Achtung - sexy Boss!

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Hannah kann ihren Urlaub kaum erwarten: Vier Tage im wild-romantischen Tasmanien, wo die Hochzeit ihrer Schwester stattfindet! Denn Hannah braucht dringend eine Auszeit von ihrem sexy Boss Bradley Knight. Aber Überraschung: Bradley besteht darauf, sie zu begleiten!


  • Erscheinungstag 27.10.2017
  • Bandnummer 0004
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709884
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie sind es doch, oder?“

Der umwerfend attraktive Mann mit der dunklen Sonnenbrille erstarrte. Auf die bunte Passantenmenge, die am späten Nachmittag an dem Straßencafé auf der Brunswick Street entlanghastete, wirkte er einfach nur cool. Groß, breitschultrig und dunkelhaarig. Und sein Lächeln war so verführerisch, dass es ein buchstäbliches Verkehrschaos auslöste.

Aber Hannah wusste es besser.

Sie verwettete ihre gesamten Ersparnisse darauf, dass er sich seines gnadenlos guten Aussehens sehr genau bewusst war. Im Moment schien er nur verzweifelt zu hoffen, dass die ältere Dame an eine Verwechslung glaubte.

Doch er hatte kein Glück.

„Natürlich sind Sie es!“ Entschlossen stampfte die Frau mit dem Fuß auf. „Der Produzent von ‚Voyagers‘. Ich habe Sie in Zeitschriften und im Fernsehen gesehen. Meine Tochter findet Sie toll. Sie möchte sogar ein Casting mitmachen, um von Ihnen mit Zahnbürste und Schokoladenkeksen die Berge hinaufgeschickt zu werden. Und das soll was heißen! Man kriegt das Mädchen nicht mehr vom Sofa herunter. Wissen Sie was? Ich gebe Ihnen ihre Telefonnummer. Sie ist hübsch und dazu noch Single …“

Hannah, die ihrem Chef gegenübersaß, wurde von der Frau keines Blickes gewürdigt. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.

Ihr Chef war wie die Berge, deren Bezwingung ihn berühmt gemacht hatte: ein Hüne, zäh, unnachgiebig und rätselhaft. Deshalb amüsierte sich Hannah auch jedes Mal, wenn er nervös wurde, sobald ihm ein übereifriger Fan zu nahe kam.

Hannah arbeitete seit rund einem Jahr für Bradley Knight und hatte schnell festgestellt, dass offene Bewunderung die Achillesferse ihres Chefs war. Auszeichnungen, überschwängliche Kollegen und Schmeichler – all das war ihm zuwider.

Und dann waren da die Fans. Die unglaublich vielen Fans, die ihn verehrten. Und es gab keinen Zweifel daran, dass man Bradley Knight mit seinen fast zwei Metern Größe einfach verehren musste. Ritterlich verehren musste, wie sein Name schon sagte.

Unwillkürlich spürte Hannah einen Kloß im Hals.

Sie räusperte sich und fing an, unruhig auf ihrem Stuhl umherzurutschen.

Ihr Chef durfte auf keinen Fall merken, dass auch sie in schwachen Momenten Schmetterlinge im Bauch hatte, sobald sie an ihn dachte. Dass sie feuchte Hände und Hitzewallungen bekam. Ihre heißen Fantasien konnte sie nicht einmal ihrer besten Freundin erzählen, die Hannah ohnehin ständig damit aufzog, wie nah sie täglich ihrem gut aussehenden Chef kam.

Autohupen holte Hannah in die Realität zurück, schwer atmend und mit verträumtem Blick auf Bradley.

Sie hatte hart gearbeitet und jede erdenkliche Stelle angenommen, um letztendlich ihren Traumjob zu finden. Und sie würde alles tun, um ihn zu behalten.

Abgesehen davon war es Zeitverschwendung, einen Kerl wie Bradley Knight anzuhimmeln. Er war eine harte Nuss und ließ keinen an sich heran, auch sie nicht. Und wenn es um Beziehungen ging, war Hannah bedingungslos: Sie suchte ihren Traumprinzen.

Also vergiss ihn.

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Fast vier. Puh. Das vor ihr liegende Wochenende kam wie gerufen. Vier Tage Urlaub von ihrer stressigen Arbeit waren genau das, was sie jetzt brauchte.

Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Frau zu. Man konnte meinen, dass sie ihren Chef mit vorgehaltenem Messer bedrohte, so gespenstisch still saß er da.

Hannah schob den Stuhl zurück und entschied sich einzuschreiten, um Bradley weitere Qualen zu ersparen. Sie legte einen Arm um die Frau und schob sie unsanft vom Tisch weg.

Die Frau schien erst jetzt ihre Anwesenheit zu bemerken. „Kennen Sie ihn?“, fragte sie atemlos.

Hannah warf einen Blick auf Bradley. Sie wusste selbst nicht, welcher Teufel sie gerade ritt, als sie der Frau zuraunte: „Besser als er sich selbst.“

Die Frau riss die Augen auf und musterte Hannah. Dabei schien ihr kein Detail zu entgehen: Die Knoten, die sich für gewöhnlich nachmittags in Hannahs Haar bildeten. Die vielen Knitterfalten in ihrem Designerkleid. Die Uhr ihres Vaters, die viel zu groß war für ihr schmales Handgelenk. Die Cowboystiefel, die unter ihrer Kleidung hervorlugten.

Die Frau lächelte.

Hannah ahnte plötzlich, dass sie mit der nichtsnutzigen Tochter verglichen wurde, die sich nie vom Sofa wegbewegte. Sie wurde kleinlaut und schwieg.

Acht Stunden zuvor hatte sie noch ausgesehen wie die persönliche Assistentin des erfolgreichsten australischen Fernsehproduzenten und Bergsteigers – und das, obwohl sie in der Provinz aufgewachsen war. Doch trotz aller persönlichen Veränderungen merkte man ihr die provinzielle Vergangenheit noch immer an …

Sie verdrängte das Thema und erwiderte schulterzuckend: „Ich bin Mr Knights persönliche Assistentin.“

„Oh.“ Die Frau nickte, als ob es keinen anderen Grund geben konnte, warum sich ein Mann wie Bradley mit einer Frau wie Hannah abgab.

Nach einem kurzen Gespräch drehte Hannah die Frau in die entgegengesetzte Richtung, gab ihr einen kleinen Schubs und winkte ihr zum Abschied zu. Geistesabwesend trottete die Frau die Straße entlang.

Hannah seufzte erleichtert. Sie hatte wieder eine Aufgabe erledigt. Als sie sich umdrehte, hatte Bradley die Sonnenbrille hochgeschoben, sodass man einen kurzen Blick auf seine faszinierenden silbergrauen Augen werfen konnte. Einen sehr kurzen Blick.

Dann begann sich Bradley zu dehnen. Langsam reckte er Muskel für Muskel seinen beeindruckenden Körper, bis er seine langen Beine ganz unter dem Tisch ausgestreckt hatte.

Doch seine Lässigkeit war gespielt. Sie war seine Waffe im Kampf gegen das gewisse Etwas, das die Menschen um ihn herum anzog wie die Motten das Licht. Aber die mühsam unterdrückte Kraft, die in seinem Innern brodelte, machte ihn nur noch unwiderstehlicher. Ein vertrautes Gefühl strich über Hannahs Haut, sanft dahinschmelzend und pulsierend.

Sie wusste, dass er seine schlechte Laune wegen des Geschehenen an ihr auslassen würde. Doch es gelang ihr nicht, sich innerlich von ihm zu lösen.

Es war ihr noch nie gelungen.

Hannah brauchte Zeit und Abstand von Bradley und seinen kreativen Visionen. Zeit und Abstand, um einen Mann kennenzulernen. Ihren Traumprinzen.

Sie wusste, dass er irgendwo da draußen war. Sie würde auf ihn warten. Keine Kompromisse eingehen wie ihre Mutter, die sich nach dem Tod ihres Vaters in drei Ehen gestürzt hatte, die alle unglücklich endeten. So stellte sie sich ihr Leben nicht vor.

Das schöne Gesicht ihres Chefs war ihr jetzt so nahe, dass Hannah der Atem stockte. Bradley Knight war ein echter Hingucker. Doch bei ihm war Herzschmerz vorprogrammiert. So viele hatten schon ihr Glück mit ihm versucht und viele mehr würden es noch tun, doch niemandem würde es gelingen, den Berg zu bezwingen. Bis jetzt hatte ihn noch keine Frau halten können.

Hannah zupfte an ihrem Pferdeschwanz, setzte ein Lächeln auf und ging zum Tisch zurück. Bradley sah nicht auf. Wahrscheinlich hatte er ihre Abwesenheit noch nicht einmal bemerkt.

„Eine nette Dame“, flötete Hannah. „Wir sollten ihrer Tochter eine signierte Kopie der letzten Staffel von ‚Voyagers‘ schicken.“

„Warum immer ich?“, fragte Bradley, den Blick in die Ferne gerichtet.

„Du bist eben ein Glückspilz“, erwiderte sie sarkastisch.

„Findest du, dass ich glücklich bin?“, fragte er.

„Oh ja. Das ist dir in die Wiege gelegt worden. Warum solltest du sonst so verdammt erfolgreich sein in allem, was du machst?“

Er wandte sich Hannah zu. Trotz der dunklen Sonnenbrille hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit einschlagende Wirkung. Ihr Herz schlug schneller.

Mit rauer Stimme meinte er: „Dann ist also mein Leben keine Mischung aus harter Arbeit und männlichen Primärinstinkten?“

Hannah sah in den wolkigen blauen Himmel und versuchte sich zu sammeln. „Nein“, erwiderte sie.

Sein polterndes Lachen rüttelte an ihren ohnehin schon strapazierten Nerven. Eine Hitzewelle fuhr durch ihren Körper. Wie leichtsinnig von ihr, sich in die Höhle des Löwen zu wagen!

„Wenn du das Geheimnis deines Erfolgs wissen willst, dann ruf die Tochter dieser Dame an. Lade sie zum Abendessen ein, und frag sie selbst.“ Sie wedelte mit dem Zettel, auf dem Adresse und Telefonnummer der Frau standen. „Ich denke gerade an einen PR-Coup: ‚Bradley Knight verabredet sich mit einem weiblichen Fan. Verliebt sich und zieht in einen Vorort. Wird Trainer der Kinderbaseballmannschaft. Und gibt nun jedes Wochenende Grillpartys.‘“

Sie sah, wie er hinter der Sonnenbrille die Stirn runzelte. Dann setzte er sich langsam aufrecht hin. Es sah sogar halbwegs lässig aus, und doch war er spürbar angespannt. Hannahs Herz pochte aufgeregt.

„Wie gut …“, setzte er in warnendem Ton an, „… dass du meine Assistentin bist und nicht meine Pressebeauftragte.“

Hannah schob den Zettel in ihren übervollen Terminkalender. „Das ist wahr. Denn ich möchte nicht für alles Geld der Welt meine Tage damit verbringen, die Menschheit von deiner Einzigartigkeit zu überzeugen. Ich arbeite viel, aber auch für mich gibt es Grenzen.“

Stirnrunzelnd beugte er sich über den Tisch. Für einen Moment verdeckte Bradley mit seinem imposanten Körper die Sonne. Der goldene Lichtkranz über seinem Kopf betonte seine Größe noch mehr.

Ihre Finger berührten einander fast. Hannah spürte, wie sich jedes einzelne Haar auf ihren Armen lustvoll aufrichtete. Um ihn nicht aus Versehen zu streifen, schob sie ihre Füße so weit wie möglich unter den Stuhl zurück.

„Wir sind heute nicht zum Scherzen aufgelegt, was?“ Seine Stimme war ruhig und leise. Ihr ganzer Körper vibrierte.

Er reckte sein Kinn in ihre Richtung. „Stimmt etwas nicht?“

Und dann nahm er die Sonnenbrille ab. Seine Augen waren rauchgrau und nahmen, je nach Stimmung, die Farbe von Quecksilber an. Im Augenblick waren sie von undurchdringlichem Anthrazit.

Der Mann war ein solcher Workaholic, der gleich ein Dutzend Anweisungen gab, wenn er Hannah nur erblickte. Doch jetzt sah er sie abwartend an. Hannahs Kehle zog sich zusammen.

„Ob etwas nicht stimmt?“, wandte eine fremde Stimme ein. „Nun ja, unsere Hannah ist in Gedanken schon bei ihrem sündigen Wochenende.“

Hannah erschrak so sehr, dass sie sich auf die Lippe biss.

Trotz des einschießenden Schmerzes war sie fast sicher, den Bruchteil einer Sekunde Enttäuschung auf Bradleys Gesicht bemerkt zu haben. Mit der Zunge spielte sie an ihrer geschwollenen Lippe und bemerkte, dass Bradley sie dabei beobachtete.

Und als ob sie sich das Ganze nur eingebildet hätte, sah er schließlich weg, lehnte sich zurück und wandte sich an den Urheber des frechen Kommentars.

„Sonja!“, rief er gedehnt. „Schön, dich zu sehen.“

„Ganz meinerseits“, erwiderte Sonja.

„Perfektes Timing“, fügte Hannah mit leicht belegter Stimme hinzu. „Bradley wollte mir gerade deinen Job anbieten.“

Sonja schien völlig ungerührt. Als Hannah den amüsierten Gesichtsausdruck ihres Chefs sah, stieg ein warmes Gefühl in ihr auf, und sie musste schmunzeln. Sonja war nicht nur Bradleys PR-Guru, sie war auch Hannahs Mitbewohnerin. Und der einzige Grund, warum Hannah mit einem Haartrockner umzugehen wusste und sich in ihrem Kleiderschrank nicht nur die unvermeidlichen Jeans und T-Shirts befanden.

Sonja zwängte ihre Kurven in einen Stuhl und schlug die Beine übereinander. Dabei ließ sie ihr iPhone nicht eine Sekunde aus den Augen. Blitzschnell strich sie mit einem pink lackierten Fingernagel über das Display.

Hannah wurde unruhig. Sie legte eine Hand auf das Handy der Freundin. Sonja blinzelte verwirrt.

„Wenn du auch nur daran denkst, irgendetwas über mein ausschweifendes Wochenende zu twittern, bestelle ich einen Rote Beete-Burger und werfe ihn auf dein Kleid.“

Sonja blickte stirnrunzelnd auf ihr Ensemble aus cremefarbener Wolle. Langsam schob sie das iPhone in das winzige Krokolederetui zurück.

„Warum habe ich schon wieder das Gefühl, anders zu sein als alle anderen?“, setzte Bradley an.

Beide Frauen wandten sich ihm zu.

Mit gequältem Gesichtsausdruck fuhr er fort: „Mir wird schon schlecht bei dem Gedanken, aber ich muss es einfach wissen. Sünde? Ausschweifung?“

Bei dem Wort „Ausschweifung“ warf er Hannah einen unergründlichen Blick zu, bevor er sich wieder Sonja zuwandte. Dieser Bruchteil einer Sekunde genügte, dass Hannah der Atem stockte.

Junge, sie brauchte wirklich Urlaub. Und zwar sofort.

Sonja bestellte einen Espresso. „Für einen so schlauen Kerl hast du, wenn es nicht gerade um dich oder deine Berge geht, ein Gedächtnis wie ein Sieb. Dieses Wochenende fährt Hannah nach Hause ins wunderschöne Tasmanien und ist Trauzeugin auf der Hochzeit ihrer Schwester Elyse. Und sie hat die Hochzeit organisiert.“

Sein Blick wanderte zurück zu Hannah. „Ist das schon dieses Wochenende?“

Hannah sah ihn flüchtig an. Sie hatte ihm wahrscheinlich ein Dutzend Mal in den vergangenen beiden Wochen davon erzählt, aber offenbar war es nicht bei ihm angekommen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

Sonja hatte ins Schwarze getroffen. Wenn Bradley an etwas nicht interessiert war, blendete er es schlichtweg aus.

„Ich fahre dieses Wochenende nach Neuseeland“, meinte er.

„Stimmt.“ Hannah sah auf ihre Uhr. „Und ich bin in zehn Minuten weg. Was sind denn deine Pläne, Sonja?“

In ihren Worten lag unüberhörbarer Sarkasmus. Sonja musste grinsen. „Ich werde schrecklich neidisch und ganz allein in unserer kleinen Wohnung sitzen. Du wirst dieses Wochenende das große Los ziehen und jeden Kerl bekommen, den du willst.“

„Welches Los?“, fragte Hannah.

Sonja sah ihr tief in die Augen. „Unmengen schicker, in Aftershave gebadeter Männer auf der Suche nach Romantik. Und auf Trophäenjagd. Gibt es in der Geschichte der Menschheit eine eindeutigere Veranstaltung?“

Mit diesen Worten lehnte sich Sonja zurück und wandte sich wieder ihrem iPhone zu.

Hannah saß stocksteif da. Der Nachmittag war kühl, doch ihr wurde langsam wärmer. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie als Trauzeugin so weit entfernt war, und hatte sich daraufhin entschieden, die Hochzeit ihrer kleinen Schwester zu organisieren. Ein Urlaubsflirt war ihr in den wenigen freien Minuten, die sie am Tag zur Verfügung hatte, überhaupt nicht in den Sinn gekommen.

Aber vielleicht war ein heißes Wochenende genau das, was sie brauchte. Entspannen, abtauchen, auftanken – und daran erinnert werden, dass es außerhalb von Bradley Knights Einflussbereich noch eine andere Welt gab.

„Die Trauzeugen werden Spitzenklasse sein“, fuhr Sonja fort. „Und so scharf wie Nachbars Lumpi. Am besten meidest du sie. Mein Rat ist: Such dir einen Hochzeitsgast aus, der kein Verwandter ist, das ist viel geheimnisvoller. Oder einen Fischer.“

Hannah lachte und versuchte, Sonjas lautstarke Worte zu ignorieren.

„Du nimmst doch die Pille, oder?“

„Sonja!“

Das ging entschieden zu weit. Abgesehen davon war sie so erschöpft und ihre Arbeit so anstrengend, dass sie nicht wusste, warum sie die Pille überhaupt nahm.

Doch jetzt lagen vier Ferientage vor ihr. In einer märchenhaften Winterlandschaft inmitten der Wildnis, umgeben von Dutzenden Singlemännern. Zum ersten Mal wurde ihr warm ums Herz bei dem Gedanken, nach Hause zu fahren.

Wie groß war wohl die Chance, den Mann ihres Lebens auf der Insel zu treffen, die sie vor so vielen Jahren verlassen hatte? Zum Kennenlernen blieb jedenfalls ausreichend Zeit.

Als sie die Augen aufmachte, sah sie, dass Bradley die Stirn runzelte. Hatte es womöglich mit ihr zu tun?

Sie schob die auf dem Tisch verstreuten Papiere in eine große Ledertasche und sagte mit fester Stimme: „Ich werde im Büro nachsehen, ob Spencer noch etwas für dieses Wochenende braucht.“

„Das ist also deine Vertretung für einen wichtigen Drehortsucher? Der verknallte Praktikant?“

In der Tasche ballte sie ihre Hand zur Faust und sah ihren Chef an. „Spencer ist nicht in mich verknallt. Er möchte nur so sein wie ich.“

Bradley zog die Augenbrauen hoch. „Der Junge wird schon nervös, wenn du nur den Raum betrittst.“

Soso, das hatte er also bemerkt …

„Umso besser. Ohne mich hast du ein entspanntes Wochenende.“

„Soll das ein Scherz sein?“

Hannah zuckte die Schultern. „Du weißt, Pressearbeit ist nicht meine Stärke. Aber ich bin ja zum Glück so unersetzbar, dass du mich kläglich vermissen wirst. Eigentlich wäre es an der Zeit für eine Gehaltserhöhung.“

Der Kommentar war unnötig gewesen. Doch nun war es gesagt. Bradleys graue Augen verdunkelten sich drohend. Abwesend griff er nach dem Keks auf Sonjas Untertasse und wechselte scheinbar unbeeindruckt das Thema. „Vier Tage.“

„Vier Tage und Vorbereitungen wie bei einer königlichen Trauung. Die Hochzeit ist am Sonntag. Ich bin am Dienstagmorgen zurück.“

„Übersät von Knutschflecken“, warf Sonja überflüssigerweise ein. „Hannahs Mutter war immerhin Miss Tasmanien. Dort unten ist Hannah heiß begehrte Ware.“

Zum Glück entdeckte Sonja in diesem Moment ein neues Opfer. Winkend und laut rufend lief sie davon und überließ Hannah und Bradley wieder sich selbst.

Bradley beobachtete Hannah schweigend. Sonjas eindeutige Anspielung klang immer noch nach. Hannah wollte vor Scham in den Erdboden versinken.

„Du fährst also morgen nach Hause?“, fragte er sie leise.

„Ja, morgen früh. Heute Nacht habe ich geträumt, die Spirit of Tasmania sei von Piraten gekapert worden.“

„Du fährst mit dem Schiff?“ Sicher, ein Liegestuhl an Deck eines Luxuskreuzschiffs entsprach nicht gerade Bradleys Vorstellung von Abenteuer. Blut, Schweiß und Tränen – das war es, was der Mann suchte. Insgeheim packte sie schon mal Tabletten gegen Seekrankheit ein.

Sie würde ihm nicht den wahren Grund anvertrauen, warum sie eine eintägige Schiffsreise einem einstündigen Flug vorzog. Denn in Wahrheit hatte sie Angst, nach Hause zu kommen.

Die zwölfstündige Schiffsüberfahrt war ein Geschenk des Himmels. Seit sie Tasmanien vor sieben Jahren den Rücken gekehrt hatte, war sie nur einmal nach Hause gekommen. Zur pompösen fünfzigsten Geburtstagsfeier ihrer Mutter, wie man ihr gesagt hatte. In Wahrheit feierte sie ihre dritte Hochzeit mit einem Kerl, der ein Vermögen mit Gartenutensilien gemacht hatte. Hannah war völlig entsetzt gewesen. Ihre Mutter verstand sie nicht, und die arme Elyse, damals sechzehn, stand zwischen ihnen. Eine absolute Katastrophe.

Und wenn sie zwölf Stunden lang trockene Cracker essen und auf den Punkt zwischen Daumen und Zeigefinger drücken musste, damit ihr nicht übel wurde – das war es ihr wert.

„Kennst du Tasmanien?“, fragte sie, um vom Thema abzulenken.

Er schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich.“

Hannah sah ihn mit offenem Mund an. „Nein? Unglaublich, wo es doch um die Ecke liegt! Und so wunderschön und unberührt. Die zerklüfteten Klippen von Queenstown, die aussehen, als ob Kupfer von riesenhaften Klauen aus der Erde gerissen wurde. Ocean Beach, wo der Wind die wilde Küste entlangfegt. Und dann Cradle Mountain, wo die Hochzeit stattfindet. Der Berg liegt atemberaubend am Ufer eines kristallklaren Sees. Und das ist nur ein winziger Teil der Westküste. Die ganze Insel ist wie Magie, so üppig und unverdorben. Eine echte Herausforderung …“

Sie holte tief Luft und bemerkte, dass Bradley sie mit seinen dunkelgrauen Augen betrachtete. Und ihr zuhörte. Wirklich zuhörte.

Ihr Herz begann heftig zu klopfen. Die Fantasie ging mit ihr durch. Und Bradleys Verschlossenheit machte das Ganze nur noch reizvoller. Sie dachte an ihre schlaflosen Nächte, doch die nahm sie seinetwegen gern in Kauf.

Hannah erhob sich und schwang sich die schwere Ledertasche über die Schulter. „In diesem Sinne …“

Auch Bradley stand auf. Eine mechanische Bewegung, und zugleich eine nette Geste. Nun ja, es gab Millionen von Männern, die für sie aufstehen würden. Oder zumindest Tausende. Und vielleicht würde ja der eine oder andere auf der Hochzeit ihrer Schwester sein …

Sie trat zwei Schritte zurück. „Ich hoffe, Neuseeland wird dir gefallen.“

„Ich wünsche dir ein schönes Wochenende, Hannah. Tue nichts, was ich nicht auch tun würde.“

Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln. „Keine Angst. Ich habe nicht vor, dieses Wochenende Kleidung in die Reinigung zu bringen oder abzuholen.“

Sein ungewohnt entspanntes Lachen verschlug ihr den Atem. Sie erschauerte am ganzen Körper.

Sie setzte ihre übergroße Sonnenbrille auf, atmete tief die kalte Winterluft ein und lief in Richtung Straßenbahn, die sie zu ihrer winzigen Wohnung im Stadtteil Fitzroy zurückbrachte.

Und so begann Hannahs lang ersehnter Urlaub. Ihre erste Rückkehr in die Heimat nach drei Jahren. Das erste Wiedersehen mit ihrer Mutter, seitdem sie geheiratet hatte. Wieder geheiratet hatte.

Da musste sie jetzt durch …

2. KAPITEL

Gegen sechs Uhr morgens klingelte es an der Haustür. Hannah war im Badezimmer. Das Taxi zum Hafen konnte es noch nicht sein, es war erst in einer Stunde bestellt.

„Kannst du aufmachen?“, rief sie, doch aus Sonjas Zimmer drang kein Geräusch.

Hannah fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, rannte zur Tür und öffnete.

Vor ihr stand die letzte Person, mit der sie gerechnet hatte: Bradley. In der schokoladenbraunen Lederjacke, die sie am meisten an ihm liebte, und dunklen Jeans. Groß und unglaublich attraktiv stand er im Flur ihrer kleinen Wohnung. Es war so absurd, dass sie sich die Augen rieb.

Als sie sie wieder öffnete, war er immer noch da – und hatte den Blick auf ihre Schlafanzughosen, das verwaschene Sweatshirt ihres Vaters und die zerschlissenen Pantoffeln gerichtet.

Trotz des unwillkürlichen Reflexes, sich hinter der Tür zu verstecken, genoss sie den wunderbar verbotenen Blick aus dunkelgrauen Augen, der langsam und neugierig ihren Körper entlangwanderte.

„Darf ich reinkommen?“, fragte er verlegen.

Kein „Guten Morgen. Entschuldige bitte die Störung, ich komme ungelegen“. Sondern geradeheraus.

„Jetzt?“ Hannah sah hinter sich und atmete erleichtert auf. Sonjas provisorisch aufgespannte Wäscheleine mit den sündhaften Seidendessous war auf mysteriöse Weise über Nacht verschwunden.

„Ich habe dir einen Vorschlag zu machen.“

Um sechs Uhr morgens? Hatte das nicht Zeit bis später? fragte sie sich. Nun, es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als Bradley hereinzubitten.

Die ohnehin kleine Wohnung schien sich bei seinem Eintreten noch zu verkleinern. Kochnische, Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, Bad. Kleine Fenster, die wenig Aussicht boten. Genau richtig für zwei berufstätige Frauen, die sowieso nur zum Schlafen nach Hause kamen.

Hannah schloss die Wohnungstür, lehnte sich an und betrachtete Bradley erwartungsvoll.

Im Vergleich zu seiner riesigen Wohnung mit den vielen Zimmern und Zwischengeschossen mit Blick auf die Stadt musste das hier wie eine Besenkammer wirken.

Bradleys Augen glänzten wie flüssiges Silber im frühen Morgenlicht. Hannah drückte die Finger so fest in die Wand, dass ihr die Knöchel wehtaten.

„Hoffentlich bist du soweit fertig. Der Flug geht in zwei Stunden“, sagte er in kühlem, geschäftsmäßigem Ton.

Sie blinzelte und war plötzlich hellwach. Hatte er etwa schon wieder vergessen …? Sie schob sich weg von der Tür und stemmte die Hände in die Hüfte. „Soll das ein Scherz ein?“

Er hielt inne. „Keine Angst, ich werde dich nicht über die Schulter werfen und nach Neuseeland entführen.“

Hannah verspürte eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Sie musste schlucken. „Ach nein?“

„Die Fähre braucht einen ganzen Tag bis nach Launceston. Ich habe es überprüft. Reine Zeitverschwendung, mit dem Flieger bist du in einer Stunde da. Ich fliege dich nach Tasmanien.“

„Und was ist mit Neuseeland? Ich habe einen Monat für die Organisation gebraucht …“

„Wir drehen um, sobald wir dich abgesetzt haben. Und jetzt beeil dich.“

„Aber …“

„Bedanken kannst du dich später.“

Sich bei Bradley bedanken? Der Kerl hatte gerade ihren Plan zunichtegemacht, sich schrittweise an das Zusammentreffen mit ihrer Mutter zu gewöhnen und gleichzeitig Abstand von ihm zu bekommen. Und er stellte es hin als nette Geste seinerseits. Jetzt fehlte nur noch, dass Sonja aus ihrem Zimmer kommen und verkünden würde, ins Kloster einzutreten.

„Es ist schon alles entschieden.“ Er trat einen Schritt auf sie zu.

Abwehrend streckte sie die Hände aus. „Aber nicht für mich.“

Er war stur. Genau wie sie. Doch ihre gelegentlichen Trotzanfälle musste sie von ihrer Mutter geerbt haben, denn ihr Vater war ein liebenswerter Mensch gewesen.

„Ich weiß, dass du hart arbeitest. Und im Gegensatz zu den meisten Leuten in dieser Branche hast du Persönlichkeit. Das weiß ich zu schätzen. Bitte nimm mein Angebot an.“

Autor

Ally Blake
Ally Blake ist eine hoffnungslose Romantikerin. Kein Wunder, waren die Frauen in ihrer Familie doch schon immer begeisterte Leserinnen von Liebesromanen. Sie erinnert sich an Taschen voller Bücher, die bei Familientreffen von ihrer Mutter, ihren Tanten, ihren Cousinen und sogar ihrer Großmutter weitergereicht wurden. Und daran, wie sie als junges...
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