbarung er sprach, aber da sie hören wollte, was er ihr vorzuschlagen hatte, nickte sie nur stumm.

Cesario studierte sie mit undurchdringlichem Blick. „Um direkt zum Kernpunkt zu kommen … mir ist eingefallen, was Sie für mich tun können. Im Gegenzug werde ich darauf verzichten, Anzeige gegen Ihren Vater zu erstatten.“

Hoffnung blitzte in ihren Augen auf, leise schnappte Jess nach Luft. „Lassen Sie hören. Was kann ich für Sie tun?“

„Ich hätte gern ein eigenes Kind, aber nicht auf die konventionelle Art.“ Er erwiderte ihren entgeisterten Blick mit ernster Miene. „Ich habe nie daran geglaubt, dass ich ein ganzes Leben mit einer einzigen Frau verbringen könnte. Andererseits bin ich überzeugt, dass ich mich mit einer Ehe arrangieren kann, die aus praktischen Gesichtspunkten geschlossen wird.“

Die Falte auf Jess’ Stirn wurde tiefer. Sie hatte Mühe, seinen Worten zu folgen. Was, um alles in der Welt, hatte ein solches Thema mit der Angelegenheit um ihren Vater zu tun? „Was könnte an einer Ehe praktisch sein?“ Irgendwie musste sie ihn missverstanden haben. Unmöglich, dass er ausgerechnet mit ihr das Thema Ehe besprach.

„Wenn es sich dabei um einen nüchternen Vertrag handelt, ohne blumige Idealisierungen und schwammige Erwartungen wie Liebe, Romantik und Beständigkeit …“ Cesario hatte sich in Fahrt geredet. „Wenn Sie zustimmen, mein Kind zur Welt zu bringen, werde ich Sie heiraten, Ihnen in … sagen wir, zwei Jahren Ihre Freiheit zurückgeben und sicherstellen, dass Sie sich nie wieder finanzielle Sorgen zu machen brauchen.“

Völlig verblüfft über seinen Vorschlag schüttelte Jess fassungslos den Kopf. Womöglich glaubte er, ein äußerst attraktives Angebot gemacht zu haben! „Das meinen Sie nicht ernst … Herrgott, Sie sind jung, sehen fantastisch aus und haben Geld wie Heu. Es muss doch unzählige Frauen geben, die bereit sind, Sie zu heiraten und Ihnen ein Kind zu schenken.“

„Ich will aber keine Goldgräberin zur Frau und als Mutter meines Kindes. Ich will eine intelligente, unabhängige Frau, die bereit ist, meine Konditionen zu akzeptieren. Eine Frau, die weiß, dass sie nicht mehr von mir erwarten kann.“

Es besänftigte Jess, als intelligent und unabhängig bezeichnet zu werden, unwillkürlich reckte sie die Schultern. „Wenn Sie nicht bereit sind, eine langfristige Beziehung mit einer Frau einzugehen, warum wollen Sie dann ein Kind?“

„Mit meinem Kind werde ich eine lebenslange Beziehung eingehen“, erklärte er voller Überzeugung. Sie sollte den Sinn in seinem Argument unbedingt verstehen. „Ich bin schließlich kein Egoist.“

Wieder schüttelte sie langsam den Kopf. „Wollen Sie so unbedingt ein eigenes Kind, dass Sie nicht warten können, bis Sie die richtige Frau treffen?“

„Diese Frage kann ich nur mit einem eindeutigen Ja beantworten.“ Eine Ernsthaftigkeit stand in seiner Miene zu lesen, die Jess nicht bei ihm erwartet hätte. „Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.“

Das überraschte Jess nicht. „Das dachte ich mir.“

„Ich bin der Nachkomme einer langen, ungebrochenen Linie von di Silvestris“, fuhr Cesario fort, den Blick auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne gerichtet, die Stimme plötzlich seltsam tonlos. „Mein Großvater war nicht nur sehr stolz auf diese Tatsache, er war auch geradezu besessen von Blutsbanden. Sein ganzes Leben hat er sich dem Studium unseres Stamm- und Familienbaums gewidmet. Deshalb hat er damals auch die Bedingungen für die Weitergabe unseres toskanischen Familienbesitzes so festgelegt, dass ich nicht von meinem verstorbenen Vater erben kann, bis ich selbst einen Erben habe. Ob männlich oder weiblich, ist dabei gleich. Unerlässlich ist jedoch, dass ich selbst einen Erben brauche, damit der Familienbesitz an mich übergehen kann.“

„Du lieber Himmel, wie kurzsichtig und manipulierend von ihm!“, entfuhr es Jess. „Ich meine, Sie hätten ja auch schwul sein können … oder nie ein Kind haben wollen.“

„Aber ich bin nicht schwul“, lautete Cesarios trockener Kommentar. „Und daher habe ich beschlossen, mich jetzt der Vollendung dieses Projekts zu widmen.“

„Sie bezeichnen ein Baby als Projekt?“ Jess’ Bestürzung hätte nicht größer sein können. Das nannte man wohl Ironie des Schicksals. Da wünschte er sich etwas, nach dem auch sie sich von ganzem Herzen sehnte, obwohl sie beide sonst absolut nichts gemein hatten. Er wollte ein Kind aus rein praktischen Überlegungen, während sie sich ein Kind wünschte, um es einfach nur lieben und aufwachsen sehen zu können. „Ich halte es für grundlegend falsch, ein Kind in die Welt zu setzen, nur um irgendein Erbe antreten zu können.“

„Es darauf zu beschränken, wäre extrem unsachlich. Natürlich werde ich mein Kind lieben – ein Kind, das die beste Ausbildung erhalten, in eine traditionsreiche Familie hineingeboren und letztendlich meinen gesamten Besitz erben wird“, erwiderte er nüchtern. „Mein Kind würde ein sehr gutes Leben vor sich haben.“

„Warum versuchen Sie es nicht mit einer Leihmutter?“, hielt Jess dagegen. „Das wäre doch in Ihrem Fall die logischste Lösung.“

„Das entspricht nicht meinen Vorstellungen. Ich stamme aus einem konservativen Haus und ziehe es vor, dass mein Kind in eine augenscheinlich normale Ehe hineingeboren wird – solange diese hält. Zudem möchte ich auch meinem Sohn oder meiner Tochter die Liebe und Fürsorge der Mutter garantieren können. Ich selbst bin ohne Mutter aufgewachsen.“ Er verzog den Mund. „Das ist nicht das, was ich für mein Kind wünsche.“

„Unter den Umständen, die Sie da beschreiben, werden Sie wohl das volle Sorgerecht für Ihr Kind haben wollen“, vermutete Jess.

„Nein. Ich bin bereit, das Sorgerecht zu teilen, und erwarte nicht mehr als das Besuchsrecht. Ein Kind braucht seine Mutter, um aufzublühen.“

„Und den Vater“, ergänzte Jess zerstreut. Sie musste an die eigene Kindheit denken – wie froh und dankbar sie für ihren Vater war.

„Sicher“, gestand er knapp zu. Seine Stimme klang plötzlich so angespannt, dass Jess ihn fragend ansah. Welche unglücklichen Erinnerungen hatte sie da wohl mit ihrer kurzen Anmerkung bei ihm aufleben lassen?

Ihre Gedanken wirbelten um diesen unmöglichen Vorschlag, den Cesario ihr da unterbreitete. Schon jetzt konnte sie all die Stolpersteine und Fallen in dem Konzept erkennen, und impulsiv sträubte sich alles in ihr. Was er von ihr verlangte, war nicht nur unmöglich, es war völlig verrückt. Nein, sie konnte keinen Mann heiraten, den sie nicht einmal mochte, um dann mit ihm zu schlafen und sein Kind zu empfangen. Allein bei der Vorstellung zog sich ihr Magen zusammen, und ihre Wangen brannten vor Scham und Verlegenheit.

„Ich muss Ihren Antrag ablehnen, ich kann Sie nicht heiraten“, stieß sie hektisch aus.

Cesario studierte sie lange mit kühlem Blick. Sie mochte diese Unterhaltung ja verlegen machen, ihn nicht. Vor allem wusste er, dass, sollte sie sein Angebot ablehnen, er es bereuen würde, es überhaupt gemacht zu haben. „Ihnen sollte klar sein, dass dies Ihre einzige Option ist – und auch das einzige Angebot, das ich Ihnen zu machen habe.“

„Ein Angebot, das ich kaum als vernünftig bezeichnen kann“, beschwerte Jess sich und hob herausfordernd das Kinn.

„Das sehe ich anders.“ Seine dunklen Augen glühten wie Gold unter den dichten schwarzen Wimpern hervor. „Im Gegenzug lasse ich Ihren Vater und seine Diebeskumpane ungeschoren davonkommen. Zudem muss ich den finanziellen Verlust meines Gemäldes akzeptieren, denn schließlich werde ich keine Versicherungsleistung beanspruchen können, wenn ich keine Anzeige erstatte.“

Jess schluckte schwer. Dieser Aspekt hatte sie schlagartig ernüchtert. Ja, er hatte es ernst gemeint, als er von einem Angebot gesprochen hatte. Er wollte einen Ausgleich für den Verlust des Bildes, und warum auch nicht? Sie hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass Cesario di Silvestri bei gleich welchem Deal je auf der Verliererseite stand. Im Moment ging es ihm darum, Vater zu werden, ohne die Verpflichtungen eingehen zu müssen, die mit einer konventionellen Ehe unweigerlich einhergingen.

Wenn sie sich an das erinnerte, was sie über Cesario di Silvestri wusste, ergab das sogar Sinn. Keine Frau hatte sein Interesse lang wachhalten können, es kostete Mühe, ihn sich überhaupt in einer Beziehung vorzustellen, die darauf abzielte, eine Familie zu gründen. Eine reine Vernunftehe hingegen, bei der er sich seine Frau und die Mutter seines Kindes nach nüchtern kalkulierten und rein praktischen Gründen auswählte, würde ihn vor den Fesseln bewahren. Er brauchte dann weder viel Zeit noch Aufmerksamkeit auf seine Ehefrau zu verwenden. Ja, von seiner Seite her betrachtet waren die Vorteile durchaus deutlich zu erkennen.

Und von der Seite der Ehefrau betrachtet? Es handelte sich um einen nüchternen Vertrag, in dem eine Schwangerschaft und die irgendwann erfolgende Scheidung bereits eingeplant waren. Jess senkte den Blick auf ihre verschränkten Finger. Unterschied sich sein Vorschlag denn wirklich so sehr von ihrer einstigen Überlegung, sich künstlich befruchten zu lassen? Allerdings hatte sie es nicht über sich gebracht, zu einer Samenbank zu gehen und sich mit dem Sperma eines Unbekannten befruchten zu lassen, sosehr sie sich auch ein Baby wünschte. Zumindest hatte ihr Szenario keine persönliche Intimität verlangt.

„Wäre mein Interesse an Ihnen nicht so groß, würde ich Ihnen dieses Angebot gar nicht unterbreiten“, hörte sie ihn jetzt sagen, und seine heiser gemurmelten Worte strichen sanft wie eine Liebkosung über ihren Rücken.

Mit großen Augen sah Jess ihn an. Sie hatte das Gefühl, in einem Kugelhagel zu stehen und Deckung suchen zu müssen, wenn doch keine Deckung existierte. Ihr Verstand warnte sie dringend davor, auf den Vorschlag einzugehen. Manche Dinge, so auch eine Schwangerschaft, waren heilig und konnten nicht gekauft werden. Andererseits gab es wohl keine Alternative, wenn ihr Vater in derart großen Schwierigkeiten steckte …

„Sollten wir zu keiner Einigung kommen, werde ich die Polizei informieren, sobald Sie das Haus verlassen.“ Seine Drohung wirkte umso mächtiger, da er leise sprach. „Ich habe inzwischen alle Beweise, um Anzeige gegen Ihren Vater zu erstatten.“

„Herrgott, Sie können doch nicht ernsthaft von einer Frau erwarten, dass sie ein Kind mit Ihnen haben wird, wenn es nicht einmal eine bestehende Beziehung gibt!“ Das Tempo, mit dem er den Druck erhöhte, beängstigte sie.

„Jeden Tag heiraten Frauen Männer, die sie nicht lieben, aus allen möglichen Erwägungen – Geld, Sicherheit, Status. Die Ehe ist ein rechtlicher Vertrag, mehr nicht. Niemand verlangt hier große Opfer von Ihnen.“

Jess verkniff sich den schneidenden Kommentar. Unter halb gesenkten Lidern hervor warf sie ihm einen feindseligen Blick zu. Ihrer Meinung nach war dieses unmögliche Angebot typisch für ihn – er war arrogant und kaltblütig. Einem Mann wie ihm ein Kind zu schenken war eigentlich undenkbar für eine Frau wie sie. Sein ganzer Lebensstil, seine Gewohnheiten und Vorlieben waren den ihren völlig entgegengesetzt, ganz zu schweigen davon, dass sie mit einem praktisch Fremden das Bett teilen sollte. „Tatsächlich?“

„Ja, tatsächlich. Soweit ich weiß, gibt es keinen Mann in Ihrem Leben, der die Dinge komplizieren könnte, und auch ich bin im Moment frei. Ich versichere Ihnen, dass ich Sie als meine Ehefrau mit dem erforderlichen Respekt und aller Großzügigkeit behandeln werde. Dieses Haus hier wäre dann Ihr Heim. Ich erwarte nicht, dass Sie meinetwegen nach Italien ziehen. Sie können Ihr Leben mehr oder weniger weiterführen wie bisher.“

Jess stellte sich vor, wie er im gemeinsamen Ehebett lag und sie ihr Leben wie üblich weiterführte. Ein hysterische Kichern blieb ihr in der Kehle stecken.

„Vielleicht schreckt Sie ja der Gedanke an eine Schwangerschaft ab …“

„Nein“, fiel sie ihm abrupt ins Wort und überraschte sich selbst damit genauso sehr wie ihn. „Ich bin in einem Alter, in dem ich gern ein Baby hätte, selbst wenn das bedeuten sollte, alleinerziehende Mutter zu werden. Aber haben Sie schon mal weitergedacht? Vielleicht heiraten Sie mich, und dann werde ich nicht schwanger.“

„Das wäre Schicksal. Natürlich wäre ich enttäuscht, aber ich würde es akzeptieren“, erklärte er.

Die Sonne fiel durch die Fenster und tauchte seine große Gestalt in ein Schattenspiel von Gold und Bronze, verwandelte seine dunklen Augen in glühenden Topas. Und während Jess ihn ansah, beschleunigte sich ihr Puls, und ihre Antipathie ihm gegenüber wuchs nur noch mehr. Wenn sie ablehnte, dann deshalb, weil sie sich nicht die geringsten Hoffnungen machte, seine Erwartungen erfüllen zu können. Aber hatte sie überhaupt eine Wahl, wenn ihr Vater sonst im Gefängnis landen und die Familie, die sie so sehr liebte, auseinandergerissen würde?

Manchmal, so dachte sie voller Unsicherheit und Furcht, muss man einfach die Augen schließen und den Sprung nach vorn wagen …

„Na schön … ich mach’s!“ Ihr abrupter Ausruf schockierte sie selbst, und sie erlaubte es sich nicht, genauer darüber nachzudenken, zu was sie soeben ihre Zustimmung gegeben hatte.

Und Cesario di Silvestri lächelte – nicht sein übliches spöttisches Lächeln, das eigentlich nur ein Verziehen der Mundwinkel war, sondern ein so charismatisch strahlendes Lächeln, dass er damit eine ganze Armada hätte versenken können.

„Sie werden es nicht bereuen“, versprach er voller Zuversicht und nahm ihre Hand, um die Abmachung zu besiegeln. Gerade, als er ihre Finger wieder freigeben wollte, fiel ihm der feine weiße Streifen auf ihrem Handrücken auf. „Woher haben Sie die Narbe?“

Jess wurde blass, ihr Herz raste plötzlich. „Ein Unfall … aber das ist schon lange her“, hörte sie sich sagen, während sie gegen den Drang ankämpfte, ihre Hand zurückzuziehen.

„Muss schlimm gewesen sein“, sagte er noch, bevor er ihre Hand freigab.

Er hatte einen wirklich schlechten Moment gewählt, um diese Erinnerungen wachzurufen. Jess hatte eben zugestimmt, ihn zu heiraten, und jetzt stürzten die Zweifel mit voller Wucht auf sie ein. Doch sie hielt alle Gefühle eisern unter Kontrolle und nickte nur, konzentrierte sich auf die Zukunft, anstatt an das schreckliche Ereignis in der Vergangenheit zu denken. Der Zweck heiligt die Mittel, sagte sie sich. Cesario würde bekommen, was er wollte, und sie auch. Ihr Kind würde immer ihr Kind bleiben und auch den Vater kennen. Und an das, was im Schlafzimmer nötig war, um ein Kind zu bekommen, würde sie erst denken, wenn es so weit war.

„Ich werde meine Leute beauftragen, alles für die Hochzeit zu arrangieren“, sagte er jetzt.

Jess musterte ihn argwöhnisch. „Sie haben es aber wirklich eilig.“

„Natürlich. Ich möchte nicht, dass Sie doch noch Ihre Meinung ändern, piccola mia.“ Sein Mund verzog sich wieder zu diesem spöttischen Lächeln, das Jess so sehr missfiel. „Wir sollten auch keine Zeit verschwenden, um mit unserem Projekt zu beginnen, oder?“

„Vermutlich nicht“, murmelte sie und bückte sich nach ihrer Jacke.

Autor

Lynne Graham
<p>Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben....
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