... und hinterher Champagner

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Um die ehemalige Firma ihres Vaters zu retten und die Angestellten vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren, sieht die schöne Paige nur einen Ausweg: Sie lässt sich inkognito von dem neuen Besitzer Bryce Lexington einstellen. Sie ahnt nicht, dass Bryce schon längst weiß, wer sie ist. Aber als er sie dann persönlich kennenlernt, schlägt er alle Warnungen in den Wind. Auch wenn Paige seine ärgste Feindin ist - er will sie, wie er noch keine andere wollte! Zusammen fliegen sie nach London, wo er sie zum ersten Mal küsst, und weiter nach Aspen, wo er sie bei eiskaltem Champagner zu heißer Liebe verführt, wie sie lustvoller nicht sein könnte ...


  • Erscheinungstag 15.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747299
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Paige Bradford? Ich bin Bryce Lexington.“ Bryce erhob sich und reichte ihr die Hand, als sie sein Büro betrat.

Obwohl er ihr Foto in ihrer Personalakte gesehen hatte, war diese unglaublich schöne Frau nicht das, was er erwartet hatte. Ihr fester Händedruck bewies Selbstvertrauen. Sie wirkte gelassen und zuversichtlich. Alles an ihr war eine Überraschung, und ihm gefiel auf Anhieb alles, was er sah. Seine Kehle wurde seltsam eng, als ihre Hände sich berührten. Dieses unmissverständliche Anzeichen, dass er sich körperlich zu ihr hingezogen fühlte, das störte ihn, denn es war absolut unpassend unter den gegebenen Umständen.

Joe Thompkins, der Chef des Sicherheitsdienstes seiner Firma, hatte herausgefunden, dass Paige in den letzten sechs Monaten wiederholt in Bryce’ Privatleben herumgeschnüffelt und sich vor zwei Wochen in der Firmenzentrale in Santa Monica eine Anstellung beschafft hatte. Nun stand sie ihm in seinem Büro gegenüber und sah verführerischer aus als jede andere Frau, der er bisher begegnet war. Was für ein Spiel trieb sie? Was wollte sie? Wieder erfasste ihn prickelnde Erregung. Er unterdrückte sie jedoch rasch und bat seine Besucherin, Platz zu nehmen, bevor er sich wieder hinter seinem Schreibtisch niederließ.

Paige setzte sich. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Lexington.“

Sie hatte Hunderte von Fotos von ihm gesehen und alles über ihn gelesen, was sie finden konnte – in Magazinen, Zeitschriften und im Internet. Aber nichts hatte sie auf die persönliche Begegnung mit diesem dynamischen Mann vorbereitet. Paige hatte seinen Händedruck erwidert und ihre Hand dann rasch wieder zurückgezogen. Eine intime Wärme war bei seiner Berührung ihren Arm hinaufgekrochen und hatte sie für einen Moment lang unsicher gemacht hinsichtlich ihrer Vorgehensweise.

Aber dann nahm sie sich zusammen. Sie dachte nicht daran, sich von seinem guten Aussehen und einer irrigen Anwandlung unwillkommenen Verlangens von der wichtigen Aufgabe, die sie sich gestellt hatte, ablenken zu lassen. Sie würde dafür sorgen, dass Bryce Lexington für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen wurde. Die ganze Welt sollte erfahren, dass er ein gewissenloser Geschäftemacher war, der die Schuld am Selbstmord ihres Vaters trug.

„Aus Ihrer Personalakte ersehe ich, dass Sie die entsprechende Ausbildung und Berufserfahrung für die Stelle meiner persönlichen Assistentin besitzen. Und da Sie sich zu diesem Vorstellungsgespräch bereit erklärt haben, nehme ich an, dass Sie an der Stelle interessiert.“

„Ja, Mr. Lexington. Ich glaube …“

„Nennen Sie mich Bryce.“

„In Ordnung … Bryce. Ich bin sogar sehr interessiert an dieser Position und würde es als eine Ehre betrachten, als Ihre persönliche Assistentin zu arbeiten. Ich bewundere seit langem Ihr Engagement für wohltätige Organisationen und die harte Arbeit, die Sie dafür leisten.“

„Haben Sie einen gültigen Reisepass?“

„Ja.“

Ganz unvermittelt stand er auf und ging zur Tür. „Das war’s, Bradford.“

Seine abrupte Art verblüffte sie. „Das war was?“

„Das Ende unserer Besprechung. Die Stelle gehört mit sofortiger Wirkung Ihnen.“ Er schaute auf die Uhr. „Sie haben drei Stunden zum Packen. Wir fliegen für fünf Tage nach London. Kommen Sie zum Firmenhangar am Flughafen. Lassen Sie sich von Eileen die Adresse geben.“ Er öffnete die Tür und trat beiseite, um ihr zu verstehen zu geben, dass das Gespräch beendet war.

„Ich … ich danke Ihnen für die Chance …“

„Ich habe noch eine Besprechung, Bradford. Eileen wird Ihnen alles Weitere sagen.“

„In Ordnung. Danke.“ Nicht ganz sicher, was sie von seinem Benehmen sollte, verließ sie das Büro. Im ersten Moment war sie verärgert über seine brüske Art, die beinahe schon an Unhöflichkeit grenzte.

„Er ist erstaunlich, nicht?“

Eine weibliche Stimme riss Paige aus ihren Gedanken. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass sie eine Frau auf sie zuging. „Ich muss gestehen, das war das merkwürdigste Vorstellungsgespräch, das ich je hatte. Und auf jeden Fall das Kürzeste.“

Die Frau reichte ihr lächelnd ihre Hand. „Ich bin Eileen Draper, die Büroleiterin.“

Eileen reichte Paige ein Blatt mit den nötigen Informationen für die bevorstehende Reise. Es enthielt auch Namen, Adressen, Telefon- und Faxnummern wichtiger Angestellter. Überrascht sah Paige, dass ihr Name der Liste bereits hinzugefügt worden war.

„Sie werden in der Firmenwohnung in London wohnen. Die Adresse und Telefonnummer stehen auf der Liste.“ Eileen warf einen Blick auf Bryce’ geschlossene Bürotür und senkte ihre Stimme. „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, er ist ein Workaholic im wahrsten Sinne dieses Wortes, aber er erwartet nicht mehr von anderen, als er selbst zu geben bereit ist. Im Augenblick steht er vor dem Abschluss verschiedener wichtiger Geschäfte, und daher geht es noch ein wenig hektischer zu als sonst. Versuchen Sie, die Ruhe zu bewahren, und lassen Sie sich von ihm nicht mit zu vielen Dingen auf einmal durcheinander bringen. Und vor allem dürfen Sie keine Angst haben, ihm die Stirn zu bieten, wenn er anfängt, Sie verrückt zu machen. Im Grunde ist er eigentlich ein aufmerksamer und zuvorkommender Mann, geradlinig und ehrlich.“

Eileen schenkte Paige ein aufmunterndes Lächeln. „Ich bin sicher, dass Sie gut mit ihm zurechtkommen werden.“

Als Paige zum Aufzug ging, waren ihre Gedanken nicht so positiv wie Eileens Worte. Geradlinig und ehrlich? Das werden wir ja. Sie nahm den Lift ins Erdgeschoss und verließ das Gebäude. Auf dem Gehsteig blieb sie stehen und schaute zum Fenster von Bryce’ Büro im dritten Stock hinauf. Bald werden alle die Wahrheit über dich und deine infamen Geschäftspraktiken erfahren, Mr. Lexington, dachte sie, als sie zu ihrem Wagen ging.

Bryce beobachtete von seinem Bürofenster aus, wie Paige zu ihrem Wagen ging. Kaum war sie außer Sicht, rief er Joe Thompkins an. Eine Minute später erschien der Chef seines Sicherheitsdienstes in seinem Büro. Bryce lehnte sich zurück und legte die Füße auf seinen Schreibtisch. Dann lauschte er aufmerksam, als der gut aussehende zweiundvierzigjährige Mann eine Akte aufschlug und ihm eine kurze Übersicht gab.

„Paige Bradford, geborene Franklin, zweiunddreißig Jahre alt. Tochter von Stanley Franklin, Gründer von Franklin Industries, Mutter verstorben. Nach ihrer Scheidung von Jerry Bradford vor einem Jahr zog Paige von St. Louis zurück zu ihrem Vater in Los Angeles. Sie war es, die seine Leiche entdeckte, nachdem er sich erschossen hatte. Das war vor sechs Monaten. Kurz danach begann sie Informationen über dich zu sammeln.“

Bryce nahm Joe die Akte ab und überflog noch einmal ihren Inhalt. „Wenn sie nicht versucht hätte, sich als Schriftstellerin auszugeben, die angeblich eine Biografie über mich schrieb, und sich an einen meiner Geschäftsfreunde gewandt hätte, um ein Interview mit ihm zu führen, hätten wir von ihren Aktivitäten wahrscheinlich nie etwas erfahren. Zum Glück rief Herb Fenwick mich an, nachdem sie ihn kontaktiert hatte.“

Bryce schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was für eine Art Person ich erwartet hatte, aber bestimmt nicht jemanden wie sie. Ich frage mich, was sie von mir will. Es kann nichts mit meinem Kauf der Franklin Industries zu tun haben. Sie muss doch wissen, wer ihr Vater war, was er getan hat und warum die Übernahme so verlaufen ist.“

„Der größte Hammer war, dass sie sich direkt hier in der Zentrale einen Job besorgte, mit Zugang zu deinem gesamten Computernetz.“

„Ja.“ Bryce stieß einen ärgerlichen Seufzer aus. „Das Vernünftigste wäre wohl gewesen, sie einfach zu fragen, was sie eigentlich vorhat. Es könnte schließlich einen ganz plausiblen Grund für ihr Herumschnüffeln in meinem Privatleben und in meiner Firma geben.“

„Ach ja?“ Joes Gesichtsausdruck und Ton besagten, dass er Bryce’ Einwand schlichtweg lachhaft fand. „Und was sollte dieser ‚ganz plausible‘ Grund denn sein?“

Bryce warf ihm einen verdrossenen Blick zu. „Na schön, nehmen wir mal an, sie hätte ein geheimes Motiv für ihre Handlungsweise. Wir wollen keine Anschuldigungen erheben ohne Beweise.“ Bryce setzte sich ganz gerade hin, sein Tonfall wurde eindringlicher. „Sie hat bisher doch nichts getan, was unserer Firma schaden könnte, oder?“

„Nicht dass ich wüsste. Ihre Nachforschungen scheinen sich auf für jedermann zugängliche Informationen beschränkt zu haben … bisher zumindest.“

Bryce schloss die Akte mit einer Endgültigkeit, die verriet, dass das Thema für ihn beendet war. „Ich habe sie mit sofortiger Wirkung als meine persönliche Assistentin eingestellt. So kann ich sie im Auge behalten, bis wir herausgefunden haben, was sie vorhat, und sie wird nicht merken, dass wir sie verdächtigen. Ich möchte sie nicht misstrauisch machen, bevor wir wissen, worum es geht.“

„Das gefällt mir nicht, Bryce. Sie scheint einen geheimen Plan zu verfolgen, und du kannst jede Wette eingehen, dass es nicht zu deinem Vorteil ist.“

Bryce öffnete noch einmal in die Akte und betrachtete Paige’ Foto. „Weißt du“, bemerkte er dann grinsend, „es ist schon ein paar Unannehmlichkeiten wert, jemanden um sich zu haben, der so gut aussieht. Eileen Draper ist ein Schatz, und ich käme ohne sie gar nicht zurecht, aber sie ist alt genug, um meine Mutter sein zu können.“ Er warf einen schuldbewussten Blick zur Tür. „Und wag es ja nicht, Eileen zu erzählen, dass ich das gesagt habe.“

Diesmal schloss er endgültig die Akte und legte sie in eine Schublade. „Ich werde Augen und Ohren offen halten und sehen, was passiert. Und dann reden wir weiter.“

Joe erhob sich. „Tu, was du für richtig hältst, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich dagegen bin.“

„Schon gut.“ Bryce winkte ab. „Dein Einwand ist notiert.“

Als Bryce allein war, ließ er seine kurze Begegnung mit Paige in Gedanken noch einmal Revue passieren. Er war erfreut, dass sie keine Angst vor ihm zu haben schien. Er wusste, dass seine Position und sein Verhalten oft einschüchternd auf andere wirkten, aber er war ein sehr beschäftigter Mann und hatte weder die Zeit noch das Verlangen, sich mit unnötigen Nettigkeiten aufzuhalten. Er wusste sich durchaus wie ein Gentleman zu benehmen, wenn es sein musste, aber jegliche Verstellung war die reinste Zeitverschwendung, fand er, und ganz entschieden nicht sein Stil. Er verstand nicht, warum die Leute nicht ehrlich zueinander sein konnten. Es würde eine Menge Zeit sparen und das Leben sehr viel leichter machen.

Bryce vermutete, dass dies einer der Gründe war, wieso es so schwierig für ihn war, eine dauerhafte Beziehung zu einer Frau einzugehen. Würde er je imstande sein, die Richtige zu finden?

Es war ja nicht so, als wünschte er sich den Mond. Alles, was er wollte, war eine intelligente Frau mit Sinn für Humor, die zudem noch eine ordentliche Portion Vernunft besaß und in der Lage war, auf eigenen Beinen zu stehen. Jemand, der sanft war und verständnisvoll, aber auch hart sein konnte, wenn die Lage es erforderte. Eine gebildete Frau mit Kunstverständnis und Geschmack, die aber auch gern im Freien war. Jemand, der ehrlich und offen war, dem er vertrauen konnte und mit dem er Freude und Erfahrungen teilen konnte. Jemand, dem er sein Herz und seine Liebe schenken konnte.

Nein, er verlangte wirklich nicht den Mond – nur das gesamte Sonnensystem. Er wusste, dass seine Ansprüche viel zu hoch waren. Mit jedem Jahr, das verging, kam er der traurigen Erkenntnis näher, dass seine Chancen, jemanden zu finden, den er rückhaltlos lieben könnte, zunehmend geringer wurden. Eileen hatte ihm schon des Öfteren gesagt, er arbeite viel zu viel und sehe nichts anderes mehr als seine geschäftlichen Interessen. Tief im Innersten wusste er, sie hatte recht. Was er nicht wusste, war, was er dagegen unternehmen konnte.

Paige starrte unschlüssig auf die Kleider in ihrem Schrank, während der Moment des Aufbruchs näher und näher rückte. Sie wusste beim besten Willen nicht, was sie für fünf Tage in London einpacken sollte. Sie wollte sich nicht lächerlich machen, indem sie zu viel Gepäck mitnahm, aber sie wollte auch nicht unvorbereitet sein.

Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. Obwohl sie Bryce Lexington so gründlich studiert hatte, dass sie ihn in- und auswendig zu kennen glaubte, war sie vollkommen unvorbereitet gewesen auf den Mann, der sie in seinem Büro begrüßt hatte. Die Fotos, die sie von ihm gesehen hatten, zeigten einen gut aussehenden Mann, aber sie konnte jetzt mit absoluter Sicherheit behaupten, dass die Kamera ihm nicht gerecht wurde. Sein dunkles Haar war dicht und ziemlich lang, seine Haut war braun gebrannt. Und seine Augen – sie waren nicht blau, sondern von einem leuchtenden Türkis.

Sie war auch überrascht gewesen von der Art, wie er sich kleidete. Vom Leiter eines Großkonzerns mit internationalen Holdings hatte sie erwartet, dass er einen Anzug tragen würde, insbesondere zu einem Vorstellungsgespräch. Stattdessen trug er Jeans, einen Baumwollpulli und Turnschuhe. Der Pulli betonte seine breiten Schultern und kräftigen Arme, ohne den Eindruck zu vermitteln, dass dies seine Absicht zu sein schien.

Und es war auch nicht nur seine äußere Erscheinung, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Seine eindrucksvolle Persönlichkeit hatte den ganzen Raum erfüllt. Es war eine berauschende Kombination aus Macht, Reichtum und Selbstvertrauen, die sich jedoch nicht in Form eines übertriebenen Selbstbewusstseins oder Arroganz zeigte, trotz seiner etwas brüsken Art. Oder zumindest bisher noch nicht, ermahnte Paige sich spöttisch. Ihr war klar, dass ein Mann wie Bryce Lexington früher oder später seinen wahren Charakter zeigen würde, und wenn er es tat, dann würde sie da sein, um davon zu profitieren.

Paige verbot sich weitere Spekulationen und packte stattdessen endlich ihren Koffer. Sie wagte nicht, zu spät zum Flughafen zu kommen. Ein Mann wie Lexington würde es nicht tolerieren, wenn man ihn warten ließ. Es wäre kein guter Beginn ihrer Beziehung und würde die nächste Phase ihrer Ermittlungen behindern: die Suche nach den Informationen, die sie brauchte, um Rache an ihm zu üben.

Paige schnaubte angewidert. Das Wort „Beziehung“ verband man gewöhnlich mit etwas Positivem, etwas Gutem. Aber nicht in diesem Fall. Im Geiste wappnete sie sich gegen die Schwierigkeiten, denen sie auf dem Weg, den sie gewählt hatte, begegnen würde, als sie ihren Wagen beim Firmenhangar parkte.

Bryce wartete schon auf sie und drängte sie, sich zu beeilen. Auf die Minute pünktlich, wie alles, was Bryce Lexington umgab, startete der Firmenjet. Zu Paige’ Überraschung ging Bryce kurz nach dem Start zu der kleinen Bordküche, öffnete eine Flasche Wein und schenkte zwei Gläser ein. Sie hatte angenommen, er habe Angestellte, die derartige Aufgaben erledigten.

„Hier, Bradford.“ Er stellte die Gläser auf beide Seiten eines Tischs. „Wir werden etwas essen, und dann machen wir uns an die Arbeit.“

„Wir werden während des Fluges arbeiten?“ Es gelang ihr nicht, einen Anflug von Verärgerung in ihrer Stimme zu vermeiden. Mit dieser Möglichkeit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Es war auch so schon ein langer, anstrengender Tag gewesen.

Er legte den Kopf ein wenig schief und sah sie an. „Haben Sie ein Problem damit?“

Sie nahm sich rasch wieder zusammen. „Nein … natürlich nicht. Es erscheint mir nur wie ein etwas merkwürdiger Ort zum Arbeiten.“ Sie bemühte sich um ein Lächeln, um ihre Irritation zu verbergen, aber sie war nicht sicher, ob es ihr gelang.

„Ich arbeite nur selten in den Büros in Santa Monica. Ich bezweifle, dass ich mehr als zwei oder drei Tage im Monat dort bin. Ich arbeite lieber in bequemerer Umgebung. Ich habe ein komplett eingerichtetes Büro zu Hause, wo ich gewöhnlich arbeite, wenn ich in der Stadt bin.“

Bryce spielte mit seinem Weinglas, strich mit der Fingerspitze über den Rand und drehte den Stiel zwischen seinen Fingern. Es war weniger eine nervöse Angewohnheit als vielmehr ein Versuch, seine Aufmerksamkeit auf die geschäftlichen Aspekte des Geschehens zu richten und sich nicht von persönlichen Gedanken über die attraktive Frau ihm gegenüber ablenken zu lassen.

Seine Nasenflügel blähten sich ein wenig, als er den verführerischen Duft einatmete, den sie schon bei dem Vorstellungsgespräch getragen hatte. Er machte selten Fehler, aber diesmal hatte er einen wirklich großen Bock geschossen. Er hätte auf Joe hören und sie nicht in sein Büro bringen sollen, aber nicht aus den von Joe genannten Gründen. Bryce’ Gründe waren weitaus persönlicher und hatten ganz entschieden was mit seiner Libido zu tun. Er trank noch einen Schluck Wein. „Ich sehe keinen Grund, all die Zeit, die wir bis London brauchen, zu vergeuden, wenn wir etwas Lohnenderes leisten können.“

Paige dachte über seine Worte nach. Gründete seine Definition von „lohnend“ sich darauf, wie viel Geld er machte? „Was macht eine Leistung Ihrer Meinung nach lohnend? Beurteilen Sie das nach ethischen Maßstäben oder eher nach finanziellen Resultaten? Was sind Ihre Kriterien?“

Er warf ihr einen ernsten Blick zu. „Das klingt wie eine Suggestivfrage. Warum sagen Sie mir nicht, was Sie wirklich denken?“

Ein unbehagliches Gefühl ergriff Besitz von Paige. Es war, als könnte Bryce ihre Gedanken lesen. Sie hätte nichts von Ethik sagen sollen. Das Wort war ihr entschlüpft, bevor sie es verhindern konnte.

„Ich dachte an nichts Bestimmtes“, log sie. „Wahrscheinlich habe ich meine Frage nicht gut formuliert. Ich fragte mich nur, ob Sie über Ihre geschäftlichen Aktivitäten sprachen oder über Ihre karitativen Betätigungen.“

„Warum glauben Sie, es gäbe Unterschiede in der Art, wie man mit beidem umgeht?“, fragte er. „Ethik ist auf beiden Gebieten anzuwenden, und finanzielle Resultate sind bloß ein Mittel, um geschäftlichen Erfolg zu messen, aber es ist nicht das Ein und Alles. Ich denke, dass ich auf beiden Gebieten die gleiche Sorgfalt walten lasse und die gleichen Regeln anwende, egal, um was für eine Art Projekt es geht.“

„Es tut mir leid. Ich wollte damit nicht sagen …“

„Vergessen Sie es, Bradford“, unterbrach er sie. „Es ist nichts passiert.“ Dann stand er auf, nahm zwei Tabletts aus dem Kühlschrank und schob sie in den Mikrowellenherd.

Paige nippte an ihrem Wein und sah zu, wie Bryce Besteck, Servietten und zwei Platzdeckchen holte. Er schien ein wahres Energiebündel zu sein. Paige konnte sich nicht vorstellen, wie viele Dinge ihm gleichzeitig durch den Kopf gehen mussten. Sie überlegte, ob sie ihn nicht einfach fragen sollte, was zwischen ihm und ihrem Vater vorgefallen war, verwarf die Idee aber sogleich als undurchführbar. Denn trotz seiner hübschen kleinen Rede über Ethik konnte sie sich nicht darauf verlassen, dass er ehrlich zu ihr war.

Sie wusste, wenn sie auch nur darauf anspielte, wer sie war, würde er auf der Hut sein, und dann würde sie nie die Wahrheit herausfinden. Am Ende würde er vielleicht gar Beweise vernichten, die sie brauchte. Sie hatte sich in eine exzellente Position gebracht, um herauszufinden, was wirklich vorgefallen war. Es war besser, mit ihrem Plan fortzufahren.

Das Bild ihres Vaters, zusammengesackt über seinem Schreibtisch, die Pistole noch in seiner Hand, war für immer ihrem Gedächtnis eingebrannt. Er hatte eine handgeschriebene Nachricht hinterlassen:

Es tut mir leid, Paige. Ich hatte keine andere Wahl. Bitte verzeih mir meine Schwäche.

Sie hatte eine teilweise verbrannte Akte in der noch warmen Asche im Kamin gefunden. Was von der Akte übrig war, ergab nicht mehr Sinn für sie als der Abschiedsbrief ihres Vaters, aber sie hatte sie trotzdem aufgehoben. Sie war schockiert gewesen über die Entdeckung, dass Franklin Industries sich in so großen finanziellen Schwierigkeiten befand. Ihr Vater hatte sich vor langer Zeit schon seine Lebensversicherung auszahlen lassen, und sein Haus war mit einer Riesenhypothek belastet. Sie verkaufte das Haus, und das bisschen Geld, das blieb, reichte kaum, um sein Begräbnis zu bezahlen.

Alles wäre in Ordnung gewesen, wenn Bryce Lexington seine Verhandlungen über den Kauf von Franklin Industries nicht vor dem Tod ihres Vater plötzlich abgebrochen hätte. Was jedoch am meisten ihr Misstrauen geweckt hatte, war, dass es ihm später gelungen war, die Firma ihres Vaters doch zu übernehmen, und das zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises. Was würde aus den Leuten werden, die auf Franklin Industries angewiesen waren, um ihre Familien zu ernähren? Würde er sie allesamt entlassen? Das Schicksal der Angestellten ihres Vaters beunruhigte sie zutiefst. Bisher arbeiteten die Leute noch, aber wie lange noch? Paige musste irgendwie einen Weg finden, ihre Arbeitsplätze zu sichern, aber sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte.

Seither hatte Paige es zu ihrer obersten Priorität gemacht, so viel wie möglich über Bryce Lexington herauszufinden. Er war achtunddreißig Jahre alt und einssechsundachtzig groß. Er besaß den IQ eines Genies und hatte im Alter von fünfzehn Jahren seinen Highschool-Abschluss gemacht. Mit einundzwanzig besaß er ein Diplom in Geschichte, ein Zweites in bildender Kunst und ein Drittes in Betriebswirtschaft. Er sprach fließend Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch. Was Paige nicht gefunden hatte, war irgendein Hinweis darauf, dass er je verheiratet gewesen war, was sie ziemlich seltsam fand.

Sie schüttelte ganz unbewusst den Kopf. Trotz all der Informationen, die sie über ihn gesammelt hatte, war er nicht so, wie sie erwartet hatte. Sie nippte wieder an ihrem Wein und ließ ihren Blick zu Bryce zurückwandern.

Die Intensität und konzentrierte Energie in seinem Blick verblüfften sie. Ihr Schlückchen Wein geriet ihr in den falschen Hals, und sie musste husten.

Mit aufrichtig besorgter Miene nahm er ihr das Weinglas aus der Hand und stellte es auf den Tisch. „Alles in Ordnung?“

„Ja.“ Sie atmete einmal tief ein, dann noch einmal. „Es geht schon wieder.“

„Bestimmt?“

„Ja. Ich hatte mich nur verschluckt.“ Warum hatte er sie so angestarrt? Hatte sie etwas falsch gemacht? Wenn er ihre wahre Absicht ahnte, würde sie die Antworten, die sie brauchte, niemals finden.

Die Zeituhr an der Mikrowelle signalisierte, dass das Essen fertig war. Bryce nahm die Fertiggerichte heraus und stellte sie auf den Tisch. „Das ist unser Abendessen.“

„Es riecht gut.“ Paige nahm ihr Besteck und aß einen Bissen von ihrer Hähnchenbrust.

Bryce erklärte seiner neuen Assistentin die Einzelheiten seines Geschäfts, während sie aßen, und bemühte sich, ganz sachlich zu klingen und nicht zu anderen Themen abzuschweifen. Es war schwieriger, als er erwartet hatte. Paige hatte es geschafft, seine Sinne zu wecken und sein Verlangen schneller zu erregen als irgendeine andere Frau in seinem Leben. Er wünschte sich beinahe verzweifelt, ihr Haar zu streicheln, ihre makellose Haut zu berühren … und ihren verführerischen Mund zu kosten. Aber er verdrängte das Bedürfnis. Es wäre nicht klug, so etwas zu tun, wenn so viel auf dem Spiel stand.

Ihre Bemerkungen über Ethik und Geld wollten ihm nicht aus dem Sinn gehen. Es war ein eigenartiger Gedankenaustausch gewesen, beinahe so, als hätte sie ihn anhand irgendwelcher geheimer Informationen auf die Probe stellen wollen. Aber wozu? Warum? Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder den gegenwärtigen Themen zuzuwenden und sich seine Spekulationen für später aufzuheben.

„Wir haben vier Projekte, die meine persönliche Anwesenheit in London erfordern. Zuerst müssen wir einen kleinen Londoner Verlag aufkaufen. Unsere nächste Aufgabe ist die Fusion meiner Lederwarenfabrik mit einer Kette exklusiver Boutiquen in London und Paris, bei der meine Firma einen einundfünfzigprozentigen Gesamtanteil behalten wird. Dann ist da noch ein Vertrag für meine Public-Relations-Firma in New York, eine britische Import-Export-Firma in den Vereinigten Staaten zu vertreten. Das letzte Projekt ist eine Offerte, Werke neuer und viel versprechender Künstler in den Staaten in einer der angesehensten Kunstgalerien in London auszustellen.“

Sobald sie gegessen hatten, reichte Bryce Paige vier Akten. Für einen winzigen Augenblick berührten sich ihre Hände, und Bryce spürte, wie eine verführerische Wärme auf seinen Körper übergriff. Abrupt sprang er auf und sagte: „Ich habe noch einiges zu diktieren, also sehen Sie sich doch in der Zwischenzeit schon mal die Akten an. Darin finden Sie alles über die vier Projekte, von denen ich eben sprach.“

Autor

Shawna Delacorte
Shawna Delacorte hatte schon immer eine große Schwäche für Krimis und baut in ihre romantischen Handlungen gern eine spannende Nebenhandlung ein. Aber wussten Sie, das sie ursprünglich Drehbuchautorin werden wollte und lange Zeit im Filmgeschäft tätig war?
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