Am Strand von Honolulu

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Es ist Liebe! Erica weiß, dass sie noch nie so glücklich war wie in Mikes Armen. Am weißen Strand von Honolulu genießt sie jeden Kuss von dem liebevollen Mann, obwohl sie entschlossen ist, diese Beziehung schon bald wieder zu beenden. Aber mit jedem Tag der heißen Leidenschaft fällt es ihr schwerer, sich zu trennen. Doch die Gefahr, dass ihre wahre Identität entdeckt wird, ist zu groß...


  • Erscheinungstag 15.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778989
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Erica Barclay joggte an einem der Strände Honolulus, als der Abendmond plötzlich hinter einer dichten Wolke verschwand. Die Dunkelheit ließ den vertrauten Ort ein bisschen bedrohlich wirken.

Ängstlich blickte sie hinauf zum Himmel. Würde es einen Regenschauer geben? Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da trat sie gegen einen großen, festen Gegenstand und stolperte zu Boden. Einen Augenblick später schlangen sich muskulöse Arme um ihre Taille, und jemand rollte sie auf den Rücken.

Der Schrei blieb ihr im Halse stecken. Der Mann, der sich über sie beugte, war stark – viel zu stark, als dass sie sich aus eigener Kraft hätte befreien können. Der Mond lugte hinter der Wolke hervor und beleuchtete Ericas Gesicht, seins jedoch blieb im Dunkeln. Sie erkannte nur, dass es markant war und zu dem kräftigen Körper passte, von dem sie auf den Sand gepresst wurde.

Erica unterdrückte ihre Panik und beschloss, keine Angst zu zeigen. „Lassen Sie mich sofort los, oder ich schreie“, sagte sie scharf. Sie hoffte inständig, dass ihre Stimme nicht ebenso zitterte wie der Rest ihres Körpers.

„Ich glaube nicht, dass irgendjemand Sie hören würde.“

Er sprach leise und überraschend sanft, was sie ein wenig beruhigte. Aber auch „Gentlemen“ vergewaltigten Frauen, das hörte man immer wieder. Zu ihrer Erleichterung ließ der Fremde sie jedoch tatsächlich frei. Hastig stand sie auf und wich zurück, als er sich ebenfalls aufrichtete.

„Sie sollten um diese Zeit nicht allein an einem gottverlassenen Strand herumlaufen“, sagte er kopfschüttelnd. „Man hätte Sie im Reisebüro darauf aufmerksam machen müssen, dass selbst das Paradies seine dunklen Seiten hat.“

„Ich bin keine Touristin. Ich wohne gleich dort drüben und jogge abends immer um diese Zeit. Normalerweise sind dann noch einige Leute hier.“

„Trotzdem ist es nicht gut.“ Er blickte in die Richtung, aus der Erica gekommen war. „Sie wohnen in der Nähe? Dort entlang gibt es nur Hotels.“

„Ich wohne in einem davon.“ In welchem, das würde sie ihm bestimmt nicht verraten. „Und was machen Sie hier so allein am Strand, wenn ich fragen darf?“

„Ich genieße die Einsamkeit. Sie ist in Honolulu schwer zu finden.“

„Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe.“ Erica lächelte knapp und wandte sich ab.

„Gehen Sie nicht! Ich könnte schon etwas Gesellschaft vertragen. Kann ich Ihnen einen Drink spendieren?“

„Nein, danke. Ich muss zurück.“

„Ich bringe Sie nach Hause.“

„Nicht nötig.“

„Man kann nie wissen. Der nächste Mann, über den sie stolpern, lässt Sie vielleicht nicht so ohne Weiteres wieder los.“

„Es ist plötzlich dunkel geworden, und ich habe nicht damit gerechnet, dass jemand um diese Zeit im Sand herumliegt. Einen kurzen Moment lang habe ich sogar gedacht, dass Sie eine Leiche sind.“

„Als Sie gemerkt haben, dass ich noch am Leben bin, sind Sie anscheinend auch nicht allzu erfreut gewesen.“ Er lachte leise.

Erica erinnerte sich deutlich daran, wie er die Arme um sie geschlungen und sich dicht über sie gebeugt hatte. Es war ein Gefühl gewesen, das sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Und wenn sie ehrlich war – noch nie in einer solchen Intensität. Dieser Mann war kein Durchschnittsmann, zumindest physisch nicht. Sie hatte bisher nur mit Jordan Erfahrungen gemacht, der immer stolz auf seinen Ruf als Frauenheld gewesen war. Erica vermutete jedoch, dass dieser Mann Jordan wie einen Amateur aussehen lassen würde.

„Ich wollte Ihnen echt keine Angst einjagen. Tut mir wirklich leid.“

„Es ist ja nichts passiert“, erwiderte Erica. „Die Sache war einfach ein bedauerlicher Unfall.“

„Ich denke eher, dass wir dazu bestimmt waren, uns zu begegnen.“ Mittlerweile hatten sie eines der Hotels erreicht. Flutlicht beleuchtete die Terrasse und den dazugehörigen Strandabschnitt, sodass Ericas schönes Gesicht und ihre tiefblauen Augen, das lange schwarze Haar und die schlanke Figur deutlich erkennbar wurden. „Nachdem sich das Schicksal so viel Mühe gemacht hat, sollten wir uns zumindest kennenlernen.“

„Ich glaube nicht an das Schicksal“, bemerkte Erica.

„Okay, dann nennen Sie es einen glücklichen Zufall.“ Er betrachtete sie lächelnd. Anscheinend hatte er nicht vor, sich so leicht abwimmeln zu lassen.

Sie musterte ihn. Die dunkle Sonnenbräune, das ein bisschen zu lange Haar und die verwaschenen Jeans waren die Kennzeichen eines typischen Lebemanns, der bei Tag über die Wellen surfte und nachts hinter den Frauen her war. Mit einem solchen Körper ist er wohl in beiden Disziplinen gut, dachte Erica zynisch.

„Bestehe ich die Prüfung?“, fragte er lachend.

Verlegen sah sie zu Boden. „Spielt das eine Rolle? Sie sind so selbstsicher, dass es Ihnen egal sein dürfte, was ich von Ihnen denke. Und ich muss jetzt wirklich gehen.“

„Sie können mich doch nicht einfach so im Ungewissen lassen. Ich werde mich ewig fragen, warum ich so einen schlechten Eindruck auf Sie gemacht habe.“

„Soweit ich weiß, habe ich nichts dergleichen gesagt.“

„Dann trinken Sie etwas mit mir. Ich bin eigentlich völlig harmlos. Außerdem sind hier genug Leute, die Sie zur Not beschützen können.“

Die meisten Tische auf der Hotelterrasse waren besetzt, und auch am Strand wimmelte es noch immer von Urlaubern. Trotzdem zögerte Erica. Nicht weil sie diesen Mann für gefährlich hielt, sondern weil sie den Flirt aus irgendeinem unerklärlichen Grund gern fortsetzen wollte. Und das war die Gefahr. „Ich weiß nicht einmal Ihren Namen“, protestierte sie.

„Smith. Mike Smith.“

„Erica Barclay“, entgegnete sie zögernd.

Ganz offensichtlich deutete er das als Zustimmung, denn schon ging er zum nächsten freien Tisch und rückte Erica einen Stuhl zurecht. Ein Ober kam, um die Bestellung aufzunehmen.

Na schön. Für Proteste war es ohnehin zu spät, also beschloss Erica, sich einfach zu amüsieren.

„Der Abend hat sich eindeutig zum Positiven entwickelt“, meinte Mike nach einer Weile.

Sie lächelte. „Ihre Probleme können nicht allzu groß sein, wenn sie sich dadurch lösen lassen, dass Sie eine wildfremde Frau zum Drink einladen.“

„Ich habe eigentlich keine Probleme.“

Er machte wirklich nicht den Eindruck, als hätte er welche. Mike schien alles zu haben: gutes Aussehen, Charme und ein selbstsicheres Auftreten. „Und warum haben Sie dann ganz allein am Strand gelegen?“

„Ich habe mein Gewissen erforscht.“

„Aha. Möchten Sie darüber reden? Manchmal hilft es, Dinge mit einem Fremden zu besprechen. Man kann völlig ehrlich sein, weil man weiß, dass man die Person nie wiedersieht.“

„Ich hoffe, dass das in Ihrem Fall nicht zutrifft.“

„Wenn ich das nächste Mal jogge, werde ich aufpassen, wohin ich trete.“

„Sie trauen mir noch nicht so ganz, was? Das ist vermutlich klug. Eine so schöne Frau wie Sie sollte vorsichtig sein. Ich hätte nur gern die Chance, zu beweisen, dass ich bei unbekannten Frauen normalerweise auf den vollen Körpereinsatz verzichte.“

„Wie lange müssen Sie sie denn kennen?“, fragte Erica neckend.

Mike lachte. „Wenn ich darauf antworte, bin ich auf alle Fälle in Schwierigkeiten.“

„Eigentlich nicht. Ich halte Sie sicher nicht für einen Mönch.“

„Der Schein trügt. Alles nur Fassade.“

Er hatte ungewöhnliche haselnussfarbene Augen, eher bernsteinfarben als braun. Die Augen eines trügerisch sanften, pirschenden Tigers. „Ich wette, die Touristinnen lieben diesen Spruch“, entgegnete Erica trocken.

Sein T-Shirt spannte sich über der breiten Brust, als er sich zurücklehnte und einen Arm um die Stuhllehne legte. „Anscheinend haben Sie keine sehr hohe Meinung von Männern. Es ist nicht fair, wegen einer schlechten Erfahrung alle zu verurteilen.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich eine schlechte Erfahrung gemacht habe?“

„Das ist offensichtlich. Was ist passiert? Ist er zu stark rangegangen?“

„Wir haben über Sie gesprochen“, sagte Erica energisch. „Sie haben am Strand mit etwas gerungen, was Sie bedrückt.“

„Ich habe nur über das Gespräch mit meinen Eltern heute Abend beim Dinner nachgedacht. Sie haben mich nicht direkt gefragt, wann ich endlich heiraten will, aber die Andeutungen waren nicht schwer zu verstehen.“ Mike lächelte sarkastisch. „Ich nehme an, alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder heiraten und eine Familie gründen.“

„Da Sie anscheinend anderer Meinung sind, wäre es dumm, irgendetwas zu überstürzen.“

„Ich bin nicht grundsätzlich gegen die Ehe“, sagte er vorsichtig.

„Solange es jemand anders ist, der den Sprung wagt“, scherzte Erica.

„Das stimmt nicht. Ich würde gern heiraten und Kinder haben. Ich liebe Kinder, und ich denke, ich würde einen ganz guten Vater abgeben.“

„Das sagt sich so leicht.“ Erica blickte starr in ihr Glas.

„Nein, ich bin mir dessen sogar sicher. Das Problem ist, die Frau zu finden, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.“

„Ich kann nicht glauben, dass Sie nicht schon viele willige Damen kennengelernt haben.“

„Sie reden von Sex. Ich meine die Liebe.“

„Ah, die Liebe.“ Erica konnte einen leisen Spott nicht verbergen. „Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie feststellen, dass es sie gibt.“

Mike betrachtete ihr Gesicht. „Es tut mir leid“, erwiderte er sanft. „Sie müssen sehr verletzt worden sein.“

„Keineswegs. Ich bin einfach realistisch. Die Scheidungsstatistiken beweisen doch, dass wahre Liebe nur Wunschdenken ist.“

„Oder dass die Leute zu schnell aufgeben. Meine Schwester ist seit sieben Jahren glücklich verheiratet, und meine Eltern feiern bald großes Jubiläum. Ich bin sicher, dass sie im Lauf der Jahre ihre Krisen hatten, aber sie haben sich nicht schon bei den ersten leisen Problemen getrennt.“

„Leben Ihre Eltern hier in Honolulu?“ Erica war froh über die Gelegenheit, das Thema zu wechseln.

„Ja, meine Familie lebt seit Generationen hier. Meine Schwester und ich sind auf den Hawaii-Inseln geboren. Und Sie?“

„Ich bin vor vier Jahren hergezogen.“

„Woher kommen Sie?“

„Ich … ich bin aus Philadelphia.“ Warum wurde sie bei dieser Lüge nach all der Zeit immer noch nervös?

Ihr Zögern ließ ihn die Augen zusammenkneifen. „Nach den Schneemassen im Osten muss das Klima eine schöne Abwechslung für Sie sein. Ich war einmal im Winter in New York. Es ist keine Erinnerung, die ich schätze.“

„Für das Wetter wird man entschädigt, besonders in der Weihnachtszeit. Der Baum im ‚Rockefeller Center‘ ist zauberhaft, und die Schlittschuhläufer lassen alles so fröhlich aussehen.“

„Sie kennen sich in New York offensichtlich gut aus.“

Erica schwieg einen Moment lang. Sie tat recht daran, sich vor diesem Mann in Acht zu nehmen. Er verleitete sie dazu, unvorsichtig zu werden. „Von Philadelphia nach New York ist es nicht weit. Ich bin früher oft hingefahren, um ins Theater zu gehen und einzukaufen. Die Stadt ist einmalig.“

„Stimmt wohl. Ich ziehe die Sonne vor.“

„Das sieht man. Verbringen Sie Ihre ganze Zeit am Strand auf der Suche nach einer Ehefrau?“

„Sie beurteilen mich falsch. Ich arbeite hart.“

„Was machen Sie?“

„Ich bin im Großhandel tätig, kaufe und verkaufe Zucker, Ananas und solche Dinge“, erwiderte Mike vage. „Und Sie?“

„Ich bin Haushaltsleiterin im … in einem der großen Hotels.“

„Sie können mir ruhig verraten, wo Sie arbeiten. Mir ist klar, dass unser Kennenlernen unkonventionell war, aber ich bin wirklich ein solider Bürger. Ich hoffe, dass Sie mit mir ausgehen, würde Sie jedoch niemals belästigen, wenn Sie Nein sagen.“

„Das ist es nicht“, flüsterte Erica.

Mikes Blick wurde schärfer. „Sind Sie verheiratet?“

„Nein.“

„Verlobt? Mit jemand zusammen?“

„Nein, ich bin eine ausgesprochene Einzelgängerin.“ Erica schob ihr Glas beiseite. „Ich muss wirklich nach Hause.“

„Noch nicht, bitte. Ich werde keine persönlichen Fragen mehr stellen.“

„Ich habe nichts zu verbergen“, erwiderte sie schnell. „Ich führe einfach ein ziemlich zurückgezogenes Leben.“

„Okay, wir unterhalten uns über das Wetter. Das ist ein ungefährliches Thema, allerdings auch langweilig.“

„Besonders da es hier fast immer gleich ist. Wie bekommt man so eine Sonnenbräune, wenn man ganztägig arbeitet?“

„Ich segle und laufe Wasserski, wenn ich frei habe. Was machen Sie an den Wochenenden, wenn die Frage nicht zu persönlich ist?“

Sicher wäre er befremdet gewesen, wenn sie es ihm sagte. „Manchmal muss ich arbeiten“, erwiderte sie daher ausweichend.

„Dann haben Sie dafür während der Woche frei. Das ist auch nicht übel. In Hawaii ist jeder Tag Sonntag.“

„Nicht für die Angestellten. Aber ich kann mich nicht beklagen. Ich habe einen sehr guten Job.“

„Was macht eine Haushaltsleiterin eigentlich?“

„Ich bin diejenige, bei der man sich beschwert, wenn es nicht genug Handtücher gibt oder keine Praline auf dem Kopfkissen liegt. Oder wenn man sich einfach nur ärgert, weil man das Zimmer zu teuer findet.“

„Sich von ungehobelten Leuten anschreien zu lassen, klingt nicht nach Spaß.“

„Die meisten Gäste sind sehr nett. Es ist meine Sache, dafür zu sorgen, dass sie keinen Grund zur Klage haben.“

„Sie haben doch bestimmt Hilfe.“

„Ja, ich habe Mitarbeiter, die mir unterstellt sind.“

Mike betrachtete Erica nachdenklich. „Sie sind ziemlich jung für eine so verantwortungsvolle Stellung. Haben Sie eine Hotelfachschule besucht?“

„Nein.“ Erica stand auf. „Danke für den Drink.“

„Ich habe wieder die Grenze überschritten, stimmt’s?“, fragte er trübselig.

„Das ist es nicht. Jemand erwartet mich. Ich hatte gesagt, ich würde nur eine halbe Stunde weg sein.“ Sie sah auf ihre Armbanduhr und rang erschrocken nach Atem. „Wo ist die Zeit geblieben?“

„Sie haben sich also nicht völlig gelangweilt.“ Mike lächelte gewinnend. „Gehen Sie morgen Abend mit mir essen?“

„Ich habe wirklich …“

„Wir können uns irgendwo treffen“, unterbrach er sie. „Und hinterher setze ich Sie in ein Taxi und schicke Sie nach Hause. Ist das sicher genug?“

„Normalerweise laufen Ihre Verabredungen bestimmt nicht so. Warum wollen Sie sich mit mir abgeben? Und erzählen Sie mir jetzt nicht, ich sei schön, und Sie hätten sich sofort in mich verliebt. Bitte seien Sie ehrlich.“

„Sie sind schön, und jeder Mann würde Sie begehrenswert finden“, erwiderte Mike ernst. Dann grinste er. „Aber ich habe noch einen anderen Grund. Sie sind die erste Frau, mit der ich reden kann, ohne überlegen zu müssen, ob wir zu Ihnen oder zu mir fahren.“

Erica lachte. „Das ist nicht sehr schmeichelhaft. Sie haben also fürs Erste genug von aufregenden Frauen und wünschen sich nur noch ein ruhiges Abendessen mit einer, die nicht von Ihnen erwartet, dass Sie toll im Bett sind?“

„Ich könnte mich vielleicht umstimmen lassen“, scherzte Mike. „Also, wie wär’s?“

Erica rang mit sich. Er war sehr charmant, und sie war seit einer Ewigkeit nicht mehr mit einem Mann ausgegangen. Es war nur ein einziges Abendessen. Das würde wohl nicht schaden. „In Ordnung.“

„Vor dem Silver Dolphin, um acht? Oder brauchen Sie mehr Zeit? Ich weiß nicht, wann Sie von der Arbeit kommen.“

„Halb neun wäre besser.“

„Okay.“ Er nahm ihre Hand. „Ich freue mich darauf, Sie wiederzusehen.“

Nicht halb so sehr wie ich, dachte Erica im Stillen, als sie ihm in die Augen blickte.

Erica eilte ins Wohnzimmer ihres Apartments im „Haialua Hotel“. „Entschuldige, Susie! Ich hatte keine Ahnung, dass es schon so spät ist.“

Ihre Freundin Susie Tarapula war eine mollige, gelassene ältere Frau. Sie sah fern und aß Popcorn. „Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du sonst immer pünktlich zurück bist. Wo bist du gewesen?“

„Das ist eine lange Geschichte. Geht es Nicky gut?“

„Er schläft wie ein Murmeltier.“

„Oh, schön. Tja, ich will dich nicht länger aufhalten. Danke fürs Babysitten.“

„Jederzeit.“ Susie lehnte sich gemütlich zurück. „Wo bist du gewesen? Du kannst nicht die ganze Zeit gejoggt haben. Ich verstehe nicht, warum du das überhaupt tust. Du bist doch schon so schlank.“

„Ich laufe nicht, um abzunehmen. Es ist die einzige körperliche Bewegung, die ich habe.“

„Das soll wohl ein Witz sein. Ein Vollzeitjob und ein aktiver Vierjähriger sind genug Bewegung für drei Frauen.“

„Ich bin nicht so oft mit Nicky zusammen“, sagte Erica bedauernd. „Er ist den ganzen Tag im Kindergarten. Ich fühle mich schuldig deswegen, aber ich kann es ja nicht ändern.“

„Nicky ist gern mit den anderen Kindern zusammen.“

„Ein Kind sollte nicht in einem Hotel leben. Nicky sollte einen Garten und Nachbarsfreunde haben.“

„Jeder Angestellte hier ist sein Freund.“

„Und ich bin euch allen dankbar, aber ich meine Kinder in seinem Alter.“

„Dafür gibt es eine einfache Lösung. Heirate einen Mann, der es sich leisten kann, dir ein Haus zu kaufen.“ Susie betrachtete Ericas verführerische Figur. „Du hättest keine Mühe, einen zu finden.“

„Ich bin nicht daran interessiert, wieder zu heiraten“, sagte Erica kurz angebunden.

„Dann solltest du zumindest mit Männern ausgehen. Es ist nicht normal, dass eine so hübsche junge Frau jeden Abend allein in ihrer Wohnung sitzt. Du stellst jeden kalt, bevor er auch nur anfragen kann. Jerry Pomeroy würde für ein Date mit dir alles tun.“ Er war der stellvertretende Direktor des Hotels.

„Jerry ist nicht mein Typ.“

„Wer ist denn dein Typ? Verrat mir doch bitte mal, wonach du suchst.“

Sofort sah Erica im Geiste Mike Smith vor sich. So ein Mann würde sie interessieren, wenn sie auf der Suche wäre. „Ich will keinen“, erwiderte sie ausdruckslos.

„Jede Frau will einen Mann, mit dem sie nachts kuscheln kann – wenn du verstehst, was ich meine.“ Susie lachte.

„Ja, ich verstehe.“ Erica verzog angewidert das Gesicht.

Ihre Freundin wurde ernst. „Ich habe gehört, dass manche Frauen keinen Sex mögen. Wenn das dein Problem ist, tut es mir leid, dass ich davon angefangen habe.“

„Ich finde, dass Sex überbewertet wird, aber ein Problem ist es nun wirklich nicht.“

„Du hast einfach noch nicht den richtigen Mann kennengelernt.“

„Möglich.“ Erica wechselte das Thema. „Was hältst du von dem neuen Zimmermädchen? Zwei Gäste haben sich über fehlende Badetücher beschwert.“

Sie sprachen einige Minuten über die Arbeit, dann stand Susie auf. „Morgen Abend um dieselbe Zeit?“

Erica zögerte. „Ja. Könntest du länger bleiben?“

„Sicher. Ich habe sonst nichts zu tun, und dein Fernsehgerät ist größer als meins. Wohin gehst du?“

„Ich … ich habe einen Termin.“

„Abends? Was für einen Termin?“

Ihre Freundin würde nicht aufgeben. „So etwas wie eine Verabredung“, sagte Erica widerwillig.

„Nach all dem Gerede darüber, dass du keine Männer magst?“ Susie sank zurück aufs Sofa. „Wo hast du ihn kennengelernt? Wie sieht er aus? Erzähl mir alles!“

„Er ist einfach ein Mann, den ich zufällig getroffen habe. Wir essen zusammen zu Abend, und danach komme ich sofort nach Hause.“

„Der erste Mann, für den du einen Funken Interesse zeigst! Das muss ja ein Traumtyp sein. Wie sieht er aus?“

„Wie einer dieser Surfer, die sich den ganzen Tag am Strand herumtreiben.“

„Die sind normalerweise großartig.“

„Man könnte wohl sagen, dass er ziemlich gut gebaut ist“, erwiderte Erica. Das war die Untertreibung des Jahrzehnts.

„Hört sich vielversprechend an. Ich hoffe, er ist nicht nur ein Tourist, der wieder abreist.“

„Nein, er ist von hier. Genügen die Informationen, um dich zu befriedigen?“

„Wichtiger ist, dass er dich befriedigt.“

„Ich gebe es auf!“, rief Erica ärgerlich.

„Noch hast du offensichtlich nicht aufgegeben.“ Susie lachte. „Ich glaube, du hast endlich einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.“

Habe ich das? fragte sich Erica, nachdem ihre Freundin gegangen war. Oder war sie dabei, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen?

Diese Frage beschäftigte Erica immer noch, als sie sich am nächsten Abend für das Essen mit Mike umzog. Ein Kleid auszuwählen war nicht schwierig, so viele besaß sie nicht. Honolulu war eine lässige Stadt, und Ericas gesellschaftliches Leben bestand aus einem gelegentlichen Kinobesuch mit Freundinnen oder einem Abendessen mit Nicky in einem Fast Food-Restaurant. Das blaue Etuikleid genügte den Anforderungen. Es war schick, aber nicht zu elegant.

Erica schminkte sich, besprühte sich mit Parfüm, nahm ihre Handtasche und verließ das Schlafzimmer.

„Du siehst hübsch aus, Mom.“ Nicky durfte aufbleiben, bis sie ging.

„Danke, Liebling.“ Sie umarmte ihn.

„Wohin geht er mit dir?“, fragte Susie.

The Silver Dolphin.“

„Kein Spitzenrestaurant, aber nett. Geld wie Heu hat er wohl nicht.“

„Woher soll ich das wissen?“

„Man kann vieles daran erkennen, wie ein Mann angezogen ist oder ob er eine dieser teuren goldenen Armbanduhren trägt.“

„Er hatte abgeschnittene Jeans und ein T-Shirt mit einem Loch an, als wir uns kennengelernt haben. Danach zu urteilen habe ich Glück, dass wir nicht in einer Pizzeria essen“, sagte Erica trocken.

„Ich glaube, wir sollten den Kerl besser überprüfen. Wollen wir nach unten in den Drugstore und eine Tafel Schokolade kaufen, Nicky?“

„Ja!“, schrie der kleine Junge.

„Nein!“, sagte Erica, die nicht wollte, dass Susie sie allein in ein Taxi steigen sah. Sie verließ schnell die Wohnung.

Mike wartete vor dem Restaurant. Er trug einen gut geschnittenen beigefarbenen Anzug und hatte sich die Haare schneiden lassen. Mehr als eine Frau warf ihm im Vorübergehen einen einladenden Blick zu. Mit Recht. Mike sah überwältigend gut aus.

„Ich habe befürchtet, Sie würden nicht kommen“, sagte er.

„Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“

„Nur wenige Minuten, und das Warten hat sich gelohnt. Sie sehen fantastisch aus. Das Kleid hat genau die Farbe Ihrer Augen.“

Die Straße wimmelte von Touristen. Einer rempelte Erica an, und Mike legte beschützend den Arm um sie. Es war nur eine höfliche Geste, aber Ericas Puls schlug schneller, sobald sie mit Mikes herrlichem Körper in Berührung kam.

„Drinnen ist es hoffentlich nicht so voll“, sagte Mike. Der von ihm bestellte Tisch war noch nicht fertig, deshalb gingen sie zuerst in die Bar, wo sie trotz der vielen Leute einen freien Tisch in der Ecke fanden. „Ich hätte ein weniger beliebtes Restaurant aussuchen sollen“, klagte Mike ein bisschen verärgert.

„Das Essen muss gut sein, wenn es hier so voll ist.“

„Sind Sie noch nie in diesem Restaurant gewesen?“, fragte er überrascht.

„Nein.“

„Aber da Sie in einem Hotel wohnen, müssen Sie doch sicher immer essen gehen.“

„Nein, man hat mir ein Apartment zur Verfügung gestellt.“

„Wie bequem. Sie stehen morgens auf und sind am Arbeitsplatz.“

„Es ist wirklich ein Pluspunkt. Außerdem darf ich den Pool und die Tennisplätze benutzen.“

„Wie wäre es mit einem Spiel am Samstagmorgen?“

„Nein, ich … ich habe immer viele Besorgungen zu machen.“

„Dann am Sonntag.“

Erica brauchte sich nicht noch eine Ausrede auszudenken, da in diesem Moment der Maître d’hôtel erschien.

„Mr. Smith? Ihr Tisch ist jetzt bereit.“

Das Thema wurde fallen gelassen, während sie die Speisekarte lasen und der Ober die Spezialitäten des Hauses aufzählte.

„Hatten Sie heute viel zu tun?“, fragte Mike, nachdem sie bestellt hatten.

„So viel wie immer“, erwiderte Erica. „Und Sie?“

„Ich habe weniger Arbeit geschafft als sonst, weil ich mich ständig gefragt habe, ob Sie wohl unsere Verabredung einhalten würden.“

„Ich hätte Sie niemals einfach versetzt, selbst wenn ich es mir anders überlegt hätte.“

„Haben Sie es sich anders überlegt?“

„Wäre das nicht ganz normal? Für Sie ist es wahrscheinlich nichts Besonderes, wie wir uns kennengelernt haben, aber Frauen müssen vorsichtiger sein.“

„Offensichtlich haben Sie mit der sexuellen Revolution nicht Schritt gehalten“, sagte Mike trocken. „Frauen können ebenso aggressiv sein wie Männer.“

„Ich fürchte, sie ist an mir vorbeigegangen.“

„Ich helfe Ihnen gern aufzuholen“, neckte er sie.

Autor

Tracy Sinclair
Mehr erfahren