Am Strand von Acapulco

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Wir bekommen ein Baby! Mit diesen Worten will sich die verwöhnte Millionärstochter Ruth ihren Traummann Patrick angeln. Dass er nicht mit ihr, sondern nur beschwipst neben ihr geschlafen hat, verrät sie ihm nicht. Pflichtbewusst heiratet er die scheinbar Schwangere. Wie wird er reagieren, wenn er feststellt, dass die süße Ruth ihn beschwindelt hat und immer noch Jungfrau ist?


  • Erscheinungstag 30.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757670
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ruth wurde auf den Mann aufmerksam, sobald er die Halle betrat. Nicht, dass er außerordentlich gut ausgesehen hätte – zumindest nicht besser als die jungen Männer, mit denen sie den ganzen Abend getanzt hatte. Aber er war älter, Augen und Mund waren ausdrucksstärker, und im Vergleich zu den anderen Partygästen war er für die Jahreszeit erstaunlich sonnengebräunt.

Er blieb neben James Stephenson, Julies Vater, auf der Schwelle zum Salon stehen, und Ruth ging davon aus, dass die beiden einfach nur einen Blick auf das bunte Treiben werfen wollten. Es war ein tolles Fest, aber Mr. Stephenson konnte mit den Technorhythmen offensichtlich nichts anfangen. Was den Fremden neben ihm betraf, vermochte Ruth es nicht zu sagen. Auf jeden Fall zogen sich die beiden kurz darauf zurück, worüber sie irgendwie enttäuscht war.

In dem Pulk junger Leute hielt sie daraufhin nach Julie Ausschau, ging zu ihr und nahm sie beiseite. „Wer war denn das da gerade neben deinem Vater?“

„Du meinst bestimmt Patrick Hardy.“ Julie schnitt ein Gesicht. „Er ist Daddys Cousin.“

„Ich habe ihn noch nie bei euch gesehen.“

„Kein Wunder! Er arbeitet in Venezuela in einem Nest namens Puerto Roca und kommt nur einmal im Jahr nach England. Er ist Chemiker oder Physiker oder so etwas und bei einer großen Ölgesellschaft beschäftigt. Wieso fragst du?“

Ruth zuckte die Schultern. „Reine Neugierde!“

So wie Julie ihre Freundin jetzt ansah, glaubte sie ihr nicht. „Was ist denn los? Interessiert dich Michael schon nicht mehr?“

„Du weißt ganz genau, dass Michael Freeman und ich nur gute Freunde sind – zumindest was mich betrifft. Und was diesen Patrick angeht …“ Ruth seufzte. „Er ist einfach anders.“

„Und älter“, bemerkte Julie trocken, „bestimmt schon Mitte dreißig!“

Ruth strich sich eine Strähne ihres goldblonden Haars hinters Ohr. „Das ist doch kein Alter!“

„Ich bitte dich, Ruth! Kennst du den Spruch ‚Trau keinem über dreißig‘ nicht? Du kannst dich doch unmöglich für jemanden interessieren, der fast doppelt so alt ist wie du.“

„Habe ich vielleicht gesagt, dass ich mich für ihn interessiere?“

„Nein, aber … wie auch immer, du …“ Julie verstummte.

„Wie auch immer, was? Ist er etwa verheiratet?“

„Soweit ich weiß, nicht. Ich glaube, er geht ganz in seiner Arbeit auf. Im Augenblick hat er in England keine eigene Wohnung, deshalb bleibt er eine Zeit lang bei uns.“

„Ich verstehe.“ Ruth lächelte. „Jetzt sieh doch nicht so besorgt drein, Julie! Darf ich mich denn nicht nach diesem Mann erkundigen?“

Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Er hat überhaupt kein Geld, abgesehen von seinem Gehalt, natürlich.“

„Na und?“ Wieder zuckte Ruth die Schultern.

„Deinem Vater wird das nicht so egal sein!“

Joseph Farrell hatte sich vom Besitzer eines kleinen Krämerladens in Liverpool zum Eigentümer einer der größten Supermarktketten des Landes hochgearbeitet. Geldverdienen war immer sein Antrieb gewesen, und für seine Familie konnte nichts und niemand gut genug sein. Als seine Frau vor dreizehn Jahren verstarb, kurz nachdem die Familie nach London gezogen war, hatte er seine ganze Zuneigung der einzigen Tochter geschenkt und ihr jeden Wunsch erfüllt, den man mit Geld verwirklichen konnte.

Erstaunlicherweise war Ruths Charakter davon nicht verdorben worden. Sie war eine freundliche, großherzige junge Frau, die vom Leben lediglich erwartete, dass ihre Mitmenschen sie mochten.

„Ich bitte dich, Julie“, sagte sie jetzt, „schließlich will ich ihn nicht heiraten.“

„Ich weiß, aber diesen Blick kenne ich. Tu’s nicht!“

„Was denn?“

„Du weißt schon“, sagte Julie und wandte sich ab. Ihr familiärer Hintergrund war ganz anders gelagert als Ruths. Sie gehörte einer alteingesessenen englischen Gutsbesitzerfamilie an, war deshalb, was Männer betraf, viel anspruchsvoller und fühlte sich verpflichtet, ihre Freundin in dieser Hinsicht zu beraten, zumal deren Mutter das nicht mehr übernehmen konnte.

Schließlich wandte sie sich Ruth wieder zu. „Wollen wir nicht etwas trinken? Mir ist nach einem Riesenglas ‚Long Island Icetea‘.“

„Wenn du möchtest. Aber du weißt ja, wie viel Alkohol da drin ist. Ich trinke lieber noch einen Prosecco.“

„Wie du willst.“

„Übrigens ist das eine Superparty, Julie, und ich bin froh, dass ich übers Wochenende zu euch rausgefahren bin.“

„Bleibst du den Sonntag über auch noch? Dann können wir nach dem Frühstück ausreiten.“

„Gern, morgen habe ich sowieso nichts vor. Und wer weiß, vielleicht lerne ich ja dabei auch den Ölexperten aus Venezuela kennen.“

„Oh Ruth!“ Julie verdrehte die Augen. „Ich dachte, du hättest Patrick längst vergessen.“

Ruth schnitt ein Gesicht und fragte lachend: „Wie könnte ich?“

Aber als sie sich in dieser Nacht fürs Bett fertig machte, überlegte sie, warum sie dem Cousin von Julies Vater so viel Interesse entgegenbrachte. Vielleicht lag es daran, dass sie einander bisher noch nicht vorgestellt worden waren oder dass er so anders war als die jungen Männer, die sie kannte. Was auch immer der Grund für ihr Interesse sein mochte, auf jeden Fall freute sie sich auf morgen früh und den Sonntag an sich, der sonst sicher viel langweiliger verlaufen würde.

Ruth erwachte ziemlich früh, duschte ausgiebig und zog Jeans und einen ärmellosen, anschmiegsamen Mohairpulli an. Die dazu passende Twinset-Jacke schlang sie sich um die Hüften. Wie immer ließ sie das dichte, schulterlange Haar offen. Noch ein bisschen Make-up, fertig!

Als sie in die Halle kam, beseitigte eine Hausangestellte bereits die Reste der Party. Es war erst kurz nach acht Uhr, und Ruth überlegte, wann die junge Frau wohl hatte aufstehen müssen, um rechtzeitig hier zu sein. Auch wenn Julies Vater nicht mehr ganz so viele Angestellte beschäftigte wie früher, konnten seine Familie und er ganz gut von den Erträgen des Gutes leben. Das Herrenhaus war zum Beispiel wenigstens dreihundert Jahre alt, aber erst kürzlich von Grund auf renoviert worden. Zusätzlich zu den Kaminen gab es in allen Räumen Zentralheizung und Doppelglasscheiben, wobei man die Atmosphäre des alten Gemäuers und die Annehmlichkeiten zeitgenössischen Wohnens hervorragend verbunden hatte.

Die Angestellte erwiderte jetzt Ruths Lächeln, bevor sie weiter Aschenbecher leerte und Gläser zusammenstellte, während Ruth die Halle und den Salon durchquerte, um vom großen Panoramafenster aus die verschneite Winterlandschaft von Wiltshire zu bewundern.

Als sich Ruth schließlich von dem Anblick losriss und die Angestellte fragen wollte, wann das Frühstück serviert wurde, hatte die junge Frau den Raum bereits verlassen, und Ruth beschloss, sich direkt in der Küche zu erkundigen. Schon als junges Mädchen war sie manchmal übers Wochenende oder in den Sommerferien bei den Stephensons gewesen und kannte die Köchin Mrs. Morris ganz gut.

In Erinnerung an die schöne Zeit verließ Ruth gedankenverloren den Salon und wäre beinah mit einem Mann zusammengestoßen. Mit seinen warmen, kräftigen Händen verhinderte er gerade noch, dass sie stolperte. Er umfasste ihre bloßen Schultern, bis sie das Gleichgewicht wieder gefunden hatte.

„Tut mir leid.“ Ruth blickte auf und erkannte erst in diesem Moment, dass es sich bei dem Mann um Patrick Hardy handelte. Sie war ganz hingerissen von seinem markanten Gesicht, und ein unerklärliches Kribbeln breitete sich in ihr aus.

„Oh, das war meine Schuld! Ich bin so in Gedanken gewesen“, sagte er, und Ruth dachte: Was für eine angenehm tiefe Stimme er hat, und wie schön sich seine Hände anfühlen. Leider ließ er sie jetzt los.

„Ich habe Sie gestern Abend mit Julies Vater an der Tür zum Salon stehen sehen. Sie sind doch Mr. Hardy, nicht wahr?“

Der Mann runzelte die Stirn. „Da haben Sie mir ja einiges voraus, Miss … Miss …“

„Farrell, Ruth Farrell, aber bitte nennen Sie mich doch beim Vornamen. Ich bin Julies Freundin. Sie hat mich übers Wochenende eingeladen.“

„Aha, heutzutage kenne ich mich bei Julies Freunden überhaupt nicht mehr aus. Als ich ins Ausland gegangen bin, war sie noch im Internat.“

„Ich habe schon gehört, dass Sie in Venezuela arbeiten. Wann müssen Sie denn wieder zurück?“

„Erst in einigen Wochen.“ Er wollte an Ruth vorbeigehen. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.“

„Natürlich.“

Ruth ließ ihn nur ungern ziehen, aber im Augenblick wusste sie einfach nicht, wie sie die Unterhaltung zwanglos aufrechterhalten sollte. Er nickte ihr höflich zu und ging dann selbst zum Panoramafenster im Salon, um die Winterlandschaft zu betrachten. Unwillkürlich dachte Ruth: Bestimmt ist das englische Wetter das ganze Gegenteil vom feuchtwarmen Klima in Venezuela. Ob ihm die Kälte hier wohl sehr unangenehm ist?

Nachdenklich stand Ruth noch eine Weile auf der Schwelle zum Salon und betrachtete Mr. Stephensons Cousin. Er war groß und breitschultrig, aber nicht übertrieben muskulös, eher athletisch. Wie es wohl wäre, von diesem Mann im Arm gehalten zu werden? Aber dann zuckte sie unwillig die Schultern. Was war denn mit ihr los? Nur weil er sich nicht sofort für sie interessierte, ging jetzt ihre Fantasie mit ihr durch.

Als Ruth kehrtmachte, um ihren Weg in die Küche fortzusetzen, kam ihr das Hausmädchen entgegen. „Da sind Sie ja, Miss Farrell! Ich habe gerade mit unserer Köchin gesprochen, und sie lässt fragen, ob Sie im Wintergarten frühstücken möchten. Bis die Stephensons aufstehen, kann es noch ein Weilchen dauern.“

„Mr. Hardy ist auch schon wach“, stellte Ruth fest.

„Soll ich Mrs. Morris Bescheid sagen, dass sie das Frühstück für zwei Personen vorbereitet?“

„Warum nicht?“

Ruth beschloss, schon einmal vorzugehen, und nahm sich von der Konsole in der Halle noch eine Zeitung mit. Dann setzte sie sich in einen gemütlichen Korbsessel, der direkt im Wintersonnenschein stand, und überflog die Schlagzeilen der Sonntagszeitung, während sie insgeheim darauf wartete, dass sich Patrick Hardy zu ihr gesellte. Doch als er schließlich hereinkam, gab sie vor, ihn nicht zu bemerken.

„Hallo!“, sagte er und setzte sich zu ihr.

Ruth tat überrascht und faltete die Zeitung zusammen, als auch schon die junge Hausangestellte mit einem Tablett in den Händen den Wintergarten betrat. Während Patrick sich das Frühstück schmecken ließ, begnügte sich Ruth mit einem Toast und einer Tasse Kaffee.

Schließlich war auch Patrick bei seinem abschließenden Toast mit Orangenmarmelade angelangt, und Ruth blickte nachdenklich in ihre halb volle Tasse. Bei Julies Mutter gab es immer nur löslichen Kaffee – wenn es wenigstens Cappuccino gewesen wäre!

Als hätte Patrick ihre Gedanken gelesen, sagte er: „Mir schmeckt Marions Kaffee auch nicht“, und wischte sich den Mund mit einer Stoffserviette ab. „Zumal ich an venezolanischen gewöhnt bin.“

Ruth blickte auf.

„Dagegen ist der Tee dort mit dem englischen absolut nicht zu vergleichen. Deshalb beschränke ich mich bei meinen Aufenthalten in der Heimat immer auf Tee.“ Er schenkte sich noch einmal nach und blickte dann wieder zu Ruth. Diesmal fiel ihr auf, dass seine Augen gar nicht braun waren – wie sie aufgrund seines dunklen Teints angenommen hatte –, sondern grau und einen unheimlich durchdringenden Blick hatten. Um dem zu entgehen, beeilte sich Ruth, die Unterhaltung fortzusetzen. „Haben Sie denn auch schon andere südamerikanische Länder kennengelernt, Mr. Hardy?“

„Ja, sehr viele sogar, aber den einen oder anderen Besichtigungswunsch hätte ich immer noch, zum Beispiel Feuerland an der Südspitze Südamerikas, das teils zu Chile und teils zu Argentinien gehört. Darüber hinaus fasziniert mich die geschichtliche Entwicklung der einzelnen Staaten auf diesem Kontinent.“

„Aber beruflich haben Sie nichts mit Geschichte zu tun, oder?“

Er lächelte. „Oh nein, ich bin Chemiker. Aber das hält mich nicht davon ab, in meiner Freizeit in vergangene Zeitalter einzutauchen.“

„Ich fürchte, das Einzige, was ich aus dem Geschichtsunterricht über Venezuela weiß, bezieht sich auf dessen Namensgebung. Ist es nicht von Christoph Kolumbus entdeckt worden, und die Pfahlbauten der indianischen Ureinwohner haben ihn an Venedig erinnert?“

Patrick trank noch einen Schluck Tee. „Nun, fast richtig. Kolumbus hat 1498 tatsächlich auch Venezuela entdeckt. Aber seinen Namen bekam es von einem anderen Spanier – Alonso de Ojeda –, den die im See von Maracaibo errichteten Pfahlbauten der Indianer an Venedig erinnert haben. ‚Venezuela‘ heißt übersetzt Klein-Venedig. Wussten Sie übrigens, dass die erste spanische Ansiedlung auf einer der venezolanischen Küste vorgelagerten Insel namens Cubagua stattfand?“

„Nein, das ist mir neu.“

„Zuerst war es ein Piratennest.“

„Interessant!“ Ruth hätte Patrick mit seiner tiefen Stimme den ganzen Tag zuhören können. „Und wo arbeiten Sie, ich meine, wie ist es da? Haben Sie dort auch tropisches Klima, und der Regenwald ist um die Ecke?“

„Bei uns im Camp ist es verhältnismäßig trocken und heiß, obwohl es auf einer riesigen Waldlichtung errichtet wurde. Aber in ein, zwei Stunden erreicht man den Regenwald. Dort beträgt die Luftfeuchtigkeit konstant neunzig Prozent, und das bei einer durchschnittlichen Temperatur von über dreißig Grad.“

„Und warum leben und arbeiten Sie dann in Venezuela?“

„Nun, ich wohne ja nicht direkt im Regenwald. Oft habe ich in Maracaibo zu tun, der zweitgrößten Stadt des Landes, und unsere Räumlichkeiten verfügen natürlich über Klimaanlagen.“

„Also ist das Land nicht mehr so rückständig, wie man allgemein annimmt?“

„Nein, nein! Seit der Entdeckung des schwarzen Goldes in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich diesbezüglich viel getan, und ganz besonders während der letzten dreißig Jahre.“

„Schwarzes Gold?“

„So nennt man das Erdöl.“ Patrick stellte seine Teetasse auf den Tisch. „Und Sie leben in London, Ruth?“

„Ja.“

„Wann fahren Sie zurück?“

„Voraussichtlich nach dem Mittagessen. Heute Morgen wollten Julie und ich noch einmal ausreiten.“ Sie lächelte. „Reiten Sie auch, Mr. Hardy?“

„Wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet.“

„Dann begleiten Sie uns doch!“ Ruth schob den Stuhl zurück.

Patrick schien noch zu überlegen, ob er ihre Einladung annehmen sollte, und während Ruth auf seine Antwort wartete, beschleunigte sich interessanterweise ihr Pulsschlag.

„Ich glaube nicht, dass Julie von der Idee begeistert wäre“, sagte er schließlich.

„Das ist doch egal!“, erwiderte Ruth spontan.

„Nun, nicht ganz, würde ich sagen.“ Patrick wandte sich der Glasfront zu, und Ruth war verstimmt. Die Männer ihres Bekanntenkreises rissen sich normalerweise darum, Zeit mit ihr zu verbringen, aber diesen Patrick Hardy schien sie als Frau überhaupt nicht zu interessieren. Doch wieso war das so? Stand er inzwischen mehr auf Venezolanerinnen? Wartete dort womöglich jemand auf ihn. Aber Julie hatte doch gesagt, er sei allein seiner Arbeit verschrieben. Vielleicht irrte sie sich.

Unwillkürlich musste Ruth seufzen, und Patrick fragte: „Was ist denn los? Sind Sie böse, weil ich Ihre Einladung abgelehnt habe?“

Da sah Ruth ihre Chance. „Und wenn es so ist?“

Patrick rieb sich das Ohrläppchen, bevor er mit selbstgefälligem Lächeln erklärte: „Dann sollte ich mich natürlich bei Ihnen entschuldigen.“

Irgendwie wurde Ruth das Gefühl nicht los, dass er sich über sie lustig machte, und das brachte sie nur noch mehr auf. Aber bevor sie ihm irgendetwas hätte erwidern können, kam das Hausmädchen, um den Tisch abzuräumen. „Wissen Sie, ob Miss Julie schon wach ist?“, fragte Ruth. „Wir wollten ausreiten.“

„Ich habe ihr vor einer Stunde das Frühstück ans Bett gebracht. Aber sie hat sich überhaupt nicht wohlgefühlt und gemeint, sie habe schreckliche Kopfschmerzen. Ich bin nicht sicher, ob sie mit Ihnen wird ausreiten können, Miss.“

„Dann will ich mal gleich zu ihr gehen.“ Ohne Patrick auch nur noch eines Blickes zu würdigen, verließ Ruth den Wintergarten. Immer noch böse über sein Verhalten, nahm sie zwei Stufen auf einmal, um sich abzureagieren. Dann klopfte sie sacht an Julies Tür.

„Herein!“

Als Ruth das Zimmer betrat, rief Julie freudig: „Da bist du ja! Ich habe schon versucht, dich über die Hausanlage auf deinem Zimmer zu erreichen. Leider kann ich nicht mitkommen, mir geht’s ganz furchtbar.“

„Ich habe dir doch gleich gesagt, du sollst den starken Cocktail nicht trinken.“

„Warum bittest du nicht Michael, dich zu begleiten? Er kann mein Pferd haben.“

„Ich bezweifle, dass er vor Mittag aufsteht. Zur Not reite ich eben allein.“

„Aber das ist doch nur der halbe Spaß! Vielleicht bin ich bis zum Mittagessen ja auch wieder hergestellt. Die Kopfschmerztabletten zeigen langsam Wirkung.“

„Mir ist lieber, dir geht’s wieder richtig gut, dann können wir heute Nachmittag noch etwas unternehmen. Bis dahin vertreibe ich mir schon irgendwie die Zeit.“

„Großartig!“

Als Ruth Julies Zimmer verließ, kam Patrick ihr auf dem Flur entgegen. „Und, wie sieht’s aus?“

„Julie fühlt sich schlecht und bleibt bis Mittag im Bett.“

„Wollen Sie immer noch ausreiten?“

„Na klar!“

„Dann komme ich mit.“

Ruth atmete tief durch. „Schön.“

„Treffen wir uns am Stall?“

„In Ordnung.“

Eine halbe Stunde später saßen sie im Sattel und preschten durch die englische Winterlandschaft. Als sie bei einem kleinen Wäldchen ankamen, dessen Bäume zu niedrig waren, um darunter durch zu reiten, saßen sie ab und nahmen die Pferde bei den Zügeln. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, bevor Patrick fragte: „Wie war denn der Winter bisher? Die ganze Zeit in Venezuela habe ich mich auf schneebedeckte Felder und zugefrorene Flüsse gefreut. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie verlockend Eis und Schnee in einem tropischen Klima sein können.“

„Zum ersten Mal geschneit hat es erst vor zwei Wochen. Wie lange werden Sie denn in England bleiben, Mr. Hardy?“

„Sechs oder sieben Wochen. Warum?“

Ruth spürte, wie sie bei der Frage errötete. „Ich wollte es einfach nur wissen. Vielleicht hätten Sie ja Lust, einmal zu mir und meinem Vater zum Essen zu kommen?“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, antwortete Patrick, aber ob er damit nun Ja oder Nein meinte, vermochte Ruth nicht zu sagen.

Als sie sich unter besonders tief hängenden Zweigen hindurchduckten, stolperte Ruth über eine Wurzel und verfing sich mit den Haaren in einem Dornenbusch. Sie versuchte, sich eigenhändig zu befreien, aber es war zwecklos. Da kniete Patrick auch schon neben ihr, zog die Handschuhe aus und befreite vorsichtig Strähne um Strähne ihres seidigen Haares aus den Fängen der Dornen. Hin und wieder strichen seine Finger dabei über ihre Wangen, und Ruth überlief ein lustvoller Schauer. Schließlich half Patrick ihr beim Aufstehen.

„Vielen Dank“, sagte Ruth, „ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte.“

„Ach nein?“

Erstaunt sah Ruth ihn an. „Was meinen Sie denn damit?“

Er wandte sich ab, um die Pferde erneut beim Zügel zu nehmen. „Einfach nur, dass Sie eine von den Frauen sind, denen es immer gelingt, irgendwelche Zwischenfälle zu provozieren, weil sie ihr gerade in den Kram passen.“

„Wie soll ich das jetzt verstehen?“

Patrick zog die Handschuhe aus der Jackentasche, blickte auf und erklärte: „Aus irgendeinem Grund ist Ihnen doch daran gelegen, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Warum, wissen Sie sicher selbst am besten.“

„Wie können Sie es wagen …?“

Aber Patrick fuhr einfach fort: „Sie bitten mich, mit Ihnen auszureiten, Sie laden mich sogar zu sich nach Hause ein – und das, obwohl wir uns gerade einmal zwei, drei Stunden kennen. Und schließlich, als ich nicht so richtig darauf einsteige, verfallen Sie auf den ältesten Trick der Welt und spielen das unbeholfene Frauchen. Ich dachte, die Girlies von heute seien da anders.“

„Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich absichtlich über diese blöde Wurzel gestolpert bin und mich dann auch noch mit den Haaren im Busch verheddert habe, damit Sie mich retten können?“

„Etwa nicht?“

„Natürlich nicht!“ Ruth entriss ihm die Zügel ihres Pferdes, ergriff den Sattelknauf und saß auf. Dann gab sie dem Tier die Sporen und preschte davon, den Oberkörper ganz dicht am Hals des Tieres, damit ihr die Zweige nicht ins Gesicht schlugen.

2. KAPITEL

Als Ruth schließlich zum Gutshaus zurückkehrte, hatten die anderen längst zu Mittag gegessen, und Julie wartete aufgeregt in der Halle. „Wo bist du denn so lange gewesen? Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“

„Tut mir leid.“ Ruth rang sich ein Lächeln ab. „Ich habe mich wohl mit der Zeit vertan“, fügte sie erklärend hinzu und hoffte, Julie wusste nicht, dass Patrick Hardy mit ihrem langen Fortbleiben zu tun hatte.

„Na, der Lunch ist jetzt jedenfalls kalt. Soll ich Mrs. Morris bitten, dir ein Omelett oder etwas anderes Schnelles zu machen?“

„Ach was, das muss nicht sein!“ Ruth zog ihre Barbour-Jacke aus und hängte sie über das Treppengeländer, um sie später mit hinaufzunehmen. „Ich esse einfach rasch ein Sandwich in der Küche.“ Sie räusperte sich. „Wo sind denn die anderen?“

„Mummy und Daddy sitzen mit Patrick in der Bibliothek und trinken Kaffee. Ich bin nur mal schnell raus, um zu sehen, ob du schon da bist. Patrick hat gesagt, falls du in einer Viertelstunde nicht zurück seist, wolle er noch einmal hinausreiten, um nach dir zu suchen.“

„Wie nett von ihm“, sagte Ruth und dachte sich ihren Teil.

„Ja, das finde ich auch“, erklärte Julie, die natürlich nicht wissen konnte, dass Ruths Bemerkung ironisch gemeint war. „Dann lass uns doch in die Küche gehen. Ich leiste dir Gesellschaft. Michael ist kurz nach dem Mittagessen vorbeigekommen, um sich zu verabschieden. Er wollte dann doch gleich zurück nach London. Er muss noch irgendetwas für die Uni machen, oder so.“

„Ja, das hat er mir auch erzählt.“ Ruth nickte und begleitete ihre Freundin in die gemütliche Küche der Stephensons. „Eigentlich bin ich ganz froh, dass er schon gegangen ist. Manchmal ist er doch ziemlich anstrengend.“

Mrs. Morris war gerade beim Herdputzen, begrüßte Ruth aber erfreut und hatte auch nichts dagegen, ihr noch ein Sandwich zu belegen und einen kleinen Salat zu machen. Dann bot sie den beiden jungen Frauen von ihrem frisch gebrühten Kaffee an. Während die drei um den Küchentisch saßen und plauderten, nickte Mrs. Morris über ihrem Strickzeug ein. Alles in allem war es in der mollig warmen Küche so gemütlich, dass Ruth spürbar entspannte. Die Sache mit Patrick Hardy hatte ihr doch ganz schön zugesetzt. Aber natürlich erwähnte sie Julie gegenüber nichts davon.

„Warum bleibst du nicht noch bis morgen?“, fragte ihre Freundin jetzt.

Eigentlich hatte Ruth ja spätestens nach dem Kaffee nach London zurückkehren wollen, aber inzwischen war es bereits kurz nach drei Uhr und dämmerte schon. Gerade im Winter, wenn an jeder Ecke Glatteis lauerte, fuhr sie im Dunkeln nicht gern über Land. „Warum nicht? Ich muss nur meinem Dad Bescheid sagen.“

„Fein.“

Die beiden machten noch einen Spaziergang und tranken Tee in der „Old Mill“, einem Tagesrestaurant in der Nähe. Als Ruth sich danach zum Dinner umzog, wurde ihr erst wieder bewusst, welcher Situation sie sich aussetzte, wenn sie sich ins Esszimmer begab. Immerhin hatte sie Patrick Hardy erzählt, sie wolle heute noch nach London zurückfahren. Nach seiner Bemerkung vom Morgen glaubte er jetzt bestimmt, sie sei nur geblieben, um ihn wieder zu sehen. Einen Augenblick ging Ruth in dem Gästezimmer auf und ab und überlegte, ob sie sich zum Abendessen entschuldigen sollte. Aber dann verwarf sie den Gedanken. Sie war doch kein Feigling! Natürlich würde sie zum Dinner erscheinen und diesem Patrick Hardy zeigen, dass sie absolut kein wie auch immer geartetes Interesse an ihm hatte. Insgeheim hoffte sie allerdings, ihn damit aus der Reserve zu locken.

Dummerweise hatte sie nichts Neues zum Anziehen dabei. Schließlich war sie nur von einer Übernachtung ausgegangen. Abgesehen von dem Partykleid blieben ihr noch Jeans und Pullover. Doch die waren völlig unpassend. Ob sie sich etwas von Julie leihen sollte? Andererseits hatte Patrick sie auf der Party nicht gesehen, wusste also nicht, dass sie das kleine Schwarze schon gestern Abend getragen hatte. Darin kamen ihr heller Teint und das seidige blonde Haar besonders gut zur Geltung, und der Ausschnitt betonte ihre wohlgeformten Brüste. Kurzum schlüpfte Ruth in das schwarze Designerkleid und beschloss, die Sache cool anzugehen.

Aber auf dem Weg in den Salon, wo Julies Eltern üblicherweise vor dem Essen noch einen Sherry tranken, spürte sie die Aufregung. Als sie die Tür öffnete, war auch Patrick Hardy schon da, und es musste für ihn ganz so aussehen, als hätte sie ihren Auftritt geplant. Doch auch wenn es nicht so war, zog sie die Blicke auf sich und konzentrierte sich auf Julies Mutter, um nicht zu Patrick sehen zu müssen.

Mrs. Stephenson, die nicht wusste, dass sich die beiden bereits kannten, zog Ruth zu sich, um sie dem Cousin ihres Mannes vorzustellen. Patrick wirkte in dem dunklen Abendanzug noch attraktiver und schien im Gegensatz zu Ruth die Situation keineswegs unangenehm zu finden, sodass er locker erklärte: „Ruth und ich kennen uns schon, Marion. Wir haben heute Morgen zusammen gefrühstückt.“

„Ja, das stimmt“, beeilte sich Ruth ihm beizupflichten und wich peinlich berührt Julies erstauntem Blick aus.

Mrs. Stephenson nickte lächelnd. „Dann seid ihr also beide Frühaufsteher?“

„Kann man wohl sagen.“ Patrick lächelte.

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
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