Achtung - sexy Herzensbrecher!

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Ein Wirbelsturm der Gefühle fegt durch Emersons Herz, als sie ihren Jugendschwarm Holden Roarke auf einer Hochzeit wiedersieht: Wie gefährlich sexy er immer noch ist – und wie weh es ihr damals tat, als er ihr eine Abfuhr erteilte! Niemals wieder darf sie dem Charme dieses notorischen Herzensbrechers verfallen. Doch gleich am nächsten Tag bittet der gut aussehende Millionär sie um einen pikanten Gefallen: Könnte Emerson einen Abend lang seine Freundin spielen? Sie sagt Ja – aber nur, um sich selbst zu beweisen, dass sie Holden diesmal widerstehen kann …


  • Erscheinungstag 21.03.2023
  • Bandnummer 2589
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518413
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Als Emerson Adlers Herz zum ersten Mal brach, war sie zehn.

Zehn Jahre und einen Tag, um genau zu sein. Der eigentliche Geburtstag war herrlich gewesen. Ihr Dad hatte sie – und übrigens auch ihre Mum – mit einem flauschigen karamellfarbenen Bündel überrascht, das sich als Cockerspaniel entpuppte.

Die größere Überraschung folgte am Morgen danach. Noch vor Sonnenaufgang weckte ihr Dad sie, kniff sie zärtlich in die Nase, nannte sie sein Lieblingsmädchen und sagte: „Das Leben ist ein Auf und Ab, Kleine. Wenn es sich mal schwer anfühlt, denk dran, dass es am Ende gut ausgeht. Es wird immer wieder besser.“

Dann küsste er sie auf den Scheitel, verließ das Haus und kehrte nie zurück.

Emersons Mum verarbeitete es, indem sie ihrer Frohnatur noch mehr Raum gab. Als Symbol des Gedeihens pflanzte sie Obstbäume im Gärtchen, umarmte ihre Tochter hundertmal am Tag und vergötterte Pumpkin, den Welpen, bei dessen Anschaffung sie nicht gefragt worden war. Dann und wann gab sie auch Weisheiten von sich wie: „Stürz dich nicht Hals über Kopf in eine Beziehung. Wer stürzt, tut sich oft weh.“ Als könnten solche Bemerkungen und ständige gute Laune ihre Tochter vor dem Schock schützen, den sie selbst erlebt hatte.

Unglücklicherweise machte dieser erste Kummer Emerson zur Anwärterin auf Herzeleid.

So viel Herzeleid, dass sie anfing, mitzuzählen. Dabei konzentrierte sie sich auf die großen Kümmernisse. Jene, die ihr etwas nahmen. Die ihr Leben veränderten. Sie hatte einen Kuli mit einem Bommel am oberen Ende und schrieb in ein Notizbuch, auf dessen Umschlag ein glitzernder Kaktus prangte.

Herzeleid Nummer 1: zehn Jahre alt.

Ihr Dad hatte sie verlassen. Offensichtlich.

Herzeleid Nummer 2: elf Jahre alt.

Auch Mrs. Abernathy war auf und davon! Eine Lehrerin, die Emersons Hausaufgaben mit Extrasternchen versah und zu wissen schien, wann Mrs. Adler mal nicht ganz so fröhlich war wie gewohnt. Ruhestand, hieß es. Aber wie konnte Emerson da sicher sein?

Herzeleid Nummer 3: zwölf Jahre alt.

Kailey Deluca, beste Freundin, erschien am ersten Tag der Highschool mit neuer Frisur, neuen Ohrlöchern, neuen Brüsten, neuen Klamotten – und neuen Freundinnen. Grauenhaft.

Und so ging die Herzeleid-Liste weiter. Das war der Name, den Emerson mit großen schwarzen Buchstaben auf die erste Seite geschrieben hatte, als Reaktion auf:

Herzeleid Nummer 4: vierzehn Jahre alt.

Eine niederschmetternde, unerwiderte Schwärmerei für einen Mitschüler. Sämtliche Details hatte sie notiert und mit Anmerkungen ergänzt. Alles in der Hoffnung, eines Tages herauszufinden, was sie tun musste, damit ihr nie wieder jemand das Herz brach.

Und dann …

Herzeleid Nummer 8: fünfundzwanzig Jahre alt.

Ihre wundervolle Mum starb nach kurzem Kampf an Krebs.

Ein Herzeleid Nummer 9 durfte es nicht geben! Denn das wäre Emersons Ende gewesen.

Diese Geschichte beginnt fast zwei Jahrzehnte nach dem allerersten Herzeleid.

Die Herzeleid-Liste mit dem Kaktus auf dem Umschlag, den seitenlangen Erörterungen und ihren inbrünstigen Versprechungen wurde längst ausrangiert. Emerson muss ihren Kummer nicht mehr niederschreiben, denn sie führt ein akribisch durchorganisiertes Leben und achtet darauf, Grenzen zu ziehen. Sie pflegt Freundschaften zu wenigen vertrauten Menschen. Die Arbeit bei Pitch Perfect, ihrer eigenen Firma für Personalvermittlung, ist ausgesprochen erfüllend. Ihr Leben ist nicht länger gehemmt von der Befürchtung, jeden Moment könne ihr das Erreichte weggerissen werden.

Sie weiß nämlich, dass alles früher oder später zu Ende geht. Die Kunst besteht darin, Enden zu akzeptieren und weiterzumachen.

Heute ist ein warmer Frühlingstag auf der Halbinsel Mornington im Süden des australischen Bundesstaates Victoria. Gerade hat eine Trauung stattgefunden. Die Braut, Camille, ist Emersons beste Freundin. Phillip, der reizende Bräutigam, würde es nie wagen, seiner frischgebackenen Ehefrau das Herz zu brechen – nicht zuletzt, weil er es sonst mit Emerson zu tun bekäme.

Der Abend dämmert über dem Partyzelt. Es steht am Rande eines Waldes, nur eine kurze Autofahrt von der Küste entfernt. Vögel zwitschern und folgen den letzten Sonnenstrahlen. Frühling liegt in der Luft.

Emerson steht im Partyzelt und hat keine Ahnung, dass ihrem sorgfältig verschanzten Herz die ultimative Bewährungsprobe bevorsteht …

1. KAPITEL

Die gespannte Erwartung der Gäste war förmlich mit Händen zu greifen. Das Stimmengewirr wurde lauter, Gläser klirrten. Festliche Kleider schimmerten im sanften Schein der Lichterketten, von denen genug im Zelt hingen, um ein Flugzeug an einem wolkigen Abend sicher landen zu lassen.

Alle unverheirateten Damen – und eine Handvoll aufgekratzter Junggesellen – standen auf der Tanzfläche, brachten sich in Position und fixierten die Braut, die einige Meter entfernt stand. Ein Scheinwerfer war auf sie gerichtet, während sie mit einem schelmischen Lächeln ihr üppiges Bouquet schwenkte wie einen Köder. Den Hochzeitsstrauß.

Nur Emerson Adler blieb immun gegen die kollektive Aufregung. Aber als Trauzeugin fühlte sie sich verpflichtet, wenigstens so zu tun, als würde sie bei der Tradition mitmachen. Obwohl man die Braut beim besten Willen nicht traditionell nennen konnte. Und in dem rückenfreien, bronzefarbenen Glitzerkleid, das Camille für Emmy ausgesucht hatte, wäre die glatt als sexy Gastgeberin einer Party in Las Vegas durchgegangen.

Camille beugte sich vor, wackelte dramatisch mit dem Po und warf ihr Bouquet aus weißen Rosen, Orchideen, Prunkwinden und künstlichen Perlen in hohem Bogen durch die Luft.

Die ledigen Gäste sprangen hoch und nach links – wie Rugbyspieler, nur besser gekleidet. Emerson hingegen trat mit ihrem Glas Champagner einen Schritt nach rechts.

Camilles Strauß prallte von den ausgestreckten Fingern mehrerer Hände ab und hüpfte einmal, zweimal … Schließlich reckte Bernadette, eine jüngere Cousine der Braut, das Bouquet hoch, als wäre es das Schwert Excalibur.

Emerson seufzte zufrieden, weil sie die Sache unauffällig über die Bühne gebracht hatte. Das dachte sie jedenfalls, bis ihr Blick den der Braut traf. Camille lächelte breit und drohte ihr mit erhobenem Zeigefinger.

Emerson zuckte mit den Schultern, toastete ihr mit dem Champagnerglas zu und leerte es in einem Zug. Dann stellte sie es auf das Tablett eines Kellners, der gerade vorbeikam, und schlüpfte in eine Lücke auf der Tanzfläche.

„Tanz mit mir, Emmy!“, bat Phillips Trauzeuge, als sie sich an ihm vorbeischieben wollte.

Sie nahm seine Hand, drehte sich einmal unter seinem Arm um die eigene Achse, ließ los und verschwand in der Menge. Ihr Ziel war die leere, spärlich beleuchtete Bar in der hinteren Ecke, halb verdeckt von einem Paravent aus Weidenruten.

Dort angekommen, zeigte sie auf das Tablett mit frisch gefüllten Champagnergläsern. Der Barkeeper nickte knapp. Er war keine Plaudertasche. Sehr gut.

Während Jazz die Paare auf die Tanzfläche lockte, ließ Emerson ihre Clutch auf den Tresen plumpsen und lehnte sich mit dem Rücken an das warme Holz. Zum ersten Mal seit Tagen hatte sie ein paar Minuten für sich.

Ohne einen Berg Arbeit als Beschäftigung aber konnte sie das Unbehagen, das im Laufe des Tages zugenommen hatte, nicht mehr ignorieren. Hunger schied aus, schließlich hatte sie den Fisch und die Mousse au Chocolat gegessen. Sie war niedergeschlagen. Was keinen Sinn ergab, denn die Hochzeitsfeier lief wie am Schnürchen.

Warum also diese … Gefühle? Ihre Herzeleid-Liste hatte sie gelehrt, dass Gefühle vertrackt und riskant waren. Am besten quetschte man sie zusammen, bis sie wegen Sauerstoffmangels eingingen.

Jetzt wichen die Paare auf der Tanzfläche zurück, um Platz für das Brautpaar zu machen. Phillip zog Camille in seine Arme, und sie tanzten langsam, als wären sie allein im Zelt. Emersons Lieblingsmenschen starteten in den nächsten Lebensabschnitt; einen, zu dem sie nicht mehr gehörte. Sie senkte eine Hand auf den Bauch; auf den – wenn sie ganz ehrlich war – Schmerz, der sich darin manifestiert hatte.

„Vielleicht liegt es doch am Fisch“, brummte sie und trank einen großen Schluck aus dem Glas, das ihr der Barkeeper hingestellt hatte. Köstlich perlte der Champagner die Kehle hinunter. Sie streifte einen hochhackigen Pumps ab, streckte erleichtert die Zehen, kreiste mit dem Knöchel und …

„Emmy?“

Die Stimme, die ihre kurze Auszeit beendete, klang männlich, tief und ein bisschen rau. Und ihr Besitzer erwartete offenkundig eine Reaktion. „Emmy Adler? Von der East Kew High? Genauer gesagt von den harten Plastikstühlen vor dem Büro der Schulpsychologin?“

Sie drehte sich zu dem Eindringling um, der neben ihr mit dem Rücken am Tresen lehnte.

Als Personalvermittlerin war sie daran gewöhnt, in einem Wimpernschlag erste Eindrücke zu sammeln. Innerlich notierte sie die Stichpunkte: Groß. Dichtes Haar. Markantes Kinn. Breite Schultern unter dem eleganten Anzug. Dazu ein Mund mit vollen Lippen, die sich langsam zu einem Lächeln verzogen. Reizende Fältchen in den äußeren Winkeln zweier faszinierender Augen, deren Farbton an einen aufkommenden Sturm erinnerte … Allzu spät huschte Emerson ein warnender Schauer über den Rücken. Dieses Kinn, die Schultern, die Augen, die Plastikstühle vor dem Büro der Schulpsychologin – es war Holden Roarke.

Herzeleid Nummer 4.

Camille hatte ihr das Notizbuch mit dem Kaktus geschenkt, nachdem der Typ, der nun an der Bar stand, Emersons Teenagerherz gebrochen hatte.

„Du bist doch Emmy Adler, richtig? Denn falls nicht, müssen meine Worte wie eine höchst zweifelhafte Anmache rübergekommen sein.“

Wenn sie nicht die Flucht ergreifen wollte, musste sie hier durch. Also zwang sie sich zu einem neutralen Lächeln und streckte die rechte Hand aus, als wäre alles cool und normal.

„Holden Roarke.“ Ihre Stimme klang bewundernswert gleichmütig. „Ja, ich bin es. Allerdings nennt man mich Emerson. Meistens.“

„Emerson“, wiederholte er langsam mit seiner tiefen, samtigen Stimme und sah ihr lächelnd in die Augen. Aus seinem Mund klang es wie ein Kosename. Er nahm ihre Hand.

Seine Haut war kühl, der Druck angemessen fest. Emerson hätte einen dicken Haken neben den Stichpunkt Händeschütteln gemacht, wenn es sich um einen Kunden gehandelt hätte. Obwohl die Wärme, die ihren Arm hinaufschoss, des Guten zu viel war. Aber es handelte sich nicht um einen Kunden. Vor Jahren hatte er sie dazu gebracht, in ihr Einhornkissen zu weinen, weil er existierte.

Emerson ließ zuerst los. Ihre Hand fuhr wie von selbst zurück, weil ein Funke von seiner auf ihre Hand überzuspringen schien. Derselbe Funke, den sie in seinen Augen glimmen sah. Wahrscheinlich wegen all der Lichterketten.

Sie stellte ihr nahezu leeres Glas auf den Tresen und wünschte, sie hätte noch eine Minute gewartet, bevor sie einen so großen Schluck trank, denn in einem Anfall von Eifer schob ihr der Barkeeper sofort ein neues hin.

„Wie lange ist das jetzt her?“, überlegte Holden laut.

Emerson streifte ihn mit einem ausdruckslosen Blick. „Urzeiten. Mindestens.“

„So lange? Und ich dachte glatt, es wäre nur eine Ewigkeit.“

Leider blieb Emersons Blick irgendwie auf ihm haften. Deshalb war sie jetzt der vollen Wucht dieser sturmblauen Augen ausgesetzt. Beim Lächeln nahmen sie jenen besonderen, charmanten und absolut verwirrenden Ausdruck an, der sie schon vor Jahren in Holdens Bann gezogen hatte. Aber damals war sie ein verträumtes junges Ding gewesen und hatte sich nach einem Jungen gesehnt, der ihr riesiges Potenzial erkannte. Heute ging es um die Gegenwart.

Sie wollte sich umdrehen. Dabei verlor sie beinahe das Gleichgewicht, weil sie vergessen hatte, dass sie nur einen Schuh trug. Ihr Magen setzte zum Sturzflug an, als sie sich mit beiden Händen an den Tresen krallte. Wo war ihr zweiter Pumps? Auf dem Boden sah sie lediglich einen glänzenden, forsch nach vorn gestellten Herrenschuh.

„Amüsierst du dich gut?“, fragte Holden.

„Natürlich“, presste sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und versuchte, den nackten Fuß vor ihm zu verstecken.

„Bist du ein Fan von Hochzeiten?“

„Von dieser Hochzeit.“ Sie ging leicht in die Knie, um mit den Zehen nach ihrem Schuh zu tasten.

„Mhm. Ich würde ein ordentliches Sümmchen darauf wetten, dass du nicht vorhast, in naher Zukunft selbst zu heiraten.“

Jetzt tastete sie nicht mehr nur unauffällig nach ihrem Schuh, sondern wollte auch möglichst schnell weg. „Das kam jetzt wie eine höchst zweifelhafte Anmache rüber.“

Holden lachte. Er klang völlig entspannt und unbefangen. „Würde ich mich nie trauen. Und wenn doch, hoffe ich, dass ich bessere Sprüche auf Lager hätte.“

Emerson stockte, als ihr bewusst wurde, was sie angedeutet hatte. Natürlich war es keine Anmache gewesen. Sogar als Sechzehnjähriger hatte Holden locker gelächelt, Blickkontakt gehalten und aufmerksam zugehört. Mit ihren damals vierzehn Jahren hatte sie nur zu viel hineininterpretiert.

Den Fehler machte sie kein zweites Mal. „Das hoffe ich auch“, meinte sie und hielt seinem Blick stand, um ihm zu zeigen, wie souverän sie war.

„Wäre ich ein Sprücheklopfer, wüsstest du es.“

„Tatsächlich?“

„Ich würde nämlich an meinen Sprüchen arbeiten. So lange, bis ich eine kleine, aber feine Sammlung hätte. Weltklasse. Legendär.“

„Beruhige dich, Casanova. Schon klar: Hättest du mich anbaggern wollen, hätte ich mich nie davon erholt.“

Ganz langsam hoben sich seine Mundwinkel.

Hitze strömte wie eine Flutwelle von Emersons Wangen bis in die Zehen. „Was machst du hier, Holden?“

„Jetzt gerade? Ich führe eine unerwartet erfreuliche Unterhaltung mit einer alten Bekannten. Und du?“

Plötzlich klang seine Stimme rauchig.

Emerson ließ sich nicht davon ablenken. „Als Trauzeugin kenne ich die Gästeliste auswendig. Du stehst nicht drauf.“

„Öffne dich dem Universum, dann wird es für dich sorgen. Findest du nicht auch?“

Sie lachte kurz. Denn nein, das fand sie nicht.

Holden lehnte sich näher, als wolle er ihr ein Geheimnis verraten. Sein Duft stieg ihr in die Nase – ein Duft nach frisch gemähtem Gras, sprudelndem Bach und warmer Männerhaut.

„Ursprünglich wollte ich sagen, dass ich noch keine Frau gesehen habe, die so ungern ein Brautbouquet fangen möchte.“ Er zeigte mit seinem Glas Richtung Tanzfläche, wo Bernadette ihre Trophäe hochreckte und eine Polonaise anführte.

Oh. „War es derart offensichtlich?“

„Ganz und gar nicht. Du warst der Inbegriff von Diskretion. Ich habe nur zufälligerweise einen Blick für subtile Rebellion. Darin bin ich Experte, weil ich sie schon lange selbst praktiziere. Es passiert nicht oft, dass ich auf eine verwandte Seele treffe.“

Holden Roarkes verwandte Seele? Emerson musste an sich halten, um nicht zu lachen.

Fragend zog er eine Braue hoch, als wäre sie an der Reihe, etwas zu sagen.

„Ja“, meinte sie ein wenig atemlos. „Ich meine: nein. Das ist nicht mein Ding.“

„Sich um einen gebrauchten Blumenstrauß zu raufen?“ Holden lächelte etwas breiter. „Oder redest du von der Ehe?“

„Von beidem.“

„Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen“, stellte er fest.

Sie zuckte mit den Schultern.

Der Blick aus seinen sturmblauen Augen wanderte zu ihrer nackten rechten Schulter und gleich darauf zur Wange, neben der ein Diamantohrring baumelte. Dann glitt er wieder zu ihren Augen, so rasch, dass Emerson leicht schwankte. Alles spielte sich in einem einzigen Herzschlag ab.

Es war bizarr. Wie ein Flamingo stand sie da, unter einem Sternenhimmel aus Lichterketten, während im Hintergrund Musik dröhnte und sie mit dem Mann, der ihr das Teenagerherz zerschmettert hatte, über das Thema Ehe sprach.

„Nanu, was haben wir denn da?“ Mr. Herzeleid deponierte sein Glas auf dem Tresen, ging in die Hocke und langte unter den nächsten Barhocker. Mit Emersons Schuh in der Hand tauchte er wieder auf.

Er senkte den Blick auf jenen ihrer Füße, der nicht in seinem Gegenstück mit dem zehn Zentimeter hohen Absatz steckte.

„Deiner, nehme ich an?“, fragte er, ging auf ein Knie und streckte die freie Hand aus.

Ungeduldig schnipste sie mit den Fingern. „Steh auf. Das kann ich selbst.“

„Zweifellos.“ Er sah ihr in die Augen. „Und doch bin ich hier, mit deinem Schuh in der Hand und meinem Knie im Staub, willens und fähig, dir diesen kleinen Gefallen zu tun.“

Seine Stimme – tief, lässig und humorvoll – schlang sich um einen zarten Teil von ihr, den sie vor lauter Entgeisterung nicht unter Verschluss hielt.

Es war nur ein kleiner Gefallen. Im Nu vorbei.

„Also gut.“ Sie versuchte mit aller Macht, sich nicht wie das verflixte Aschenputtel zu fühlen, hob den Fuß und drehte den Kopf zur Seite.

Holden schob die Hand an der weichen, empfindlichen Unterseite ihres Fußes entlang. Wo er Emersons Haut berührte, begann sie zu prickeln und auf exquisite Weise zu erschauern. Er schloss die langen, kräftigen Finger um ihren Knöchel, und jäh stiegen das Prickeln und die Schauer den Unterschenkel hinauf, über die Rückseite ihres Oberschenkels und noch höher, als würden sie Nerven, Muskeln, Sehnen und das Mark jedes Knochens durchdringen.

Kaum hatte es begonnen, war es schon wieder vorbei. Behutsam ließ Holden ihre Ferse in den Schuh sinken und stellte ihren Fuß auf den Boden. Absolut jugendfrei, keine verweilenden Fingerspitzen, keine Anzeichen von Fetischismus. Ein Mann half einer alten Bekannten aus der Klemme.

Obwohl seine Wangen deutlich mehr Farbe hatten, als er aufstand und sich mit einer Hand durch die dunklen Haare fuhr. War es denkbar, dass nicht nur Emerson das Prickeln und die Schauer gespürt hatte?

Sie schüttelte den Kopf. Seit Holden Roarke ihr das Herz gebrochen hatte, war so viel Zeit vergangen. Im Laufe der Jahre hatte sie allerhand weiteres Herzeleid überstanden. Zusammengenommen bildeten diese Erfahrungen das Fundament der beeindruckenden Widerstandskraft, die sie heute besaß. Wenngleich es ihr neben Holden vorkam, als hätte sie überhaupt nichts gelernt.

Nun, da sie wieder beide Schuhe trug, sollte sie sich aus dem Staub machen.

„Okay, es war …“ Emerson verstummte, weil Holden abrupt zum Tresen herumfuhr und das Holz packte, als wolle er mit einem Satz drüberhechten.

„Was ist denn los?“, fragte sie trotz ihres Vorsatzes.

Ein Muskel in seinem Kinn zuckte. „Hat sie mich gesehen?“

„Wer?“

„Holden!“ Bernadette bahnte sich mit dem Brautbouquet einen Weg durch die tanzenden Gäste.

„Ah“, folgerte Emerson. „So bist du also reingekommen. Als Bernies Begleiter.“ Sie war wütend auf sich selbst, weil ihr die Vorstellung einen Stich versetzte.

Er schüttelte den Kopf. „Wir sind uns erst vor einer halben Stunde begegnet. Da hat sie versucht, mir ihren Zimmerschlüssel in die Hosentasche zu stecken.“

„Vorder- oder Hintertasche?“

Holdens Mundwinkel zuckten. „Wieso? Ist die eine Tasche mehr Punkte wert als die andere?“

„Natürlich. Weißt du was? Sag es mir lieber nicht. Ich kenne Bernie, seit sie acht ist. Hast du den Schlüssel noch?“

„Nein. Ich habe taktvoll abgelehnt.“ Er klang verlegen – was unerwartet reizend war.

„Ich bin nicht sicher, dass du so deutlich geworden bist, wie du anscheinend glaubst.“

Mit gerunzelter Stirn lehnte er sich etwas näher, um sie trotz der Musik zu verstehen. Sein Oberarm berührte ihren, Emerson spürte seine Körperwärme. Sein Gesicht war so nah, dass sie die blauen Wirbel und grauen Sprenkel um seine schwarzen Pupillen erkennen und die langen Wimpern zählen konnte.

Einschließlich jener Wimper, die ihm auf die Wange gefallen war.

Ich werde nicht die Hand heben, um die Wimper wegzuwischen, befahl sie sich.

Ganz langsam verengten sich seine Augen, obwohl die Lachfältchen dabei wieder erschienen, diesmal sogar noch deutlicher.

„Emerson“, sagte er entschlossen und ausgesprochen erwachsen.

„Mhm?“

„Erinnerst du dich an den kleinen Gefallen, den ich dir eben getan habe?“

„Gefallen?“

„Ich habe dir mit deinem Schuh geholfen. Und ich wäre sehr dankbar, wenn ich im Gegenzug dich um einen Gefallen bitten dürfte.“

Emerson ahnte, dass sie Nein sagen sollte. Doch sie konnte seine ebenso schlichten wie respektvollen Worte nicht ignorieren.

„Was brauchst du?“

Er lächelte jungenhaft – derart erleichtert, dass ihre Knie weich wurden. Dann hob er einen Arm über ihren Kopf und legte ihn hinter ihr auf dem Tresen ab. Schlagartig fand sie sich eng an seinen großen, warmen, festen Körper gepresst. Wie zum Teufel war es so weit gekommen?

Bernadettes große Rehaugen leuchteten auf, als sie Emerson erspähte. Sie eilte zur Bar. „Emmy! Da bist du ja. Was für eine tolle Hochzeit!“ Sie tat, als würde sie Holden erst jetzt erkennen. „Oh, hallo! Ich hab dich schon gesucht. Du bist ja auch hier!“

„Ja, ich bin auch hier.“ Er verlagerte das Gewicht, ganz leicht nur, doch es reichte, um Emerson das Gefühl zu geben, der Mann hätte sie eingekreist. Als wäre sie umgeben von seinem Duft, seiner Wärme, seinem Schutz.

Obwohl er lässig wirkte, merkte sie, dass er schauspielerte. Er wollte Bernadette abwimmeln. Emerson spürte förmlich die unbändige Energie, die in seinem Körper pulsierte und nur knapp gezügelt wurde.

„Schau mal!“ Bernadette wedelte mit dem Brautstrauß unter seiner Nase, als könnte sie ihn dadurch hörig machen. „Ich hab ihn gefangen!“

„Wir haben es gesehen. Das war ein toller Sprung.“ Bei dem Wort wir hob er den Arm hinter Emerson und schloss die Finger leicht um ihren Ellbogen.

Emerson meinte, tief in sich Alarmsirenen aufheulen zu hören.

„Du kennst Emmy?“, fragte Bernadette.

Holden ließ die Hand von Emersons Ellbogen zur Schulter und schließlich in ihren Nacken wandern. Sanft streichelte er mit der Daumenkuppe über den kleinen, mit Stoff bezogenen Knopf, der ihr Neckholder-Abendkleid an Ort und Stelle hielt.

„Emmy und ich kennen uns schon ziemlich lange.“

Emmy stupste ihn mit dem Ellbogen und traf anscheinend gut, denn er zuckte kaum wahrnehmbar zusammen.

Bernadettes Augen weiteten sich. „Ach, deshalb.“ Sie zwinkerte ihrer Freundin zu, drehte sich um, rief: „Barry! Barry!“, und verschwand.

Holden nahm die Hand von Emersons Nacken. Die feinen Härchen dort richteten sich auf, als würden sie protestieren.

„Wenn sie sich auch nur an die Hälfte erinnert, wird sie am Boden zerstört sein“, sagte Emmy mitfühlend.

„Dazu gibt es keinen Grund. Man kann nur auf eine einzige Weise herausfinden, ob jemand, den man mag, einen ebenfalls mag: Man muss ein bisschen mutig sein.“

Eigentlich erwartete sie eine belustigte Miene. Doch als ihr Blick in seinen tauchte, las sie eine Ernsthaftigkeit darin, die an einem weichen, ungeschützten Teil in ihr zu ziehen schien.

Warm und ein bisschen schwindelig fühlte sie sich. Nur einen Atemzug lang öffnete sie sich für die Kraft, die Holden ausstrahlte. Weil sie wissen wollte, ob sie nach all den Jahren noch dazu fähig war.

Die Zeit schien plötzlich schleppender zu vergehen. Die Musik klang gedämpfter. An den Rändern sah Emerson verschwommen. Sie versuchte, langsamer zu atmen. Ihre Haut kribbelte, als würde sie sich zusammenzuziehen. Eventuell neigte sich ihr Körper sogar ein klitzekleines bisschen in Holdens Richtung.

Seit sie die Herzeleid-Liste ausrangiert hatte, war sie mit ihrer Selbstverwirklichung ausgezeichnet vorangekommen. Die nun auf die Probe zu stellen, entpuppte sich als Sadomasochismus. Emerson riss sich zusammen.

„Was führt dich her, Holden?“

Einen langen Moment betrachtete er sie schweigend. Dann erschienen wieder die Lachfältchen in seinen Augenwinkeln. „Ach, ich genieße einfach eine gute Band, ziemlich leckere Getränke und großartige Gesellschaft. Alles auf anderer Leute Kosten.“

Aus dem entferntesten Winkel ihrer Erinnerung stieg die Stimme ihres Dad auf: „Mach dich locker, Kleine, sonst platzt du noch. Alles wird gut.“ Den letzten Satz hatte er ziemlich oft gesagt.

Seltsam, dass sie ausgerechnet jetzt an ihn dachte, während sie mit einem anderen Mann von ihrer Herzeleid-Liste redete. Ironie des Schicksals? Oder eine Warnung?

Noch bevor sie sich entschieden hatte, trat Holden einen Schritt von der Bar weg. „Ich habe dich aufgehalten. Als Trauzeugin hast du bestimmt viele Pflichten.“

„Viele“, bestätigte sie. „Massenhaft.“

Zu ihrer Bestürzung zeichnete sich an seinem linken Mundwinkel ein Fältchen ab wie ein Supergrübchen.

„Es war wirklich schön, dich wiederzusehen, Emerson.“ Er klang, als würde ihn die Tatsache selbst überraschen. „Ich muss los. Vielleicht werde ich meiner neu entdeckten Leidenschaft für originelle Aufreißersprüche noch ein wenig frönen.“ Er tat, als würde er eine imaginäre Mütze ziehen, und schlenderte Richtung Tanzfläche davon.

Sekunden später tauchte Camille auf. „Ich hab mir einen Nagel abgebrochen“, verkündete sie und hielt den rechten Mittelfinger hoch.

„Kein Problem.“ Emerson zog eine Nagelfeile aus ihrer Clutch und machte sich daran, die Ecken zu glätten. „Wusstest du, dass Holden Roarke hier ist?“

Camille riss die Augen auf. „Was?“

Autor

Ally Blake
Ally Blake ist eine hoffnungslose Romantikerin. Kein Wunder, waren die Frauen in ihrer Familie doch schon immer begeisterte Leserinnen von Liebesromanen. Sie erinnert sich an Taschen voller Bücher, die bei Familientreffen von ihrer Mutter, ihren Tanten, ihren Cousinen und sogar ihrer Großmutter weitergereicht wurden. Und daran, wie sie als junges...
Mehr erfahren