Sag Ja, meine Prinzessin

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Jetzt, da er dringend eine Ehefrau braucht, rennt ihm seine Braut davon! Da erscheint Prinz Luc D’Urbino die Begegnung mit Carrie geradezu schicksalhaft. Noch immer begehrt er sie, obwohl sie ihn vor Jahren verließ. Luc ist entschlossen: Carrie muss seine Prinzessin werden!


  • Erscheinungstag 05.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777869
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich freue mich so für euch!“ Carrie umarmte ihren strahlenden, frisch verheirateten Bruder und seine überglückliche Braut.

„Carrie, Maria bittet dich, etwas für sie zu tun“, wandte sich Harry dann beschwörend an sie.

Carrie sah das hübsche, dunkelhaarige Mädchen an der Seite ihres Bruders fragend an.

„Oh bitte, Carrie, würdest du nach S’Antander reisen und ihnen sagen, dass Harry und ich jetzt Mann und Frau sind?“

„Du willst es sie wissen lassen?“, fragte Carrie vorsichtig. Sie selbst war völlig überrascht gewesen, als ihr jüngerer Bruder vor wenigen Tagen verkündet hatte, er und Maria würden heiraten. Denn war es nicht ausgemacht, dass Maria Luc heiraten sollte? Maria hatte selbst eingestanden, dass jedermann es erwartete, auch wenn es noch keine öffentliche Ankündigung einer Verlobung oder bevorstehenden Hochzeit gegeben hatte. Aber Maria hatte Carrie auch erklärt, dass sie nicht die Absicht habe, sich von ihrer Großmutter zu einer gefühlskalten Vernunftehe zwingen zu lassen – schon gar nicht jetzt, da Harry und sie sich so unsterblich ineinander verliebt hatten.

„Natürlich sollen sie es erfahren. Ich habe nichts zu verbergen!“, antwortete Maria stolz. Dann blickte sie Harry liebevoll an. „Nichts und niemand kann uns jetzt noch trennen oder irgendwie schaden!“

Carrie beneidete die beiden um ihr Selbstvertrauen … und um ihre Liebe. Harry strahlte vor Stolz wie ein Ritter, der seine Herzensdame vor dem todbringenden Drachen bewahrt hat. Wieder einmal musste Carrie sich ins Gedächtnis rufen, dass ihr kleiner Bruder inzwischen ein erwachsener Mann war und nicht mehr der Junge, den sie verwöhnt und beschützt hatte, nachdem sie beide ohne Mutter aufwachsen mussten.

Nach S’Antander zu reisen war das Letzte, was sie tun wollte, aber Harry sah sie so bittend an und – wie immer – Carrie brachte es nicht übers Herz, ihn abzuweisen.

„Ich weiß ja, dass du und Luc nicht gut miteinander auskommt, aber du brauchst keine Angst zu haben, dass du ihn treffen könntest“, warf Maria beruhigend ein. „Luc – Seine Hoheit – weilt gegenwärtig zu wichtigen geschäftlichen Besprechungen in Brüssel. Aber er erwartet, mich bei seiner Rückkehr in S’Antander anzutreffen. Deshalb meine ich, dass ich es ihm schulde, den Palast bis dahin zu informieren.“

„Ich habe keine Angst“, widersprach Carrie empört. „Maria, du schuldest diesem frauenfeindlichen Operettenprinzen überhaupt nichts! Wenn es nach seinem Willen gegangen wäre …“

„Bitte, Carrie, ich schulde es ihm“, fiel Maria ihr ins Wort, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich weiß, dass du ihn nicht magst, aber Luc hat mir nie etwas Böses getan. Und außerdem …“, sie blickte stolz auf, „… ich möchte, dass alle zu Hause erfahren, wie sehr ich Harry liebe und wie stolz ich darauf bin, seine Frau zu sein – vor allem meine Großmutter.“

Bei diesen Worten sah sie Harry nun so zärtlich an, dass Carrie dahinschmolz. Als die fünf Jahre Ältere empfand sie für ihren kleinen Bruder nicht nur geschwisterliche Zuneigung, sondern eine fast mütterliche Verantwortung. Ihre Mutter war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Carrie sieben und Harry zwei Jahre alt gewesen war. Nicht zuletzt deswegen hatte ihr Vater damals den Posten in S’Antander angenommen, weil man ihm dort eine Rundumversorgung für seine beiden kleinen Kinder angeboten hatte.

Carrie war froh, ihren Bruder jetzt so glücklich zu sehen. Seine Liebe zu Maria und die Heirat mit ihr schienen ihm eine Reife zu verleihen, die ihm bis dahin gefehlt hatte. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie sich in letzter Zeit Sorgen um ihn gemacht, nicht zuletzt wegen beruflicher Fehler, die er begangen hatte … aber sie wollte sich jetzt nicht über vergangene Probleme den Kopf zerbrechen oder Harry Vorwürfe machen, weil er sie nicht in seine Beziehung mit Maria eingeweiht hatte. Dazu freute sie sich viel zu sehr für die beiden.

Marias Erwähnung der Großmutter hatte in Carrie allerdings alles andere als glückliche Erinnerungen geweckt. Oh ja, die Gräfin! Carries Augen blitzten eisig auf. Heute war sie keine naive Achtzehnjährige mehr, sondern eine erwachsene, selbstbewusste und erfolgreiche Frau. Eine international anerkannte Wirtschaftswissenschaftlerin, die freiberuflich als Finanzjournalistin arbeitete.

„Carrie, bitte“, bat Maria erneut. „Es gibt niemand sonst, den ich fragen könnte – niemand, der die Verhältnisse in S’Antander kennt und Lucs Rolle dort einschätzen kann. Geh einfach für mich dorthin und sage es meiner Großmutter, damit sie Luc informieren kann.“

„Bitte, Carrie“, bat nun auch Harry noch einmal, und sie spürte, wie ihr Widerstand schwand.

Ein wenig zerknirscht gestand Carrie sich ein, dass ein Teil von ihr einen gewissen Triumph bei der Vorstellung empfand, dass ausgerechnet sie der Gräfin die Nachricht vom Ungehorsam ihrer Enkelin überbringen sollte.

Nach der feuchten Kälte des britischen Frühlings umfing Carrie wohltuende Wärme, als sie in Nizza das Flughafengebäude verließ, um ihren Mietwagen abzuholen.

Trotz ihres hellen englischen Teints und ihres glatten, schulterlangen blonden Haares hatte sie den nassen grauen Wintermonaten ihrer Heimat nie viel abgewinnen können. Vielleicht lag es daran, dass sie einen Großteil ihrer Schulzeit bei ihrem Vater in S’Antander verbracht hatte und dabei von der Sonne verwöhnt worden war.

Ihr Vater lebte inzwischen im Ruhestand in Australien mit seiner zweiten Frau, die wie er verwitwet gewesen war, als sie sich kennengelernt hatten. Carrie mochte ihre Stiefmutter, die, selber kinderlos, ihre beiden erwachsenen Stiefkinder mit offenen Armen aufgenommen hatte.

Nizza war der nächstgelegene Flughafen zu S’Antander, das sich auf einem schmalen Landstück zwischen Frankreich und Italien erstreckte und von der italienischen Lebensart mindestens genauso sehr beeinflusst war wie von der französischen. Man sprach Italienisch mit französischen Anleihen bei den Namen und im Vokabular, und Carrie war immer der Meinung gewesen, dass auch Luc ein gewisses Machogebaren besaß, wie es für italienische Männer typisch war.

Der Stolz des Fürstentums war ein kleiner Seehafen mit dazugehöriger Hafenstadt. Innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern der Hauptstadt erhob sich ein imposantes Schloss, das sowohl Lucs Hauptwohnsitz wie auch den Sitz der Landesregierung darstellte. Daneben besaß Luc noch ein Jagdschloss hoch oben in den Alpen, wohin er sich im Winter zum Skifahren zurückzog.

Das Stammschloss lag, etwas abgerückt von der Küste, oberhalb der Stadt und bot so einen strategisch günstigen Blick auf die beiden Hauptzugangsstraßen durch das Land. Da es nur mit dem Auto oder mit einem Privathubschrauber zu erreichen war, hatte Carrie sich für einen Mietwagen entschieden. Denn obwohl sie sehr gut verdiente, wäre ein Privathubschrauber für sie doch ein übertriebener Luxus. Anders als für die jungen Unternehmer, die sich inzwischen in Scharen in S’Antander einfanden, um von den milden Steuergesetzen zu profitieren – was im Übrigen eine der innovativen Initiativen war, mit denen Luc seinem kleinen Fürstentum zu Einnahmen verhelfen wollte.

Der junge Franzose, der Carrie die Schlüssel für den Mietwagen aushändigte, blickte ihr bewundernd nach, als sie zum Wagen ging. Tief sitzende Jeans betonten ihre langen schlanken Beine, ein weiches weißes T-Shirt ließ die Rundung ihrer hohen, festen Brüste ahnen, ohne sie aufreizend zu betonen. Auch die Designer-Sonnenbrille, die ihre jadegrünen Augen verbarg, wirkte bewusst diskret.

Nach einem Blick auf die schlichte Armbanduhr an ihrem schmalen Handgelenk schloss Carrie den Wagen auf. Es war gerade zehn Uhr vormittags. Zeit genug, nach S’Antander zu fahren, ihren Auftrag zu erledigen und sich dann noch einen kurzen Aufenthalt in dem gebuchten Hotelzimmer zu gönnen, bevor sie nach Hause zurückfliegen würde.

Der Frühling an der Côte d’Azur war eine wundervolle Jahreszeit. Carrie nahm sich bewusst Zeit, verließ die A 8 und wählte die malerische Küstenstraße. Schließlich hatte sie keine Eile. Hieß es nicht, dass Rache am besten kalt serviert schmeckte?

Carrie hatte die grausamen Worte der Gräfin nie vergessen, genauso wenig wie sie dem Mann verziehen hatte, auf dessen Geheiß diese Frau sie derart abgefertigt hatte. Die naive Achtzehnjährige, die Luc so sehr geliebt hatte, dass sie an nichts anderes hatte denken können, war danach notgedrungen sehr schnell erwachsen geworden. Traurige Erinnerungen wallten in Carrie auf, doch sie schob sie rasch beiseite und konzentrierte sich auf die ihr vertraute Landschaft. Drei Jahre Studium an der Universität, gefolgt vom Ruhestand und der zweiten Heirat ihres Vaters, hatten dafür gesorgt, dass Carrie seitdem nicht mehr nach S’Antander hatte zurückkehren müssen.

Ein schlichtes Straßenschild wies auf den Weg zur Grenze von S’Antander. Anders als Monaco hatte S’Antander sich nie als Touristenattraktion propagiert. Uralte Olivenhaine säumten die Straße, und in der Ferne sah Carrie schon das Meer türkisblau in der Sonne funkeln. Während sie sich dem Grenzbaum näherte, kurbelte Carrie das Seitenfenster herunter und atmete die warme Mittelmeerluft ein.

Der uniformierte Grenzbeamte reichte ihr nach kurzer Überprüfung ihren Pass zurück, und Carrie merkte erst, als sie weiterfuhr, dass sie unwillkürlich den Atem angehalten hatte. Warum? Luc befand sich noch nicht einmal im Land, einmal abgesehen davon, dass er sie bestimmt nicht wichtig genug fand, um sie in eine Liste „unerwünschte Ausländer“ aufzunehmen. Wenn er sich überhaupt noch an sie erinnerte!

Die Schönheit der Landschaft nahm Carrie im Nu wieder gefangen. Viele Jahrhunderte zuvor, bevor das Land Lucs Vorfahren geschenkt worden war, hatte es zu einem Einsiedlerorden gehört. Das ehemalige Kloster hoch in den Alpen hatte Luc inzwischen in ein exklusives Skizentrum verwandelt. Aber die sorgsame landwirtschaftliche Tradition der Mönche war auf die Nachfahren der Einheimischen übergegangen, sodass Carrie auf dem Weg zur Hauptstadt an gepflegten Weingärten und Olivenhainen vorbeifuhr. Ihr Vater hatte Luc dazu ermutigt, dafür zu sorgen, dass seine Leute möglichst autark blieben. Inzwischen wurde jeder Hektar Ackerland sehr produktiv genutzt, Obst und Gemüse aus der Gegend waren weithin gefragt.

Die Straße stieg jetzt an. Unterhalb sah Carrie das Meer und den kleinen Hafen, während vor ihr … Ihr Herz klopfte schneller, als sie die terrakottafarbenen Stadtmauern vor sich aufragen sah. Das Schloss selbst lag in strategisch ausgezeichneter Lage auf einem Felsvorsprung, umgeben von fruchtbaren Ebenen.

Unwillkürlich musste Carrie daran denken, wie erschrocken sie als zwölfjähriges Mädchen gewesen war, als Luc ihr die dunklen Verließe tief unten im Schloss gezeigt hatte. Leicht vorzustellen, wie uneinnehmbar es im Verlauf der Geschichte auf jegliche Angreifer gewirkt haben musste.

Entschlossen fuhr Carrie durch die schmale, tunnelähnliche Einfahrt unter der Stadtmauer hindurch und blinzelte auf der anderen Seite gegen das gleißende Sonnenlicht an. Maria hatte ihr versichert, die Gräfin sei ganz bestimmt nicht in ihrer Villa auf dem Land, sondern in ihrer bevorzugten Suite im Schloss. Also parkte Carrie ihren Wagen auf dem kleinen Marktplatz, stieg aus und suchte sich einen Weg durch die bunten Stände.

Hoch über der Stadt, in der Turmkammer, die er zu seinem Privatbüro umfunktioniert hatte, lauschte Luc D’Urbino, Seine Hoheit, Prinz von S’Antander, stirnrunzelnd den Ausführungen seines Premierministers. Luc war gerade von schwierigen Verhandlungen in Brüssel zurückgekehrt, wo es darum gegangen war, den Status seines Fürstentums als Steueroase zu sichern. Jetzt musste er hören, dass die schwelenden politischen Unruhen zwischen den Traditionalisten aus der Generation seines Großvaters und deren jüngeren, radikaleren Gegnern auf dem Siedepunkt angelangt waren.

„Die Leute wollen Sie endlich verheiratet sehen, Luc“, erklärte der Premierminister ernst. „Die Tatsache, dass Sie noch keinen Sohn und Erben haben, schürt die allgemeine Unsicherheit. Überdies würde eine große fürstliche Hochzeit die Leute von den Problemen mit diesen dummen jungen Hitzköpfen ablenken. Sie behaupten, wir ließen zu, dass Kriminelle unser Land dazu benutzen, ihr ‚schmutziges Geld‘ zu waschen, wie diese Radikalen es nennen!“

Luc unterdrückte ein Seufzen. Persönlich sympathisierte er ja mit den „dummen jungen Hitzköpfen“. Aber in seiner Position durfte er nicht öffentlich Partei ergreifen. Und davon abgesehen war es für ihn eine Frage der Ehre, den Ruf seines verstorbenen Großvaters und der traditionalistischen und damit angreifbaren Mitglieder des Ältestenrates zu schützen. Sie stammten allesamt aus der Generation seines Großvaters.

„Ich habe bereits deutlich gemacht, dass ich als Oberhaupt dieses Staates auf keinen Fall zulassen werde, dass irgendjemand, der sich eines kriminellen Vergehens schuldig gemacht hat, unsere Steuergesetze zu seinem Vorteil ausnutzt“, begann er ruhig und verstummte, als er aus dem Fenster auf den Marktplatz hinunterblickte.

Mit dem Rücken zu ihm stand dort eine Frau. Ihr blondes Haar schimmerte in der Sonne. Gerade hob sie die Hand und strich sich ungeduldig durch die seidigen Strähnen. Luc erstarrte und sah genauer hin. Etwas an ihrer herausfordernd selbstbewussten Haltung kam ihm auf Anhieb bekannt vor.

Der Premierminister beobachtete entgeistert, wie Luc völlig unerwartet die Tür aufstieß und davonging.

Carrie brauchte niemanden nach dem Weg zur Suite der Gräfin zu fragen. Und sie wusste auch genau, wie man eine offizielle Anmeldung bei dem eindrucksvoll uniformierten Majordomus am Haupteingang umgehen konnte. Er empfing dort hinter den beiden altertümlich uniformierten Wachen mit Helm und Muskete alle Besucher des Schlosses. Die traditionelle Schlosswache diente vor allem Repräsentationszwecken – für den eigentlichen Schutz der Bewohner waren ehemalige Elitesoldaten in Zivil als Leibwachen zuständig.

Als Carrie das Schloss durch einen kleinen Nebeneingang betrat, wurde sie sofort von Erinnerungen bestürmt: Der besondere Duft dieses Ortes, eine ganz eigene Mischung aus kostbaren antiken Möbeln, Kunstwerken und uraltem Mauerwerk, beschwor in ihr unvergessliche, erregende Bilder – davon, wie Luc sie in diesen Mauern geliebt und sie sich ihm ganz hingegeben hatte.

Wütend schloss Carrie die Augen und versuchte, diese ungebetenen Gedanken zu verdrängen. Besser, sie rief sich die eisige Überheblichkeit der Gräfin ins Gedächtnis, die grausame Verachtung, mit der sie sie – auf Lucs Geheiß – behandelt hatte, und wie tief es sie verletzt hatte.

„Du bist es also wirklich! Ich dachte es mir.“

„Luc!“ Erschrocken wich sie zurück. Maria hatte doch behauptet, er sei in Brüssel! Und ich habe darauf beharrt, dass ich keine Angst hätte, ihn wiederzusehen, erinnerte sich Carrie.

„Welch ein unerwarteter Besuch.“ Luc war, im Gegensatz zu Carrie, förmlich gekleidet in einen maßgeschneiderten, hellen Leinenanzug, kombiniert mit einem weißen Hemd. Sein dunkles Haar war gepflegt frisiert, und sein Teint noch genauso sonnengebräunt, wie Carrie es sich in all den einsamen Nächten in Erinnerung gerufen hatte, in denen sie sich nach ihm verzehrt hatte.

Doch sie durfte nicht vergessen, dass er ein Herz aus Eis besaß – jedenfalls, was sie betraf. Nur, wie sollte sie bei seinem unerwarteten Anblick nicht daran denken, wie atemberaubend er aussah, wenn er aus der Dusche kam, wie die Marmorstatue eines griechischen Gottes … Ärgerlich rief Carrie sich zur Ordnung. Ich bin nicht mehr der leicht zu beeindruckende naive Teenager, der dem Ansturm seiner Hormone nicht gewachsen ist! Stolz blickte sie auf. „Nun, ehrlich gesagt, bin ich gekommen, um die Gräfin zu sprechen.“

Luc sah sie aufhorchend an. „Meine Patentante? Sie ist nicht hier, sondern bei ihrer Nichte in Florenz. Weshalb willst du sie sprechen? Soweit ich mich erinnere, konntet ihr beide euch nicht ausstehen.“

Umso demütigender, dass er sie ausgerechnet durch diese Frau hatte abservieren lassen! „Ich habe eine Nachricht für sie“, antwortete Carrie feindselig. „Von Maria!“

Genieße diesen Augenblick! ermahnte sie sich und hielt den Atem an, als Luc sie so durchdringend anblickte, dass seine grauen Augen fast schwarz wirkten.

„Was für eine Nachricht? Gib sie mir!“, befahl Luc in die angespannte Stille hinein.

Was für eine Arroganz! Mit achtzehn hatte sie ihn blind angehimmelt und sich davon blenden lassen, aber das war jetzt vorbei! Carrie atmete tief ein. Sie war zu wütend, um ihre Rache noch länger aufzuschieben. „Mit dem größten Vergnügen“, antwortete sie sarkastisch. „Maria lässt dir ausrichten, dass sie meinen Bruder Harry geheiratet hat. Sie liebt ihn, und er liebt sie!“

2. KAPITEL

„Lass mich los, Luc!“, rief Carrie im nächsten Moment wütend.

Doch Luc hielt sie fest am Arm gepackt, während er sie förmlich hinter sich herzog, einen langen Korridor entlang, dessen Marmorboden auf Hochglanz poliert und dessen Wände mit mittelalterlichen Rüstungen und schweren Schwertern dekoriert waren. Carrie erhaschte noch einen Blick auf das Familienwappen der D’Urbinos über der hohen massiven Doppeltür, bevor Luc die beiden Flügel aufstieß und Carrie unsanft in einen eleganten Salon schob.

Trotz ihrer Empörung erkannte Carrie, dass sie sich in dem eleganten Empfangssalon von Lucs Privatsuite befand. Nur wenig hatte sich hier verändert, seit sie diesen Raum vor acht Jahren zuletzt betreten hatte. Ihr Blick fiel auf das Foto, das in einem schweren Silberrahmen auf dem Couchtisch stand. Es zeigte Lucs Eltern mit ihm als zweijährigen Jungen zwischen ihnen. Carrie fiel ein, dass sie törichterweise geglaubt hatte, die Tatsache, dass sie beide so früh ihre Mütter verloren hatten, würde ein besonderes Band zwischen ihnen schmieden.

Doch Luc hatte nicht nur seine Mutter, sondern beide Eltern bei einem schrecklichen Terroranschlag in Südamerika verloren, als sie dort auf Staatsbesuch geweilt hatten.

„Maria hat also deinen Bruder geheiratet!“

Es war Luc anzuhören, wie verärgert er war. „Tut mir leid, wenn du jetzt enttäuscht bist“, spottete Carrie. „Doch ich bin sicher, dass du leicht jemanden finden wirst, der ihren Platz einnimmt.“

Maria hatte ihr gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, dass Luc sie aus rein praktischen Überlegungen hatte heiraten wollen. „Er liebt mich nicht“, hatte sie Carrie versichert.

„Aber er war immer nett zu mir. Und bis ich Harry wiedergesehen und mich in ihn verliebt habe, hat mir der Gedanke an eine politische Vernunftehe mit ihm eigentlich nichts ausgemacht. Jetzt aber will ich nur noch meinen geliebten Harry, und wenn ich selber nach S’Antander gehen und meiner Großmutter und Luc erklären muss, dass ich ihn nicht mehr heiraten kann, weiß ich nicht … wie sie reagieren. Luc muss schließlich jemanden heiraten“, hatte Maria ihn verteidigt. „Nicht zuletzt, weil er einen Erben braucht.“

„Die Welt muss doch voller Frauen sein, die nur darauf brennen, all das zu heiraten, Luc“, fuhr Carrie jetzt spöttisch fort und deutete mit einer ausladenden Geste um sich. „Nicht zu vergessen, dich, natürlich. Denn schließlich bis du doch ein toller Fang, nicht wahr? Ein leibhaftiger Prinz, der so viel zu bieten hat: deine Arroganz, deinen Snobismus und deinen Mangel an echtem Gefühl.“

„Das reicht!“, fiel Luc ihr ins Wort. „Aber in einem Punkt hast du recht, Catherine. Es wird sehr leicht für mich sein, jemanden zu finden, der Marias Platz einnimmt.“ Er lächelte sie an, doch es war ein Lächeln, das sie frösteln ließ. „Tatsächlich habe ich bereits jemanden gefunden.“

Carrie sah ihn entsetzt an. Hatte er die ganze Zeit schon eine zweite Wahl in der Hinterhand gehabt? Typisch! Ehe sie jedoch ihre Verachtung zeigen konnte, fuhr Luc gelassen fort: „Wenn Maria mich nicht heiratet, dann musst du mich heiraten, Catherine.“

Für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. „Was sagst du da?“, fragte sie dann heiser. „Machst du Witze?“

„Das ist kein Witz, das versichere ich dir“, erwiderte er kühl. „Mein Volk erwartet praktisch jeden Moment von mir die Ankündigung meiner Hochzeit. Es hat diesbezüglich schon reichlich Klatsch und öffentliche Spekulationen gegeben. Mein Volk würde sich betrogen fühlen, wenn ich es jetzt enttäuschte. Die Leute meinen, es sei Zeit, dass ich endlich jemanden zur Frau nehme und einen Erben hervorbringe, der die Zukunft des Fürstentums sichert.“

„Aber … sie erwarten doch, dass du Maria heiratest“, wandte Carrie matt ein.

„Wen ich heirate, ist ihnen eigentlich egal“, widersprach Luc arrogant. „Solange ich überhaupt heirate.“

„Mag sein, aber mich wirst du nicht heiraten!“ Carrie hatte sich glücklicherweise von dem ersten Schock erholt.

„Oh doch, das werde ich, Catherine. Wie du weißt, ist dies ein sehr traditionsbewusstes Land, und die ältere Generation hegt gewisse festgelegte Überzeugungen und Erwartungen. Sie sehen ihre Werte bereits durch die jüngeren Einwohner von S’Antander bedroht, die wie alle jungen Leute glauben, dass Fortschritt nur durch Demontage dessen erreicht werden kann, was die ältere Generation eingesetzt hat.“

Er ließ Carrie nicht zu Wort kommen und fuhr fort: „Ich befinde mich gegenwärtig in höchst heiklen Verhandlungen, bei denen es gilt, nicht nur die Ansichten dieser oppositionellen Gruppen in S’Antander zu bedenken, sondern auch die Interessen unserer ‚Gast‘-Bürger, deren Geld uns nicht nur höchst willkommen, sondern eine absolute Notwendigkeit für unser Land ist. Sonst könnten wir den hohen Standard im Gesundheits- und Erziehungswesen vielleicht nicht halten. Meine Heirat wird der älteren Generation die Gewissheit geben, dass die ihr wichtigen Traditionen respektiert werden. Und gleichzeitig wird allen die Botschaft vermittelt, dass ich mich meinem Land und seiner Zukunft verpflichtet fühle.“

Sie sah ihn verächtlich an. „Kein Wunder, dass Maria lieber meinen Bruder geheiratet hat! Der ist zwar nicht so reich wie du oder gar ein Prinz, aber Harry ist wenigstens menschlich – und nicht so kalt und berechnend wie du.“

„Ich denke, du hast genug gesagt. Sogar mehr als genug.“

Doch Carrie weigerte sich nachzugeben. „Ich bin kein naiver Teenager mehr, Luc“, warnte sie ihn. „Wenn du eine Ehefrau brauchst, dann such dir jemand anderen. Du kannst mich nicht dazu bringen, dich zu heiraten.“

„Meinst du?“ Sein Blick ließ sie zusammenzucken. „Ich habe in der letzten Zeit einige interessante Dinge über deinen ach so wundervollen Bruder Harry gehört. Begluckst du ihn immer noch so wie früher? Verteidigst ihn gegen alles und jeden? Natürlich!“ Er lächelte spöttisch. „Sonst wärst du ja gar nicht hier, nicht wahr?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Luc betont harmlos fort: „Er arbeitet für eine Handelsbank, richtig? Würde es dich überraschen, zu erfahren, dass er mit dem Geld der Bankkunden riskant spekuliert hat? Nein, natürlich nicht. Seine ihn vergötternde große Schwester war doch die Erste, an die er sich um Hilfe gewandt hat, sobald er erkannte, in welchen Schlamassel er sich manövriert hat, stimmt’s?“

Carrie schluckte. Stumm lauschte sie Lucs Worten, während kalte Panik in ihr aufstieg. Niemand außer ihr konnte von Harrys Schwierigkeiten und der Gefahr, in der er gesteckt hatte, etwas wissen. Und doch hatte Luc es irgendwie erfahren! Wusste er etwa auch …?

„Welch ein Glück für ihn, eine so loyale und kluge Schwester zu haben, die nicht nur fähig, sondern auch gewillt war, ihm aus diesem selbst produzierten Schlamassel wieder herauszuhelfen. Eine Schwester, die zudem bereit war, dafür ihre eigene Karriere und ihren guten Ruf in der Finanzbranche zu riskieren. Denn genau das hast du doch getan, Catherine.“

„Ich … weiß nicht, wovon du redest.“ Endlich hatte sie ihre Stimme wiedergefunden, doch Luc ließ sich nicht beirren.

„Lügnerin!“, erwiderte er ungerührt. „Du weißt genau, wovon ich rede. Harry hat sich wieder einmal in die Bredouille gebracht, und du hast ihm herausgeholfen, indem du ihn bei Aktienkäufen beraten hast, um den angerichteten Schaden wieder gutzumachen.“

Sie wich seinem Blick aus. Wie, in aller Welt, hatte er das herausgefunden? Sie hatte Harry absolute Geheimhaltung geschworen, als er ihr beschämt alles gestanden hatte. Zu entsetzt und besorgt war Carrie gewesen, ihm ihre Hilfe zu verweigern, obwohl … „Er ist mein Bruder“, erklärte sie ausdruckslos. „Es ist nur natürlich, dass ich ihm helfen wollte.“

Lucs Augen blitzten triumphierend auf. „Auch wenn du dich dafür der Tätigung von Insidergeschäften schuldig gemacht hättest?“

Sie presste die Lippen zusammen. „Nein, so war das nicht!“, wehrte sie empört ab. „Es waren keine Insidergeschäfte. Ich habe lediglich …“

„Aus deiner Sicht vielleicht nicht und vielleicht nicht einmal nach dem Gesetz. Aber du wirst mir sicher zustimmen, Catherine, dass diese Informationen, in den falschen Händen und öffentlich gemacht, dich in einem sehr schlechten Licht erscheinen lassen können. Du würdest deinen guten Ruf einbüßen, keine Zeitung würde mehr deine Dienste in Anspruch nehmen. Und dein kleiner Bruder würde ohne dich im Rücken vermutlich auch seinen Job verlieren. Ja, Catherine, ich könnte euer beider Leben ganz leicht zerstören.“

„Das würdest du tun? Was ist mit Maria? Oder willst du gerade sie dadurch treffen?“, fragte Carrie vorwurfsvoll.

„Sicher nicht. Meine geplante Verbindung mit Maria wäre ein diplomatisches Arrangement und keine Liebesheirat gewesen. Maria ist die Letzte, der ich wehtun möchte. Ich mag sie sogar sehr, weshalb ich deinen kleinen Bruder genau im Auge behalten werde. Wenn er irgendetwas tut, das sie verletzen könnte oder weshalb sie ihren Entschluss bereuen könnte, dann werde ich …“

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
Mehr erfahren