Im Bann des spanischen Herzogs

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Hasserfüllt funkelt Felicity den arroganten Herzog Vidal y Salvadores an. Der stolze Spanier soll dafür büßen, was er ihrer Familie angetan hat! Doch ein Blick in seine glutvollen Augen lässt Felicity erschauern. Erliegt sie Vidals Sex-Appeal? Oder sinnt sie weiter auf Rache?


  • Erscheinungstag 19.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777890
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Felicity!“

Die Stimme des dunkelhaarigen, aristokratisch wirkenden Mannes, der aus einer geschätzten Höhe von einem Meter neunzig auf Felicity herabschaute, klang völlig emotionslos. Eine freundliche Begrüßung klang anders. Doch auch ohne die Missbilligung und den deutlichen Widerwillen, der sich auf seinem Gesicht spiegelte, hätte Felicity gewusst, dass Vidal y Salvadores, Herzog von Fuentualba, es niemals gutheißen würde, dass sie es wagte, ihren Fuß auf den Boden seiner Heimat zu setzen. Dass es gewissermaßen auch ihre Heimat war, schien dabei nebensächlich.

Für die Reise nach Spanien hatte sie ihren ganzen Mut zusammennehmen müssen, ein Entschluss, der sie viele schlaflose Nächte gekostet hatte. Aber das würde Vidal natürlich nie erfahren.

Ihr Magen rebellierte, ihr Herz hämmerte, ihr Puls raste. Nicht schon wieder daran denken! Nicht ausgerechnet jetzt, wo sie ihre ganze Kraft brauchte. Weil sie wusste, dass diese Kraft dahinschwinden würde wie Tau in der heißen andalusischen Morgensonne, wenn sie diesen zutiefst beschämenden Erinnerungen freien Lauf ließe.

Plötzlich erschien es Felicity, als ob sie sich noch nie in ihrem ganzen Leben mehr nach der tröstlichen Liebe ihrer Mutter – oder wenigstens nach der aufmunternden Gesellschaft ihrer drei besten Freundinnen – gesehnt hätte. Aber sie war allein. Obwohl ihre Freundinnen zum Glück nicht tot waren wie ihre Mutter, lebten sie doch aus beruflichen Gründen über die ganze Welt verstreut. Nur Felicity selbst war in ihrer Heimatstadt in England geblieben, wo sie als stellvertretende Geschäftsführerin eines großen Touristikunternehmens arbeitete, eine verantwortungsvolle, fordernde Aufgabe.

Und so arbeitsintensiv und kräftezehrend, dass ihr keine Zeit für die Liebe blieb?

Darüber nachzudenken war ungefähr so, wie in einem schmerzenden Zahn herumzubohren. Da war es immer noch besser, sich zu fragen, warum sie die vielen Überstunden, die sie im Lauf des Jahres angesammelt hatte, für die Reise nach Spanien nutzte, obwohl ihre Anwesenheit bei der Testamentseröffnung gar nicht erforderlich war. Und Vidal passte es sowieso nicht, dass sie gekommen war.

Vidal.

Wenn sie bloß vor ihrer eigenen Vergangenheit davonlaufen könnte. Wenn sie bloß nicht durch eine unauslöschliche Scham an ihre Vergangenheit gekettet wäre. Wenn sie bloß … Es gab so viele Wenn-Danns in ihrem Leben – viel zu viele – und die meisten hatte sie Vidal zu verdanken.

Als er durch die Menschenmenge, die sich in der heißen Ankunftshalle des Flughafens staute, noch einen Schritt auf sie zu machte, erstarrte sie. Sie fühlte sich wie gelähmt, und ihr Kopf war so leer, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte.

Es war sieben Jahre her, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, trotzdem hatte sie ihn auf Anhieb wiedererkannt. Etwas anderes wäre auch undenkbar gewesen, weil sich seine Gesichtszüge unauslöschlich in ihr Gehirn eingebrannt hatten, ganz zu schweigen von ihrer Seele. So tief und schmerzhaft, dass die Wunden bis heute nicht verheilt waren.

Hör sofort auf, ermahnte sich Felicity. Vidal hatte längst keine Macht mehr über sie, nicht die geringste. Um sich das zu beweisen, war sie schließlich gekommen.

„Es wäre nicht nötig gewesen mich abzuholen“, sagte sie, wobei sie sich zwang, ihm in die Augen zu sehen. In diese topasfarbenen Augen, die damals ihren Stolz und ihre Würde in Fetzen gerissen hatten.

Wieder krampfte sich ihr der Magen schmerzhaft zusammen, während sie beobachtete, wie sich sein fast zu schönes aristokratisches Gesicht hochmütig anspannte. Im Licht der gleißenden Spätnachmittagssonne schaute er mit verächtlich verzogenen Mundwinkeln auf sie herunter. Da Felicity nur knapp ein Meter sechzig war, musste sie den Kopf in den Nacken legen, um seinem Blick zu begegnen.

Sie fühlte sich ausgelaugt von der Reise, und es war so heiß, dass sie gern ihr schulterlanges Haar im Nacken angehoben hätte, um sich etwas Kühlung zu verschaffen, aber sie ließ es lieber. Obwohl sie bereits zu spüren meinte, dass sich die sorgfältig arrangierten Strähnen, die ihr Gesicht umspielten, zu kräuseln begannen. Soviel zu ihren zeitraubenden Anstrengungen, makellos elegant zu erscheinen. Felicity bevorzugte einen lässigen Kleidungsstil und trug ausgewaschene Jeans, die sie mit einem legeren weißen Baumwolltop kombiniert hatte. Ihr leichtes sportliches Sakko, das sie beim Abflug angehabt hatte, befand sich jetzt in ihrer großen Umhängetasche aus Leder.

Vidal runzelte gereizt die Stirn, als er spürte, dass sein Blick unweigerlich von der windzerzausten Sinnlichkeit ihres weizenblonden Haars angezogen wurde. Weil es ihn sofort wieder an diese empörende Begebenheit vor sieben Jahren erinnerte. Damals hatte sie sich, rücklings im Schlafzimmer ihrer Mutter auf deren Bett liegend, mit einem Jüngling vergnügt, als Vidal und ihre Mutter unvermutet hereingeplatzt waren.

Wütend riss Vidal seinen Blick los. Was wollte sie hier? Sie war unerwünscht. Hatte sie das immer noch nicht begriffen? Mit ihren inakzeptablen Moralvorstellungen verstieß sie gegen alles, was ihm heilig war. Oder etwa nicht?

Die Szene, deren unfreiwilliger Zeuge er damals geworden war – eine Sechzehnjährige, die schamlos ihre Sinnlichkeit zur Schau gestellt hatte –, hätte ihn eigentlich abstoßen müssen. Und das war natürlich auch so gewesen, nur dass ihn gleichzeitig dieser messerscharfe Blitz der Begierde getroffen hatte, der ihn zutiefst in seinem Stolz verletzt hatte. Das war eine schmerzhafte Niederlage gewesen.

Zugegeben, sie war ihm damals unter die Haut gegangen, aber er durfte nicht zulassen, dass sie sich wieder in sein Herz stahl.

Ich hätte nicht herkommen dürfen, schoss es Felicity durch den Kopf. Denn immerhin hatte sie ja gewusst, dass sie ihn hier treffen würde. Ebenso wie sie wusste, was er über sie dachte. Aber wie hätte sie darauf verzichten sollen zu kommen? Wie hätte sie sich diese letzte Chance, etwas über ihren Vater zu erfahren, entgehen lassen können?

Im Unterschied zu ihr schien Vidal die Hitze überhaupt nichts auszumachen. Er wirkte makellos in seinem sandfarbenen Anzug und dem hellblauen Hemd. Der Anzug – ein Farbton, der nur Südländern wirklich stand – betonte seine topasgoldenen Augen … Raubtieraugen, bedrohlich, grausam, kalt. Augen, die Felicity seit Jahren in ihren schlimmsten Träumen verfolgten.

Aber sie war fest entschlossen, sich keine Blöße zu geben. Sie würde unter diesem vernichtenden Blick nicht zusammenschrumpfen vor Angst, sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Obwohl es zweifellos ein Schock gewesen war, ihm hier so plötzlich und unerwartet gegenüberzustehen. Damit hätte sie zuallerletzt gerechnet.

„Sie haben sich kein bisschen verändert, Vidal“, sagte sie, ihren ganzen Mut zusammennehmend. „Und wie sich unschwer ersehen lässt, ist Ihnen meine schiere Existenz immer noch ein Gräuel. Dabei sind Sie genau genommen ja nicht ganz unschuldig daran, dass es mich gibt. Wenn Sie meine Eltern damals nicht verpetzt hätten …“

„Man hätte ihnen sowieso nie erlaubt zu heiraten.“

Das war die traurige Wahrheit, wie Felicity von ihrer Mutter wusste. Aber klein beigeben würde sie trotzdem nicht.

„Mit etwas mehr Zeit hätten sie bestimmt einen Weg gefunden.“

Vidal wandte den Blick ab, geplagt von Erinnerungen, die er allzu gern aus seinem Gedächtnis gelöscht hätte. Er konnte es immer noch hören, wie er damals – als Siebenjähriger – seiner Großmutter in aller Unschuld erzählt hatte, dass sich sein Kindermädchen und sein Adoptivonkel Felipe in der Alhambra getroffen hatten. Das war ein schwerer Fehler gewesen, wie er im Nachhinein hatte feststellen müssen, weil dadurch die heimliche Liebelei zwischen Felipe und seinem Au-pair ans Licht gekommen war.

Seine Großmutter hatte den Braten natürlich sofort gerochen. Felipe war der Sohn ihrer besten Freundin, einer Witwe aus verarmtem Adel, den sie nach deren Tod adoptiert und wie einen leiblichen Sohn großgezogen hatte. Deshalb wäre es schlicht undenkbar gewesen, wenn sie Felipe jemals gestattet hätte, unter seinem Stand zu heiraten.

Trotzdem hatte Vidal wegen dieser Sache bis zum heutigen Tag Schuldgefühle, auch wenn er entschlossen war, sich nichts anmerken zu lassen.

„Eine Heirat zwischen den beiden wäre undenkbar gewesen“, wiederholte er kalt.

In Felicity brodelte es. Die medizinische Todesursache bei ihrer Mutter war Herzversagen gewesen, aber wer konnte schon mit Bestimmtheit sagen, dass dieses Herzversagen nicht von einem gebrochenen Herzen herrührte? Ihre Mutter war bei ihrem Tod erst siebenunddreißig Jahre alt gewesen und Felicity mit achtzehn noch fast ein Mädchen, aber jetzt war sie dreiundzwanzig und erwachsen.

War die leichte Röte, die sich auf sein Gesicht legte, womöglich ein Hinweis darauf, dass er sich schuldig fühlte? Ganz sicher nicht. Zu solchen Gefühlen war dieser Mann nicht fähig. Er hatte überhaupt keine Gefühle. Das gestattete ihm seine stolze Herkunft, sein wertvolles blaues Blut nicht, das sich bei einem seiner Vorfahren angeblich mit dem Blut einer maurischen Prinzessin vermischt hatte, die jener hochwohlgeborene Kastilier – und Erzfeind der Familie der maurischen Prinzessin – begehrt hatte. Deshalb hatte er sie ihrer Familie kurzerhand geraubt und mit nach Hause genommen. Wenig später war die Unglückliche schwanger geworden und hatte einen Sohn zur Welt gebracht, den der kastilische Herzog seiner rechtmäßigen Ehefrau übergeben hatte. Die arme Prinzessin war vor Kummer über den Verlust ihres Kindes gestorben.

Als Felicity diese Geschichte zum ersten Mal gehört hatte, waren ihr prompt die Ähnlichkeiten mit dem gegenwärtigen Herzog aufgefallen. Beide Männer fanden es völlig legitim, die Gefühle ihrer Mitmenschen mit Füßen zu treten. Sie gingen in ihrer Selbstherrlichkeit davon aus, dass ihre vornehme Abstammung ihnen das Recht gab, sich rücksichtslos über die Interessen anderer hinwegzusetzen. Sie verurteilten andere Menschen, ohne diesen die Möglichkeit zur Verteidigung zu geben. Sie maßten sich Rechte an, die ihnen nicht zustanden, so wie Vidal es sich angemaßt hatte, ihr, Felicity, den Kontakt zu ihrem Vater zu verweigern, nur weil sie in seinen Augen nicht gut genug war, um zur Familie zu gehören.

Mein Vater. Felicity ließ sich die beiden Worte auf der Zunge zergehen. Die Intimität, die darin mitschwang, hatte etwas Schwindelerregendes. Felicity hatte in ihrem Leben viel Zeit damit verbracht, sich ihren Vater auszumalen und sich vorzustellen, wie es wohl sein mochte, ihn eines Tages kennenzulernen. Zuhause in ihrer kleinen Eigentumswohnung hatte sie noch heute einen Karton mit Briefen, die sie ihrem Vater im Lauf ihres Lebens geschrieben, aber nie abgeschickt hatte. Briefe, die sie vor ihrer Mutter versteckt hatte, aus Angst ihr wehzutun. Briefe, die nicht für ihren Adressaten bestimmt gewesen waren – bis auf diesen einen Brief.

Vidal hatte verhindert, dass sie ihren Vater kennenlernte. Während ihr Vater am Ende seines Lebens zumindest versucht hatte, etwas wiedergutzumachen, indem er ihr sein Haus vererbt hatte.

„Weshalb sind Sie gekommen, Felicity?“

Felicity hob trotzig das Kinn.

„Das wissen Sie. Ich bin wegen meinem Erbe hier.“

Während sie sprach, spürte Felicity, wie wieder dieses unangenehme Gefühl in ihr aufstieg, das Ergebnis der Zurückweisung durch die Familie ihres Vaters war. Und Vidal war für sie die personifizierte Zurückweisung. Vidal, der sie durch das, was er getan hatte, viel mehr verletzt hatte als ihr Vater selbst.

Vidal. Felicity drängte die Gefühle zurück, die sie zu überwältigen drohten. In Wahrheit war sie nicht wegen des materiellen Nutzens gekommen, den sie aus dem Testament ihres Vaters zog, sondern um ihren Triumph auszukosten. Obwohl sie das natürlich nie zugeben würde.

„Das wäre nicht nötig gewesen, Felicity. Soweit ich weiß, haben Ihnen meine Anwälte mitgeteilt, dass Ihre Anwesenheit entbehrlich ist.“

„So entbehrlich wie ich und meine Mutter Ihrer Meinung nach im Leben meines Vaters waren. Wie arrogant muss man eigentlich sein, um sich das Recht anzumaßen, so etwas zu entscheiden? Aber Sie sind es ja gewohnt, Entscheidungen für andere zu treffen. Sie halten sich für wertvoller als andere Menschen, aber das ist ein großer Irrtum. In Wirklichkeit sind Sie nämlich trotz Ihrer vornehmen Herkunft weniger wert als der ärmste Bettler auf Granadas Straßen. Sie bilden sich ein, etwas Besseres zu sein, dabei sind Sie eine armselige Figur. Weil Sie nämlich unfähig sind, Mitgefühl oder Verständnis zu haben. Sie wissen offenbar nicht einmal, was es heißt, ein Mensch zu sein.“

Vidal spürte, dass ihm vor Wut alles Blut aus dem Gesicht wich. Was nahm sie sich heraus? Wie konnte ausgerechnet sie es wagen, ihn so unflätig zu beschimpfen?

„Sie haben doch überhaupt keine Ahnung“, knurrte er wütend.

„Und ob ich eine Ahnung habe. Ich weiß nämlich einiges von Ihnen“, konterte Felicity. „Weil Sie riesige Ländereien in Spanien und in Südamerika besitzen, führen Sie sich auf wie ein Feudalherr und erwarten, dass die ganze Welt nach Ihrer Pfeife tanzt. Genau genommen habe ich es doch Ihnen zu verdanken, dass ich meinen Vater nie kennenlernen durfte.“

„Und jetzt sind Sie gekommen, um sich zu rächen?“

„Ich will keine Rache“, erwiderte Felicity. „Aber Ihre Strafe bekommen Sie trotzdem. Ihr Charakter wird nämlich verhindern, dass Sie wahre Liebe kennenlernen werden. Sie werden nie erfahren, wie es sich anfühlt, glücklich zu sein, weil Sie dazu gar nicht fähig sind. Das ist meine Rache. Sie sind unfähig zu lieben, und deshalb werden Sie auch nie geliebt werden. Doch das Schlimmste ist, dass Sie nicht einmal merken werden, was Ihnen fehlt.“

Sein langes Schweigen wäre auch ohne den verächtlichen Blick, den er ihr zuwarf, schlimm genug gewesen. Aber sie war nicht ihre sanfte, verletzliche Mutter.

„Hat Ihnen nie jemand gesagt, dass es gefährlich sein kann, solche Prophezeiungen zu machen?“

„Ich fürchte mich nicht. Und vielleicht macht es mir ja auch nichts aus, mir Scherereien einzuhandeln“, erwiderte Felicity. „Außerdem, was kann mir nach allem, was Sie mir angetan haben, schon noch passieren?“

Mehr durfte sie nicht preisgeben, das wusste Felicity. Sie durfte ihm die Wunden nicht zeigen, die er ihr zugefügt hatte. Ihr Leben hatte sich dadurch für immer verändert, und das war allein seine Schuld. Aber jetzt war nicht der richtige Moment, um an ihre Verletzungen zu denken. Und Vidal würde nie mehr darüber erfahren, weil sie ihm diese Genugtuung nicht gönnte.

Vidal bemühte sich ruhig zu bleiben. „Lassen Sie sich eins gesagt sein“, verkündete er grimmig, wobei er jedes Wort sorgfältig abwog. „Falls ich irgendwann heiraten sollte, wird meine Ehefrau mit Sicherheit nicht so sein wie …“

„Ich?“, unterbrach Felicity ihn mit beißendem Hohn.

„Ganz recht. Kein Mann wünscht sich nämlich ein Flittchen zur Ehefrau.“

In seinem Ton schwang kalte Wut mit. Aber Felicity ließ sich nicht einschüchtern, sondern verspürte sogar fast so etwas wie Hochstimmung. Und Erregung. Sie hatte Lust, ihn so lange zu reizen, bis er die Kontrolle verlor. Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken. Vidal war ein temperamentvoller Südländer, der sich allerdings erstaunlich gut im Griff hatte. Die Frau, der es gelang, ihn aus der Reserve zu locken, würde genauso temperamentvoll sein müssen wie er. Und im Bett würde er …

Völlig schockiert rief Felicity sich zur Ordnung. Ihr brannten die Wangen. Wie kam sie dazu, so etwas zu denken?

„Aber was soll’s“, sagte er kalt. „Auf jeden Fall wäre es nicht nötig gewesen zu kommen.“

„Sie meinen, es passt Ihnen nicht, dass ich hier bin“, stellte Felicity klar. „Nur falls es Ihnen entgangen sein sollte: Ich bin nicht mehr sechzehn, und niemand kann mir vorschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe. So, und jetzt bitte ich Sie, mich zu entschuldigen, ich will nämlich in mein Hotel. Die Fahrt zum Flughafen hätten Sie sich sparen können. Ich finde meinen Weg auch allein“, erklärte sie entschieden. „Wir haben nichts zu bereden, was nicht bis zur Testamentseröffnung morgen warten könnte.“

Als sie an ihm vorbeigehen wollte, streckte er blitzschnell die Hand nach ihr aus und hielt sie fest. Felicity sah, wie sich seine sehnigen sonnengebräunten Finger um ihren Unterarm schlossen. Felicity spürte, wie ihre Haut unter seiner Berührung heiß wurde und anfing zu kribbeln. Ihr Puls begann zu rasen.

„Lassen Sie mich los“, fauchte sie, aber sie erntete nur einen finsteren Blick.

„Ich wüsste nicht, was ich lieber täte, glauben Sie mir. Leider besteht meine Mutter darauf, dass Sie bei uns wohnen. Deshalb fürchte ich, dass ich Ihnen diesen Gefallen nicht tun kann.“

„Wie bitte?“ Sie schaute ihn ungläubig an.

„Sie ist extra von unserem Landsitz in die Stadt gekommen, um Sie kennenzulernen.“

„Um mich kennenzulernen?“ Felicity warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Soll das ein Witz sein? Nachdem sich Ihre Familie dreiundzwanzig Jahre lang geweigert hat, meine Existenz zur Kenntnis zu nehmen?“

Vidal verzog keine Miene. „Sie hätten sich vorher überlegen sollen, was passiert, wenn Sie hier auftauchen. Aber Besonnenheit scheint nicht Ihre Stärke zu sein.“

Felicity hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt, aber sie wagte nicht einmal, ihn anzusehen. Weil klar war, worauf er anspielte.

„Ich habe aber kein Bedürfnis danach, Ihre Mutter kennenzulernen. Ich habe mir ein Hotelzimmer …“

„Wir werden es stornieren.“

Nein, das konnte sie nicht … und sie würde es auch nicht tun. Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Felicity wollte widersprechen, doch es war zu spät. Er hatte ihr bereits eine Hand unter den Ellbogen geschoben und lotste sie zum Ausgang. Eine plötzliche Bewegung in der Menschenmenge brachte sie noch enger an seine Seite. Als ihr Schenkel für einen flüchtigen Moment in Tuchfühlung mit seinem harten muskulösen Bein kam, spürte sie die Hitze, die sein Körper abstrahlte. Schlagartig wurde ihr Mund trocken. Ihr Herz hämmerte, während sie von quälenden Erinnerungen heimgesucht wurde.

Nachdem sie die Ankunftshalle verlassen hatten, gingen sie durch die heiße Sonne in Richtung Parkplatz. Felicitys Gesicht glühte.

„Sie sollten eine Kopfbedeckung tragen“, brummte Vidal, während er sie ärgerlich musterte. „Ihre helle Haut ist viel zu empfindlich für die starke Sonne.“

Felicitys Wangen glühten noch mehr – was nicht allein von der Hitze kam. „Mein Hut ist im Koffer“, gab sie zurück. „Ich konnte schließlich nicht ahnen, dass man mich kidnappt und zwingt, erst in einer heißen Halle herumzustehen und dann in glühender Hitze einen Parkplatz zu überqueren. Mein Plan war eigentlich, mit einem Taxi auf direktem Weg zum Hotel zu fahren, was einen Hut entbehrlich gemacht hätte.“

„Das Herumstehen haben Sie ganz allein sich selbst zu verdanken, weil Sie ja unbedingt sofort Streit anfangen mussten … da drüben steht mein Wagen.“

So ein arroganter Vollidiot. Typisch, dass er ihr die Schuld gab. Als er eine Bewegung machte, als wolle er ihr die Hand auf den Rücken legen, machte sie einen geschmeidigen Ausfallschritt zur Seite. Sie musste unbedingt jeden Körperkontakt vermeiden.

Ihm war ihr hastiges Ausweichen natürlich nicht entgangen. Als sie den verächtlichen Blick sah, mit dem er sie streifte, krampfte sich ihr Magen schmerzhaft zusammen.

„Jetzt spielen Sie bloß nicht das Rührmichnichtan, es wirkt lächerlich“, knurrte er.

Sie war empört. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu reden?

„Ich spiele gar nichts.“

„Ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Keuschheit ist nicht allzu hoch, das wissen Sie genauso gut wie ich“, erwiderte Vidal bissig.

Ihr wurde die Brust eng, vor Wut und Schmerz, vermischt mit einem Gefühl von Verlust und Traurigkeit.

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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