Verrückt vor Lust und Liebe

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Noch zwei Wochen, dann wird Mitch der Chef des Familienimperiums. Vorausgesetzt, er macht bis dahin keine Dummheiten! Doch genau das geschieht, als ihm Vanessa über den Weg läuft. Mit ihren meergrünen Augen und dem langen blonden Haar schlägt die kesse Shopbesitzerin ihn, den kühlen Banker, völlig in ihren Bann. Und schon hat er sie in seiner Villa, in seinen Armen, in seinem Bett. Noch nie hat sich was so gut angefühlt. Aber noch nie war eine Affäre so riskant! Er ist verrückt vor Lust und Liebe - wenn die zwei Wochen bis zur großen Entscheidung bloß schon vorbei wären …


  • Erscheinungstag 09.01.2010
  • Bandnummer 0003
  • ISBN / Artikelnummer 9783862951765
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Okay, Entscheidung gefällt. Du kommst mit mir nach Hause.“

Das leise Murmeln hinter ihrem Rücken ließ Vanessa Craig erschauern, ganz so als hauche ihr jemand einen verstohlenen Kuss in den Nacken. Sie räumte gerade Hundefutter in die Regale ein, doch die tiefe Stimme machte sie so neugierig, dass sie vorsichtig um die Ecke lugte. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen.

In ihrem Geschäft stand ein wahrer Traumtyp – groß und muskulös, mit rabenschwarzem Haar, sexy Dreitagebart und den blausten Augen, die Vanessa jemals gesehen hatte. Der Mann trug eine elegant geschnittene Anzughose und ein hellblaues Hemd, seine italienischen Lederschuhe waren auf Hochglanz poliert – offensichtlich gab er sich nicht nur mit dem Besten zufrieden.

Er selbst war das Beste.

Als der Mann leicht das Gewicht verlagerte, glitt sein Blick von dem kleinen Aquarium nach links; und dabei entdeckte er sie.

„Guten Tag.“ Er lächelte freundlich, während er sich vollständig zu ihr umdrehte. „Arbeiten Sie hier?“

Vanessa schluckte rasch. „Ich bin die Geschäftsführerin.“

„Großartig. Ich interessiere mich für diesen Fisch hier.“

Sie warf einen Blick auf den Goldfisch, der den Mann vor ihm neugierig anzustarren schien. Sie lächelte. „Sieht so aus, als würde er sich noch viel mehr für Sie interessieren.“

Während sie sprach, runzelte der Fremde kurz die Stirn, so als wäre da irgendetwas in ihrer Stimme oder in ihrem Gesicht, das ihm bekannt vorkam.

Als seien sie einander schon einmal begegnet. Dabei war das ganz sicher nicht der Fall. Daran würde ich mich erinnern, dachte Vanessa.

Im nächsten Moment kehrte das charmante Lächeln zurück, und der Mann deutete mit dem Kopf auf das Aquarium. „Können Sie mir sagen … welches Geschlecht der Fisch hat?“

Diese Frage war Vanessa in den vergangenen zwei Jahren von vielen Kunden ihrer Tierhandlung „Great and Small“ gestellt worden. Sie liebte all ihre Tiere und freute sich jedes Mal riesig, wenn einer ihrer Schützlinge ein liebevolles Heim fand. Freunde waren unheimlich wichtig: Mit Josie und Tia zum Beispiel war sie seit der Highschool verbunden. Aber Familie, wahre Familie … jeder wollte doch eine.

Ob dieser Mann wohl Familie hatte? War er ein Onkel? Ein Vater?

Sie legte eine Hand auf den Rand des Wassertanks. „Männchen haben kleine Punkte auf den Kiemen und der Brustflosse, so wie diese hier.“ Sie zeigte auf die Flossen des kleinen Kerls und fügte dann noch ein interessantes Detail hinzu. „Wussten Sie, dass die Japaner bereits seit über tausend Jahren Goldfische als Haustiere halten?“

In seine wundervollen meerblauen Augen trat ein Funkeln. „Tatsächlich?“

Sie nickte. „Es wurde auch von wissenschaftlicher Seite bestätigt, dass Fische zu beobachten die Nerven beruhigt.“

„Nun, das ist bestimmt billiger als der Psychotherapeut, den ich aufsuche.“

Vanessa fiel die Kinnlade herunter, doch in diesem Moment hob er eine Augenbraue und grinste verschmitzt – hab ich dich drangekriegt schien dieses unverschämte Lächeln zu besagen, und deshalb machte ihr Herz einen Satz.

„Um ehrlich zu sein, besitzt ein Freund von mir ein großes Aquarium“, gab er zu. „Er behauptet, dass es nichts Entspannenderes gibt nach einem langen anstrengenden Tag; als es sich anzuschauen. Kein Wirbel, keine Arbeit. Kein Lärm.“ Er zückte seine Brieftasche. „Akzeptieren Sie Kreditkarten?“

Doch noch ehe er ihr die Karte reichen konnte, richtete sich sein Blick auf eine Kiste im Schaufenster, in der ein Wurf quirliger Rottweiler-Welpen lautstark um Aufmerksamkeit bellte. Vanessa wischte die Hände an ihrer Jeans ab und trat näher. „Die sind verdammt süß, oder? Sind erst heute Morgen eingetroffen.“

Als sein Gesicht einen immer interessierteren Ausdruck annahm, ganz so, als ändere er gerade seine Kaufabsicht, wagte sie sich behutsam vor: „Haben Sie schon mal einen Hund gehabt?“

Den Blick unverwandt auf die niedlichen Welpen gerichtet, zog er die Augenbrauen zusammen. „Ich bin mit Hunden aufgewachsen … sozusagen.“

Vanessa lächelte frech. „Sozusagen aufgewachsen oder sozusagen mit Hunden?“ Sein stahlblauer Blick traf auf ihren – ihr Blut schien sich daraufhin sofort zu erhitzen.

„Pudel.“ Sein Blick senkte sich auf ihren Mund, glitt die Konturen ihrer Lippen entlang und richtete sich dann wieder auf ihre Augen. „Ich bin mit Pudeln aufgewachsen. Die kleinen, die so viel kläffen.“

Sie musste sich noch von diesem Blick erholen, weshalb sie rasch die Hände in die Taschen schob. „Egal wie groß – Pudel sind eine äußerst intelligente Rasse.“

„Ja, sie wissen, wie sie das bekommen, was sie haben wollen.“

„Die Hunde Ihrer Familie waren wohl verwöhnt?“

„Wie jede Frau im Haus.“ Er runzelte die Stirn. „Tut mir leid. Zu viele Details.“

Das machte ihr nichts aus. Im Gegenteil.

Klang so, als hätte er sowohl eine Mutter als auch Schwestern. Die feinen Linien um seine Augenwinkel legten den Schluss nahe, dass er so Ende zwanzig, Anfang dreißig war – zu alt, um noch zu Hause bei den Eltern zu leben. Ob seine Mutter und die Schwestern sehr dominant gewesen waren?

Vanessa gebot sich innerlich Einhalt. Was auch immer sein Background war – sie würde ihn nicht gut genug kennenlernen, um es zu erfahren.

„Diese Welpen sind erst acht Wochen alt. Sie werden noch ganz schön wachsen. Ein gutes Hundekörbchen ist unerlässlich.“ Sie holte eines aus einem nahen Regal hervor. „Ich empfehle diese Marke.“

Dicht neben ihrer Hand rieb er mit der Fingerkuppe über das Material. „Hm. Fest und dennoch weich.“

Wie auf Kommando richteten sich ihre Brustspitzen auf. Im ersten Moment genoss Vanessa das erotische Gefühl, doch dann rief sie sich rasch zur Ordnung.

Großer Gott, Josie hatte recht. Sie brauchte Urlaub. Bei ihrer aktuellen finanziellen Lage war es allerdings mehr als unwahrscheinlich, dass sie in naher Zukunft irgendwo am Strand liegen und Piña Coladas nippen würde. Nein, sie konnte erst dann verreisen, wenn sie wieder schwarze Zahlen schrieb. An ihrem Traum vom Verreisen wollte sie aber in jedem Fall festhalten.

Langsam legte sie das Hundekörbchen beiseite und räusperte sich, damit ihre Stimme nur ja nicht heiser oder belegt klang. „Rottweiler sind hervorragende Wachhunde und tolle Gefährten.“

Wie aufs Stichwort hob der einzige männliche Welpe die Pfoten ans Schaufenster und wackelte so heftig mit dem Schwanz, dass er dabei beinahe zur Seite kippte.

„Er wird viel Auslauf brauchen. Und er muss auch in die Welpenschule.“

„Sozusagen Kindergarten für Hunde.“ Der Fremde verschränkte die Arme über der Brust, dann kratzte er sich an der Schläfe. „Von was für einem Zeitaufwand reden wir hier? Ich komme spät nach Hause und arbeite an den meisten Wochenenden.“

Vanessas Puls verlangsamte sich. Das hätte sie sich denken können. Seine ganze Haltung strahlte Energie und Effizienz aus. Unwillkürlich glitt ihr Blick zu seiner linken Hand – kein Ehering. Doch nicht jeder verheiratete Mann trug einen Ring. Das hatte sie am eigenen Leib erfahren müssen.

„Vielleicht könnte Ihre Frau sich um den Hund kümmern?“

„Ich bin nicht verheiratet.“

„Dann vielleicht eine Freundin?“

Sie war neugierig – natürlich nur zum Wohle des Hundes. Ein sündhaft attraktiver Workaholic interessierte sich nicht für eine ganz normale Frau wie sie, die sich bemühte, die Karriereleiter zu erklimmen – noch dazu eine, die, wann immer sie einen Schritt nach vorne machte, in letzter Zeit ständig gleich drei Schritte zurückgeworfen wurde.

„Meine Haushälterin kommt einmal die Woche.“

Sie lächelte. Das war zum Glück etwas anderes.

Dann kam ihr ein Gedanke. „Wenn ein Hund zu viel Verantwortung ist und ein Fisch vielleicht nicht genug, dann wäre womöglich eine …“

„Sagen Sie jetzt nicht Katze!“ Er reckte das Kinn vor. „Ich mag keine Katzen.“

Beinahe hätte sie die Augen auffällig verdreht. Wie kam es nur, dass Männer und Katzen einfach nicht zusammenpassten?

„Dann vielleicht ein Vogel? Wir haben zauberhafte Wellensittiche. Oder ein Papagei? Sie können ihm das Sprechen beibringen. Und ihn sich auf die Schulter setzen.“

Ihr Kunde schnaubte. „Ganz sicher nicht.“

Entschlossen umrundete er einen älteren Mann, der sich Meerschweinchen anschaute, kehrte zum Aquarium zurück und betrachtete erneut den Fisch, der auf einer Stelle verharrte, Blasen produzierte und zurückstarrte. Der Mann beugte sich vor, hob eine Hand und klopfte gegen das Glas.

Als Vanessa sein Handgelenk berührte – an ein Aquarium klopfen, das durfte man nun wirklich nicht –, spürte sie regelrecht eine Schockwelle durch ihren Körper strömen, die ihr beinahe die Luft zum Atmen raubte.

Der Fremde richtete sich auf und schaute sie merkwürdig an, ganz so, als hätte er den Stromstoß ebenfalls bemerkt. Oder vielleicht sollte dieser Blick auch nur ausdrücken, dass sie die Hände von ihm zu lassen hatte.

Vanessa wich rasch ein Stück zurück. „Viele Menschen haben äußerst befriedigende Beziehungen mit Fischen“, erklärte sie mit unbeabsichtigt heiserer Stimme.

Ein Lächeln trat in seine Augen. „Sie auch?“

Hastig deutete sie auf die Reihe an Wassertanks hinter ihnen. „Wir haben unzählige Fische hier.“

„Aber halten Sie auch zu Hause Fische?“

„Nein.“

„Einen Hund?“

„Das darf ich nicht.“

Er hob eine Augenbraue. „Sie leben noch bei Ihren Eltern?“

Vanessa blinzelte. „Nein, meine Vermieterin erlaubt keine Haustiere.“

„Aber Sie haben Familie hier in der Nähe?“

Bei seiner Frage zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. Sie war bereits in ganz jungem Alter zur Waisen geworden und daraufhin zu einer Tante an die ländliche Ostküste Australiens gezogen. Sie hatte keine Geschwister, keine Großeltern oder Cousins. Außer ihrer Tante Anne McKenzie gab es niemanden.

Um Fassung bemüht, schluckte sie mehrmals. „Ich bin nicht sicher, was das damit zu tun hat, dass Sie einen Fisch kaufen wollen, Mr. …“

„Stuart. Mitchell Stuart.“ Beinahe verlegen gestikulierte er mit der Hand. „Und Sie haben natürlich recht. Es hat nichts miteinander zu tun. Bitte entschuldigen Sie.“ Er verengte die Augen, betrachtete den stumm glotzenden Fisch und begann dann, langsam zu lächeln. „Ich glaube, dieser kleine Kerl hier ist genau der Richtige.“

Vanessa zwang ihre Gedanken weg von ihrer nicht vorhandenen Familie und konzentrierte sich wieder aufs Geschäft. Sie freute sich für den Goldfisch, der sicherlich in ein gutes Haus kam. Zweifellos würde er nur das beste Fischfutter bekommen, und die Haushälterin würde sein Aquarium regelmäßig reinigen.

Sie hob den Wassertank an. „Haben Sie schon einen Namen im Sinn?“

Mr. Stuart nahm ihr rasch den schweren Tank ab und runzelte die Stirn. „Fische haben Namen?“

Am Ladentisch griff sie nach Fischfutter, Neutralisierer und Wasserfilter und erklärte Mr. Stuart ganz genau, wie er sich um seinen neuen Goldfisch kümmern musste. Nachdem er die Quittung unterschrieben hatte, reichte sie ihm die Kreditkarte zurück. „Ich bin sicher, dass Sie keine Probleme haben werden.“

„Und wenn doch?“

„Dann rufen Sie mich an.“

Sie reichte ihm eine Visitenkarte aus dem Halter auf dem Tisch. Als er danach griff, leuchteten seine Augen triumphierend. „Ich habe ein gutes Gefühl.“

„Dann habe ich das auch.“

Mr. Stuart packte seine Sachen zusammen. Als er an den Welpen vorbeiging, zögerte er noch einmal kurz, doch dann warf er einen Blick über die Schulter und hielt den Fisch mit einem Lächeln hoch, das besagte, er habe die richtige Wahl getroffen.

Vanessa winkte ihm zu. Ein weiterer zufriedener Kunde. Und die Welpen würde sie ganz schnell an liebevolle Familien verkaufen, die genug Zeit hatten, um sich um die Tiere zu kümmern. Vielleicht würde Mitchell Stuart ja eines Tages zurückkehren, wenn er bereit war, eine größere Verpflichtung einzugehen.

Ob sie dann noch hier sein würde? Sie musste einfach ganz fest daran glauben, dass ihr morgiger Termin bei der Bank sie retten würde. Über die Alternative wollte sie gar nicht nachdenken.

Zwei Stunden später drehte sie gerade das Schild an der Tür um, als das Telefon klingelte. Wenn das der Futterlieferant war wegen der noch ausstehenden Rechnungen – der Scheck befand sich garantiert in der Post. Oder falls ihr Vermieter sie daran erinnern wollte, dass sie in zwei Wochen den Laden räumen musste …

Ihr Magen flatterte nervös. Vielleicht ging sie am besten gar nicht ran.

Als es erneut klingelte, zuckte sie zusammen und hob doch ab. Kein Hallo am anderen Ende der Leitung, sondern ein direktes: „Ich habe einen Namen für den Fisch gefunden.“

Die tiefe männliche Stimme klang über das Telefon noch erotischer.

„Mr. Stuart. Hallo.“

„Kamikaze.“

„W-wie bitte?“, stammelte sie.

„Er springt die ganze Zeit aus dem Wassertank heraus. Ganz offensichtlich will er Selbstmord begehen.“

Vanessa sank auf den nächsten Stuhl und rieb sich die Stirn. O Gott. „Das passiert manchmal.“

„Ich habe den Tank gefüllt, habe die richtige Menge Neutralisierer hinzugefügt, den Filter installiert und ihn gefüttert. Als ich ihm den Rücken zuwandte, ist er herausgesprungen. Ich habe ihn ins Wasser zurückgesetzt, worauf er sofort wieder herausgesprungen ist, und dann noch einmal.“ Seine Stimme senkte sich zu einem tiefen Knurren. „Offensichtlich ist er unglücklich.“

„Es könnte an verschiedenen Dingen liegen. Vielleicht hat er nicht genug Wasser.“

„Ich habe bereits welches dazugegeben.“

„Dann ist es vielleicht zu viel.“ Sie hörte förmlich, wie er stutzte.

„Ein Fisch kann zu viel Wasser haben?“

„Nur insofern, dass es ihm erleichtert, hinauszuspringen.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. „Und dann besteht noch die Möglichkeit, dass …“

„Welche Möglichkeit?“

„Na ja, manche Fische sind einfach … Springer.“

Sie hörte sein Stöhnen, dann ein leises Schlurfen, so als habe er sich ebenfalls bewegt und in einen Sessel fallen lassen.

Vanessa umklammerte den Hörer fester. Sie hatte ihm versprochen zu helfen, falls es nötig sein sollte. Die Statistik besagte, dass die meisten Menschen in Geschäften einkauften, die in der Nähe ihres Zuhauses lagen. Ärzte machten Hausbesuche. Warum sollte sie es nicht ebenfalls tun?

„Mr. Stuart, ich habe gerade den Laden geschlossen. Möchten Sie, dass ich kurz vorbeikomme und nachsehe, was ich tun kann?“

„Machen Sie so etwas?“

„Die ganze Zeit“, log sie.

Er atmete erleichtert aus. „Meine Adresse lautet …“

„Hältst du das für witzig?“ Mitch sammelte Kamikaze mithilfe eines Netzes von seinem Esszimmertisch ein und bugsierte ihn vorsichtig zurück ins Wasser. „So, der Spaß ist jetzt vorbei, mein Junge.“

Hilfe war bereits unterwegs. Hilfe in Form einer zierlichen jungen Frau in den Zwanzigern, die er über diese Fischrettungsaktion hinaus nicht näher kennenzulernen gedachte. Oh, nein. Er würde Vanessa Craigs langes glänzendes Haar genauso ignorieren wie ihre leuchtend grünen Augen oder ihr umwerfendes Lächeln. Er nahm gerade eine Auszeit von den Frauen.

Von allen Frauen.

Als sein Vater vor fünfzehn Jahren gestorben war, da war Mitch zum einzigen Mann in der Familie geworden. Obwohl er bereits vor sieben Jahren aus dem beeindruckenden Herrenhaus der Stuarts ausgezogen war, wandten sich alle Frauen in seiner Familie jedes Mal an ihn, wenn sie Hilfe benötigten, … und sie schienen ständig Hilfe zu brauchen. Hilfe bei ihren Finanzangelegenheiten, Hilfe bei Reparaturarbeiten, Hilfe bei Computerproblemen oder Flugbuchungen – egal um was es sich handelte, Mitch wurde angerufen.

Es war beinahe wie ein Virus, der ihn sogar bis in seine privaten Beziehungen hinein verfolgte. Das aufstrebende Unterwäsche-Model Priscilla Lawson hatte bei ihrer ersten Begegnung bei einem Wohltätigkeitsdinner noch einen äußerst unabhängigen Eindruck gemacht. Nach drei gemeinsamen Wochen war ihre Affäre gerade so richtig ins Laufen geraten, da erwähnte Priscilla eines Abends eine große Familienzusammenkunft … Ob es ihm etwas ausmachen würde, ihren Flug nach Melbourne zu buchen und, während sie fort war, ihren Pool zu reinigen und die Katze zum monatlichen Check-up zu bringen? Das Tier hatte Leberprobleme.

Seine Nackenhaare stellten sich auf.

Er hasste Katzen.

Aber dieser Rottweiler-Welpe hatte ihm wirklich gefallen …

Er war ein viel beschäftigter Mann. Seine Arbeit war sein Leben. Auch wenn er nette Kollegen im Büro hatte und genug Freunde, mit denen er die Wochenenden verbringen konnte – zumindest wenn er denn die Zeit dazu hatte –, so verspürte er dennoch das Bedürfnis, zu jemandem nach Hause zu kommen. Jemandem Männlichem, mit dem er Fußball gucken konnte, ohne dass darüber gestöhnt wurde, der sich nicht beklagte, wenn er die Füße auf den Couchtisch legte, der nicht mit den Wimpern klimperte oder in Tränen ausbrach, um seinen Willen durchzusetzen. Jemand, der weder viel Aufmerksamkeit noch Gefühle verlangte.

Er betrachtete seinen glupschäugigen Freund.

Ein Goldfisch war genau der Richtige.

Als die Türklingel durch die zwei Stockwerke mit exklusivem Blick auf Sydneys berühmten Hafen hallte, straffte Mitch die Schultern und hob einen warnenden Finger in Richtung Kamikaze. „Rühr ja keine Flosse, bis ich zurück bin.“

Kurz darauf öffnete er die Tür, und da stand sie vor ihm, frisch und unbekümmert. Ihre langen Beine steckten in einer verteufelt engen Jeans, und unter dem knapp sitzenden weißen T-Shirt mit der pinkfarbenen Aufschrift „Great and Small“ zeichneten sich deutlich volle, verführerische Brüste ab. Verdammt, sie sah wirklich heiß aus …

Mitch rief sich sofort zur Ordnung.

Herrgott, was tat er denn da? Sich diese Frau nackt vorzustellen, war keine gute Idee. Genau genommen, war es mehr als unangemessen.

Denk an den Fisch, Mitch. Mit den Frauen bist du durch.

Er räusperte sich und bat sie hinein. „Vielen Dank, dass Sie so schnell gekommen sind. Er ist da drüben.“

Im Esszimmer ging Vanessa Craig etwas in die Knie, legte die Hände darauf und inspizierte den Patienten, während Mitch zurücktrat und auf die Diagnose wartete. Die Untersuchung dauerte eine Weile, dabei beugte sie sich noch etwas weiter vor, sodass ihr Po sich ihm verführerisch entgegenreckte. Himmel, das konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen …

Endlich richtete sie sich wieder auf. Doch sie bog den Rücken durch, sodass sich nun ihre Brüste gegen den Stoff des T-Shirts pressten. Mitch bemühte sich sehr, ihr nur in die Augen zu schauen.

Ihre Frage klang düster. „Wann ist er das letzte Mal herausgesprungen?“

„Unmittelbar bevor Sie gekommen sind.“

„Und davor?“

„Ungefähr vor zehn Minuten.“

Nachdenklich strich sie sich über das Kinn. „Es könnte sein, dass er sich noch an seine neue Umgebung gewöhnen muss.“

„Oder ich wache morgen früh auf, und er …“ Mist. Daran wollte er nicht mal denken.

Sie verschränkte die Arme über der Brust, kaute an ihrer Unterlippe und suchte nach einer Antwort. Ihr Mund war von Natur aus voll und rosig. Wie zum Küssen gemacht, mit äußerst attraktiven Grübchen links und rechts davon, was ihm bereits in ihrem Geschäft aufgefallen war.

„Was, wenn wir einen größeren Tank ausprobieren?“, schlug sie vor.

Mitch konzentrierte sich wieder auf das unmittelbare Problem. „Der Plan klingt gut.“ Besonders wenn ich dann morgen früh keinen toten Fisch vorfinde.

Sie ging auf die Tür zu. „Gut. Ich habe einen mitgebracht. Er ist draußen auf Ihrer Veranda.“

Lächelnd folgte er ihr. Vanessa Craig war intelligent, hilfsbereit und offensichtlich gut vorbereitet. Außerdem führte sie ihr eigenes Geschäft. Ob bei ihr Gewinne und Verluste in einem vernünftigen Verhältnis zueinander standen? Natürlich wusste er, dass nicht nur Frauen in Schwierigkeiten gerieten, aber in den vergangenen Jahren hatte es oft genug so gewirkt.

Er half Vanessa, den größeren Tank hereinzutragen, ihn mit Wasser zu füllen und das Neutralisierungsmittel hinzuzufügen.

Während sie den Wasserfilter installierte, nickte sie beinahe schüchtern in Richtung eines Fotos an der Wand. „Ist das Ihre Familie?“

Wie immer schnürte sich ihm beim Anblick des Bildes die Brust zu. Er spürte eine Mischung aus Zuneigung und Bedauern. Auf dem Foto saß sein Vater auf einem roten Sofa, umgeben von seiner Frau, seinen vier Töchtern und dem einzigen Sohn.

Mitch strich mit der Hand den Rand des Wassertanks entlang. „Mein Vater ist, kurz nachdem diese Aufnahme gemacht wurde, gestorben.“ Nur wenige Tage vor Mitchs fünfzehntem Geburtstag.

Als sie den Filter aktivierte, streifte ihre Hand versehentlich seine. Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag, genauso wie zuvor in ihrem Geschäft, als sie sich berührt hatten. Er empfand die Reaktion als gefährlich angenehm.

Ihre Blicke begegneten sich – in ihrem lag Überraschung gepaart mit jähem Verstehen. Rasch schaute sie zu Boden und wich ein Stück zurück. „Das tut mir leid … das mit Ihrem Dad.“

Er konzentrierte sich wieder auf den Gegenstand ihres Gesprächs. „Er war ein guter Mann, aber sehr altmodisch. Er hat fest an strenge Liebe geglaubt.“

Ihr Mund wurde zu einer dünnen Linie. „Wer die Rute spart, verzieht das Kind?“

„Nein, nein, ganz im Gegenteil. Aber bei uns zu Hause hatte jede Tat ihre Konsequenzen.“ Mein Gott, wie oft hatte er sich die Standpauken in Sachen Verantwortung und Pflichterfüllung anhören müssen? Immer wieder hatte sein Vater ihm eingeschärft, dass er diejenigen an erste Stelle setzen musste, die er liebte. „Wir wurden bedingungslos geliebt, aber wir konnten uns nicht viel erlauben. Dafür schenkte er uns seine ungeteilte Aufmerksamkeit, wann immer wir sie brauchten.“

Ihre grünen Augen nahmen einen ganz besonderen Schimmer an, der ihn an die Blätter der Linde erinnerten, die vor ihrem Geschäft wuchs.

„Sie müssen ihn alle sehr vermissen“, murmelte sie leise.

Er nickte. Ich vermisse ihn jeden Tag.

Was hätte sein Vater wohl in dem aktuellen Familiendrama getan? Am Vorabend erst hatte seine Schwester Cynthia, die gerade mal zweiundzwanzig war, ihre Verlobung mit dem größten Widerling aller Zeiten verkündet. Ihre snobistische Mutter war in Freudenbekundungen ausgebrochen, was Mitch schon überrascht hatte. Der Typ mochte ja ein gut verdienender Arzt sein, aber er war auch ein notorischer Spieler.

Wie in aller Welt sollte er Menschen beschützen, die sich kopfüber ins Unglück stürzten?

Stöhnend rührte er das frisch eingelassene Wasser mit dem Netz um.

Vermutlich würde er sich irgendetwas einfallen lassen. Oder auch nicht. Vielleicht sollte er es diesmal die Frauen selbst regeln lassen. Er konnte seiner Schwester ja schlecht vorschreiben, wen sie heiraten sollte, auch wenn er ihr nur zu gern gesagt hätte, wen sie nicht heiraten durfte.

Mitch warf einen verstohlenen Blick auf seine attraktive Besucherin. Ob Vanessa Craig sehr ehrgeizig war in geschäftlicher Hinsicht, oder lag ihr mehr am Privatleben? Wollte sie einen guten Fang machen? Seine Schwestern schienen an kaum etwas anderes als Babys zu denken. Wozu die Eile? Er würde sich da noch eine ganze Menge Zeit lassen.

Er legte das Netz ab. „Was ist mit Ihnen?“

Vanessa schaute ihn überrascht an. „Was soll mit mir sein?“

„Familie. Sie haben nicht erwähnt, ob Ihre hier in der Nähe lebt.“

Sie zuckte kurz die Achseln. „Ich habe keine Familie.“

Keine Familie? Die Vorstellung war äußerst befremdlich. Und in mancherlei Hinsicht verblüffend verführerisch. Keine Verpflichtungen. Keine Ansprüche. Keine Erwartungen. „Gar keine?“

Sie wischte sich die Hand an der Jeans ab und hinterließ dabei einen nassen Abdruck auf dem wohlgeformten Oberschenkel. „Ich habe eine Tante. Tolle Freunde und natürlich meine Tiere …“, sie lächelte betont heiter, „… insofern ist mein Leben durchaus erfüllt.“

Sollte das ein versteckter Hinweis sein, dass sie nicht auf der Suche nach Romantik war? Nun, ihm ging es ebenso … auch wenn seine wachsende Neugier etwas anderes besagte. Vanessa Craig hatte etwas an sich – etwas Faszinierendes, das über ihre wunderschönen grünen Augen hinausging und ihn in seinen Bann zog.

Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, ergriff das Netz und verfrachtete Kami behutsam in sein neues Zuhause. Der kleine Goldfisch bewegte munter die Flossen und erkundete neugierig die ungewohnte Umgebung. Mitch stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Er sieht schon viel glücklicher aus.“

„Hoffentlich funktioniert der Trick.“

„Nach all der Anstrengung müsste er eigentlich gut schlafen.“ Was ihm sehr lieb gewesen wäre – er hatte nämlich noch einiges an Papierkram zu erledigen.

Autor

Robyn Grady
Es ist schon lange her, doch Robyn Grady erinnert sich noch ganz genau an jenes Weihnachten, an dem sie ein Buch von ihrer großen Schwester geschenkt bekam. Sofort verliebte sie sich in die Geschichte von Aschenputtel, die von märchenhaftem Zauber und Erfüllung tiefster Wünsche erzählte. Je älter sie wurde, desto...
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