100 Rosen und ein Kuss

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Ist sie für den attraktiven Multimillionär Bryan Falcon nur eine Notlösung? Grace spielt seine Verlobte, aber sie träumt davon, sein Herz zu erobern. Schon lange schwärmt sie für ihn - doch Bryan schien immer nur Augen für ihre schöne Zwillingsschwester zu haben ...


  • Erscheinungstag 28.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756246
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ms. Pennington, sehen Sie bitte hierher!“

Klick.

„Ms. Pennington, Mr. Falcon! Hierher!“

Klick. Klick.

„Ein Kuss für die Kamera!“

Grace Pennington lächelte dem gut aussehenden Mann an ihrer Seite zu. „Wage es, und du hast blutige Lippen“, zischte sie.

„Schatz“, erwiderte er amüsiert, „du bist einfach zauberhaft.“

Am liebsten hätte sie ihn tatsächlich gebissen, nahm sich jedoch zusammen und lächelte unverändert. Schließlich tat sie das alles für Chloe.

Unzählige Blitzlichter blendeten Grace, bis sie endlich mit Bryan die Limousine erreichte und die Paparazzi sich auf das nächste prominente Paar stürzten, das soeben die Oper verließ.

„Sehr gut“, stellte Bryan fest. „Sie haben Bill Gates und Begleitung entdeckt. Jetzt kann er sich mit ihnen herumschlagen.“

Grace raffte das lange Kleid, sank erleichtert auf den Sitz und genoss die Stille, als der Fahrer die Tür schloss. Sofort verzichtete sie auf das falsche Lächeln, von dem schon die Wangen schmerzten. „Ich hasse so protzige Veranstaltungen. Und dich hasse ich auch.“

Bryan lachte. „Das hast du vom ersten Moment an deutlich gezeigt. Aber du liebst deine Schwester.“

Das stimmte. Nur aus Liebe zu ihr war Grace zu dieser protzigen Wohltätigkeitsveranstaltung gegangen. Aus demselben Grund ließ sie sich überhaupt seit zwei Wochen auf dieses lächerliche Spiel mit Bryan Falcon ein.

Sie strich sich durch das vom Haarspray steife Haar und löste dabei einen mit Glitzersteinen besetzten Clip. Eine Strähne des braunen Haars fiel bis zum Kinn und ließ ihre sonst übliche Pagenfrisur erahnen. Während sie an der Korsage des trägerlosen Kleides zerrte, entledigte sie sich der hochhackigen Schuhe, die sie den ganzen Abend gequält hatten. Die schweren Diamantohrringe kamen als Nächstes an die Reihe. Achtlos steckte sie die Juwelen in die Abendtasche und warf diese auf den Sitz.

Makelloser Frack, schwarzes und perfekt gekämmtes Haar, himmelblaue Augen – Bryan erschien nicht grundlos immer wieder als begehrtester Junggeselle des Landes auf den Titelseiten von Zeitschriften. „Soll ich dir mit dem Reißverschluss helfen?“, fragte er.

Da sie unter dem Kleid nur einen Hauch von Spitze trug, warf sie ihm lediglich einen bösen Blick zu und sehnte sich nach Jeans, T-Shirt und Laufschuhen. Leider musste sie im Moment darauf verzichten.

„Möchtest du ein Glas Champagner?“ Er deutete auf das Barfach. „Oder Wein?“

„Hast du eine Diätcola?“

„Ich sehe nach.“

Sie griff nach der kalten Dose, verzichtete auf ein Glas, trank dankbar und beobachtete durch die Trennscheibe den Fahrer.

„Hast du die Oper wirklich so schrecklich gefunden?“, erkundigte sich Bryan. „Es war schließlich für einen guten Zweck.“

„Natürlich ist Wohltätigkeit wichtig. Ich mag nur nicht die herausgeputzten magersüchtigen Besucher, die nach den Paparazzi gieren. Jeder von denen hätte mehr als den Preis der Eintrittskarte spenden können.“

„Und die Darbietung?“

„Oper ist nicht mein Fall. Die Künstler waren bestimmt gut, aber das ist nichts für mich. Ich habe den Text nicht verstanden. Wie soll ich da der Handlung folgen? Und was ich doch begriffen habe, war höchst deprimierend. Die Geschichte wurde immer trauriger, und am Ende waren alle tot.“

„Ja, das ist weitgehend der Inhalt“, bestätigte er.

„Ich weiß, ich bin undankbar“, räumte sie seufzend ein. „Aber ich mag dieses Spiel einfach nicht. Alle beobachten uns, spekulieren und tuscheln über Chloe und Donovan. Und dann die Leibwächter! Die hasse ich wirklich. Könnten wir denn nicht …“

„Das haben wir abgehakt“, fiel er ihr ins Wort. „Ich setze deine Sicherheit nicht aufs Spiel.“

„Du glaubst doch nicht, dass es wieder zu einer Entführung kommt? Die letzte ist total gescheitert. Die drei Entführer sitzen hinter Gittern, und der Auftraggeber hat die Kaution verfallen lassen und ist auf der Flucht.“

„Childers hat bestimmt das Land verlassen. Meinen Informationen nach wurde er in Mexiko gesehen und hat sich wahrscheinlich nach Südamerika abgesetzt. Ich bin aber erst zufrieden, wenn ich genau weiß, wo sich der Kerl versteckt. Außerdem könnte wieder jemand auf den Gedanken kommen, Geld von mir zu erpressen. Solange wir beide für die Sensationsreporter als Paar auftreten, sorge ich für deine Sicherheit. Finde dich damit ab.“

Eigentlich sollte Grace sich nicht aufregen, wenn Bryan diesen bestimmenden Ton anschlug. Er war ein mächtiger Geschäftsmann und besaß großen gesellschaftlichen Einfluss. Außerdem war er gewöhnt, dass seine Befehle widerspruchslos befolgt wurden. Trotzdem ärgerte sie sich.

„Ich finde mich mit den Sicherheitsmaßnahmen bis nach Chloes Hochzeit ab“, räumte sie kühl ein. „Ich muss sie aber nicht mögen.“

„Nein“, entgegnete er lächelnd. „Mögen musst du sie wirklich nicht. Mich übrigens auch nicht. Allerdings sollte davon niemand etwas merken.“

Die Limousine fuhr über eine Schwelle auf der Straße. Bryan stützte Grace, als sie auf dem Ledersitz ein Stück rutschte. Seine Hand fühlte sich auf ihrem nackten Arm warm an, und Grace staunte über seine Kraft, die im Gegensatz zu dem eleganten Äußeren stand. Vermutlich zeigte er nach außen hin eine Fassade, damit seine Gegner ihn unterschätzten – ein Fehler, den sie kein zweites Mal begingen.

Die Fahrt zu dem Hotel in Manhattan dauerte nicht lange. Grace seufzte, als die Limousine vor dem Eingang hielt. Jetzt musste sie die Füße wieder in diese grässlichen Schuhe zwängen. Vorsichtig tastete sie mit dem rechten Fuß auf dem Boden herum.

„Ach was“, murmelte sie und griff nach den Schuhen.

Der Fahrer öffnete die Tür und reichte ihr die Hand. Sie griff nicht danach, hielt mit der einen Hand die Schuhe und mit der anderen die Korsage fest und stieg aus. Die lose Haarsträhne blies sie aus dem Gesicht.

Bryans Lächeln ärgerte sie. Irgendwann sorgte sie bestimmt dafür, dass es ihm verging. Schließlich war sie nicht zu seinem Vergnügen hier.

„Worüber grinst du denn jetzt?“

Er ließ den Blick träge über sie wandern. „Du siehst aus, als hättest du eine höchst … interessante Fahrt hinter dir“, stellte er gedämpft fest.

Barfuß, das Haar zerzaust, das Kleid verrutscht – sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie aussah. Prompt wurde sie rot, was den Eindruck verstärkte, dass sie in der Limousine heiße Spielchen getrieben hatte. Ein dicker Mann in der Eingangshalle warf einen Blick auf ihren Begleiter, den er offenbar erkannte, und lächelte dann eindeutig. „Verdammt.“

Obwohl genau dieser Eindruck geplant war, ärgerten Grace die pikanten Spekulationen, die über sie und Bryan angestellt wurden. Wahrscheinlich wäre sie zu den Aufzügen gestürmt, hätte Bryan nicht den Arm um sie gelegt und sie fest an sich gedrückt.

„Es soll doch nicht so aussehen, als hätten wir gestritten“, raunte er ihr ins Ohr, was auf andere bestimmt wie ein höchst erotischer Antrag wirkte. „Denk an deine Rolle.“

Richtig, die hatte sie freiwillig übernommen, und niemand sollte mit Recht behaupten, sie wäre darin nicht gut – Bryan am allerwenigsten. Sie drehte den Kopf ein Stück, bis ihre Lippen seine Wange berührten. „Wonach würde es aussehen, wenn ich dir jetzt den Ellbogen in den Magen ramme?“

„Vielleicht nach einer Sadomasoszene“, erwiderte er leise lachend.

„Nicht mein Fall“, wehrte sie ab und knabberte an seinem Ohr. „Trotzdem würde ich bei dir gern die Peitsche schwingen.“

Er überraschte sie mit einem Kuss auf den Mund. „Darauf komme ich später zurück“, sagte er, als er sie wieder freigab, fing ihre Faust einen Zentimeter vor seiner Magengrube ab und zog sie an die Lippen, ehe er Grace zu einem leeren Aufzug führte. Das alles war so schnell geschehen, dass bestimmt niemand etwas bemerkt hatte.

Kaum hatten sich die Türen des Aufzugs geschlossen, als Grace sich von Bryan losriss. Da sie ihm körperlich unterlegen war, begnügte sie sich mit bösen Blicken.

„Musst du mich eigentlich ständig so ansehen?“, fragte er. „Davon bekomme ich Brandblasen.“

„Der Kuss war total überflüssig.“

„Ich finde, er war eine nette Zugabe.“ Lässig putzte er nicht vorhandenen Staub vom Ärmel. „Damit haben wir die Gerüchteküche für einige Tage zum Brodeln gebracht.“

„Schön. Können wir endlich heimfliegen?“

„Du verletzt mich, wenn du es nicht erwarten kannst, mich loszuwerden.“

„Und könntest du bitte aufhören, wie eine Romanfigur aus dem neunzehnten Jahrhundert zu sprechen?“, fragte sie gereizt.

Lachend deutete er auf die Türen des Aufzugs, die sich soeben öffneten. „Tut mir leid, ich habe mich von meiner Rolle als hingebungsvoller Verehrer mitreißen lassen.“

„Ach ja, tatsächlich?“, fragte sie hoheitsvoll und verließ schwungvoll den Aufzug. Die Wirkung litt zwar darunter, dass sie über den Saum des langen Kleides stolperte, doch sie fing sich sofort wieder und übersah Bryans dargebotene Hand.

Er hatte unaufgefordert eine Suite mit zwei Schlafzimmern genommen, worauf Grace natürlich bestanden hätte. Dabei war es ihr gleichgültig, was irgendjemand darüber dachte. „Dann bis morgen Früh“, sagte sie und ging zu ihrem Zimmer.

„Kein Gutenachtkuss?“

Sie warf einen Schuh nach ihm.

Er fing die Riemchensandale auf. „Schlaf gut, Grace.“

Obwohl es bestimmt unnötig war, schloss sie die Schlafzimmertür hinter sich ab. Bryan sollte deutlich merken, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte.

Erst in einem weiten T-Shirt und einer karierten Pyjamahose fühlte Grace sich wieder wie sie selbst. Das Gesicht hatte sie gewaschen und jede Spur von Haarspray ausgekämmt.

Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte schon nach Mitternacht. Zu Hause lagen sie eine Stunde zurück. Vielleicht war Chloe noch wach. Grace wollte plötzlich unbedingt die Stimme ihrer Schwester hören, um sich daran zu erinnern, warum sie hier war.

„Hallo?“, meldete Chloe sich munter nach dem zweiten Klingeln.

„Hi, hier Grace. Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt.“

„Nein, ich habe Schreibarbeit für den Laden erledigt. Donovan hilft mir.“

Mit Donovans ‚Hilfe‘ dauerte die Arbeit vermutlich doppelt so lang, doch das behielt Grace für sich. „Wir sind gerade aus der Oper zurückgekommen.“

„Wie war es?“

Grace hätte sich endlos beschweren können, hielt sich jedoch zurück. „Die Leute haben uns angestarrt.“

„Daran musst du dich gewöhnen, wenn du mit Bryan Falcon zusammen bist. Das gilt sogar, wenn man ihn ausnahmsweise nicht erkennt. Er besitzt eine Ausstrahlung, die unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich lenkt.“

Das war Grace nur allzu deutlich bewusst. Sie war allerdings unschlüssig, ob es an seinem außergewöhnlich guten Aussehen oder an seiner Aura der Macht lag. Jedenfalls ging es ihr auf die Nerven.

„Abgesehen davon – wie war es? Hast du Berühmtheiten gesehen? Gab es viele schöne Kleider zu bewundern? Wie war die Vorstellung?“

Da es bei dem ganzen Spiel nur darum ging, dass Chloe glücklich war, verzichtete Grace auf Klagen. Die hob sie sich für Bryan auf. „Es war nett. Haufenweise Berühmtheiten! Dir hätte der Abend Spaß gemacht. Bei Donovan wäre ich mir da nicht ganz so sicher.“

„Vermutlich hast du recht, aber mir zuliebe wäre er hingegangen.“

Daran zweifelte Grace nicht. Donovan Chance verwöhnte ihre Schwester unbeschreiblich. Obwohl er ein schlachtenmüder Kämpfer war, der Mühe hatte, Gefühl zu zeigen, tat er alles für diese Beziehung. Zu den Menschen, die ihm etwas bedeuteten, war er absolut loyal. Dazu gehörten in erster Linie Chloe und Bryan, sein Arbeitgeber und bester Freund seit der High School.

Da auch für Grace das Glück ihrer Zwillingsschwester an oberster Stelle stand, war sie diesmal mit Chloes Wahl einverstanden. Das war völlig anders gewesen, als Chloe eine Ehe mit Bryan Falcon in Betracht gezogen hatte.

Die beiden Schwestern unterhielten sich noch eine Weile, bevor Grace sich verabschiedete, ans Fenster trat und auf die Lichter der Stadt blickte, die völlig anders als ihre Heimatstadt war.

Chloe klang in letzter Zeit stets ausgeglichen und zufrieden. Einerseits freute Grace sich, dass sie zum Glück ihrer Schwester beitrug, aber sie kam sich andererseits in dieser albernen Scharade gefangen vor. Und dieses Gefühl, gefangen zu sein, war ihr in den letzten Jahren nur allzu vertraut geworden.

Bryan bezweifelte, dass es eine gute Idee gewesen war, Grace dazu zu bewegen, mit ihm ein Liebespaar zu spielen. Sie konnte ihn nicht ausstehen.

Mit der Fernsteuerung für den Fernseher in der einen und einem Glas Orangensaft in der anderen Hand, lag er auf seinem Bett. Der heutige Abend wäre beinahe schief gegangen, vor allem wegen des Magenhakens. Hätte er Grace’ Hand nicht abgefangen, hätte er sich in der Hotelhalle gekrümmt, und das wiederum hätte er in den morgigen Zeitungen nachlesen können.

Er hätte sie nicht küssen sollen, aber es hatte ihn einfach übermannt. Seit Wochen wollte er nun schon Grace Pennington küssen. Ihn überraschte dieser Wunsch, sie stieß er ab.

Sie kannten einander nun schon fast ein halbes Jahr. Trotzdem wusste er noch immer nicht, warum sie eigentlich dermaßen gegen ihn war. Ihre Zwillingsschwester mochte ihn, seit er im letzten Winter zufällig Mirror Images – „Spiegelbilder“ – betreten hatte, den Laden für Dekorationsartikel in Little Rock, den Chloe und Grace gemeinsam führten.

Schon nach einem Monat hatte er das Thema Heirat angesprochen. Er hatte nie so getan, als würde er Chloe lieben, aber er hatte sie sehr gemocht, bewundert, respektiert und auch attraktiv gefunden. Natürlich kannte er den Unterschied zwischen Zuneigung und Liebe. Nach Betrachten der wenigen funktionierenden Ehen in seinem Bekanntenkreis war er jedoch zu dem Schluss gekommen, dass aufrichtige Freundschaft die beste Grundlage für eine lebenslange Partnerschaft war.

Früher hatte er sich nach seinem Herzen – und weniger oft besungenen Organen – gerichtet und Beziehungen zu schönen, aber meist auch egozentrischen Frauen unterhalten, war jedoch stets enttäuscht worden. Dafür hatten die Klatschzeitschriften reichlich Material für ihre Berichte gefunden.

Sein Freund Donovan war nicht damit einverstanden gewesen, dass er an die Ehe wie an ein Geschäft herangehen wollte. Donovan hatte ihn auf Liebe und Leidenschaft hingewiesen, wovon er selbst jedoch nichts wissen wollte. Das war allerdings noch vor dem Zusammentreffen zwischen Donovan und Chloe gewesen. Zu dem Zeitpunkt hatte nur Bryan kurz vor seinem neununddreißigsten Geburtstag geplant, eine Familie zu gründen.

Chloe war scheinbar die ideale Kandidatin gewesen. Sie erfüllte alle Anforderungen, war fast zehn Jahre jünger als Bryan und wünschte sich Kinder. Völlig unerwartet hatte sie sich jedoch Hals über Kopf in Donovan verliebt, und umgekehrt er in sie. Damit war Bryans ganzer schöner und logischer Plan geplatzt.

In der Suite klirrte es. Bryan schnellte vom Bett hoch und riss kampfbereit die Tür auf.

2. KAPITEL

Grace kauerte im Wohnzimmer neben der Bar und sammelte auf dem dicken cremefarbenen Teppichboden Glasscherben ein, als Bryan aus seinem Schlafzimmer stürmte. Hätte sie ihn nicht schon so erlebt, wäre sie überrascht gewesen, wie gefährlich dieser sonst so lässig charmante Mann auf einmal wirkte. Damit hatte er den Urheber der Entführung so eingeschüchtert, dass der Mann sogar um sein Leben fürchtete.

„Mir ist ein Glas aus der Hand gefallen“, erklärte sie hastig. „Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt.“

„Ich habe noch nicht geschlafen“, erwiderte er und kam barfuß zu ihr. „Hast du dich geschnitten?“

„Nein, alles in Ordnung.“ Sie stand auf und warf die Scherben in den Papierkorb. „Wahrscheinlich habe ich alle Stücke gefunden, aber du solltest trotzdem mit bloßen Füßen vorsichtig sein.“

Anstelle des Smokings trug er jetzt ein weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt und eine graue Trainingshose, und das Haar war zerzaust, doch er sah genauso toll wie im Maßanzug aus. Bryan Falcon war unzweifelhaft der attraktivste Mann, den sie jemals kennengelernt hatte, und bei seinem Anblick wurde ihr jedes Mal flau im Magen. Daran hatte sie sich zwar schon gewöhnt, aber um diese späte Stunde und allein mit ihm in einer Hotelsuite setzten ihr die Empfindungen mehr als sonst zu.

Er lehnte sich an die Bar. „Kannst du dich nicht entspannen?“

„Ich habe Durst“, entgegnete sie und nahm ein anderes Glas aus dem Schrank.

„Im Kühlschrank steht ein Behälter mit frisch gepresstem Orangensaft. Ich trinke gern welchen vor dem Einschlafen.“

„Auch einer deiner Sonderwünsche?“, fragte sie und öffnete den kleinen Kühlschrank, der in der Wandtäfelung eingebaut war.

„Ja.“

„Es ist bestimmt nicht schlecht, wenn man alles bekommt, was man sich wünscht.“

„Stimmt“, bestätigte er und nickte, als sie ihn fragend ansah und dabei den Behälter hochhielt. Sie füllte auch für ihn ein Glas, mit dem er sich aufs Sofa setzte. Grace wählte einen Sessel.

„Gehen wir morgen zu diesem aufsehenerregenden Mittagessen, oder möchtest du vorzeitig heimfliegen?“

Liebend gern hätte sie genau das getan, doch sie schüttelte den Kopf. „Wenn wir uns überall in der Stadt zeigen, verstärkt es den Eindruck, dass wir ein Paar sind. Das hast du selbst gesagt, und genau deshalb sind wir hier.“

„Und du hältst ein ganzes Essen durch, ohne einen vollen Teller in meinen Schoß zu kippen?“

„Die Frage ist, ob du ein ganzes Essen durchhältst, ohne mich so wütend zu machen, dass ich einen vollen Teller in deinen Schoß kippe“, entgegnete sie.

„Ich werde mich bemühen“, erwiderte er lächelnd.

„Dann werde ich mich ebenfalls bemühen.“ Jetzt lächelte auch Grace, wurde jedoch schnell wieder ernst, als er ihren Mund betrachtete.

„Was genau ärgert dich eigentlich so an mir?“, erkundigte sich Bryan. „Ich frage nur, damit morgen kein Essen auf meiner Hose landet.“

Sie wich seinem Blick aus. „Ich verspreche dir, dass ich nicht mit Essen nach dir werfen werde. Schließlich weiß ich, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns lenken, damit Chloe und Donovan in Ruhe ihre Hochzeit planen können.“

„Allerdings würde es sogar sehr viel Aufmerksamkeit auf uns lenken, wenn du mit Essen nach mir wirfst.“

„So habe ich mir das Ablenkungsmanöver aber nicht vorgestellt.“

Er ließ sie nicht aus den Augen. „Im Ernst, Grace. Was stört dich an mir so sehr? Klar, du hast mich abgelehnt, als ich deine Schwester heiraten wollte, aber das ist erledigt. Also, habe ich etwas gesagt oder getan? Magst du nicht, wie ich gehe, spreche oder rieche?“

Jetzt musste sie lächeln. „Du riechst eigentlich ganz gut. Richtig teuer.“

„Old Spice“, erklärte er spöttisch. „Meine Haushälterin bringt es mir aus dem Supermarkt mit. Mein Großvater hat es immer benützt.“

Sie sah ihn verblüfft an.

„Das überrascht dich?“

„Es überrascht mich nicht, dass du eine Haushälterin hast, wahrscheinlich in jedem deiner Häuser eine.“

„Dann stört dich also das Geld.“

Das Thema war ihr unangenehm. „Sagen wir, ich bin nicht an so viel Geld und Macht gewöhnt.“

„Wäre es dir lieber, ich würde alles verschenken?“

„Nein, ich meine …“

„Dann ist es also nicht nur das Geld. Du magst mich nicht.“

Sie seufzte tief auf. „Ich habe nicht behauptet, dass ich dich nicht mag.“

„Nein. Wenn ich mich recht erinnere, hasst du mich.“

„Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe“, wehrte sie vorwurfsvoll ab. „Ich habe nur nach einem unangenehmen Abend Dampf abgelassen.“

„Dann magst du mich also doch?“

Frustriert stellte sie das halb volle Glas auf den Tisch. „Ich kenne dich kaum, Bryan. Du bist ins Leben meiner Schwester eingebrochen und hast sie fast zu einer Vernunftehe überredet. Damit war ich nicht einverstanden, weil Chloe etwas Besseres verdient hat, nämlich das Glück, das sie nun bei Donovan findet.“

„Sie hat Donovan meinetwegen kennengelernt“, erinnerte er sie.

„Aber sie wurde deinetwegen auch entführt und hat vier Tage lang schwer gelitten“, erwiderte sie. „Die Klatschreporter haben sich darauf gestürzt, dass Chloe dich hat abblitzen lassen und deinen besten Freund heiratet. Die Skandalgeschichten haben Donovan belastet, weil er eisern zu dir hält. Das wiederum hat Chloe die Freude an der bevorstehenden Hochzeit verdorben.“

„Mir ist klar, dass ich Chloe Probleme verursacht habe“, bestätigte er ziemlich steif. „Deshalb wollte ich ja die Reporter von ihr ablenken. Ich habe mich nur kurze Zeit mit ihr getroffen. Chloe ist jetzt mit Donovan verlobt. Du und ich, wir geben uns als Paar aus. Nun glauben die Reporter allmählich, sie hätten sich anfänglich in der Zwillingsschwester geirrt.“

„Ich hoffe wenigstens, dass sie das glauben“, sagte Grace, „weil sonst die ganze Mühe umsonst gewesen wäre.“

„Es erscheinen bereits Artikel, in denen spekuliert wird, dass Chloe und Donovan entführt wurden, weil es zu einer Verwechslung kam.“

„Die Entführer haben jedenfalls nicht damit gerechnet, dass Donovan mit Chloe fliehen würde und dass du die Täter so rasch entlarven könntest.“

„Wenn man reich ist, wird man zur möglichen Zielscheibe von Verbrechern. Deshalb steht die Sicherheit bei mir an erster Stelle.“

„Das ist mir nicht entgangen“, stellte Grace fest und dachte an die diskreten, aber unvermeidlichen Leibwächter, die sie in den letzten Wochen häufig beschattet hatten.

„Kopf hoch! Die Hochzeit findet in einem Monat statt. Danach brauchen wir uns nicht mehr so häufig in der Öffentlichkeit zu zeigen, und irgendwann wird es völlig überflüssig. Wir behaupten dann, wir hätten uns entfremdet, würden aber natürlich Freunde bleiben, weil wir wegen Donovan und Chloe oft zusammentreffen werden.“

„Warum sollten wir nach dieser Komödie nicht freundschaftlich miteinander umgehen?“

„Eben, warum sollten wir nicht?“, bestätigte er lächelnd.

Jetzt amüsierte er sich schon wieder über sie! Langsam sollte sie sich daran gewöhnen. Grace stand auf. „Es ist spät. Ich gehe schlafen.“

„Gute Idee.“ Bryan stemmte sich vom Sofa hoch, griff nach den Gläsern und ging zur Bar. „Ich stelle sie noch …“

Grace hatte schon ihr Zimmer erreicht, als er stockte. Sie drehte sich um, sah sein Gesicht und wusste, was passiert war. „Du bist auf eine Glasscherbe getreten, nicht wahr?“

Er hob den rechten Fuß an und hinterließ einen roten Fleck auf dem hellen Teppich. „Sieht ganz so aus.“

Bryan rechnete damit, dass Grace ihm den Kopf abbiss, weil er so unvorsichtig gewesen war. Stattdessen kam sie besorgt zu ihm.

„Zeig her!“

„Ist schon gut. Es ist nur …“

Sie schob ihn zu einem Hocker an der Bar. „Zeig mir den Fuß!“

Er gehorchte und sog scharf die Luft ein, als sie vorsichtig die Scherbe berührte, die in der Wunde steckte.

Grace zog die Hand zurück. „Ich habe Verbandszeug in meinem Zimmer. Warte hier.“

„Ich kann selbst …“

„Du rührst dich nicht von der Stelle!“, befahl sie.

„Ja, Ma’am.“

Sie kam gleich wieder, stellte einen kleinen Kunststoffbehälter auf die Bar und öffnete ihn. Bryan entdeckte darin ein Thermometer, einzeln abgepackte Schmerztabletten, ein fiebersenkendes Mittel, Desinfektionssalbe, Tupfer, Pinzette, Schere und Pflaster.

„Du bist gut für Notfälle ausgerüstet.“

„Ich bin gern auf alles vorbereitet.“ Sie griff wieder nach seinem Fuß. „Bestimmt tut es weh, wenn ich die Scherbe herausziehe.“

„Das halte ich schon aus.“ Diesmal zuckte er nicht einmal mit der Wimper, als sie das Glas aus der Wunde entfernte. Es überraschte ihn, wie behutsam sie mit ihm umging. Er spürte es kaum, als sie den Schnitt mit Alkohol säuberte. „Du machst das gut.“

„Ich habe Erfahrung“, antwortete sie und griff nach der Salbe. „Mein ehemaliger Verlobter war beim Rodeo, weil er sich für einen Cowboy hielt. Ich habe ihn jedes Mal zusammengeflickt, wenn …“ Sie stockte unvermittelt. „So, fertig. Jetzt blutest du wenigstens nicht den schönen Teppich voll. Der Schnitt ist nicht tief und wird dich kaum stören.“

Er wartete, bis sie den Behälter geschlossen hatte, ehe er beiläufig fragte: „Dein Verlobter?“

„Ehemaliger Verlobter. Ich möchte nicht über ihn sprechen.“

„Wie du willst.“

„Ja, wie ich will! Kannst du mit dem Fuß auftreten?“

Autor

Gina Wilkins
Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden! Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt seitdem...
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