Angelica - Engel mit kleinen Fehlern

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Was für ein verlockender Auftrag: Angelica, die einen Partyservice besitzt, soll ein Weihnachtsfest auf dem großen australischen Anwesen von Jake McCord ausrichten. Bereits am Telefon hat Jake sie verpflichtet, ohne sie gesehen zu haben. Doch dann stehen sie sich gegenüber: Erstaunen - und Schock! Denn vor drei Jahren sind sie sich auf einer Party begegnet, waren voneinander fasziniert. Bis Jake glaubte, Angelica habe die Ehe einer Verwandten zerstört. Jetzt würde er ihr am liebsten sofort kündigen: Er spürt, dass er sie, gegen seinen Willen, noch immer begehrt. Doch Angelica besteht auf ihrem Vertrag …


  • Erscheinungstag 19.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757175
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Hitze und der Lärm des Tages waren selbst für Jake fast unerträglich gewesen. Allein das Zusammentreiben der Rinder auf den mit Spinifex durchsetzten Ebenen war Knochenarbeit, doch immer wieder entwichen vereinzelte Tiere auf unzugängliches, felsiges Gelände und mussten zu Pferde wieder eingefangen werden. Das war jedes Mal eine mörderisch anstrengende, gefährliche Prozedur.

Im letzten Jahr hatte sich einer der Jackeroos, wie die jungen Cowboys hier genannt wurden, dabei eine so schwere Rückenverletzung zugezogen, dass er operiert werden musste. Zum Glück hatte er sich wieder vollständig erholt, aber seit dem Unfall hatte sein Hang zu waghalsigen Abenteuern deutlich nachgelassen.

Seit Jake ein Junge gewesen war, hatten die Arbeitsmethoden sich sehr verändert. Der Einsatz von Hubschraubern beim Viehtrieb bedeutete eine erhebliche Zeit- und Kraftersparnis, doch es gab Orte, die ein Hubschrauber nicht erreichen konnte. In solchen Fällen waren Pferde nach wie vor unverzichtbar. Wer heutzutage auf dem Land überleben wollte, musste über viele Fähigkeiten verfügen, und er war nicht nur ein erstklassiger Pilot und Reiter, sondern auch ein cleverer Geschäftsmann mit einem Wirtschaftsdiplom in der Tasche.

Jake McCord, der Rinderbaron.

Eigentlich hieß er Jonathon, aber seit seine Mutter tot war, hatte ihn niemand mehr so genannt. Vor drei Jahren war sein Vater an einem Schlangenbiss gestorben. Er war ein harter, herrischer Mann gewesen, der sein Unternehmen mit eiserner Hand geführt hatte. Es hatte ihm gefallen, die Menschen in seiner Umgebung zu kontrollieren und zu beobachten, wie alle nach seiner Pfeife tanzten.

Alle, bis auf seinen Sohn.

Jake besaß einen angeborenen Kampfgeist, und jeder Versuch seines Vaters, ihm seinen Willen aufzuzwingen, war an ihm abgeprallt. Die heftigen Spannungen zwischen Vater und Sohn blieben niemanden in der weit verstreuten Gemeinde im Outback verborgen. Die meisten waren der Ansicht, dass Clive McCord eifersüchtig auf seinen Erben war. Hinzu kam tiefe Verbitterung über den Tod seiner Frau. Die schöne Roxanne war bei einem Reitunfall ums Leben gekommen, als Jake gerade sechs Jahre alt war. Von dem Tag an war sein Vater ein anderer Mensch geworden. Er verlor jegliches Empfinden für die Menschen in seiner Umgebung. Anstatt seinem verzweifelten Sohn beizustehen, schien er ihm übel zu nehmen, dass er noch lebte und nicht seine Frau.

Manchmal hatte Jake das Gefühl, dass die Lieblosigkeit seines Vaters, von dem er nie ein Wort der Anerkennung gehört hatte, ihn zu einem neurotischen Sonderling gemacht hatte. Auf jeden Fall hatte sie nicht nur eine Menge Schmerz und Wut hinterlassen, sondern auch ein tief verwurzeltes Misstrauen, das sich spürbar auf sein Liebesleben auswirkte. Keine seiner Freundinnen hatte es leicht mit ihm gehabt, und früher oder später hatten sie alle vor dem Idealbild kapitulieren müssen, das er von seiner Mutter verinnerlicht hatte. Es gab Momente, in denen er davon überzeugt war, dass Liebe nur eine Illusion war. Doch er hatte sie noch kennengelernt. Damals, als seine Mutter noch gelebt hatte. Einige Erinnerungen an diese Zeit waren noch immer sehr lebendig.

Zwei Jahre später hatte sein Vater wieder geheiratet. Die arme Stacy war um das Leben an der Seite dieses schwierigen Mannes wahrhaftig nicht zu beneiden gewesen. Sie besaß nicht die geringste Ähnlichkeit mit Clives erster Frau, aber dafür war sie jung, sanftmütig und fügsam – genau die Richtige, um Clive McCord weitere Söhne zu gebären, die ihm einmal helfen würden, die riesige Farm zu leiten. Doch alles, was Stacy zustande brachte, war Jakes Halbschwester Gillian, die anscheinend das unterwürfige Naturell ihrer Mutter geerbt hatte. Vielleicht hätte sie es leichter gehabt, wenn sie mehr nach den McCords geschlagen hätte, die auffallend gut aussehende, selbstbewusste Menschen waren. Nicht, dass Gilly kein hübsches Mädchen gewesen wäre, aber das Leben unter der Fuchtel ihres despotischen Vaters hatte ihr Selbstvertrauen schon frühzeitig untergraben.

Clive McCords schrecklicher Tod war völlig unerwartet gekommen, denn alle schienen geglaubt zu haben, er würde ewig leben. Als man ihn zu Grabe trug, weinte niemand ihm eine Träne nach. Er war ein reicher, einflussreicher Mann gewesen, doch außer einem alten Aborigine namens Jindii, mit dem er häufig lange Streifzüge durch das Outback unternommen hatte, hatte er keinen einzigen Freund besessen.

Jetzt war er, Jake, der Herr auf Coori. In der Sprache der Aborigines bedeutete das Wort coori „Blumen“, und das war es, was der aus Schottland stammende Vorfahr der McCords gesehen hatte, als er Anfang des neunzehnten Jahrhunderts auf seiner Reise ins Innere von Queensland das Channel Country durchquerte. Ein endloses Meer von Wildblumen.

Zehn Jahre später war er zu diesem Ort zurückgekehrt. Diesmal hatte seine Frau und vier Söhne mitgebracht, mit denen er die McCord-Dynastie begründete. Es war ein hartes, entbehrungsreiches Leben für die Familie gewesen, aber sie hatten überlebt und es geschafft, sich in dieser Gegend durchzusetzen.

Auch Jake war unter harten Bedingungen aufgewachsen. Nicht in materieller Hinsicht, denn inzwischen hatten die McCords es zu beachtlichem Reichtum gebracht. Unter der Leitung seines Vaters war Coori zu einem erfolgreichen Unternehmen aufgeblüht. Für diese Leistung verdiente er sicher Respekt, doch was seinen einzigen Sohn betraf, schien er von einem inneren Dämon besessen zu sein. Er ließ ihn wie einen Sklaven schuften und nutzte rücksichtslos seine Talente und seinen Einfallsreichtum aus. Er, Jake, war allerdings ein echter McCord. Er dachte nicht daran, sich unterjochen zu lassen, sondern entwickelte mit den Jahren eine eiserne Willenskraft. Am Ende würde der Stärkere siegen – so funktionierte das Spiel.

Bei Stacy waren die Dinge ganz anders verlaufen. Mit achtzehn hatte sie einen extrem schwierigen Mann geheiratet, der fast zwanzig Jahre älter war als sie. Schon bald war ihr klar geworden, dass sie praktisch eine Ehe zu dritt führten, denn bis zum Schluss hatte Roxanne wie ein tragischer Geist zwischen ihr und ihrem Mann gestanden.

Noch immer hing ihr Porträt über dem Kaminsims im gelben Salon. Das Gemälde zeigte die schöne junge Frau am Vorabend ihrer Hochzeit. Manchmal versuchte Jake, sich daran zu erinnern, wie sein Vater als junger Mann gewesen war. Wenn er an seine frühe Kindheit dachte, stiegen Bilder von glücklichen gemeinsamen Tagen vor seinem geistigen Auge auf.

Doch an dem Tag, an dem seine Frau mit gebrochenem Genick auf einer Bahre zum Haus getragen wurde, hatte auch der junge Clive McCord aufgehört zu existieren. Roxanne war von Habibah, ihrer geliebten arabischen Stute, gestürzt. Es war ein Unfall gewesen, aber McCord sah in dem Tier nur den Mörder seiner Frau. Besinnungslos vor Schmerz erschoss er das prachtvolle Geschöpf auf der Stelle, ohne sich um das verzweifelte Protestgeschrei seines Sohnes zu kümmern.

Von Kindesbeinen an hatte Jake eine ganz besondere Beziehung zu Pferden gehabt. Er wusste alles über ihre Erziehung, Zucht und Pflege und galt im weiten Umkreis als erstklassiger Reiter und Polospieler.

Wenn es um den Charakter eines Pferdes ging, besaß er ein untrügliches Urteilsvermögen, bei Frauen hingegen versagte es anscheinend. Eine hatte ihn ganz besonders tief verletzt. Das war vor vielen Jahren gewesen, als er noch studiert hatte. Michelle hatte sie geheißen. Sie war einige Jahre älter gewesen als er und hatte ihn nach allen Regeln der Kunst an der Nase herumgeführt. Während er sich nach einer ernsthaften Beziehung sehnte, die auf gegenseitigem Vertrauen basierte, war er für sie nur ein kleines Abenteuer von vielen gewesen.

Er war jetzt achtundzwanzig und noch immer ein leidenschaftlicher Mann, aber er hatte inzwischen gelernt, seine Gefühle zu kontrollieren. Die Hoffnung, eines Tages doch noch die Richtige zu finden, hatte er noch nicht ganz begraben. Oft ging ihm durch den Sinn, wie anders sein Leben mit einer solchen Frau aussehen könnte. Wer weiß, vielleicht würde sie ja ihn finden? Bei dem Leben, das er führte, hatte er wahrhaftig nicht viel Gelegenheit, auf Brautschau zu gehen.

Jake stieß einen tiefen Seufzer aus, als er an seine Stiefmutter und seine Halbschwester dachte. So gern er sie auch hatte, Verantwortung konnte man ihnen wirklich nicht übertragen. Zum Glück gab es Clary, eine wahre Perle von Haushälterin. Clary wurde allerdings auch nicht jünger, und die Hausmädchen brauchten Anleitung. Wenn Stacy und Gilly doch nur etwas Umsicht und Tatkraft an den Tag legen würden! Es wäre schon eine große Erleichterung für ihn gewesen, wenn sie sich wenigstens um die Bestellung und Verwaltung der Vorräte gekümmert hätten. Normalerweise waren das Aufgaben, die auf einer Farm im Outback die Frauen erledigten.

So wie Dinah zum Beispiel. Sie hätte nur zu gern die zahlreichen Weihnachtsveranstaltungen ausgerichtet, die dieses Jahr auf Coori stattfinden würden. Doch er hatte es vorgezogen, damit seine Cousine Isobel zu beauftragen, die eine erfolgreiche Cateringfirma in Brisbane leitete. Ihm hatte das begehrliche Funkeln in ihren Augen nicht gefallen, als Dinah leise vor sich hin summend die Empfangsräume inspiziert und dabei unentwegt Änderungsvorschläge gemacht hatte. Außerdem hasste er die herablassende Art, mit der sie Stacy und Gillian behandelte.

Er kannte Dinah schon seit seiner Kindheit. Sie gehörten beide der Oberschicht an, und ihre Großväter waren eng miteinander befreundet gewesen. Ab und zu gingen sie zusammen aus, und gelegentlich schliefen sie auch miteinander. Dinah konnte sehr amüsant sein und war gut im Bett, aber sie hatte gewisse Wesenszüge, mit denen er einfach nicht zurechtkam. Vielleicht war es ihre Ichbezogenheit, ihr Mangel an Verständnis für andere. Ihm gegenüber zeigte sie sich allerdings stets von ihrer Schokoladenseite. Er wusste, dass Dinah und ihre Familie nur darauf warteten, dass er ihr endlich einen Antrag machte, obwohl er ihr diesbezüglich nie Hoffnungen gemacht hatte.

Oh ja, Dinah würde sämtliche Veranstaltungen perfekt organisieren. Alles würde mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufen. Sie würde fantastisch aussehen und die Gäste mit ihrem geübten Charme unterhalten, während sie die Gastgeberin von Coori spielte. In vieler Hinsicht würde sie eine perfekte Ehefrau abgeben. Sie war willensstark und verfügte über eine bewundernswerte Energie. Wie er war sie im Outback geboren und hatte genauso gelebt wie er. Doch sie war nicht die Frau, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte.

Wo, zum Teufel, war diese Frau? Er würde sie sofort erkennen, sollte sie ihm jemals begegnen … Jake sah dunkle Augen und volles dunkles Haar vor sich, lockig und glänzend. Schon bei dem Gedanken spürte er, wie ihm warm wurde. Aber er kannte kein einziges Mädchen mit großen dunklen Augen und einem verführerischen Körper, der die Männer anzog wie ein Magnet. Es gab Momente, da war er sich sicher, dass er ihr schon einmal begegnet war, doch jedes Mal schob er diesen Gedanken als Produkt seiner Fantasie beiseite …

Als Jake das Haus betrat, erwartete Stacy ihn bereits in der Halle. Selbst nach all den Jahren schaffte sie es immer wieder, ihn zu verblüffen. Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden, flankiert von Juno und Jupiter, den schwarzen Labradorrüden, die bei seinem Eintreten freudig mit dem Schwanz wedelten.

„Was, in aller Welt, treibst du da unten?“, erkundigte sich Jake, während er sich der Hunde erwehrte.

Stacy lächelte und zuckte die Schultern. „Wieso? Es ist bequem hier und außerdem schön kühl. Auf diesen Stühlen habe ich mich nie besonders wohl gefühlt“, fügte sie mit einem Blick auf die imposanten antiken Mahagonistühle hinzu. Mit ihren vierzig Jahren sah sie immer noch aus wie ein junges Mädchen – blondes Haar, heller Teint, himmelblaue Augen.

Eine von Clives Schwestern hatte einmal hämisch geäußert, Stacy wäre in ihrer Entwicklung stehen geblieben. Niemand aus der weitverzweigten Familie hatte damals begriffen, was den anspruchsvollen Clive veranlasst hatte, ein so unbedarftes kleines Ding zu heiraten. Ein größerer Gegensatz zu der schönen, lebhaften Roxanne, die jedermann bewundert hatte, war kaum denkbar gewesen.

„Isobel hat angerufen“, teilte sie ihm mit.

Er merkte ihr an, dass das Gespräch mit seiner dynamischen Cousine sie ein wenig aus der Fassung gebracht hatte.

Isobel war mit einem bekannten Parlamentsabgeordneten verheiratet. Obwohl ihr Geschäft um diese Jahreszeit auf Hochtouren lief, war sie sofort seinem Hilferuf gefolgt. Sie war zwar um einiges liebenswürdiger als der Rest des McCord-Clans, doch im Hinblick auf organisatorische Fähigkeiten hielt sie Stacy für eine Katastrophe.

„Was wollte sie denn?“

„Malcolm ist im Büro des Ministerpräsidenten zusammengebrochen.“ Aus Stacys Mund klang das, als würde es sich um den Höhepunkt in Malcolms Karriere handeln. „Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht.“

„Du meine Güte, ich muss sie sofort anrufen!“ Jake fuhr sich nervös mit der Hand durch sein dichtes Haar. Die Nachricht bestürzte ihn aus zwei Gründen. Erstens mochte er Malcolm, und zweitens konnte dieser Vorfall fatale Auswirkungen auf die Veranstaltungen auf Coori haben. „Vielleicht war es einfach nur Erschöpfung“, versuchte er sich zu beruhigen. „Malcolm arbeitet härter als die meisten von uns.“

„Ich wusste gar nicht, dass diese Leute überhaupt arbeiten“, sagte Stacy, die nicht die geringste Vorstellung von der Tätigkeit eines Politikers hatte. „Aber es tut mir sehr leid für Malcolm. Er ist einer der wenigen, die immer nett zu mir waren. Die beiden passen so gut zusammen.“

„Ja, ein paar Ehen scheinen tatsächlich zu funktionieren“, antwortete Jake zerstreut. In Gedanken war er schon ganz woanders. Selbst seine unerschütterliche Cousine würde außer sich sein, falls ihrem Mann etwas Ernstes zugestoßen war. Vielleicht würde er nun doch Dinah um Hilfe bitten müssen.

Anscheinend hatte Stacy seine Gedanken erraten. „Was ist, wenn Isobel sich jetzt nicht mehr um die Partys kümmern kann?“, erkundigte sie sich verzagt. Die Möglichkeit, sich selbst darum zu kümmern, schien ihr keine Sekunde lang in den Sinn zu kommen. „Ich hoffe bloß, dass du nicht Dinah fragen wirst.“ Sie warf ihm einen besorgten Blick zu. „Isobel macht mich nervös, aber Dinah behandelt mich wie eine geistig Minderbemittelte.“

„Warum sagst du ihr nicht einmal die Meinung?“, schlug Jake leicht gereizt vor. „Das würde euch beiden gut tun. Vielleicht gibt Dinah dann endlich Ruhe.“

Stacy sah ihn verblüfft an. „Sie ist doch mit dir befreundet!“, erklärte sie, als würde diese Tatsache Dinah unbegrenzte Macht verleihen. Seufzend strich sie sich den weichen Pony aus der Stirn. „Ich muss eine große Enttäuschung für dich sein, Jake. Mit Frauen wie Isobel und Dinah kann ich es einfach nicht aufnehmen.“

Das war nur zu wahr! Selbst heute noch brachte Stacy den Namen seiner Mutter nicht über die Lippen. Mehr als einmal hatte Jake beobachtet, wie sie heimlich Roxannes Porträt betrachtete, die ihre Rolle als Gutsherrin schon als junge Frau mit Bravour gemeistert hatte.

Plötzlich rollten ihr Tränen über die Wangen. Jake nahm es gelassen. Er wusste aus Erfahrung, dass seine Stiefmutter nah am Wasser gebaut hatte.

„Mach dir keine Sorgen, das bekommen wir schon hin“, versicherte er.

Stacy seufzte erleichtert auf. Dankbar blickte sie zu ihrem dynamischen Stiefsohn auf, den anscheinend nichts aus der Ruhe bringen konnte. Er ähnelte seiner Mutter sehr. Das dichte, gewellte Haar hatte die Farbe von dunklem Bernstein und war von goldblonden Strähnen durchzogen. Die ebenfalls bernsteinfarbenen Augen sprühten nur so vor Leben. Sein Gesichtsausdruck, der sinnliche Mund verrieten Vitalität und Leidenschaft. Er war groß, knapp über einsneunzig, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Durch die harte Arbeit im Freien war sein Körper perfekt durchtrainiert. Jake war eine atemberaubende Erscheinung, das männliche Gegenstück zu seiner strahlend schönen Mutter Roxanne. Ohne ihn, das wusste Stacy genau, hätte sie das Leben an Clive McCords Seite nie ertragen.

Malcolm musste operiert werden. Bei der Ultraschalluntersuchung hatte sich herausgestellt, dass seine Gallenblase entfernt werden musste. Unter diesen Umständen konnte Isobel ihren Mann auf keinen Fall allein lassen. Verantwortungsbewusst wie sie war, hinterließ sie Jake jedoch eine Nachricht, dass sie den idealen Ersatz gefunden habe. Eine großartige junge Frau, deren Eltern ein preisgekröntes italienisches Restaurant führten. Sie schreibe Artikel für das angesagte Gourmetmagazin „Cosima“ und sei darüber hinaus eine erstklassige Köchin. Isobel empfahl sie in wärmsten Tönen. Ihr Name sei Angelica De Campo und sie würde Jake noch am selben Abend anrufen. Wenn sie ihm am Telefon gefalle, könne er die Sache gleich perfekt machen. Schließlich sei keine Zeit mehr zu verlieren.

Jake erhielt die Nachricht, als er bei Sonnenuntergang nach Hause zurückkehrte, und atmete erleichtert auf. Isobel würde ihm niemals jemanden empfehlen, in den sie nicht ihr volles Vertrauen setzte.

Er saß in seinem Arbeitszimmer und blätterte in einem Wirtschaftsbericht, als Miss De Campo anrief.

„Mr. McCord?“

Ihre Stimme war unglaublich. Unwillkürlich ließ Jake sich ein Stück tiefer in seinen Ledersessel sinken, während er den Geschmack von Honig auf der Zunge zu spüren glaubte. „Miss De Campo. Schön, dass Sie anrufen!“ Verärgert bemerkte er den spöttischen Unterton in seiner Stimme. Manchmal klinge ich schon wie mein Vater, dachte er unbehaglich.

„Ich nehme an, Isobel hat Ihnen schon von mir erzählt?“, erkundigte sich Miss Goldkehlchen.

Die Wirkung, die ihre Stimme auf ihn hatte, war fantastisch! Unwillkürlich atmete Jake etwas schneller.

„Leider hat sie versäumt, mir ein Foto von Ihnen zu schicken. Aber ich bin sicher, dass Sie eine Augenweide sind.“ Diese Stimme und dazu ein gutes Aussehen. Was für eine Kombination! Außerdem wusste Miss De Campo, wie man ein großes Fest in den Griff bekam. Ein wahrer Glücksfall! Vielleicht hatte sie ja sogar große dunkle Augen und verführerische weibliche Rundungen? Plötzlich fiel Jake ein, dass sie ja auch eine erstklassige Köchin sein sollte. Am Ende war sie übergewichtig und reagierte empfindlich auf seine Bemerkung? Auf keinen Fall durfte er zu viel aus ihrer umwerfenden Stimme ableiten.

„Das können Sie selbst beurteilen, wenn Sie mich sehen“, erwiderte Miss De Campo lachend. „Das heißt, falls Sie mich akzeptieren, Mr. McCord. Vielleicht möchten Sie mir noch einige Fragen stellen?“

„Allerdings“, bestätigte er und verfiel sofort in den Tonfall des harten Geschäftsmannes. „Wenn ich Isobel richtig verstanden habe, haben Sie eine Veranstaltung dieser Größenordnung noch nie in Eigenregie durchgeführt?“

„Ja, das stimmt, aber darin sehe ich kein Problem.“ Sie klang selbstbewusst, ohne dabei unangenehm zu wirken. „Ich habe sehr viel Erfahrung damit, größere Gesellschaften zu bewirten. Vielleicht hat Isobel Ihnen erzählt, dass meine Eltern ein Vier-Sterne-Restaurant führen. Dadurch habe ich natürlich auch Zugang zu den besten Quellen. Außerdem habe ich viel in der Werbung gearbeitet. Zurzeit organisiere ich eine Vorweihnachtsparty für Billie Reynolds, den Börsenmakler. Vielleicht sagt der Name Ihnen etwas?“

„Ja, allerdings.“ Billie Reynolds fiel eindeutig unter die Kategorie Schürzenjäger. Die Liste seiner Exfrauen war endlos. „Und? Glauben Sie, Sie werden es schaffen?“

„Selbstverständlich!“, erklärte Miss De Campo im Brustton der Überzeugung. „Billie ist ein Perfektionist. Er hätte mich nicht engagiert, wenn er nicht sicher gewesen wäre.“

„Aha, dann sind Sie also brillant?“, erkundigte Jake sich ironisch. Dabei war er bereits sicher, dass sie es war.

„Ich arbeite hart“, erwiderte sie bescheiden. „Außerdem habe ich unglaublich viel von meinen Eltern gelernt und natürlich von Isobel. Sie ist eine enorm erfolgreiche Frau, und ich bewundere sie sehr.“

Jake lehrte sein Whiskyglas. „Ich muss sagen, dass mir allmählich ein großer Stein vom Herzen fällt“, gestand er.

„Soweit ich es verstanden habe, ist folgender Ablauf geplant: zuerst das Finalspiel um den Marsdon Polocup mit anschließendem Lunch und Nachmittagstee. Zum Abschluss ein Galaball am selben Abend. In der darauf folgenden Woche ein Barbecue für die Angestellten und deren Familien und am Samstag vor Weihnachten eine große Party für Verwandte und Freunde der Familie. Ist das soweit korrekt?“ Sie klang, als würde sie eine Checkliste abhaken. Offenbar hatte er es mit einer kompetenten Frau zu tun, die genau wusste, was sie tat. Das galt zwar auch für Dinah, doch die hatte keine Stimme wie Brandy mit Schlagsahne …

„Sie haben meinen Geburtstag vergessen“, fügte er hinzu, in der Hoffnung, Miss De Campo damit ein wenig aus dem Konzept zu bringen.

„Ach wirklich?“

Jake hörte an ihrer Stimme, dass sie lächelte.

„Nein, aber ich träume schon mein ganzes Leben davon, dass mal jemand eine Geburtstagsparty für mich gibt.“

Sie antwortete nicht sofort. „Das klingt ein bisschen traurig. Allerdings haben Sie ja noch viel Zeit.“

„Woher wollen Sie denn wissen, wie alt ich bin?“

„Isobel muss es erwähnt haben.“

„Dann wissen Sie wohl auch schon, dass ich noch Junggeselle bin?“ Jake konnte es nicht fassen. Er flirtete mit ihr. „Mein Geburtstag ist übrigens im August. Ich bin ein typischer Löwe.“

„Das ist wirklich interessant. Ich bin auch einer. Soll ich mir die Party vormerken?“

Jake schwang in seinem Drehsessel herum. „Ich würde sagen, Sie fangen erst mal mit den Weihnachtsveranstaltungen an. Was halten Sie davon? Ach, ehe ich es vergesse – was kosten Sie überhaupt, Miss De Campo?“

Als sie ihm die Summe nannte, musste er erst einmal schlucken.

„Ich gebe zu, dass ich teuer bin, aber dafür wird alles vom Feinsten sein“, versicherte sie. „Qualität hat nun mal ihren Preis, Mr. McCord.“

„Sicher“, stimmte er ihr trocken zu. „Sie werden einen Panzerwagen brauchen, um Ihr Honorar nach Hause zu schaffen.“

„Es genügt, wenn mich ein Bodyguard zu meinem Wagen begleitet. Was meinen Sie, wollen wir den ganzen Plan einmal zusammen durchgehen?“

Warum nicht? dachte Jake. Vielleicht würden sie bis August ja schon verheiratet sein. Wenn diese Frau schönes dunkles Haar hatte, würde er ihr auf der Stelle zu Füßen liegen.

Sie telefonierten noch etwa zehn Minuten miteinander und schlugen wieder einen sachlichen Tonfall an, als sie die Details besprachen. Jake stellte ihr noch viele Fragen, Miss De Campo gab ihm die richtigen Antworten.

Keine Frage – Isobel kannte ihre Leute. Miss Angelica De Campo war engagiert.

2. KAPITEL

Als Angelica eine Woche später auf dem kleinen Flughafen im Outback ankam, flimmerte die Luft vor Hitze. Beim Verlassen der Maschine schlug ihr eine Welle heißer Luft entgegen, als hätte plötzlich jemand die Tür eines Backofens geöffnet. Im ersten Moment verschlug es ihr den Atem, doch dann beschloss sie, es einfach hinzunehmen. Hoch erhobenen Hauptes und ohne sich um die bewundernden Blicke zu kümmern, die ihr folgten, schritt sie zielstrebig auf den kleinen Terminal zu. Als eine der Ersten betrat sie den kühlen Raum und strich sich erleichtert das dunkle Haar aus der schweißbedeckten Stirn.

Isobel hatte sie wegen der Hitze schon vorgewarnt, aber erst jetzt war Angelica klar, was sie damit gemeint hatte. Doch das konnte ihre Begeisterung für das vor ihr liegende Projekt nicht mindern.

Dieser Auftrag könnte durchaus ein Sprungbrett für ihre Karriere bedeuten. Die Größenordnung der geplanten Festlichkeiten verschaffte ihr endlich die Möglichkeit, zu zeigen, was sie konnte. Abgesehen davon war sie ziemlich gespannt darauf, Isobels Cousin Jake kennenzulernen. Am Telefon hatte er geradezu beunruhigend sexy geklungen. Offenbar war er ganz anders als sein verstorbener Vater, der laut Isobel ein Tyrann gewesen war. Jake McCord hatte zwar ausgesprochen dynamisch, aber zugleich auch lässig auf sie gewirkt. Außerdem war es wirklich aufmerksam von ihm, extra hierher zu fliegen, um sie abzuholen. Sie hatte ihm angeboten, eine Chartermaschine zu nehmen, doch davon hatte er nichts wissen wollen. Sie mochte Menschen, die anderen gern einen Gefallen taten.

Im Waschraum machte sie sich ein wenig frisch und schlang ihr dichtes Haar im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammen. Da ihr Haar seit jeher ein Eigenleben führte, rechnete sie nicht damit, dass er lange halten würde. Für die Reise hatte sie sich schlicht und bequem angezogen. Ein weißes Top und ihren geliebten Jeansminirock, der ihre endlos langen Beine zur Geltung brachte.

Mit der Zeit hatte Angelica gelernt, sich in ihrem Körper wohlzufühlen, auch wenn sie mit hohen Absätzen über einsachtzig maß – und sie war nicht der Typ für Jesuslatschen. Zum Glück war ihre Mutter auch groß und hatte ihr frühzeitig beigebracht, sich gerade zu halten, auch wenn die meisten Jungen zu ihr aufschauen mussten. Dennoch hatte sie immer eine Schar von Verehrern gehabt. Wie hatte man sie neulich in einer Klatschkolumne genannt? Die atemberaubend ausgestattete Angelica De Campo. Sie wog zwar kein Gramm zu viel, aber sie besaß große, volle Brüste, die sie vom italienischen Zweig ihrer Familie geerbt hatte.

Seit sie ein junges Mädchen gewesen war, betrachteten die Männer sie als Herausforderung. Einer von ihnen war ihr besonders lebhaft in Erinnerung geblieben. Ein einflussreicher Banker, der sehr hartnäckig gewesen war. Bei der Erinnerung an diese hässliche Episode verspürte sie noch immer einen unangenehmen Geschmack im Mund.

Noch immer dachte sie von Zeit zu Zeit an den Mann, der sie mitten in einem heftigen Clinch mit dem Banker überrascht hatte. Seltsamerweise hätte sie ihn gern wieder gesehen und über den wahren Sachverhalt aufgeklärt. Doch nach diesem Vorfall, der schon einige Jahre zurücklag, war sie ihm nie wieder begegnet.

Seitdem war sie Männern gegenüber sehr vorsichtig geworden. Sie war in einer ganz normalen, wohlanständigen Familie aufgewachsen und hatte es satt, immer wieder als Freiwild betrachtet zu werden, nur weil ihr Körper die entsprechenden Kurven aufwies.

Jake sah sie, noch bevor sie ihn entdeckte. Sie blickte aus dem Fenster und beobachtete ein kleines Flugzeug bei der Landung. Er wusste sofort, dass sie es war. Trotz ihres schlichten Outfits war nicht zu übersehen, dass sie viel Stil besaß. Sie war unglaublich sexy, aber auf eine natürliche Art, die nichts Provozierendes an sich hatte. Ihr tiefbraunes, rötlich schimmerndes Haar war lang und lockig. Er stellte fest, dass sie auffallend groß war, aber das störte ihn nicht. Ganz im Gegenteil. Endlich einmal eine Frau, der er Auge in Auge begegnen konnte.

„Miss De Campo?“

Angelica wirbelte herum, und … ihr strahlendes Lächeln verschwand.

Sie blickten einander wie hypnotisiert an.

Die Party!

Eines dieser entsetzlich beschämenden Ereignisse, die einen bis in alle Ewigkeit zu verfolgen schienen.

Autor

Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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