Affäre mit Hindernissen

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Jeder anderen Frau hätte die Fotoreporterin Claire Marsden den Kampf angesagt, wenn sie ihre Finger nach Jason Doyle ausgestreckt hätte. Denn der Eishockeyprofi, mit dem sie eine Fotoserie für Sports Illustrated" macht und dessen leidenschaftliche Küsse entschieden Lust auf mehr wecken, ist genau, was sie will. Doch die Frau, mit der sie Jason nachts in einem Hotelzimmer verschwinden sieht, ist zu ihrem Entsetzen Trish - Auftraggeberin für die Story mit Jason und ihre beste Freundin obendrein ... "


  • Erscheinungstag 30.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745653
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Claire Marsden aß gerade einen Marmeladendonut, als sie ihren Traummann fand.

Das heißt, den für ihre beste Freundin Trish. Trish, die in der Highschool als Patti mit „i“ bekannt gewesen war – beides abgeleitet von Patricia.

Damals waren noch pastellfarbene Rollkragenpullover und Freundschaftsarmbänder angesagt. Jetzt bevorzugte Trish eher knappe schwarze Sachen und schweren Quarzschmuck, und Namen, die auf „i“ endeten, waren definitiv out.

Aber Claire ließ die Verwandlung ihrer Freundin zur schicken Karrierefrau nicht unkommentiert durchgehen. Wann immer Trish sich hochnäsig verhielt, nannte sie sie „die früher als Patti bekannte Zeitschriftenredakteurin“, was Trish natürlich gar nicht gern hörte. Jetzt, wo sie zusammenarbeiteten, hatte Claire reichlich Gelegenheit, ihre Freundin aufzuziehen.

In diesem Moment jedoch war Trishs neue Persönlichkeit das Letzte, woran Claire dachte. Tatsächlich war es schwer, überhaupt an etwas zu denken, wenn direkt vor einem ein Mann erschien, der selbst die abgebrühteste Hollywoodlady sprachlos gemacht hätte – ob mit oder ohne Namensänderung.

Claire hoffte, dass ihr Gehirn nur vorübergehend streikte, denn Jason Doyle durchaus könnte der Mann ihrer Träume sein. Wie viele Männer gab es schließlich, die vor dem Madison Square Garden in New York City auf einem feuerwehrroten italienischen Motorrad vorfuhren, noch dazu absolut pünktlich?

Auf jeden Fall genoss Claire die Show. Außerdem dankte sie dem Leben für diesen Auftrag, der ihr die perfekte Lösung für Trishs derzeitiges Problem lieferte.

Jason Doyle war der Star der Profi-Eishockeyliga. Erst vor Kurzem zu den New York Blades gewechselt, begeisterte er alle Männer mit seiner Angriffstechnik und stand ganz oben auf der Liste der Torschützen. Die Frauen waren auch nicht immun gegen ihn, schon gar nicht gegen sein verwegenes Lächeln und die sexy Narbe am rechten Augenwinkel, dank der er immer so aussah, als würde er hintergründig über einen Scherz lächeln.

Eine Zynikerin wie Claire hätte gegen Jasons Charme eigentlich nicht empfänglich sein dürfen. Doch ihr Sarkasmus schien sich vorübergehend abgemeldet zu haben, besonders als Jason seinen Helm und seine verspiegelte Sonnenbrille abnahm. Claires Magen vollführte einen Purzelbaum. Jason Doyle war in natura genauso umwerfend wie auf Fotos – und doppelt so gefährlich.

Claire nahm sich zusammen. Nicht nur, dass dieser Mann aufregend gut aussah, er fuhr auch noch ein wahnsinnig PS-starkes Motorrad. Das signalisierte eine Persönlichkeit, die ein Leben am Abgrund liebte. Von einem solchen Leben hatte Claire aber genug. Sie sehnte sich nur noch nach Ruhe und Beständigkeit. Und vielleicht nach einem Gartenzaun. Na ja, Letzteres nicht unbedingt.

Doch die Verlockungen der Gefahr waren genau das, was Trish brauchte, und Claire war bereit, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie war überzeugt, dass ihre Freundin begeistert sein würde.

Sie stieß sie mit dem Ellbogen an. „Wow!“

„Das kann man wohl sagen.“ Trish wischte sich den Puderzucker an der schwarzen Lederhose ab. „Habe ich dir nicht gesagt, er ist eine Titelstory wert? Los, machen wir uns mit dem Geschenk des Eishockeys an die Frauen bekannt.“

Claire aß den letzten Bissen ihres Donuts und wischte sich den Puderzucker von ihrem gerippten Pullover. „Tja, es ist ein schwerer Auftrag, aber irgendwer muss ihn erledigen.“

Selbst zu dieser frühen Stunde – es war halb sieben – umschwärmte bereits eine Gruppe von Fans Jason – was für Trish kein Hindernis darstellte, sich ihren Weg zu ihm zu bahnen.

„Jason, ich bin Trish Camperdown, Redakteurin von ‚Sports Illustrated‘.“

„Miss Camperdown, es ist mir ein Vergnügen.“ Jasons strahlendes Lächeln schien echt zu sein. Er wippte auf den Absätzen.

Trish, normalerweise der Inbegriff kühler Kultiviertheit, kicherte. Jasons Lächeln wurde breiter, was seine gleichmäßigen strahlend weißen Zähne noch besser zur Geltung brachte.

Selbst auf Claire, die ein paar Schritte hinter ihnen stand, blieb sein Lächeln nicht ohne Wirkung. „Sie haben ja noch sämtliche Zähne“, platzte sie mit dem ersten Gedanken heraus, der ihr in den Sinn kam. Nun, vielleicht nicht mit dem allerersten.

Jason wandte den Kopf und betrachtete sie eingehend. Er schien Claire erst jetzt zu bemerken.

An solche Reaktionen war sie gewöhnt. Männer stutzten oft, wenn sie sie zum ersten Mal sahen. Es gab ja auch nur wenige dreißigjährige Frauen mit einer auffälligen grauen Strähne im Haar. Doch sie hatte die schon mit achtzehn gehabt. Eine Zeit lang hatte sie versucht, sie zu färben. Mit vierundzwanzig oder fünfundzwanzig hatte sie es dann aufgegeben und sie als das akzeptiert, was es war – eine genetische Anlage. Eine typische extravagante Eigenart, die ihr Vater ihr vererbt hatte.

Big Jim Marsden war ein weltbekannter, lebenslustiger Großwildfotograf mit einem einzigartigen Stil gewesen. Wenn ein riesiges Nashorn mit voller Geschwindigkeit angriff, stellte Big Jim seelenruhig sein Bourbonglas weg und zückte seine Leica.

Jason Doyle ließ sich von ein paar grauen Haaren nicht beeindrucken. „An mir sind auch noch andere Sachen intakt“, erwiderte er, ohne dass es vulgär wirkte. „Und Sie sind …?“ Er hob eine Braue und stützte den Helm auf seine Hüfte.

„Claire …“ Ein übereifriger Fan stieß gegen Claire, bevor sie ihren vollständigen Namen genannt hatte. Sie stolperte vorwärts und fiel gegen Jasons harten Motorradhelm.

Jason fing sie auf, ehe ihre Nase gegen sein Kinn gestoßen wäre.

Benommen schaute Claire auf und sah ihm in die braunen Augen. „Meine Mutter hat mich vor Männern wie Ihnen gewarnt“, murmelte sie und spürte selbst durch ihren dicken Pullover hindurch die Kraft seiner Hand.

„Das ist das Problem mit Müttern.“ Jason lächelte erneut. Ein hinreißendes Grübchen erschien in einer Wange. „Sie sehen nie hinter die Fassade.“

Ein weiterer Ansturm der Fans drückte Claire noch fester gegen seine Seite. Sie spürte deutlich die vibrierende Energie, die Jason ausstrahlte, und seine muskulösen Oberschenkel unter der engen Jeans. Als sie sich abstützen wollte, fühlte sie auch seine Brustmuskeln und den Waschbrettbauch durch das dünne schwarze T-Shirt.

Verflixt! Diese geballte Männlichkeit war für Trish bestimmt. Auf sie, Claire, sollte sie keine Wirkung haben. Sie runzelte die Stirn und betrachtete Jason von oben bis unten. „Aber es ist eine nette Fassade. Wenn wir nicht bald reingehen, wird allerdings nicht viel davon übrig bleiben.“

Sie drehte sich zu Trish um. Der elegante Haarknoten ihrer Freundin drohte sich in dem Tumult aufzulösen. Ihre eigenen italienischen Designerschuhe würden diesem Ansturm auch nicht viel länger standhalten. Und noch mehr Fans strömten in ihre Richtung. Schnelles Handeln war erforderlich.

„Trish, warum kämpfst du dir mit Jason nicht schon den Weg nach drinnen frei? Schnapp dir einen der Security-Leute dort drüben, damit sie euch helfen. Wir haben ihnen Überstunden bezahlt, da können sie auch was tun für ihr Geld.“ Sie wandte sich wieder an Jason. Für einen Mann, der kurz davor stand, von seinen Fans erdrückt zu werden, wirkte er erstaunlich ruhig. Sein Lächeln hatte sich sogar noch vertieft. „Was ist denn hier so komisch komisch?“, wollte sie wissen.

„Ich glaube nicht, dass Sie eine Mutter brauchen, die Sie beschützt, Claire ohne Nachnamen. Ich glaube, Sie können sehr gut auf sich selbst aufpassen.“

„Irgendetwas sagt mir, dass Sie ebenfalls nicht allzu leicht zu beeindrucken sind. Trotzdem, bringen Sie Trish hinein. Ihre Frisur hält nicht mehr länger durch.“

„Und was ist mit meinem Motorrad?“ Er deutete mit dem Kopf darauf.

„Geben Sie mir den Schlüssel.“

„Wie bitte?“

Claire hielt die Hand hin. „Ich bringe es nach hinten.“

„Meine Mutter hat mich vor Frauen wie Ihnen gewarnt.“ Zögernd zog Jason die Schlüssel aus der Tasche. „Ich nehme an, Sie können es fahren?“

„Pinkeln Bären im Wald?“ Claire bewegte die Finger, damit er ihr die Schlüssel gab.

Schließlich gab Jason nach. „Ihnen ist hoffentlich klar, was das bedeutet, oder?“

„Dass ich die Verantwortung für eine vierzigtausend Dollar teure, nach Kundenwünschen gebaute Maschine habe?“

„Eher sechzigtausend. Aber darum geht es nicht. Die eigentliche Sache ist die, dass Sie gerade die erste meiner Anforderungen an eine perfekte Ehefrau erfüllt haben.“

„Wie bitte?“

„Vor langer Zeit habe ich beschlossen, dass ich nur eine Frau heiraten würde, die Motorrad fahren kann“, erklärte er.

„Nun, ich bin sicher, Ihre treuen Fans werden begierig sein, diese Information zu erfahren. Apropos treue Fans.“ Claire legte Trishs Hand auf Jasons Arm. „Trish, du solltest den Grund für diesen Aufruhr hineinbringen.“

Trish, deren Frisur und Haltung zunehmend unter dem Ansturm litten, war sichtlich erleichtert über diesen Vorschlag, obwohl die zerzausten Haare ihrer schicken Eleganz etwas sexy Derangiertes verliehen, so als sei sie gerade aus dem Bett gestiegen. Auch die Persianerjacke im modischen Retrolook hing ihr bereits gefährlich von der Schulter, ebenso der knappe Kaschmirpullover.

„Machen Sie sich keine Sorgen wegen des Motorrads“, sagte Trish und tätschelte Jasons Arm, während sie ihn führte. „Claire ist sehr gut in technischen Dingen. Nach einer Party auf der Highschool fand sie mal heraus, wie man die Alarmanlage meiner Eltern überlistet, sodass wir uns, ohne Ärger zu bekommen, uns nachts ins Haus schleichen konnten.“

Jason schien von dieser Information mehr beeindruckt zu sein als von Trishs Erscheinung. „Ich hoffe, sie hat diese kriminelle Karriere nicht fortgesetzt!“, rief er durch den Lärm und schaute zurück in Claires Richtung.

„Ich gerate nur am Ende des Monats in Versuchung, wenn ich das Gehalt ausgegeben habe und die Stromrechnung überfällig ist“, teilte Claire ihm mit.

Ein übereifriger Fan hielt Jason die Morgenzeitung für ein Autogramm hin, sodass Claire gezwungen war, ein wenig zurückzuweichen. Dadurch bekam sie einen besseren Blick auf ihre Freundin und den attraktiven Eishockeyspieler. Tatsächlich, hier war die Lösung für Trishs Problem. Eigentlich sollte sie das freuen, stattdessen fand sie die Vorstellung eher deprimierend.

Wie immer, wenn sie down und unsicher war, ging Claire zum Angriff über. „Apropos überfällig. Wir hatten gerade von erstklassigen Heiratskandidaten gesprochen – Sie entsprechen genau unseren Vorstellungen von einem Verlobten.“

Jason, der dabei war, Trish ins Gebäude zu folgen, sah noch einmal über die Schulter zu Claire.

Sie lächelte, weil er jetzt tatsächlich ein wenig perplex wirkte. „Keine Sorge. Für Trish, nicht für mich“, stellte sie klar.

Nachdem Claire das Motorrad hinter das Stadion gefahren und dort unter den neidischen Blicken eines Wachmanns zurückgelassen hatte, war auch die übrige Mannschaft von „Sports Illustrated“ drinnen und hielt sich bei der Bank der Heimmannschaft auf.

Wie gewünscht, hatte das Management das Basketballfeld hochgefahren, damit die Eisfläche zur Verfügung stand. Da nur eine Handvoll Leute im Stadion war, war es ziemlich kalt. Claire fühlte sich, als hätte man sie plötzlich in die Arktis versetzt.

Sie blies auf ihre Finger, rieb sich die Hände und trat zu der Gruppe. Trish telefonierte. Ihre Assistentin, Elaine, ebenfalls in Fell und Leder gekleidet – wie sie sich das von ihrem armseligen Gehalt leisten konnte, war Claire allerdings ein Rätsel –, sprach mit einem stämmigen Mann in einem blauen Anzug, der ein großes Walkie-Talkie bei sich trug. Vermutlich war er der Stadionmanager.

Eine kleine Gruppe Männer hatte sich auf dem Eis versammelt. In einer der Zuschauerreihen stand ein ernst und sehr gepflegt aussehender Mann in den Dreißigern. Auch er hatte ein Handy am Ohr. Seine Haare waren gegelt und zurückgekämmt, und er trug einen schwarzen Kaschmirmantel. Claire hätte darauf gewettet, dass er Jason Doyles Agent war.

In Reichweite dieses Mannes stand der Star selbst. Wieso sonst sollte sich ein Haufen Männer so aufgeregt benehmen wie pickelgesichtige Teenies bei einer Highschoolparty? Claire schnappte Bemerkungen auf wie „Stanley-Cup-Play-offs“, „Anzahl der Vorlagen“ und „Puppen“. Jungs bleiben Jungs, ganz gleich, wie alt sie sind, dachte sie.

„He, Leute, ich unterbreche euch ja nur ungern, aber wir müssen arbeiten“, verkündete sie.

Einer der Techniker trat zur Seite und gab den Blick frei auf Jason Doyle, der gerade Autogramme schrieb. Beim Klang ihrer Stimme sah er auf.

Unbewusst strich Claire sich die graue Strähne aus dem Gesicht. Für ihren kinnlangen Bob hatte sie sich aus rein praktischen Gründen entschieden. Sie konnte ihn sich selbst schneiden, eine Gewohnheit, über die die Friseure, die sie hin und wieder aufsuchte, sich jedes Mal beschwerten.

„Tut mir leid, zu stören, aber könnte mir jemand zeigen, wo die Fotoausrüstung hingekommen ist?“, fragte sie. „Außerdem brauche ich jemanden, mit dem ich über die Beleuchtung sprechen kann. Wenn wir in Farbe fotografieren, brauche ich mehr Licht.“

„Geht klar.“ Der schlaksige Techniker lief mit großen Schritten fort, um mit Mr. Walkie-Talkie zu sprechen.

„Ich bin beeindruckt.“

Claire musste sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, wer das gesagt hatte. Und mit einer Stimme, deren Ausdruckskraft sie erschauern ließ. „Das liegt an meiner natürlichen Autorität“, erklärte sie, obwohl sie sich in genau diesem Moment nicht sehr selbstsicher fühlte.

„Sie hat auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit geweckt. Siegfried und Roy könnten noch was lernen von Ihnen.“ Jason ging zu ihr, und seine Fans zerstreuten sich widerwillig.

„Gewöhnlich ziehe ich bei großen Tieren mit Krallen die Grenze.“

„Tatsächlich?“ Er hielt ihr die Hand hin. Seine Nägel waren kurz geschnitten, die festen Sehnen auf dem Handrücken verrieten Kraft. „Draußen war es mir nicht klar, aber Sie sind …“

„Claire Marsden.“ Die manikürte Hand eines anderen schob sich vor und nahm ihre Hand. „Und ich bin Vernon Ehrenreich, Jasons Agent. Freut mich, Sie kennenzulernen. Obwohl ich gestehen muss, dass ich ein wenig überrascht bin, dass Sie die Fotografin für die Story sind. Ich dachte, Ihre Arbeit läge eher im Nachrichtenbereich.“

Claire lächelte gequält und wollte gerade etwas erwidern, als Trish zu ihnen gelaufen kam, was angesichts ihrer Pfennigabsätze eine erstaunliche Leistung darstellte.

„Vernon, Claire, ich sehe, Ihr habt euch schon miteinander bekannt gemacht.“ Trish klappte ihr Handy zu. „Vernon, wir können uns glücklich schätzen, Claire zu haben. Habe ich Ihnen nicht erzählt, dass wir die Reportage weniger künstlerisch als lebensecht haben wollen? Sie soll ein bisschen mehr Drive haben. Wie wäre die Persönlichkeit eines Mannes der Bewegung, wie Jason es ist, auch anders zu erfassen? Als ich Claires Namen Jason gegenüber erwähnte, ergriff er auch sofort die Chance.“

Letzteres war Claire neu und, soweit sie sah, Jason ebenfalls. Er machte jedoch keinerlei Einwände. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und wartete. Trish konnte einem Staubsaugervertreter Besen andrehen. Nicht, dass Claire diese Art von Werbung nötig gehabt hätte. Sie war stolz auf ihren Ruf. Sicher, Sport war nie ihr Gebiet gewesen, ebenso wenig das Porträtieren von Berühmtheiten. Doch Claire Marsdens Ruf als Fotografin galt viel in der Zeitschriftenwelt. Außerdem hatte Trish ihr hoch und heilig versprochen, dass ihr beruflicher Background kein Thema sein würde.

Hier war nun also Vernon, der offensichtlich an Claires Eignung für diesen Job zweifelte.

„Action ist ja schön und gut, aber ich dachte, wir sprechen von einem versierten Porträtfotografen. Nichts für ungut, Claire.“ Vernon hob beschwichtigend die Hand.

Claire nickte kühl. Was hätte sie jetzt für eine vorbeifliegende Taube gegeben, die ein kleines Geschenk auf Vernons gegeltes Haupt fallen ließ! Nein, besser noch auf seinen Mantel. Der Anblick des beschmutzten Kaschmirs würde bei ihm womöglich einen allergischen Schock auslösen.

„Der Pulitzerpreis zählt wohl nicht, was?“, meinte Trish.

Jason sah zu Claire. „Ein Pulitzer?“

Claire zuckte die Schultern. „Eigentlich sind es zwei.“

„Nun, möglicherweise wissen Sie Claires Erfahrungen im Nachrichtenbereich nicht zu schätzen, aber ich bin sicher, Sie haben unsere Januarausgabe mit Clyde Allthorpe auf dem Titelblatt gesehen“, fuhr Trish fort.

Wer hatte das Titelbild nicht gesehen, das den Footballstar Wasser tropfend, mit einem ausgelassenen Grinsen im Gesicht und äußerst spärlich bekleidet zeigte! Die Ausgabe hatte eine Rekordauflage gebracht. Sie hatte es in jede TV- und Late-Night-Show geschafft. In den Radiosendern hatte man eine Analyse des Phänomens versucht. Was konnte eine Frau auf dem Weg zu Ruhm und Reichtum sonst noch verlangen?

Okay, sie könnte den Ruhm und Reichtum von Clyde Allthorpe haben wollen, der, wie Vernon nur zu gut wusste, den lukrativsten Vertrag unter den Profisportlern abgeschlossen hatte. Der Vertrag überbot sogar Jasons, der – wie der Zufall es wollte – gerade zur Neuverhandlung anstand. Clyde hatte seinen Supervertrag nach der Titelstory abgeschlossen.

„Sie haben das Foto gemacht?“, fragte Vernon sichtlich verblüfft.

„Allerdings“, antwortete Claire. „Aber dazu müssen Sie wissen …“

„Was muss er da denn noch wissen?“, mischte Trish sich ein. „Ich denke, Vernon ist sich vollkommen im Klaren darüber, wie glücklich wir uns schätzen können, dich für diesen Job zu haben. Mach dich mit Jason doch schon an die Arbeit, während ich mich mit Vernon darüber unterhalte, was wir als Nächstes planen.“

Claire wandte sich an Jason. „Tja, das war wohl unser Marschbefehl. Wie Sie schon gehört haben, ich bin Claire Marsden. Ich kam nur nicht dazu, mich richtig vorzustellen.“ Sie bot ihm die Hand.

Jason nahm sie. „Sie frieren ja.“ Er nahm ihre Hand in seine und rieb sie.

Claire hatte keine Ahnung, wie es um ihre Hände stand, aber in ihre Zehen, die trotz zwei Paar Wollsocken taub vor Kälte waren, strömte plötzlich Wärme.

„Sie sollten Handschuhe tragen“, sagte er und rieb weiter ihre Finger.

„Das geht nicht. Es ist nun mal Berufsrisiko. An der Kamera kann ich keine Handschuhe tragen, also habe ich ständig kalte Finger.“

Jason hob ihre Hände und blies darauf. „Besser?“

Ihr wurde tatsächlich warm. Sehr warm. „Ich bin nicht sicher, ob ‚besser‘ das Wort ist, das ich wählen würde.“

Jason sah ihr über ihre Hände hinweg in die Augen. „Ist Ihnen das unangenehm?“

„Wie wäre es, wenn Sie damit aufhören?“

„Wie wäre es, wenn Sie auf meine Hände pusten, und wir schauen mal, wie ich mich dann fühle?“

Sie wollte ihm gerade sagen, was er mit seinen Händen machen könne, als er ihre losließ.

Er hob kapitulierend die Hände. „Das war nur Spaß.“

„Irgendetwas sagt mir, dass Sie Ärger bedeuten, Jason.“ Sie hielt nach dem Techniker Ausschau, der ihre Kameras bringen sollte. Er stand am Rand der Eisfläche. Auf der Bank neben ihm stapelte sich ihre Ausrüstung. Claire machte Jason ein Zeichen, ihr zu folgen.

„Wie wollen Sie mich?“, fragte er.

Sie wühlte übertrieben lange in ihrer Kameratasche.

„Heißt das, wir werden keine Freunde?“

Sie sah auf. „Ich glaube, diese Fotosession wird in einer freundschaftlichen Atmosphäre stattfinden. Wir werden uns entspannen und Spaß haben. Danach werden wir uns wahrscheinlich ein oder zwei Jahre lang zu Weihnachten Karten schreiben. Ich werde Ihnen per E-Mail zu Ihrem nächsten Gewinn des Stanley Cups gratulieren. Vielleicht schicken Sie mir ein paar Fotos, sobald Ihr erstes Kind geboren ist. Danach wird der gelegentliche Kontakt ganz einschlafen, und in fünf Jahren werden Sie sich fragen, was wohl aus dieser Fotografin geworden ist. Sie werden denken, dass sie gut in ihrem Job war, aber keinen Spaß verstand.“

Jason hörte schweigend zu, und als Claire fertig war, trat er so nah an sie heran, dass das abgewetzte Leder seines Jackenärmels ihren Pullover streifte.

„Liegt es an mir, oder sind Sie immer so, Claire Marsden?“

Sie bedachte ihn mit einem distanzierten Blick, zumindest hoffte sie, dass er distanziert war, und versuchte so ruhig wie möglich zu antworten. „Wieso ziehen Sie sich nicht einfach Ihre Schlittschuhe und Ihr Trikot an und gehen aufs Eis?“ Damit widmete Claire sich wieder ihrer Kameratasche und suchte nach Filmrollen. Sie stopfte sie in die Taschen ihrer Jeans und hängte sich die Kamera um.

„Wo wollen Sie meine Hände haben?“

Fast hätte sie das Teleobjektiv fallen lassen.

„Ich meine auf dem Eis.“ Jason zog seine Jacke aus und streifte sich ein Trikot über.

Claire straffte die Schultern und räusperte sich. „Am besten, Sie nehmen Ihren Schläger und machen ein paar Torschüsse.“ Sie befeuchtete ihre Lippen. „Darin sind Sie gut, soweit ich weiß.“

Jason band sich die Schlittschuhe zu. „Warten Sie, bis Sie mich in Aktion gesehen haben.“

„Oh, ich glaube, das habe ich schon.“

2. KAPITEL

Jason Doyle in Aktion zu erleben war absolut großartig, denn er strahlte eine ungezügelte Kraft aus. Allerdings befürchtete Claire, dies nicht auf Film bannen zu können. Gute fünfundvierzig Minuten lang dirigierte sie ihr Team, während Jason übers Eis glitt. Er schoss ein Tor nach dem anderen und legte nur dann eine Pause ein, wenn die Szene neu ausgeleuchtet werden musste – ein Prozess, der ärgerlich zeitaufwendig war. Aber da sie Profi und Perfektionistin war, wusste sie, dass bei Farbfotos die technischen Einstellungen der Schlüssel waren, damit sie wirklich gut wurden.

Zehn Minuten später war Claire ebenso durchgeschwitzt wie Jason, aber noch immer nicht überzeugt. Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte, dass die Leser Jasons Kraft nicht nur sahen, sondern sie fühlten.

Jason glitt heran und bremste schwungvoll vor ihr. In der kalten Luft bildete sein Atem feine Wolken.

Claire legte rasch eine neue Filmrolle ein. „Das ist es! Machen Sie das weiter. Und bringt mehr Licht hierher, Leute! Schnell! Und atmen Sie weiter so schwer.“

„Das sagen alle Frauen.“

Claire schaute nicht vom Sucher auf. „Darauf wette ich.“ Sie schoss Bild um Bild, bis die Luft wieder klar war. „Sie müssen sich noch mal so bewegen.“ Claire schnippte mit den Fingern, als ihr eine Idee kam. „Warten Sie noch eine Sekunde.“ Sie hielt nach dem schlaksigen Techniker Ausschau und rief ihm dann zu: „Besorgen Sie mir bitte ein Paar Schlittschuhe, Größe vierzig.“

Jason hörte auf, mit seinem Schläger Schleifen ins Eis zu zeichnen. „Sie laufen Schlittschuh?“

„Es ist schon eine Weile her, aber ich kann es sicher noch gut genug.“ Claire sah auf das Eisfeld. Zum letzten Mal hatte sie als Teenager auf dem Eis gestanden. Sie war mit Big Jim in Holland gewesen. Sie waren gerade aus Thailand zurückgekommen, und es war eiskalt. Für Big Jim war das eine gute Gelegenheit mehr zum Trinken und für Sport in der freien Natur. „Wir sind hier im Land der Grachten“, hatte er verkündete er – er sagte nie einfach nur etwas, sondern verkündete es stets der ganzen Welt. „Wir müssen auf den Grachten Schlittschuh laufen.“

Und das hatten sie getan, zusammen mit Massen holländischer Eltern und ihren lachenden Kindern. Den Stunden auf dem Eis waren Stunden in einer Kneipe gefolgt, wo Big Jim unzählige Flaschen Bier getrunken und die Gäste mit Geschichten unterhalten hatte.

„Wollen Sie das wirklich?“ Jasons Stimme riss sie aus ihren Erinnerungen.

„Klar. Da kommt schon Elaine.“ Sie deutete auf Trishs Assistentin und schlitterte über das Eis. Auf der Bank schnürte Claire sich rasch die Schlittschuhe zu. „Auf geht’s.“

Ihre ersten Schritte auf dem Eis waren zögernd. Doch rasch entspannte sie sich und lief sicherer. Sie lief einen weiten Bogen, gewann an Geschwindigkeit und glitt in die Mitte der Spielfläche, wo Jason auf sie wartete.

„Nicht schlecht“, bemerkte er.

„Ich bin keine Eiskunstläuferin, aber es wird reichen.“ Sie hob die Kamera mit beiden Händen. „Am besten, Sie ziehen das Trikot aus.“

„Na schön, Sie sind der Boss.“ Jason zog sich das Trikot über den Kopf und hatte nur noch das enge schwarze T-Shirt an, unter dem sich sein durchtrainierter Oberkörper deutlich abzeichnete.

Von der Bande, wo Trish stand, war ein anerkennendes „Wow!“ zu hören, dann ein Poltern. Als Claire zu ihr hinschaute, hob Trish gerade ihr Handy wieder auf.

„Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn ich weitermache.“ Jason deutete an, auch noch das schwarze T-Shirt auszuziehen.

Claire erhaschte einen Blick auf seine ausgeprägten Bauchmuskeln. „Nein, ich denke, Sie sind weit genug gegangen. Ich will ja nicht, dass Trish in Ohnmacht fällt.“

„Ich beherrsche Herzmassage. Trish wäre also in guten Händen.“

„Behalten Sie den Gedanken im Hinterkopf. Sie können später Doktor spielen“, gab Claire zurück. „Leute“, rief sie ihren Helfern zu, „verteilt das Licht hinter der Bande entlang des Eishockeyfeldes! Jason, ich möchte, dass Sie in gerade Linie über das Eis laufen, und zwar nicht zu schnell, weil ich nämlich neben Ihnen herlaufen will. Spielen Sie mit dem Puck. Sehen Sie geradeaus, als wollten Sie aufs Tor schießen.“

Er fuhr langsam los. „So?“

„Ruhig ein bisschen schneller … Ja, gut. Genau so … Sehen Sie geradeaus. Wenn Sie wollen, können Sie reden.“

Geschickt schlug er den Puck. „Wieso haben Sie mich nicht gebeten, das T-Shirt auszuziehen, Clyde Allthorpe hingegen schon?“

„Ich brauchte ihn nicht darum zu bitten.“

Jason blieb abrupt stehen. Die Kufen seiner Schlittschuhe wirbelten Eis auf. „Er war bereits nackt?“

Claire schaute durch den Sucher. „Nicht anhalten. Und nein, er war nicht nackt. Er schwamm mit Donna, seiner Verlobten, und trug eine Badehose – eine winzige. Hellblau und sehr süß.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Jason klang nicht allzu begeistert.

Autor

Tracy Kelleher
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