Auf der Jacht des italienischen Millionärs

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Welch ein Schock für Gemma! Beim Pokern verspielt ihr Bruder das gesamte Familienerbe an den arroganten Stefano Marinetti. Um es zurückzugewinnen, schlägt ihr der mächtige Reeder Unerhörtes vor: An Bord seiner weißen Jacht soll sie für einen Monat seine sinnliche Geliebte werden!


  • Erscheinungstag 06.08.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519885
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit klopfendem Herzen durchschritt Gemma Cardone die Empfangshalle der Marinetti Schiffswerft. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Von der nahe gelegenen Kirche klangen die Glockenschläge hinauf und hallten in der Stille des frühen Morgens nach. Sechs Uhr.

Eigentlich genoss sie jeden Tag ihren Weg durch die Altstadt von Viareggio. Geboren und aufgewachsen war sie in Manarolo, einem der fünf Dörfer der Cinque Terre, deren Häuser wie leuchtend bunte Perlen auf einer Schnur in den Felsen zu hängen schienen. Manchmal hatte sie Heimweh nach den kleinen, friedlichen Dörfern, die von der modernen Zeit unberührt schienen.

Viareggio war genau das Gegenteil. Obwohl es ganz in der Nähe der Cinque Terre lag, schien es mit seinen fröhlichen, lauten Festen, den Touristenströmen, dem quirligen Hafen und den Industriebetrieben Welten entfernt von den kleinen, stillen Orten ihrer Kindheit. Sie liebte dieses lebhafte Städtchen, das niemals zur Ruhe kam, und genoss ihre Arbeit.

Heute allerdings war alles anders.

Vor einer Woche war die Frau des Werftbesitzers bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Er selbst, Cesare Marinetti, lag seither mit einem Herzinfarkt auf der Intensivstation. Das Unternehmen war seit dem Unglück geschlossen, und die Mitarbeiter sorgten sich um ihre Arbeitsplätze. Niemand wusste, wann Cesare wieder einsatzfähig sein würde. Wer sollte den Betrieb bis dahin führen?

Die Antwort auf diese entscheidende Frage hatte Gemma heute bei Tagesanbruch erreicht.

„Ich will nicht lange um den heißen Brei reden“, hatte Cesare am Telefon gesagt. Das Sprechen strengte ihn an, seine Stimme war atemlos und schmerzverzerrt. „Die Ärzte sagen, ich muss eine Bypass-Operation machen lassen.“ Er seufzte kurz, ehe er fortfuhr. „Die Werft kann nicht länger geschlossen bleiben, aber ich werde sicherlich in den nächsten Wochen noch ausfallen.“

„Selbstverständlich“, pflichtete Gemma ihm bei und empfand Mitleid mit ihrem Chef, der nicht nur gerade seine Frau verloren hatte, sondern auch selbst mit dem Tod kämpfte. „Wen werden Sie als Ihren Vertreter einsetzen?“

Sie hörte ihn leise fluchen. „Mein Sohn wird die Firmengeschäfte übernehmen.“

Nein! Cesare hatte tatsächlich seinen Sohn zurückgeholt, der seiner Familie vor fünf Jahren den Rücken gekehrt hatte?

„Gemma, Sie müssen alle Papiere, die Sie und meine Tochter betreffen, in Sicherheit bringen. Nehmen Sie die Akten mit nach Hause und verstecken Sie sie dort. Die Wahrheit darf nicht ans Licht kommen – nicht zu diesem Zeitpunkt und ganz besonders nicht vor Stefano.“

Natürlich hatte Cesare recht. Wenn sein Geheimnis öffentlich wurde, gab es einen Skandal.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigte sie ihn. „Ich regle alles.“

Grazie! Seien Sie vorsichtig im Umgang mit Stefano. Und wenn Sie nach Mailand fahren, passen Sie auf, dass er es nicht mitbekommt.“

Immer und immer wieder hallte diese Warnung in ihrem Kopf nach. Welche Überraschungen standen ihr an diesem Tag noch bevor?

Sie wollte gar nicht daran denken. Zielstrebig schritt sie die breite, geschwungene Treppe des Firmensitzes empor und steuerte die Chefetage an. Die hohen Absätze ihrer Sandaletten klackten geräuschvoll auf dem glänzenden Parkettboden und hallten in dem leeren, stillen Gebäude wider.

Sie konnte Cesare jetzt nicht im Stich lassen. Nicht nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten.

Gerade als sie das Ende des Ganges erreicht hatte, hörte sie, wie irgendwo eine Tür ins Schloss fiel. Erschrocken schwang sie herum, rührte sich nicht und horchte in die Stille. Sie versuchte, die Panik niederzukämpfen, die von ihr Besitz ergriff. Wer außer ihr war im Haus?

Niemand von den Angestellten kam vor sieben Uhr. Jedenfalls niemand, der gute Absichten hatte.

Vermutlich war es nur der Wachmann, der seine Runden drehte. Ja, so musste es sein.

Dennoch hastete Gemma nervös die letzten Meter bis zu ihrem Büro, ging hinein und atmete tief durch. Wenn jemand sie erwischte, hatte sie verloren. Sie war eine schlechte Lügnerin und hatte eigentlich keinerlei Grund, um diese Uhrzeit hier zu sein.

Eilig durchquerte sie ihr kleines, helles Zimmer und öffnete die schwere Tür zu Cesares Büro. Mit zitternden Fingern tastete sie nach dem Lichtschalter. Als die Deckenlampe den großen, mit dunklem Holz vertäfelten Raum erhellte, ging ihr Blick unwillkürlich zu einem Bild an der gegenüberliegenden Wand, hinter dem sich der Safe verbarg.

Obwohl es noch kühl war, standen ihr Schweißperlen auf der Stirn, und ihre Handflächen waren feucht. Die Luft schien aufgeladen von der Anspannung, die sie umfing. Es war, als braute sich ein Unwetter zusammen. Draußen oder hier in der Firma? dachte sie voller Ironie.

Gemma ahnte, dass Cesares Sohn Unruhe in das Unternehmen bringen würde.

Nach allem, was sie über ihn gehört hatte, war Stefano Marinetti ein skrupelloser Geschäftsmann und ein Schürzenjäger. Und seit sie ihn auf der Beerdigung seiner Mutter gesehen hatte, glaubte sie die Gerüchte ohne Zweifel.

Zugegeben, er wurde wegen seiner klugen Entscheidungen und seines Talents, millionenschwere Gewinne zu erzielen, in der Geschäftswelt geschätzt. Doch gleichzeitig eilte ihm der Ruf eines internationalen Playboys voraus.

Mit schmalen Lippen dachte sie an die letzte Schlagzeile, die durch die Medien gegangen war: Mit dem Verkauf von Luxusjachten verdiente Stefano ein Vermögen, seine Firma war weltweit eine der erfolgreichsten in dieser Branche. Währenddessen hatte sein Vater monatelang kaum die Gehälter seiner Angestellten bezahlen können.

Cesares Konkurrenten munkelten schon seit Langem, dass die Marinetti Werft kurz vor dem Bankrott stehe. Gemma kannte die Wahrheit und wusste, warum das Unternehmen plötzlich in solchen Schwierigkeiten steckte.

Mit klopfendem Herzen zwang sie sich zur Konzentration. Langsam drehte sie den Zahlencode des Tresors. Nur das Ticken der antiken Wanduhr unterbrach das leise, metallische Klicken der Wählscheibe.

Plötzlich hörte sie die Eingangstür ins Schloss fallen, und eine männliche Stimme rief „Ciao“ durch das Treppenhaus. Ihr Herz schien stehen zu bleiben.

Schnell durchsuchte sie die Unterlagen im Safe und nahm die Akten heraus, die sie brauchte. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis jemand hereinkam.

In diesem Moment hörte sie Schritte an der Tür und zwei Männer, die sich schnell und temperamentvoll unterhielten. Ins Gespräch vertieft, blieben sie anscheinend vor der Tür stehen.

Beherzt nutzte Gemma den geschenkten Augenblick, um auch die Fotos an sich zu nehmen, die zwischen den Ordnern lagen.

Sie stopfte alles in ihre Handtasche, schloss leise den Safe, hängte das Bild wieder davor und schlüpfte durch die Verbindungstür aus Cesares Büro in ihr eigenes.

Ihr Herz raste, während sie sich in ihrem Bürostuhl niederließ und die Tasche unter dem Schreibtisch verstaute. Geschafft! Jetzt musste sie nur noch möglichst beschäftigt und wichtig erscheinen.

Sie hatte gerade einen dicken Ordner auf ihrem Schreibtisch platziert und sich scheinbar darin vertieft, als die Tür aufging und jemand hereinkam. Stefano Marinetti war groß und muskulös, sein perfekt geschnittener Anzug betonte seine breiten Schultern. Er bedachte sie mit einem kurzen, kühlen Blick, und Gemma überlegte, dass sein Gesichtsausdruck ebenso gefühllos wirkte wie auf der Beerdigung seiner Mutter.

Die Ähnlichkeit mit seinem Vater war verblüffend, doch seine Bewegungen hatten eine fast raubkatzengleiche Anmut, die Cesare fehlte. Sein volles, dunkelbraunes Haar war leicht gewellt, seine Lippen waren gerade so sehr geschwungen, dass sie männlich und gleichzeitig sinnlich aussahen.

Mit einem kritischen Blick aus seinen moccafarbenen Augen schien er jeden Zentimeter ihres Körpers zu erfassen. Gemma spürte, wie sie errötete, und war froh zu sitzen, denn ansonsten hätten ihre Knie nachgegeben. Er schien sie nicht nur mit seinen Blicken auszuziehen, sondern traf sie bis unter die Haut und entfachte ein seltsames Gefühl in ihr. War es Lust? Sie wollte nicht darüber nachdenken.

Tief durchatmend zwang sie sich, seinem Blick auszuweichen. Ein Fehler, wie sie sofort bemerkte, denn der herbe, würzige Duft seines Aftershaves steigerte ihr Begehren noch.

Diese fast greifbare erotische Ausstrahlung stieß sie ab, und gleichzeitig wurde sie magisch davon angezogen. Es war verrückt. Erniedrigend. Unvergleichlich.

Solange Cesare krank war, musste sie für ihn arbeiten. Romantische Gefühle konnte sie sich dabei nicht leisten, rief sie sich zur Vernunft. Und wusste gleichzeitig, dass sie nichts dagegen würde tun können.

Gemma dachte daran, was sie Cesare am Krankenbett versprochen hatte, sammelte all ihre Kraft und hielt Stefanos Blick dieses Mal stand.

Der Raum wurde von seiner Gegenwart vollkommen erfüllt. Die Hochglanzmagazine hatten recht: Er sah aus wie ein junger römischer Gott. Grüblerisch. Ernsthaft. Sexy.

Doch es war nicht sein attraktives Äußeres allein, das ihn so unwiderstehlich machte. Erst die Verbindung mit seiner sinnlichen Ausstrahlung erzielte diese unvergleichliche Wirkung, die er zweifellos auf jede Frau hatte. Und er war sich dessen durchaus bewusst und nutzte es zu seinem Vorteil – so wie jetzt, während er vor Gemma stand und sie vollkommen aus der Fassung brachte.

Stefano war der Feind. Er konnte es schaffen, Cesare und die gesamte Firma zu vernichten – das durfte sie niemals vergessen.

Sie zwang sich zu einem herzlichen Lächeln und bemühte sich um eine feste Stimme. „Buongiorno, Signor Marinetti. Es tut mir leid, dass wir uns unter solch unglücklichen Umständen kennenlernen. Mein aufrichtiges Beileid zum Tod Ihrer Mutter.“

Mit einem kurzen Nicken nahm er ihre Höflichkeit zur Kenntnis und ließ dann den Blick durch ihr Büro schweifen. „Wo ist Donna?“

„Sie ist schon seit fast einem Jahr nicht mehr hier.“

„Interessant.“ Wieder musterte er sie von Kopf bis Fuß, was sie erneut erröten ließ und ihr das Gefühl gab, verletzlich und unvollkommen zu sein. Es war ihr bewusst, dass sie keineswegs der Typ Frau war, den ein arroganter Playboy wie Stefano attraktiv fand. „Und wer sind Sie?“

„Gemma Cardone.“

Fragend zog er eine seiner dunklen, fein gezeichneten Augenbrauen empor. Wortlos gab er den Befehl, ihre Rolle im Unternehmen darzulegen.

Es gelang ihr, weiterhin zu lächeln. Sie zählte bis zwanzig, ehe sie ruhig erklärte: „Ich bin jetzt die persönliche Assistentin Ihres Vaters.“

Seine Miene blieb regungslos, doch er straffte kaum merklich die Schultern. „Ist es üblich, dass Sie so früh schon hier sind?“

„Nein“, antwortete sie ehrlich, denn sie wagte nicht zu lügen. Vermutlich hatte er ein gutes Gespür für Zwischentöne, befürchtete sie.

Noch immer wirkte er äußerlich kühl, doch in seinem Inneren schien es zu brodeln. Wie ein Vulkan, dachte Gemma, der kurz vor dem Ausbruch stand.

Niemals zuvor war sie von einem Mann so hingerissen gewesen wie von ihm. Welch ein unglaublicher Glücksfall! dachte sie – doch sie erlaubte sich diesen Gedanken nur für einen kurzen Moment. Dann rief sie sich zur Ordnung. Stefano Marinetti war keineswegs ein Glücksfall, sondern ein gefährlicher Eindringling.

Mit äußerster Kraftanstrengung gelang es ihr, das freundliche Lächeln beizubehalten. „Ich bin heute früher gekommen, weil es viel Arbeit gibt. Allein die Kondolenzbriefe, die zu beantworten sind, und die Anfragen zum Gesundheitszustand Ihres Vaters“, erklärte sie.

Wieder reagierte er nur mit einem kurzen Nicken. „Gut, dass Sie das übernehmen.“

„Ihr Vater hat mich darum gebeten.“

„Cesare hat Sie angerufen?“, fragte er mit einer Stimme, als sprächen sie über das Wetter. Dennoch hörte sie das Erstaunen heraus.

„Heute Nacht“, gab sie zu.

„Hat mein Vater Ihnen aufgetragen, ihn täglich zu informieren?“, wollte er wissen, und dieses Mal war der eisige Ton in seiner Stimme unüberhörbar.

„Nein“, erwiderte sie und fügte mutig hinzu: „Sollte ich das Ihrer Meinung nach tun?“

Der Hauch eines Lächelns umspielte seine Lippen, mit denen er zweifellos schon viele Frauen geküsst und verwöhnt hatte. „Nennt mein Vater Sie Gemma oder Miss Cardone?“

„Ihr Vater pflegt einen weniger förmlichen Umgangston.“ Wenn er den Kontakt zu seinen Eltern nicht abgebrochen hätte, wüsste er das, dachte Gemma insgeheim.

Das Lächeln wich wieder der unberührbaren, steinernen Fassade. Anscheinend gefiel ihm der Gedanke nicht, dass sein Vater und seine Assistentin sich mit Vornamen ansprachen. Egal, dachte Gemma trotzig. Schließlich war sie nicht hier, um Stefano zu gefallen, sondern um seinen Vater zu unterstützen.

Was wusste Stefano von den finanziellen Schwierigkeiten, in denen die Marinetti Werft steckte? Zweifellos waren auch ihm die Gerüchte zu Ohren gekommen, und er hätte gut daran getan, sofort Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen. Es hätte selbstverständlich für ihn sein müssen, Cesare seine Hilfe anzubieten – besonders angesichts der Millionen, die seine eigenen Geschäfte einbrachten.

Aber nein, er war erst jetzt wieder aufgetaucht, nachdem er von der Krankheit seines Vaters erfahren hatte.

Für Cesare freute sie sich, dass sein Sohn ihn wenigstens in dieser schweren Zeit nicht allein ließ. Doch sie ahnte, dass ihr selbst eine harte Zeit bevorstand. Hoffentlich würde es ihr gelingen, ihr Temperament im Zaum zu halten. Und hoffentlich würde dieser eingebildete Playboy sie nicht mit seinem Charme einwickeln. Das durfte nicht geschehen.

„Also gut, Gemma“, sagte er, und in der Art, wie er ihren Namen betonte, schwang ein verführerischer Unterton mit, der ihr erneut die Röte ins Gesicht trieb. „In diesem Punkt sind mein Vater und ich einer Meinung. Wir werden den freundschaftlichen Umgangston beibehalten. Informieren Sie bitte alle Abteilungsleiter, dass ich sie für eine erste Besprechung um zwei Uhr in meinem Büro erwarte.“

Ohne ein weiteres Wort verschwand Stefano im Büro seines Vaters und schloss so nachdrücklich die Tür, dass unmissverständlich klar wurde: Er wollte nicht gestört werden. Wunderbar! dachte Gemma wütend. In diesem Wunsch waren sie sich einig.

Tatsächlich hatte sie noch keinen Augenblick Zeit gehabt, sich zu sammeln, seit sie fast von Stefano dabei ertappt worden war, dass sie die Dokumente aus dem Safe genommen hatte.

Aufatmend lehnte sie sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und genoss den Augenblick der Ruhe. Doch sie ahnte, dass es nur die Ruhe vor dem Sturm war.

Zugegeben, Stefano war attraktiv und unglaublich männlich. Aber er war ebenso unerträglich arrogant. Und er würde vermutlich für längere Zeit ihr Chef sein. Sein Vater misstraute ihm so sehr, dass er sie, seine Sekretärin, gebeten hatte, geheime Firmenunterlagen vor ihm in Sicherheit zu bringen. Das durfte sie in der Zusammenarbeit mit Stefano niemals vergessen.

Oh Cesare! Sie hätte alles für ihn getan.

Es hatte sie kurzzeitig aus der Bahn geworfen, dass Stefano eine solch starke Wirkung auf sie hatte. Doch das nächste Mal, wenn sie ihm gegenübertrat, würde sie gegen seinen Charme gewappnet sein.

Scusi, Gemma“, hörte sie ihn in diesem Moment sagen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so bald wieder aus seinem Büro kommen würde. „Haben Sie einen Moment Zeit?“

Er sprach ihren Namen aus wie eine Liebkosung. Allein beim Klang seiner Stimme erzitterte sie und spürte, wie ein Prickeln ihre Haut überzog. Mit ihrem guten Vorsatz, sich nicht von ihm einwickeln zu lassen, war es anscheinend nicht weit her.

Betont lässig erkundigte sie sich: „Was kann ich für Sie tun?“

Ein kaum sichtbares Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Könnten Sie mir einen Kaffee kochen?“ Er sah sie an, und sie erkannte das Begehren in seinem Blick.

„Natürlich, gern.“ Während sie aufstand, zog sie ihren Rock glatt.

Ihr war klar, dass er jede ihrer Bewegungen beobachtete. Entsetzt spürte sie, dass sie errötete. Wie schaffte er es nur, sie so sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen? Er tat es mit voller Absicht, da war sie sicher.

„Wie nehmen Sie Ihren Kaffee?“, erkundigte sie sich.

„Ristretto.“

Es überraschte sie nicht, dass er ihn stark und schwarz bevorzugte. Doch dass er jede ihrer Handbewegungen aufmerksam verfolgte, während sie den Kaffeeautomaten bediente, irritierte sie.

„Wünschen Sie noch etwas?“, erkundigte sie sich, bemüht um einen lässigen Tonfall, als sie ihm kurz darauf den Kaffee an seinen Schreibtisch brachte. Niemals würde sie ihn spüren lassen, dass er sie verunsicherte.

„Im Moment nicht“, erwiderte er, doch der lustvolle Ausdruck seiner Augen strafte seine Worte Lügen.

Kerzengerade und mit hoch erhobenem Kopf verließ sie sein Büro und atmete auf. Keinen Augenblick länger hätte sie seine erregende Nähe ertragen. Sie ließ sich in ihren Schreibtischstuhl sinken und griff zum Telefon, um die Abteilungsleiter über die anstehende Konferenz zu informieren. Alle, mit denen sie sprach, waren erschüttert über Cesares Gesundheitszustand und fragten besorgt, wie es mit der Firma weitergehen würde, wenn er sich nicht wieder erholte.

Bei dieser Frage wurde ihr Herz schwer. Vor Kurzem hatte sie ihren Vater bei einem Bootsunfall verloren. Und sie mochte nicht daran denken, dass nun auch Cesare sterben könnte.

Erst vor einigen Monaten hatte Cesare ihr anvertraut, dass er und sein Sohn seit Jahren kaum mehr ein Wort miteinander gewechselt hatten. Dabei musste er nicht erwähnen, wie weh ihm diese Entfremdung tat. Gemma kannte ihn gut genug, um es zu ahnen.

Er liebte seinen jüngsten Sohn. Doch immer wieder waren Stefano und er aneinandergeraten, weil Cesare und sein ältester Sohn Davide andere Vorstellungen von der Unternehmensführung hatten als Stefano. Deshalb hatte er die Marinetti Werft verlassen, sich selbstständig gemacht und den Kontakt zu seiner Familie vollständig abgebrochen.

Seltsam, dass er jetzt zurückgekehrt ist, dachte Gemma. Hoffentlich nutzte er Cesares Krankheit nicht aus, um hier alles zu verändern.

Ihre Gegensprechanlage summte, und sofort war ihre Gelassenheit, um die sie sich so sehr bemüht hatte, wieder zum Teufel.

Mit klopfendem Herzen drückte sie auf den Knopf und meldete sich. „Sì, signor?“

„Stefano“, berichtigte er sie mit einer seidenweichen Stimme, die all ihre Nerven in Schwingungen versetzte. „Ich brauche Ihre Hilfe.“

„Ich komme sofort.“

Sie stand auf und strich unwillkürlich den Rock glatt, der schon wieder hochgerutscht war, griff nach Stift und Notizblock und begab sich in die Höhle des Löwen. Ihr stockte der Atem, als ihr Blick auf diesen unwiderstehlich gut aussehenden Mann hinter Cesares Schreibtisch fiel. Er hatte sein Jackett ausgezogen und achtlos auf das schwarze Ledersofa geworfen, als habe er sich in dem Büro bereits häuslich eingerichtet. Die Ärmel seines weißen Hemdes waren aufgekrempelt, die edlen Manschettenknöpfe lagen auf dem Schreibtisch. Das Sonnenlicht brachte die kleinen Diamanten darin zum Glitzern. Selbst in dieser kühlen Arbeitsatmosphäre wirkte er weniger wie ein Chef, sondern eher wie ein Playboy.

Stefano hatte die Seidenkrawatte gelockert und den obersten Hemdknopf geöffnet, sodass Gemma den Ansatz seines gebräunten Oberkörpers sehen konnte. An seinem Handgelenk blitzte eine Gucci-Uhr.

Alles an ihm versprühte Reichtum und Luxus. Er führte das Leben eines verschwenderischen Millionärs, während Cesare kaum seine Firma halten konnte, dachte Gemma verärgert.

Bis vor einigen Monaten hatte sich die Werft mit dem Bau von Fischerbooten und kleinen Fähren einigermaßen über Wasser halten können. Doch mittlerweile verdichteten sich die Gerüchte, dass die Firma kurz vor dem Bankrott stehe. Und Gemma wusste, dass es stimmte.

Die Aufträge waren ausgeblieben, Cesare hatte sein Privatvermögen eingesetzt, um die Werft zu halten. Doch es war nicht mehr aufwärtsgegangen, und er hatte das Geld verloren.

Erst in der vergangenen Woche hatte er zugegeben, Firmenbeteiligungen an seinen Konkurrenten Canto Di Mare verkauft zu haben, um überhaupt die Gehälter zahlen zu können. Kein Wunder, dass ihn diese Sorgen krank gemacht hatten!

Wortlos glitt Gemma in den Stuhl vor dem breiten Schreibtisch und zückte ihren Block, um Stefanos Anordnungen entgegenzunehmen. Sie würde die Tage zählen, bis Cesare endlich wieder hier säße.

„Ich werde meine Zeit zwischen Marinetti und meiner eigenen Firma aufteilen müssen“, begann Stefano, während er sich in seinem ledernen Chefsessel zurücklehnte.

Sehr gut! Er würde also nicht jeden Tag hier sein. Anscheinend langweilte ihn die Arbeit bereits jetzt.

Die Marinetti Werft war ein altes Familienunternehmen, die Angestellten oft schon seit Jahrzehnten dabei, viele in der zweiten oder dritten Generation. Hier arbeitete man gewissenhaft und traditionell und war stolz darauf, zu Marinetti zu gehören. Doch was wusste Stefano schon davon? Ihn interessierte nur das große Geld.

„Meine eigene Assistentin ist zurzeit im Urlaub“, fuhr Stefano fort. „Deshalb möchte ich, dass Sie mich an beiden Arbeitsplätzen entlasten.“

Machte er Scherze? Es war nicht ihre Aufgabe, ihm ständig zur Verfügung zu stehen. Außerdem wurde sie hier mehr denn je gebraucht. Und sie musste Cesare in Mailand vertreten.

„Das ist unmöglich“, entgegnete sie kühl. „Mein Platz ist hier.“

2. KAPITEL

Noch ehe sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie den Löwen in seiner Höhle gereizt hatte. Stefano lächelte grimmig.

„Sie werden genau dort arbeiten, wo ich es möchte“, stellte er unmissverständlich klar. „In der nächsten Zeit bin ich Ihr Chef. Und“, fuhr er fort und schüttelte missbilligend den Kopf, als sie etwas entgegnen wollte, „um das gleich klarzustellen: Mein Vater braucht absolute Ruhe, sowohl vor der Operation als auch danach. Belasten Sie ihn also nicht mit Personalproblemen.“

Gemma schien es, als gefriere ihr Blut in den Adern. Er befahl ihr, sich von Cesare fernzuhalten. Sein Sohn wollte ihn vollkommen abschirmen. Vermutlich war es schon ein Wunder gewesen, dass Cesare überhaupt hatte Kontakt zu ihr aufnehmen können.

Zum Glück hatte sie wenigstens die wichtigen Akten noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht.

„Wollen Sie mir verbieten, Ihren Vater zu besuchen?“, fragte sie mutig und dachte sorgenvoll an das kleine Mädchen, das in Mailand auf Cesare wartete.

Sie durften das Kind jetzt nicht im Stich lassen. Wenn Cesare sich in der nächsten Zeit nicht selbst um es kümmern konnte, musste Gemma es übernehmen. Doch dafür musste sie Stefano abschütteln. Und das war schwierig, wenn er sie tatsächlich als seine persönliche Assistentin betrachtete.

„Natürlich dürfen Sie meinen Vater besuchen.“ Nachdenklich strich er mit dem Daumen über sein Kinn, ehe er einschränkte: „Nach der Operation.“

Autor

Janette Kenny
Solange Janette sich erinnern kann, prägten fiktive Geschichten und Charaktere ihre Welt. Die Liebe zur Literatur entdeckte sie bereits als kleines Mädchen, da ihre Eltern ihr rund um die Uhr vorlasen. Ermutigt durch ihre Mutter, begann Janette schon früh zu schreiben. Anfänglich begnügte sie sich damit, ihren Lieblingssendungen neue, nach...
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