Allein mit dem heiß geliebten Feind

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Seit Jahrzehnten herrscht eine erbitterte Feindschaft zwischen den Ralstons und den Kincaids - das soll sich nun ändern. Dieses Versprechen hat Jake Ralston seinem verstorbenen Freund Thane Warner gegeben. Der erste Schritt: Jake wird die Antiquitätenexpertin Emily Kincaid beauftragen, den Wert von Thanes Nachlass zu schätzen. So lange wohnen sie zu zweit auf einer abgelegenen Ranch. Aber nichts hat Jake auf das Begehren vorbereitet, das Emily in ihm weckt! Sie ist doch seine Erzfeindin - woher kommt der Wunsch, sie zu verführen?


  • Erscheinungstag 23.07.2019
  • Bandnummer 2091
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725310
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Auf dem Flug zurück nach Texas war Jake Ralston vollkommen in Gedanken versunken. Er musste an das Versprechen denken, das er seinem Freund Thane Warner auf dem Sterbebett gegeben hatte. Niemals hätte er damit gerechnet, nach Hause zu fliegen, nur um dort einem erbitterten Feind entgegenzutreten – doch genau das tat er nun.

Das Flugzeug steuerte auf Dallas zu, und Jake betrachtete den orangefarben schimmernden Nachthimmel und die Lichter der Stadt. Nach drei Jahren hatte er endlich seinen Dienst bei der Army abgeschlossen. Nachdem er mit seinen Freunden vom Militär gefeiert hatte, hatte er sich sofort auf den Heimweg gemacht. Heute war Samstag, der erste September, und schon am Abend würde er seine Familie wiedersehen. Morgen schmiss er dann eine Party für seine Freunde. Er konnte es gar nicht abwarten. Eine Feier war jetzt genau das Richtige. Partys, schöne Frauen und Ruhe – auf all das freute er sich. Als Mitglied der Army Ranger hatte er seinen Teil getan; nun kehrte er ins wohlverdiente Leben als Zivilist zurück. Er plante, auf seiner Hill Country Ranch zu leben, doch seine Familie hatte mehrere Firmen in Dallas, sodass er seine Zeit zwischen den zwei Orten würde aufteilen müssen.

Nun würden ihn nur noch die Versprechen, die er seinem Freund gegeben hatte, an den Krieg erinnern – und schon das erste davon war eine echte Herausforderung. Er sollte einer Frau einen Job geben, deren Familie schon seit über hundertfünfzig Jahren mit seiner Familie verfeindet war.

Ehe er sein Versprechen an Thane erfüllen und Emily Kincaid anheuern konnte, musste er sie also erst dazu bringen, überhaupt mit ihm zu reden. Keine leichte Aufgabe. Schon seit über zehn Jahren hatte er nicht mehr mit einem Kincaid gesprochen – nicht mehr, seit er Emilys Bruder Doug beim Amarillo Rodeo geschlagen hatte. Damals war er zweiundzwanzig gewesen. Davor hatte er sich ständig mit Lucas, einem anderen Bruder von ihr, gestritten. Das war noch zu Highschoolzeiten gewesen. Wenn es nach ihm ginge, würde er sich weiterhin von den Kincaids fernhalten, aber er hatte Thane ein Versprechen gegeben, und er hielt sein Wort. Er würde die Sache einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen müssen.

Emily Kincaid kannte er kaum. Sie arbeitete als professionelle Sachverständige und war jünger als er – das war auch schon alles, was er von ihr wusste. Im Geist sah er immer noch ein dünnes Mädchen mit Rattenschwänzen vor sich. Doch eins wusste er ganz sicher: Es war schier unmöglich, eine Kincaid zu einer Zusammenarbeit mit einem Ralston zu überreden. Nur zwei Dinge gaben ihm Hoffnung: Einerseits waren Emily und Thane Freunde gewesen, und andererseits hatte Thane ihm ein kleines Vermögen hinterlassen, mit dem er Emily bestechen konnte. Würde das Geld sie überzeugen? Oder würde ihre Freundschaft zu Thane sie vielleicht dazu bringen, seinen Wunsch zu erfüllen? Nun, er würde es allzu bald herausfinden.

Thane Warner war ein erstklassiger Soldat gewesen – und beliebt, wo immer er hinging. Ihm war es stets leichtgefallen, Freunde fürs Leben zu gewinnen, zu denen auch Jake sich zählte.

Vor zwei Jahren war Thane in Afghanistan bei einem Hinterhalt tödlich verletzt worden, und als er im Sterben lag, rief er nacheinander seine Freunde zu sich, um ihnen gegenüber letzte Wünsche zu äußern. Mike Moretti und Noah Grant hatten seine Instruktionen genau ausgeführt. Nun war er, Jake, an der Reihe.

Der Gedanke an Thane versetzte ihm einen Stich. Er trauerte immer noch um seinen Freund und konnte sich nicht vorstellen, wie sehr Thanes Verlust dessen Familie schmerzen musste. Nun, da er zu Hause war, wollte er die Warners besuchen, ihnen sein Beileid aussprechen und Erinnerungen mit ihnen austauschen. Während seiner Kindheit hatte er viel Zeit bei Thane und seiner Familie verbracht, die so viel harmonischer war als seine eigene. Thanes Dad war ihm ein besserer Vater gewesen als irgendeiner seiner Stiefväter oder sein Erzeuger, und Thanes Mutter war wirklich liebenswert. Jake hatte mehrere Halbgeschwister, aber zu keinem von ihnen hatte er ein so enges Verhältnis wie zu Thane. Er würde seinen Freund wirklich sehr vermissen.

Umgekehrt hatte Thane Jake ebenso geschätzt. Doch am Ende hatte er das schier Unmögliche von ihm verlangt: Jake sollte die Fehde zwischen den Ralstons und den Kincaids beenden. Die Fehde hatte im Jahre 1864 begonnen, und glaubte man den Geschichten, so waren die ersten Jahre nach dem Streit von Morden, Duellen und Diebstählen geprägt gewesen; angeblich war sogar ein Mensch erhängt worden. Wie sollte Jake all diesen Jahren voller Hass bloß ein Ende setzen?

„Freunde dich mit ihnen an“, hatte Thane ihm zugeflüstert, als er ihm diese Frage gestellt hatte. Doch das war unmöglich. Es würde schon an ein Wunder grenzen, wenn Emily Kincaid ihm gegenüber höflich bliebe, geschweige denn seinem Angebot einer Zusammenarbeit zustimmte. Anders als Jake hatte Emily ihrem Freund schließlich kein Versprechen gegeben.

Emily Kincaid sah auf die Uhr. In fünf Minuten hatte sie einen Termin mit Jake Ralston. Sie wollte zwar eigentlich nichts mit den Ralstons zu tun haben, doch in diesem Fall machte sie eine Ausnahme; Jake hatte einen Brief von Thane für sie, den sie schon ihr ganzes Leben lang kannte. Er war acht Jahre älter als sie und mit ihren Brüdern befreundet gewesen. Trotzdem war er immer nett zu ihr gewesen. Von seinem Tod vor zwei Jahren zu erfahren hatte sie sehr getroffen.

Wieder sah Emily auf die Uhr, neugierig und zugegebenermaßen auch ein wenig nervös wegen des bevorstehenden Treffens. Sie nahm die Fehde zwar nicht so ernst wie manch anderer ihrer Verwandten, doch sie hatte sich kaum je mit einem Ralston unterhalten. Selbst jetzt empfing sie Jake ganz bewusst in ihrem Büro; es lag hinten in ihrem Geschäft und war nicht einsehbar, sodass die meisten Kincaids nie von diesem Treffen erfahren würden.

Die Gegensprechanlage brummte und riss sie aus ihren Gedanken. Als ihre Assistentin ihren Besucher ankündigte, trat Emily vor ihren Schreibtisch. Abgesehen von seinem Namen wusste sie fast nichts über ihn. Leslie öffnete die Tür. „Jake Ralston will dich sprechen“, sagte sie und trat zur Seite.

Verblüfft sah Emily den großen, gut aussehenden Mann im marineblauen Western-Anzug und mit dem schwarzen breitkrempigen Hut an. Jake Ralston war noch wesentlich attraktiver, als die Bilder von ihm in Zeitungen und Magazinen hatten vermuten lassen, und er besaß eine Ausstrahlung, die kein Foto einfangen konnte.

Er erwiderte Emilys Blick aus dunkelbraunen Augen, und kurz vergaß sie alles um sich herum. Doch sie riss sich zusammen und streckte ihm die Hand hin, wie sie es bei jedem potenziellen Klienten tat.

„Ich bin Emily Kincaid. Wir haben uns wahrscheinlich schon mal getroffen, als wir noch Kinder waren“, sagte sie. Als Erwachsene waren sie sich noch nie begegnet – daran hätte sie sich erinnert. Er erwiderte den Händedruck; seine Hand war warm, sein Griff fest, und ihre Haut prickelte unter seiner Berührung.

Verwundert schaute sie zu ihm auf, gerade rechtzeitig, um Überraschung in diesen dunklen Augen aufblitzen zu sehen. Hatte er es etwa auch gespürt? Er betrachtete sie interessiert, und sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, so als gäbe es im ganzen Raum keinen Sauerstoff mehr, nur noch die Funken zwischen ihr und Jake Ralston. Nach einem Moment bemerkte sie, dass sie einander immer noch schweigend gegenüberstanden, die Hände ineinander verschränkt.

Ruckartig entzog sie ihm die Hand. „Setzen Sie sich doch“, sagte sie – zumindest hoffte sie das. Ihr Herz pochte geradezu ohrenbetäubend laut. Wieso reagierte sie so stark auf ihn? Normalerweise hatten Männer nie eine solche Wirkung auf sie, schon gar nicht, wenn sie sie überhaupt nicht kannte. Und er war ein Ralston. Auf ihn sollte sie erst recht nicht so reagieren.

Um Fassung bemüht, wies sie auf einen der ledernen Stühle vor ihrem Schreibtisch und setzte sich ihm gegenüber. Bisher hatte sie nie das Gefühl gehabt, die Stühle ständen allzu nah beieinander; nun dachte sie, es wäre vielleicht besser gewesen, sich hinter ihren Schreibtisch zurückzuziehen. Hätte sie gewusst, wie sie auf ihn reagieren würde, hätte sie dem Treffen niemals zugestimmt. Er war wirklich attraktiv, doch das war nicht alles. Die Chemie zwischen ihnen war so stark, dass sie das Gefühl hatte, zwischen ihnen würden Funken sprühen.

Er schlug die Beine übereinander und warf seinen Hut auf einen Stuhl; darunter kam dichtes, leicht gewelltes schwarzes Haar zum Vorschein, und Emily zwang sich, den Blick abzuwenden. Sie musste sich zusammenreißen, so schnell wie möglich herausfinden, was er wollte, und ihn dann wieder rauswerfen.

„Danke, dass Sie diesem Treffen zugestimmt haben. Falls sich nichts dramatisch geändert hat, während ich bei der Army war, brechen wir gerade mehr als hundert Jahre des Schweigens zwischen unseren Familien. Abgesehen von gelegentlichen Auseinandersetzungen natürlich“, sagte er leicht amüsiert. Sein Blick wirkte neugierig, als hätte sie auf ihn dieselbe Wirkung wie er auf sie. Doch das war unmöglich.

„Ich wüsste nicht, wieso Thane Warner mir einen Brief geschrieben haben sollte.“

„Na, dann will ich Sie mal nicht länger auf die Folter spannen. Er hat mich gebeten, ein paar Dinge für ihn zu erledigen, die er nicht mehr selbst tun konnte. Dinge, die ihm wichtig waren. Thane wollte die Ranch verkaufen, die sein Großvater ihm vermacht hatte. In dem Haus befinden sich wohl einige wertvolle Gegenstände, und er meinte, Sie könnten den Wert schätzen und mir sagen, wo ich die Sachen loswerden kann, die ich nicht haben will. Er hat mir von Ihrem Antiquitätengeschäft erzählt. Mir sind ein paar interessante Stücke aufgefallen, als ich reingekommen bin.“ Er sah zu Boden. „Thane wurde schwer verletzt, und wir waren unter Beschuss“, sagte Jake, und seine Stimme wurde rau. „Wenn man von einem sterbenden Freund um etwas gebeten wird, sagt man nicht Nein. Und wir waren unser ganzes Leben lang befreundet. Ich habe ohne zu zögern versprochen zu tun, was auch immer er will. Er hat mich um drei Dinge gebeten und dabei das schier Unmögliche verlangt. Aber ich werde mein Bestes tun, um seine Wünsche zu erfüllen.“

Sie konnte ihm anhören, wie sehr er immer noch um seinen Freund trauerte, und verstand, wieso er Thane keinen Wunsch hatte abschlagen können. Sie atmete tief durch. Was auch immer Thane gewollt hatte, sie würde sicher Nein sagen wollen – und Jake Ralston hatte Thane versprochen, sie umzustimmen. Sie selbst hatte Thane kein Versprechen gegeben, aber es würde ihr trotzdem ein schlechtes Gewissen machen abzulehnen. Sie wünschte, sie könnte dieses Treffen einfach abbrechen, ohne sich anhören zu müssen, was Jake von ihr wollte.

„Thane wollte, dass wir zusammenarbeiten. Das hier ist also ein Jobangebot.“

Wie könnte sie dem je zustimmen? Sie war eine Kincaid und konnte nicht für einen Ralston arbeiten. Das würde ihre Familie nie gutheißen – besonders ihre Brüder nicht. Es machte ihr nichts aus, in ihrem Büro mit Jake zu sprechen, aber eine Zusammenarbeit würde sie einander so viel näherbringen als das. „Dieses Angebot kann ich unmöglich annehmen. Unsere Familien sind einfach zu zerstritten. Ich kann Ihnen höchstens ein paar andere Sachverständige empfehlen. Leute mit viel Erfahrung, denen Sie vertrauen können.“

Langsam beugte er sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie, kam ihr so nah, dass er sie fast berührte. Sie erwiderte seinen Blick; diese dunklen Augen brachten ihr Herz zum Rasen. „Emily“, sagte er. „Thane hat so sehr darum gekämpft, lang genug am Leben zu bleiben, um mir zu sagen, was ich für ihn tun soll. Die Sanitäter konnten kaum glauben, dass er so lange durchgehalten hat. Dieses Projekt war ihm wirklich wichtig, und kaum hatte ich ihm versprochen, mich darum zu kümmern, ist er gestorben. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um mein Wort zu halten. Und wenn uns nur eine alte Familienfehde im Weg steht, die eigentlich nichts mehr mit uns zu tun hat, dann können wir es schaffen. Ich bitte Sie nicht um Ihre Freundschaft, nur um Ihre Hilfe.“

Verzweifelt schloss sie die Augen und wollte ihn aus ihrem Büro werfen, sich die Ohren zuhalten, damit sie ihm nicht weiter zuhören musste. Sie wollte nicht auf irgendeiner Ranch für einen Ralston arbeiten. Jake war der bestaussehende Mann in der Umgebung, und wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, war er ein unglaublicher Frauenheld. Definitiv nicht ihr Typ. Emily wollte nicht als Trophäe oder Teil einer Statistik enden. Sie wollte keine Affäre, und sie wollte sich definitiv nicht das Herz brechen lassen. Doch genau darauf würde eine Zusammenarbeit wahrscheinlich hinauslaufen.

„Gehen wir das doch mal durch, bevor Sie mir eine endgültige Antwort geben, Emily“, sagte er einschmeichelnd. „Wie schon gesagt: Kurz bevor Thane starb, bat er mich um drei Dinge. Nummer eins: Ich soll mich um die Ranch seines Großvaters kümmern. Im Gegenzug für mein Versprechen hat er mir die Ranch vermacht. Sie gehört nun mir – samt allem, was sich auf dem Grundstück und in dem Haus befindet. Zweitens soll ich Sie damit beauftragen, den Inhalt des Hauses zu begutachten und mir beim Verkauf der Sachen zu helfen. Dazu sollen Sie zusammen mit mir auf die Ranch ziehen. Was das dritte Versprechen angeht, habe ich leider nicht viel Hoffnung: Ich soll versuchen, den ewigen Streit zwischen den Ralstons und den Kincaids beizulegen. Ich schätze, dieses Gespräch ist wenigstens ein Anfang. Und er hat betont, dass ich es nur versuchen soll.“ Er atmete tief durch. „Ich bin nicht der Einzige, der Thane etwas versprochen hat. In unserer Truppe waren insgesamt vier Texaner: Noah Grant, Mike Moretti, Thane und ich. Wir waren alle miteinander befreundet, und Thane war unser Captain. Sie sind zwar ein wenig jünger als wir, aber Sie kennen die Warners sicher schon seit Ihrer Kindheit. Und ich könnte mir vorstellen, dass Sie auch Noah Grant kennen oder zumindest seine Schwester Stefanie.“

Emily nickte. „Ich bin mit Stefanie zur Schule gegangen.“

„Noah sollte Thanes Schwester Camilla einen Brief bringen und fand dadurch heraus, dass er einen Sohn mit ihr hat. Mike Moretti, der vierte im Bunde, wurde von Thane darum gebeten, sich um seine Ranch zu kümmern, sobald er wieder zu Hause wäre. Das hat er getan – und nicht nur das: Er hat darüber hinaus Thanes Witwe Vivian geheiratet und die ‚Tumbling T‘ mittlerweile komplett übernommen. Die Ranch befindet sich auf einem ehemaligen Schlachtfeld – genau zwischen einem Grundstück der Ralstons und einem der Kincaids.“

„Sie haben recht: Es ist unmöglich, diese Fehde zu beenden“, sagte Emily. „Einige meiner Verwandten sind da sehr verbohrt. Sie dürften nicht einmal erfahren, dass ich für Sie arbeite. Thane war ein guter Mensch, aber dieser Job ist einfach nicht …“

Jake hob die Hand. „Bitte lesen Sie den Brief, den Thane mir für Sie mitgegeben hat. Wie schon gesagt, Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Mühe es ihn gekostet hat, mir und unseren beiden Freunden diese Versprechen abzuringen.“

„Na schön. Es widerstrebt mir zwar, aber ich werde zuhören.“

„Gut“, sagte Jake und warf ihr einen Blick zu, der sie erschauern ließ, ehe er seinen Aktenkoffer öffnete und einen verschlossenen Umschlag herausnahm.

Widerwillig streckte sie die Hand danach aus, und als seine Finger ihre berührten, spürte sie erneut dieses Prickeln. Neugierig sah er sie an, und sie wurde von Verlangen durchflutet. Wieso hatte sie diesem Treffen bloß zugestimmt?

Sie öffnete den Brief und sah auf. „Ich lese Ihnen den Brief vor. Sie sind davon schließlich genauso betroffen wie ich.“

„Okay“, sagte Jake.

Liebe Emily,

ich habe meinen Freund Jake Ralston darum gebeten, dich anzuheuern, um den Besitz meines Großvaters zu schätzen, und dich dazu zu überreden, für die Dauer dieses Unterfangens mit Jake zusammen auf der Ranch zu wohnen. Ich weiß, eine Zusammenarbeit mit einem Ralston ist viel verlangt, aber es ist schließlich nur vorübergehend, und ihr würdet mir damit einen großen Gefallen tun. Bitte erfülle mir diesen Wunsch. Für die Ralstons und die Kincaids ist es an der Zeit, das Kriegsbeil zu begraben. Ihr habt euer Leben beide noch vor euch, und dies ist nur eine kleine Bitte, die nicht viel Zeit beanspruchen wird. Ich hoffe, du nimmst den Job an und dass diese Aufgabe eure Leben verbessert, auf welche Weise auch immer. Das Leben ist kostbar. Verschwendet es nicht damit, eine Fehde fortzuführen, die nichts mehr mit euch zu tun hat. Ich wäre dir so dankbar, wenn du das für mich tun könntest. Euch beiden. Ich wünsche euch alles Glück der Welt.

Thane.

Als sie aufblickte, schaute Jake zur Seite, doch sie sah Tränen in seinen Augen schimmern. „Sie sollten mir wohl sagen, was genau Sie von mir wollen.“

„Ich habe auch einen Brief mit sehr genauen Anweisungen, die wir später durchgehen können. In der Zwischenzeit …“ Er nahm einen weiteren Umschlag aus dem Aktenkoffer. „Thane wies mich an, diesen Umschlag zu öffnen. Er ist für Sie. Sein Geschenk dafür, dass Sie den Job annehmen, und er wollte, dass ich davon weiß. Zusätzlich dazu werde ich Ihnen das übliche Gehalt für Ihre Arbeit zahlen. Sagen Sie mir einfach, wie viel Sie bekommen.“ Er hielt ihr den Umschlag hin. „Und nur damit Sie es wissen: Er hat geschrieben, dass Vivian damit einverstanden ist.“

Als sie den Umschlag entgegennahm, streiften seine Finger erneut ihre, und wieder spürte sie dieses Prickeln und sah auf. Er starrte sie an, sein Blick so intensiv, dass ihr Herz ins Stolpern geriet. Es gefiel ihr wirklich ganz und gar nicht, wie stark die Chemie zwischen ihnen war. Sie wollte sich nicht zu einem Ralston hingezogen fühlen, wollte nicht, dass ihr Herz schon bei der kleinsten Berührung zu rasen begann. Und er fühlte es offenbar auch. Sie sah es in seinen Augen. Die Funken zwischen ihnen würden es nicht gerade leicht machen, für ihn zu arbeiten. Ein Grund mehr, sich nicht auf das Angebot einzulassen. Sie respektierte Thane Warners Wünsche, aber diesen Job konnte sie einfach nicht annehmen.

Sie blickte auf den braunen Umschlag hinunter: Er war zerknittert, schmutzig und mit Tränen befleckt. Vorsichtig hob sie die Lasche und nahm den Scheck heraus. „Sie sagten, Sie wüssten, was hier drin ist.“

„Ja, allerdings. Ich habe immer noch den Brief von Thane, in dem steht, ich solle den Umschlag öffnen.“ Er verstummte, und sie sah hinunter auf den Scheck.

Fassungslos starrte sie auf das Papier; sie konnte einfach nicht glauben, wie viele Nullen darauf waren. „Du lieber Himmel. Ist der echt?“

„Ja. Thane zahlt Ihnen für diesen Job eine Million.“

„Das kann ich unmöglich annehmen.“

Jake zuckte die Schultern. „Doch. Thane ist tot. Er kann das Geld nicht mehr ausgeben. Seine Frau Vivian hat sein millionenschweres Anwesen geerbt. Und darüber hinaus ist sie eine Milliardenerbin und erfolgreiche Künstlerin, und die Ranch wird unter Mike Morettis Führung nur noch mehr Geld abwerfen. Sie wird das Geld nicht brauchen. Es gehört Ihnen, wenn Sie den Job annehmen.“

Sprachlos sah Emily den Scheck an und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. „Ich kann das einfach nicht glauben. Wieso sollte er das tun?“

„Er wollte, dass Sie diesen Auftrag annehmen. Ich schätze, er dachte, Sie würden ohne triftigen Grund ablehnen. Wenn wir zusammenarbeiten, werden unsere Familien das unweigerlich erfahren. Und das wäre das Ende der Fehde.“

Plötzlich wurde Emily klar, dass sie den Job unmöglich ablehnen konnte. Sie sah Jake an. Sie würde mit dem attraktiven Rancher unter einem Dach leben. Mit einem Charmeur, einem Mann, der schöne Frauen, Partys und seine Freiheit liebte. Konnte sie wirklich über längere Zeit mit ihm in einem Haus wohnen, ohne sich in ihn zu verlieben? Konnte sie mit ihm zusammenarbeiten, ohne sich dabei das Herz brechen zu lassen?

2. KAPITEL

Jake beobachtete Emily. Als sie kreidebleich wurde, wusste er, dass Thane seinen Willen bekommen würde. Sie würde den Job annehmen. Halb rechnete er damit, sie auffangen zu müssen; einen Moment lang sah sie aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Ihre Reaktion überraschte ihn, schließlich war sie nicht gerade arm. Sie führte nicht nur ein erfolgreiches Geschäft, sondern stammte darüber hinaus aus einer wohlhabenden Familie. Die Kincaids betrieben einen Ölkonzern, Kincaid Energy; ihr Vater war der CEO, ihr Bruder Doug leitete das operative Geschäft, und ihr Bruder Will hatte ebenfalls eine Führungsposition inne. Lucas besaß eine Ranch, gehörte jedoch ebenfalls zum Vorstand und war fast jede Woche in Dallas.

„Dieses Geld macht mich von jetzt auf gleich zur Millionärin, völlig losgelöst von allen Familiengeschäften“, sagte sie und sah auf. „Sie wissen genau, dass ich jetzt nicht mehr ablehnen kann.“

„Genau das dürfte wohl Thanes Absicht gewesen sein.“ Jake fiel auf, dass sie nicht so aussah wie die Frauen, mit denen er für gewöhnlich ausging. Doch nun, da er genauer hinschaute, bemerkte er ihre großen hellbraunen Augen, die glatte Haut und die vollen rosigen Lippen. Sie trug keinen Schmuck, kein Make-up, und ihr schwarzes Oberteil verhüllte ihre Figur, statt sie zu betonen. Und trotz alledem herrschte zwischen ihnen eine unglaubliche Chemie. Wie konnte das sein? Er war sicher, dass sie es auch spürte.

„Ich kann das einfach nicht glauben. Wieso sollte er mir so viel Geld geben wollen? Wieso sollte er überhaupt irgendetwas davon tun? Es gibt doch genug andere Sachverständige.“

„Thane hatte jede Menge Geld. Er wollte, dass all seine Angelegenheiten geregelt werden. Offenbar hielt er Sie für die beste Wahl, sonst hätte er Ihnen nicht so viel Geld dafür angeboten. Oder er war einfach nur wild entschlossen, die Fehde zu beenden, und eine so enge Zusammenarbeit zwischen einem Ralston und einer Kincaid ist ein guter Anfang.“

„Ja, das stimmt wohl. Das fühlt sich alles wie ein Traum an“, sagte sie, den Blick weiterhin auf den Scheck gerichtet, als könne sie es immer noch nicht so recht fassen. „Eigentlich war ich fest entschlossen, den Job abzulehnen. Ich dachte, es gäbe keine Möglichkeit, mich dazu zu überreden. Aber da habe ich mich offenbar getäuscht. Mit diesem Geld kann ich einfach zu viel Gutes tun, um es abzulehnen. Also kann ich nur eins sagen: Ja, ich nehme den Job an.“

Er lehnte sich zurück und lächelte sie an. Wie würde die Zusammenarbeit zwischen ihnen wohl laufen? „Gut. Ich will möglichst alles tun, um meine Versprechen, die ich ihm gegeben habe, einzulösen. Sie kriegen eine Million. Ich bekomme eine neue Ranch und ein Grundstück in West Texas – und dafür muss ich mich bloß um ein altes Haus und ein paar Dinge kümmern, die nicht in die falschen Hände geraten sollen. Und gleichzeitig arbeiten wir daran, dem Streit zwischen unseren Familien endlich ein Ende zu setzen. Hoffentlich werden unsere Familien die Fehde aufgeben, wenn sie uns zusammenarbeiten und unter einem Dach wohnen sehen.“

„Ich hoffe, meine Brüder bereiten uns keine Probleme. Das wird ihnen definitiv nicht gefallen. Und meinen anderen Verwandten wahrscheinlich auch nicht.“

„Die Ranch wurde nie stillgelegt, und Thane hat mir erzählt, dass es jede Menge Sicherheitspersonal gibt, von den Cowboys und Angestellten einmal abgesehen. Warnen Sie Ihre Brüder also vor.“ Erneut schlug er die Beine übereinander. „Thane hat sich gut um alles gekümmert, aber er kam leider nicht mehr dazu, das Haus wieder bewohnbar zu machen, ehe er zur Army ging. Ich wollte mir das Haus irgendwann diese Woche mal anschauen. Möchten Sie vielleicht mitkommen?“

„Ja. Ich würde gern sehen, was es alles zu tun gibt.“

„Morgen habe ich leider keine Zeit, und Freitagmorgen fahre ich zu Thanes Eltern. Ich stand Mr. Warner immer schon sehr nahe. Ich muss ihn einfach sehen.“

„Das ist schon in Ordnung.“

„Wie wäre es mit Freitagnachmittag? Dann könnten wir danach zurück nach Dallas fliegen, und ich würde Sie abends zum Essen ausführen.“ Sie war zwar nicht sein Typ, aber er wollte ihr zeigen, dass er ihre Zusage zu schätzen wusste. „Ich hole sie hier ab, und dann fliegen wir zu der Ranch, sehen uns das Haus an und entscheiden, wann wir anfangen wollen.“

„Wenn Sie wollen, kann ich schon im Vorfeld ein Reinigungsteam organisieren. Es gibt da eine Firma, mit der ich oft zusammenarbeite und die sehr zuverlässig ist. Und ich kenne auch einige Maler, die das Haus von außen und innen streichen könnten, wenn Sie möchten.“

„Das wäre toll. Dann könnten Sie nicht nur den Inhalt des Hauses schätzen, sondern das Haus gleichzeitig wieder bewohnbar machen. Ich habe wenig Lust, mich mit der Renovierung zu beschäftigen. Ich kenne einen guten Bauunternehmer, den Sie damit beauftragen könnten, aber stellen Sie ruhig Ihre eigenen Maler und Innenarchitekten ein. Tun Sie einfach so viel wie möglich, und schicken Sie mir dann die Rechnung.“

„In Ordnung. Ich kenne auch gute Landschaftsgärtner, falls Sie sie brauchen sollten.“

„Sehr gut. Als Thane die Ranch geerbt hat, stellte er jemanden ein, der die Dinge am Laufen halten und auf Vordermann bringen sollte. Thane sagte mir, es gäbe eine Schlafbaracke, eine Küche und einen Essbereich für die Cowboys sowie einen Koch und ein Büro in der Nähe der Baracken. Darüber hinaus einige Rinder, aber den Bestand werden wir noch aufstocken. Und natürlich gibt es ein Haupthaus, ein dreistöckiges Gebäude aus Holz. Thane wollte eigentlich alles darin durchgehen und entscheiden, was damit getan werden soll, aber weder er noch Vivian sind dazu gekommen, bevor er nach Afghanistan musste. Wenn ich es recht verstanden habe, gibt es einen Hausmeister, der in einem Gästehaus nahe dem Haupthaus lebt. Ich möchte möglichst alle von Thanes Angestellten weiterbeschäftigen. Kümmern Sie sich so weit möglich um alles, und stellen Sie es mir in Rechnung. Ich widme mich währenddessen den Angestellten, den Tieren und dem Bauunternehmer.“

Sie nickte. Er sah in ihre großen braunen Augen, und plötzlich konnte er nur noch an eins denken: Wie wäre es wohl, sie zu küssen?

Die Frage überraschte ihn. Was hatte sie bloß an sich, dass er über solche Dinge nachdachte? Sie war nicht sein Typ. Sie war pragmatisch und geschäftstüchtig. Aber jedes Mal, wenn er sie ansah, empfand er etwas, das er nicht so recht einordnen konnte. Und jedes Mal, wenn das geschah, sah sie ihn ebenso verblüfft an, wie er sich fühlte, und er war sich sicher, dass sie das ebenso wenig wollte wie er. Wenn sie zusammen in einem Haus wohnen wollten, musste er das wirklich unter Kontrolle bringen.

Als sie sich erhob, tat er es ihr sofort gleich, ließ kurz den Blick über sie gleiten. „Ich schätze, das war alles“, sagte sie.

„Zumindest für heute.“ Er hielt ihr die Hand hin, einfach aus purer Höflichkeit – schließlich würden sie nun wirklich zusammenarbeiten und – wohnen. Doch als ihre Hände sich berührten, verspürte er wieder dieses Prickeln und sah, wie sie blinzelte und ihn anstarrte. „Ich hole Sie am Freitag ab“, sagte er, nachdem er sich ausgiebig geräuspert hatte. „Ich rufe vorher an.“ Wieder ließ er den Blick über sie wandern. „Das war sehr … interessant. Ich hatte noch nie ein so langes oder zivilisiertes Gespräch mit einer Kincaid.“

Sie lächelte. „Dann wird es ja langsam Zeit. Wir beißen nicht, versprochen. Eigentlich sind wir ganz harmlos.“

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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