Heirat - nur aus Liebe!

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Als Dave Hunter von einer Geschäftsreise zurückkommt, erfährt er, dass er zwei kleine Töchter hat, von deren Existenz er bis heute nichts wusste. Nach dem Tod seiner Ex-Frau soll er sich jetzt um die Zwillinge kümmern. Verzweifelt bittet Dave seine Angestellte Jessica Bowles um Hilfe, da sie sich mit Kindern gut auskennt. Es dauert nicht lange, bis sich Jessica in Dave verliebt. Als er ihr jedoch einen Heiratsantrag macht, weil er eine Mutter für die Kinder braucht, will Jessica sofort ablehnen, bis ihr einfällt, dass sich Dave dann vielleicht eine andere sucht, die sofort Ja sagt. Mutig setzt Jessica alles auf eine Karte und heiratet Dave ...


  • Erscheinungstag 12.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759292
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Dave Jackson atmete tief durch, bevor er das Großraumbüro betrat. Mit versteinerter Miene ging er an den Schreibtischen vorbei auf sein Büro zu, das am anderen Ende des Raumes lag.

„Tut mir sehr leid für Ihre Frau“, sprach Jeff ihm von seinem Platz aus sein Beileid aus.

Julie Myers stand auf, als Dave an ihrem Schreibtisch vorbeiging. „Herzliches Beileid, Dave“, sagte sie mitfühlend.

Dave nickte nur und setzte schweigend seinen Weg fort. Er fühlte sich wie benommen und war froh, sich endlich in sein Büro zurückziehen zu können. Dave konnte kaum fassen, dass MaryEllen tot war. Dass man heutzutage noch an einer Lungenentzündung sterben konnte, war unglaublich.

„Geht es Ihnen gut, Dave?“, fragte seine Sekretärin Helen Walter besorgt.

Dave nickte matt. „Ich bin nur hundemüde, Helen. Diese Reise war der reinste Höllentrip. Wie ist die Stimmung im Büro?“

„Es tut allen sehr leid, was mit MaryEllen passiert ist, obwohl die meisten von uns sie nicht persönlich gekannt haben. Aber viele haben telefonisch Kontakt mit ihr gehabt, und alle wussten, dass sie Ihre Partnerin war.“

Dave nickte erneut, ging in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Ein großer Stapel Post lag auf dem Schreibtisch, und daneben befanden sich mehrere mit Notizzetteln beklebte Ordner. Obenauf lag ein großer Briefumschlag.

Dave stellte seinen Aktenkoffer hin und ließ sich erschöpft auf den Stuhl sinken. Dem herrlichen Blick auf San Francisco Bay, der sich ihm von seinem Fenster aus bot, konnte Dave heute nichts abgewinnen. Er war todmüde.

Da ging die Tür leise auf, und Helen kam herein. „Sie sind gerade erst angekommen, nicht wahr?“

„Ja. Ich bin vor einer Stunde gelandet und dann direkt hierher gefahren.“

„Geht es Ihnen wirklich gut?“, erkundigte sich Helen zum zweiten Mal. „Sie und MaryEllen haben in den letzten drei Jahren zwar getrennt gelebt, aber immerhin war sie Ihre Frau.“

Dave sah Helen müde an. „Sie wissen doch, dass unsere Ehe nur auf dem Papier bestand.“ Er atmete tief durch. „Brodelt die Gerüchteküche schon?“

Helen schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht. Im Grunde wissen alle, dass Sie beide nur geheiratet haben, um sich den Start von Jackson Associates zu erleichtern. Und da MaryEllen schon vor drei Jahren nach New York gezogen ist, haben viele unserer Angestellten sie gar nicht mehr gekannt.“

Dave nickte und nahm den Umschlag in die Hand. „Was ist das?“

„Ein Einschreiben für Sie, gestern gekommen. In den letzten zwei Wochen hat täglich einer von MaryEllens Rechtsanwälten angerufen, obwohl ich ihm ausdrücklich erklärt habe, weshalb wir Sie in Bangkok nicht erreichen konnten. Anscheinend hat er die Nachrichten nicht verfolgt, sonst hätte er von diesem schrecklichen Taifun gehört.“

Dave zog sein Jackett aus und hängte es über den Stuhl. „War jemand von uns bei MaryEllens Beerdigung?“

„Nein. Aber fast alle vom New Yorker Büro sind hingegangen. Bob Mason hat einen Bericht geschickt. Ich habe ihn in den oberen Ordner gelegt. Machen Sie sich keine Vorwürfe, weil Sie nicht zur Beerdigung kommen konnten, Dave. Gegen höhere Gewalt sind wir alle machtlos.“

„Und warum will dieser Rechtsanwalt mich so dringend sprechen?“, wechselte Dave absichtlich das Thema. Er wollte nicht daran erinnert werden, dass er es nicht rechtzeitig nach New York geschafft hatte. Er hatte alles versucht, doch das Schicksal hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber MaryEllen hätte sogar dafür Verständnis gehabt, ging es Dave durch den Sinn. Sie war die geborene Geschäftsfrau gewesen.

„Das hat er mir nicht gesagt. Er wollte Sie unbedingt persönlich sprechen. Ich habe ihm Ihre Telefonnummer von Bangkok mitgeteilt, damit er sich davon überzeugen konnte, dass Sie wirklich nicht erreichbar waren.“

„Danke, Helen.“

„Wenn Sie etwas brauchen, lassen Sie es mich wissen, ja?“

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, öffnete Dave den Umschlag. Dave war so müde, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Er war durch ein halbes Dutzend Zeitzonen geflogen und hatte vorher zwei schreckliche Wochen durchlebt. Schon auf dem Hinflug hatte es technische Schwierigkeiten gegeben, sodass man einen Zwischenstopp auf Wake Island hatte einlegen müssen, bevor man durch schwere Turbulenzen nach Bangkok geflogen war. Auf dem Flughafen hatte Dave schließlich erfahren, dass das Hotel, in dem er ein Zimmer hatte reservieren lassen, in der vorhergehenden Nacht abgebrannt war. Also hatte er sich nach einer neuen Unterbringungsmöglichkeit umsehen müssen und erst später Zeit gehabt, seine Mitarbeiter in San Francisco über seinen neuen Aufenthaltsort zu informieren.

Und dann, kurz bevor der Taifun zu wüten begonnen hatte, hatte Dave von MaryEllens Tod erfahren. Er hatte keine Möglichkeit gehabt, nach New York zu fliegen. Der Sturm war so stark gewesen, dass Flüge abgesagt werden mussten, Kommunikationssysteme und Stromversorgung zusammengebrochen und Straßen überflutet waren. Es hatte Tage gedauert, bevor alltägliche Aktivitäten wieder aufgenommen werden konnten. Und Tage, ehe Dave Helen hatte mitteilen können, dass er den ersten möglichen Flug nach Hause nehmen würde.

Es fiel Dave schwer, sich mit seinen widersprüchlichen Gefühlen in Bezug auf MaryEllen auseinanderzusetzen. Sie waren mehr als sechs Jahre miteinander verheiratet gewesen. Obwohl ihre Ehe nur eine Verbindung auf geschäftlicher Ebene gewesen war, war Dave MaryEllen immer freundschaftlich verbunden gewesen und hatte sogar auch einige Male mit ihr geschlafen. Dave schüttelte fassungslos den Kopf. MaryEllen war erst neunundzwanzig Jahre alt gewesen – viel zu jung zum Sterben. Und sie war so nahe daran gewesen, ihre Träume in Bezug auf Jackson Associates zu verwirklichen. Vor etwa einem Jahr hatte Dave MaryEllen zum letzten Mal gesehen – in Washington D.C., bei einem geschäftlichen Meeting. Aber er hatte fast täglich mit ihr telefoniert oder per E-Mail oder Fax Kontakt mit ihr gehalten.

Es war MaryEllens Idee gewesen, zu expandieren und in den europäischen Markt vorzustoßen. Sie hatte darauf bestanden, in New York eine Filiale zu eröffnen und dorthin zu ziehen. Von da an hatten sich die Dinge rasend schnell entwickelt. MaryEllen war die geborene Geschäftsfrau gewesen. Nach ihrem Umzug nach New York war sie kein einziges Mal mehr nach San Francisco zurückgekehrt, noch nicht einmal für einen kurzen Besuch. Dave hatte sie nicht vermisst. Jetzt würde er es tun – zumindest, was ihre geschäftliche Verbindung betraf.

Dave zog den Brief aus dem Umschlag und begann zu lesen. „Helen!“

Dave las den Brief zum zweiten und zum dritten Mal. Das konnte doch nicht wahr sein! „Helen!“, rief er aufgebracht.

Die Tür ging auf, und es erschien nicht Daves Sekretärin, sondern Jessica Bowles.

„Entschuldigen Sie, Dave. Helen ist gerade nicht an ihrem Platz. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“

Dave stand auf und hielt ihr das Schreiben hin. „Lesen Sie diesen Brief, und erklären Sie mir, was das zu bedeuten hat.“

Jessica trat, mit einem Ordner in der Hand, auf Dave zu. Sie hatte die ganze Zeit darauf gewartet, die GlobalNet-Fusion mit ihm zu besprechen. Und nun, da Helen nicht da war, wollte sie die Gelegenheit nutzen.

Während Jessica das Schreiben las, betrachtete Dave sie schweigend. Sie hatte gleich nach Beendigung ihrer Ausbildung vor zwei Jahren als Marketinganalytikerin in seinem Unternehmen zu arbeiten begonnen. MaryEllen hatte sie jedoch nicht persönlich gekannt.

Als Jessica zu Ende gelesen hatte, sah sie Dave verunsichert an. Warum hatte sie diesen Brief lesen sollen? „Offensichtlich möchten die New Yorker Rechtsanwälte, dass Sie nach New York kommen, um ihre beiden Kinder abzuholen“, sagte sie schließlich.

Dave schüttelte den Kopf und setzte sich wieder hin. „Ich soll Vater von Zwillingen sein, können Sie sich das vorstellen?“

Jessica wusste nicht so recht, was sie dazu sagen sollte. Offensichtlich hatte Dave nichts von der Existenz seiner Töchter gewusst. „Wussten Sie denn nicht, dass Sie Kinder haben?“, fragte sie verwundert.

„Ich hatte keine Ahnung.“ Dave griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer des Rechtsanwalts, doch niemand meldete sich.

„Es ist schon nach fünf Uhr in New York“, sagte Jessica. „Da wird niemand mehr im Büro sein.“

Dave legte frustriert auf. Wenn er tatsächlich der Vater dieser Mädchen war – warum hatte MaryEllen ihm dann nichts davon gesagt?

In diesem Moment kam Helen herein. „Sie haben nach mir gerufen, Chef?“

Dave nickte. „Hier. Lesen Sie das.“

Helens Augen wurden immer größer, als sie den Brief des Rechtsanwalts las. „Oh, herzlichen Glückwunsch, Dave!“, rief sie erfreut. „Sie sind Vater von Zwillingen!“

„Glauben Sie das wirklich?“

Helen wurde wieder ernst und sah ihn irritiert an. „Na ja, zumindest steht es hier.“

„Sie wissen, dass MaryEllen vor knapp drei Jahren nach New York gezogen ist. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht schwanger war, können die Kinder nicht von mir sein.“

„Das ist richtig.“ Helen biss sich nachdenklich auf die Lippe. „Haben Sie schon einen dieser Rechtsanwälte angerufen?“

„Gerade eben, aber es ist niemand mehr zu erreichen. Ich werde es morgen früh noch mal versuchen.“

„Ich könnte probieren, einen von ihnen zu Hause zu erreichen“, schlug Jessica vor.

„Das ist eine gute Idee“, erwiderte Dave. „Helen, versuchen Sie, die Privatnummern aller Anwälte von MaryEllen ausfindig zu machen.“

Nachdem Helen den Raum verlassen hatte, nutzte Jessica die Gelegenheit, um Dave ihre Arbeit zu zeigen. „Wahrscheinlich möchten Sie im Moment nicht damit belästigt werden, aber ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass wir die GlobalNet-Hochrechnung abgeschlossen haben“, begann sie eifrig. „Wenn alles nach unseren Vorstellungen verläuft, wird das Projekt ein Riesenerfolg werden.“

Dave nahm den Ordner entgegen und lehnte sich zurück. Jessica Bowles war der Inbegriff der jungen, aufsteigenden Karrierefrau. Sie trug ihr langes dunkles Haar stets hochgesteckt, war geschäftsmäßig-elegant gekleidet und trug eine Brille mit dunklen Rändern. Jessica besaß schöne große Augen mit langen, dichten Wimpern – viel zu schade, um sie hinter dieser Brille zu verstecken, wie Dave fand. Er ließ den Blick über Jessicas blaues Kostüm und die weiße Bluse gleiten. Typisch Geschäftsfrau – sie versteckte ihre weiblichen Reize hinter der kühlen Fassade aus Ehrgeiz und Gewissenhaftigkeit. War Jessica Bowles ebenso arbeitssüchtig wie MaryEllen es gewesen war?

Dave schlug den Ordner auf, doch er konnte sich nicht auf die Zahlen konzentrieren. War er tatsächlich der Vater von MaryEllens Zwillingen? War sie wirklich schwanger gewesen, als sie San Francisco verlassen hatte? Wenn ja, weshalb hatte sie ihm dann nichts gesagt?

Das Klingeln des Telefons riss Dave aus seinen Gedanken. Helen hatte tatsächlich einen der Rechtsanwälte erreicht.

„Apparat eins, Mr. Randall“, sagte sie, und Dave nahm ab.

„Wir versuchen schon seit einer Woche, Sie zu erreichen, Mr. Jackson“, erklang Mr. Randalls Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Meine Sekretärin hat Ihnen doch erklärt, weshalb ich nicht erreichbar war“, entgegnete Dave gereizt. „Ich bin erst vor wenigen Stunden zurück in die Staaten gekommen und habe gerade Ihren Brief gelesen. Was hat der Unsinn zu bedeuten?“

„Das ist kein Unsinn, Mr. Jackson. Ashley und Brittany sind Ihre Töchter.“

„Das ist nicht möglich. Meine Frau hat mir nie etwas von Kindern erzählt.“

„Das weiß ich, Mr. Jackson. Sie hat Ihnen die Existenz der Kinder absichtlich verschwiegen, weil sie befürchtete, Sie könnten darauf bestehen, dass sie zurück nach San Francisco kommt. Sie war nicht bereit, ihren Job aufzugeben, um zu Hause bei den Zwillingen zu bleiben.“

Dave schloss die Augen. MaryEllen hatte recht gehabt. Er hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie in San Francisco zu halten, wenn er von ihrer Schwangerschaft gewusst hätte. Und er hätte auch darauf bestanden, dass sie um der Babys willen beruflich zurücksteckte. Der Platz einer Mutter war seiner Meinung nach immer noch bei ihren Kindern.

Dave atmete tief durch, bevor er fragte: „Wie alt sind die beiden?“

„Sie sind vorigen Monat zwei Jahre alt geworden. Mrs. Jackson hat nach der Geburt der Zwillinge ausdrücklich erklärt, dass Sie der Vater ihrer Töchter sind und Sie nichts davon erfahren dürfen. Wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass Sie der Beerdigung beiwohnen und bei der Verlesung des Testaments dabei sein würden. Mrs. Jackson hat ihr gesamtes Vermögen ihren Töchtern hinterlassen, mit Ihnen als Treuhänder. Aber das werden wir alles noch eingehend besprechen, wenn Sie hier sind.“

„Wo sind die Mädchen jetzt?“, erkundigte Dave sich. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er Vater von zwei Töchtern sein sollte. Und er hatte keine Ahnung, wie man kleine Kinder versorgte.

„Wir wollten die Kinder nicht unbedingt in eine Pflegefamilie geben. Eine unserer Empfangsdamen hat sich bereit erklärt, sie so lange bei sich aufzunehmen, bis Sie von Ihnen abgeholt werden. Sie hat selbst Kinder und kommt sehr gut mit den beiden zurecht. Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, dass es so lange dauern würde.“

„Ich versuche, bis morgen früh bei Ihnen zu sein“, erklärte Dave kurz angebunden. „Auf Wiedersehen, Mr. Randall.“

„Ich werde sofort am Flughafen anrufen und einen Flug für Sie buchen“, sagte Helen, die zurückgekommen war und alles mitbekommen hatte. „Sind es tatsächlich Ihre Kinder?“

Dave atmete tief ein. „Allem Anschein nach, ja. Vom Alter her. MaryEllen hat bekräftigt, dass ich der Vater bin. Sie hat den beiden ihr ganzes Vermögen hinterlassen, und ich soll der Treuhänder sein.“ Dave schüttelte den Kopf. „Was für ein Drama! Warum hat sie mir bloß nichts davon erzählt?“

„Das ist nicht schwer zu erraten“, bemerkte Helen trocken. „Wären Sie damit einverstanden gewesen, dass MaryEllen in New York eine Filiale eröffnet, wenn Sie von ihrer Schwangerschaft gewusst hätten?“

Dave schüttelte den Kopf. „Ich verstehe überhaupt nichts von kleinen Kindern. Das kann ja heiter werden.“

„Sie werden auf jeden Fall jemanden brauchen, der Sie begleitet“, mischte Jessica, die die ganze Zeit geschwiegen hatte, sich unvermittelt ein. Sie besaß viel Erfahrung mit Kindern und wusste genau, wie schwierig es sein würde, zwei kleine Mädchen zu versorgen, die gerade ihre Mutter verloren hatten. „Selbst eine unerfahrene Person hätte mit einem Kleinkind im Flugzeug alle Hände voll zu tun, ganz zu schweigen, mit Zwillingen. Die Kinder werden sehr aufgeregt sein und wahrscheinlich auch nach ihrer Mutter weinen.“

Dave und Helen sahen Jessica erstaunt an.

Sie zuckte die Schultern. „Na ja, ich nehme doch an, dass Sie die Kinder zu sich holen werden, oder?“

„Wenn es tatsächlich meine sind, bleibt mir wohl nichts anderes übrig“, bestätigte Dave. „Hätten Sie vielleicht ein paar gute Ratschläge für mich?“, fragte er missmutig.

„Na ja, ich hatte früher viel mit Kindern zu tun. Aber wenn Sie diesbezüglich keinerlei Erfahrung haben, könnte es Probleme geben.“

Dave sah sie ungläubig an. Dieser Inbegriff von Karrierefrau sollte Erfahrung mit kleinen Kindern haben? Soweit Dave wusste, war Jessica Bowles nicht einmal verheiratet. „Wann hatten Sie denn mit Kindern zu tun?“, fragte er leicht spöttisch. „In einem anderen Leben?“

„So könnte man es nennen“, gab Jessica unbehaglich zu. Damals hatte sie wirklich ein anderes Leben geführt. Ein Leben, das sie nach ihrem College-Abschluss hinter sich zu lassen gehofft hatte. Die letzten beiden Jahre waren herrlich gewesen. Keine Kinder, auf die sie hatte aufpassen müssen. Kinder, die ihr ans Herz gewachsen waren und von denen sie sich wieder hatte trennen müssen. Jessica genoss es, für Jackson Associates zu arbeiten, und hatte große Pläne für die Zukunft. Und Kinder passten nicht in ihre Pläne.

„Jessica hat recht, Dave“, bestätigte Helen. „Sie werden jemanden brauchen, der Ihnen auf dem Rückflug mit den Kindern hilft. Ich werde versuchen, eine geeignete Person zu finden, die Sie nach New York begleiten kann. Sie werden auch ein Kindermädchen oder eine Haushälterin einstellen müssen. Allerdings wird es schwierig sein, so kurzfristig jemand Geeignetes zu finden.“

„Versuchen Sie es“, wies Dave Helen an. „Und sorgen Sie bitte auch dafür, dass Sie so schnell wie möglich einen Flug nach New York für mich bekommen. Am besten noch heute Abend.“

Jessica stand auf. „Soll ich Ihnen meine Ideen für das GlobalNet-Projekt erläutern, während Sie auf Helens Nachricht warten? Dann könnte ich schon mit der Arbeit beginnen, während Sie in New York sind. Das heißt, natürlich nur, falls Sie meinen Vorschlägen zustimmen.“

Die Arbeit steht bei ihr an erster Stelle, dachte Dave gereizt. Und an letzter. Wie bei MaryEllen. Er atmete tief durch. „Also gut, sehen wir uns die Sache an.“

Eine Dreiviertelstunde später lehnte Dave sich in seinem Stuhl zurück. Jessica hatte hervorragende Arbeit geleistet. Obwohl sie bei ihren Erläuterungen immer wieder auf die Kompetenz ihres Teams verwiesen hatte, wusste Dave, dass alle nach ihrer Anleitung arbeiteten. Als er Jessica vor zwei Jahren eingestellt hatte, hatte er damit gerechnet, dass Jessica sich als ausgezeichnete Mitarbeiterin erweisen würde.

„Sie stimmen meinen Vorschlägen also zu?“, fragte sie aufgeregt.

„Ja“, bestätigte Dave. „Sie haben hervorragende Arbeit geleistet.“

Da lächelte Jessica so strahlend, dass Dave ein seltsames Prickeln überkam. Ihre Augen waren so schön, dass Dave sich fragte, wie sie wohl ohne diese Brille aussehen würde. Und mit offenem Haar, das ihr weich auf die Schultern fiel.

In diesem Moment kam Helen herein. „Ich habe zwei Plätze für den Flug um dreiundzwanzig Uhr dreißig reserviert. Aber ein Kindermädchen konnte ich leider noch nicht ausfindig machen. So kurzfristig konnte keine Agentur jemanden vermitteln. Das wäre frühestens Anfang nächster Woche möglich, hat man mir gesagt.“

Dave atmete tief durch. Also hatte er noch genügend Zeit, um nach Hause zu fahren, zu duschen und sich den lang ersehnten Scotch zu gönnen. Die Arbeit im Büro konnte er an sein Team delegieren, aber wie er das Problem mit den Zwillingen lösen sollte, wusste er noch nicht.

„Vielleicht könnte Jessica Sie begleiten“, schlug Helen unvermittelt vor. „Sie hat doch gesagt, sie habe Erfahrung mit Kindern.“

„Wie bitte?“ Jessica sah Helen zuerst verblüfft an, dann schüttelte sie heftig den Kopf. „Das kommt überhaupt nicht infrage. Ich habe mir geschworen, nie wieder den Babysitter zu spielen. Nicht einmal für eine Stunde möchte ich die Kinder fremder Leute hüten!“

Dave und Helen sahen sie entgeistert an. Jessica war klar, dass sie völlig überreagiert hatte. Aber sie würde hart bleiben. Sie war Marktinganalytikerin und kein Kindermädchen. Hatte Dave nicht eben noch ihre Arbeit gelobt? Sie hatte Besseres zu tun, als die Kinder ihres Chefs zu hüten.

„Du müsstest die Kinder ja nicht hüten“, sagte Helen beschwichtigend. „Nur Dave helfen, sie während des Fluges zu betreuen. Er braucht deinen Sachverstand.“

Jessica schüttelte den Kopf. Das alte Gefühl der Hilflosigkeit stieg wieder in ihr auf. Warum erwartete jeder von ihr, dass sie sich um Kinder kümmerte? Was war mit ihren eigenen Bedürfnissen? Hatte sich jemals ein Mensch gefragt, was sie wollte und brauchte, um sich als ganzer Mensch zu fühlen? Sie war mehr als ein kompetentes Kindermädchen, und das konnte sie auch beweisen!

Dave rieb sich nachdenklich das Kinn. „Der Vorschlag ist nicht schlecht. Es wäre ja nur ein kurzer Trip. Das GlobalNet-Projekt könnten wir im Flugzug besprechen. Und während des Rückflugs geben Sie mir Anweisungen, wie ich mit den Kindern umgehen soll. Betrachten Sie diese Sache einfach als Teil Ihres Jobs.“

„Das ist aber nicht Teil meines Jobs!“, protestierte Jessica erneut. Sie wollte Dave gegenüber nicht ihre Grenzen überschreiten, aber sich musste ihren Standpunkt klar zum Ausdruck bringen und sich dagegen wehren, zum Babysitter abgestuft zu werden, nur weil sie eine Frau war.

„In ihrem Arbeitsvertrag steht die Klausel, dass Ihnen auch andere Arbeiten als üblich zugewiesen werden können, falls sie dringend notwendig sind“, erklärte Dave jedoch unbeirrt. „Und das ist eine dringend notwendige Arbeit. Ich brauche Hilfe, und außer Ihnen kann mir im Moment niemand diese Unterstützung bieten.“

Jessica sah Helen bittend an. „Du bist seine Sekretärin. Kannst du ihn nicht begleiten?“

„Leider nicht. Ich habe eine behinderte Mutter, die man nachts nicht allein lassen kann. Außerdem verstehe ich nicht mehr von Kindern als Dave selbst.“

„Ich bin als Marketinganalytikerin eingestellt worden und nicht als Kindermädchen!“, erklärte Jessica trotzig.

Dave sah sie eindringlich an. Allmählich begann ihre strikte Weigerung ihn zu ärgern. „Sie wissen, dass ich bekanntlich alle nur erdenklichen Fähigkeiten meiner Mitarbeiter nutze. Und Sie sind die Einzige, die mir in diesem Fall helfen kann.“

„Aber …“

„Wir treffen uns am Flughafen“, unterbrach Dave sie in einem Ton, der keinen Widerspruch mehr duldete. „Helen, geben Sie ihr die notwendigen Daten. Ich gehe jetzt nach Hause.“ An der Tür drehte er sich noch einmal nach Jessica um. „Und kommen Sie nicht zu spät.“

Jessica sah fassungslos zu, wie er die Tür hinter sich schloss. Am liebsten hätte sie ihm vor Zorn den Ordner hinterhergeworfen!

Helen berührte sie besänftigend am Arm. „Ich weiß, wie dir zumute ist, Jessica. Aber er braucht dich wirklich, und es ist ja nur für einen Tag.“

Jessica seufzte und ging zurück in ihr Büro. Als sie für Jackson Associates zu arbeiten begonnen hatte, hatte sie gehofft, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Und nun bürdete man ihr schon wieder Kinder auf! Jessica atmete tief durch. Vielleicht sollte sie versuchen, die Sache von der positiven Seite zu sehen. Zwei kleine Mädchen zu betreuen würde ihr nicht schwerfallen. Und auf dem Hinflug würde sie außerdem Gelegenheit haben, mit Dave ausgiebig über das GlobalNet-Projekt zu sprechen und ihm vielleicht auch noch einige ihrer anderen Ideen zu unterbreiten.

Jessica steckte die Unterlagen in ihre Aktentasche und ging nach Hause, um alles Notwendige für die Reise vorzubereiten.

Dave lag auf dem Sofa und blickte auf die Wanduhr. In zehn Minuten musste er gehen. Der Scotch hatte seine innere Anspannung nicht zu lösen vermocht. Und geschlafen hatte Dave auch nicht, da er befürchtete hatte, nicht rechtzeitig wach zu werden und seinen Flug zu verpassen. Er würde eben im Flugzeug schlafen müssen.

Daves Gedanken kehrten zurück zu Jessica Bowles. Bisher hatte er sie, außer was ihre Arbeit betraf, kaum beachtet. Sie machte ihren Job sehr gut und hatte auch schon eine Beförderung hinter sich. Vor Kurzem war sie zur Projektmanagerin für GlobalNet ernannt worden. Jessica Bowles war kompetent, tüchtig und außerordentlich zuverlässig.

Ihr heftiger Protest und Gefühlsausbruch am Nachmittag hatte Dave überrascht. Ein solches Verhalten passte nicht zu Jessica Bowles. Sie war eine angenehme Mitarbeiterin und hatte noch nie zuvor eine Arbeit verweigert. Er hatte sie lediglich darum gebeten, ihm bei der Betreuung zweier Kinder während des Rückflugs von New York zu helfen, und Jessica war regelrecht in die Luft gegangen. Dave fragte sich, warum.

Vielleicht werde ich es ja während des Flugs herausfinden, dachte er und stand auf. Er hatte ausgiebig geduscht und einen frischen Anzug angezogen. Bequeme Kleidung für den Rückflug hatte er in den Koffer gepackt. Dave hatte vor, direkt vom Flughafen aus zum Büro des Anwalts zu fahren und nach Erledigung aller Formalitäten dann die Kinder abzuholen.

Seine Kinder – wie hatte MaryEllen ihm nur die Existenz seiner Töchter verschweigen können? Hatte sie tatsächlich befürchtet, er würde darauf bestehen, dass sie zurück nach San Francisco kommt? Und selbst wenn – wäre das so schlimm gewesen? Für MaryEllen bestimmt, beantwortete Dave sich selbst die Frage. Sie war eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau gewesen, und die Karriere war für sie das Wichtigste im Leben gewesen – sogar wichtiger als ihre Kinder.

Dave stand auf, nahm seinen Koffer und verließ die Wohnung.

Jessica saß in der Wartezone des Flugsteigs und blätterte in einer Illustrierten. Sie ärgerte sich zwar darüber, dass Dave sie gezwungen hatte mitzukommen, doch sie war professionell genug, um auch diese Aufgabe gewissenhaft zu erledigen. Da sie vom Flughafen aus direkt zur Anwaltskanzlei fahren würden, hatte sie ein graues Kostüm und eine weiße Bluse angezogen. Das Kostüm knitterte nicht, und so würde sie, Jessica, auch am nächsten Morgen noch passabel aussehen.

Als Jessica den Blick hob, entdeckte sie Dave unter den Leuten, die gerade in die Wartezone kamen. Schon als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, war ihr aufgefallen, wie gut Dave aussah. Er besaß dichtes dunkles Haar, eine sportliche Figur und ein ausdrucksvolles Gesicht. Kein Wunder, dass etliche Frauen die Köpfe nach ihm wandten.

Als Dave auf sie zukam, verspürte Jessica plötzlich ein elektrisierendes Prickeln in der Magengegend. Warum war sie denn mit einem Mal nervös? Sie kannte Dave schließlich schon seit zwei Jahren. Oder sah sie ihn nun etwa mit anderen Augen, weil er nicht mehr verheiratet war? Jessica versuchte, sich von ihrer Aufregung nichts anmerken zu lassen, und lächelte provozierend.

„Ich bin hier, Sir. Wie bestellt.“

Er nahm neben ihr Platz und lächelte spöttisch. „Sie sollten nicht vergessen, wer der Boss ist, Miss Bowles.“

Jessica erwiderte fest seinen Blick. „Das vergesse ich ganz bestimmt nicht.“

„Das will ich auch hoffen.“

Jessica kniff verärgert die Lippen zusammen und wandte sich wieder ihrer Zeitschrift zu.

Autor

Barbara Mc Mahon
Barbara McMahon wuchs in einer Kleinstadt in Virginia auf. Ihr großer Traum war es, zu reisen und die Welt kennenzulernen. Nach ihrem College-Abschluss wurde sie zunächst Stewardess und verbrachte einige Jahre damit, die exotischsten Länder zu erforschen. Um sich später möglichst genau an diese Reisen erinnern zu können, schreib Barbara...
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