Reise nach Mailand - 4 zauberhafte Liebesromane

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

EINE WINTERLIEBE IN MAILAND von LIZ FIELDING

Angelica kann ihr Glück nicht fassen: Erst küsst der attraktive Italiener Dante sie heiß, dann besorgt er ihr auch noch einen Job. Und weil sie nicht mal ein Apartment in Mailand hat, bietet er ihr sogar einen Platz zum Schlafen an! Aber geht das nicht alles viel zu schnell?

HAPPY END IN MAILAND? von JENNIE ADAMS

Arabella will Luchino nie wiedersehen! In Mailand hatte sie, damals noch ein Topmodel, eine kurze Romanze mit ihm – bis sie entdeckte, dass er sie betrog! Sechs Jahre später taucht Luchino überraschend bei ihr auf – zusammen mit seiner kleinen Tochter! Unwillkürlich ist Arabella bezaubert: Dieser Mann, dessen Augen beim Anblick seines Kindes zärtlich leuchten, ist genau wie der, in den sie sich einst verliebte. Und als sie, inzwischen eine gefragte Designerin, ihn nach Mailand begleitet, macht er ihr nach einer Modenschau ein Geständnis …

BRAUTSCHAU AUF ITALIENISCH von JANE WATERS

Nie hat der Seidenfabrikant Alessandro die anmutige Modestudentin Alice vergessen können. Nach ihrer ersten, verheißungsvollen Liebesnacht verschwand sie jedoch spurlos. Als er sie nun in Mailand wiedersieht, will er sie zurückgewinnen und lädt sie in seine Villa am Comer See ein. Doch nach einem traumhaften Wochenende ergreift Alice erneut die Flucht!

IN ITALIEN SAGT MAN "TI AMO" von MELANIE MILBURNE

So leidenschaftlich der Sex mit Milliardär Vinn Gagliardi ist, so vergeblich hofft Ailsa auf seine Liebe. Aber kaum fordert sie traurig die Scheidung, will Vinn sie plötzlich zurück. Natürlich bloß, um für seinen kranken Großvater in Mailand die heile Familie zu spielen, oder?


  • Erscheinungstag 12.12.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524360
  • Seitenanzahl 463
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liz Fielding

Eine Winterliebe in Mailand

1. KAPITEL

„Das Leben ist wie Eis essen an einem heißen Tag. Genieße es, bevor es schmilzt.“ (aus Rosies kleiner Eisfibel)

Es war spät, und feiner Schneeregen schlug Geli ins Gesicht, als sie die Metrostation Porta Garibaldi in Mailand verließ. Eigentlich hatte sie für die letzte kurze Wegstrecke ihrer Reise ein Taxi nehmen wollen, aber da heute bereits alles schiefgelaufen war, rechnete sie nicht damit, vor dem Bahnhof eines ergattern zu können.

Fantastisch! Es stand keins da.

In Longbourne, von wo aus sie aufgebrochen war, hatte der Frühling bereits in der Luft gelegen, und in Italien sollte es noch wärmer sein – jedenfalls hatte sie das angenommen, und so versprachen es auch die Reiseprospekte. Wäre sie schlau genug gewesen, die Wetterlage in Norditalien zu überprüfen, hätte sie dickere Kleidung angezogen und Leggins statt der zarten Nylonstrumpfhose.

Den Angaben im Internet zufolge sollte es bis zu ihrem gemieteten Apartment nur ein Fußweg von zehn Minuten sein. Kein Problem, das würde sie schaffen und den Regen würdig ertragen. Sie studierte den Stadtplan, zog die weite Kapuze ihres Mantels über den Kopf und marschierte los. Ihren Koffer rollte sie hinter sich her, die große Umhängetasche trug sie über der Schulter.

Ein neues Land. Ein neuer Anfang. Ein neues Leben.

Anders als ihre Schwestern Elle und Sorrel, die verheiratet waren, Familien hatten und mit ihrem expandierenden Eisgeschäft ein geregeltes Leben führten, ging Geli einer ungewissen Zukunft entgegen. Ein italienischer Sprachführer und tausend Ideen waren das Einzige, was sie für das bevorstehende Abenteuer mitbrachte. Natürlich hatte sie auch ein wenig Angst, vielleicht mehr, als sie zugeben wollte, aber das gehörte einfach dazu. Sie war eben das Nesthäkchen der Familie.

„Scusi!“

„Entschuldigung … äh … scusi .“ Geli rollte ihren Koffer nach rechts, um einem eiligen Passanten Platz zu machen. Erst jetzt entdeckte sie im Licht der Straßenlaternen die bunten Malereien auf dem Gehweg. Ihr Herz schlug höher. Trotz des eisigen Regens wusste sie wieder, warum sie nach Italien gekommen war. Nach Mailand. Nach Isola.

Seit sie in einer Zeitschrift auf diesen nördlichen Stadtteil Mailands gestoßen war, wo sich Künstler, Musiker und Designer tummelten, war sie nicht mehr davon losgekommen. Hier konnte sie endlich ihre Flügel ausbreiten, mit Mode experimentieren, etwas Neues schaffen – und sich vielleicht sogar verlieben. Natürlich nicht wirklich. Nur so zum Zeitvertreib.

Nach zwanzig Minuten war ihr Gesicht vor Kälte erstarrt. Der Wind drang sogar bis unter ihre Kapuze, die modisch wirkte, aber nicht unbedingt praktisch war. Von wegen zehn Minuten Fußweg! Sie fand sich nicht mehr zurecht, und ihre Schritte wurden langsamer.

Was hätte Elle, ihre älteste Schwester, jetzt gesagt? „Du bist zu ungeduldig, Geli. Warum hast du nicht auf ein Taxi gewartet?“

Ja, warum nicht? Weil sie in Abenteuerlaune war, und der Weg an sich keine Schwierigkeiten bot. Sie hatte sich die Straßennamen und die Abzweigungen eingeprägt. Noch einmal nach rechts – und sie musste eigentlich direkt vor ihrem Apartment landen.

Leider war das nicht der Fall.

Statt auf ein fünfstöckiges, rosa angestrichenes Mietshaus stieß sie auf eine Bretterwand, die einen Bauplatz umgab. Grund zur Panik? Von wegen. Wahrscheinlich war sie einmal falsch abgebogen. Sie war an mehreren Durchgängen vorbeigekommen, von denen einer vielleicht in die richtige Straße führte. Also kehrte sie um und wählte den größten Durchgang, den sie passierte. Der erweiterte sich allerdings nicht zu einer Straße, sondern führte auf einen matt erleuchteten Hinterhof, in dem Kisten aufgestapelt waren, die offenbar zu einem Laden gehörten. Etwas bewegte sich im Dämmerlicht, und eine Kiste fiel von dem Stapel herunter.

Erschrocken blieb Geli stehen. Höchste Zeit, einen Blick auf den Stadtplan zu werfen! Sie zog sich unter den Torbogen zurück und kramte die kleine Taschenlampe heraus, die ihr wanderfreudiger Schwager ihr für die Reise mitgegeben hatte.

Ein klägliches Miauen drang an ihr Ohr. Geli suchte mit der Taschenlampe die Umgebung ab und entdeckte ein Kätzchen, das mit nassem Fell und bis auf die Knochen abgemagert in einer Ecke des Torbogens kauerte.

„He, Schätzchen“, sagte sie leise und wollte das Kätzchen greifen, aber es wich zurück. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Du bist viel zu klein, um in einer solchen Nacht allein unterwegs zu sein.“

Das arme Geschöpf, das völlig durchnässt war und bestimmt stärker fror als Geli, antwortete mit noch kläglicherem Miauen. Geli hatte im Flugzeug ein Käsesandwich gekauft, war aber zu aufgeregt gewesen, um es zu essen. Jetzt packte sie es aus, brach ein Stück ab und hielt es dem Kätzchen hin. Der Hunger besiegte die Angst. Das Tier kam näher und leckte gierig an der Butter.

Geli gab ihm noch ein Stück und konzentrierte sich dann wieder auf den Stadtplan. Wo sie falsch abgebogen war, ließ sich nicht mehr nachvollziehen. Sie musste im Geschäftsviertel gelandet sein, wo über Nacht alles geschlossen war.

Signora Franco, ihre Vermieterin, anzurufen, wäre sinnlos gewesen. Sie sprach genauso schlecht Englisch wie Geli Italienisch. Eins von Isolas berühmten Cafés aufzusuchen, versprach mehr Erfolg. Dort war es warm und hell, und die Gäste kannten sich in der Umgebung aus.

Sie trat auf die Straße hinaus und sah sich um. Hinter ihr miaute das Kätzchen. Es war noch zu jung, um allein zu überleben. Aber wohin mit ihm? Kurz entschlossen hob Geli es auf und steckte es in eine ihrer großen Manteltaschen.

Morgen würde sie zurückkommen und jemanden suchen, der sich des armen Geschöpfs annahm. Jetzt musste sie erst mal Menschen finden, bei denen sie ihr mangelhaftes Italienisch ausprobieren konnte. „Dov’ è Via Pepone?“ Sie hatte die Frage auswendig gelernt, musste sich aber darauf gefasst machen, von der Antwort nichts zu verstehen.

Sie steckte die Taschenlampe und den nutzlosen Stadtplan ein und ging bis zu der Hauptstraße zurück, die direkt zum Bahnhof führte. Die Fotos, die sie im Internet gesehen hatte, waren im Sommer aufgenommen worden: eins von einem Jazzfestival, eins vom öffentlichen Park und mehrere von einladenden Restaurants, in denen sich die Gäste zwanglos versammelten. Eine großartige Atmosphäre. Einfach perfekt.

Schade, dass sie in der falschen Jahreszeit und zur falschen Stunde angekommen war. Alles war ruhig und grau. Aber endlich entdeckte sie auf der anderen Straßenseite, am Rand einer Piazza, doch ein Café mit beschlagenen Fenstern, durch die leise Musik drang. Es handelte sich um das Café Rosa, das für seine Jazzkonzerte, seine Cocktails und die Künstler berühmt war, die dort gern herumhingen und sich an den Wänden verewigten.

Erleichterter, als Geli sich eingestehen wollte, rollte sie ihren Koffer über das Kopfsteinpflaster und stieß die Tür auf. Wohlige Wärme strömte ihr entgegen. Es roch nach guter italienischer Küche, die Espressomaschine zischte und auf einem kleinen Podium in einer Ecke spielte eine Combo. Unregelmäßig verteilte Tische standen umher, voll besetzt mit Gästen, die aßen, tranken und sich unterhielten. An der Theke lehnte ein großer, dunkelhaariger Mann und sprach mit der Barfrau.

Einige Gäste drehten sich um, als Geli hereinkam. Andere machten es ihnen nach, und plötzlich war nur noch das tiefe Summen der Bassgeige zu hören. Der Mann an der Bar drehte sich um. Er wollte feststellen, warum alle Gäste verstummt waren, und sein Anblick raubte Geli buchstäblich den Atem. Sie hatte seine Stimme noch nicht gehört, kannte seinen Namen nicht und war noch nicht von ihm berührt worden, und doch erfasste sie ein so leidenschaftliches Verlangen nach ihm, dass sie fast die Besinnung verlor.

Er richtete sich auf und war nun besser zu erkennen. Die Augen waren von einem warmen Dunkelbraun, das tiefschwarze, leicht gelockte Haar fiel ihm bis in den Nacken. Die Schultern waren breit, die Arme kräftig.

„Signora …“ , sagte er leise und machte ihr an der Bar Platz. Wow! Seine Stimme passte perfekt zu seinem Gesicht und seiner Statur.

Vielleicht wäre Geli ohnmächtig geworden, wenn nicht eine stattliche Blondine in diesem Moment Mr Italy in einem winzigen Tässchen den Espresso serviert und sich anschließend ihr zugewandt hätte.

„Sta nevicando? E brutto tempo.“

Wie bitte?

So ein Mist …

Der Satz war in dem Sprachkurs, den Geli im Internet heruntergeladen und auf ihr Smartphone überspielt hatte, nicht vorgekommen. Verwirrt schlug sie die Kapuze zurück. Einige Regentropfen landeten auf ihrem Gesicht und brachten sie wieder zur Besinnung. Sie schob ihren Koffer beiseite und ging zögernd an die Bar.

„Cosa prendi, signora?“

Super, das verstand sie sogar. „Einen … äh … un espresso … s’il vous pla î t … “ Geradezu genial, diese Sprachmischung! „Nein, ich meine …“

Ach, zum Teufel!

Die Blondine lächelte. „Keine Sorge, ich habe schon verstanden.“ Sie sprach mit australischem Akzent.

„Gott sei Dank, Sie sind Engländerin … nein, Australierin. Ich habe versucht, mein Italienisch aufzupolieren – als Studentin habe ich einen Monat in der Toskana verbracht –, aber auf der Schule haben wir Französisch gelernt, und das fällt mir leichter, wenn ich aufgeregt bin.“

„Warten Sie die erste Woche ab“, prophezeite die Blondine. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

„Sie könnten mir bei der Suche nach einer Adresse weiterhelfen.“ Gelis Verwirrung steigerte sich mit jeder Sekunde. Die erotische Aura, die Mr Italy umgab, war einfach überwältigend! Sie wagte keinen Blick in seine Richtung. Ob er sie betrachtete?

„Sie haben sich verirrt, signora ?“, fragte er.

Sein Italienisch hatte einfach göttlich geklungen, aber auch sein Englisch, mit starkem italienischen Akzent, konnte sich hören lassen.

„Nein, nicht direkt, aber …“ Geli riss sich zusammen und konzentrierte sich voll auf ihr Problem. Sie nahm den Stadtplan und die Unterlagen für das gemietete Apartment aus ihrer Umhängetasche und breitete alles auf der Theke aus. Mr Italy warf ihr einen kurzen Blick zu – er hatte wirklich fantastische braune Augen! – und beugte sich dann über die Karte.

„Nicht direkt?“, wiederholte er.

Geli war immer noch unfähig zu sprechen, aber das war er sicher gewohnt von Frauen, die in seine Nähe kamen. Alles an ihm, seine ganze Erscheinung, konnte nur eins bedeuten: höchste Gefahr. Ihn näher kennenzulernen, würde sich trotzdem lohnen. Er versprach ein wildes Abenteuer und sah sie an, als wolle er sofort damit beginnen.

„Ich weiß genau, wo ich bin, signore “, antwortete sie und ließ sich weiter von seinem Blick gefangen nehmen. Wie zum Beweis, zog sie den rechten dünnen Lederhandschuh, der sie kaum gewärmt hatte, aus und tippte mit einem rot lackierten Fingernagel auf die Karte. „Hier.“

„Nein“, widersprach er, nahm ihre Hand und führte sie zwei Zentimeter weiter nach links. „Sie sind hier.“

Seine Hand wärmte ihre klammen Finger. Er hatte große, schlanke Hände und trug keinen Ring. Die Haut war leicht gebräunt und hob sich deutlich von ihrem hellen Teint ab. Geli fragte sich, wie diese Hände auf ihrer Brust wirken würden. Wie sie sich anfühlen würden …

Atmen, tief durchatmen …

Sie räusperte sich und erklärte in übertrieben forschem Ton: „Auf dem Plan gleicht eine Piazza der anderen. Ich scheine sie alle verpasst zu haben …“

„Und doch sind Sie hier.“

Ja, sie war hier und erlag dem Blick der dunklen Augen, die fast so schwarz waren wie der Espresso in seiner Tasse.

Das Café existierte nicht mehr. Die bunten Etiketten auf den Flaschen, das Funkeln der Gläser verschwammen vor Gelis Augen, das Klirren der Bestecke und das Brummen der Bassgeige vermischten sich in ihren Ohren zu einem einzigen Klangrausch. Sie fühlte nur noch den warmen Druck seiner Hand und sah ihr Spiegelbild in seinen Augen. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen – dann ließ er ihre Hand los, griff nach der Tasse und leerte sie in einem Zug. Vorsichtig stellte er sie wieder hin.

„Welches Ziel haben Sie, signora ?“

„Hier … dieses.“ Sie tippte auf den Zettel, auf dem sie den Straßennamen notiert hatte, aber die schmelzenden Schneeflocken hatten die Tinte verwischt und die Schrift unlesbar gemacht.

„Nennen Sie Dante die Adresse“, schlug die Blondine vor und brachte Geli den gewünschten Espresso. „Dann zeigt er Ihnen die Richtung. Er kennt hier jeden Winkel.“

„Dante?“, wiederholte Geli. „Genau wie im Inferno ?“ Kein Wunder, dass er diese Ausstrahlung hatte!

„Wollen Sie jemanden besuchen?“, erkundigte sich Dante, ohne die Frage zu beantworten.

„Nein.“ Inferno … sie hätte sich ohrfeigen können. Wie oft musste er das schon gehört haben! „Ich bin nach Mailand gekommen, um zu arbeiten. Mein Mietvertrag gilt für ein Jahr. Angelica Amery … genannt Geli“, fügte sie hinzu und streckte die Hand aus, ohne an die Folgen zu denken.

Mr Italy drückte ihre Hand und hielt sie fest. „Dante Vettori.“ Aus seinem Mund klang der Name wie die reine Verführung. „Sie heißen Jelly … wie das glibberige Zeug, das die Engländer ihren Kindern auf Geburtstagspartys einflößen?“

Nach der dummen Inferno – Bemerkung hatte sie das wohl verdient, aber so leicht würde er nicht davonkommen. „Amerikaner streichen sich Gelee auf die Erdnussbutter“, konterte sie und zog die Augenbrauen so spöttisch hoch wie er. Ihr erstes aufregendes Erlebnis in Mailand! War sie deswegen nicht hergekommen?

„Noch schlimmer“, entschied er und lächelte. Die Grübchen in seinen Mundwinkeln vertieften sich dabei. Sollte er sie doch nennen, wie er wollte – wenn er nur dabei lächelte.

„Geli ist die Koseform von Angelica“, erklärte sie. „Wie in Angelica archangelica … der Arznei-Engelwurz. Sie kennen diese Pflanze vermutlich nur wegen ihrer Stängel, die man kandieren kann … als Schmuck für die Torten, mit denen man kleine Kinder auf Geburtstagspartys vollstopft.“

Er lachte. Es war ein volles, warmes Lachen, das seine Wangenknochen stärker hervortreten ließ und dabei die volle Aufmerksamkeit auf seine Lippen lenkte. Besonders auf die Unterlippe, die sie gern geküsst hätte …

Energisch griff sie nach ihrer Tasse und leerte sie ebenfalls in einem Zug. Italienischer Stil, dachte sie dabei. Der Espresso war jedoch heißer, als sie vermutet hatte, und vertrieb mit einem Schlag alle lustvollen Fantasien.

„Ursprünglich wollte ich ein Taxi nehmen.“ Sie krächzte ein wenig. Der Espresso war wirklich zu heiß gewesen. „Leider stand keins an der Porta Garibaldi, und bis zur Via Pepone sollte es nur ein kurzer Fußweg sein.“

„Bei schlechtem Wetter gibt es selten ein Taxi“, warf die Blondine ein, während Dante mit gerunzelter Stirn den Prospekt durchblätterte, auf dem das rosa angestrichene Mietshaus abgebildet war, in dem Geli wohnen sollte. „Trotzdem … willkommen in Isola. Ich bin Lisa Vettori und gehöre zum australischen Zweig der Familie. Dante ist mein Cousin und der Besitzer des Café Rosa … was niemand merkt, solange er auf der falschen Seite der Bar herumlungert.“

„Ich bezahle dir genug, um hier stehen zu dürfen“, erklärte Dante.

Lisa wischte mit einem weichen Tuch über die blitzblanke Marmortheke. „Haben Sie einen Job in Aussicht, Geli?“

„Einen Job?“

„Sie sagten, Sie wollen in Mailand arbeiten. Haben Sie schon einmal in einem Café bedient? Ich werde ein paar Wochen verreisen, es wäre also nur vorübergehend, aber …“

„Sie müssen hungrig sein, wenn Sie den ganzen Tag unterwegs waren“, fiel Dante seiner Cousine ins Wort. „Wir nehmen das Risotto, Lisa.“

Er raffte die Papiere zusammen und steuerte auf einen Zweiertisch zu, der etwas abseits in einer Ecke stand.

2. KAPITEL

„Nichts ist tröstlicher als ein guter Freund, wenn man in Not ist … höchstens ein guter Freund mit Eiscreme.“ (aus Rosies kleiner Eisfibel)

Geli rührte sich nicht. Sie war so überrascht, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. Gut, sie hatte vielleicht etwas zu heftig geflirtet, aber sie so zu überfahren …

Dante rückte einen Stuhl zurecht und wartete auf sie. Diese Arroganz! Glaubte er vielleicht, sie würde ihm so ohne Weiteres folgen?

„Angelica!“

Niemand rief sie sonst bei ihrem vollen Namen, aber Dante sprach „An…dschelika“ so weich und zärtlich aus, dass sie dem Ruf folgte, als würde sie an einem unsichtbaren Band gezogen.

„Geben Sie mir Ihren Mantel. Ich hänge ihn zum Trocknen auf.“

Es war bereits spät. Sie hätte längst wieder unterwegs sein müssen – ein guter Grund, um die Einladung abzulehnen. Doch gute Gründe wirkten nicht mehr zwingend, seit sie das Café Rosa betreten hatte. Also legte sie ihre Umhängetasche ab und zog langsam auch den zweiten Lederhandschuh aus.

Dante verfolgte jede ihrer Bewegungen. Sie legte den Handschuh neben den anderen und begann – wieder bewusst langsam – die Jettknöpfe zu lösen, die ihren Mantel in der Taille zusammenhielten. Es waren zwölf, aber Dantes Interesse ließ nicht nach, bis die schräg zusammengesetzten Stoffbahnen aus Samt, Kaschmir und Wildleder auseinanderfielen. Sie endeten vorn kurz unterhalb der Knie und berührten hinten fast den Boden. Darunter trug sie ein schwarzes Minikleid, das nur etwa die Hälfte der Oberschenkel bedeckte.

Sie wartete einige Sekunden, zählte innerlich bis drei und ließ den Mantel dann über die Schultern gleiten. Ihre Rechnung ging auf. Dante griff danach und fing ihn auf.

„Ich werde den Mantel auf die Heizung legen“, schlug er vor. „Dann trocknet er schneller.“

„Bist du verrückt?“ Lisa ließ das Besteck, das sie gerade abtrocknete, fallen und kam angeschossen. „So einen Mantel legt man nicht auf den Heizkörper, als sei es ein alter, zerschlissener Trenchcoat! So ein Stück kostet ein Vermögen und muss sorgsam behandelt werden.“ Sie überprüfte das Logo. „ Dark Angel. Angel … Angel …“ Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Sind Sie damit gemeint, Geli?“

„Erraten.“ Geli war froh über die Ablenkung. Gegen einen unverbindlichen Flirt mit einem Mann war gewiss nichts einzuwenden, aber wenn so schnell mehr daraus wurde … „ Dark Angel ist mein persönliches Logo.“

„Sie sind Modedesignerin?“

„Nicht so ganz. Ich entwerfe Einzelstücke. Eigentlich habe ich Kunstgeschichte studiert, aber Kleider zu entwerfen, war schon immer meine Leidenschaft. Jetzt versuche ich, beides zu verbinden.“

„Mode unter künstlerischem Gesichtspunkt.“ Lisa nickte. „Das gefällt mir.“

„Hoffentlich nicht nur Ihnen.“

„Wenn so etwas dabei herauskommt …“, Lisa strich bewundernd über den Mantel, „… bestimmt nicht. Haben Sie das Halsband auch selbst entworfen?“

Geli berührte das viktorianische, aus Jett-Steinen und Spitze kombinierte Band, das sie um den Hals trug. „Ich habe es aus Resten zusammengesetzt“, erklärte sie. „Das Kleid stammt von einem Kirchenbasar … natürlich leicht verändert, und die Stoffe für den Mantel haben sich im Lauf der Jahre einfach angesammelt.“

„Mein Kompliment. Isola ist genau das Richtige für Sie. Nachhaltigkeit und Recycling werden hier großgeschrieben.“

„Darum bin ich hergekommen. Ich möchte gern mit gleich gesinnten Menschen zusammenarbeiten.“

„Und ich wollte Sie hinter die Bar stellen!“ Lisa verdrehte die Augen. „Wenn Sie etwas ausstellen wollen, weiß Dan bestimmt eine Lösung.“ Sie sah ihren Cousin an, aber er zeigte keine Reaktion. „Na gut … dann werde ich erst mal einen Bügel für den Mantel besorgen.“ Sie ging, drehte sich aber gleich wieder um. „Mein Gott, Geli … in dem Mantel bewegt sich etwas.“ Sie ließ das kostbare Stück fallen und fuhr zurück. „Eine Ratte!“

Die Musiker unterbrachen ihr Spiel, und alle Gäste drehten sich gleichzeitig um. Das verängstigte Kätzchen befreite sich aus der Manteltasche und flüchtete in eine Ecke. Alles schrie. Einige Frauen sprangen auf und kletterten auf ihre Stühle.

„Keine Aufregung!“ Geli eilte dem Kätzchen nach und hob es auf, bevor jemand es verletzen konnte. Es kratzte und biss mit seinen spitzen Zähnchen so fest zu, dass ihr Daumen zu bluten begann. „Es ist nur eine junge Katze … uno kitty .“ Da sie offenbar nicht verstanden wurde, hielt sie das Tier hoch, sodass alle es sehen konnten.

Sein Fell war inzwischen getrocknet, aber immer noch arg mitgenommen. Niemand schien zu glauben, dass es sich wirklich nur um ein Kätzchen handelte. Eine Frau schrie so hysterisch, dass Dante kurzerhand einen Arm um Gelis Taille legte und sie durch eine Hintertür hinausführte.

Draußen war es seltsam still. „Uno … kitty?“ , fragte er und beugte sich fast bedrohlich über sie.

„Ich weiß nicht, was Kätzchen auf Italienisch heißt“, entschuldigte sie sich, von der plötzlichen Wendung noch ganz verwirrt.

„Gattino“ , übersetzte er. „Aber Lisa hat recht: Das elende Geschöpf gleicht mehr einer halb ertrunkenen Ratte.“

„Ich habe es, vor Kälte zitternd, in einer Toreinfahrt gefunden und musste es einfach mitnehmen.“

„Vielleicht, aber streunende Katzen oder Ratten … Die Gesundheitspolizei macht da keinen großen Unterschied.“

„Das verstehe ich“, räumte Geli ein. „Ich wollte ja auch nur kurz hereinkommen, um mich nach dem Weg zu erkundigen.“

Hinter ihnen ging die Tür auf, und Lisa erschien. Sie trug Gelis Mantel und Tasche über dem Arm. Den Koffer rollte sie hinter sich her.

„Haben sich die Gäste beruhigt?“, fragte Dante.

„Ich habe allen ein Gratisgetränk spendiert. Das ist in solchen Fällen am wirksamsten.“

Geli verzog das Gesicht. „Das ist meine Schuld. Ich bezahle die Drinks.“

„Auf keinen Fall“, erklärten Lisa und Dante wie aus einem Mund, und Lisa fuhr fort: „Regel Nummer eins in der Gastronomie: Schrei nicht, wenn du eine Ratte siehst. Regel Nummer zwei: Schrei nicht: ‚Eine Ratte!‘ Leider glich das struppige grauhaarige Knäuel so sehr den verhassten Nagern … Mein Gott, Geli. Sie bluten ja!“

Geli betrachtete ihren verletzten Daumen. „Kein Grund zur Sorge. Das Kätzchen hatte panische Angst.“

„Wer weiß, wo es sich herumgetrieben und was es gefressen hat. Kommen Sie mit nach oben. Ich reinige die Wunde.“

„Das ist wirklich nicht nötig“, protestierte Geli, der die Situation immer peinlicher wurde. „Es ist schon spät, und Signora Franco, bei der ich die Wohnung gemietet habe, wartet sicher schon auf mich, um mir den Schlüssel zu geben. Ich hätte sie angerufen, um meine Verspätung zu erklären, aber ihr Englisch ist noch schlechter als mein Italienisch.“

Sie sah auf die Uhr. Sie hatte ihren Schwestern versprochen, von ihrer neuen Wohnung aus anzurufen, und jetzt war es bereits nach zehn. Dass ihr Flugzeug verspätet gestartet war, wussten sie bereits, aber inzwischen würden sie sich fragen, wo sie abgeblieben war.

„Machen Sie sich wegen Signora Franco keine Sorgen“, meinte Dante.

„Aber …“

„Die Via Pepone gibt es nicht mehr. Die Häuser wurden abgerissen, um einem Bürokomplex Platz zu machen. Ich hätte es Ihnen gern schonender beigebracht, aber das Apartment, das Sie gemietet haben, existiert nicht.“

Es dauerte eine Weile, bis Geli den Sinn dieser Worte begriffen hatte. Es gab keine Via Pepone mehr? Kein Apartment? „Das muss ein Irrtum sein. Ich habe persönlich mit Signora Franco gesprochen …“

Dante nahm Lisa Mantel und Tasche ab. „Geh nach oben, Lis, und such einen Karton für Rattino, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.“

Geli war immer noch geschockt. „Vielleicht heißt die Straße anders“, brachte sie zögernd vor und versuchte zu vergessen, dass ihr Weg sie zu einem Bauplatz geführt hatte. „Vielleicht ist es ein Druckfehler …“

„Wir müssen Ihre Hand versorgen“, unterbrach Dante sie. „Sind Sie gegen Tetanus geimpft?“

„Gegen Teta…? Oh, ja.“ Sie folgte Dante und Lisa die Treppe hinauf. Die beiden hatten recht. Eine Infektion konnte sie gerade wirklich nicht gebrauchen. „Es tut mir leid wegen des Kätzchens. Aber es wäre sicher über Nacht gestorben, wenn ich es nicht mitgenommen hätte.“

„Und da haben Sie es einfach in die Tasche ihres kostbaren Mantels gesteckt.“ Das klang, als bewunderte er das extravagante Stück. „Tun Sie das öfter?“

„Regelmäßig“, gab Geli zu. „Manteltaschen, Handtaschen, Einkaufstaschen oder mein Fahrradkorb … mir ist alles recht. Meine Schwestern haben eine Weile dagegen gewettert, aber mich irgendwann als hoffnungslosen Fall aufgegeben.“

„Und sind Ihre kleinen Schützlinge immer so widerspenstig?“

„Sie wehren sich, weil sie Angst haben.“

Sie stiegen die Treppen hinauf bis zu einer Tür im zweiten Stock. Dante zog einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Tür und ließ Geli den Vortritt.

Sie wusste nicht, was sie eigentlich erwartet hatte. Ihr Denkvermögen hatte seit der Begegnung mit Dante praktisch ausgesetzt. Sie hatte so stark auf ihn reagiert, dass alles andere in den Hintergrund getreten war.

Lagen hier oben die Zimmer für das Personal?

Oder vielleicht doch nicht?

Sie kam in einen Flur mit Garderobenhaken an der einen und einem Schuhbord an der anderen Wand. Dante hängte ihren Mantel neben eine abgetragene gewachste Männerjacke, ging weiter und öffnete die letzte, geradeaus liegende Tür. Sie führte in ein Apartment, das eindeutig von einem Mann bewohnt wurde.

Auf dem geschliffenen Holzfußboden lagen bunte nordafrikanische Webteppiche. An den Wänden, über vollgestopften Bücherborden, hingen moderne Bilder. Ein Holzofen verströmte angenehme Wärme, davor stand ein riesiges altes Ledersofa, das zum Ausruhen einlud. Es hatte breite, abgerundete Armlehnen – wunderbar geeignet, um sich in die Ecken zu kuscheln, dachte Geli.

„Wohnen Sie hier?“, fragte sie unnötigerweise.

„Ja.“ Dante warf ihre Tasche auf das Sofa. „Es gilt als kleinbürgerlich, über dem eigenen Geschäft zu wohnen, aber mir gefällt es.“

„Wer so etwas behauptet, der spinnt.“

„Spinnt?“, wiederholte er in fragendem Ton. Offenbar kannte er das Wort nur in der ursprünglichen Bedeutung.

„Redet totalen Unsinn“, erklärte Geli. Sie sah sich genauer um. „Genau so möchte ich mich eines Tages einrichten: Die eigene Wohnung im zweiten Stock, die Werkstatt im ersten und die Ausstellungsräume im Erdgeschoss. Dabei war mein Urgroßvater der jüngere Sohn eines Grafen …“

„Eines Grafen?“

Hatte das vielleicht zu angeberisch geklungen? „Meine Großmutter wollte von dem adligen Getue nichts mehr wissen“, versicherte sie schnell, „und heiratete unter ihrem Stand. Seitdem haben wir nichts mehr mit dem adligen Zweig unserer Familie zu tun.“

„Wurde Ihre Großmutter enterbt?“

Geli nickte. „Es waren genug andere Kinder da, die ihren Eltern besser gehorchten.“

So viel hatte sie noch keinem Fremden über ihre Familie erzählt, aber Dante sollte sie keinesfalls für hochmütig halten. Es gab auch wirklich keinen Kontakt mehr zwischen den Familienzweigen. Selbst in Notlagen hatten sie ihre reichen Verwandten nie um Hilfe gebeten.

Elle, Sorrel, sie selbst und ihre Großmutter – zu viert waren sie eine verschworene Gemeinschaft gewesen, die der Welt trotzte. Eines Tages war ein Fremder mit seinem Eiswagen bei ihnen aufgetaucht, und inzwischen waren ihre Schwestern nicht nur erfolgreiche Geschäftsfrauen, sondern sie hatten auch geheiratet und Kinder in die Welt gesetzt, während ihre Großmutter und Großonkel Basil, der den Eismann geschickt hatte, ihr Leben in der Sonne Südfrankreichs genossen.

„Waren Sie in Ihrer Familie glücklich?“

„Ja.“ Abgesehen von dem Verlust ihrer Mutter und der Tatsache, dass sie ihren Vater nicht kannte. Und dass es unzählige Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen gab, von denen sie nicht einmal die Namen wusste.

Dante öffnete eine Nebentür. „Hier ist das Badezimmer.“

„S ì … il bagno.“ Geli versuchte sich erneut in Italienisch. Sie musste lernen, italienisch zu denken .

Dantes Bad konnte als altmodisch im besten Sinn bezeichnet werden. Es war sehr geräumig, hatte eine Badewanne mit hohem Rand, Löwenfüßen und glänzenden Messinghähnen, ein breites Waschbecken und eine Toilette mit hoch angebrachtem Spülkasten.

„Ich schließe die Tür, damit Sie Rattino absetzen können“, fuhr Dante fort. „Er darf nicht frei herumlaufen.“

„Hoffentlich hält er sich an das Verbot.“ Geli löste Rattinos Krallen von ihrem Kleid und setzte ihn in die Badewanne. „Ich hatte einmal ein Kätzchen, das sich unter einer kaputten Fußleiste durchgezwängt hatte, und musste doppelt auf es aufpassen.“

„Sie scheinen spannende Dinge zu erleben, Angelica Amery“, sagte Dante, während sie versuchte, die Manschette ihres Ärmels aufzuknöpfen, ohne ihr Kleid mit Blut zu beflecken. „Aber wer sich so anzieht …“ Er zuckte mit den Schultern. „Das tut keine Frau, die sich nach Ruhe und Beschaulichkeit sehnt.“

„Nun ja“, gab Geli zu. „Wie sagt man doch? Das Leben ist kurz. Iss jeden Tag ein Eis.“

Dante lächelte. Leichte Fältchen kräuselten sich in Mund- und Augenwinkeln. „Man sagt das? Wer ist damit gemeint?“

„Genau genommen, Rosie … unser historischer Eiswagen. Es steht in ihrer kleinen Eisfibel.“ Sie sah die Verwirrung in seinem Blick. „Wir haben Rose erfunden. Als Werbefigur“, erläuterte sie.

Dante nickte. „Permesso?“ Er deutete auf ihr Handgelenk. „Darf ich Ihnen behilflich sein?“

Geli hörte auf, an den kleinen Manschettenknöpfen herumzufummeln, und streckte die Hand aus. „Prego.“

Er löste die winzigen Kugelknöpfe behutsam aus den Schlaufen, schlug die Manschette zurück und führte Geli zum Waschbecken, wo er etwas flüssige Seife auf ihre Hand träufelte.

„Corragio.“ Vorsichtig wusch er den verletzten Daumen und spülte gründlich mit Wasser nach. „Tut das weh?“ Sein Gesicht war so nah, dass sie die Bartstoppeln auf seiner Wange zählen konnte.

„Nein.“ Was Geli empfand, hatte nichts mit ihrer verletzten Hand zu tun. „Va bene.“

„Aber dies wird wehtun.“ Er nahm ein Päckchen mit antiseptischen Tüchern aus dem Medizinschränkchen über dem Becken.

„Ich werde versuchen, nicht zu schreien.“ Vorsichtshalber stützte sie sich mit der freien Hand auf seine Schulter. Sie hatte extrem weiche Knie und jetzt vor ihm zu Boden zu sinken … Nein, das wäre zu peinlich gewesen!

Durch den feinen Baumwollstoff konnte sie seine Muskeln fühlen. Sein Atem roch leicht nach Kaffee, und als ihm eine Locke in die Stirn fiel, stieg ihr der frische Duft seines Shampoos in die Nase. Dagegen verblasste sogar der scharfe Geruch des Antiseptikums, mit dem er die Wunde reinigte. Zum Schluss wickelte er eine Binde um ihren Daumen und befestigte sie mit einer Klammer.

„Fertig“, verkündete er zufrieden. „Das Unglück ist behoben.“

„Noch nicht ganz.“

Er runzelte die Stirn. „Was fehlt denn noch?“

Wusste er wirklich nicht, wie man kleine Wunden heilte, oder tat er nur so, damit sie deutlicher wurde?

„Un bacio.“

„Ein Kuss?“ Er sah sie an, als hätte sie sich versprochen.

„Sì.“

In dem Sprachführer, den Sorrel ihr geschenkt hatte, war sie auf einen Satz gestoßen, der sie weit mehr interessiert hatte als die üblichen Fragen nach dem Weg zum Bahnhof: Posso baciarti? Darf ich dich küssen?

Ein heilender Kuss, den man weinenden Kindern auf die verletzte Stelle drückte, war damit natürlich nicht gemeint. Vielleicht ließ sich der dazu passende Ausdruck unter dem Stichwort „Gesundheit“ finden?

„Soll das helfen?“, fragte Dante. Dabei sah er sie so an, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre. Dann zuckte es um seine Mundwinkel, und sie wusste, dass er sie nur geneckt hatte. Dieser Dante Vettori! Er sah nicht nur fantastisch aus, sondern hatte auch Sinn für Humor.

„Die Wunde heilt sonst nicht“, beteuerte sie.

„Ich habe wohl nicht aufgepasst, als dieser Punkt im Erste-Hilfe-Kurs besprochen wurde.“ Er schien ein Lachen zu unterdrücken. „Sie müssen mir zeigen, wie ich mich verhalten soll.“

Ihm zeigen? Ein unmöglicher, aber aufregender Vorschlag. War sie nicht nach Mailand gekommen, um den langweiligen Alltagstrott zu vergessen und etwas Neues zu erleben?

Coraggio, Geli. Nur Mut.

„Die Sache ist sehr einfach“, erklärte sie. „Sie schließen die Lippen und …“

„Etwa so?“ Dante nahm ihre Hand und berührte die weiche Innenfläche mit geschlossenen Lippen – genau unterhalb des sorgsam angelegten Verbands.

„Genau so“, krächzte sie. Ihre Kehle war plötzlich zu trocken. „Ich weiß nicht, warum es wirkt …“

„Wahrscheinlich durch die ausgestrahlte Wärme“, schlug er vor und hauchte einen zweiten Kuss auf ihre Hand. Plötzlich fühlte sie sich so schwach, dass ihre Hand von seiner Schulter rutschte und Geli nach seinem Hemd griff. Darunter fühlte sie sein Herz schlagen, stark und regelmäßig und nicht so unruhig wie ihr eigenes.

„Ist das warm genug?“, fragte er.

Neckte er sie immer noch? Sein Blick verriet nichts, und das kaum angedeutete Lächeln wirkte wie lähmendes Gift. Dazu war sein Gesicht – sein Mund – jetzt viel zu nah …

„Je mehr Wärme, umso besser die Heilung.“ Sie flüsterte nur noch und war kaum zu verstehen.

„Und wenn es zu heiß wird?“ Die Worte flossen samtweich von seinen Lippen, und in seinem Blick lag die Frage, die von Anfang an zwischen ihnen gestanden hatte. Seit er unten an der Bar ihre Hand genommen und über den Stadtplan geführt hatte.

Sie waren sich jetzt so nah, dass sie die goldenen Punkte in seinen dunklen Augen erkennen konnte. Sie sprühten Funken und entzündeten ein Feuer in Geli, das sich nicht mehr löschen ließ.

„Heiß“, flüsterte sie. „Sehr heiß. Caldo, molto caldo … “ Sie drückte ihre Lippen auf seinen Mund, schmeckte das Aroma des bitteren Kaffees, das noch darauf lag. Vielleicht war alles nur die Wirkung des Koffeins, auf seiner Zunge, auf ihrer …

Sie konnte nicht anders. Sie schloss die Augen, legte die Arme um Dantes Nacken und überließ sich ganz dem stürmischen Verlangen, das in ihr tobte und ihren Willen lähmte.

„Hallo?“ Das war Lisas Stimme. Sie drang kaum durch den Nebel, der Geli einhüllte. „Ist alles in Ordnung?“

Die Tür zum Badezimmer war geschlossen, aber Lisa musste jeden Moment hereinkommen. Wahrscheinlich rief sie nicht zum ersten Mal, war aber nicht gehört worden. Dante ließ Geli los, trat einen Schritt zurück, und ein Abgrund öffnete sich zwischen ihnen, über den keine Brücke mehr führte. Das Feuer war in sich zusammengesunken, die Glut erloschen.

„Komm nicht herein!“, rief Dante durch die geschlossene Tür. „Sonst entwischt uns Rattino.“

„Ich wollte nur sagen, dass im Medizinschränkchen antiseptische Tücher sind.“

„Die habe ich schon gefunden.“ Dante griff nach der Türklinke. „Wir sind fertig.“

Fertig? Nein, nein und nochmals nein! Aber Dante hatte das Bad schon verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Er wollte ihr Zeit geben, sich zu sammeln und ihre Haltung zurückzugewinnen, nachdem sie sich einem wildfremden Mann förmlich an den Hals geworfen hatte.

Schön, ein heftiger Flirt war dem Kuss vorausgegangen, aber wenn Geli ehrlich war, hatte sie mehr hineingelegt als Dante. Er hatte ihre missliche Lage erkannt und ihr hilfreich beigestanden, während sie sich buchstäblich zum Narren gemacht hatte.

Wie war es bloß dazu gekommen? Zu dieser Art von Frauen gehörte sie doch nicht! Was sollte sie von sich denken? Was sollte er von ihr denken?

Diese Frage war leicht zu beantworten. Er musste annehmen, dass sie für die Nacht ein Bett suchte und bereit war, jeden Preis dafür zu zahlen.

Sie drückte das Tuch, mit dem Dante ihre Hand abgetrocknet hatte, auf ihr glühendes Gesicht und sank auf den Rand der Badewanne. „Mum“, flüsterte sie. „Hilf mir …“

3. KAPITEL

„Eiscreme ist billiger als Psychotherapie. Und man braucht keinen Termin für die Sprechstunde.“ (aus Rosies kleiner Eisfibel)

Dante trat in die Küche, wo Lisa wartete. Er nahm den Krug mit Eiswasser aus dem Kühlschrank und goss sich ein Glas ein. Nachdem er es in einem Zug geleert hatte, glühte ihm der Kopf noch mehr.

Angelica …

Beim Klang des Namens musste er an ein Renaissancegemälde mit hellen Farben und viel Gold denken, aber solche Beine und eine solche Figur hatten selbst die abgebildeten Engel nicht. Und nicht diesen Mund, das Versprechen eines Kusses, der die heißesten Sehnsüchte wachrief.

Er war vom ersten Augenblick an fasziniert – nein, gefangen gewesen. Gelis Auftritt im Café, ihre schwarze Kleidung, von der sich als einziger Farbfleck die roten Lippen abhoben, das schwarze Haar, das ein Gesicht umrahmte, das so blass war, als hätte kein Sonnenstrahl es je berührt …

Dark Angel. Schwarzer Engel. Sie hatte das Logo für ihre Arbeiten zu Recht gewählt.

Dante sah seiner Cousine an, wie sehr sie sich über ihn amüsierte. Er versuchte, sie mit einem strengen Blick einzuschüchtern, aber sie lächelte nur, und wenig später kam Geli herein.

„Wie hat Dan sich angestellt?“, fragte Lisa. „Verdient er einen Orden für vorbildlich geleistete Erste Hilfe?“

„Den Orden erster Klasse“, antwortete Geli und streckte zum Beweis die Hand aus. Es gelang ihr, auf Lisas heiteren Ton einzugehen, aber das leichte Rot auf ihren Wangen verriet sie trotzdem.

„Hast du einen Karton gefunden, Lis?“, fragte Dante gereizt.

„Ja, und ich habe ihn dick mit Zeitungspapier ausgelegt.“ Lisa zeigte auf den Karton, der so sichtbar dastand, dass Dante ihn bemerkt haben musste. Die Verschwörermiene, die sie dabei zeigte, machte ihn noch wütender. Das Ablenkungsmanöver war gründlich misslungen. „Außerdem hat Bruno mir etwas gehacktes Hühnerfleisch für Rattino mitgegeben. Bruno ist unser Koch“, setzte sie an Geli gewandt hinzu. „Milch müsstest du eigentlich hier oben haben.“

„Ja, aber sie ist kalt“, entgegnete Dante. „Ich werde ein Schälchen in die Mikrowelle stellen.“

„Danke, das ist sehr freundlich.“ Geli nahm den Karton und trug ihn ins Badezimmer. Dante sah ihr nach, riss sich dann aber von dem Anblick ihrer schlanken Beine los und nahm die Milch aus dem Kühlschrank, um eine kleine Portion in der Mikrowelle anzuwärmen.

„Hast du nicht unten zu tun?“, fragte er dabei seine Cousine. Er ertrug es immer weniger, spöttisch von ihr beobachtet zu werden.

„Der Schnee fällt inzwischen noch dichter“, antwortete Lisa. „Die Gäste sind gegangen, und ich habe das Personal nach Hause geschickt.“ Sie stand auf und lehnte sich gegen die Tür. „Was hast du mit Geli vor?“

„Was ich mit ihr vorhabe?“

„Wenn es stimmt, dass ihr Apartment nicht mehr existiert …“

„Die ganze Via Pepone existiert nicht mehr. Mein Vater hat die Häuser im letzten Jahr abreißen lassen. An ihrer Stelle soll ein Glaspalast mit Luxusbüros entstehen.“

Lisa nickte. „Und ausgerechnet da wollte sie wohnen. Also … Was willst du tun?“

„Warum sollte ich irgendetwas tun? Was erwartest du von mir? Soll ich mir Angelica in die Tasche stecken, wie sie es mit ihren kleinen Schützlingen tut? Einen Karton, der groß genug für sie ist, haben wir leider nicht.“

„Nein“, erwiderte Lisa, „aber sie ist den ganzen Tag gereist, es ist spät, und draußen tobt ein halber Schneesturm.“

„Glaubst du, das habe ich nicht bemerkt?“ Geli war wie von Kristallen übersät ins Café gekommen. Die Schneeflocken waren schnell geschmolzen, und eine hatte sie von ihrer Unterlippe geleckt, als sie auf ihn zugegangen war.

„Also gut.“ Lisa gab den spöttischen Ton auf und wurde ernst. „Ich habe ein Zimmer für Geli.“

„Wieso das?“ Dante sah sie überrascht an. „Du wohnst mit Giovanni in einem Einzimmerapartment, und für deine Couch sind Gelis Beine zu lang.“ Dante sah Geli vor sich, den kurzen Rock, die aparten Stiefel …

„Ich rede nicht von dem Sofa. Das Zimmer, das ich meine, befindet sich hier … direkt neben deinem … auf demselben Flur.“

„Das ist nicht dein Zimmer!“, fuhr Dante auf.

„Nein? Wessen Kleidung hängt im Schrank? Wessen Bücher liegen auf dem Nachttisch? Unsere Großmutter nimmt an, dass ich dort wohne. Also ist es mein Zimmer.“

„Nonnina lebt am anderen Ende der Welt.“

„Übers Internet ist sie nur eine Sekunde entfernt. Soll sie etwa herausfinden, dass du trotz meines selbstlosen Angebots …“

„Selbstlos? Madonna!

„… trotz meines selbstlosen Angebots, dir zu Hilfe zu kommen, nicht verhindert hast, dass ich bei Giovanni einziehe? Einem Baldacci?“ Lisa sprach den Namen in dem verächtlichen, hasserfüllten Ton aus, den sie bei ihrer Großmutter gehört hatte. „Ich sollte dich aus deinem Tief herausholen. Nonnina ist wirklich besorgt um dich, Dan. Sie fühlt sich verantwortlich …“

„Unnötigerweise. Ich bin selbst für mich verantwortlich, und deine Anwesenheit ist absolut überflüssig. Du bist nur hier, weil Giovanni Baldacci in das Mailänder Büro seines Vaters versetzt worden ist. Mein Fall ist geklärt, und ich dulde dich nur bei mir, weil du woanders keinen Job findest.“

„Wie du meinst.“ Lisa zuckte mit den Schultern. Sie wollte keinen Streit anfangen. „Wenn du so dagegen bist, dass Geli mein Zimmer bekommt, kannst du sie ja bei dir unterbringen.“

„Hör endlich auf, Lis, und lass mich zufrieden, sonst rufe ich Nonnina an. Oder ich spreche gleich mit Nicolo Baldacci …“

„Wie lange ist es jetzt her, dass man dich hereingelegt hat?“ Lisa wusste, dass Dante seine Drohung niemals wahr machen würde. „Du musst Valentina endgültig vergessen und dein Leben wieder in den Griff bekommen.“

Dante nahm das Schälchen aus der Mikrowelle und überprüfte mit dem Finger die Temperatur der Milch.

„Ich meine es ernst, Dan. Seit Geli das Café betreten hat, bist du von ihr fasziniert.“ Lisa versperrte ihm den Weg. „Ich würde sogar darauf wetten, dass ich einen intimen Moment unterbrochen habe, als ich vorhin hereinkam.“

„Ich kenne Geli gerade mal eine knappe Stunde“, erinnerte Dante sie und versuchte zu vergessen, wie sich Gelis Lippen angefühlt hatten.

„Ein Blitz schlägt im Bruchteil einer Sekunde ein“, beharrte Lisa. „Als ich Giovanni zum ersten Mal begegnet bin, hätte ich ihm am liebsten gleich die Kleider vom Leib gerissen.“ Ihr Blick verriet, dass es nicht sehr viel länger gedauert hatte.

„Es ist nicht meine Art, die hilflose Lage einer Frau auszunutzen.“

„Auch nicht, wenn sie es geradezu darauf anlegt, ausgenutzt zu werden? Ich habe Geli beobachtet. Sie ist mehr als interessiert …“

„Und wenn schon.“ Dante schwor sich, nicht mehr daran zu denken, wie sie sich an ihn gedrückt und mit heißem Atem geflüstert hatte: „Caldo … molto caldo …“

„Du siehst zwar wie ein Italiener aus, benimmst dich aber wie ein Engländer“, stellte Lisa unbarmherzig fest. „Immer Gentleman bleiben. Bloß keine Gefühle zeigen … auch nicht, wenn ein junges Ding mit ihren Designerstiefeln über dich hinwegtrampelt.“ Als Dante schwieg, legte sie eine Hand auf seinen Arm und fuhr versöhnlich fort: „Aber ich will dich nicht weiter bedrängen. Hoffentlich findest du ein Hotel, das auch Rattino aufnimmt …“

Dante wurde langsam wütend. „Bist du endlich fertig?“

„Vorläufig ja, aber vergiss nicht, dass morgen der ganze Markt über die heutige Szene im Café reden wird.“

„Der Schnee wird die Händler genügend beschäftigen.“

Lisa schüttelte den Kopf. „Es schneit jedes Jahr, aber eine Schönheit wie Geli, ein Dante Vettori, der in Verwirrung gerät, und dazu eine angebliche Ratte … die Kombination ist unschlagbar.“

„Lis?“, warnte er.

„Schon gut. Ich kenne dich, Dan, und ich kenne die Männer. Gelis Auftritt … in diesem Kostüm, von Schneeflocken umwirbelt … oh, là, là!“ Lisa wedelte mit der Hand. „Ich weiß nicht, ob Geli einen Job braucht, aber sie will ihre Sachen ausstellen, und sie würde Gäste anziehen …“

„Noch was?“

„Nur eins noch: Zögere nicht lange bei ihr, sonst findest du dich in einer Schar von Konkurrenten wieder. Und vergiss nicht, dass du ihr unten etwas zu essen angeboten hast. Soll ich mal einen Blick in den Kühlschrank werfen, falls du hier oben bleiben möchtest?“

„Es wäre mir lieber, wenn du endlich das Feld räumen würdest.“

„Meinetwegen.“ Lisa ging, warf aber noch einen letzten Blick über die Schulter. „Ich habe Gelis Koffer heraufgebracht. Er steht in meinem Zimmer.“

Va via. Verschwinde endlich!“

„Gern.“ Lisa lächelte überlegen und berührte ihren rechten Mundwinkel. „Übrigens hast du da Lippenstift …“

Ihre Hände zitterten, als Geli etwas von dem gehackten Hühnerfleisch für Rattino abfüllte. Danach ließ sie sich zu Boden gleiten, stützte die Ellenbogen auf die angezogenen Knie und legte das Kinn auf die verschränkten Arme. Während sie dem ausgehungerten Kätzchen beim Fressen zusah, fragte sie sich, was schlimmer war – einen fast unbekannten Mann zu küssen oder zu erfahren, dass das Apartment, für das sie eine Jahresmiete vorausbezahlt hatte, nicht mehr existierte.

Vermutlich Letzteres.

Elle würde außer sich sein, weil sie so leichtsinnig gewesen war. Ihre Großmutter hatte ihr ganzes Hab und Gut durch einen Heiratsschwindler verloren – nicht lange nach dem Tod von Gelis Mutter. Hätte Elle nicht tatkräftig für ihre jüngeren Schwestern gesorgt, wären Geli und Sorrel der staatlichen Fürsorge übergeben worden.

Zum Glück befand sie sich jetzt jenseits der Alpen, einer schützenden Barriere. Wenn sie nicht selbst alles ausplauderte, würde man zu Hause nichts von ihrem Missgeschick erfahren.

Blieb der Kuss. Sich darüber Gedanken zu machen, war aber eigentlich sinnlos. Es war nicht ihr erster Kuss gewesen, und sie war auch keine Jungfrau mehr. Trotzdem hatte sie ein seltsames Gefühl gehabt, als erlebte sie etwas ganz Besonderes, als stünde sie am Beginn eines ganz neuen Lebens.

Dante kam herein. „Entschuldigen Sie, dass es mit der Milch so lange gedauert hat“, sagte er. „Ich musste Lis noch bitten, unten alles abzuschließen. Normalerweise mache ich das selbst.“ Er stellte das Milchschälchen in die Badewanne, blieb aber nicht bei Geli stehen, sondern zog sich einige Schritte zurück.

„Rattino und ich machen Ihnen viele Umstände“, entschuldigte sie sich. Schade, dass er so viel Abstand hält, dachte sie. Hätte er sich neben sie gesetzt, sie vielleicht in die Arme genommen, wäre ihr sehr viel wohler gewesen.

„Rattino scheint sich langsam zu erholen“, stellte er fest.

„Sein Fell ist getrocknet und hat sich etwas aufgeplustert, aber wie er es mit der Zunge säubern muss, weiß er noch nicht. Er wurde viel zu früh von seiner Mutter getrennt. Ich werde ihn morgen an die Fundstelle zurückbringen. Vielleicht finde ich da auch die Mutter.“

„Halten Sie das wirklich für möglich?“

„Jedenfalls nicht für unmöglich.“ Geli strich dem kleinen Tier über den Kopf. „Wenn ich bedenke, wohin mich meine Flucht nach Isola geführt hat …“

„Flucht?“, unterbrach Dante sie mit besorgter Miene. „Wovor laufen Sie davon?“

„Vor dem Leben in einem Provinznest. Vor dem ewigen Einerlei. Fast wäre ich der Versuchung erlegen, mich als Innenarchitektin engagieren zu lassen und das Eiscafé meiner Schwestern neu zu gestalten.“ Sie schüttelte sich. „Stellen Sie sich vor … alles in Pink …“

Dante lachte.

„Sehen Sie? Sie kennen mich kaum und wissen schon, dass ich zu Pink ein sehr schwieriges Verhältnis habe.“

„Ich kann mir die Farbe bei Ihnen tatsächlich nicht vorstellen“, gab er zu.

„Besten Dank. Ein netteres Kompliment hätten Sie mir nicht machen können.“ Geli stand auf und strich sich das Haar zurück. Jetzt bloß nicht an den Kuss denken! „Und nochmals danke, dass Sie mir mit einem Abendessen über die Unglücksbotschaft über mein Apartment hinweghelfen wollten.“

„Leider ist es mir nicht ganz gelungen. Ich wollte mich erst genauer erkundigen. Es wäre immerhin möglich gewesen, dass Sie sich in der Adresse geirrt haben …“ Dante drehte sich um und griff nach einem Handtuch.

„Aber so richtig haben Sie nicht daran geglaubt.“

„Nein. Ihr Stadtplan war veraltet. Der Weg, den man Ihnen genannt hatte, muss Sie zu dem Bauplatz geführt haben.“

„Ja, so war es. Wie sagte Ihre Cousine doch? Sie kennen Isola wie Ihre Westentasche?“

„Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit hier verbracht, aber seitdem hat sich viel verändert. Wir bemühen uns, so viel wie möglich von dem alten Stadtbild zu erhalten.“

„Die Via Pepone haben Sie leider nicht retten können.“ Geli sah ihm an, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, und fuhr schnell fort: „Es tut mir leid. Sie können ja nichts dafür.“

Dante drückte ihr das Tuch in die Hand. „Damit wird sich Rattino wohler fühlen. Bringen Sie ihn dann im Karton ins Wohnzimmer, damit er sich am Ofen wärmen kann.“

Dante stand am Gasherd und rührte in einem Topf. Das Licht brach sich auf dem Stahlarmband seiner Uhr. Es blendete Geli ein wenig, aber sie hätte stundenlang dastehen und ihm zusehen können.

„Schläft Rattino?“, fragte er, ohne sich umzuschauen.

„Er schläft und träumt vom Katzenparadies. Für ihn gibt es im Moment keine Probleme. Für mich dagegen …“ Sie hielt den Mietvertrag hoch, den sie aus ihrer Tasche genommen hatte.

Dante stellte die Flamme klein, drehte sich um und nahm ihr das Formular ab. „Die Adresse stimmt“, bestätigte er.

„Ich habe auch Signora Francos Telefonnummer.“ Geli hatte gerade mit ihren Schwestern gesprochen und ihre Ankunft gemeldet. Angekommen war sie, aber … „Würden Sie mit ihr sprechen?“

„Gewiss.“

Geli tippte die Nummer ein, musste aber ewig auf die Verbindung warten. Schließlich gab sie es auf.

„Meldet sich niemand?“, fragte Dante.

Sie schüttelte den Kopf. „Es kam nur die automatische Ansage, dass die Nummer gesperrt sei. Das habe ich sogar auf Itali...

Autor

Liz Fielding
<p>In einer absolut malerischen Gegend voller Burgen und Schlösser, die von Geschichten durchdrungen sind, lebt Liz Fielding in Wales. Sie ist seit fast 30 Jahren glücklich mit ihrem Mann John verheiratet. Kennengelernt hatten die beiden sich in Afrika, wo sie beide eine Zeitlang arbeiteten. Sie bekamen zwei Kinder, die inzwischen...
Mehr erfahren
Jennie Adams
<p>Jennie Adams liebt die Abwechslung: So wanderte sie schon durch den Australischen Kosciusko Nationalpark, arbeitete auf Farmen, spielte Klavier auf Hochzeitsfeiern, sang in einer Chorproduktion und hatte verschiedenste Bürojobs. Jennie lebt in einem kleinen Städtchen in New South Wales, wo sie einem Halbtagsjob nachgeht weil sie nach eigenen Angaben auch...
Mehr erfahren
Jane Waters
<p>Die erste Schreibmaschine, an der die Zehnjährige Geschichten schrieb, stammte von ihrem Großvater; später schenkten die Eltern ihr ein brandneues Modell, auf dem sogar kleine Bücher entstanden. Heute verdient Jane Waters als Autorin ihren Lebensunterhalt. Ihren Laptop nimmt sie auf viele Reisen rund um den Globus einfach mit, denn Schreiben...
Mehr erfahren
Melanie Milburne
<p>Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der Romances....
Mehr erfahren