Baccara Collection Band 432

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BAD BOY – VERBOTEN HEISS! von KIRA SINCLAIR
Nichts ist so erregend wie die Aura der Gefahr! Kaum trifft Genevieve den sexy Bad-Boy-Milliardär Finn DeLuca wieder, knistert es unwiderstehlich heiß. Aber Vorsicht: Finn hat ihr damals nicht nur das Herz, sondern auch einen wertvollen Diamanten gestohlen!

LIEBE, LÜGE – HAPPY END? von JAYCI LEE
Der attraktive Filmproduzent Colin Song ist für Jihae tabu, schließlich ist er ihr Geschäftspartner! Sein Sex-Appeal ist jedoch einfach überwältigend – ehe sie sich versieht, steckt sie in einer heimlichen Liebesaffäre. Doch ahnt sie nicht, was Colin vor ihr verbirgt …

VERLANGEN GEGEN ALLE VERNUNFT von REESE RYAN
Um sein falsches Rüpel-Image loszuwerden, würde Football-Spieler Nate Johnston alles tun. Aber muss sein Agent ausgerechnet PR-Spezialistin Kendra für ihn engagieren? Die Frau, die einst seinen Heiratsantrag abgelehnt hat – und ihn trotz allem immer noch magisch anzieht …


  • Erscheinungstag 18.05.2021
  • Bandnummer 432
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501002
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kira Sinclair, Jayci Lee, Reese Ryan

BACCARA COLLECTION BAND 432

KIRA SINCLAIR

Bad Boy – verboten heiß!

Nichts geht Milliardär Finn DeLuca über seine Freiheit! Bis er erführt, dass seine leidenschaftliche Nacht mit der schönen Genevieve nicht ohne Folgen blieb. Zum ersten Mal im Leben will er plötzlich sesshaft werden. Obwohl er spürt, dass Genevieve ihn so heiß begehrt wie er sie, fragt er sich: Wird sie ihm je seine kriminelle Vergangenheit verzeihen?

JAYCI LEE

Liebe, Lüge – Happy End?

Wider besseres Wissen beginnt Colin eine lustvolle Affäre mit seiner neuen Geschäftspartnerin Jihae. Dabei darf sie nicht hinter sein Geheimnis kommen! Denn Colin arbeitet nicht nur mit ihr zusammen, um die romantische Komödie des Jahres zu drehen – vor allem muss er herausfinden, wer aus Jihaes Unternehmen dem Konzern seiner Familie schaden will!

REESE RYAN

Verlangen gegen alle Vernunft

Kendra hat sich nie verziehen, dass sie Nates Heiratsantrag abgelehnt hat. Auch wenn er ihr Traummann war: Sie hatte keine andere Wahl! Doch jetzt, wo er mit ihr zusammenarbeiten muss, beginnen wieder sinnliche Funken zwischen ihnen zu sprühen. Kaum kann sie auf eine zweite Chance hoffen, fürchtet sie jedoch, dass sie nicht die Einzige für Nate ist ...

1. KAPITEL

Drei Jahre lang war sie Finn DeLuca erfolgreich aus dem Weg gegangen. Diese Schonfrist war nun offensichtlich vorüber.

Genevieve Reilly blickte ihren Anwalt in banger Erwartung an. Vielleicht würde er gleich anfangen zu lachen und die Neuigkeiten damit in einen Scherz verwandeln. Oder er würde sie kneifen, damit sie aus ihrem Albtraum erwachte.

„Wenigstens haben den Richter unsere Argumente im Hinblick auf Noahs Übernachtung bei seinem Vater überzeugt. Mr. DeLuca darf ihn nur tagsüber sehen.“

Wenn das der Silberstreif am Horizont sein sollte, war es Genevieve kein Trost. „Aber wie konnte das passieren? Sie haben mir fest versprochen, dass es zu keiner Besuchsregelung kommen würde. Er ist ein verurteilter Verbrecher, um Himmels willen.“

Lance streckte einen Arm über den Konferenztisch und tätschelte ihr beruhigend die Hand. „Ich habe Ihnen nur gesagt, dass es nicht sehr wahrscheinlich wäre. Aber wie es scheint, verfügt Mr. DeLuca nicht nur über beträchtlichen Einfluss, sondern auch über Freunde in hohen Positionen. Anderson Stone hat zu seinen Gunsten als Leumundszeuge ausgesagt.“

„Noch ein verurteilter Verbrecher.“

„Aber ein milliardenschwerer, den noch dazu die Medien als Helden feiern, weil er die Liebe seines Lebens vor einem Vergewaltiger gerettet hat.“

„Na, großartig. Aber das hat doch nichts mit Finn zu tun. Finn ist kein Held. Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass er des Teufels Sohn ist.“ Genevieve rieb sich die Stelle zwischen den Augen, hinter der sich ein hämmernder Kopfschmerz anbahnte. Sie würde den Tag zutiefst bereuen, an dem sie Finn DeLuca kennenlernte – wenn es ihren Sohn Noah nicht gäbe. Noah war das Beste, was ihr in ihrem bisherigen Leben passiert war.

Durch Noah hatte sie die Kraft aufgebracht, ein Leben aufzugeben, das sie langsam aber sicher vergiftet hatte. Ihre Entscheidung bedeutete zwar, dass Noah und sie um alles kämpfen mussten, was sie besaßen, aber das war es wert. Noah konnte in einer gesunden und glücklichen Umgebung aufwachsen.

Lance zuckte mit den Schultern. „Teufel oder nicht, er ist Noahs Vater. Und wir wollen uns nichts vormachen. Er hat genug Geld, um uns bis Noahs Volljährigkeit mit Gerichtsprozessen das Leben schwer zu machen.“

Auf gewisse Weise war genau das ebenso ihre Hoffnung gewesen wie auch ein Grund für schlaflose Nächte. Solange sie vor Gericht über Noah stritten, musste sie Finn weder persönlich begegnen noch ihm Noah ausliefern. Aber sie hatte keinen Zugang mehr zu unbegrenzten Bankkonten und hätte sich die Anwaltskosten kaum auf lange Sicht leisten können. Aber sie hätte es geschafft. Irgendwie.

Natürlich konnten sie gegen das Gerichtsurteil in Berufung gehen. Aber in der Zwischenzeit hatte Finn das Besuchsrecht. Das bedeutete, dass sie ihm gegenübertreten musste. Das war eine Vorstellung, die sie mit Schrecken und gleichzeitig auch mit Sehnsucht erfüllte.

Erfolglos versuchte sie zu verdrängen, wie oft sie nachts mit wild klopfendem Herzen und der Erinnerung an einen höchst erotischen Traum aufwachte, in dem Finn die Hauptrolle gespielt hatte. Dabei wollte sie ihn doch nicht mehr. Und sie würde nicht zulassen, dass es jemals wieder dazu kam.

Sie wollte nicht zugeben, dass sie sich mit jeder Faser ihres Körpers nach einem Wiedersehen mit Finn DeLuca sehnte.

Ihre letzte Erinnerung an ihn war grauenhaft. Das zuckende Blaulicht der Polizeiautos auf dem Vorplatz des Anwesens ihres Großvaters. Der kalte und emotionslose Ausdruck in Finns Gesicht, als ein Polizist ihm Handschellen anlegte und ihn zu einem der Einsatzwagen führte.

Sie hatte es abgelehnt, bei seiner Gerichtsverhandlung dabei zu sein. Wozu hätte das auch gut sein sollen? Zum Glück hatte der Staatsanwalt ihre Zeugenaussage nicht gebraucht. Finn war nämlich in flagranti dabei ertappt worden, wie er einen Diamanten im Wert von fünfzehn Millionen Dollar in seiner Tasche hatte verschwinden lassen.

Ihr Diamant. Oder besser gesagt, der ihrer Familie. Weil sie dem charmanten Teufel auf den Leim gegangen war und dabei fast den Star of Reilly verloren hätte, wäre sie beinah enterbt worden. Um diesem Schicksal zu entgehen, hatte Genevieve sich ihr ganzes Leben lang förmlich ein Bein ausgerissen. Schon als sie ein kleines Kind war, hatte ihr Großvater ihr damit gedroht, sie aus dem Testament zu streichen, wenn sie nicht gehorsam war.

Genevieve hatte ihre Eltern früh verloren, und ihr Großvater war die einzige Familie, die sie je gekannt hatte. Auch wenn er schlimmer war als ein Monster unter ihrem Bett, so war der doch alles, was sie hatte. Von klein auf hatte sie sich verzweifelt darum bemüht, ihn zufriedenzustellen. Die Vorstellung, sie könnte ihn auch noch verlieren, war unerträglich gewesen.

Dennoch war sie ein paar Monate nach Finns Verhaftung einfach gegangen. Das Leben war merkwürdig und nichts für schwache Gemüter.

Beim Gedanken an ein Wiedersehen mit Finn wurde ihr die Kehle eng. Er sah unverschämt gut aus, war charismatisch und gefährlich. Und sehr verführerisch. Trotz allem brachte Genevieve es nicht über sich, ihn zu hassen. Obwohl sie jeden Grund dazu hatte.

„Mr. DeLucas Anwalt hat darum gebeten, dass Sie den Ort für das Zusammentreffen auswählen. Er meinte, seinem Mandanten sei daran gelegen, dass Sie sich wohlfühlen.“

So viel Rücksichtnahme sah Finn nun wirklich nicht ähnlich. Der Mann, an den sie sich erinnerte, war ein Ausbund an Egoismus gewesen. Übertrieben großzügig zu Menschen, die ihm nahestanden. Aber nur deshalb, weil es ihm in die Wiege gelegt war, sich einzuschmeicheln. Das Wohlergehen seiner Mitmenschen war ihm völlig egal. Sie würde ihren gesamten Besitz darauf verwetten, dass sein Entgegenkommen nichts mit ihr zu tun hatte.

Finn DeLuca wollte irgendetwas. Aber bis jetzt hatte sie nicht herausgefunden, worum es sich dabei handelte.

Zumindest konnte sie sich sicher sein, dass er sie nicht mehr dazu benutzen wollte, Zugang zum Anwesen ihres Großvaters zu erlangen. Bestimmt waren ihm ihre veränderten Lebensumstände genau bekannt. Der Scheck, den er ihr geschickt hatte und der jetzt in Fetzen gerissen auf ihrer Kommode lag, war der eindeutige Beweis für sein Wissen darüber, dass ihr Großvater sie nicht länger finanziell unterstützte.

Mit diesem Scheck hatte Finn sich zweifellos einen Weg zurück in ihr Leben erkaufen wollen. Und in Noahs Leben. Doch sie brauchte sein Geld nicht. Und selbst wenn sie es brauchen würde, hätte sie niemals etwas von ihm angenommen. Vermutlich konnte sie sich für Noah später keine teure Privatschule leisten. Aber sie konnte für ihren Sohn auch ohne Finns fragwürdige Angebote sorgen.

„Genevieve?“

Verdammt, es geschah wirklich. Und dabei hatte sie so sehr gehofft, dieser Tag würde niemals kommen. Mehr noch, sie hatte diese Möglichkeit einfach verdrängt. Deshalb war sie jetzt überhaupt nicht darauf vorbereitet.

„Richten Sie ihm aus, dass er zu mir kommen soll. Diesen Samstag um zehn Uhr vormittags. Wir werden dann besprechen, wie es weitergehen soll. Aber er wird meinen Sohn ohne mich nirgendwohin mitnehmen. Jedenfalls nicht, bis ich mir sicher bin, dass er in der Lage ist, für ihn zu sorgen und Sicherheit zu garantieren.“

„Ich gehe davon aus, dass Mr. DeLuca jeder Ihrer Forderungen zustimmen wird.“

Das entsprach nicht den Tatsachen. Denn wenn es so wäre, würde Finn ihre Wünsche respektieren und für immer aus ihrem Leben verschwinden.

Finn DeLuca blickte auf die Aktenmappe, die aufgeschlagen vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Die Füße hatte er auf die Tischplatte gelegt, gleich neben das gerahmte Foto von seinem Sohn auf einer Kinderschaukel im Park.

Sein Sohn hatte große Ähnlichkeit mit Finns Bruder in diesem Alter. Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen.

Noahs blaue Augen sprühten vor Freude. Seine dunkelblonden Locken waren vom Wind zerzaust, die Pausbacken gerötet. Sein Mund war geöffnet. Offenbar lachte er aus vollem Hals.

Finn betrachtete das Foto nicht zum ersten Mal. Und er versuchte auch nicht zum ersten Mal, die vielfältigen Gefühle zu entwirren, die ihn beim Anblick seines Sohnes überfluteten.

Er war nicht daran gewöhnt, sich für jemand anderen als sich selbst zu interessieren.

Aber seit er zum ersten Mal ein Foto seines Sohnes gesehen hatte, war Finn verloren. Es war ein Bild gewesen, das im Krankenhaus kurz nach Noahs Geburt aufgenommen worden war.

Seine Reaktion darauf war vergleichbar mit dem Moment, als er Noahs Mutter zum ersten Mal erblickt hatte. Genevieve hatte ihn gleichermaßen verwirrt und verblüfft. Und er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt wie noch zu keinem anderen Menschen zuvor.

Wie von selbst glitt sein Blick zu der Frau, die hinter Noah stand. Sie hatte die Arme ausgestreckt und wartete darauf, dass die Schaukel zurückkam und wieder angestoßen werden musste. Ihr flammend rotes Haar war am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengesteckt. Aber einige Strähnen hatten sich gelöst und umspielten ihr Gesicht.

Er wusste, wie lang ihr Haar war, wenn sie sich einmal dazu entschloss, es offen zu tragen. Das kam nicht oft vor. Er konnte es an einer Hand abzählen, dass er sie ohne Knoten oder Zopf gesehen hatte. Und dann auch nur, weil er sie darum gebeten hatte, ihr Haar zu lösen.

Er erinnerte sich daran, wie seidig und weich sich ihr rotes Haar angefühlt hatte, während er seine Finger hindurchgleiten ließ. Er erinnerte sich an den weichen verträumten Ausdruck in ihren grünen Augen, als er ihre nackte Haut gestreichelt hatte. Allein der Gedanke daran hatte fatale Auswirkungen auf die Region unterhalb seiner Gürtellinie.

Verdammt, er musste sich unbedingt zusammenreißen. Die Erinnerung an ihren nackten Körper in seinem Bett würde ihn nicht sehr weit bringen. Wenn sie merkte, wie es um ihn stand, würde sie einen unüberwindbaren Schutzwall um sich errichten.

Und er brauchte ihre Kooperation, um Zugang zu seinem Sohn zu bekommen.

Er schüttelte unwillig den Kopf, schob das Foto beiseite und widmete sich dem Bericht, den er gerade erhalten hatte.

„Danke, Mann. Was schulde ich dir?“

Anderson Stone, der ihm gegenüber auf einem Besuchersessel saß, runzelte die Stirn. „Nichts. Du weißt, ich würde alles tun, um dir zu helfen. Ich bin froh, dass du endlich die Chance bekommst, ihn zu sehen. Immerhin kämpfst du seit sechs Monaten darum.“

Sechs Monate waren eine lange Zeit. Aber schließlich hatte alles vorerst ein gutes Ende genommen. Finn mochte skrupellos sein, aber er hatte es immer verstanden, eine gute Grundlage für den Erfolg zu schaffen. Und er wusste, dass Geduld auf dem Weg zum Erfolg eine nützliche Tugend war. Die Planung und die spannungsgeladene Erwartung vor einem Raub hatten ihm immer am besten gefallen.

Von dem Adrenalinstoß des Triumphes einmal abgesehen.

Finn warf seinem Freund einen missbilligenden Blick zu. „Du weißt schon, dass der Zweck eines Geschäfts darin liegt, Profit zu machen.“

„Das ist mir durchaus klar.“

„Das bezweifle ich stark. Mir ist nicht bekannt, dass du derzeit außer mir noch andere Auftraggeber hast. Sieh mal, die Sache funktioniert so, dass du eine Dienstleistung erbringst und dafür ein Honorar forderst.“

„Ach, tatsächlich? Wer von uns beiden hat denn einen Abschluss in Betriebswirtschaft?“

Finn schnaubte. „Du. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich keine Ahnung habe und du der Experte bist.“

Anderson zuckte mit den Schultern. „Über die Informationen, die ich dir beschafft habe, hast du dich nicht beklagt.“

Nein, da gab es wirklich keinen Grund zu klagen. Finn war dankbar für alles, was Stone und Gray, der dritte im Bunde, für ihn getan hatten.

Wer hätte damit gerechnet, dass sie geschäftlich zusammenkommen würden? Es hatte Finn überrascht, als seine Freunde ihm erzählten, dass sie eine Sicherheitsfirma gründen wollten. Doch bei näherem Hinsehen ergab das durchaus Sinn. Beide waren getrieben von dem Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen und Unrecht zu beseitigen.

Das hatte bestimmt damit zu tun, dass ihnen beiden Unrecht angetan worden war.

Finn dagegen hatte noch nie den Wunsch verspürt, etwas für seine Mitmenschen zu tun. Er war der festen Überzeug, dass jeder genau das bekam, was er verdiente. Wenn die Leute sich dumm anstellten, verdienten sie es, übervorteilt zu werden. Daraus konnten sie nur lernen. So wie er die Sache sah, hatte er jedes Mal, wenn er etwas Schönes und Wertvolles stahl, jemandem einen Dienst erwiesen. Er hatte den Bestohlenen die Schwachstellen ihres Sicherheitssystems vor Augen geführt, damit sie es korrigieren und weitere Verluste verhindern konnten.

Wenn er währenddessen etwas ergatterte, was ihm wirklich gefiel, war das ein Sahnehäubchen.

Es war die Herausforderung, die ihn antrieb. Und er hatte nichts übrig für Leute, die unüberwindbare Sicherheitssysteme erfanden.

„Du weißt ganz genau, dass wir dir kein Geld abnehmen, Finn. Wenn du endlich in die Firma einsteigen würdest, worum wir dich seit Monaten bitten, dann wärst du sowieso ein gleichberechtigter Partner.“

„Danke für das Angebot. Aber wie ich schon sagte, ich habe bereits einen Job.“

Stone schnaubte abfällig. „Das ist kein Job. Wann hast du das letzten Mal einen Fuß ins Bürogebäude von DeLuca Industries gesetzt?“

„Äh …“ Finn schaute an die Decke, während er angestrengt über Stones Frage nachdachte. „Vor sieben Jahren ungefähr.“ Sein Mund verzog sich zu einem selbstironischen Lächeln. „Sie brauchen mich gar nicht. Ich sehe mir die Quartalsbilanzen und – berichte an. Wie es aussieht, machen sie ihre Sache auch ohne mich sehr gut. Das Geheimnis des Erfolgs besteht darin, die richtigen Leute anzuheuern und sie die Arbeit für dich erledigen zu lassen.“

Stone schüttelte den Kopf. Dies war eine Unterhaltung, die sie in den letzten Jahren oft geführt hatten. Er konnte Finns Haltung nicht verstehen, weil er aus einer Familie stammte, die ganz und gar im Tagesgeschäft ihres Familienunternehmens aufging.

Finn hatte sich jedoch bereits früh dafür entschieden, dass er nichts mit dem Familienbetrieb zu tun haben wollte. Er verspürte nicht das geringste Schuldgefühl, als er ihn erbte und die Führung anderen überließ.

Erfolg und Geld eröffneten ihm die Möglichkeit, alles zu tun, was ihm gefiel.

„Stehlen ist auch kein Job“, sagte Stone beharrlich.

Finn lachte in sich hinein. „Ich habe nichts gestohlen, Mr. Officer. Jedenfalls nicht, seit ich aus dem Gefängnis entlassen wurde.“

Stone grinste. „Tatsächlich? Liegt das daran, dass du so sehr mit Noah beschäftigt bist? Ich kenne dich, Finn DeLuca. Du fängst an, dich zu langweilen. Ich bitte dich inständig, keine Dummheiten zu machen. Ich verspreche dir, wir finden einen Weg, um deine Talente auf eine Weise zu verwenden, die uns allen nützt und dich nicht wieder ins Gefängnis bringt.“

Finn lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Stone, ich bin klug genug, um dafür zu sorgen, dass ich nicht wieder hinter Gitter wandere. Ich sagte dir schon, dass ich nur ihretwegen gefasst wurde.“ Er deutete auf das Foto von Noah und Genevieve. „Ich habe nicht vor, es noch einmal so weit kommen zu lassen.“

Stone gab nur ein skeptisches Brummen von sich.

„Vor ihr habe ich mehr als zwei Dutzend Jobs erfolgreich durchgezogen. Ich habe mich freiwillig festnehmen lassen“, insistierte Finn.

„Aha.“

„Ich habe beschlossen, einen Rückzieher zu machen.“ Genevieve hatte ihn abgelenkt. Er war nachlässig geworden. Er hatte sich dumm angestellt. Das würde nie wieder passieren. Jetzt kam es darauf an, Genevieves Vertrauen zurückzugewinnen, damit er seinen Sohn sehen konnte.

Stone zog die Augenbrauen hoch. „Genevieve mag gerade dabei sein, für Furore in der Juwelierbranche zu sorgen. Aber ihre finanzielle Situation sieht nicht gerade rosig aus. Das wenige Geld, das sie von ihrer Familie bekommen hat, steckt in ihrem Geschäft – einzelne Edelsteine und wertvolles Metall.“

Sein Freund erzählte ihm nichts Neues. Er hatte Genevieves Finanzen genauso gründlich studiert wie seine eigenen. Wissen bedeutete Macht, und er würde nicht zulassen, dass ihn jemand übervorteilte.

Er wusste nicht, worauf Stone hinauswollte. „Was meinst du damit?“

„Sie gibt Geld aus, das sie nicht hat, um einen Anwalt zu bezahlen, der sie gegen dich vertritt.“

Damit hatte Finn gerechnet. Aber die Vorstellung, dass Genevieve sich selbst und seinen Sohn in eine solche Situation brachte, gefiel ihm überhaupt nicht. So bald wie möglich würde er das ändern.

„Ich habe versucht, ihr Geld zu geben. Sie hat den Scheck nicht eingelöst.“ Das hatte ihn nicht sonderlich überrascht. Aber er hatte einen Plan, ihr auf eine Weise Geld zukommen zu lassen, die sie nicht ablehnen konnte. „Mach dir keine Sorgen, Mann. Ich habe alles unter Kontrolle.“

Stone warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Ich hoffe, du weißt, was du tust.“

Ja, das hoffte Finn auch.

Alles hing von der Entwicklung in den nächsten Wochen ab. Schon der kleinste Fehler würde ihn alles kosten. Doch er war daran gewöhnt, alles auf eine Karte zu setzen. Und dieses Unternehmen hatte er gründlich durchdacht.

Genevieve lief nervös in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Ihre Absätze klackerten auf dem Holzfußboden, den sie selbst lackiert hatte. Immer wieder schaute sie durch die geöffneten Vorhänge des Fensters auf die Straße vor ihrem kleinen Haus. Das Warten fiel ihr nicht leicht.

Aus dem Kinderzimmer am anderen Ende des Flurs hörte sie, wie Maddie ihrem Sohn mit fröhlicher Stimme ein Kinderbuch vorlas. Sie wusste nicht, was sie in den letzten drei Jahren ohne ihre beste Freundin getan hätte. Maddie hatte sie während der gesamten Zeit begleitet. Sie war sogar während Noahs Geburt mit im Kreißsaal gewesen.

Ihre Freundin war auch dabei gewesen, als Finn zum ersten Mal in Genevieves Leben trat. Er hatte etwas an sich, das Genevieve vom ersten Augenblick magisch anzog. Sie hatte ihn auf einer Wohltätigkeitsgala ihres Großvaters kennengelernt.

Finn war ebenso charismatisch wie attraktiv. Jede der anwesenden Frauen hatte an jenem Abend Notiz von ihm genommen. Aber für Genevieve war es von Anfang an mehr gewesen. Sie hatte die Gefährlichkeit unter dem gepflegten Äußeren gespürt und als höchst verführerisch empfunden. Für jemanden, der wie sie wohlbehütet aufgewachsen war, bedeutete Finns Ausstrahlung eine aufregende Abwechslung.

Seine Anziehungskraft hatte sich verstärkt, als er sie, ohne zuvor um Erlaubnis zu bitten, auf die Tanzfläche zog. Sie spürte die Wärme seiner Handfläche auf ihrem nackten Rücken. Seit diesem Moment hatte sie sich nach ihm verzehrt.

Unglücklicherweise tat ein Teil von ihr das trotz allem noch immer.

Beim Blick auf die Uhr schlug ihr das Herz bis zum Hals. Noch fünf Minuten.

Sie konnte nicht begreifen, warum Finn so hart darum gekämpft hatte, Noah zu sehen. Der Mann, den sie kannte, hatte alles darangesetzt, jegliche Verantwortung von sich fernzuhalten. Er hatte sogar die Führung des Familienunternehmens jemand anderem überlassen. Es schien ihr nicht sehr wahrscheinlich, dass er plötzlich das dringende Bedürfnis entwickelt haben sollte, Vater zu sein.

Ihre größte Sorge bestand darin, welche Auswirkungen das alles auf Noah haben mochte. Ihr graute davor, dass Noah Zuneigung zu seinem Vater fassen könnte und der dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde. Oder seinen Sohn auf andere Weise enttäuschen würde. Beides war nicht gerade unwahrscheinlich.

Genevieve hörte das Geräusch einer zuschlagenden Autotür. Wieder schaute sie auf die Uhr. Punkt zehn. Es klingelte an der Tür. Mit dem Gefühl, Schmetterlinge im Bauch zu haben, ging sie zur Tür und öffnete sie.

Ihr stockte der Atem.

Verdammt. Er sah genauso gut aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Er trug schwarze Motorradstiefel, und seine Schultern waren so breit, dass sie fast den gesamten Türrahmen ausfüllten. Er versperrte ihr die Sicht auf den Wagen, den er am Straßenrand geparkt hatte. Aber sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass es sich um einen schnittigen Sportwagen handelte.

Er war skrupellos und gefährlich. Damit unterschied er sich grundlegend von ihr selbst. Dieser Unterschied war es vor allem, der sie von Beginn an angezogen hatte. Finn DeLuca war eine Naturgewalt. Ein Sturm, atemberaubend und zerstörerisch.

Sein Haar war dunkel, fast pechschwarz, und ungezähmt wie alles an ihm. Doch es waren seine Augen, die sie in ihren Bann zogen. Sie waren so dunkel, dass sie ebenfalls schwarz wirkten. Aber sie war ihm in der Vergangenheit nahe genug gekommen, um zu wissen, dass es sich um ein sehr dunkles Kaffeebraun handelte. Aber noch mehr als die Farbe hatte die Art, wie er sie ansah, sie fasziniert. Sein Blick schien zu sagen, dass er sie bereits gesehen hatte. Alles von ihr, besonders das, was sie vor allen versteckte, auch vor sich selbst.

Er kam ihr vor wie ein Teufel, der sie in Versuchung geführt hatte, eine Sünde zu begehen. Mit ihm fühlte sie sich stark, intelligent und schön. Er hatte sie davon überzeugt, dass auch sie mutig sein konnte.

Finn DeLuca besaß verblüffende Talente. In seiner Gegenwart fühlte sie sich, als ob sie keine Geheimnisse hätte und es auch nicht nötig wäre, etwas zu verbergen. Wie sich herausstellte, hatte sie auch keine Geheimnisse mehr, denn er hatte alles über sie und ihr Leben bereits im Voraus herausgefunden. Und er hatte jede Information gegen sie verwendet. Er hatte dafür gesorgt, dass er in ihrem Leben immer mehr an Bedeutung gewann und sie sich schließlich in ihn verliebte.

Und ihm vertraute.

Alles nur, damit er stehlen konnte, was er haben wollte. Den Stern von Reilly. Ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, welchen Schaden er damit anrichtete.

„Die Nachbarn fangen vermutlich an, sich das Maul über dich zu zerreißen, wenn du mich noch lange hier draußen stehen lässt, Genni.“

„Nenn mich nicht so“, erwiderte sie automatisch. Ebenso automatisch trat sie zurück und tat genau das, was er wollte.

Er hielt neben ihr kurz an, als er das Haus betrat. Für einen Moment fürchtete sie, er würde sie berühren. Sie erstarrte. Sie war sich nicht sicher, wie sie reagieren würde. Aber er lächelte sie nur auf seine ganz eigene ironische Weise an. Bei diesem Lächeln waren ihr seit jeher die Knie weich geworden.

Sie schloss die Tür und brachte etwas Distanz zwischen sie. In der Mitte des Raums hielt sie an, drehte sich auf dem Absatz um und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich habe keine Ahnung, was du dir hier erhoffst, Finn. Aber was immer es ist, du wirst es nicht bekommen.“

„Ich will nur eine Chance, meinen Sohn kennenzulernen. Du siehst umwerfend aus, Genni.“

Sie schüttelte abfällig den Kopf. „Hör auf damit, es führt zu nichts. Ich habe noch nicht herausgefunden, welches Spiel du spielst, aber das werde ich noch. Und falls du es noch nicht weißt, ich habe keinen Zugang mehr zum Anwesen meines Großvaters und damit auch nicht zu Edelsteinen, dem Geschäft oder den Kunstgegenständen.“

„Das wusste ich bereits. Weshalb hätte ich dir sonst den Scheck schicken sollen?“

„Da wir gerade davon sprechen, du kannst die zerrissenen Fetzen gern zurückbekommen. Im Übrigen bringen Schmeicheleien dich kein Stück weiter. Ich kenne dein Talent, hübsche Worte ohne jeden Inhalt von dir zu geben, nur allzu gut. Also verschwende unsere Zeit nicht damit.“

Finns Miene wurde verschlossen. „Ich habe es ernst gemeint. Und damit du es weißt, ich habe jedes Wort, das ich jemals zu dir sagte, ernst gemeint. Ich mag viele Fehler begangen haben, aber ich habe dich niemals angelogen.“

Genevieve gab ein bitteres Lachen von sich. „Sicher. Außer als du mir beteuert hast, ich könnte dir vertrauen und du würdest mir niemals wehtun.“

Er trat einen Schritt auf sie zu. Genevieve hob abwehrend die Hände.

„Es tut mir leid, Genevieve.“

Sie war fast versucht, ihm zu glauben. Sie hörte die Ernsthaftigkeit in seinen Worten. Und ein kleiner Teil von ihr dachte, dass es ihm vielleicht wirklich leid tat.

Zumindest, dass er gefasst worden war.

„Es spielt keine Rolle mehr. Ich hasse dich nicht, obwohl du es verdient hättest. Du hast mir Noah gegeben. Und du hast mir gezeigt, dass ich ein anderes Leben führen kann. Ich hätte nie gedacht, dass das möglich wäre. Allerdings wäre es mir lieber gewesen, wenn es auf andere Weise geschehen wäre. Durch dich habe ich das Selbstvertrauen gewonnen, für mich und meinen Sohn zu kämpfen, wenn es nötig ist. Ich bin jetzt glücklicher. Aber das heißt nicht, dass ich dir vergeben kann oder vergessen werde, wie du mich benutzt und manipuliert hast.“

Es war Genevieve, die die Lücke zwischen ihnen schloss. Sie stellte sich vor ihm auf die Zehenspitzen und blickte in seine dunklen Augen. „Ich verspreche dir, ich lasse nicht zu, dass du meinen Sohn jemals manipulierst oder gar verletzt. Um deinetwillen hoffe ich, dass du mir die Wahrheit sagst. Ich bin nicht mehr das naive Mädchen, das du vor drei Jahren gekannt hast.“

2. KAPITEL

Ja, das sah sie ganz richtig.

Genevieve war nicht mehr das unschuldige Mädchen, das er vor drei Jahren gekannt hatte. Damals hatte er ständig gegen das Bedürfnis angekämpft, sie zu beschützen und ihren Großvater anzugreifen, weil er sie so schlecht behandelte. Sie war so schüchtern und bescheiden. Vor allem deshalb, weil sie seit Jahren nur hörte, dass sie nichts richtig machte, und ständig an jeden Fehler und jede Schwäche erinnert wurde.

Doch schon damals hatte Finn geahnt, dass in ihr ein Feuer schwelte, das nur darauf wartete, angefacht zu werden.

Er hatte recht behalten.

Beim Anblick ihrer grimmigen, entschlossenen Miene beschleunigte sich sein Pulsschlag. Er verspürte den Wunsch, sie an sich zu ziehen und ihren sinnlichen Mund zu küssen.

Aber damit würde er sich vermutlich eine Ohrfeige einhandeln.

Ganz zu schweigen davon, dass es ihn um die Chance bringen würde, seinen Sohn kennenzulernen.

Bei dem Gedanken an Noah krampfte sich sein Magen zusammen. Er hatte keine Ahnung, wie er mit einem Kleinkind umgehen sollte.

Seine Eltern waren alles andere als gute Vorbilder gewesen. Sie waren meistens viel zu sehr in ihrer eigenen Welt eingesponnen, um sich daran zu erinnern, dass sie Kinder hatten. Sie benahmen sich eher wie der Weihnachtsmann oder der Osterhase, die ein- oder zweimal im Jahr zu ihm kamen, große Aufregung mit sich brachten und Geschenke, die er weder wollte noch brauchte.

So geizig sie hinsichtlich ihrer Aufmerksamkeit und Zeit waren, so großzügig sorgten sie dafür, dass ihre Söhne mit allem ausgestattet waren, was man mit Geld kaufen konnte.

Aber weder sein Bruder Sawyer noch er selbst waren damit glücklich gewesen.

Er hatte nicht vor, seinen Eltern nachzueifern. Er wollte seinem Sohn ein besserer Vater sein.

Er wusste nicht, wie man ein Kleinkind behandelte, aber er würde es lernen.

Genevieve trat einen Schritt zurück und sah ihn noch immer unverwandt an. Ihm wurde bewusst, dass er viel zu lange geschwiegen hatte. „Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst, Genevieve. Aber es tut mir leid, was passiert ist. Das glaubst du mir vermutlich nicht …“

„Weil du mir keinen Grund gegeben hast, dir zu vertrauen“, vollendete sie seinen Satz.

Finn nickte. „Ich habe den Star in jener Nacht nicht gestohlen.“

„Als du gefasst wurdest, befand er sich in deinem Besitz. Und an seinem Platz befand sich ein Imitat.“

„Genni, zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Stein bereits seit drei Tagen. Ich kam in jener Nacht zurück, um ihn wieder an seinen Platz zu legen. Ich hatte eigentlich vor, ihn zu entwenden und dann zu verschwinden. Aber ich konnte nicht gehen. Zum ersten Mal in meinem Leben gab es etwas Wichtigeres als den Rausch des Erfolgs.“

Genevieve blickte ihn ungläubig an. In ihrem Gesicht spiegelte sich eine Vielzahl von Gefühlen wider.

Sie gab bestimmt keine gute Pokerspielerin ab, sie war der aufrichtigste und offenste Mensch, dem er jemals begegnet war. Angesichts der Umstände, unter denen sie aufgewachsen war, überraschte ihn das.

Jeder andere wäre vermutlich abgestumpft und hart geworden. Nicht so Genevieve. Sie war wie eine milde Brise, erfrischend und süß.

Er hingegen war abgestumpft und hart.

Er wünschte sich, so sein zu können wie Genevieve.

Sie benetzte ihre Unterlippe mit der Zunge. „Wie bitte?“

„Ich war dabei, den Stein zurückzulegen“, wiederholte er.

Den Stein zu stehlen war nicht schwer gewesen. Sein Plan hatte fehlerlos funktioniert.

Sein Gewissen war sein Untergang gewesen. Ganz zu schweigen von der Unfähigkeit, Genevieve zu verlassen.

Für die Rückgabe des Steins hatte es keinen Plan gegeben. Aber er hatte auch nicht damit gerechnet, dass das schwieriger sein würde, als ihn zu stehlen.

Sie runzelte die Stirn. „Aber was sollte das ändern, Finn? Diebstahl bleibt Diebstahl.“

„Stimmt. Aber ich konnte ihn nicht behalten. Du warst wichtiger.“

„Wenn das wahr wäre, hättest du ihn gar nicht erst genommen.“

„Und wenn du mich kennen würdest, wüsstest du, wie weit entfernt von der Wahrheit diese Bemerkung ist.“

Sie presste die Lippen zusammen. „Du hast recht. Ich kenne dich überhaupt nicht. Aber wessen Schuld ist das? Ich habe wochenlang gedacht, ich würde diesen wundervollen Mann, in den ich mich verliebt habe, allmählich kennenlernen. Nur um dann herauszufinden, dass alles eine Lüge war.“

„Nicht alles.“

„Das sagst du. Aber das Problem ist, dass ich keine Möglichkeit habe, dieses Gespinst aus Lüge und Wahrheit zu entwirren. Allerdings wäre ich auch gar nicht bereit, es zu versuchen, selbst wenn ich es könnte. Das alles gehört der Vergangenheit an, Finn. Ich lasse dich ins Leben meines Sohnes, weil das Gericht sagt, ich hätte keine andere Wahl. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass für dich vor allem der Reiz des Neuen ausschlaggebend ist. Vermutlich bist du während der Eintönigkeit deiner Inhaftierung auf den Gedanken verfallen. In ein paar Monaten wird irgendein neues schönes Spielzeug dein Interesse wecken, und du wirst aus Noahs und meinem Leben verschwinden.“

Finn konnte nicht anders, als die Lücke zwischen ihnen zu schließen. Die Genevieve, die er von früher kannte, wäre zurückgewichen. Die Genevieve von heute hob angriffslustig das Kinn und erwiderte seinen Blick.

Er fand ihre Haltung bewundernswert, und gleichzeitig amüsierte sie ihn. Er beugte sich vor, sodass er ihren Atem auf der Haut spüren konnte. „Darauf würde ich nicht zählen, Genni. Ich gehe nirgendwohin.“

Den Schauer, der ihr über den Rücken lief, konnte sie nicht verbergen. Sie trat ein paar Schritte zurück und brachte Distanz zwischen sie.

Finn legte den Kopf schief. „Wenn wir fürs Erste damit fertig sind, die Vergangenheit zu bewältigen, würde ich jetzt gern Noah sehen.“

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und schwieg.

Finn wartete einfach ab. Er wusste, wenn er die Ruhe bewahrte, würde sie das irritieren. Es war eine unangemessene Gefühlsregung, aber ihm gefiel ihr Temperament. Der Zorn brachte ihre Augen zum Funkeln und ihre Haut zum Glühen.

„Er ist in seinem Zimmer. Ich hole ihn“, sagte sie schließlich.

Sie wandte sich zum Gehen. Ohne Zweifel rechnete sie damit, dass er warten würde. Es wäre höflich gewesen zu warten. Aber Finn hatte sich noch nie um die Gebote der Höflichkeit geschert.

Er folgte ihr auf dem Absatz. „Das ist nicht nötig. Ich begleite dich.“

Genevieve hielt kurz inne. Sie drehte sich nicht um und setzte ihren Weg durch den dämmrigen Flur nach wenigen Sekunden fort. Finns Blick hing wie gebannt auf ihrem wohlgeformten Hinterteil, das sich in ihrer engen Jeans deutlich abzeichnete. Es juckte ihn in den Fingern, ihr einen Klaps zu versetzen.

Aber er konnte sich beherrschen. Schließlich war er kein kompletter Idiot.

Sie passierten zwei Zimmer. Das eine war zweifellos ein Arbeitszimmer. Nicht nur für den langweiligen Papierkram, den die Führung eines Geschäfts mit sich brachte. Finn erhaschte auch einen Blick auf die Werkzeuge, die sie für ihre Arbeit brauchte. Er sah keine von den kostbaren Edelsteinen, die sie manchmal in ihre Stück einarbeitete. Nur Mineralien und Metalldrähte.

Der andere Raum war vermutlich ein Gästezimmer. Schließlich blieb Genevieve an einer weiteren geöffneten Tür stehen. Daneben erblickte Finn die geschlossene Tür des letzten Zimmers am Ende des Korridors. Er vermutete, dass es sich dabei um ihr Schlafzimmer handelte.

Sie versperrte ihm die Sicht auf das Innere des Raums. Aber das machte ihm nichts aus. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht sagte ihm alles, was er wissen musste. Es war ein Ausdruck purer Liebe und Hingabe.

Seine eigene Mutter hatte ihn nie so angesehen. Niemand hatte das je getan.

Nein, das stimmte nicht.

Genevieve hatte ihn früher so angesehen. Und jetzt tat sie das auch.

Sie war nicht bereit. Nicht für Finn und auch nicht für das, was jetzt kommen würde.

Wie war es nur möglich, dass sie immer noch auf ihn reagierte? Nach allem, was dieser Mann ihr angetan hatte?

Sein Verrat hatte sie zutiefst verletzt. Sie hatte sich damals so sehr nach Liebe und Anerkennung gesehnt, dass sie ihm durch all seine Lügen wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen war. Sie wollte ihm unbedingt glauben, wenn er ihr sagte, wie schön sie war. Sie badete förmlich in seinem Lob, wenn er ihr erzählte, wie unglaublich talentiert und klug sie wäre.

Angesichts des Umstandes, dass sie unter dem missbilligenden Blick ihres Großvaters aufgewachsen war, schien das im Nachhinein nicht verwunderlich. Ihr Großvater war nicht müde geworden, ihr einzureden, wie nutzlos und wenig vertrauenswürdig sie wäre. Es war nicht viel Sonnenlicht und Wärme nötig gewesen, um sie zum Blühen zu bringen. Doch Finn hatte ihr viel mehr als nur eine Ahnung davon gegeben, wonach sie sich immer gesehnt hatte.

Es war unsagbar dumm gewesen, ihm zu glauben.

Zu ihrer Verteidigung konnte sie nur anführen, wie naiv und unerfahren sie war. Bis sie ihn kennenlernte, war ihr gar nicht bewusst, was in ihrem Leben fehlte. Erst durch Finn hatte sie begriffen, dass sie etwas Besseres verdiente als den fortwährenden emotionalen Missbrauch durch ihren Großvater.

Mittlerweile konnte sie das alles durchschauen und einordnen. Sie war viel stärker geworden.

Das warf die Frage auf, was um Himmels willen mit ihr nicht stimmte. Ihr Körper hatte auf Finn reagiert, sobald er zur Tür hereingekommen war. Ihr Herzschlag war viel zu schnell, und das Atmen fiel ihr schwer. Ihre Handflächen waren feucht, ihre Knie weich.

Ja, natürlich, er sah unverschämt gut aus und besaß eine umwerfende Ausstrahlung. Aber sie wusste aus eigener Erfahrung, dass sein Lächeln nur Fassade und jedes Wort aus seinem Mund fragwürdig war.

Auf ihren Körper konnte sie sich also genauso wenig verlassen wie auf ihr Gedächtnis. Aber zumindest ihr Herz war immun gegen ihn.

Jedenfalls hoffte sie das.

Wie dem auch sein mochte, dieses Treffen hatte überhaupt nichts mit ihr oder Finn zu tun. Noah allein zählte hier.

Genevieve holte tief Luft. „Komm und lerne deinen Sohn kennen“, flüsterte sie.

Sie trat beiseite, um Finn eintreten zu lassen. Dann richtete sie den Blick auf ihren Sohn, um festzustellen, wie er auf die Anwesenheit eines Fremden reagieren würde. Aber sie konnte nichts dagegen tun, dass ihre Augen zwischen dem kleinen blonden Jungen auf Maddies Schoß und seinem Vater hin und her wanderten.

Die Kehle wurde ihr eng, als sie den Ausdruck auf Finns Gesicht bemerkte. Er wirkte, als würde dieser Moment ihn zutiefst berühren. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die Gefühle, die sich auf seinem Gesicht abzeichneten, kamen ihr vollkommen echt vor. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie sie als Sehnsucht und Hoffnung bezeichnet.

„Er sieht aus wie mein Bruder.“

„Er sieht aus wie du“, gab sie zurück. Abgesehen von dem blonden Haar und den blauen Augen war ihr Sohn das Ebenbild seines Vaters.

Finn schüttelte den Kopf, und sie fragte sich, ob er die Ähnlichkeit wirklich nicht wahrnahm. Sie hatte ihrem Sohn nur die Stupsnase und den vollen Mund mitgegeben. Alles andere stammte von seinem Vater, einschließlich des verspielten, übermütigen Charakters.

Noah spürte schließlich ihre Anwesenheit und hob den Kopf. Sein kleines Gesicht erstrahlte wie immer bei ihrem Anblick. Genevieve ging zu ihm und nahm ihn auf den Arm.

„Ich danke dir, Maddie“, sagte sie lächelnd.

„Gern geschehen“, erwiderte ihre Freundin, erhob sich und verließ das Zimmer, nicht ohne Finn einen bitterbösen Blick zuzuwerfen.

Kurz darauf verkündete das Zuschlagen der Eingangstür, dass Eltern und Kind jetzt allein waren.

Genevieve kämpfte gegen das übermächtige Bedürfnis an, Maddie zurückzuholen. Sie brauchte einen Puffer.

Noah unterbrach das Schweigen, indem er seine Hände auf ihr Gesicht legte und sie somit zwang, ihn anzusehen. „Mama.“

Genevieve setzte ihn auf die Hüfte und trat zu Finn. „Noah, das ist dein Daddy. Finn, das ist Noah.“

Noah legte den Kopf schief, wie Finn es vor gerade mal zehn Minuten getan hatte. Er verzog weinerlich den Mund, und sie hielten alle den Atem an.

Doch nach einigen Sekunden überlegte Noah es sich anders, streckte die Arme aus und wagte ein kleines Lächeln. „Arm“, forderte er von seinem ihm unbekannten Vater.

Zu Genevieves Überraschung folgte Finn der Aufforderung, nahm ihr ihren Sohn ab und hob ihn ohne Zögern in die Arme.

Vater und Sohn blickten einander schweigend an. Noah blinzelte, und auf Finns Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.

Noah deutete mit dem Finger auf das Bücherregal. „Buch.“

Alles klar. Finn nahm ein Buch aus dem Regal, setzte sich auf den Schaukelstuhl und nahm Noah auf den Schoß, so als würde er das jeden Tag tun.

Genevieve betrachtete die beiden einige Sekunden, drehte sich dann um und verließ leise das Zimmer.

Sie konnte nicht bleiben. Es tat zu sehr weh.

Sie hasste sich selbst dafür. Zumindest ein bisschen.

Einen Ort zu inspizieren, gehörte zu Finns zweiter Natur. Er musste sich nicht besonders anstrengen, um die Schwachstellen im Sicherheitssystem des beliebten Juweliergeschäfts in Charlestons Innenstadt zu registrieren. Diese Art von Geschäften war vor allem zahlungskräftiger Kundschaft vorbehalten, auch wenn hier so getan wurde, als könnte jeder ein originelles und künstlerisch hochwertiges Schmuckstück ergattern. Finn fand das heuchlerisch.

Der Wachmann fiel ihm sofort ins Auge, obwohl der Mann sich Mühe gab, in den Rahmen zu passen. Der teuer wirkende Anzug erwies sich bei näherem Hinsehen als billige Konfektionsware. Der Schnitt war schrecklich, und die Waffe unter dem Arm erzeugte bei der geringsten Bewegung eine deutliche Beule.

Die technische Ausrüstung war erbärmlich. Die Kameras waren an den üblichen Stellen angebracht. Eine war auf die Eingangstür gerichtet, die anderen auf die Verkaufstresen und den Korridor zum Hinterzimmer. Die Geräte waren mindesten zehn Jahre alt und vermutlich nicht einmal digital. Es gab mehrere blinde Flecken, die von den Kameras nicht erreicht wurden. Und wahrscheinlich war die Aufnahmequalität mehr oder weniger miserabel.

Finn schob die Hände in die Hosentaschen und wanderte gemächlich durch den überfüllten Laden. Während er mit viel Getue vorgab, die Auslagen zu begutachten, beobachtete er jede Bewegung der Angestellten.

Sie machten es einem potenziellen Dieb viel zu leicht.

Hier einzubrechen, wäre ein Kinderspiel. Innerhalb von zwei Stunden hätte er einen bravourösen Plan ausgearbeitet. Dabei würde er die meiste Zeit damit verbringen, die nötige Ausrüstung zu beschaffen, die er nicht mehr besaß.

Aber deshalb war er nicht hier.

Fürs Erste würde er ein rechtschaffener und ehrlicher Bürger sein. Er musste seinen Bewährungshelfer zufriedenstellen. Und zweifellos würde Genevieve ihm beim geringsten Fehltritt den Zugang zu Noah verweigern, gleichgültig, wie das Gerichtsurteil lautete.

„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“

Finn hob den Arm und warf einen Blick auf seine wertvolle Armbanduhr, bevor er die Frau ansah, die ihn angesprochen hatte. Acht Minuten und dreizehn Sekunden. Nicht gerade schnell.

„Ja. Ich würde mir gern einige Stücke anschauen, die Sie, soweit ich weiß, in Ihrem Sortiment haben.“

Die Frau lebte sichtlich auf. Das war nicht verwunderlich. Finn waren weder ihr Blick auf seine Uhr noch der auf seine äußere Erscheinung entgangen. Sie rechnete damit, dass er ein teures Stück erwerben und sie eine ordentliche Provision erhalten würde.

„Wunderbar. Welche Kollektion möchten Sie sich ansehen? Ich kann Ihnen einige schöne Stücke von Broussard zeigen.“

„Nein, ich kenne seine Arbeit. Seine Sachen sind zu aufwendig für meinen Geschmack.“

Die Frau schürzte die Lippen. Broussards Stücke waren um einiges teurer als die, die aus Genevieves Werkstatt kamen.

„Also suchen Sie etwas Feineres und Schlichteres?“

Finn nickte.

„Ich heiße Denise. Ich glaube, ich habe etwas für Sie. Würden Sie mir folgen?“

Sie drehte sich um und ging durch den Laden zu einem schweren Vorhang, der zweifellos einen privaten Vorführraum verbarg.

Sie zog den Vorhang beiseite und bedeutete ihm einzutreten. In der Mitte des Raumes stand ein eleganter Tisch, dessen Oberfläche mit schwarzem Samt bezogen war. Es gab drei Stühle und mehrere Deckenstrahler, die ein helles Licht ausstrahlten. Bei dieser Beleuchtung musste selbst der armseligste Stein funkeln wie ein makelloser Mehrkaräter.

Finn nahm auf einem der Stühle Platz und wartete ab.

„Ich zeige Ihnen einige sehr exklusive Stücke von einer jungen Designerin. Sie ist noch nicht lange im Geschäft und fängt gerade an, sich einen Namen zu machen. Aber sie ist von Kindheit an mit Edelsteinen vertraut. Sie ist bekannt für die filigranen Details ihrer Arbeit und die makellose Art, wie sie die Steine einarbeitet. Sie hat ein Auge dafür, wie die Vorzüge der Steine betont und ihre Mängel verdeckt werden. Was genau suchen Sie denn?“

„Ich möchte einer Frau, die mir sehr viel bedeutet, ein Geschenk machen.“

„Halskette, Armband, Ohrringe … oder vielleicht alle drei?“, fragte Denise.

Er konnte die Hoffnung in ihrer Stimme förmlich hören. Vielleicht würde er ihr heute einen unvergesslichen Freudentag bereiten.

„Möglicherweise. Wenn ich das Richtige finde. Warum zeigen Sie mir nicht, was Sie haben? Dann sehen wir weiter.“

Denise sah aus, als wollte sie vor Freude in die Hände klatschen. „Aber gern. Darf ich Ihnen einen Drink anbieten, während ich einige Stücke für Sie heraussuche? Wie wäre es mit einem Bourbon oder einem Glas Wein?“

„Einen Bourbon, bitte.“ Eigentlich wollte er nichts trinken, aber es sorgte immer für eine entspannte Atmosphäre, wenn man ein solches Angebot annahm.

Sobald Denise den Raum verlassen hatte, stand Finn auf und wanderte im Raum umher. Wenn er gewollt hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, ins Hinterzimmer zu gehen, den alten Safe zu knacken und eine Handvoll Edelsteine in der Hosentasche verschwinden zu lassen, bevor sie zurückkehrte.

Es juckte ihn geradezu in den Fingern, und er sehnte sich nach dem Adrenalinstoß, den dieses Unterfangen mit sich gebracht hätte. Diese Leute hier schienen nachgerade darum zu betteln, bestohlen zu werden. Er hegte keinen Respekt für Leute, die sich weigerten, ihre Wertsachen angemessen zu schützen. Andererseits war dieses Geschäft keine wirkliche Herausforderung für ihn. Es schien die Sache nicht wert zu sein.

Denise eilte nach einer Weile wieder geschäftig herein und breitete mehrere kleine Tabletts vor ihm auf dem Tisch aus. Finn hätte die Stücke auch ohne die schmalen Kärtchen mit ihrem Namen in filigranen Buchstaben als Genevieves Arbeit identifizieren können.

Das war so ganz und gar sie. Leicht und bezaubernd. Atemberaubend und zart. Aber mit einem starken Kern, der von dem fein gearbeiteten Metall ausging, das die Steine umrahmte. Keines der Schmuckstücke enthielt einen Diamanten. Das überraschte ihn nicht sonderlich. Genevieve mochte das Außergewöhnliche und Unerwartete.

Und sie liebte Farben.

Er erblickte tiefrote Rubine, blaue Saphire und schimmernde Wasseropale in den Farben des Regenbogens. Sie waren alle wunderschön. Aber ein Set von Smaragden sprach ihn besonders an. Vielleicht deshalb, weil das intensive Grün ihn an Genevieves Augen erinnerte.

Er zog das Tablett zu sich und nahm das Set in näheren Augenschein. Die Halskette war mit einem hübschen tropfenförmigen Smaragd versehen. Der Stein war klein, wies aber, soweit er das mit bloßem Auge erkennen konnte, keine Einschlüsse auf. Er hatte Genevieve vermutlich ein kleines Vermögen gekostet.

Die Steine in dem dazu passenden Armband und den Ohrringen waren kleiner und nicht sehr beeindruckend. Das war jedoch nicht weiter verwunderlich. Die Halskette stellte die eigentliche Attraktion dar, und das war zweifellos beabsichtigt. Er stellte sich den Stein an Genevieves Schwanenhals vor.

„Ich nehme diese hier“, erklärte er, schob das Tablett von sich und lehnte sich zurück.

„Schön, dass Sie etwas gefunden haben. Die Frau, der Sie dieses Geschenk machen, kann sich glücklich schätzen.“

Finn unterdrückte ein bitteres Lachen. Eine leise Stimme in seinem Kopf flüsterte ihm zu, dass Genevieve nicht sehr erbaut sein würde, wenn sie herausfand, wer diesen Schmuck gekauft hatte.

Es gab mehr als nur einen Weg, dafür zu sorgen, dass sein Geld in ihren Besitz kam.

3. KAPITEL

„Wir haben den Smaragdschmuck verkauft.“

Genevieves Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie sollte überglücklich sein. Dieser Verkauf würde ihre und Noahs Existenz für mehrere Monate sichern. Wenn es sich um eine andere Kollektion gehandelt hätte, wären ihre Gefühle weniger zwiespältig gewesen. Aber als sie den tropfenförmigen Smaragd zum ersten Mal in der Hand gehalten hatte, spürte sie eine Verbindung zu ihm.

Das war ihr nicht zum ersten Mal passiert, und hoffentlich auch nicht zum letzten Mal. Sie entwickelte immer eine gewisse Beziehung zu den Steinen, mit denen sie arbeitete. Sie verbrachte oft Tage damit, jede Facette und jedes Detail zu studieren, um herauszufinden, wie sie sie am besten präsentieren konnte.

Bei dem Smaragd war die Beziehung besonders tief gewesen. Er war etwas ganz Besonderes.

Aber sie konnte es sich nicht leisten, einen Stein zu behalten, nur weil er ihr gefiel. Der Smaragd hatte sie fast fünfzigtausend Dollar gekostet. Das war einer der Nachteile ihres Berufs. Die Materialien, die sie benötigte, waren sehr teuer. Aber es zahlte sich aus, wenn sie verkauft wurden.

Seit einigen Wochen hatte sie nichts verkauft, deshalb kam diese Nachricht jetzt wie gerufen. Das allein zählte. Vielleicht konnte sie nach der Präsentation ihrer neuen Kollektion sogar an eine Reise mit Noah ins Disneyland denken. Zu seinem Geburtstag.

„Genevieve? Haben Sie mich gehört?“

Sie widmete ihre Aufmerksamkeit wieder Eric, dem Eigentümer des Juweliergeschäfts, mit dem sie einen Vertrag abgeschlossen hatte. „Ja, es tut mir leid. Ich war kurz abgelenkt. Das sind wunderbare Neuigkeiten. Können Sie mir sagen, wer den Schmuck gekauft hat?“

Ihr lag immer daran, etwas über die Menschen zu erfahren, die ihre Stücke gekauft hatten. Das half ihr, den Kreis in ihrem Kopf zu schließen. Sie stellte sich oft das Gesicht einer Frau vor, wenn ihr Ehemann ihr eines der Stücke aus ihrer Werkstatt überreichte. Sie kannte gern die Geschichte, die dahintersteckte. War es ein Geschenk zur Geburt eines Kindes? Oder zu einem besonderen Hochzeitstag?

Die Vorstellung, dass jemand sich über ein Stück aus ihrer Werkstatt freute, machte sie stolz.

„Ich weiß nicht viel über den Verkauf“, antwortete Eric. „Denise hat mir nur wenig darüber erzählt. Ein Herr kam herein, der nicht genau zu wissen schien, was er wollte. Aber dann hat er sich sofort für die Smaragde entschieden.“

Nun, das hörte sich nicht schlecht an. Vielleicht hatte der Käufer ähnlich wie sie sofort eine Verbindung zu dem Stein verspürt. Dieser Gedanke war tröstlich.

„Könnten Sie mir den Namen und die Adresse zukommen lassen?“

Sie pflegte ihren Kunden eine kurze Dankesnachricht zu übersenden. So war sie von Anfang an verfahren. Viele der Kunden kauften zum wiederholten Male ihren Schmuck. Zum einen, weil sie ihren Stil mochten, zum anderen, weil sie den persönlichen Kontakt zu schätzen wussten.

Allerdings wusste sie nicht recht, wie sie das aufrechterhalten sollte, wenn ihr Geschäft größer wurde. Darauf hoffte sie, aber sie fürchtete sich auch ein wenig davor. Doch letztendlich zählte nur eins. Je mehr sie verkaufte, desto mehr Sicherheit bedeutete das für Noah.

„Natürlich“, erwiderte Eric. „Ich schicke Ihnen eine Mail. Und überweise den fälligen Betrag im Lauf der Woche auf Ihr Konto.“

„Danke, Eric. Das weiß ich zu schätzen.“

Sie legte auf und kehrte in ihre kleine Werkstatt zurück. Noah befand sich in Nicoles Obhut. Genevieve hatte die junge Studentin engagiert, um mehr Zeit für ihre Arbeit zu haben. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Noch zwei Stunden, bis sie wieder nach Hause zurückkehren musste.

Sie musterte die Steine, die vor ihr auf dem Arbeitstisch lagen. Sie waren wunderschön. Perfekte Exemplare von Alexandriten, einem seltenen Halbedelstein. Seine Farbe changierte von Grün bei Tageslicht bis zu Rot bei künstlicher Beleuchtung. In den letzten Tagen hatte sie die sieben Steine genau studiert und versucht zu ergründen, wofür sie bestimmt sein mochten.

Der größte Stein hatte etwas über ein Karat. Drei ungefähr dreiviertel Karat. Die anderen drei knapp mehr als ein halbes Karat. Es wäre sinnvoll, den größten in eine Halskette einzuarbeiten, zwei von den kleineren in Ohrringe und den Rest für ein Armband zu verwenden.

Das wäre logisch. Aber ihr Gefühl sagte etwas anderes. Allerdings hatte sie keine konkrete Vorstellung von einer Alternative. Es fehlte ihr an Ideen.

Sie ließ die Finger über die kühle Oberfläche der Steine gleiten. Sie konnte die geschliffenen Kanten spüren und das Feuer im Inneren sehen.

Sie legte die Steine auf ihre Handfläche und schob sie auf der Suche nach einer Inspiration hin und her.

Nichts geschah.

Für diese Steine hatte sie viel Geld ausgegeben. Da sie einen Vertrag mit einer großen Juwelierkette geschlossen hatte und ihre Arbeiten landesweit in den Filialen angeboten werden sollten, musste sie so viel wie möglich fertigstellen. Vor allem die Ausstellungseröffnung in der Hauptniederlassung verursachte enormen Zeitdruck.

Der Signalton einer eingegangen Mail auf ihrem Handy riss sie aus ihren Gedanken. Perfekt. Sie brauchte dringend eine Ablenkung.

Sie entsperrte das Telefon, öffnete das Mailkonto und las die Mail, die Eric ihr wie versprochen geschickt hatte.

Angesichts der Informationen, die sie enthielt, entfuhr ihr ein wütendes Schnauben.

Sie würde Finn umbringen.

Finn kam gerade aus der Dusche, als der Pförtner ihn über die Sprechanlage wissen ließ, dass unten am Empfang Besuch auf ihn wartete, und zwar weiblicher. Die einzige Frau, die seine Adresse hatte, war Piper, die Freundin von Stone. Er konnte sich keinen Grund vorstellen, warum sie ohne Vorankündigung bei ihm hereinschneien sollte.

Er lächelte in sich hinein. Da blieb also nur Genevieve.

Sein Herzschlag beschleunigte sich. Was immer sie auch um sieben Uhr abends auf seine Schwelle getrieben haben mochte, ihm die Sachen vom Leib zu reißen war der unwahrscheinlichste Grund. Und nicht nur deshalb, weil er splitternackt war.

Er schnappte sich eine Jogginghose und schlüpfte hinein. Ohne sich damit aufzuhalten, ein T-Shirt anzuziehen, ging er zur Eingangstür seines Lofts, um sie zu öffnen. Dabei rubbelte er sich mit einem Handtuch die nassen Haare trocken. Er ließ die Tür auf und kehrte in den Wohnbereich zurück.

Genevieve würde ihn schon finden.

Es dauerte nicht lange, bis er das Klackern ihrer Schritte hörte. Sie trug also hohe Absätze. Es gefiel ihm, wenn sie hohe Absätze trug.

Die Eingangstür wurde zugeschlagen, und dann vernahm er ihre Stimme. „Wie oft muss ich es dir noch sagen? Ich will dein Geld nicht.“

Finn warf das Handtuch über die Sofalehne, bevor er sich umdrehte. Sein Blick glitt langsam über ihren Körper. Das geschah nicht absichtlich. Er konnte einfach nicht anders.

Sie wirkte noch schöner, wenn sie wütend war.

Ihre grünen Augen sprühten Feuer, ihre Wangen waren gerötet, und sie ballte die Fäuste.

„Ich habe das mittlerweile verstanden.“

„Aber das hat dich nicht von diesem Wahnsinnskauf abgehalten.“

„Wovon sprichst du?“ Finn beschloss, sich dumm zu stellen, auch wenn das vermutlich nichts nützen würde.

„Stell dich nicht dümmer, als du bist. Gib den Schmuck zurück“, verlangte sie.

Finn zuckte mit den Schultern. „Nein.“

„Weder willst du ihn, noch kannst du ihn gebrauchen. Ich weigere mich, dein Geld anzunehmen. Noah und ich brauchen es nicht. Du willst dich doch nur von deiner Schuld freikaufen.“

Bis zu diesem Moment war er glänzender Laune gewesen. Doch jetzt ließ er die liebenswürdige Fassade fallen und trat mit energischen Schritten auf sie zu. Sie wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß.

Er drückte die Hände zu beiden Seiten ihres Kopfes an die Wand. Er spürte die raue Struktur der Ziegelwand an seinen Handflächen. Sein Oberschenkel streifte ihren.

„Lass uns eines klarstellen, Genevieve. Schuld hat überhaupt nichts damit zu tun. Du kümmerst dich um meinen Sohn, und es gibt keinen Grund, warum ich euch beiden nicht finanziell helfen sollte.“

„Ich bin sehr gut in der Lage, allein für meinen Sohn zu sorgen, Finn.“

„Das weiß ich. Ich habe mir deine Steuererklärungen der letzten drei Jahre angesehen und zudem noch einen detaillierten Finanzbericht über dein Geschäft. Ich weiß genau, wie viel von deinem Geld in Material und Investitionen steckt. Und ich weiß auch, dass deine Finanzdecke im Moment ziemlich dünn ist, weil du dich auf die Zusammenarbeit mit der Juwelierkette vorbereitest. Aber sobald du dort im Geschäft bist, wird sich das schnell ändern, denn du bist eine brillante Designerin. Das muss nur erst bekannt werden. Aber wie dem auch sei, du musst dir keine Sorgen machen. Ich habe genug Geld, um ein komplettes Entwicklungsland zu unterstützen.“

„Dann gib denen doch einen Scheck über eine Million Dollar“, fauchte sie.

„Das habe ich bereits getan.“

Sie neigte den Kopf zur Seite, ein sicheres Zeichen für ihr Erstaunen über seine Worte. Ihre Verwunderung versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. Er war doch kein herzloses Monster, verdammt.

„Du würdest meine Hilfe auf direktem Weg nicht annehmen, also habe ich einen Weg gefunden, wie du nicht ablehnen kannst.“

„Ich werde nicht zulassen, dass du diesen Schmuck kaufst.“

„Genevieve“, murmelte er ungeduldig. „Dir muss doch klar sein, dass ich mich bereits im Besitz dieser Smaragde befinde.“

„Dann gib sie zurück.“

„Nein. Sie gehören mir.“

„Und was hast du mit ihnen vor?“

„Das geht dich nichts an.“

Sie biss die Zähne zusammen und sah ihn frustriert an. „Dann nehme ich das Geld von Eric nicht an.“

Finn rückte noch ein Stück näher an sie heran. Sie bewegte sich unruhig hin und her, aber sie konnte nirgendwohin. Also führten ihre Bemühungen nur dazu, dass sie ihn streifte.

Ihm war zumute, als würde jede einzelne Zelle seines Körpers aus dem Tiefschlaf erwachen. Er verspürte das übermächtige Bedürfnis, sie zu berühren, sie zu küssen, sie zu besitzen. Doch er hielt sich zurück. Er umfasste lediglich ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.

„Tu das nicht“, bat er leise.

„Und wenn doch? Was willst du dagegen unternehmen?“, fragte sie herausfordernd.

Er war ihr so nah, dass er die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Ihre Lippen waren vor Zorn leicht geöffnet.

Dieser Versuchung konnte er unmöglich widerstehen. Er ließ die Fingerspitzen über die zarte Haut ihrer Wangen gleiten. Es war so lange her, dass er sie berührt hatte. Viel zu lange.

Und dieser Moment war nicht annähernd genug. Erinnerungen an Genevieve, die sich in seinen Armen vor Lust wand, beherrschten seine Gedanken.

Er zog sie an sich. Es musste sein.

Dann trafen sich ihre Lippen – und es war um ihn geschehen. Er verspürte ein brennendes Verlangen, das nur sie hervorrufen konnte. Er begehrte sie so sehr, dass es schmerzte.

Alle guten Vorsätze waren vergessen. Er öffnete die Lippen und seufzte erleichtert auf, als sie dasselbe tat. Mit beiden Händen umfasste sie seine Schultern. Sie zog ihn jedoch nicht zu sich, aber sie stieß ihn auch nicht weg.

Er nahm alles, was sie bereit war zu geben. Begierig erforschte er ihren Mund und kostete ihren süßen Geschmack.

Verdammt, er musste sich zusammenreißen.

Widerstrebend löste er sich von ihr und drückte seine Stirn gegen ihre. Er verharrte reglos und versuchte, sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Und seinen Verstand. Es war nichts zu hören, nur ihr heftiges Atmen.

Schließlich rückte er ein wenig von ihr ab. Gerade weit genug, um ihr in die Augen zu sehen. „Ich will dir nichts nehmen, Genevieve“, sagte er heiser. „Das verspreche ich. Ich will nur geben. Bitte lass mich.“

Verdammt.

Sie kam sich so dumm vor.

Weil sie ihm unbedingt glauben wollte. Aber ihr Verstand sagte ihr, sie sollte das nicht tun. Sie wusste es doch besser. Er hatte sie schon einmal mit seinen wohlgesetzten Worten und seiner aufrichtigen Miene hereingelegt.

Doch im Grunde hatte er recht.

Sie brauchte den Verkaufserlös der Smaragde wirklich dringend. Sie hatte einige schwarze Opale entdeckt, aus denen sich ein wundervoller Halsreif anfertigen ließ. Im Moment verfügte sie aber nicht über die Mittel, um sie zu erwerben.

Die Vorstellung, dass Finn jetzt die Smaragde besaß, gefiel ihr überhaupt nicht. Sie musste die Vorstellung davon verdrängen, wie er sie einer anderen Frau schenkte. Die Überraschung und Freude im Gesicht dieser Fremden, wenn er sich zu ihr beugte, um ihr die Halskette umzulegen …

Sie schob dieses Bild rasch beiseite. Nein, so tief wollte sie nicht sinken.

Der Erlös aus diesem Verkauf war nicht annähernd so hoch wie die Summe, die er ihr vor ein paar Monaten geben wollte. Dieser Scheck war für sie nichts anderes als das Eingeständnis seiner Schuld. Sie war nicht bereit, ihn anzunehmen und ihn so leicht davonkommen zu lassen.

Wie dem auch sei, der Verkauf der Smaragde war eine geschäftliche Transaktion. Nicht mehr und nicht weniger.

„Also gut. Dann behalt die Smaragde. Ich nehme die Kommission an. Wenn du mir versprichst, nicht noch mehr Schmuck von mir zu kaufen.“

Finn zuckte mit den Schultern. „Ich verspreche dir, nicht noch mehr zu kaufen, nur um dir Geld zukommen zu lassen. Wie wäre es damit?“

Sie konnte sich keinen anderen Grund denken, weshalb er Hunderttausende von Dollar investieren sollte. „Einverstanden. Vielen Dank. Ich habe ein paar schwarze Opale entdeckt, auf die ich scharf bin. Mit dem Erlös aus den Smaragden kann ich sie mir leisten und endlich die letzten beiden Stücke für meine Kollektion fertigstellen.“

„Schwarze Opale?“, murmelte er.

Genevieve konnte ihre Aufregung nicht verbergen. „Sie sind wundervoll. Das Farbenspiel ist unglaublich, und sie passen perfekt zu einem Halsreif, den ich bereits entworfen habe. Ich hatte nur noch nicht die richtigen Steine dafür. Die Schattierung von Blau und Violett auf dem schwarzen Untergrund … Und sie stammen alle von demselben ungeschliffenen Stein. Sie sind einfach …“

Ihr war nicht bewusst gewesen, wie überschwänglich sie klingen musste, bis sie aufsah und Finns Blick begegnete. Ihre Aufregung verflog, und ihr war zumute, als würde sie in sich zusammenfallen wie ein Ballon, aus dem die Luft gelassen wurde.

„Tut mir leid. Das interessiert dich wahrscheinlich nicht besonders.“

„Doch“, erwiderte er und trat näher zu ihr. „Ich mag das Feuer in deinen Augen, wenn du über Edelsteine sprichst. Deine Leidenschaft für deine Arbeit gehört zu den Dingen, die mir am besten an dir gefallen. Das war schon immer so.“

Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht recht, was sie mit diesen Worten anfangen sollte.

Ja, sie vermisste jemanden, mit dem sie ihren Enthusiasmus teilen konnte. Das gehörte zu den Dingen, die ihr fehlten, als sie aufgehört hatte, für ihren Großvater zu arbeiten. Dort war sie von Menschen umgeben, die ihre Leidenschaft für Mineralien und Edelsteine verstehen konnten.

Diese Leidenschaft hatten Finn und sie einmal geteilt. In den wenigen Wochen, in denen er zu ihrem Leben gehörte, hatte es einen Menschen gegeben, der mit ihr über Steine reden wollte.

Sie drehte sie von ihm weg und winkte ab. „Das spielt keine Rolle. Ich hoffe, die Person, für die du den Schmuck gekauft hast, weiß sie zu schätzen. Diese Smaragde hatten einen besonderen Platz in meinem Herzen.“

Finn legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. „Da bin ich zuversichtlich.“

Sie verspürte einen schmerzhaften Stich und nickte nur. „Ich sollte jetzt wohl gehen.“ Sie deutete zur Tür, durch die sie erst vor wenigen Minuten hereingestürzt war. Wo war nur der Zorn geblieben, der sie da noch erfüllt hatte?

Besänftigt durch diesen Kuss.

Dieser dumme Kuss. Sie würde so tun, als hätte es ihn nie gegeben.

Während sie langsam zur Tür ging, ließ Finn sie nicht aus den Augen. Sein eindringlicher Blick und sein amüsiertes Lächeln irritierten sie. Sie fühlte sich unbehaglich. Sie hatte das Gefühl, als würde er etwas in ihr sehen, dass sie selbst nicht erkennen konnte.

Sie legte eine Hand auf die Klinke und blieb unschlüssig stehen. Etwas in ihr verlangte danach, noch zu bleiben. „Ruf mich im Lauf der Woche an. Dann vereinbaren wir einen Termin für deinen Besuch bei Noah.“

Finns hintergründiges Lächeln verwandelte sich in Strahlen purer Freude. „Gern, das mache ich.“

Noch vor einigen Tagen hatte sie an Finns Vaterqualitäten gezweifelt. Aber nachdem sie ihn gestern zusammen mit Noah beobachtet hatte, machte sie sich keine Sorgen mehr. Noah fühlte sich mit seinem Vater offenbar wohl, und die beiden kamen gut miteinander aus. Das lag vermutlich vor allem daran, dass Finn sich selbst oft wie ein Kind benahm.

Allerdings waren damit nicht all ihre Sorgen ausgeräumt. Vielmehr verursachte das noch ein paar neue.

Sie verließ das Loft, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Sie war unfähig zu gehen. Ihre Knie waren weich, und ihre Beine versagten ihr den Dienst.

Sie hatte kein Vertrauen mehr in ihre Fähigkeit, sich in einem Raum mit Finn DeLuca aufzuhalten, ohne ihn zu begehren.

4. KAPITEL

Vierundzwanzig Stunden später ging Finn dieser Kuss immer noch nicht aus dem Kopf. Leidenschaft war nie ihr Problem gewesen. Seit er Genevieve zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sie begehrt.

Das war zweifellos sein Untergang gewesen.

Zuerst hatte er sich auf die gleiche Weise zu ihr hingezogen gefühlt wie zu einem wertvollen Gemälde oder einem kostbaren Edelstein.

Er hatte schon immer eine Vorliebe für schöne Dinge gehabt. Und Genevieve besaß eine unschuldige, fast ätherische Ausstrahlung. So ganz anders als die abgestumpfte, raue Wirklichkeit, in der er lebte.

Zuerst hatte er gedacht, sie würde ihm etwas vorspielen. Es musste einfach so sein. Niemand konnte derart naiv und vertrauensselig sein. Besonders Genevieve nicht, wenn man ihren Großvater Lackland Reilly kannte und dessen Einfluss auf ihr Leben. Doch Finn erkannte bald, dass sie tatsächlich ohne jeglichen Argwohn war.

Jedenfalls bis er in ihr Leben trat.

Er hatte das in ihr zerstört, und er hasste sich dafür, das vertrauensvolle und unschuldige Strahlen in ihren Augen zum Erlöschen gebracht zu haben. Auch wenn er den Star of Reilly zurückgebracht hatte, den anderen Schaden, den er angerichtet hatte, konnte er nicht beheben.

Als er sie dann mit ihrem Sohn beobachtete, hatte er sich noch mehr zu ihr hingezogen gefühlt.

Lackland hatte sein Bestes getan, um Genevieve vor der Welt zu schützen. Allerdings hatte er ihr das wirkliche Leben vorenthalten. Was dazu geführt hatte, dass sie ein wenig weltfremd wurde. Er hatte sie zu Hause unterrichtet und sie mit Erwachsenen umgeben, die ausnahmslos taten oder sagten, was er ihnen befahl. Von Genevieve erwartete er dasselbe. Sie sollte seine Anweisungen befolgen, ohne sie zu hinterfragen. Im Grunde hatte er sie behandelt wie eine Angestellte und nicht wie ein Familienmitglied.

Finn wurde zornig. Dabei hatte er sich zuvor einen Dreck darum geschert, wie andere Menschen behandelt wurden.

Bis er Genevieve kennenlernte.

Er hatte ihre innere Stärke von Anfang an gespürt. Sie war ein stilles Wasser, und die waren bekanntermaßen tief. Sie erinnerte ihn an einen Rohdiamanten, der nur auf jemanden wartete, der ihn mit Geschick und Geduld zum Funkeln brachte.

Es störte ihn ungemein, dass nicht er derjenige gewesen war, der das vollbracht hatte.

Allerdings konnte er vielleicht zumindest einen kleinen Teil dieses Verdienstes für sich in Anspruch nehmen.

Wie sie gestern wutentbrannt in sein Apartment gestürmt war … Die Genevieve, die er von früher kannte, hätte dazu nicht das Rückgrat gehabt.

Die Erinnerung daran machte ihn begehrlich. Er war nicht in der Lage, seine Reaktion auf sie zu beherrschen. Sein Verlangen danach, sie zu spüren und zu schmecken, diese Energie einzufangen und sich zu eigen zu machen.

Er durfte diesem Verlangen jedoch nicht nachgeben. Sonst würde er riskieren, was er wirklich wollte. Dass er sich durch Genevieve ablenken und aus der Spur bringen ließ, hatte ihn schon einmal sehr viel gekostet. Diesen Fehler wollte er kein zweites Mal begehen. Ihre Anziehungskraft war gefährlich. Sie machte ihn nachlässig und störte seine Konzentration.

Was wirklich zählte, war ihre Erlaubnis, Noah wiederzusehen. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber er wollte noch mehr. Er wollte seinem Sohn die Welt zeigen.

Mit Genevieve musste er geduldig und behutsam vorgehen. Er würde sie allmählich davon überzeugen, dass er nicht mehr der Mann war, der sie vor drei Jahren verführt und für seine eigenen Zwecke hinters Licht geführt hatte. Denn das war er nicht mehr.

Jedenfalls wollte er das nicht mehr sein. Für seinen Sohn. Für eine Familie. Nach Sawyers Tod hatte er geglaubt, niemals wieder eine Familie zu haben.

Sein Handy klingelte. Ein Blick auf das Display zeigte ihm, dass Stone der Anrufer war.

„Hallo, Stone“, meldete er sich.

„Ich habe die Ausrüstung, um die du mich gebeten hast. Bitte sag mir, dass du nichts Illegales damit vorhast. Nein, warte. Sag mir lieber gar nichts. Dann kann ich später reinen Herzens leugnen, etwas gewusst zu haben.“

Finn musste lachen. Zu Stones guten Eigenschaften zählte zweifellos sein Humor.

„Ich haben nichts Illegales vor.“ Das entsprach der Wahrheit, auch wenn er sich auf dünnem Eis bewegen würde. Genevieve wäre vermutlich nicht sehr angetan von dem Überwachungssystem, das er vor ihrem Haus und ihrer Werkstatt zu installieren beabsichtigte. Aber das auch nur, weil sie nicht begriff, wie verletzlich sie war.

Er dagegen kannte die Lücken und Schwachstellen in ihrem Sicherheitssystem ganz genau. Er hatte die Absicht, ein paar Löcher zu stopfen, bevor er sie davon überzeugen konnte, ihm den Zugang zu den Innenräumen zu gestatten. Dann würde der den Rest erledigen. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass sie noch länger so verwundbar blieb.

In diesem Fall riskierte er es, um Verzeihung zu bitten anstatt um Erlaubnis. Genevieve und Noah bedeuteten ihm viel. Also würde er sie beschützen.

Stone gab ein skeptisches Brummen von sich. „Du hast jetzt so viele Kameras, Mikrofone und Aufnahmekapazität, dass jedes Bankhaus neidisch werden würde.“

„Das ist eine hässliche Übertreibung.“

„Na schön, versprich mir nur, dass du damit keine Dummheiten anstellst.“

„Ich werde Überwachungsanlagen vor Genevieves Haus und Werkstatt installieren lassen. Ihr Sicherheitssystem lässt einiges zu wünschen übrig.“

Die Stille, die nun folgte, war ein deutliches Zeichen für Stones Missbilligung. Sein Freund kannte die Geschichte zwischen Finn und Genevieve. Außerdem war er ein mitfühlender Zeuge von Finns sechs Monate langem Kampf um das Besuchsrecht bezüglich Noah geworden.

Zweifellos war Stone davon überzeugt, dass Finns Unterfangen nach Ärger roch. Vielleicht hatte er damit sogar recht, aber Finn würde es trotzdem tun.

Schließlich meldete sich Stone wieder zu Wort. „Ich nehme mal an, Genevieve hat keine Ahnung davon, dass jede ihrer Bewegungen aufgezeichnet wird.“

Finn räusperte sich. Er hatte nicht die Absicht, diese Frage zu beantworten.

„Himmel, du weißt schon, dass du wieder im Gefängnis landen wirst, oder?“

„Nein, das werde ich nicht.“ Finn hatte nicht vor, sich noch einmal erwischen zu lassen. „Kann dein Team das alles installieren? Und die Software auf mein Handy und den Computer laden?“

Stone seufzte. „Ja. Ich schicke morgen ein paar Leute vorbei. Du musst ihnen nur sagen, wie du es haben willst. Es wird nur ein paar Stunden dauern.“

„Und sie werden die Sache diskret behandeln?“

„Du meinst, sie sollen der jungen Mutter nicht verraten, dass sie von nun an beobachtet wird?“

„Genau“, erwiderte Finn, ohne auf die Provokation einzugehen.

„Sie sind darin geübt, unsichtbar zu bleiben, wenn es erforderlich ist.“

Perfekt.

Genevieve betrachtete die Edelsteine vor ihr auf dem Tisch. Obwohl sie bei deren Anblick Vorfreude und Energie verspürte, hatte sie keine Inspiration, wie sie diese Kostbarkeiten verarbeiten sollte. Das lag vor allem daran, dass ihre Gedanken immer wieder zu Finn abdrifteten. An seinen verführerischen Duft, den Blick aus seinen dunklen Augen und an diesen dummen Kuss.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast Mitternacht. Sie musste endlich nach Hause fahren und Nicole ablösen.

Frustriert, weil sie etliche Stunden verschwendet und nichts erreicht hatte, packte sie die Steine zusammen und brachte sie in den Tresor, wo sie wertvolle Steine und fertige Arbeiten aufbewahrte.

Der Tresor war etwas, auf das Nick, ihr einziger Angestellter, unnachgiebig bestanden hatte. Er war für die Sicherheit verantwortlich und hatte ihr im Austausch gegen den sündhaft teuren Tresor in allen anderen Bereichen eine gewisse Knauserigkeit gestattet. Sie war lange genug in diesem Geschäft, um die Notwenigkeit dieser Anschaffung zu erkennen.

Sie schloss die Hintertür ab. Auf dem Weg zu ihrem Wagen lief ihr ein unerwarteter Schauer über den Rücken. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, und sie hatte einen plötzlichen Adrenalinschub.

Sie hatte keine Ahnung, woran das liegen mochte.

Angestrengt spähte sie in die Dunkelheit. Ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf, alles war ruhig und still. Schatten wanderten unruhig hin und her, aber das waren nur Blätter und Zweige von den alten Eichen im Nachtwind.

Autor

Jayci Lee
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Kira Sinclair
<p>Wenn Kira Sinclair gerade nicht als Büro – Managerin arbeitet oder neue Zeilen für eine Geschichte schreibt, verbringt sie Zeit mit ihrem Ehemann, zwei bezaubernden Töchtern und jeder Menge Tieren auf ihrer kleinen Farm im Norden Alabamas. Egal in welcher Form, Schreiben war schon immer ein Teil ihres Lebens.</p>
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Reese Ryan
<p>Reese Ryan schreibt Liebesgeschichten, die nicht nur sexy und gefühlvoll sind, sondern in denen sie auch von kleineren Familiendramen erzählt. Reese ist im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen, ihre Familie hat aber auch Wurzeln in Tennessee.</p>
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