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Summer will ein Baby, aber bestimmt nicht heiraten! Weshalb sie ihren allerbesten Freund Ryder McClain um einen klitzekleinen Gefallen bittet. Könnte er nicht der Vater werden? Doch von einer rein medizinischen Lösung will Ryder nichts wissen. Er besteht auf eine echte Liebesnacht …


  • Erscheinungstag 12.12.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532532
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ryder McClain starrte die fünf Männer an, die ihn dämlich grinsend umringten.

Gemeinsam mit ihnen hatte er seine Jugend verbracht – sie alle waren auf der Last Chance Ranch aufgewachsen. Seit dieser Zeit auf der Farm, einem Zuhause für problematische und vom sozialen System fast aufgegebene Pflegekinder, fühlte er sich eng mit ihnen verbunden und liebte sie alle. Auch ohne Blutsverwandtschaft waren sie seine Brüder.

Auch jetzt, da sie längst erwachsen waren, hatte sich daran nichts geändert.

Doch in diesem Moment ärgerte sich Ryder maßlos über sie. „Ich sage es euch jetzt zum letzten Mal, und dann will ich kein Wort mehr davon hören“, sagte er zähneknirschend. „Ich bin mit Summer Patterson zu dieser Party gekommen, weil sie nichts anderes vorhatte. Wir sind Freunde. Punkt. Zwischen uns läuft absolut nichts.“

„Klar, wenn du das sagst, Bruder.“ Jaron Lamberts spöttische Äußerung zeigte, dass er nichts von dem glaubte, was Ryder gerade gesagt hatte. „Wahrscheinlich glaubst du auch noch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann, oder?“

„Ich wette hundert zu eins, dass diese Lady andere Pläne hat“, sagte Lane Donaldson, der Diplompsychologe war. Er grinste unverhohlen und wippte abwechselnd auf den Spitzen und Absätzen seiner Krokostiefel. Normalerweise las er in anderen Menschen wie in einem Buch – eine Fähigkeit, die ihm nicht nur in seinem Beruf zugutekam, sondern ihn darüber hinaus zu einem der erfolgreichsten Pokerspieler des amerikanischen Westens machte. Doch diesmal irrte er sich, da war sich Ryder ganz sicher.

„Genau“, bestätigte Sam Rafferty. „Pass auf, sie will dich aus der Herde aussondern und zureiten.“ Er lachte. Als einziger der Pflegebrüder war er bereits verheiratet. Er und seine Frau Bria richteten diese Party aus. Sie feierten, weil sie ihr Eheversprechen erneuert hatten und ein Kind erwarteten.

„Stell dich schon mal drauf ein, Ryder“, scherzte Sam. „Mit deiner Freiheit ist es bald aus und vorbei.“

„Du hoffst ja nur, dass noch einer von uns heiratet, damit jemand dein Schicksal teilt“, konterte Ryder. „Aber ich bin bestimmt nicht der Nächste. Summer und ich sind nichts weiter als gute Freunde, und so soll es auch bleiben. Basta. Und damit Ende der Diskussion.“

T. J. Malloy, der gerade seine Bierflasche austrinken wollte, hielt inne und grinste. „Ryder, was ist los? Hat dich ein wild gewordener Bulle beim letzten Rodeo auf die Hörner genommen? Das würde erklären, dass du das Naheliegende nicht siehst. Oder willst du es nur nicht sehen?“

„Na wenn das so ist … Umso besser und einfacher für mich.“ Nate Rafferty sah zur Tanzfläche hinüber, wo sich Summer mit Bria und deren Schwester Mariah unterhielt. „Dann kann ja ich Summer zum Tanzen auffordern.“

Obwohl er wusste, dass Nate ihn nur aufziehen wollte, hielt Ryder ihn an der Schulter fest. „Vergiss es! Denk nicht mal dran, Romeo.“

„Aha, ich verstehe!“ Lane grinste. „Du willst nicht, dass dir jemand ins Gehege kommt.“

„Was soll das?“, stieß Ryder wütend hervor. „Ich will nur nicht, dass Nate sein übliches Spiel diesmal mit Summer treibt.“ Er mochte seinen Pflegebruder, aber wie dieser mit Frauen umging, gefiel ihm überhaupt nicht. Denn immer, wenn eine Beziehung etwas enger zu werden versprach, machte Nate aus heiterem Himmel Schluss. Dadurch brach er im gesamten Südwesten der USA reihenweise die Herzen der schönsten Frauen.

„Nimm es nicht persönlich, Bruder, aber ein Typ wie du ist das Letzte, was Summer nötig braucht.“

„Da hörst du’s.“ Sam nickte. Er und Nate, unter den sechs Männern die einzigen leiblichen Brüder, waren sich kein bisschen ähnlich. Sam, der Ältere, verkörperte die Ruhe in Person und hatte nicht annähernd den wilden Charakter seines jüngeren Bruders.

Nate zuckte mit den Schultern. „Ich kann nichts dafür, ich mag eben Frauen.“

Missbilligend schüttelte Ryder den Kopf. „Aber Summer lässt du in Ruhe, das rate ich dir. Geh nicht zu weit, sonst bekommst du ein Problem. Und zwar mit mir.“

Um nicht weiter den wissenden Blicken seiner Brüder ausgesetzt zu sein, drehte Ryder sich um und ging weg. Er wollte nicht riskieren, die Beherrschung zu verlieren und mit einer Prügelei den anderen den Spaß an der Party zu verderben.

Das war ein Grund, aber viel wichtiger war, dass er grundsätzlich nie im Zorn die Hand gegen andere erhob. Das war ihm ein einziges Mal in seiner Jugend passiert. Der Vorfall damals hätte um Haaresbreite sein ganzes Leben ruiniert. Seitdem vermied er körperliche Auseinandersetzungen konsequent.

„Ryder?“

Der vertraute Klang einer weiblichen Stimme ließ ihn herumfahren. Vor ihm stand Summer, blond und zierlich, mit den blauesten Augen der Welt.

Er und Summer waren seit einigen Jahren gute Freunde. Auch wenn sich jeder Mann wohl glücklich geschätzt hätte, sie als Frau an seiner Seite zu haben, hatte Ryder vermieden, in ihr etwas anderes als eine Freundin zu sehen. Denn so, wie die Dinge lagen, kam für ihn niemals eine ernsthafte Beziehung infrage.

Sonst hätte er früher oder später so ehrlich sein und seiner Partnerin anvertrauen müssen, warum er auf der Last Chance Ranch aufgewachsen war. Das aber behielt er aus gutem Grund lieber für sich. Manchmal war es das Beste, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Darüber hinaus empfand er die Freundschaft mit Summer als zu kostbar, um sie durch unkalkulierbare Gefühle aufs Spiel zu setzen. Dass Summer über diesen Punkt ebenso dachte, stand für ihn außer Zweifel.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie in diesem Augenblick besorgt.

Sofort vergaß Ryder, wie sehr er sich eben noch über die Einmischung in seine Privatangelegenheiten geärgert hatte, und lächelte ihr erfreut zu. „Alles in Ordnung. Ich hatte nur keine Lust mehr auf die nervtötenden Albernheiten meiner Brüder.“

„Du Glücklicher! Du hast wenigstens Brüder, die dich nerven. Ich kenne so etwas nicht einmal.“

Ryder bekam ein schlechtes Gewissen. Denn wenn es darauf ankam, hielten alle sechs zusammen wie Pech und Schwefel. Seine Brüder bedeuteten ihm unendlich viel, und es verging kein Tag, an dem er dem lieben Gott nicht für sie dankte.

Summer dagegen war als einziges Kind eines bereits älteren Ehepaares zur Welt gekommen und ohne Geschwister aufgewachsen. Während ihres letzten Jahres auf dem College waren beide Eltern im Privatflugzeug des Vaters ums Leben gekommen. Seit diesem tragischen Unglück stand sie nun völlig allein da. Ryder wusste das, und in dieser Hinsicht tat sie ihm sehr leid.

„Manchmal regen sie mich schon auf“, gab er lachend zu, und der Ärger war verflogen. „Aber nach all den Jahren werde ich sie nicht mehr los, fürchte ich. Mir bleibt keine andere Wahl, als sie weiter zu ertragen.“

Auch Summer lachte. „Das wird das Beste sein, Cowboy. Aber mal im Ernst, deine Familie ist klasse. Ich kenne ja einen Teil deiner Brüder von den Rodeos, bei denen wir zusammengearbeitet haben. Aber Sam, Bria und Mariah bin ich heute Abend zum ersten Mal begegnet. Sie sind alle sehr nett. Ich finde es toll, wie nahe ihr euch alle steht.“

Ryder fiel auf, dass sein Nate Summer fixierte wie ein Wolf ein Schäfchen, das sich von der Herde getrennt hatte.

Warnend blickte Ryder zu ihm hinüber. Dann wandte er sich wieder an Summer und fragte: „Hast du denn heute Abend überhaupt schon getanzt?“

„Nur Line Dance.“ Beim Line Dance tanzten – im Gegensatz zum Paartanz – die Tänzer einzeln in Reihen neben- beziehungsweise hintereinander, ohne sich dabei zu berühren.

Summer schaute kurz zur Tanzfläche, die von Sam und einigen Helfern in der Scheune aufgebaut worden war.

„Hat dich nicht vorhin Sams Vorarbeiter zum Tanz aufgefordert?“, hakte Ryder nach.

„Ja, schon …“, antwortete sie ausweichend. „Aber ich habe abgelehnt. Irgendwie war ich nicht in Stimmung.“

„Darf ich bitten? Vorausgesetzt, es stört dich nicht, dass ich zwei linke Füße habe und das schlechteste Taktgefühl auf dieser Seite des Mississippis … Es wäre mir eine Ehre, mit dir zu tanzen – oder zumindest so zu tun als ob.“

Sie lächelte. „Zwei linke Füße? Dabei dachte ich immer, Cowboys seien besonders smarte Tänzer, vor allem beim Two Step und beim Stroll.“

„Ach weißt du … Tanzen liegt mir nicht wirklich. Dazu fehlt mir das Talent.“ Gerade spielte die Band ein langsames, verträumtes Countrystück. Ryder ergriff die Chance, legte den Arm um Summer und führte sie auf die Tanzfläche.

„Da bin ich aber anderer Meinung“, widersprach sie. „Du bewegst dich sogar sehr elegant, Cowboy.“ Sie legte ihm die Hand auf den Oberarm. „Ich kann das beurteilen. Schließlich habe ich dich schon oft gegen zentnerschwere Bullen fighten sehen. Das ist auch eine Art Tanz, und deine Bewegungen sind ziemlich geschmeidig.“

„Na ja“, wehrte er bescheiden ab. „Darin habe ich Übung. Ist schließlich mein Job.“ Warum fühlte sich ihre Hand so heiß an, als würde sie jeden Moment ein Loch in seine Haut brennen? „Wenn ich mit dem Bullen nicht tanzen würde, würde er den Reiter in Grund und Boden stampfen.“

„Apropos Job. Hast du nicht einen Abschluss in Landwirtschaft?“, fragte sie. „Du könntest zu Hause bleiben und dich in aller Ruhe um deinen Besitz kümmern, anstatt ein gefährliches Leben als Bullfighter zu führen.“

„Ja, ich bin stolzer Absolvent der Texas-A&M-Universität“, bestätigte er lachend.

Mit Summer in den Armen tanzte er eine galante Drehung und vermied so den Zusammenstoß mit einem anderen Tanzpaar. „Zum Glück kann ich mich auf meine Mitarbeiter hundertprozentig verlassen. Mein Vormann hält mich telefonisch auf dem Laufenden und setzt absolut zuverlässig meine Anweisungen um. Das gibt mir die Freiheit, zu den Rodeos zu fahren, um auf leichtsinnige Bullenreiter wie Nate und Jaron aufzupassen.“

Summer blickte ihn stirnrunzelnd an. „Ich glaube, das habe ich dich noch nie gefragt … Warum bist du eigentlich Bullfighter geworden – statt Bullenreiter?“

Bullenreiten galt von jeher als die spektakulärste Disziplin eines Rodeos. Dabei musste es der Reiter schaffen, acht Sekunden lang ohne Sattel auf dem wild springenden und bockenden Tier zu bleiben. Festhalten durfte er sich dabei nur mit einer Hand an einem flachen, um die Schulter des Tieres gelegten Riemen. Die andere Hand musste in die Luft gestreckt werden. Der Reitstil des Cowboys und der Schwierigkeitsgrad des schweren Bullen wurden von zwei Preisrichtern nach Punkten bewertet.

Bullenreiter lebten gefährlich – doch um wie viel mehr galt das für die Bullfighter! Sie waren zu Fuß in der Arena unterwegs und mussten, wenn es darauf ankam, die Aufmerksamkeit des Stieres auf sich lenken. Dabei waren sie traditionell oft als Clowns verkleidet.

„Unser Pflegevater Hank hat oft mit uns fürs Rodeo trainiert. Das hat uns allen großen Spaß gemacht.“

Er lächelte, als er sich daran erinnerte.

„Aber eines Tages hat sich ein Bulle losgerissen und versucht, Jaron niederzumähen. Ohne nachzudenken, bin ich in den Ring gesprungen und dazwischengegangen. Irgendwie habe ich es geschafft, das Tier abzulenken, sonst hätte es meinen Bruder in Grund und Boden gestampft. Anscheinend habe ich mich dabei instinktiv richtig verhalten, denn es ist niemandem etwas passiert. So fing es damals an. Ja, und heute bin ich ein Profi.“

„Mit anderen Worten, du siehst dich gerne als Helden“, stellte sie lächelnd fest.

„Nein, das nicht. Ich brauche einfach nur den Adrenalinstoß“, widersprach er lachend. Das war einfacher, als zuzugeben, dass sein ausgeprägter Beschützerinstinkt für andere Menschen ihn manchmal selbst in Gefahr brachte.

Nach dem Tanz führte er Summer an einen freien Tisch und holte etwas zu trinken. Auf dem Weg zur Bar fühlte er immer noch das Kribbeln an den Stellen, die Summer berührt hatte. Woran lag das nur? So etwas hatte er noch nie erlebt. Hatten ihm seine Brüder mit ihren Anspielungen etwa einen Floh ins Ohr gesetzt?

Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass seine Brüder ihn interessiert – und immer noch grinsend – beobachteten. Er seufzte.

Ryder war dankbar für das Zusammengehörigkeitsgefühl, das ihnen Hank Calvert auf der Last Chance Ranch vermittelt hatte. In der schwierigen Zeit ihres Heranwachsens hatte der Pflegevater immer wieder betont, wie froh sie später einmal sein würden, eine gemeinsame Geschichte und somit eine eigene Familie zu haben.

Hank hatte recht behalten, denn genauso empfand es Ryder tatsächlich. Meistens zumindest. Aber in Momenten wie diesen konnten Brüder wirklich nerven …

Während Summer auf Ryder wartete, sah sie gedankenverloren den Tänzern beim Line Dance zu. Sie konnte kaum glauben, wie gut es ihr in diesem Augenblick ging. Normalerweise lehnte sie grundsätzlich ab, wenn männliche Kollegen sie einladen wollten, egal wozu und wohin. Sie sagte einfach Nein. Aber bei Ryder war alles ganz anders.

Sie kannte ihn, seit sie den Job als PR-Managerin bei der Rodeo Association angenommen hatte. Auf Anhieb hatten sie sich angefreundet, und aus irgendeinem Grund vertraute sie ihm. Ryder war ehrlich und spielte keine Spielchen. Und obwohl er groß und kräftig war, fühlte sie sich durch ihn nie eingeschüchtert.

Vielleicht hing es damit zusammen, dass er ihr von Anfang an geholfen hatte, zudringliche Kollegen auf Abstand zu halten. Vom ersten Tag ihrer neuen Arbeit an hatte er allen klargemacht, dass sie eine Lady war. Und eine Lady verdiente Respekt. Nie war er ihr anders als zuvorkommend begegnet – er war ein Gentleman vom Cowboyhut bis zur Stiefelspitze.

So war zwischen ihnen eine unkomplizierte Freundschaft entstanden. Dabei hatte Ryder nicht ein einziges Mal mehr von ihr gewollt – eine Tatsache, die ihn erst recht sympathisch machte.

Leider ließ sich das von anderen Männern nicht behaupten. Summer pflegte sie insgeheim in zwei Gruppen einzuteilen: Die einen flirteten offen und ließen keinen Zweifel daran, was sie sich von Frauen erhofften. Gewiss war das kein angenehmes Verhalten, aber die anderen, die vorgeblich harmlosen Typen, waren weitaus gefährlicher. Zu Beginn ließen sie sich lange Zeit nichts anmerken, um dann unvermittelt ihr eigentliches Ziel anzusteuern.

Die Flirter der ersten Gruppe ließen sich meist schnell abschütteln und suchten dann ein anderes Ziel ihrer Begierde. Männer der zweiten Gruppe dagegen waren beängstigend wie Raubtiere und verbargen ihre wahren Absichten hinter einer Fassade von falscher Aufrichtigkeit.

Äußerlich ungerührt schaute sie weiterhin den Tänzern und Tänzerinnen zu, doch eine immer wiederkehrende Erinnerung verursachte ihr eine Gänsehaut. Denn sie hatte durch ein Erlebnis gelernt, gründlich sogar. So gründlich, dass sie dieses nie wieder vergessen würde.

„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte Bria Rafferty. „Ich bin ganz außer Atem vom Tanzen.“

Summer lächelte die hübsche Frau mit den kastanienbraunen Haaren freundlich an. „Klar. Setz dich doch.“ Suchend sah sie sich um. „Wo sind denn die anderen?“

„Sam, Nate, T. J. und Lane diskutieren lebhaft darüber, welche Rinderrassen sich für Rodeos am besten eignen.“ Lachend wies sie auf die andere Seite der Scheune. „Mariah und Jaron debattieren heftig darüber, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen bekommen werde.“

„Was wünscht ihr euch denn, du und Sam?“, fragte Summer, während Bria sich setzte.

„Mir ist es egal, Hauptsache, das Kleine ist gesund.“ Bria legte die Hand auf ihren noch flachen Bauch.

„Und Sam?“ Summer meinte, die Antwort im Voraus zu kennen. „Was wünscht er sich?“

„Er gibt es nicht zu, aber ich glaube, einen Jungen.“

Summer lächelte. „Wie die meisten Männer.“

Bria nickte. „Wahrscheinlich können sie sich mit einem Sohn besser identifizieren. Außerdem wollen sie nicht, dass ihr Familienname ausstirbt.“

„Ganz zu schweigen davon, dass das weibliche Geschlecht Männern immer wieder Rätsel aufgibt“, ergänzte Summer. „Warum sollen sie sich ein Kind wünschen, das sie später einmal nicht verstehen werden?“

„Genau“, pflichtete Bria bei.

Als einige der Gäste Bria zu ihrer Schwangerschaft gratulierten, wurde Summer regelrecht neidisch. Denn nichts wünschte sie sich mehr als ein Kind – einen Sohn oder eine Tochter – zum Liebhaben. Seit dem Tod ihrer Eltern sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Herzens nach einem Menschen, der ihr nahestand.

Ein Kind zu haben … das bedeutete eine eigene Familie, einen neuen Lebensmittelpunkt. Schon seit Monaten kreisten ihre Gedanken um einen konkreten Plan. Und wenn dieser Plan klappte, würde es schon bald auch für sie so weit sein.

„Wann ist denn dein Termin?“, fragte sie, als sie wieder allein waren.

„Im Frühjahr.“ Bria strahlte.

Also hatte sie zum Glück das gefährliche erste Schwangerschaftsdrittel diesmal bereits überstanden. Ryder hatte erzählt, dass Bria vor einem Jahr eine Fehlgeburt gehabt hatte – ein schwerer Schicksalsschlag für sie und Sam.

Einfühlsam sagte Summer: „Dann wirst du ja bald wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.“ Würde auch sie eine solch beglückende Ungewissheit erleben? Sie hoffte es inständig.

„Eigentlich haben Sam und ich beschlossen, dass wir es nicht vorher wissen wollen.“ Bria lachte. „Aber je näher der Termin zur Ultraschalluntersuchung rückt, desto mehr kommt Sam ins Wanken.“

„Wieso glaubst du das?“

„Weil er mich immer wieder fragt, ob sich das Baby für mich wie ein Junge anfühlt.“ Gespielt genervt verdrehte sie die Augen. „Als ob ich das wüsste!“

„Männer haben eben keine Ahnung. Es gibt für sie nichts Geheimnisvolleres als eine Schwangerschaft.“

Bria grinste. „Genau“, bestätigte sie.

„Soll ich dir auch etwas zu trinken holen, Bria?“, fragte Ryder und stellte einen Softdrink für Summer und ein Bier für sich auf den Tisch.

„Nein danke. Ich muss mal gucken, wo Sam ist. Wir müssen gemeinsam die riesige Torte anschneiden, die er unbedingt haben wollte.“ Bria erhob sich. „Ich glaube, er will den alten Spruch beweisen, wonach in Texas alles größer ist als anderswo.“

Summer betrachtete die vierstöckige Torte in der Mitte des Buffets. „Könnte durchaus sein“, bestätigte sie lachend.

„Hoffentlich habt ihr genug Platz im Gefrierschrank“, scherzte Ryder, während er sich setzte. „Bestimmt bleibt mindestens die Hälfte davon übrig.“

Bria nickte amüsiert. „Dann brauche ich ein Jahr lang keine neuen Geburtstagstorten für euch zu backen. Ich nehme jedes Mal ein Stück von den Resten, setze eine Kerze drauf und singe ‚Happy Birthday‘.“

„Immer, wenn einer von uns Geburtstag hat, macht sie ein Dinner und eine riesige Torte“, klärte Ryder Summer auf, nachdem Bria sie allein gelassen hatte. „Aber für Jaron gibt’s Kuchen. Er ist ganz versessen auf ihren Apfelkuchen. Natürlich hat der auch die Kerze obendrauf.“

„Ich finde es toll, dass ihr euch so nahesteht.“ Summer seufzte wehmütig. Die letzten Jahre war sie oft allein gewesen, auch an ihren Geburtstagen.

Ryder gegenüber hatte sie nie erwähnt, wie sehr sie darunter litt. Denn wozu hätte ein solches Eingeständnis führen sollen? Mitleid half ihr auch nicht weiter.

Den Job bei der Rodeo Association hatte sie angenommen, um nicht ständig daran denken zu müssen, wie einsam ihr Leben geworden war. Sie reiste von Rodeo zu Rodeo, war also ständig auf Achse und damit abgelenkt.

Dass Ryder sie zu diesem Familienfest mitgenommen hatte, freute sie sehr. Nach allem, was sie hier erlebt hatte, war sie sich erst recht sicher, was ihre Entscheidung betraf. Ja, es fühlte sich richtig an, eine eigene Familie zu gründen.

„Hat euer Pflegevater Hank auch immer mit euch gefeiert, als er noch lebte?“, fragte sie.

Ryder nickte. „Zu allen Feiern hat Bria Hank und auch ihre Schwester Mariah immer eingeladen. Familienleben bedeutet ihr viel, und uns auch. Wir verlieren uns nie aus den Augen.“

Während Summer Ryder aus den Augenwinkeln betrachtete, bewunderte sie ihn im Stillen. Er und seine Pflegebrüder hielten fest zusammen, und sie hatten trotz ihrer schwierigen Jugend in ihrem Leben eine positive Richtung eingeschlagen. Hank, dieser außergewöhnliche Mensch, hatte ihnen geholfen, nach vorn zu sehen. Durch sein Engagement waren alle sechs zu ehrlichen Erwachsenen geworden, die ihren Weg machten. Und sich einander aufs Lebenszeit wie echte Brüder verbunden fühlten.

Nachdem Bria und Sam die Torte, schön verziert mit texanischen Motiven, angeschnitten hatten, war die Schlacht um das beste Stück eröffnet. Die Gäste kamen dieser Einladung nur zu gerne nach.

Ryder stand auf. „Ich hole uns etwas Süßes, und später tanzen wir noch mal, wenn du magst. Und nach der Party fahre ich dich zurück zum Hotel.“

„Hört sich nach einem guten Plan an, Cowboy.“

Er hatte Summer eingeladen, das Wochenende auf seiner Ranch zu verbringen, aber sie bevorzugte die Unabhängigkeit eines Hotelzimmers in der Nachbarstadt.

Erstens redeten die Kollegen bereits über sie, und zweitens wollte sie auf dem Rückweg von der Party mit ihm über ihren Plan sprechen. Da sich nicht vorhersehen ließ, wie Ryder reagieren würde, hätte ein Aufenthalt auf der Blue Canyon Ranch durchaus peinlich für sie werden können.

Eine Stunde später saß Summer neben ihm im Pick-up. Ryder hatte ihr höflich die Tür geöffnet, nun ging er ums Auto herum und stieg ebenfalls ein.

Auf diese Fahrt allein mit ihm hatte Summer seit zwei Wochen gewartet – seit sie beschlossen hatte, ihn um Hilfe zu bitten.

„Ist dir kalt?“, fragte er, nachdem er sich ans Lenkrad gesetzt hatte. „Dann schalte ich die Heizung ein.“

„Nein, alles bestens. Aber danke.“ Summer hatte auf die Temperatur nicht geachtet. Jetzt erst bemerkte sie die abendliche Kühle.

„Hat es dir gefallen?“, wollte er wissen, während er den Motor startete und losfuhr.

„Ja, sehr sogar“, antwortete Summer lächelnd. „Danke, dass du mich mitgenommen hast.“

Nachdem sie den Highway erreicht hatten, schaltete Ryder das Radio ein und suchte nach einem beliebten Sender mit Countrymusik. „Zur nächsten Geburtstagsparty musst du wieder mitkommen.“

„Aber gern! Ich freue mich jetzt schon drauf“, antwortete Summer aufrichtig.

Dann schwiegen beide, ohne dass die Stille unangenehm gewesen wäre.

Während er den Pick-up durch die texanische Nacht mit ihrem wundervollen Sternenhimmel steuerte, betrachtete Summer im Halbdunkel Ryders Profil. Und beglückwünschte sich insgeheim zu ihrer Wahl.

Ryder McClain, von Grund auf ehrlich, unkompliziert und intelligent, war der Beste für das, was sie plante. Und erst jetzt gestand sie sich ein, dass er überdies noch umwerfend aussah.

Mit seinen dunkelbraunen Haaren, den grünen Augen und seinem natürlichen Charme war er ein Mann, wie ihn sich Frauen erträumten. Hinzu kamen die muskulösen Schultern und die breite Brust – wie geschaffen zum Anschmiegen. In seinen starken Armen ließen sich die Schwierigkeiten des Lebens vergessen. Er war ein richtiger Beschützer …

„Summer, alles klar?“

Seine Nachfrage riss sie aus ihren Gedanken, doch sie nickte. „Ich habe nur noch mal den schönen Abend Revue passieren lassen“, flunkerte sie. Wie sollte sie das Thema anschneiden, das ihr auf dem Herzen lag? Sie musste wissen, ob Ryder ihr helfen würde – oder ob sie weitersuchen musste.

Ryder lächelte. „Unsere Familientreffen machen immer Spaß.“

„Auch wenn deine Brüder dich nerven, so wie heute?“

Er lachte sein sympathisches Lachen, das für ihn typisch war. „Ja, sogar dann.“

„Sie haben dich wohl mit Fragen gelöchert?“ Summer konnte sich gut vorstellen, dass sie der Grund dafür war. Durch ihre unterschiedlichen Tätigkeiten bei der Rodeo Association wurden sie nicht oft zusammen gesehen, aber wenn, dann konnten sich die Kollegen Anspielungen meist nicht verkneifen. Kein Wunder, dass seine Brüder in die gleiche Richtung dachten.

Er zuckte die Achseln. „Solange sie das tun, lassen sie sich wenigstens gegenseitig in Ruhe.“ Grinsend fügte er hinzu: „Vor ein paar Monaten hat sich alles darum gedreht, wie dumm und dickköpfig sich Sam Bria gegenüber benommen hat.“

„Hatten sie eine Ehekrise?“

„Ja.“

„Ihr wisst aber viel voneinander. Ist das bei allen Themen so?“ Wenn er sich dafür entschied, ihr zu helfen, wollte sie ihr Projekt eigentlich nicht an die große Glocke hängen.

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