Prinzessin der Wüste

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Er war ihre große Liebe – bis Prinz Giovanni sie nach der Hochzeitsnacht kühl zurückwies. Seitdem versucht Alexa verletzt, ihn zu vergessen. Vergeblich! Denn jetzt verlangt Giovanni überraschend, dass sie ihn in das Scheichtum Kharastan begleitet: als seine Prinzessin!


  • Erscheinungstag 10.07.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507905
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Alexa blinzelte nervös und hoffte inständig, sich zu irren. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie den Mann, der mit einer so unnachahmlichen Lässigkeit die kleine gepflasterte Straße heraufschlenderte. Einige Frauen, die in einer Gruppe beieinanderstanden, unterbrachen ihr Gespräch, um ihm unverhohlen bewundernd hinterherzustarren. Spätestens da schwand Alexas letzte Hoffnung.

Sein Gang, seine ganze Haltung verriet die Führungspersönlichkeit. Ein Mann, der den ererbten Reichtum durch eigene Erfolge vervielfacht hatte. Groß und breitschultrig, war er mit den kurzen schwarzen Locken und den scharf blickenden dunklen Augen im markanten Gesicht eine eindrucksvolle Erscheinung. Sein selbst für einen Süditaliener auffällig gebräunter Teint sorgte auch in seiner Heimatstadt Neapel dafür, dass seine Abstammung als geheimnisvoll galt. Mutter: eine glamouröse Society-Schönheit; Vater: unbekannt.

Er trug einen maßgeschneiderten grauen Anzug, der seine athletische Figur betonte, und die Frauen, die ihm gebannt nachblickten, schmolzen förmlich dahin. Es wäre fast komisch gewesen, wenn der Anblick Alexa nicht einen schmerzlichen Stich mitten ins Herz versetzt hätte.

Und im nächsten Moment packte sie die Angst. Giovanni da Verrazzano. Ihr Ehemann. Eifersüchtig, besitzergreifend, idealistisch. Giovanni.

Sie flüsterte den Namen, den zu vergessen sie sich so sehr bemüht hatte. Aber wie sollte sie, wenn sie in so vieler Hinsicht noch an ihn gebunden war … gesetzlich, gefühlsmäßig und durch etwas, das ihr das Kostbarste auf der Welt war?

Alexa schluckte. Hatte er sie gesehen? Für den Bruchteil einer Sekunde keimte erneut Hoffnung in ihr auf. Wusste er vielleicht gar nicht, dass sie hier war? Doch noch bevor sie durch das Schaufenster des kleinen Ladens seinem Blick begegnete und Giovanni ansetzte, die Straße zu überqueren, wurde ihr klar, wie dumm dieser Gedanke war.

Natürlich wusste er, dass er sie hier finden würde. Warum sonst sollte dieser hartherzige Millionär in einer ruhigen Seitenstraße einer englischen Kleinstadt auftauchen, anstatt, wie Alexa es von früher kannte, in seinem schnittigen Sportcabrio durch die heißen, lauten Straßen von Neapel zu hetzen, wo es von allen Seiten bewundernd „Gio!“ tönte und die Mädchen ihn mit kokettem Lächeln anschwärmten?

Was also wusste er? Hatte er … es herausgefunden? Oh, bitte nicht! Mit zittrigen Händen faltete Alexa das zarte Seiden-Shirt, das sie gerade hielt, zusammen und legte es ins Regal zurück, um es nicht zu zerknittern. Welche gut betuchte Kundin würde es dann noch kaufen? Alexa versuchte, sich zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn, sich mit Spekulationen verrückt zu machen. Angesichts dessen, was für sie auf dem Spiel stand, war es am besten, sie bewahrte einen kühlen Kopf und hörte sich erst einmal an, was Giovanni von ihr wollte.

Als die Ladenglocke ertönte und er eintrat, zwang sich Alexa, ihm höflich lächelnd entgegenzublicken. „Giovanni!“ Trotz all ihrer Bemühungen lag ein leichtes Zittern in ihrer Stimme, und der forschende Blick seiner dunklen Augen verriet, dass es ihm nicht entgangen war. „Das ist eine Überraschung.“

„Was für eine Untertreibung, cara mia!“, erwiderte er spöttisch. „Hast du wirklich erwartet, mich nie wiederzusehen?“

„Ehrlich gesagt habe ich kaum darüber nachgedacht.“

„Das glaube ich dir nicht“, widersprach er sanft, wobei sein überheblicher Blick besagte: Nicht an mich gedacht? Eher würde die Erde aufhören, sich zu drehen! „Mich hat noch keine der Frauen, die ich kennengelernt habe, je vergessen. Und in mancher Hinsicht kennst du mich besser als alle anderen, denn du bist die Einzige, die ich geheiratet habe.“

Doch Giovanni wusste sehr gut, dass nicht nur das gesetzliche Band der Ehe ihre Beziehung zu etwas Besonderem machte – ein Band, das sich im Übrigen als wesentlich stärker und hartnäckiger erwiesen hatte, als er erwartet hätte. Vor allem aber hatte er Alexa gegenüber seinen Schutzpanzer geöffnet, hinter dem er üblicherweise seine Gefühle verbarg, und ihr einen Blick auf den verletzlichen Giovanni erlaubt. Woraufhin sie wiederum ihm eine Lektion erteilt hatte, die ihm von vornherein hätte klar sein müssen: Traue niemals einer Frau.

Alexas Lächeln wirkte angespannt. „Möchtest du mit mir reden?“

„Was glaubst du denn? Dass ich gekommen bin, um hier in dieser Boutique etwas für eine meiner Geliebten einzukaufen?“, lautete die arrogante Antwort.

Er konnte ja nicht ahnen, was für verrückte Gedanken in ihrem Kopf herumschwirrten! Weil du genau weißt, dass du diesem Mann unrecht getan hast! meldete sich ihr schlechtes Gewissen, doch es genügte, sich an Giovannis verletzende Worte von damals zu erinnern, um es zum Schweigen zu bringen. Sie hatte mit gutem Grund so gehandelt. „Ich … kann jetzt nicht reden, weil ich … arbeite.“

„Das sehe ich.“ Giovanni schaute sich scheinbar interessiert in dem kleinen Laden um. Tatsächlich brauchte er einen Moment, bis sich das unerwartet heftige Pochen seines Herzens beruhigte. Anscheinend hatte er es unterschätzt oder auch einfach vergessen, welch berauschende Wirkung Alexas Erscheinung auf ihn ausübte.

Begehrlich ließ er den Blick über sie gleiten. Sie hatte das seidige rotblonde Haar eher streng aus dem zarten Gesicht zurückgekämmt und in Kornährenart zu einem dicken Zopf geflochten, dazu trug sie einen engen schwarzen Rock und eine weiße Bluse – was vermutlich ihre Arbeitsuniform war. An ihrer hinreißenden Figur wirkte dieses Outfit jedoch auf Giovanni wie ein wahr gewordener erotischer Traum: zugeknöpft und dennoch unglaublich sinnlich und sexy. Er schluckte. Später.

„Immer noch Verkäuferin?“, erkundigte er sich spöttisch. „Oder gehört dir der Laden?“

„Nein, er gehört mir nicht.“

Es gab also keinen neuen Liebhaber, der sie mit Geld und Reichtümern überschüttete, weil er auf diese unwiderstehliche Mischung aus scheinbarer Unschuld und überwältigender Sinnlichkeit hereingefallen war. Ausdrucksvolle hellgrüne Augen, die einen alles andere vergessen lassen konnten, und ein atemberaubender Körper, der einen Mann vollständig um den Verstand brachte.

Natürlich hatte es Giovanni gewundert, dass sie ihn nicht schon längst wegen einer lukrativen Scheidungsabfindung angegangen war. Andererseits hatten ihr schlaue Anwälte vielleicht erklärt, dass sie mit einer nur dreimonatigen Ehe kein Anrecht auf hohe Alimente erworben hatte.

„Nicht gerade ein rasanter Aufstieg“, führte er seine Gedanken nun fort. „Verkäuferin in der verschlafenen Kleinstadt, in der du aufgewachsen bist.“

Alexa lächelte kühl. „Nun, wir können ja nicht alle einflussreiche Unternehmer sein. Hör zu, Giovanni, niemand würde je ernsthaft in Zweifel ziehen, dass du in unserer Beziehung der große Macher warst, aber ich habe wirklich keine Zeit, hier herumzustehen und zu plaudern.“

Er blickte sich vielsagend in der leeren Boutique um. „Soweit ich sehe, hast du nicht eine einzige Kundin“, bemerkte er unnötigerweise. „Wenn das mein Laden wäre, würde ich hier einiges verändern.“

„Glücklicherweise ist es nicht dein Laden. Also schön, Giovanni, was willst du von mir?“ Sie hoffte, dass er ihr nicht ansah, wie aufgewühlt ihre Gefühle waren. Was, wenn er gekommen war, um seine Freiheit zu verlangen? Um ihr zu sagen, dass er sich erneut verliebt habe – nur, dass es diesmal wahre Liebe sei und nicht ein unseliger Cocktail aus Lust und illusorischen Träumen? „Fass dich bitte kurz.“

„Meinst du wirklich, ich bin von Italien hierhergekommen, um mich kurzzufassen?“, fragte er hintergründig lächelnd.

Ihr Herz pochte schneller. Sie spürte, wie ihr die Knie zitterten, und wünschte, es wäre nicht so. „Du hättest mir deinen Besuch ankündigen sollen“, meinte sie heiser. Und wie hätte sie dann darauf reagiert? Wäre sie zusammen mit Paolo davongelaufen? Aber man konnte nicht sein ganzes Leben davonlaufen. Von angstvollen Vorahnungen beschlichen, flüsterte sie eindringlich: „Du hättest mich vorwarnen sollen.“

Giovannis Blick ruhte auf ihren bebenden Lippen. Auch wenn er es überhaupt nicht überraschend fand, dass er immer noch eine starke Wirkung auf sie ausübte, so war die Heftigkeit ihrer Reaktion dennoch höchst bemerkenswert. Warum war sie derart nervös? Weil ihr plötzlich klar geworden war, was sie weggeworfen hatte? Oder weil sie sich danach sehnte, dass er sie küssen, an sich pressen und nehmen würde, bis sie im Rausch der Lust alles andere vergaß?

Allein bei dem Gedanken durchzuckte ihn heiße, erregende Vorfreude, die im nächsten Moment in Zorn umschlug. Denn angesichts dessen, was sie ihm angetan hatte, widersprachen seine Gefühle jeglicher Logik. Dennoch konnte er nicht leugnen, dass der Anblick ihres zarten ovalen Gesichts in ihm nicht nur die Erinnerung an Verrat und Betrug weckte, sondern gleichzeitig ein unbändiges Verlangen, das er offensichtlich nie ganz befriedigt hatte. War das der Grund für sein merkwürdiges Herzklopfen?

Heute war er mit einer ganz schlichten Zielsetzung hergekommen: Die Einladung zu der Hochzeit seines Halbbruders brannte ihm unter den Nägeln, und er legte großen Wert darauf, dass seine Ehefrau ihn begleitete. Darüber hinaus war er natürlich auch neugierig darauf gewesen, sie wiederzusehen, getrieben von der Frage, die vermutlich alle dann und wann befiel, deren Ehe gescheitert war: Was wäre, wenn?

Giovanni presste die Lippen zusammen. Er war eigentlich nicht der Typ für Sentimentalitäten. Davon abgesehen, wusste er ganz genau, was er wirklich wollte: nicht nur ihre Einwilligung, ihn zu diesem wichtigen Anlass zu begleiten, sondern, ja, er wollte sie noch einmal besitzen. Er würde es auskosten, ihren schönen Körper zu nehmen, und dann … würde er ihre unselige Ehe endlich ad acta legen und nach vorn blicken.

Alexas Haar schimmerte wie pures Gold im gedämpften Licht der luxuriösen Boutique. Giovanni wusste jedoch, dass es sich tatsächlich um ein sattes Rotblond handelte, als Naturton selten anzutreffen … schon gar nicht in seiner süditalienischen Heimat. Das helle, klare Grün ihrer Augen erinnerte ihn an die Farbe von Pistazien, dazu ihr milchweißer Teint … Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er sie damit geneckt, dass sie wie ein verlockender Eisbecher aussähe und er am liebsten davon probieren würde. Ihr scheues Erröten hatte ihr Schicksal besiegelt. Sie gehörte ihm.

Sein Gesicht verfinsterte sich. Alexa. Alexa O’Sullivan. Der Name so ungewöhnlich wie ihr Haar, wie ihr aufregender Körper, wie ihr seidiger Alabasterteint. Sie sah in diesem Moment genauso unschuldig aus wie damals. Aber eine echte Unschuld log und betrog nicht. Er verspürte Zorn und – sehr zu seiner Überraschung – Bedauern. Weswegen? Weil er sie überhaupt geheiratet hatte? Oder weil er sich von ihren zauberhaften Augen und sinnlichen Lippen hatte verführen lassen, an einen Traum zu glauben?

„Um wie viel Uhr hast du Feierabend?“, erkundigte er sich kühl.

Alexa zögerte. Offensichtlich würde er nicht eher verschwinden, bis er mit ihr gesprochen hatte, egal, wie sehr sie es sich auch wünschte. Vermutlich war es am ratsamsten, sich mit ihm für den nächsten Tag zum Mittagessen zu verabreden. Das würde ihr Zeit geben, sich zu fassen und auf die verbale Auseinandersetzung mit ihm vorzubereiten. Andererseits würde er dann wahrscheinlich in einem der kleinen Hotels am Ort absteigen und womöglich anfangen, Erkundigungen einzuziehen. Oder die Einheimischen würden bei seinem südländischen Aussehen ihre eigenen Schlüsse ziehen … „Ich bin um sechs Uhr fertig“, antwortete sie rasch.

„Gut.“ Giovannis dunkle Augen funkelten zufrieden. Der erste Teil seiner Mission war vollbracht. Der zweite würde darin bestehen, sich zu entscheiden, wohin er mit Alexa gehen würde. In ein Hotel, sodass ein Schlafzimmer nicht weit war? Er lächelte. „Ich hole dich hier ab.“

„Nein!“ Ihre heftige spontane Reaktion war sicher nicht klug, aber Alexa wollte sich an einem neutralen, öffentlichen Ort mit ihm treffen. Nur so konnte sie sich in seiner Gesellschaft einigermaßen sicher fühlen. Sie begegnete seinem fragenden Blick. „Meine Chefin wünscht nicht, dass noch jemand im Laden ist, wenn ich die Kasse mache. Ich muss mich um die Einnahmen kümmern.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da viel zu zählen gibt“, meinte er spöttisch.

„Mag sein, aber … ich kann mich in deiner Gegenwart nicht konzentrieren.“

Er lächelte herablassend. „Verständlich. Also schön, wo sollen wir uns treffen?“

Sie überlegte schnell. Natürlich musste sie noch die Kinderfrau anrufen, um sie zu verständigen, dass sie Paolo später abholen würde. Aber das war bestimmt kein Problem. „Treffen wir uns im Billowing Sail kurz nach sechs. Das ist ein kleines Pub im Hafen.“

„Du weißt genau, dass ich keine Pubs mag, Alexa“, protestierte er sofort. „Lass uns stattdessen essen gehen.“

„Essen?“ Ihr Herz pochte. Wie sollte sie mit Giovanni im Restaurant an einem Tisch sitzen, womöglich bei Kerzenschein? Sie schüttelte den Kopf. „Nein, kein Abendessen.“

„Was soll das heißen? Du willst nicht essen? Du willst nicht essen gehen? Oder bist du bereits mit jemand anderem zum Essen verabredet?“

Für den Bruchteil einer Sekunde war sie versucht, Ja zu sagen … und ihn glauben zu lassen, dass der Mann ihrer Träume sie zu Hause erwartete, mit einem herzlichen Lächeln und einem warmen Bett. Denn die meisten Männer würden es aufgeben und verschwinden, wenn sie glauben mussten, dass das Objekt ihrer Begierde eine neue Liebe gefunden habe. Aber Giovanni war nicht wie die meisten Männer und berüchtigt für seine Eifersucht. Letztere hatte auch ihre Beziehung vergiftet und zerstört, und Alexa wollte nicht erneut damit konfrontiert werden. Deshalb wehrte sie ab: „Nein, ich bin nicht verabredet, aber ich bin müde. Es war eine lange, anstrengende Woche. Außerdem glaube ich nicht, dass wir uns viel zu sagen haben … jedenfalls nicht genug, um einen ganzen Abend zu füllen. Ein schneller Drink sollte reichen.“

Giovanni hielt ihrem herausfordernden Blick stand und überlegte einen Moment, sich durchzusetzen. Aber würde er sie damit nicht unnötig gegen sich aufbringen? Schließlich wollte er etwas von ihr, weshalb es klüger war, ihr zunächst ihren Willen zu lassen. Später würde er sie sowieso überreden, ihre ablehnende Haltung aufzugeben … oder durch Küsse davon überzeugen. Allein bei dem Gedanken klopfte sein Herz erneut schneller. „Also schön“, gab er scheinbar bereitwillig nach. „Dann treffen wir uns um kurz nach sechs dort. Ciao, bella.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Laden. Seltsamerweise schien er alles Licht und alle Farbe mitzunehmen, als die Tür mit einem dezenten Läuten der Glocke hinter ihm zufiel.

Benommen blickte Alexa ihm nach. Soeben war eingetreten, wovor sie sich die letzten fünf Jahre am meisten gefürchtet hatte. Und es war noch längst nicht vorbei. Tief in Gedanken versunken, wandte sie sich ab und wischte sich die plötzlich aufsteigenden Tränen fort. Sie hörte nicht einmal die Ladenglocke, sondern registrierte erst, dass sie nicht mehr allein war, als jemand ihren Namen nannte. Erschrocken fuhr sie herum und begegnete dem besorgten Blick ihrer Chefin, einer eleganten Blondine von Anfang fünfzig.

„Teri! Ich war mit den Gedanken ganz woanders und habe gar nicht gemerkt …“

„Ich weiß, Kindchen. Das war Ihr Mann, stimmt’s?“, riet Teri scharfsinnig. „Der italienische Supermann, der gegenwärtig die gesamte weibliche Bevölkerung von Lymingham in Aufruhr versetzt?“

Alexa nickte, während sie um Fassung rang. „Mein Exmann.“

„Ich wusste nicht, dass Sie geschieden sind …?“

„Das sind wir auch nicht. Jedenfalls nicht offiziell. Aber die Scheidung ist letztendlich auch nur eine Unterschrift auf einem Stück Papier“, meinte Alexa heftig. „Genauso wie die Ehe.“

„Tatsächlich?“ Teri betrachtete sie neugierig. „Wie kommt es, dass wir ihn hier noch nie zuvor gesehen haben?“

„Weil er in Neapel wohnt und ich hier“, antwortete Alexa ausweichend. „Wir leben getrennt.“

„Das habe ich nicht gemeint, Alexa“, ließ Teri nicht locker. „Er ist doch Paolos Vater, oder nicht?“

Alexa ließ sich Zeit mit der Antwort. Aber wie sie befürchtet hatte, war die Ähnlichkeit zwischen Giovanni und seinem Sohn einfach nicht zu leugnen. „Ja“, bestätigte sie schließlich heiser.

Teri, die sie aufmerksam beobachtete, begriff. „Und er weiß es gar nicht, stimmt’s?“

Diesmal dauerte das Schweigen noch länger. „Ja.“

„Oh, Alexa!“

Doch Alexa schüttelte den Kopf. Noch zu lebhaft hatte sie Giovannis anklagende, verächtliche Worte im Ohr und konnte nicht vergessen, wie er ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte, als für ihn feststand, dass sie den anspruchsvollen Maßstäben, die er an seine Frau richtete, nicht genügte. Bevor sie aus seinem Haus, seiner Stadt, seinem Leben verschwunden war. Und sie war sich seines gewaltigen Reichtums und seiner Entschlossenheit bewusst. Nein, es wäre dumm, sich in romantischen Erinnerungen an den Mann, den sie einmal geheiratet hatte, zu verlieren. Und noch dümmer, seine Macht zu unterschätzen.

„Er würde ihn mir wegnehmen, wenn er es wüsste“, erklärte sie schlicht.

„Aber wie … warum …?“ Teri schüttelte ratlos den Kopf. „Ich meine, wie konnte es überhaupt so weit kommen?“

Ja, wie nur? Warum zerbrachen die Träume mancher Menschen brutal in tausend Scherben, während die anderer einfach allmählich verblassten, als würde man sich sanft aus einem Film ausblenden?

Alexa hätte ihrer Chefin erzählen können, wie sie nach dem Abschluss ihres Studiums nach Neapel gereist war und sich auf Anhieb in diese chaotische, vor Leben übersprudelnde Stadt am Fuße des Vesuvs, mit Blick auf Capri und das kristallklare blaue Wasser des Tyrrhenischen Meeres, verliebt hatte. Genauso wie sie sich in Giovanni verliebt hatte. Dunkel, geheimnisvoll und gefährlich charmant, dabei entschlossen, sie zu besitzen – ja, zu besitzen … welche Frau hätte ihm widerstehen können?

Noch ohne konkrete Zukunftspläne, war Alexa sich damals ein wenig entwurzelt vorgekommen, weil ihre Mutter kurz zuvor erneut geheiratet hatte und mit ihrem zweiten Mann nach Kanada ausgewandert war. Deshalb hatte Alexa sich entschieden, eine Zeit lang nach Italien zu gehen, um ihre schon ganz passablen Italienischkenntnisse noch weiter aufzupolieren. Als blonde Ausländerin weckte sie natürlich rasch das Interesse solcher italienischer Männer, die auf schnellen, unkomplizierten Sex aus waren. Doch Alexa hatte nicht vor, sich dafür herzugeben, denn ihre bisherige, einmalige Erfahrung auf diesem Gebiet hatte sie vorsichtig gemacht. Leider hatte der Mann, an den sie ihre Unschuld verloren hatte, jegliches Feingefühl vermissen lassen. Doch dann lernte sie Giovanni kennen, und all ihre guten Vorsätze waren vergessen.

In der vollklimatisierten Glitzerwelt des großen Luxuskaufhauses, wo Alexa eine Stelle als Verkäuferin gefunden hatte, galt sie rasch als eine kleine Berühmtheit. Es gab in Neapel nicht viele junge englische Verkäuferinnen … und schon gar keine, die fließend Italienisch sprachen! Ihr sanfter Akzent und ihre kühle englische Art bezauberten die Kunden, und vor allem die Männer waren ganz wild darauf, sich von dem fremdländischen Geschöpf mit den klaren grünen Augen, dem rotblonden Haar und dem makellosen Alabasterteint beraten zu lassen. Rasch erhielt sie eine Lohnerhöhung und stieg von der Handschuh- zur Handtaschenabteilung auf.

Eines Morgens kam dann Giovanni herein, womit sich alles änderte. Bei seinem Anblick schien für Alexa die Welt stillzustehen. Sie hatte nur noch Augen für den Mann, der so ungemein lässig und selbstsicher hereinschlenderte und zielstrebig auf sie zukam. Zu dem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass ihm das Kaufhaus gehörte, ebenso wie mehrere weitere über ganz Italien verteilt … oder dass er auf den Listen der bestgekleideten Männer und begehrtesten Junggesellen gewöhnlich ganz oben rangierte. Alexa wusste nur, dass er Augen hatte, die eine Frau zum Träumen bringen konnten, einen samtenen, dunklen Teint besaß und dass sein maßgeschneiderter Anzug wie magisch den Blick auf seine breitschultrige, athletische Figur lenkte. Sie schluckte, verbarg ihre Verwirrung jedoch hinter einem geschulten Lächeln.

„Sie sind also die Frau, die so viel Aufregung verursacht“, bemerkte er bedeutungsvoll.

Alexa blickte vielsagend auf die Frauen ringsum, die ihn mit verklärten Augen beobachteten, bevor sie lächelnd in fließendem Italienisch antwortete: „Und Sie sind der Mann, der offensichtlich genau das Gleiche tut!“

Er wirkte überrascht … von ihrer schlagfertigen Entgegnung ebenso wie von ihrer Sprachfertigkeit. Zwar hatte man ihm erzählt, dass sie Italienisch spräche, doch er hatte nicht erwartet, dass sie so … perfekt wäre. „Man hat mir gesagt, dass Sie sehr schön seien“, meinte er nun schmeichelnd. „Aber Worte werden Ihnen nicht gerecht. Ich habe noch nie Lippen gesehen, die so … geschaffen sind zum Küssen.“

Das waren genau die leeren, bedeutungslosen Phrasen, die Alexa vorsichtig machten. In den vergangenen Wochen hatte sie gelernt, unerbetene Annäherungsversuche souverän abzuwehren, auch wenn es ihr diesmal – zugegebenermaßen – schwerer fiel. „Möchten Sie eine Handtasche kaufen, Sir?“, fragte sie kühl und professionell.

Giovanni spielte kurz mit dem Gedanken, den Flirt mit ihr weiterzutreiben, indem er sich zum Schein auf eine Beratung einließ, dann die Handtasche kaufte, die ihr am besten gefiel – wahrscheinlich die teuerste –, um Alexa diese mit einer galanten Geste zum Geschenk zu machen, bevor er sie zum Essen einlud. Der kühle Ausdruck in den schönen grünen Augen verriet ihm jedoch, dass diese Strategie vermutlich nicht zu dem gewünschten Erfolg führen würde. Sie flirtete nämlich nicht mit ihm, wie Giovanni erstaunt erkannte. Eine völlig neue Erfahrung für ihn. „Nein“, erwiderte er deshalb unverblümt, „ich bin nicht an Handtaschen interessiert, sondern daran, Ihnen Neapel zu zeigen.“

„Ich besitze einen guten Stadtplan.“

„Und ich ein Auto.“

Alexa lächelte unbeeindruckt. „Ich gehe gern zu Fuß. Trotzdem vielen Dank.“

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
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