Der Scheich und die schöne Wüstenprinzessin

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Um ihre jüngere Schwester vor einer arrangierten Heirat zu schützen, beschließt die eigenwillige Prinzessin Aaliyah, dem mächtigen Scheich Sharif Al Nazar selbst das Jawort zu geben. Ihr letztes Abenteuer in Freiheit? Eine Nacht mit einem betörenden Fremden. Doch vor dem Altar erlebt Liyah eine Überraschung: Ihr Bräutigam ist niemand anderes als ihr geheimnisvoller Liebhaber! Aber anstatt sie wie in jener heißen Wüstennacht in seine Arme zu ziehen, spürt sie bloß Eiseskälte: Sharif braucht sie als Spielfigur für seine infamen Rachepläne …


  • Erscheinungstag 19.04.2022
  • Bandnummer 2541
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509633
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Die Braut darf jetzt ihren Schleier abnehmen.“

Scheich Sharif Bin Noor Al Nazar wartete mit angehaltenem Atem, während zwei Brautjungfern seiner frisch angetrauten Ehefrau halfen, den kostbaren, reich verzierten orientalischen Schleier zu lösen. Er hatte keine Ahnung, wie sie aussah. Er hatte sie vor der Hochzeit nicht kennengelernt, und während der gesamten Hochzeitszeremonie waren ihre Gesichtszüge verhüllt gewesen. Nicht einmal ihre Augen waren zu erkennen.

Doch Sharif war es gleichgültig, wie seine Braut aussah. Er hatte eh nicht vor, eine dauerhafte Bindung mit ihr einzugehen. Er wollte nur so lange mit seiner Frau verheiratet bleiben, wie es die Umstände erforderten, und natürlich würden sie die Ehe nie richtig vollziehen.

Aber selbstverständlich wäre eine halbwegs hübsche Braut angenehmer.

Die feinen Ketten und Goldplättchen des Schleiers klimperten, als die Brautjungfern das Schmuckstück endlich entfernten.

Sharifs erster Gedanke war, dass er sich keine Sorgen machen musste, dass seine Frau unattraktiv war.

Sie war atemberaubend schön.

Dann sickerte die Erkenntnis durch.

Sie war keine Fremde – ganz im Gegenteil. Sie waren sich bereits auf sehr intime Weise begegnet.

Schock und Ärger mischten sich mit einer heftigen körperlichen Reaktion auf ihren Anblick. Empörung machte sich in ihm breit.

Du!

Sharif war sich nicht sicher, ob er das Wort nur gedacht oder laut hervorgestoßen hatte.

1. KAPITEL

Zwei Wochen zuvor

„Willst du damit sagen, dass du keine Ahnung hast, wie deine zukünftige Braut aussieht?“

Nikos Marchettis entsetzter Gesichtsausdruck war fast schon komisch. Sharif Marchetti und sein jüngerer Halbbruder unterhielten sich über Videoanruf.

Nikos rief aus seinem Herrenhaus in Irland an. Im Hintergrund beschäftigte sich seine Ehefrau Maggie, die gerade ihr zweites Kind erwartete, liebevoll mit ihrem kleinen Sohn Daniel.

Sharif wusste nicht warum, aber irgendwie löste die heimelige Szene Unbehagen in ihm aus. Sie berührte einen Teil von ihm, den er lieber unbeachtet ließ. Das Gefühl von Zugehörigkeit und Geborgenheit war ihm fremd. Er hatte so etwas nie kennengelernt und misstraute dem Ganzen.

Er konzentrierte sich wieder auf die Frage seines Bruders. „Nein, ich weiß nicht, wie sie aussieht. Ich weiß gar nichts von ihr, aber das ist egal. Ich heirate sie aus diplomatischen Gründen. Unsere Heimatländer Al-Murja und Taraq haben eine Vereinbarung getroffen, die ich einhalten werde. Außerdem scheint es gut für das Geschäft zu sein, wenn man sesshaft wird“, fügte er nonchalant hinzu.

Das war eine klare Untertreibung. Maks, ihr anderer Halbbruder, hatte sich mit seiner Frau erst kürzlich im engsten Kreis in London trauen lassen. Seitdem nun zwei der drei Brüder geheiratet und eine Familie gegründet hatten, waren die Aktienkurse der Marchetti Group geradezu durch die Decke gegangen.

Doch Sharif wusste, dass noch mehr möglich war. Er hatte das angeschlagene und marode Unternehmen von seinem Vater geerbt und es mit viel Herzblut und Geschick zusammen mit seinen beiden Halbbrüdern wiederaufgebaut. Nun war er kurz davor, dem Unternehmen zu nie dagewesenem Wert und neuer Stabilität zu verhelfen. Ihr Vater hatte die Marchetti Group mit dem Vermögen anderer aufgebaut – nämlich mit dem erschlichenen Erbe seiner drei Ehefrauen. Sharifs Mutter, Nikos’ Mutter und Maks’ Mutter.

Maggie beugte sich über die Schulter ihres Mannes. Sie hielt Daniel auf dem Arm, und sein engelsgleiches Gesichtchen erschien ebenfalls auf dem Bildschirm. „Al-Murja und Taraq? Eine arrangierte Ehe? Das klingt wirklich exotisch!“, sagte sie.

Nikos nahm seiner Frau den gemeinsamen Sohn ab und drückte ihn zärtlich an seine breite Brust.

An seine Frau gewandt erwiderte Nikos trocken: „Für Sharif gelten andere Maßstäbe als für uns Normalsterblichen. Hier ist er ein Marchetti und einer der reichsten und einflussreichsten Männer der Welt, aber im Wüstenstaat Al-Murja, der Heimat seiner Mutter, ist Sharif ein königlicher Scheich. Er trägt dort sogar einen anderen Namen.“

Maggies Augen weiteten sich vor Überraschung. „Oh, das wusste ich ja noch gar nicht. Wie heißt du denn dort?“

Es klopfte vernehmlich an die Tür von Sharifs Büro hoch über Manhattan.

Sharif war froh über die Unterbrechung. Nikos mit seinem Sohn auf dem Arm zu sehen hatte wieder dieses sonderbare Gefühl in ihm ausgelöst. Außerdem gab er nicht gerne etwas über sich preis. Seine Brüder und er waren nicht zusammen aufgewachsen und standen sich nicht besonders nahe. Erst nach der Übernahme der Marchetti Group hatte sich das geändert. In den vergangenen Monaten hatten sie sich besser kennengelernt, doch von einem richtigen familiären Verhältnis waren sie noch immer weit entfernt.

„Mein Fahrer ist da“, sagte Sharif entschuldigend. „Ich melde mich, wenn ich zurück bin.“

„Ich begreife einfach nicht, warum du dich auf diese Heirat einlässt“, sagte Nikos kopfschüttelnd.

Sharif zwang sich zu einem unbekümmerten Lächeln. „Weißt du, ich bin neidisch auf dich und Maks. Ich möchte auch so glücklich sein wie ihr beide.“

Nikos lachte schnaubend.

Sharif unterbrach die Verbindung. Das Gespräch hatte Gefühle in ihm geweckt, die er diesmal nicht mit seinem üblichen Zynismus unterdrücken konnte. Er würde sich erst frei fühlen, wenn er das Erbe seines Vaters vernichtet und die Marchetti Group Stück für Stück veräußert hatte.

Als er kurze Zeit später in seiner Limousine saß und von einem Fahrer zum Flughafen gebracht wurde, regte sich sein schlechtes Gewissen. Was würden seine Brüder sagen, wenn sie wüssten, was er vorhatte? Doch er verdrängte diese Gedanken. Seine Brüder hatten ihrem Vater kein bisschen nähergestanden als er. Denn obwohl sich die drei in letzter Zeit nähergekommen waren, hatte Sharif noch nicht so viel Vertrauen zu ihnen, um sie in seine Pläne einzuweihen. Niemand wusste darüber Bescheid. Er wollte sie einweihen, wenn die Zeit reif war. Sie würden durch die Zerschlagung des Unternehmens unfassbar reich werden. Was könnten sie mehr wollen?

Eine Woche zuvor, Taraq

„Du willst statt Samara diesen Mann heiraten? Weshalb sollte ich darin einwilligen?“, fragte der König mit hochgezogenen Augenbrauen.

Aaliyah Binte Rashad Mansour, kurz Liyah, bemühte sich, ruhig zu bleiben. Das fiel ihr schwer, denn sie war übernächtigt von der langen Reise. Nach dem verzweifelten Anruf ihrer jüngeren Halbschwester Samara war sie gestern sofort aufgebrochen und übereilt mitten in der Nacht von England zurück in ihre Wüstenheimat geflogen.

„Weil ich deine älteste Tochter bin. Samara ist erst 19.“

Außerdem liebte Samara insgeheim den Sohn des königlichen Beraters.

Liyahs Vater schwieg.

Sie sprach schnell weiter, bevor er es sich anders überlegen konnte. „Dieser Mann hat Samara noch nie zuvor gesehen. Sie sind sich völlig fremd. Da spielt es doch keine Rolle, wen von uns beiden er heiratet.“ Ihre Schwester hatte ihr erzählt, dass dem Scheich seine zukünftige Braut vollkommen gleichgültig sei, solange sie aus der Familie des Königs stammte.

Ihr Vater schnaubte missmutig. Er war kein besonders großer Mann. Liyah war mit ihren eins achtundsiebzig sogar etwas größer als er. Er hatte ihre Größe immer missbilligt. Den Grund seiner Ablehnung erkannte Liyah lange Zeit nicht.

Liyahs Mutter war seine erste Ehefrau gewesen. Sie starb, als ihre Tochter noch ein Kleinkind gewesen war. Nur sehr vage erinnerte Liyah sich an ihre Mutter und die Schlaflieder, die sie abends an ihrem Bett gesungen hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte ihr Vater schnell wieder geheiratet und Liyah einfach beiseitegeschoben. So war es ihr jedenfalls vorgekommen.

Deshalb hatte sie niemanden aus der Familie näher an sich herangelassen, außer ihre jüngere Schwester Samara, die ihr von klein auf überallhin gefolgt war und die sie vergötterte.

Liyah war ohne zu zögern nach Hause zurückgekehrt, um ihrer kleinen Schwester zu helfen. Sie wollte an Samaras Stelle diese mysteriöse Ehe eingehen.

Doch als sie jetzt vor ihrem Vater stand, um ihm den Vorschlag zu unterbreiten, machte sich leise Panik in ihr breit. „Wer ist dieser Mann überhaupt? Und warum will er eine Frau heiraten, die er noch nie gesehen hat? Ich dachte, die Zeiten arrangierter Ehen seien längst vorbei“, fragte sie.

„Sei nicht so naiv, Aaliyah. Die besten Ehen sind die, bei denen beide Parteien einen Nutzen davon haben, zum Beispiel, um eine Allianz zu festigen. Eine Eheschließung ist das perfekte Mittel, um die langjährige Feindschaft zwischen zwei benachbarten Königreichen zu beenden.“

„Aber es ist Jahre her, seit …“

Ihr Vater unterbrach sie. „Dieser Mann ehrt eine jahrzehntealte diplomatische Vereinbarung, indem er in unsere Familie einheiratet. Seine Mutter hätte damals deinen Onkel heiraten sollen, aber sie ist nach Europa abgehauen und hat stattdessen einen italienischen Playboy geheiratet. Sie hat ihm ihre ganze Mitgift geschenkt. Als die Ehe zerbrach, kehrte sie reumütig zurück in ihr Heimatland und brachte einen kleinen Sohn mit. Sie starb jedoch kurz darauf, und ihr Sohn wuchs bei seinem Vater auf.“

Die Geschichte kam Liyah vage bekannt vor, sie hatte irgendwann schon einmal davon gehört. Ihr Vater blieb stehen und musterte sie prüfend. Seine Augen funkelten. Sie waren viel dunkler als Liyahs grüne Augen.

„Seine Mutter war genauso rebellisch wie du, Liyah.“

Sie straffte empört die Schultern. „Es ist nicht rebellisch, wenn man …“

Ihr Vater fiel ihr ins Wort. „Ich glaube, das wird sehr gut funktionieren. Scheich Sharif Bin Noor Al Nazar leitet einen riesigen Luxuskonzern in der westlichen Welt. Eine rebellische Frau ist das Letzte, was er braucht. Es wird dir guttun, ein wenig Respekt und Selbstkontrolle zu lernen.“

Liyah hatte das dringende Bedürfnis, sich zu verteidigen, doch sie unterdrückte den Impuls und fragte stattdessen: „Heißt das, dass ich Samaras Platz einnehmen darf?“

Ihr Vater musterte sie. Aber weder Wärme noch eine andere positive Regung lag in seinem Blick. Nur die kühle Distanz, die Liyah seit vielen Jahren gewohnt war.

Schließlich antwortete er: „Ja, du wirst Scheich Sharif Bin Noor Al Nazar heiraten. Das gibt dir die Möglichkeit, dein Ansehen in dieser Familie wiederherzustellen.“ Liyah verspürte Erleichterung, gleichzeitig war sie schockiert darüber, wie schnell sie ihre Zukunft besiegelt hatte. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr – schließlich stand Samaras Glück auf dem Spiel, und Liyah würde alles dafür tun, dass es ihrer Schwester gut ging.

Ihr Vater drehte sich weg und signalisierte damit unmissverständlich, dass die Unterhaltung für ihn beendet war. Es verletzte Liyah, wie leichtfertig er ihr Schicksal in die Hände eines völlig fremden Mannes legte, nur um sich dann schnellstmöglich wichtigeren Themen zuzuwenden.

„Warum bin ich dir so gleichgültig, Vater?“, platzte es aus ihr heraus.

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Liyah eine Gefühlsregung in seinem Blick.

Schmerz.

„Deine Mutter war die einzige Frau, die ich je geliebt habe. Ihr Tod brach mir das Herz. Wenn ich dich sehe, erinnert mich das jedes Mal an meine verstorbene Frau und alles, was ich verloren habe.“

Vortag

Sharif bemerkte einen Falken am Himmel. Ein prachtvolles, ausgewachsenes Weibchen. Das glatte Federkleid reflektierte die goldene Abendsonne auf dem majestätischen Vogel, der gemächlich große Kreise am Himmel zog. Doch Sharif wusste, dass diese Ruhe täuschte. Sobald der Falke eine Beute erspähte, würde er innerhalb von Sekundenbruchteilen nach unten stürzen und das Beutetier töten.

Sharif wollte gerade sein Fernglas holen, als er Hufgetrappel hörte. Ein einzelnes Pferd näherte sich in vollem Galopp der kleinen Oase. Schnell zog er sich in den Schatten der Bäume zurück, die um einen natürlichen See mit kristallklarem Wasser standen. Er wollte noch ein wenig alleine sein, bevor er zum Palast in Taraq reiste. Er hatte sein Team vorausgeschickt und wollte in der Oase sein Nachtlager aufschlagen.

Er genoss die Ruhe.

In der Wüste gelang es ihm so gut wie sonst nirgends, sich zu erden und neue Energie zu tanken. Die kommenden Wochen würden sicherlich anstrengend werden, und er brauchte all seine Kraft.

Das fremde Pferd preschte heran und zerstörte die abendliche Stille.

Sharif entdeckte den schlanken Reiter und erkannte augenblicklich, dass er ein wahrer Meister war. Der Mann schien mit seinem Pferd zu verschmelzen. Auf ein kaum wahrnehmbares Signal hin hielt der prächtige Hengst schnaubend an. Seine Flanken bebten, und sein Fell glänzte vor Schweiß. Das Tier hatte offensichtlich einen scharfen Ritt hinter sich.

Der junge Mann glitt geschmeidig zu Boden und tätschelte zärtlich den Hals des Hengstes. Dann führte er das Pferd zum Wasser, ließ es trinken und band es an einem Baum fest.

Sharif hielt sich, einer Eingebung folgend, weiterhin verborgen. Er spürte, dass der Fremde allein sein wollte – so wie er selbst ja auch.

Er vermutete, dass der Reiter nicht lange bleiben würde, und nur seinem Pferd eine kurze Pause in der Oase gönnen wollte.

Es schien noch ein Junge zu sein, denn trotz seiner Größe war er viel zu schlank, um schon erwachsen zu sein. Seinen Kopf und sein Gesicht hatte er zum Schutz gegen den Wüstensand in einen losen Turban gehüllt. Doch Sharif gelang es nicht, sein Gesicht zu erkennen.

In diesem Augenblick stieß der Falke hinab, und Sharif beobachtete fasziniert, wie der Reiter den rechten Arm hob und der Vogel auf der mit einem Lederhandschuh geschützten Hand landete.

Also handelte es sich um einen gezähmten Falken. Beeindruckend!

Der Fremde gab dem Greifvogel ein Stück Fleisch aus einem kleinen Lederbeutel an seinem Gürtel. Dann ließ er den Vogel mit einer ausladenden Armbewegung wieder frei. Seine Schultern hoben und senkten sich, so, als würde er schwer seufzen. Und gerade als Sharif sich zu erkennen geben wollte, zog sich der Fremde den Turban vom Kopf.

Sharif erstarrte mitten in der Bewegung.

Lange dunkle Locken fielen über den schmalen Rücken – dies war kein Junge, sondern eine junge Frau.

Sprachlos und unfähig, sich zu rühren, beobachtete Sharif wie gebannt, wie sie anfing, sich zu entkleiden.

Der scharfe Galopp hatte leider nicht geholfen, um den Aufruhr in Liyahs Inneren zu beruhigen. Sie spürte eine Mischung aus Wut und Hilflosigkeit. Es war der Vorabend ihrer Hochzeit, und sie fühlte sich wie in einer Falle. Dabei war sie selbst für diese Situation verantwortlich. Schließlich hatte sie ihren Vater gebeten, den fremden Mann an Samaras Stelle heiraten zu dürfen. Doch das macht alles nur noch schlimmer. Sie hätte in Europa bleiben und Samara ihrem Schicksal überlassen sollen. Aber das hätte sie nicht übers Herz gebracht. Sie liebte ihre kleine Schwester – das einzige Familienmitglied, zu dem sie echte Zuneigung empfand.

Immerhin hatte sie ihrem Vater das Versprechen abgerungen, dass er Samaras und Javids Glück nicht im Wege stehen würde. Also war ihr Opfer wenigstens nicht umsonst.

Doch nicht nur die bevorstehende Hochzeit beschäftigte Liyah.

Sie musste immer wieder an die Worte ihres Vaters denken – dass er ihre Mutter geliebt hatte und dass Liyah ihn an seine verstorbene Ehefrau erinnerte.

Auch wenn sie jetzt endlich wusste, weshalb er sie immer auf Distanz hielt, war das kein wirklicher Trost – sie fühlte sich nur noch weniger zugehörig.

Die Liebe und der frühe Tod seiner Frau hatten ihren Vater in einen verbitterten Menschen verwandelt. Das bestätigte Liyah in ihrer Überzeugung, dass es gefährlich war, sein Herz zu verschenken. Liebe machte Menschen schwach und verletzlich.

Eine Zweckehe war im Grunde die perfekte Lösung. Liyah hatte sich nur noch nie mit dem Gedanken beschäftigt. Sie hatte eigentlich überhaupt nie über die Ehe nachgedacht. Die vergangenen Jahre in Europa hatten sie in einem falschen Gefühl der Freiheit gewiegt. Sie hatte es genossen, ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können, aber wirklich frei war sie nie gewesen. Außerdem war Freiheit kein Ersatz für die fehlende Zuneigung und Unterstützung ihrer Familie.

Ihr Vater hatte erwähnt, dass ihr zukünftiger Ehemann der Inhaber eines riesigen Luxuskonzerns war. Sie stellte ihn sich wie einen Mann vor, der ein verschwenderisches Leben voller Luxus führte, übermäßig aß und trank und sich gerne mit schönen Frauen umgab.

Doch sie wollte sich nicht ihre letzte Nacht in Freiheit mit Gedanken über ihre ungewisse Zukunft verderben. Eine Zukunft, die sie sowieso nicht ändern konnte. Sie hatte sich aus diesem Grund nicht einmal bemüht, im Internet nach ihm zu suchen. Das war zwar nicht vernünftig, aber seit ihr in der vergangenen Woche bewusst geworden war, worauf sie sich da einließ, schrieb sie sowieso jede Vernunft in den Wind.

Das klare Wasser des Sees wirkte einladend.

Liyah war heiß, und sie war verschwitzt. Sie konnte eine Erfrischung gut gebrauchen. Vielleicht beruhigte ein kühles Bad auch ihre kreisenden Gedanken und ihre Panik.

Sie entfernte den Turban, den sie sich zum Schutz gegen den heißen Wind und den Sand um den Kopf gewickelt hatte. Dann fing sie an, auch ihre anderen Kleidungsstücke auszuziehen. Sie fühlte sich sicher und unbeobachtet, denn es kam nie jemand hierher. Die Oase lag zu nah am Palast, um Reisenden als Raststätte zu dienen. Außerdem waren zu Hause im Palast alle mit den Vorbereitungen für die Hochzeit am nächsten Tag beschäftigt. Und der Scheich, ihr zukünftiger Ehemann, war, kurz bevor sie losgeritten war, mit seiner Entourage eingetroffen. Liyah hatte keine Lust gehabt, ihn sich anzusehen, und war lieber mit ihrem Hengst zu einem Ausritt in die Wüste aufgebrochen.

Ihre Bluse rutschte mit einem sanften Rauschen zu Boden, und die kühle Abendbrise verursachte ein Kribbeln auf ihren nackten Armen. Dann entledigte sie sich ihres BHs und öffnete die Knöpfe ihrer weichen Lederhose. Ihr Vater wäre niemals einverstanden gewesen, dass eine Frau Hosen trug. Vermutlich mochte Liyah sie deswegen so gerne. Als Akt der Rebellion und weil sie sich darin viel freier bewegen konnte.

Sie wackelte ein wenig mit den Hüften, als sie das enge Kleidungsstück auszog. Zuletzt streifte sie ihren Slip ab und stand nun vollkommen nackt in der Abenddämmerung.

Ihr Pferd wieherte leise in der Stille. Am lila gefärbten Himmel zeigten sich die ersten Sterne, und über dem kristallklaren See stieg der sichelförmige Mond auf.

Plötzlich wurde ihr ganz eng ums Herz. Sie liebte diesen Ort. Hier hatte sie stets Frieden gefunden. Ob sie wohl jemals wieder hierher zurückkehren würde? Über den heißen Wüstensand zu galoppieren, während hoch über ihr am Himmel ihr Falke kreiste, war ein unbeschreibliches und berauschendes Gefühl. Der Inbegriff von Freiheit.

Liyah stieg langsam in den See. Das Wasser war noch warm von der sengenden Hitze des Tages und glitt wie eine Decke aus Seide über ihre nackte Haut. Als es ihr bis zur Hüfte ging, wurde es deutlich kühler. Mit einem geschmeidigen Hechtsprung tauchte sie in die kühle Tiefe und kam erst wieder an die Oberfläche, als ihre Lungen bereits eng wurden. Prustend atmete sie ein und brauchte einen Augenblick, um die Stimme zu hören. Ein Mann rief ihr etwas zu.

„Was zur Hölle machen Sie da? Ich wollte Sie gerade retten kommen!“

Liyah wirbelte herum. Schockiert sah sie im flachen Wasser am Ufer einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann stehen. Fast wäre sie vor Schreck wieder unter die Wasseroberfläche gesunken.

Er stand im flachen Wasser und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Er trug ein traditionelles weißes Gewand, kurze dunkle Haare und einen Dreitagebart. Trotz ihres Schocks registrierte Liyah, dass er extrem gut aussah. Und wahnsinnig Ehrfurcht einflößend.

Seine dunkelbraunen Augen fixierten sie funkelnd. Er hatte hohe Wangenknochen und kantige Gesichtszüge, was sein grimmiges Aussehen verstärkte.

Seine missbilligende Haltung riss Liyah schließlich aus ihrer Erstarrung. Sie brauchte nicht noch einen Menschen, der sie kritisierte. Er hatte ihre Ruhe gestört, ihre letzte Nacht in Freiheit.

„Ich muss nicht gerettet werden“, erwiderte sie bissig. Dann kam ihr ein Gedanke, und mit einem mulmigen Gefühl fragte sie: „Wie lange stehen Sie schon dort?“

„Lange genug“, entgegnete er harsch. „Sie müssen rauskommen.“

Empört gab sie zurück: „Ich muss gar nichts.“ Es stand ihm nicht zu, in diesem Befehlston mit ihr zu sprechen.

„Wollen Sie die ganze Nacht im Wasser bleiben? Dann erfrieren Sie.“

Er hatte nicht unrecht. Die Temperaturen fielen in der Wüste nachts sehr tief, und sie fröstelte bereits.

„Ich kann nicht rauskommen. Ich habe nichts an.“ Komischerweise hatte sie keine Angst vor ihm, obwohl er ein Fremder war.

„Ich weiß.“

Liyah hört abrupt auf, Wasser zu treten. „Sie haben mich beobachtet!“, rief sie empört.

Doch die Vorstellung, dass er zugeschaut hatte, wie sie sich ausgezogen hatte und ins Wasser gegangen war, war gar nicht beängstigend, sondern … irgendwie aufregend.

Sie war sich sicher gewesen, dass niemand in der Oase war, aber sie hatte sich nicht vergewissert. Jetzt konnte sie in einiger Entfernung hinter ihm die Form eines Zeltes ausmachen. Es stand zwischen den Bäumen am Ende der Oase. Neben dem Zelt war ein Pferd angebunden. Es wieherte leise, und ihr Hengst antwortete.

„Übernachten Sie hier?“

„Ja, nur heute Nacht.“ Seine Stimme war tief. So tief, dass sie ein Kribbeln in ihrem Bauchnabel auslöste. Er sprach mit einem leichten Akzent, den sie jedoch nicht genau zuordnen konnte. Es klang fremd und doch irgendwie vertraut. Dabei hatte sie ihn noch nie zuvor gesehen.

Sie wollte ihn fragen, wer er war. Aber aus irgendeinem Grund wollten die Worte nicht über ihre Lippen kommen.

Er hatte recht. Sie konnte nicht die ganze Nacht im Wasser bleiben. „Ich brauche etwas zum Anziehen“, sagte sie.

Anstatt ihre eigenen Kleidungsstücke, die am Ufer verstreut lagen, aufzusammeln, zog er sich kurzerhand sein Gewand über den Kopf und hielt es ihr hin.

Liyah stockte der Atem, als sie seinen nackten Oberkörper sah. Er hatte eine beeindruckend breite Brust und muskulöse Arme. Über seinen flachen Bauch verlief ein Streifen dunkler Haare, der unter dem Bund seiner tief sitzenden Stoffhose verschwand.

„Hier, nehmen Sie das.“

Zögernd schwamm sie zum Ufer, bis sie Boden unter den Füßen spürte. Dann ging sie langsam auf ihn zu. Er stand mit ausgestrecktem Arm im flachen Wasser.

Liyah fragte sich, ob sie das alles nur träumte. Der Augenblick kam ihr so unwirklich vor. Das Wasser bedeckte jetzt gerade noch ihre Brüste. Sie hatte erwartet, dass er sich anstandshalber umdrehte, aber das tat er nicht. Er hatte sie zwar schon nackt gesehen, aber nur ihre Rückseite.

Doch es störte sie nicht, dass er sie beobachtete.

Es war vielmehr sonderbar erregend.

Sie wusste, dass es völlig verrückt war, so zu fühlen, aber sie konnte es nicht ändern. Sie hatte keine Angst vor ihm und fühlte sich auch nicht bedrängt. Irgendwie wollte sie, dass er sie nackt sah. In ihr loderte ein Feuer, das sie noch nie zuvor gespürt hatte. Sie fühlte sich plötzlich mutig und frei.

Sie ging einen weiteren Schritt auf ihn zu.

Dann noch einen Schritt.

Und dann waren ihre Brüste nicht länger vom Wasser umspült.

Liyah konnte den Mann jetzt besser erkennen. Er hatte braune Augen und ein festes Kinn. Sein Blick senkte sich auf ihren Busen. Ihre Brustwarzen waren von der Kälte hart und aufgerichtet und begannen unter seinen Blicken zu prickeln.

Sie ging weiter und entblößte Stück für Stück ihren schlanken, weiblichen Körper. Ihren Bauch, ihre Hüfte, das dunkle Dreieck zwischen ihren Beinen.

Halb war sie fassungslos, dass sie sich mit so einer lasziven Selbstsicherheit bewegte. So war sie eigentlich gar nicht, sie erkannte sich selbst nicht wieder. Doch diese Oase war von Kindheit an ihr geheimer Ort gewesen, ihr Refugium. Hier fühlte sie sich ungezwungen und wie in einer anderen Welt.

Außerdem war der Fremde nicht einfach irgendjemand. Er war stolz und selbstbewusst und strahlte Autorität und Charisma aus, wie ein geborener Anführer.

Sie griff nach seinem Gewand, und zog es an. Sie war sich die ganze Zeit seiner eindringlichen Blicke bewusst. Der weiche Stoff schmiegte sich an ihren Körper. Seine Körperwärme war noch in dem Gewand gespeichert und jagte Liyah einen wohligen Schauer über den Rücken. Ihre Brüste fühlten sich seltsam schwer und straff an.

„Danke“, hauchte sie.

„Gern geschehen.“

Obwohl sie jetzt angezogen war, fühlte sie sich seinen Blicken immer noch genauso schutzlos ausgesetzt. Aus der Nähe sah er noch viel besser aus. Ein attraktiver Mann auf dem Höhepunkt seiner Kraft. Groß, muskulös und beeindruckend. Seine olivfarbene Haut schimmerte im Mondlicht und betonte seine straffen Muskeln.

Er reichte ihr die Hand. Liyah betrachtete sie schweigend. Der Augenblick zog sich hin, und die Luft schien vor Spannung zu vibrieren.

Sie kam seit vielen Jahren in die Oase und war hier noch nie einem Menschen begegnet. Warum traf sie ausgerechnet heute, am Vorabend ihrer Hochzeit, diesen unwiderstehlichen Fremden? Sie glaubte eigentlich nicht an Vorsehung, aber das musste Schicksal sein.

Morgen würde sich ihr Leben ändern, aber heute war noch nicht morgen …

Eine ganze Nacht lag vor ihr, eine Nacht voller Möglichkeiten.

Das letzte bisschen Freiheit, das ihr vermutlich für lange Zeit blieb.

Ohne noch länger darüber nachzudenken, legte sie ihre Hand in die des Fremden. Seine Hand war groß und warm und etwas rau. Die Tatsache, dass er auch zupacken und hart arbeiten konnte, fand sie irgendwie sexy.

Seine Finger schlossen sich um ihre, und er zog sie mit sich.

Sharif hatte sich gefragt, ob die Göttin, die in den dunklen Tiefen des Sees verschwunden war, vielleicht nur in seiner Fantasie existierte. Hatte er Halluzinationen?

Doch dann war sie wieder aufgetaucht, und ihre bronzefarbene Haut hatte geglänzt wie Satin, als das Wasser daran abperlte. Sie war ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ihre Hand in seiner war schmal und zart. Instinktiv fühlte er mit dem Daumen ihren Puls. Er ging genauso schnell wie sein eigener.

„Dich gibt es wirklich …“, sagte er wie zu sich selbst. Sie war zwar wieder angezogen, doch der Anblick ihrer langen, wohlgeformten Gliedmaßen hatte sich ihm fest eingeprägt, vermutlich für immer. Ihr Körper schien direkt einer erotischen Männerfantasie entsprungen zu sein, schlank und sportlich, aber mit schönen Rundungen an den richtigen Stellen. Sie hatte ein breites Becken, eine schmale Taille, lange Beine und einen wohlgeformten Hintern. Zwischen ihren Beinen wiesen dunkle Löckchen den Weg zu ihrer Weiblichkeit.

Und ihre Brüste …

Ihre Oberweite war größer als erwartet und absolut perfekt geformt. Die dunklen Spitzen brachten ihn fast um den Verstand.

Außerdem war sie erstaunlich groß, ihr Scheitel berührte fast sein Kinn.

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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