Alles nur ein heißer Traum?

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Bitte mehr davon, denkt Jordan erregt, als ein sexy Cowboy sie zum Bett trägt und langsam auszieht. Nur ein heißer Traum, weil sie mitten in der Nacht einen Western geschaut hat - oder aufregende Wirklichkeit? Der Morgen über Santa Fe bringt es an den Tag …


  • Erscheinungstag 05.03.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716066
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Ware House, Long Island.

Jordan warf die Tür des Taxis hinter sich zu und blickte zu der altehrwürdigen Villa vor ihr. Der wolkenverhangene Himmel ließ das von ihrem Ururgroßvater erbaute Anwesen noch düsterer erscheinen als sonst. Mit seinen turmförmigen Erkern und seiner grauen Steinfassade machte es einen geradezu gespenstischen Eindruck.

Das jedenfalls hatte sich nicht geändert. Im Gegensatz zu allem anderen.

Vor sieben Tagen hatte eine Nachricht Jordans Leben verändert. Ihre Mutter, die bekannte Schmuckdesignerin Eva Ware, war bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Tot. Ihre Mutter war tot.

Eine Woche war seitdem vergangen, doch Jordan konnte die Wahrheit noch immer nicht ganz akzeptieren.

Seufzend schloss sie die Augen und zwang sich, tief durchzuatmen. Sie konnte sich jetzt nicht gehen lassen. Es gab viel zu tun. Schließlich trug sie die Verantwortung dafür, dass das Erbe ihrer Mutter fortbestehen würde.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr bestätigte ihr, dass sie eine gute halbe Stunde zu früh zur Testamentseröffnung gekommen war. So konnte sie also noch einmal in aller Ruhe ihre Gedanken ordnen. Langsam ging sie vor dem imposanten Eingangsportal auf und ab.

Du schaffst das schon.

Hatte sie es nicht auch geschafft, die Trauerfeier – wenn auch mithilfe von Onkel Carleton und Tante Dorothy – zu organisieren?

Jordan hatte die Unterstützung gleichermaßen dankbar und überrascht angenommen. Ihre Mutter und ihr Onkel hatten sich eigentlich nie verstanden.

Ihrer Mutter zufolge lag die Ursache des Streits im Testament ihres Großvaters. Carleton und Eva hatten beide jeweils zur Hälfte die Ware Bank, Ware House und das übrige Vermögen geerbt. Carleton war damals davon ausgegangen, dass seine Schwester ihren Anteil am Vermögen in die Ware Bank investierte, genau wie er, doch Eva hatte stattdessen darauf bestanden, das Geld in ihre neu gegründete Schmuckdesignfirma zu stecken.

Eine kluge Entscheidung, fand Jordan. Eva Ware Designs war inzwischen eines der exklusivsten Schmuckgeschäfte in New York City.

Eva hatte versucht, die Wogen zu glätten, indem sie ihrem Bruder das Anwesen allein überließ. Onkel Carleton, Tante Dorothy und Jordans Cousin Adam lebten dort, so lange Jordan denken konnte. Doch auch dadurch hatte sich das Verhältnis der Geschwister nicht entspannt. Jedes Mal wenn sie und Eva zu Besuch gekommen waren, waren sie so kühl empfangen worden, dass ihre Mutter stets ein Zimmer in einer Pension in Linchworth gemietet hatte.

Nichtsdestotrotz waren ihr Onkel und Tante bei den Vorbereitungen der Trauerfeier eine echte Hilfe gewesen. Dorothy Ware war überaus geschickt und erfahren, wenn es um die Organisation gesellschaftlicher Ereignisse ging, und als solches musste man Eva Wares Begräbnis bezeichnen.

Leider hatte der Einzige, dessen Anwesenheit Jordan sich wirklich gewünscht hätte, nicht kommen können – Jase Campbell, ihr Mitbewohner und engster Freund.

Sie und Jase hatten sich in Jordans erstem Jahr an der Wharton School der University of Pennsylvania kennengelernt. Jase war ein paar Semester weiter gewesen als sie. Der Zufall hatte es gewollt, dass sie sich für das gleiche Apartment interessierten, und so waren sie kurzerhand zusammengezogen. Daraus war eine echte Freundschaft entstanden, und als Jase vor einem Jahr die Navy verlassen hatte, um in Manhattan eine eigene Sicherheitsfirma zu gründen, da waren sie wieder zu Wohnungsgenossen geworden. Leider war Jase seit dreieinhalb Wochen in Südamerika, um in einem Geiseldrama zu verhandeln. Jordan hatte ihn nicht einmal mit dem Handy erreichen können.

Er wusste noch gar nicht, dass Eva tot war.

Und noch weniger wusste er etwas von der anderen großen Veränderung in Jordans Leben: Sie hatte eine Schwester bekommen.

Das hatte ihr Edward Fitzwalter, der langjährige Anwalt ihrer Mutter, nach der Trauerfeier telefonisch mitgeteilt. Selbst jetzt noch hatte Jordan das Gefühl, sich kneifen zu müssen, um sicher zu sein, dass die vergangene Woche nicht doch nur ein Albtraum gewesen war, aus dem sie gleich erwachen würde.

Sie hatte eine Schwester, der sie nie begegnet war! Madison Farrell. Und die würde heute bei der Verlesung des Testaments dabei sein.

Wenn sie daran dachte, wurde ihr ganz flau im Magen. Sie hatte nur zwei Tage Zeit gehabt, um sich auf die Situation einzustellen. Eigentlich war sie stolz auf ihren effizienten Arbeitsstil und ihre Anpassungsfähigkeit. Aber wie um alles in der Welt stellte man sich darauf ein, dass man plötzlich eine Schwester hatte – eine eineiige Zwillingsschwester – die all die Jahre auf einer Ranch in New Mexico gelebt hatte, bei einem Vater, den man nie gekannt hatte? Und den man auch nie kennenlernen würde, weil er vor einem Jahr gestorben war?

Die ganze Situation erinnerte an einen schlechten Hollywoodfilm. Anfangs hatte sie dem Anwalt nicht glauben wollen. Bis er ihr die Geburtsurkunden zeigte. Sie und Madison waren in Santa Fe zur Welt gekommen. Sie war fast vier Minuten älter als ihre Zwillingsschwester.

Edward Fitzwalter präsentierte ihr außerdem eine Heiratsurkunde. Eva Ware hatte Michael Farrell etwa elf Monate vor der Geburt der Zwillinge geheiratet.

Jordan hatte daraufhin sofort im Internet nach Madison Farrell geforscht und einige Informationen gefunden. Ihre Schwester wurde Maddie genannt und führte nicht nur eine Ranch, sondern war auch eine aufstrebende Schmuckdesignerin. Und sie glich Jordan äußerlich bis aufs Haar. Im wahrsten Sinn des Wortes, denn während sie das Haar halblang trug, war das von Maddie lang und zu einem Zopf geflochten.

Wie würde ihre Schwester wohl sein? Würden sie etwas gemeinsam haben? Ihrer Website nach zu urteilen, hatte Maddie das künstlerische Talent ihrer Mutter geerbt. Und sie, Jordan, das kaufmännische Talent von ihrem Vater?

Sie seufzte. Anstelle von Antworten hatten ihre Nachforschungen nur immer neue Fragen aufgeworfen. Warum hatten ihre Eltern sie als Babys getrennt? Warum hatte ihre Mutter ihr erzählt, ihr Vater sei kurz nach ihrer Geburt gestorben? Würde ihre Schwester diese Fragen beantworten können?

Jordan versuchte Trauer und Enttäuschung zu ignorieren und blickte zurück auf das Haus. Noch immer erschien es ihr unfassbar, dass ihre Mutter jetzt nicht hier war. Jordan hatte wie immer den Zug genommen und dann ein Taxi. Sie hatte sogar ein Zimmer im Linchworth Inn reserviert, die gleiche Suite, die sie und ihre Mutter immer gebucht hatten.

Warum? Sie hatte sich eingeredet, sie brauche die Suite, um mit Maddie allein sein und in aller Ruhe reden zu können. Trotz der Unterstützung ihres Onkels und ihrer Tante hatte Jordan nicht den Eindruck, dass sich an ihrem Verhältnis wirklich etwas geändert hatte. Vielleicht machte sie aber nur deshalb alles so wie immer, weil sie einfach nicht akzeptieren konnte, dass ihre Mutter tot war.

Und wie würde Maddie Farrell wohl mit den familiären Verhältnissen zurechtkommen? Dass die Wares einander nicht sehr nahestanden, war noch milde ausgedrückt. Jordan sah ihren Onkel oder ihre Tante so gut wie nie, und Adam auch nur, weil dieser als Designer bei Eva Ware Designs arbeitete.

Ein Sportwagen schoss die Einfahrt hinauf. Wenn man vom Teufel sprach … Adams Wagen kam vor dem Haus zum Stehen.

Sie winkte ihrem Cousin kurz zu und lief die Stufen hinauf. Wenn sie Glück hatte, war sie vor ihm im Haus.

Jordan hörte, wie die Wagentür zugeknallt wurde. „Jordan! Warte! Ich muss mit dir reden!“

Adam Ware klang empört, aber das tat er eigentlich immer, seit sie ebenfalls bei Eva Ware Designs arbeitete.

In diesem Moment öffnete der Butler die Haustür, aber Adam war schon neben ihr. „Was zum Teufel hast du vor?“

Jordan ließ sich ihre Empörung nicht anmerken und lächelte ihren Cousin an. „Ich bin hier, weil das Testament meiner Mutter eröffnet wird.“ Sie wandte sich dem Butler zu. „Guten Tag, Lane.“

Der Butler verbeugte sich und trat zur Seite. „Ms. Jordan, Mr. Adam, die Familie befindet sich bereits mit Mr. Fitzwalter in der Bibliothek.“

„Ist meine Schwester schon da?“, fragte Jordan.

„Nein.“

„Deine Schwester“, schnaubte Adam. „Das ist es, worüber ich mit dir reden will.“ Ungeduldig drängte er sich an Jordan vorbei und zog sie mit sich in einen kleinen Raum.

Jordan unterdrückte einen Seufzer. Seit sie bei Eva Ware Designs arbeitete, war jede ihrer Marketingstrategien von Adam kritisiert worden. Offenbar hatte ihr Cousin in den drei Jahren, die er zuvor allein bei ihrer Mutter angestellt war, darauf spekuliert, eines Tages die Firma zu übernehmen. Wohl deshalb machte Jordans Anwesenheit ihn nervös.

Sie hatte versucht, ihn zu beruhigen. Schließlich seien ihre Talente ja ganz unterschiedlich – er der Künstler, sie die Geschäftsfrau. Doch was auch immer sie sagte oder tat, nichts schien ihm seine Angst nehmen zu können.

Eva hatte die Spannungen zwischen ihnen als eine Art Geschwisterrivalität abgetan und sich nicht weiter darum gekümmert. Doch jedes Mal, wenn Eva ihre Tochter für irgendetwas gelobt hatte, hatte Adam sich bedroht gefühlt.

Der kleine Salon, in den er sie geschubst hatte, war mit antiken Möbeln aus der viktorianischen Ära möbliert. Dunkelrote Samtvorhänge waren zur Seite gezogen worden, um etwas Licht hereinzulassen. Adam drehte sich zu Jordan um. Sie war immer wieder erstaunt, wie gut er aussah. Er hatte von seinem Vater die hohe, athletische Statur geerbt und von seiner Mutter das kastanienbraune Haar, das er fast schulterlang trug.

„Ich verlange eine Erklärung“, sagte er.

„Eine Erklärung wofür?“

„Ich will wissen, was du mit dieser Schwester erreichen willst, die du dir da ausgedacht hast. Vater sagt, Fitzwalter habe ihn angerufen und ihm von einer lange verschollenen Schwester erzählt, die plötzlich aufgetaucht sei.“

„Ich habe den gleichen Anruf von Edward Fitzwalter bekommen.“ Jordan bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Ich glaube, sie ist keineswegs ausgedacht, sondern sehr real. Fitzwalter kann dir die Geburtsurkunde zeigen. Auf Bitten meiner Mutter hat er Kontakt zu Madison aufgenommen und dafür gesorgt, dass sie heute hierherkommt und bei der Testamentseröffnung dabei ist.“

„Warum? Warum sollte Eva diese zweite Tochter erst jetzt präsentieren?“

„Das wüsste ich auch gern.“

„Ich will wissen, was das zu bedeuten hat.“

Jordan sah Adam einen Moment lang forschend an. Er wirkte fast panisch. „Es bedeutet, dass du eine Cousine hast, von der du bis jetzt nichts wusstest.“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das meine ich nicht. Ich will wissen, inwiefern die Existenz dieser Person sich auf meine Position bei Eva Ware Designs auswirken wird.“

„Sehr wenig, würde ich sagen.“ Adam war bestimmt nicht der Einzige, der sich diese Fragen stellte. Wahrscheinlich sprach er nur aus, was seine Eltern dachten. Jordan nahm an, dass seine Eltern sehr viel Druck auf ihn ausübten – besonders seine Mutter –, damit er eines Tages die Leitung von Eva Ware Designs übernehmen würde.

„Soweit ich weiß, hat Maddie genug mit ihrer Ranch und mit ihrer eigenen Schmuckdesignfirma in Santa Fe zu tun.“

„Sie ist Schmuckdesignerin?“, rief Adam ungläubig.

„Schau auf ihrer Website nach.“ Jordan blickte demonstrativ auf die Uhr und ging zur Tür. „Ich denke, wir sollten jetzt zu den anderen in die Bibliothek gehen.“

Adam packte ihren Arm und zwang sie, sich umzudrehen. „Und mehr weißt du nicht?“

Sie sah ihn unverwandt an. „Nein.“ Mit diesen Worten machte sie sich los und verließ den Salon.

Lane, der im Flur gewartet hatte, öffnete eine mit dunklem Holz getäfelte Doppeltür. Der Geruch von Bohnerwachs vermischte sich mit dem Duft von weißen Lilien. Jordan trat ein, dicht gefolgt von Adam.

Jordan blieb einen Moment stehen. Der Raum war riesig. Drei Wände waren von oben bis unten mit Bücherregalen bedeckt. An der vierten Wand befanden sich mehrere schmale, hohe Buntglasfenster. Edward Fitzwalter saß mit dem Rücken zur Fensterfront hinter einem antiken Eichenholzschreibtisch. Dunkelrote Ledersessel standen in einem Halbkreis davor.

Cho Li, der langjährige Assistent ihrer Mutter, hatte einen Sessel am linken Ende des Halbkreises gewählt. Jordan erwiderte sein freundliches Lächeln.

Onkel Carleton und Tante Dorothy saßen in den Sesseln rechts vom Tisch des Anwalts. Adam ging direkt auf sie zu. Er sagte etwas zu seiner Mutter. Wahrscheinlich stattet er Bericht über unser Gespräch ab, dachte Jordan.

Sie war immer wieder aufs Neue verblüfft, was für ein gut aussehender Mann ihr Onkel war. Und wie ruhig. Sie kannte ihn als einen Mann, der nicht viele Worte machte. Ihre Mutter hatte immer behauptet, er sei total auf die Ware Bank fixiert, aber war Eva nicht genauso auf ihre Designfirma fixiert gewesen? Bruder und Schwester hatten sich wohl nichts vorzuwerfen, was ihren „Tunnelblick“ betraf. Ob Maddie auch so war?

Carleton wirkte kühl und undurchdringlich. Wie dachte er wohl über das plötzliche Auftauchen einer Zwillingsschwester? Und ihre Tante? Die war noch schwerer zu durchschauen als ihr Onkel.

Jordan nahm auf einem Sessel links von Fitzwalter Platz.

„Es ist zwei Uhr. Ich denke, wir können anfangen.“ Dorothy Wares Stimme klang wie immer streng und unbeteiligt. Und wie immer sah sie aus, als käme sie gerade von einem Shooting für die Titelseite der Vogue. Jordan war jedoch nicht entgangen, wie krampfhaft sie ihre teure Designerhandtasche umklammerte.

Das Handy des Anwalts klingelte. „Ja, bitte?“

Kurz darauf klappte er das Handy wieder zu. „Ms. Madison Farrell wird gleich bei uns sein. Ihr Wagen ist gerade vorgefahren.“

Jordan fühlte sich hin und her gerissen zwischen Nervosität und Vorfreude. Einerseits wäre sie am liebsten hinausgestürzt, um ihre Schwester zu begrüßen, andererseits konnte sie die Realität immer noch nicht ganz akzeptieren.

Ihre Schwester. In wenigen Sekunden würde sie ihrer Schwester begegnen.

Sie antike Standuhr zählte laut die Sekunden. Die Wares warteten schweigend. Hatten sie alle den gleichen Verdacht wie Adam – dass sie, Jordan, sich die Sache mit der Zwillingsschwester ausgedacht oder die Existenz ihrer Schwester absichtlich geheim gehalten hatte?

Plötzlich wurde sie schrecklich wütend und sprang auf. An Adams Paranoia hatte sie sich gewöhnt, aber das hier war einfach lächerlich. Und in diese Atmosphäre des Misstrauens würde jetzt ihre Schwester ganz ahnungslos hineintaumeln. Jordan ging auf die Tür zu.

Als diese sich öffnete, blieb sie stehen. Plötzlich war es, als wären sie und Maddie allein im Raum. Nichts hatte sie auf dieses überwältigend starke Gefühl der Verbundenheit vorbereitet.

Sie stand ihrem Spiegelbild gegenüber.

Nun ja, nicht ganz, aber Maddie Farrell hatte die gleichen violetten Augen wie sie, die gleichen Gesichtszüge. Nur das Haar trug sie anders, nämlich genau wie ihre Mutter, lang und zu einem Zopf geflochten.

Wie oft hatte sie versucht, ihre Mutter zu einem modernen Haarschnitt zu überreden.

Auch was ihre Kleidung betraf, hatten Maddie und Jordan offenbar einen sehr unterschiedlichen Geschmack, aber Jordan gefiel der lässige Stil. Maddie trug Hosen und dazu ein besticktes Jackett.

Es stimmte also alles, was Fitzwalter gesagt hatte. Jordan hatte wirklich eine eineiige Zwillingsschwester. Sie stand vor ihr.

Und sie wirkte ein wenig hilflos. Jordan eilte auf sie zu und nahm Maddies Hände in ihre. Plötzlich wurde sie von einem unerwarteten Glücksgefühl erfasst. „Willkommen“, flüsterte sie.

Dann drehte sie sich zu den anderen um. „Onkel Carleton, Tante Dorothy, Adam und Cho, das ist meine Schwester, Madison Farrell.“

Cho stand auf und verbeugte sich. „Es ist mir ein Vergnügen, Evas zweite Tochter kennenzulernen.“

Es folgte ein Moment des Schweigens, bis Carleton sich aus seinem Sessel erhob. „Wir bitten Sie um Verständnis, Madison. Der Schock über den Tod meiner Schwester und die Nachricht, dass sie eine zweite Tochter hatte, die all die Jahre in Santa Fe versteckt gehalten wurde … nun, wir versuchen immer noch, das alles zu begreifen. Ich fürchte, bis zu diesem Augenblick hat niemand von uns so recht geglaubt, was Edward uns erzählt hat. Dorothy, Adam und ich heißen Sie herzlich willkommen in Ware House.“

Jordan lächelte ihrem Onkel dankbar zu. In bestimmten Situationen konnte man sich auf ihn verlassen. Dann drückte sie Maddies Hand, führte sie zu einem der Sessel und flüsterte: „Wenn das hier vorüber ist, können wir reden.“

1. KAPITEL

Es war sechs Uhr morgens, als das Taxi am JFK-Flughafen vor dem Terminal hielt. Jordan und Maddie stiegen aus. Lächelnd drehte Maddie sich zu ihrer Schwester um. „Jordan, ich kann doch allein einchecken.“

„Ich weiß.“ Jordan ging voraus durch die Drehtüren. „Du hältst mich wahrscheinlich schon für einen Kontrollfreak, und wahrscheinlich rede ich auch zu viel. Aber es gibt immer noch ein paar Sachen, die ich dir erzählen muss. Ich gehe bis zur Sicherheitskontrolle mit.“

Nach der Testamentverlesung hatte Jordan ihre Schwester in das kleine Hotel in Linchworth gebracht, wo sie den größten Teil der Nacht aufgeblieben waren und geredet hatten. Als Maddie dann irgendwann eingeschlafen war, hatte Jordan noch lange über den Letzten Willen ihrer Mutter gegrübelt.

Eva hatte ihrem langjährigen Assistenten Cho Li eine Geldsumme vermacht, ihrem Bruder Carleton ihre gesamten Anteile an der Ware Bank. Beides war Jordan völlig normal und vernünftig erschienen.

Aber dann hatte der Anwalt den Teil verlesen, der ihr und Maddies Leben auf den Kopf stellen würde.

Den Rest meines Vermögens, also mein gesamtes Wertpapier- und Bargeldvermögen, meine Firma Eva Ware Designs, mein Anteil an Ware House auf Long Island und mein Apartment in New York City vermache ich zu gleichen Teilen meinen beiden Töchtern Jordan und Madison. Ich hoffe sehr, dass sie die Firma gemeinsam leiten werden. Allerdings stelle ich eine Bedingung. Sie müssen ihre Rollen tauschen, das heißt, sie müssen jeweils an die Stelle der anderen treten, und zwar für drei aufeinanderfolgende Wochen, beginnend innerhalb der nächsten zweiundsiebzig Stunden, nachdem dieses Testament verlesen wurde. Sollten sie sich weigern, diese Bedingung zu erfüllen, oder sollten sie nicht drei Wochen lang durchhalten, dann erhält mein Bruder Carleton meinen Anteil an Ware House. Alles andere, auch die Firma und mein Apartment, soll verkauft und der Gewinn gleichmäßig unter all meinen Verwandten aufgeteilt werden.

Jordan war zunächst einfach nur schockiert gewesen. Selbst ihr Onkel hatte seine starre Maske für einen Moment fallen gelassen. Dorothy hatte Adam etwas zugeflüstert, wonach dieser aufgesprungen war und sich mit beiden Händen auf Fitzwalters Schreibtisch aufgestützt hatte. Das müsse ein Irrtum sein, hatte er fassungslos gerufen. Eva habe vorgehabt, ihn zum Chefdesigner zu machen.

Doch es war kein Irrtum.

Anfangs hatte Maddie gezögert, und Jordan konnte es ihr nicht verübeln. Einfach so die Rollen zu tauschen würde nicht einfach sein, und das war noch milde ausgedrückt. Aber Jordan hatte erklärt, dass andernfalls Eva Ware Designs, die Firma, der ihre Mutter ihr ganzes Leben gewidmet hatte, verkauft werden würde. Das konnte Jordan einfach nicht zulassen.

„Ich weiß, ich habe dich dazu gedrängt, das zu machen“, sagte Jordan, als sie vor der Rolltreppe zur Sicherheitskontrolle standen.

„Ich tue nichts, was ich nicht tun will“, erwiderte Maddie. „Ich bin seit der Highschool ein Fan von Eva Ware.“ Sie schob die Brauen zusammen. „Mein Vater wusste das und hat mir nie ein Wort gesagt.“

„Mom hat auch nie ein Wort über dich und unseren Vater verloren. Daran muss ich immer wieder denken.“

Maddie sah Jordan in die Augen. „Ich weiß, am Anfang war ich ein bisschen zögerlich, aber ich sehe ein, dass wir Evas Firma nicht einfach aufgeben können. Mir geht es mit der Ranch genauso.“

Maddie hatte Jordan anvertraut, dass sie in der Hinsicht Probleme hatte. Seit dem Tod ihres Vaters vor einem Jahr musste sie hart kämpfen, damit die Ranch nicht in die roten Zahlen rutschte. Darüber hinaus hatte es in letzter Zeit mehrere Fälle von Vandalismus gegeben – eingeschnittene Zäune, streunende Rinder – und in jüngster Zeit sogar einen Versuch, ihre Pferde zu vergiften. Und seit sechs Monaten wurde sie von einem hartnäckigen Makler verfolgt, der unbedingt wollte, dass sie die Ranch zum Verkauf anbot.

Maddie nahm Jordans Hände. „Wir müssen ja nur drei Wochen durchhalten.“

Jordan erwiderte den Druck von Maddies Händen. „Du passt auf dich auf und bleibst abends nicht zu lange im Büro?“

„Versprochen. Ich werde immer bei Geschäftsschluss nach Hause gehen“, versicherte Maddie.

Vor einem Monat hatte es einen Einbruch in der Schmuckboutique gegeben. Die Polizei hatte die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, und Maddie war doch nicht an die Gefahren des Lebens in Manhattan gewöhnt.

„Mir wird viel wohler sein, wenn Jase wieder da ist“, sagte Jordan.

„Ich habe auch ein bisschen Angst um dich“, gestand Maddie. „Schließlich wirst du erst einmal allein auf der Ranch sein. Ich mache drei Kreuze, wenn Cash Landry und mein Vormann wieder vom Viehmarkt zurückgekehrt sind.“

Zum Glück hatten sie beide einen starken Mann als besten Freund.

Cash Landry gehörte zu Maddies Leben, so lange sie denken konnte. Er war wie ein Bruder für sie – und manchmal überfürsorglich. Ganz ähnlich hatte Jordan ihr Verhältnis zu Jase Campbell beschrieben.

„Cash ist vielleicht schon wieder da, wenn du übermorgen nach Santa Fe fliegst“, sagte Maddie.

„Da wir gerade davon reden: Hast du das Ticket für den Rückflug?“

Maddie lächelte. „Ja, ja.“

Jordan atmete tief ein und wieder aus. „Wir schaffen das.“

„Keine Sorge“, erwiderte Maddie. „Ich habe ja die leichtere Rolle zu spielen. Ich brauche nur in dein Apartment zu ziehen und in einem Schmuckdesignstudio zu arbeiten. Du musst drei Wochen auf einer Ranch überleben.“

„Das schaffe ich. Ich lerne schnell.“

„Ich muss los.“ Maddie ließ Jordans Hände los.

„Du hast die Aufzeichnungen, die ich für dich gemacht habe?“, fragte Jordan.

„Hier drin.“ Maddie klopfte auf ihre Umhängetasche.

„Und ich habe deine Notizen. Und wir telefonieren ja jeden Tag. Wenn du Fragen hast, kannst du mich jederzeit anrufen.“

„Ganz recht.“

Zum Abschied umarmten sie sich und hielten einander ganz fest.

„Ich hab dich lieb“, sagte Maddie.

„Ich dich auch.“

Schließlich drehte Maddie sich um und ging in Richtung Rolltreppe.

Jordan sah ihrer Schwester nach, bis sie verschwunden war.

Jordan blickte sich in ihrem Schlafzimmer um. Ihr Koffer war gepackt. Sie hatte jetzt noch fast eine Stunde Zeit, bis das Taxi kommen würde, das sie zum Flughafen bringen sollte.

War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, ihre Schwester zu diesem Rollentausch zu überreden? Entnervt ging sie zum Fenster und beobachtete den endlosen Verkehr. Jordan hasste es, wenn sie sich ihrer selbst nicht sicher war. Normalerweise zweifelte sie nie an einmal gefassten Entscheidungen.

Doch Maddie und sie waren nicht die sorglosen Kinder aus „Ein Zwilling kommt selten allein“. Sie waren erwachsen, sie hatten Verantwortung. Sie selbst hatte wirklich überhaupt keine Ahnung davon, wie man eine Ranch führte, vor allem nicht, wenn diese in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Aber so lange sie dort wäre, wollte sie wenigstens einen Blick in die Bücher werfen und versuchen, einen Plan aufzustellen, um ihrer Schwester aus der Klemme zu helfen.

Ihre Schwester auf einer Schmuckdesignausstellung zu vertreten, wo Kunden ihre Bestellungen für das kommende Jahr aufgeben würden, das wäre sicher das geringste Problem. Dafür hatte Jordan schon einen Plan. Sie würde so tun, als wäre sie Maddie. Sie hatte sich sogar schon ein Haarteil gekauft, damit würde sie aussehen, als hätte sie sich das Haar hochgesteckt, anstatt es zu einem Zopf zu flechten. Bestimmt würden die potenziellen Kunden lieber mit „Maddie Farrell“ sprechen als mit einer ihnen unbekannten Jordan Ware.

Ja, das würde sie schaffen, daran hatte Jordan keinen Zweifel. Und Cho Li wäre eine große Hilfe für Maddie bei Eva Ware Designs. Trotzdem, das Leben im „Big Apple“ war für Maddie etwas völlig Neues.

Wenn ihre Mutter ihnen doch mehr als drei Tage Zeit gegeben hätte, um sich auf den Rollentausch vorzubereiten.

Jordan fühlte sich irgendwie schuldig. Vom ersten Moment an hatte sie dieses merkwürdige Bedürfnis gehabt, Maddie zu beschützen. Konnte das daran liegen, dass sie die Ältere von ihnen war? Sie wünschte, sie könnte eine rationale Erklärung für dieses Gefühl von Verbundenheit finden, das sie seit der ersten Begegnung mit Maddie empfand.

Unruhig ging Jordan im Zimmer auf und ab. Was für eine Wahl hatte sie denn gehabt? Wenn sie und Maddie nicht die Rollen tauschten, würde Eva Ware Designs verkauft und das ganze Geld gleichmäßig unter allen aufgeteilt werden.

Autor

Cara Summers
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