Baccara Collection Band 407

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Rachel Bailey
Ein Texaner zum Verlieben

Eine Ehe auf Zeit! Dieses Angebot macht Millionär Nick Tate der zauberhaften Harper, denn ihre leidenschaftliche Liebesnacht ist nicht ohne Folgen geblieben. Auf Dauer binden will er sich nicht. Doch kann er Harpers verführerischer Anziehungskraft wirklich widerstehen?

Harmony Evans
Deine Küsse schmecken wie Champagner

Gegenüber von Jasmines Lokal soll ein neues Restaurant eröffnen. Das könnte das Aus für ihren Familienbetrieb bedeuten. Als hätte sie nicht schon genug Sorgen! Wie gut, dass der charmante Micah Langston sie auf andere Gedanken bringt. Doch er scheint etwas vor ihr zu verbergen …

Nicki Night
Nimm mich - für immer!

Er will diese Frau! Das weiß IT-Unternehmer Sterling Bishop sofort, als er Jewel auf einem Klassentreffen wiedersieht. Doch sie lässt ihn zappeln, auch wenn da dieses unwiderstehliche Prickeln zwischen ihnen ist. Wie kann er Jewel von seinen Qualitäten überzeugen?


  • Erscheinungstag 18.06.2019
  • Bandnummer 407
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725631
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rachel Bailey, Harmony Evans, Nicki Night

BACCARA COLLECTION BAND 407

RACHEL BAILEY

Ein Texaner zum Verlieben

Harpers leidenschaftliche Liebesnacht mit dem schwerreichen Unternehmer Nick Tate ist nicht ohne Folgen geblieben. Eine Ehe auf Zeit scheint die vernünftigste Lösung zu sein. Schließlich kennen sie und Nick sich kaum. Wäre da nur nicht dieses Kribbeln, das Harper spürt, wenn sie in seiner Nähe ist! Ist sie Nicks Charme gewachsen?

HARMONY EVANS

Deine Küsse schmecken wie Champagner

Dieser wiegende Gang! Dieser aufregende Körper! Starkoch Micah Langston kann sich kaum vom Anblick der temperamentvollen Jasmine losreißen, als er in ihrem Lokal eine Pause einlegt. Er will ihr unbedingt näherkommen. Allerdings darf Jasmine unter keinen Umständen von seinen geschäftlichen Plänen erfahren. Schließlich könnte er ihre Existenz ruinieren!

NICKI NIGHT

Nimm mich – für immer!

Warum fühlt Jewel sich so unwiderstehlich zu Sterling Bishop hingezogen? Schließlich entspricht er überhaupt nicht ihrer Idealvorstellung von einem Mann! Liegt es an seiner sexy Ausstrahlung? Oder an seinen braunen Augen, die Jewels Blick magisch anziehen? Doch sie ist entschlossen, ihren Grundsät-zen auf keinen Fall untreu zu werden …

1. KAPITEL

Auf dem Display erschien der Name seines Zwillingsbruders. Das war zurzeit so ungefähr die einzige Nummer, die Nick Tate nicht gleich zur Voicemail durchgehen ließ.

Er kam gar nicht dazu, sich zu melden, als Malcolm ihn schon anbrüllte: „Verdammt noch mal, Nick! Du hast mit unserer Anwältin geschlafen, oder?“

Nick stockte beinahe das Blut in den Adern. Es gab nur eine Frau, mit der er geschlafen hatte, seit er von seinem letzten Einsatz zurück war, und sie hatten sich vorher nicht lange mit ihren Lebensgeschichten aufgehalten. Sie waren nicht einmal dazu gekommen, die Namen auszutauschen. Jetzt sah es ganz so aus, als wäre das ein Fehler gewesen.

„Sie ist unsere Anwältin?“, fragte er vorsichtig. Vielleicht hatte er sich ja verhört.

„Harper Lake ist seit gut zwei Jahren die Firmenanwältin von Tate Armor.“

Nick verzog das Gesicht. Das war das Problem damit, dass er nur der stille Teilhaber in ihrem Unternehmen war – er verpasste die Details. Und es sah ganz so aus, als handelte es sich bei dieser Anwältin um ein faszinierendes Detail. Es war drei Monate her, seit sie zusammen gewesen waren, und Nick dachte immer noch an sie, hatte aber keine Möglichkeit gehabt, sie ausfindig zu machen. Bis jetzt.

„Du hast ihr offensichtlich nicht gesagt, wer du bist“, fuhr Malcolm fort. „Sie glaubt, sie hätte mit mir geschlafen.“

Nick fluchte stumm. Nur die wenigsten Menschen konnten sie beide auseinanderhalten, und wenn dann noch eine Maskierung dazukam – es war ein Maskenball gewesen – und er als Malcolm erschien, dann war es nahezu unmöglich. Seit ihren Kindertagen hatten sie sich nicht mehr füreinander ausgegeben. Aber als Nick hörte, dass ein unzufriedener Kunde seinen Zwillingsbruder bedrohte, und davon auszugehen war, dass er ihn auf dem Ball bedrängen würde, hatte Nick nicht gezögert, für Malcolm einzuspringen, um das Problem aus der Welt zu räumen.

Die Geschichte ging nun schon seit ein paar Wochen so, und genug war genug. Nick taugte vielleicht nicht mehr zu vielem, aber das war ein Problem, mit dem er fertig werden konnte. Auch wenn es bedeutete, dass er seine selbst gewählte Einsiedelei verlassen musste.

Wenn Harper Malcolm kannte, war es nur logisch, dass sie Nick für seinen Bruder gehalten hatte. Er hatte an dem Abend nicht darüber nachgedacht. Der Funke zwischen ihnen war sehr spontan übergesprungen, und keiner von ihnen hatte daran gedacht, noch lange irgendwelche Erklärungen abzugeben. Sie hatten es nicht einmal bis zum Bett geschafft.

Obwohl die Empörung seines Bruders am anderen Ende der Leitung förmlich greifbar war, musste Nick lächeln. Noch nie hatte er eine Frau getroffen, die Harper Lake auch nur an­nähernd gleichkam.

Aber jetzt war nicht der Moment, in Erinnerungen zu schwelgen. Er riss sich zusammen und wandte sich dem Problem zu. Eine der seltenen Nächte, in denen er sich einmal hatte gehen lassen, hatte nun Folgen für seinen Bruder, der immer genug Finesse und Charme für sie beide zusammen gehabt hatte.

„Keine Sorge, ich kümmere mich darum.“ Jetzt, da er ihren Namen kannte und wusste, wo sie arbeitete, konnte er mit ihr reden. Vielleicht konnte er morgen nach Büroschluss auf sie warten. Oder er konnte in der Mittagspause zu ihr gehen und ihr anbieten …

„Das ist kein harmloses Missverständnis, das du einfach so mit ein paar netten Worten glattbügeln kannst, Nick.“

Malcolms Stimme hatte einen beunruhigenden Unterton, der Nicks Erfahrungen als Seal ansprach. Sein ganzer Körper ging in den Alarmmodus. „Was willst du damit sagen?“

„Harper ist schwanger.“

Es traf Nick wie ein Schlag. Schwanger?

Harper bekam ein Kind von ihm?

Gleich darauf hatte er einen zweiten Gedanken, der ihn noch stärker traf: Ellie. Seine dreijährige Tochter – sie war der einzige Grund, wieso er den Horror dieses Einsatzes überhaupt überlebt hatte – könnte unter seinem Verhalten zu leiden haben. Die Anwälte seiner Exfrau würden dies als Untermauerung ihrer These nehmen, dass er ein verantwortungsloser und unfähiger Vater war. Vor allem, wenn sie die Umstände erfuhren … dass er sich für seinen Bruder ausgegeben hatte. Hinter seinen Schläfen machte sich ein pochender Kopfschmerz bemerkbar.

Er würde nicht zulassen, dass sie ihm Ellie nahmen. Er musste dieses Problem lösen. Für sie alle.

Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast sieben. „Bist du im Büro? Ist Harper noch da?“

„Sie ist gerade gegangen. Sie hat gewartet, bis alle fort waren, bevor sie zu mir gekommen ist. Sie wollte mich nur informieren und bot an, einen Vaterschaftstest machen zu lassen.“

Nick sah die Szene förmlich vor sich, und er hasste es. Hasste es, dass er seinen Bruder in eine solche Lage gebracht hatte, aber noch mehr hasste er das, was er Harper angetan hatte. Wie musste sie sich fühlen? Wahrscheinlich verfluchte sie ihn.

Nick musste sich räuspern, bevor die Stimme ihm wieder gehorchte. „Hast du ihr gesagt, dass du nicht auf dem Maskenball warst? Dass ich es gewesen bin?“

„Ich habe gesagt, ich müsste jetzt gehen. Ich habe mich entschuldigt und versprochen, dass wir am Morgen über alles reden. Sie schien irritiert, aber ich dachte, es ist an dir, es ihr zu sagen.“

„Da hast du recht.“ Die Situation war auch so schon kompliziert genug, ohne dass sie die pikanten Details von seinem Bruder erfuhr.

„Du weißt, wie heikel das Ganze ist, oder?“ Malcolm seufzte. „Du bist einer der Eigner der Firma, und Fälle von sexueller Belästigung können sehr problematisch werden.“

„Ich weiß.“ Nick war schon als Kind sehr verantwortungsbewusst gewesen, daher hätte er nie damit gerechnet, dass sein Bruder ihm einmal einen solchen Vortrag halten würde.

„Und vergiss diesen Maverick nicht, der sich seit Monaten ein Vergnügen daraus macht, alle möglichen Geheimnisse in die Welt hinauszuposaunen. Geh nicht davon aus, dass es lange geheim bleibt. Vielleicht weiß er schon Bescheid.“

Nick runzelte die Stirn. Er war vielleicht nicht über alles auf dem Laufenden, aber sogar er hatte davon gehört, dass jemand die Bewohner von Royal mit unliebsamen Wahrheiten unter Druck setzte. Aber es war ja vielleicht doch etwas voreilig, jetzt schon Vermutungen in dieser Richtung anzustellen.

„Wie sollte er es wissen, wenn ich selbst es gerade erst erfahren habe?“

„Woher hat er gewusst, dass Wes Jackson eine Tochter mit Isabelle Grayson hat? Woher wusste er von Cecelia Morgans Herkunft? Dahinter steckt ganz eindeutig ein Mensch, der gut im Recherchieren ist oder keinerlei Skrupel hat, sich in fremde Accounts zu hacken.“

„Stimmt.“ Nick seufzte. Wesley Jackson war ein Geschäftsmann aus Royal und Freund von Malcolm. Nick hatte ihn ein paarmal getroffen. Wes und Isabelle waren nette Leute, die es nicht verdient hatten, wegen Maverick diese Hölle durchzumachen.

„Es sieht so aus, als wären alle Opfer Mavericks Mitglied im Texas Cattleman’s Club. Da das für uns beide gilt, sollten wir das Risiko nicht außer Acht lassen.“

„Verdammt.“ Malcolm hatte recht. Die neuen Angebote für Schutzwesten, die er gerade zusammenstellte, waren für Security-Firmen gedacht. Wenn sie diesem Maverick eine derartige Munition lieferten, aus der sich ein handfester Skandal entwickeln könnte, dann standen sie da wie die letzten Amateure.

Er atmete tief durch. „Unsere Kunden müssen wissen, dass alle Informationen, die sie uns über ihre Organisationen geben, sicher sind und nicht gehackt werden können.“

„Stimmt. Wir müssen absolut transparent sein. Es darf keine Geheimnisse geben, die uns verwundbar machen könnten.“

„Verstanden.“ Nick griff bereits nach seiner Jacke. „Ich brauche ihre Privatanschrift.“

„Sie wohnt irgendwo in Pine Valley. Ich schicke dir eine SMS mit der genauen Adresse.“

„Danke. Und Malcolm?“

„Ja?“

Nick atmete tief durch. „Ich regele das. Ich bringe alles in Ordnung.“ Es gab keine Alternative. Er würde alles in Ordnung bringen. Für Ellie. Für Harper. Für Harpers Baby. Für Tate Armor. Für alle.

„Viel Glück.“

Nick beendete das Gespräch. Er schnappte sich seine Brief­tasche und die Schlüssel und eilte zur Tür. Eher würde die Hölle zufrieren, als dass er noch einmal jemanden im Stich ließ, für den er verantwortlich war.

Als er Harpers Haus erreichte, das in seiner Eleganz mit dem Begriff Landhaus nur unzureichend beschrieben war, hatte er jedoch Zweifel. Es begann schon mit dem allerersten Problem: Wie sollte er sie davon überzeugen, dass nicht Malcolm, sondern er der Vater des Kindes war?

Hi. Es interessiert dich vielleicht, dass Malcolm noch einen Zwillingsbruder hat.

Ausgeschlossen.

Hey, Harper. Erinnerst du dich an die Nacht, als du dachtest, du wärst mit Malcolm im Bett und wärst von ihm schwanger geworden? Überraschung! Ich war’s!

Unmöglich.

Harper, ich muss dir etwas sagen, und vielleicht wäre es besser, du setzt dich zuerst einmal. Mein Name ist Nick, und ich habe die Rolle meines Bruders gespielt, als wir uns kennengelernt haben. Ich hätte es dir sagen sollen, und ich entschuldige mich dafür.

Nein, ihm musste innerhalb der nächsten dreißig Sekunden etwas Besseres einfallen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, dass sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug.

Er klopfte und wusste dabei immer noch nicht, wie er alles erklären sollte. Die Tür ging auf, und sie war da. Ihre mandelförmigen braunen Augen weiteten sich bei seinem Anblick, und er wusste: Jetzt sollte er etwas sagen. Irgendetwas. Aber ihre faszinierende Schönheit überwältigte ihn. Sie war ihm seit jener Nacht nicht mehr aus dem Sinn gegangen, und nun stand sie leibhaftig vor ihm. Und duftete einfach himmlisch.

„Malcolm?“, flüsterte sie.

Stumm streckte er die Hand aus. Seine Finger glitten federleicht über ihren Wangenknochen. Er war verloren.

Ihre Pupillen weiteten sich vor Überraschung, und sie wich einen kleinen Schritt zurück, um sich seiner Berührung zu entziehen, aber sie ließ ihn dabei nicht aus den Augen.

Er wartete einen Moment. Wartete mit angehaltenem Atem, bis sie sich ihm wieder zuneigte. Erneut streckte er die Hand nach ihr aus. Sie öffnete leicht die Lippen, als sie den Kopf in seiner Hand drehte. Die Welt um sie herum schien zu verschwinden. Er fühlte sich von derselben magischen Kraft zu ihr hingezogen, die schon vor Monaten da gewesen war, als sie sich das erste Mal begegneten.

Er sollte etwas sagen, sollte etwas erklären, aber ihm fehlten die Worte. Er konnte Harper nur ansehen. Wortlos senkte er den Kopf und ließ seine Finger durch ihr langes, glänzendes Haar gleiten. Dies war alles falsch. Total falsch. Und doch fühlte es sich so richtig an, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen, sondern nur noch fühlen konnte.

Sie hob sich auf die Zehenspitzen und kam ihm halb entgegen. Ihre Lippen verschmolzen zu einem zunächst zarten, dann zunehmend heißeren Kuss. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und drückte sich an ihn. Er rieb seine Zunge an ihrer und genoss es, ihren Körper an seinem zu spüren.

Das war es.

Das hatte ihn in jener Nacht, als sie sich das erste Mal trafen, um den Verstand gebracht. Und das hatte Harper seither zu einer ständigen Begleiterin in seinen Tagträumen gemacht. Und natürlich war es auch das, was ihn überhaupt erst in Schwierigkeiten gebracht hatte …

Er musste aufhören, sie zu küssen. Musste die Kraft finden, sich von ihr zu lösen und alles zu erklären. Aber das, was ihre Lippen bei ihm anrichteten, war einfach nur himmlisch …

Widerstrebend wich er schließlich ein wenig zurück. Ein letztes Mal ließ er seine Lippen über ihre gleiten, bevor er sich aufrichtete. Sie ließ die Hände sinken – der Kontakt zwischen ihnen war gebrochen. Er versuchte, wieder klar im Kopf zu werden. Sie sah zu ihm auf, die Lippen noch rosig von dem Kuss. Was auch immer er hatte sagen wollen, verschwand wieder. In dem Moment war nur eines wichtig: Harper Lake sollte wissen, dass sie ihn geküsst hatte. Dass sie ihn geliebt hatte. Nick Tate.

Er brachte nur einen einzigen Satz über die Lippen. „Ich bin nicht Malcolm.“

Harper hielt sich an der Tür fest. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. „Ich weiß.“

Ihr war intuitiv klar, dass der Mann, der jetzt vor ihr stand, nicht der Mann war, mit dem sie vor weniger als einer Stunde gesprochen hatte. Er mochte wie ihr Boss aussehen, aber er war in jeder Hinsicht von einer Intensität – von seinem Blick bis hin zur Körperhaltung –, die dem lässigen Malcolm vollkommen abging.

Und wenn sie genauer hinsah, fiel ihr auch auf, dass sein Haar kürzer war und dass er eine winzige Narbe an der einen Augenbraue hatte. Aber wie konnte das sein? Plötzlich fiel ihr eine Besonderheit der Tate Armor Limited ein: Das Unternehmen gehörte zu gleichen Teilen Malcolm und seinem Bruder Nick. Keiner der Angestellten hatte ihn je zu Gesicht bekommen, und viele wussten wahrscheinlich nicht einmal, dass es ihn gab.

„Zwillinge“, flüsterte sie, und er nickte.

Jetzt passte endlich alles. Es hatte sie verwirrt, wieso sie sich vor dem Maskenball nie zu ihrem Boss hingezogen gefühlt hatte und wieso er auch seither nichts in ihr auslöste. In der einen Nacht hatte sie nicht Malcolm, sondern seinen Bruder Nick geliebt. Es war alles so schnell gegangen zwischen ihnen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, ihr Gefühl infrage zu stellen, dass etwas mit dem Mann anders war als sonst. Er hatte sie geküsst, und sie war dahingeschmolzen und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig gewesen.

Das erklärte auch, wieso Malcolm am nächsten Morgen im Büro so getan hatte, als wäre zwischen ihnen nichts gewesen. Zu der Zeit hatte es sie überrascht, und sie war auch irgendwie erleichtert gewesen, dass Malcolm einfach so tun wollte, als hätte es die gemeinsame Nacht nicht gegeben.

Weil es sie nicht gegeben hatte! Nicht für sie und Malcolm.

Nick hingegen … er hatte ihre Welt zutiefst erschüttert.

Sie atmete tief durch.

Er musterte sie durchdringend. Wartete auf ihre Reaktion. Vielleicht hatte der Kuss ihn ebenso aufgewühlt wie sie. Wie auch immer, sie mussten dringend reden, und zwar nicht hier draußen auf der Veranda.

„Komm doch rein“, bat sie und trat beiseite, um ihn vorbeigehen zu lassen.

In der Küche machte sie ihm einen Kaffee und für sich selbst einen Pfefferminztee. Der schien ihre Schwangerschaftsübelkeit in Grenzen zu halten.

Nick nahm ihr den Kaffeebecher ab und stellte ihn neben sich auf den Tisch. Er räusperte sich. „Hör mal, wegen des Balls …“

„Nicht nötig“, unterbrach sie ihn. Sie wollte diese Nacht nicht im nüchternen Tageslicht sehen. „Die Stufe haben wir hinter uns.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich muss es sagen. Ich hätte offen mit dir sein sollen. Hätte dir sagen sollen, wer ich bin.“

Wenn sie ihn jetzt so ansah, fragte sie sich, wie sie die Brüder hatte verwechseln können. Aber Hadern half jetzt auch nicht weiter.

„Hätte ich gewusst, dass Malcolms Bruder sein eineiiger Zwilling ist, hätte ich vielleicht eins und eins zusammengezählt. Ich habe mit Malcolm gearbeitet. Er ist attraktiv, das schon, aber bei ihm sind mir bisher noch nie die Knie weich geworden.“

„Aber bei mir?“ Nick grinste.

„Ich glaube, das haben wir beide erlebt. Inzwischen sogar zweimal. Aber ich nehme an, du bist nicht gekommen, um darüber zu reden.“

„Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich dich nicht bewusst hintergangen habe.“

Sie zog eine Braue in die Höhe. „Du warst dort unter Malcolms Namen. Das war schon sehr bewusst.“

„Stimmt.“ Er verzog das Gesicht. „Ich hatte etwas für Malcolm zu regeln.“

„Wegen dieses Stalkers?“

Nick sah sie überrascht an. „Du hast es mitbekommen?“

Alle Angestellten von Tate Armor wussten von dem Mann – einem ehemaligen Kunden –, der so wütend auf Malcolm gewesen war, dass er angefangen hatte, ihn zu bedrohen. Malcolm hatte versucht, die Situation mit Diplomatie zu entschärfen. Außer ihm glaubte niemand daran, dass das funktionieren würde. Die Tat­sache, dass die ganze Stadt nervös war wegen dieses Erpressers Maverick machte es nur noch schlimmer. Es gab Gerüchte im Büro, der Mann könne für Maverick arbeiten, aber Harper bezweifelte es. Maverick agierte vollkommen anders. Es schien sich um einen ganz normalen Irren zu handeln, der nicht die Absicht hatte, sich auf Malcolms freundlich beschwichtigende Art einzulassen.

Auf dem Maskenball hatte Harper fasziniert erlebt, wie der Mann, den sie für Malcolm hielt, diesem Stalker fest und deutlich zu verstehen gab, dass es jetzt genug war. Dazu musste er nicht einmal viel sagen. Seine leicht bedrohliche Körperhaltung sprach Bände, ebenso wie sein eisiger Ton. Der Stalker begriff, dass er keine Chance hatte, und verschwand.

„Ja, ich habe dich gesehen. Du warst … sehr beeindruckend.“ Er musste nicht handgreiflich werden. Sowohl Malcolms Stalker als auch sie hatten den Eindruck, dass ein Mann vor ihnen stand, der seine geballte Kraft nur mühsam zügeln konnte. Den Stalker hatte es verschreckt, Harper hingegen war so fasziniert, dass sie ihn mit sich auf die Tanzfläche zog und bald danach in seinem Bett landete. „Aber du hättest es mir dennoch sagen können.“

„Ich wusste nicht, ob du Malcolm kennst. Du hast mich nie bei seinem Namen genannt, daher dachte ich, ich bin ich für dich.“ Er grinste. „Außerdem schien uns beiden nicht nach Reden zu sein.“

Sie nippte an ihrem Pfefferminztee und hoffte inständig, dass er die Röte auf ihren Wangen dem heißen Tee zuschrieb und nicht etwa der Tatsache, dass die Erinnerung sie erröten ließ.

„Ich hätte es dir ja hinterher gesagt, aber du bist so schnell verschwunden …“ Es war kein Vorwurf, aber unverkennbar wartete er auf eine Erklärung.

Für einen Moment fühlte sie sich zurückversetzt in die Suite, die Nick im Bellamy gemietet hatte, in dem Hotel, wo der Ball stattfand. Sie zog sich rasch an und murmelte ein vages „Ich muss gehen“. Sie vermied es zu rennen, hoffte aber inständig, dass Malcolm – Nick – nicht schnell genug in seine Sachen kam, um sie einzuholen, bevor sie in ihrem Wagen saß.

Auch jetzt konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. „Mir war plötzlich klar geworden, dass ich mit meinem Boss geschlafen habe. Ich glaube, ich habe einfach die Nerven verloren.“

Er wartete, bis sie ihn ansah. „Das kann ich verstehen“, sagte er dann. „Ich muss allerdings zugeben, dass ich in dem Moment etwas überrascht war, da ich ja die Zusammenhänge nicht kannte.“

„Es wäre vielleicht anders gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass du nicht mein …“ Sie unterbrach sich, als ihr etwas anderes einfiel. „Du bist ja auch mein Boss, auch wenn du nur der stille Teilhaber der Firma bist.“

„Stimmt, aber lass uns das doch für den Moment vergessen. Ich hätte dir die Wahrheit sagen sollen, und ich entschuldige mich dafür.“

„Entschuldigung angenommen.“ Sie war froh, das Thema abhaken zu können.

Nick nippte an seinem Kaffee. Das Schweigen zwischen ihnen war geladen mit all dem, was noch ungesagt war. Harper wusste nicht, wie sie beginnen sollte.

Endlich ergriff Nick das Wort. „Wir sollten wohl darüber reden, wie es jetzt weitergehen soll.“

„Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen.“ Sie ging voraus. Dieses Gespräch konnte gut verlaufen oder aber in einer Kata­strophe enden. Das Einzige, was sie dazu beitragen konnte, war eine bequeme Sitzmöglichkeit. Immerhin.

„Wir bekommen also ein Baby“, sagte er ohne lange Vorrede, nachdem sie auf dem Sofa Platz genommen hatten.

Sie war froh darüber, dass er es ausgesprochen hatte. Offenbar hatte er erfahren, dass sie schwanger war. Der Zeitpunkt, zu dem er hier aufgetaucht war, konnte nichts anderes bedeuten. Ihr stand nicht der Sinn danach, es zum zweiten Mal an einem Abend erklären zu müssen. „Das stimmt.“

„Ich nehme an, die Tatsache, dass du damit zu mir – oder besser: zu Malcolm – gekommen bist, heißt, dass du es behalten willst?“

„Ja.“ Sie drehte sich so, dass sie ihn ansehen und gleichzeitig etwas mehr auf Distanz gehen konnte. „Siehst du das auch so?“

„Natürlich“, sagte er ohne zu zögern. „Natürlich will ich unser Baby.“

Ihr wurde unbehaglich. Sein Blick war ernst, aber sie kannte ihn nicht gut genug, um zu wissen, was genau in ihm vorging. Meinte er, dass er keine Abtreibung wollte, oder meinte er etwas anderes? Wenn ja, was? War Nick Tate ein Mann, der möglicherweise das alleinige Sorgerecht haben wollte? Der Mann war letztlich ein Fremder für sie, und sie wusste nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte.

Ihr Gerechtigkeitsgefühl mischte sich ein und sagte, dass es ihm umgekehrt mit ihr ebenso ergehen musste. Wahrscheinlich versuchte er auch, zwischen den Zeilen zu lesen, um zu erraten, was sie wirklich dachte.

Sie atmete tief durch. „Es ist nicht nur ein Baby. Es sind zwei.“

„Zwillinge?“

„Ja.“

Er ließ sich zurückfallen. „Okay, wir bekommen also zwei Babys.“ Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er einen Moment nachdachte, bevor er sich wieder ihr zuwandte. „Wie geht es dir? Leidest du unter Morgenübelkeit?“

Instinktiv legte sie eine Hand auf ihren Bauch. „Nur ein wenig. Mir wird leicht übel, wenn ich Milch sehe oder fettige Dinge, aber es geht.“

„Was sagt die Ärztin? Ist alles in Ordnung?“

„Sie sagt, es sei alles vollkommen normal.“ Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Ich habe ein Ultraschallbild. Möchtest du es sehen?“

„Natürlich.“

Sie zog den Ausdruck aus einem Buch, das sie auf dem Tisch liegen hatte, und reichte ihn Nick. Seit ihrem Termin bei der Ärztin hatte sie die Aufnahme schon oft voller Staunen betrachtet. Es war so unwirklich. Das waren ihre Babys, die in diesem Moment in ihr wuchsen. Obwohl sie so wenig von ihnen wusste, liebte sie sie jetzt schon. Es war eine ganz neue Kraft in ihr, die sie so das erste Mal verspürte.

Sie musste die Emotionen hinunterschlucken, die ihr für einen Moment den Hals zuzuschnüren schienen. Dann zeigte sie ihm dieselben Punkte, auf die die Ärztin sie hingewiesen hatte. Anschließend wartete sie mit nervös verschränkten Fingern, während Nick den ersten Eindruck von ihren Kindern in sich aufnahm.

Als er ihr die Aufnahme zurückgab, hatte er feuchte Augen. „Danke. Das ist … unglaublich.“

Sie kämpfte selbst mit den Tränen. „Ja, das finde ich auch.“

„Wenn du damit einverstanden bist, würde ich dich gern zum nächsten Termin begleiten.“

Das Unbehagen kehrte zurück. Natürlich waren es auch seine Babys, und er hatte ein Recht zu wissen, wie es ihnen ging. Und natürlich hatte sie davon geträumt, jemanden zu haben, der ihre Freude und ihre Ängste teilte. Jemanden, der ihre Gefühle verstand. Jemanden, der sie unterstützte.

Und dennoch … ihn dabei zu haben, wenn sie untersucht wurde? Wenn es um intime Details ihres Körpers ging? Eine Untersuchung mit einem Fremden dabei? Auch wenn sie mit diesem Fremden schon einmal geschlafen hatte. Ein Schauer überlief sie. Es war alles zu viel. Zu schnell.

„Nick, ich werde dir die Babys nicht vorenthalten.“

Er nickte, als habe sie damit nur etwas bestätigt, was er bereits vermutet hatte. „Gut, dann sind wir uns da ja einig, denn ich möchte am Leben der Babys teilhaben.“

Genau das hatte sie sich vom Vater ihrer ungeborenen Kinder erhofft, und doch machte es das ihr so viel schwerer, das zu sagen, was gesagt werden musste. Sie biss sich auf die Lippen, während sie nach den richtigen Worten suchte.

„Irgendwann während der Schwangerschaft werde ich nach Connecticut zurückkehren. Ich werde die Hilfe meiner Mutter bei den Zwillingen brauchen, aber du kannst sie natürlich jederzeit besuchen.“ Ihre Mutter war der erste Mensch gewesen, den Harper angerufen hatte, als der Test positiv ausfiel. Und es war gut, dass sie es getan hatte, denn ihre Mutter hatte sie in jeder Hinsicht unterstützt und sie in dem Glauben bestärkt, dass sie es schaffen konnte – auch mit Zwillingen. Genau das hatte sie hören müssen, als sie zwischen Überwältigung und Panik schwankte.

„Du willst Royal verlassen?“ Sein Ton war schärfer geworden. „Das geht nicht.“

Sie legte eine Hand auf seinen Arm. „Es tut mir wirklich leid, Nick, aber ich glaube, ohne die Hilfe meiner Mom schaffe ich es nicht.“

Er legte seine Hand auf ihre und ließ ihren Puls damit unwillkürlich schneller gehen. „Ich habe schon eine Tochter. Ellie. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich sie liebe. Sie ist das Beste in meinem Leben.“

Harper vergaß für einen Moment, den Mund zu schließen. Sie wusste selbst nicht, wieso es sie so überraschte, dass er eine Tochter hatte. Sie wusste so wenig über ihn. Es konnte noch so viel mehr kommen, wovon sie keine Ahnung hatte.

„Ellie ist ein hübscher Name. Sie kann froh sein, dich zu haben.“

„Mit dieser Meinung stehst du allein da. Ihre Mutter, meine Exfrau, versucht, sie von mir fernzuhalten. Das möchte ich nicht noch einmal erleben.“

Harper entzog sich ihm. Es war schön, dass er sich eine aktive Vaterrolle wünschte, aber sie waren nicht verheiratet, und letztlich blieb die Hauptverantwortung an ihr allein hängen. Sie konnte es nicht allen recht machen. Das war unmöglich.

Nick erhob sich. Er stemmte die Arme in die Seiten. „Sieh mal, wir haben uns gerade erst wiedergefunden. Ich habe herausgefunden, dass ich Vater von Zwillingen werde, und dir ist klar geworden, dass du in der Nacht nicht mit Malcolm zusammen gewesen bist, sondern mit mir. Ziemlich viele Überraschungen für einen einzigen Abend.“

„Gelinde gesagt, ja.“

„Wie wäre es, wenn wir uns etwas Zeit lassen, das alles sacken zu lassen, bevor wir die Zukunft diskutieren? Ich lade dich morgen Abend zum Essen ein. Dann können wir weiterreden.“

Harper zögerte. Das Gefühl sagte ihr, dass Nick versuchen wollte, sie davon abzubringen, nach Connecticut zu gehen. Der Einladung zuzustimmen, erschien ihr als Vortäuschung falscher Tatsachen, wenn sie sicher war, dass sie nicht in Royal bleiben würde. Aber es wurde schon spät, und er hatte recht, dass es ein für sie beide emotionaler Abend gewesen war. Sie brauchte jetzt mehr Schlaf als früher, und im Moment fühlte sie sich wirklich erschöpft. Ihr stand nur noch der Sinn danach, eine Kleinigkeit zu essen und dann ins Bett zu gehen. Vielleicht war es also keine schlechte Idee, das Gespräch für den Moment zu beenden.

Sie erhob sich ebenfalls. „Das klingt gut.“

„Super.“ Er ging zur Tür und blieb noch einmal stehen, als seine Hand schon auf dem Griff lag. Sie dachte daran, wie er sie begrüßt hatte. Dachte er jetzt dasselbe? Würde er sie zum Abschied küssen?

Aber er sagte nur: „Ist sieben Uhr in Ordnung?“

Sieben? Ach so. Die Zeit, um sie abzuholen. „Ja, sieben ist gut.“

„Dann bis morgen.“

Als sie die Tür schloss, ging er schon zur Straße und war fort. Kaum eine Stunde war vergangen, seit Nick Tate wieder in ihr Leben geplatzt war, und nun war alles anders.

Es blieb abzuwarten, ob das gut oder schlecht war.

2. KAPITEL

Am nächsten Abend fuhr Nick etwas früher los als nötig, um Harper abzuholen. Er wollte noch eine Kleinigkeit für sie kaufen. Etwas, um seinen guten Willen zu beweisen, während sie ihre Probleme ausräumten. Außerdem war sie in keiner beneidenswerten Situation. Schwanger mit Zwillingen und mit dem Plan, sie müsse Texas verlassen, um die Hilfe zu bekommen, die sie brauchte. Zumindest in diesem Punkt konnte er ihr beweisen, dass sie sich irrte.

Er hatte gehört, dass einige Männer ihren Frauen oder Partnerinnen Schmuck kauften, wenn sie schwanger wurden, aber nach dem Gespräch vom Vorabend hatte er das Gefühl, dass ein teures Geschenk Harper eher verschrecken würde. Er brauchte einfach nur etwas, das sie zum Lächeln bringen würde. Blumen vielleicht?

Er betrat den örtlichen Supermarkt und sah sich einer Unmenge an Eimern mit Blumensträußen aller Art gegenüber. Und schon wurde ihm der Haken seines Plans deutlich. Es gab gewisse Dinge, die ein Mann von der Frau wissen sollte, die von ihm schwanger war – zum Beispiel, welches ihre Lieblingsblumen waren …

„Daddeee!“ Die süße, nur zu vertraute Stimme drang an sein Ohr, und er schmolz förmlich dahin. Er konnte sich gerade noch umdrehen, um die Dreijährige aufzufangen, die sich in seine Arme warf.

„Hey, Süße!“ Er drückte sie fest an sich.

Sie flüsterte ihm ins Ohr: „Isst du heute Abend mit uns?“

Als sie den Kopf zurückbeugte, um ihn mit großen Augen fragend anzusehen, brachte es ihn fast um, ihr die Bitte abzuschlagen. Ihre Mutter Melissa und ihr Verlobter würden ihn nicht willkommen heißen in ihrem Haus. Sogar wenn er keine Pläne mit Harper gehabt hätte, hätte er ablehnen müssen.

Er sah sich um, und wie erwartet standen Melissa und Guy gerade einmal drei Meter entfernt und betrachteten ihn missmutig.

„Oh, Baby, das ist vielleicht keine so gute Idee. Aber wir sehen uns am Wochenende. Wie wäre es, wenn wir in den Park gehen?“

Ellie war sofort begeistert. „Da, wo die Schaukeln sind?“

Er grinste. „Genau.“

„Ich liebe dich, Daddy“, flüsterte sie und schmiegte sich an ihn.

„Ich liebe dich auch, Ellie.“

„Blumen? Hast du ein Date, Nick?“ Melissa war näher getreten. „Du weißt, ich will deine Frauen nicht in Ellies Nähe. Das verwirrt sie. Das findet mein Anwalt auch.“

Nick schluckte die Antwort hinunter, die ihm auf der Zunge lag. Er wusste sehr wohl selbst, was gut war für seine Tochter und was nicht. Und sich vor Ellie mit Melissa zu streiten, war mit Sicherheit auch nicht gut für sie.

„Hat mich gefreut, dich zu sehen, Melissa.“ Er sah kurz zu dem Mann an ihrer Seite. „Guy.“

„Es ist mein Ernst, Nick“, beharrte Melissa.

„Weißt du was?“ Ihr schmieriger Verlobter grinste. „Mach es doch. Das wäre nur gut für unseren Sorgerechtsstreit vor Gericht. Ellie erzählt uns sowieso alles.“

Die Anspannung wurde fast unerträglich, aber Nick weigerte sich, den Köder zu schlucken und sich provozieren zu lassen. Er stellte Ellie auf die Beine. „Ich würde mich ja gern noch länger mit euch unterhalten, aber ich muss los.“ Er nahm sich den erstbesten Strauß. „Bis bald, Süße“, sagte er zu seiner Tochter, nickte den Erwachsenen knapp zu und eilte zur Kasse.

Ein paar Minuten später saß er in seinem Wagen und atmete tief durch, bevor er den Motor anwarf. Sein Anwalt hatte ihm einen ähnlichen Rat gegeben, was Frauen betraf. Wenn er vor Gericht beweisen wollte, dass er Ellie ein stabiles Umfeld bieten konnte, dann sprach eine Serie von immer neuen Frauen gegen ihn. Das war zu dem Zeitpunkt so weit hergeholt gewesen, dass er nicht weiter zugehört hatte. Aber jetzt …

… jetzt bekam eine Frau, die er kaum kannte, Zwillinge von ihm.

Er musste nicht mit seinem Anwalt reden, um zu wissen, dass ihn das sehr verantwortungslos aussehen lassen würde. Und wie Malcolm schon ganz richtig gesagt hatte: Solange dieser Maverick frei herumlief, war kein Geheimnis in Royal sicher. Es bestand also jeden Tag die Gefahr, dass Melissa es erfuhr. Wenn man dann noch die posttraumatische Belastungsstörung dazunahm, unter der er seit dem letzten Einsatz litt, dann konnte es durchaus dazu führen, Melissa das alleinige Sorgerecht zuzusprechen statt ihnen beiden das geteilte, wie Nick es wollte. Ein Tag alle zwei Wochen war ihm zu wenig mit seiner Tochter.

Seine Beklemmungen wuchsen. Er musste etwas tun. Etwas, das ihn verantwortungsbewusst aussehen ließ.

Er ließ ein Szenario nach dem anderen vor seinem geistigen Auge ablaufen, aber letztlich gab es nur eine Lösung.

Wären er und Harper verheiratet, könnte er seiner Tochter in den Augen eines Richters ein stabiles Umfeld bieten. Damit hätte er etwas Negatives in etwas Positives verwandelt.

Je länger er darüber nachdachte, desto besser erschien ihm die Idee. Eine Ehe würde ihm nicht nur in dem Sorgerechtsstreit helfen, sondern sie würde Harper in Royal halten, sodass er die Rolle des Vaters für die Babys übernehmen konnte. Es war eine Lösung, bei der alle nur gewannen.

Aber konnte er das tun? Konnte er eine Frau heiraten, die mehr oder weniger eine Fremde für ihn war? Konnte er sie vor allem dazu bringen, sich darauf einzulassen?

Eine Bewegung vorn im Laden weckte seine Aufmerksamkeit. Ellie tanzte um Melissas Beine herum, als sie das Geschäft verließen und zum Wagen gingen. Sein Herz machte einen Satz, als er die Kleine sah. Er würde alles für sie tun. Und dasselbe galt schon jetzt für die Zwillinge. Er würde alles für seine drei Kinder tun. Sogar eine Frau heiraten, die er nicht liebte.

Nachdem die Entscheidung gefallen war, warf er den Motor an. Jetzt musste er nur noch Harper überzeugen.

Da er noch Zeit hatte, fuhr er beim Texas Cattleman’s Club vorbei, wo er für den Abend einen Tisch reserviert hatte. Ein paar zusätzliche Kleinigkeiten konnten nicht schaden, wenn er Harper einen Antrag machen wollte. Das Prickeln zwischen ihnen war nicht zu leugnen, aber er wollte noch ein wenig nachhelfen, um die Waagschale zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Es war nicht viel, was er tun konnte, aber er hatte schon Missionen mit weniger vielversprechenden Voraussetzungen gehabt. Er würde es schaffen.

Auf dem Weg in den Klub hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Er sah Gabe Walsh aus seinem Wagen steigen. Gabe war ein ehemaliger FBI-Agent, der jetzt CEO der Walsh Group war, einem Sicherheitsunternehmen, das seiner Familie gehörte. Bevor Gabe die Position übernommen hatte, bezog die Walsh Group ihre Schutzwesten bei Tate Armor. Nick wollte sich diesen Auftrag nicht entgehen lassen. Eines der ersten Angebote, an denen er gerade arbeitete, sollte an die Walsh Group gehen.

„Walsh.“ Nick wartete, bis der andere Mann bei ihm war, und schüttelte ihm die Hand.

„Man sieht Sie ja nur selten hier, Tate. Gibt es einen besonderen Anlass?“

Für einen Moment erwog Nick, ihm von Harper und den Babys zu erzählen. Es sollte wie beiläufiger Small Talk wirken. Damit konnte er Maverick zuvorkommen. Zumindest wirkte es dann nicht mehr wie das Aufdecken von etwas, was vertuscht werden sollte. Dann war es nur noch ein alter Hut.

Aber es war ausgeschlossen. Gabe war nur ein Geschäftspartner, und sie standen hier auf einem Parkplatz. Da wäre eine derartig private Erklärung alles andere als natürlich erschienen. Außerdem: Gabe war beim FBI gewesen. Ihm etwas Derartiges so ohne jeden Kontext zu präsentieren, würde ihn nur misstrauisch machen.

Also ging Nick die Sache anders an. „Wollte mich nur um eine Reservierung kümmern. Wie steht es denn eigentlich mit der Maverick-Sache?“

Gabe musterte ihn fragend. „Wissen Sie etwas Neues?“

„Nein, ich hatte gehofft, etwas von Ihnen zu erfahren.“

Gabe verzog das Gesicht. „Nichts. Aber ich wüsste wirklich gern, wer dahintersteckt.“

„Das wüsste wohl jeder gern.“ Nick schüttelte ihm zum Abschied die Hand. „Hat mich gefreut, Sie zu sehen. Ich schicke Ihnen in den nächsten Tagen ein interessantes Angebot.“

„Ich freue mich darauf.“ Gabe verschwand, und Nick atmete erleichtert auf.

Gäbe es etwas Neues zum Thema Maverick, würde Gabe davon wissen. Er hatte seine Fühler überall. Das hieß, die Situation mit Harper war ein gefundenes Fressen für Maverick. Ideal für einen Erpressungsversuch. Nick musste ihm zuvorkommen und ihm damit den Wind aus den Segeln nehmen.

Das brachte Nick wieder auf die einzige Möglichkeit, mit der er alle Probleme gleichzeitig lösen konnte: Er musste Harper Lake heiraten.

Harper sah zu Nick hinüber. Sie saßen an einem relativ abgeschiedenen Tisch im Texas Cattleman’s Club. Er hatte das gleiche weiße Tischtuch wie die anderen, die gleichen Kristallgläser und die gleichen dicken Stoffservietten, aber es gab auch ein paar Extras. Zum einen waren da die kleinen weißen Rosen, die um ihre Plätze drapiert waren. Dann das Goldbesteck statt des ­silbernen. Nick hatte sie zu Hause abgeholt und ihr einen Strauß rosa Lilien mitgebracht, die sie in eine Vase gestellt hatte, bevor sie losgefahren waren. Das alles vermittelte ihr den Eindruck, dass er bereit war, alle Register zu ziehen. Und sie musste ihm dennoch sagen, dass sie die Stadt verlassen würde …

Sie wollte vollkommen offen mit ihm sein, damit er verstand, wieso sie gehen musste. Und sogar wenn es ihm nicht gefiel, machte er es ihr dann vielleicht nicht schwerer als nötig.

Wenn sie ihn jetzt so ansah mit seinen sinnlichen Lippen, die ihr den Himmel bereiten konnten, und dem durchdringenden Blick seiner dunklen Augen, dann wusste sie: Es würde nicht leicht werden, ihn zu verlassen.

Während der Fahrt waren sie unausgesprochen übereingekommen, ihre Probleme erst einmal beiseitezulassen. Stattdessen unterhielten sie sich über die Stadt und über gemeinsame Bekannte. Aber jetzt waren sie im Restaurant, und Harper wollte das Thema nicht länger vor sich herschieben. Er musste wissen, wo sie stand, bevor er sie zu umwerben begann.

„Nick“, sagte sie vorsichtig, „so habe ich mir die Situation mit meinem ersten Kind nicht vorgestellt.“

„Ich auch nicht mit meinem zweiten und dritten Kind, aber wir können es schaffen.“ Er schien sich so sicher, so überzeugt, dass es ihr fast das Herz brach.

„Ich muss dir etwas erklären.“ Sie schob sich eine Strähne hinter das Ohr und hielt seinem Blick ruhig stand. „Ich bin in einer zerbrochenen Ehe aufgewachsen. Meine Mutter hat ihre Aufgabe zwar großartig gemacht, aber einige Erfahrungen haben Spuren hinterlassen. Ich habe mir geschworen, ein Kind niemals diesem Schmerz auszusetzen. Diesem Schmerz und den Selbstvorwürfen, mit denen ich aufgewachsen bin.“

Er musterte sie nachdenklich. „Du wirkst nicht wie eine Frau, die von Selbstzweifeln geplagt wird.“

„Und? Wie wirke ich?“ Sie wollte nicht vom Thema abkommen, aber plötzlich war sie doch sehr daran interessiert, seine Meinung zu hören.

„Wenn Malcolm von unserer Anwältin gesprochen hat, hat er immer gesagt, sie sei eine Kämpferin. Jemand, der vor nichts und niemandem kuscht. Natürlich wusste ich bis gestern Abend nicht, dass er dich damit meinte. Aber ich muss sagen, mein erster Eindruck von dir stimmt damit überein.“

Das war genau das Image, das sie zu vermitteln hoffte, aber das Leben war so viel komplizierter. „Der Schein kann trügen“, sagte sie. „Das toughe Äußere ist nur eine Fassade, mit der ich mich davor schützen will, verletzt und zurückgestoßen zu werden.“

Sie zögerte. War sich nicht sicher, wie viel sie von sich preisgeben wollte. Aber es war nur fair, dass er es wusste und verstand. Also gab sie sich einen Ruck und fuhr fort: „Es fing an, als mein Vater uns sitzen gelassen hat. An dem Abend, als er ging, war er sehr wütend. Vielleicht war es nur ein Ausdruck seiner Hilflosigkeit. Auf jeden Fall hat er es an meiner Mutter und mir ausgelassen. Meine letzten Erinnerungen an ihn sind, dass er mich in unserem Wohnzimmer angebrüllt hat und dann gegangen ist.“

Trotz allem war sie ihm gefolgt und hatte sich schluchzend vor dem Haus auf den Rasen geworfen, als er fortgefahren war. Sie schloss für einen Moment die Augen und versuchte, die bitteren Gefühle zu verdrängen, die mit diesen Erinnerungen immer wieder an die Oberfläche kamen. Das einzige Geräusch war das leise Klirren des Bestecks und gedämpfte Stimmen, die von den anderen Tischen zu ihnen herüberkamen.

Nick atmete tief durch. „Gott, Harper.“

Sie schüttelte den Kopf. „Glaub mir, ich habe das nicht erzählt, weil ich an dein Mitgefühl appellieren wollte. Offen gestanden habe ich bisher noch mit niemandem darüber gesprochen.“

„Und wieso dann mit mir?“

„Tatsache ist, dass dieser Abend seine Spuren bei mir hinterlassen hat. Ich komme nicht gut damit zurecht, verlassen zu werden.“ Sie hatte dieselben Gefühle immer wieder durchlebt, weil sie sich stets für die falschen Männer entschied. Männer, die bindungsscheu waren – gelinde gesagt. Das Problem zu erkennen, hatte ihr nicht geholfen, es zu lösen. „Ich weiß, wie kräftezehrend Ängste dieser Art sein können. Deswegen möchte ich, dass meine Kinder in einer stabilen Familie aufwachsen. Das ist jetzt keine Option, aber ich will dennoch dafür sorgen, dass sie sich immer geborgen und sicher fühlen.“

„Du musst Royal nicht verlassen, um das zu erreichen. Das können wir auch hier haben.“

„Ich werde sie dir niemals vorenthalten, Nick, aber diese Babys brauchen ein stabiles Zuhause. Wir beide können versuchen, eine Lösung zu finden, aber lass uns realistisch sein. Wir haben uns gerade erst kennengelernt.“

„Das stimmt, aber wir sind nicht einfach beliebige Fremde. Wir bekommen zwei Babys zusammen, Harper. Ungewöhnliche Umstände verlangen ungewöhnliche Maßnahmen.“

Seine Argumentation war einleuchtend, aber dennoch …

Sie drehte den Löffel zwischen den Fingern, während sie ihren Gedanken nachhing. „Ich war noch nicht bereit für ein Baby, geschweige denn zwei. Ich weiß, ich würde Probleme damit haben, so ganz ohne Erfahrung damit fertig zu werden. Meine Mutter wird für uns da sein. Rund um die Uhr. Es tut mir wirklich leid, aber für die Babys ist es das Richtige, wenn ich wieder nach Connecticut ziehe.“

Der Ober trat an ihren Tisch. Nachdem er ihnen die Spezialitäten des Tages genannt hatte, gaben sie ihre Bestellung auf. Anschließend nahm Nick den Faden des Gesprächs wieder auf.

„Ich bin dir dankbar, dass du so ehrlich zu mir gewesen bist. Das war sicher nicht leicht. Ich will umgekehrt genauso ehrlich mit dir sein.“ Er drückte die Schultern durch. „Seit meinem Einsatz im Mittleren Osten leide ich an posttraumatischen Belastungsstörungen, an PTBS. Daher habe ich mehr oder weniger als Eremit gelebt, aber ich bin dabei, das zu ändern.“

Er runzelte die Stirn. „Ich muss es ändern. Meine Exfrau will wieder heiraten, und sie will, dass ich auf meine Rechte an unserer dreijährigen Tochter verzichte.“

„Das ist doch verrückt.“ In Harper kam die Anwältin durch. „Wieso sollte sie verhindern wollen, dass Vater und Tochter sich sehen?“

Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. „Sie behauptet, ich sei wegen meiner Belastungsstörungen als Vater ungeeignet.“

„Und? Ist das so?“ Sie verhielt mehr oder weniger den Atem, als sie auf seine Antwort wartete.

„Nein.“ Es kam klar und sicher. „Ich mag vieles in meinem Leben falsch gemacht haben, aber nichts, was Ellie betrifft. Ich würde alles für sie tun. Außerdem braucht sie ihren Vater. Sie braucht mich. Aber …“ Er verzog das Gesicht. „… wenn ich zwei Kinder mit einer Frau bekomme, mit der ich nicht verheiratet bin, wird das meiner Position vor Gericht wahrscheinlich ziemlich schaden.“

„Oh, Nick!“ Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass die Situation noch komplizierter werden könnte.

„Wir müssen noch etwas anderes bedenken. Solange dieser Maverick frei herumläuft, müssen wir immer davon ausgehen, dass dieses Geheimnis zu einem unpassenden Moment gelüftet werden kann.“

Maverick. Noch nie hatte sie sich als eines seiner möglichen Opfer gesehen. In ihrem Leben gab es nichts, was für ihn von Interesse sein könnte. Aber jetzt schien sie genau die Art von Opfer zu sein, die in sein Schema passte.

„Wenn er in Umlauf bringt, dass ich von meinem Boss schwanger bin, ist das schlecht für den Ruf von Tate Armor. Das Unternehmen könnte in Verbindung mit sexueller Nötigung gebracht werden.“

„Und noch schlimmer: Wenn ein solches Geheimnis aufgedeckt wird, sieht es so aus, als wäre die Firma nicht in der Lage, ihre Daten zu schützen.“

„Natürlich.“ In Gedanken ging sie die möglichen Konsequenzen durch. „Also müssen wir baldmöglichst an die Öffentlichkeit gehen, damit wir selbst die Informationen kontrollieren.“

„Richtig. Je transparenter wir sind, desto besser.“

„Wie wollen wir das anstellen?“

„So wie ich das sehe, haben wir folgende Probleme: Du fühlst dich überfordert allein mit den Babys und brauchst Hilfe. Außerdem möchtest du ein stabiles Umfeld für die Kinder schaffen. Ich muss wie ein verantwortungsbewusster Vater aussehen, wenn der Sorgerechtsstreit um meine Tochter vor Gericht geht. Und schließlich geht es noch um den Ruf von Tate Armor.“

„Wenn du das alles so aufzählst, klingt es wirklich erdrückend.“

„Ich habe eine Lösung gefunden, die alle Probleme mit einem Schlag löst.“

„Das muss ja ein wahres Wunderwerk sein.“

„Das ist es.“ Er räusperte sich. „Wir sollten heiraten.“

Sie lachte kurz auf. „Ist das dein Ernst?“

„Natürlich. Denk doch mal nach: Ich würde eine aktive Vaterrolle übernehmen. Du hättest alle Unterstützung, die du brauchst, ohne die Stadt verlassen zu müssen. Unsere Babys hätten eine stabile Familie. Die Ehe würde vor Gericht einen guten Eindruck machen. Und Tate Armor wäre sicher vor Maverick. Alle können also nur gewinnen.“

Alle können gewinnen?

„Nick, wir kennen uns doch kaum.“

„Wäre dies unser erstes Date, würde ich sagen, du hast recht. Aber du bist schwanger von mir.“ Er sah sie durchdringend an. „Bitte, heirate mich.“

Sie lehnte sich zurück. „Das ist ein sehr großer Schritt, Nick.“ Ihr Magen drehte sich allein bei der Vorstellung um. „Ein riesiger Schritt.“

„Also …“ Seine Mundwinkel hoben sich zur Andeutung eines Lächelns, als ob er ahnte, dass er dabei war, sie für seine Idee zu gewinnen. „Meine Mutter hat selbst Zwillinge aufgezogen. Sie ist hier in der Stadt, und sie wird über unsere Babys außer sich sein vor Freude. Sie wird so viel helfen, wie wir möchten. Und wenn du deine Mutter auch dabeihaben möchtest – kein Pro­blem! Dann holen wir sie.“

Harper biss sich auf die Unterlippe. Eine Ehe ohne Liebe war in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen, aber das galt auch für eine ungeplante Schwangerschaft mit Zwillingen. Nick schien wirklich mehr als interessiert, eine aktive Rolle als Vater zu übernehmen … Oh, Gott, zog sie seinen Vorschlag etwa ernsthaft in Erwägung? Das war doch absurd! Oder?

„Ich habe schon einmal eine schwangere Ehefrau gehabt, und auch wenn ich nicht während der ganzen Schwangerschaft zu Hause war, weiß ich, dass es Dinge gibt, bei denen ich helfen kann.“

„Was zum Beispiel?“, fragte sie neugierig. Sie war in den ersten drei Monaten dieser Schwangerschaft allein gewesen, und sie hatte sich manches Mal gefragt, ob es anders wäre, wenn sie einen Partner an ihrer Seite hätte.

Er zuckte die Schultern. „Morgens um zwei Uhr in den Supermarkt gehen und Oliven kaufen. Die Füße massieren. Beim Tragen helfen und Dinge vom Boden aufheben. All die kleinen Dinge, die einer Schwangeren das Leben erleichtern.“

Ihre Füße massieren? Mitten in der Nacht losgehen, um ihre Schwangerschaftsgelüste zu befriedigen? Sie lächelte. „Das klingt tatsächlich verlockend.“ Ihr Lächeln verflog, als sie den Ernst der Lage bedachte. „Nick …“

„Ich weiß, wir können das schaffen“, sagte er. „Ich liebe Kinder. Als Ellie ein Baby war, war ich gerade zwischen zwei Einsätzen. Ihre Mutter und ich haben uns die Betreuung geteilt.“

Ihr nüchterner Juristenverstand sagte ihr, dass es die einzige Lösung war, die alle Probleme lösen würde. Also war sie es sich und den Babys schuldig, wenigstens darüber nachzudenken.

Sie strich sich den Rock glatt. „Kannst du dir vorstellen, dass wir zusammen leben?“

„Warum nicht?“

„Würden wir bei dir oder bei mir wohnen?“

„Bei mir. Ich habe mehr Platz.“

Es erschien ihr irgendwie schräg, dass sie für dieselbe Firma arbeiteten. Aber sie würde jeden Morgen ins Büro fahren, während er zu Hause blieb und sich um die Kinder kümmerte. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sein Haus noch gar nicht kannte. Es konnte eine Hütte im Wald ohne Strom und fließendes Wasser sein. „Moment mal. Was hast du überhaupt für ein Haus?“

„Es ist groß. Direkt am Stadtrand.“ Er rieb sich das Kinn, während er versuchte, es zu beschreiben. „Modern, würde ich sagen. Es ist alles von einer Innenarchitektin entworfen worden. Sie hat es als minimalistisch bezeichnet. Und elegant. Du kannst ändern, was auch immer du willst. Das ist mir einerlei.“

„Kann ich dich etwas fragen?“

„Natürlich.“

Für einen Moment wünschte sie, nicht Juristin zu sein und immer zuerst alle Fakten zu sammeln, um sie richtig einordnen zu können. Aber sie konnte nicht anders.

„Falls wir das so machen würden, siehst du uns dann als ein Paar?“

Er lachte leise. „Wir wären verheiratet. Das ist eigentlich die Definition eines Paares.“

Aber wie sollte diese Ehe im Detail aussehen? „Das ist der juristische Rahmen. Wie sähe es für uns rein zwischenmenschlich aus?“

Er hob eine Braue. „Du meinst den Sex?“

„Das wäre doch eine vernünftige Frage, da wir uns in diesem Bereich nicht fremd sind.“

„Nein, das sind wir nicht.“ Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig. „Ich bin ein gläubiger Verfechter des Ehevollzugs.“

Sie schluckte. Es ihn so sagen zu hören, rief unerbetene Bilder in Erinnerung. Erinnerungen an erhitzte Körper und zerwühlte Laken.

Der Ober brachte ihr Essen. Harper war sehr dankbar für die kleine Möglichkeit, ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie musste zugeben, dass er sie zum Dahinschmelzen gebracht hatte. Sie wussten beide, dass die Chemie zwischen ihnen hochexplosiv war, aber die Dinge lagen jetzt anders. Es war alles so viel komplizierter. Würde das die Chemie zwischen ihnen beeinträchtigen? Oder würden seine Berührungen sie immer elektrisieren?

Sie musste endlich aufhören, an seine Berührungen zu denken …

Harper räusperte sich. „Von was für einem Zeitraum sprechen wir, wenn es um die Ehe geht? Meinst du, für ein ganzes Leben?“

„Das wäre unrealistisch. Idealerweise würde sie dauern, bis die Kinder erwachsen sind, aber wenn wir uns auf vielleicht fünf Jahre einigen, könnten wir alle unsere Probleme gelöst haben.“

„Abgesehen von dem Aufwachsen in einer intakten Familie.“

Nick legte seine Hand auf ihre. „Es wäre nie so wie mit deinem Vater, Harper. Die Kinder ständen für uns immer an erster Stelle, und wir würden beide eine große Rolle in ihrem Leben spielen. Es müsste keinen Streit geben. Kein Elternteil würde einfach so verschwinden.“

Die Last der Verantwortung, die mit dieser Entscheidung einherging, drohte sie zu erdrücken. Sie konnte es nicht tun. Es musste noch eine andere Möglichkeit geben.

Sie legte die Gabel beiseite, obwohl sie das Essen kaum angerührt hatte. „Es tut mir leid, Nick. Ich glaube nicht, dass die Ehe der richtige Weg für uns ist.“

„Hast du einen anderen Vorschlag?“

„Noch nicht.“ Aber ihr würde etwas einfallen. So war es immer. „Gib mir ein paar Tage.“

Er schüttelte den Kopf. „Solange Maverick frei herumläuft, bleibt uns nicht so viel Zeit.“

Sie überlegte. „Okay, gib mir vierundzwanzig Stunden.“

„Abgemacht.“

Der kurze Moment der Erleichterung verflog, als ihr bewusst wurde, dass sie genau einen Tag Zeit hatte, um eine Lösung für ein Bündel schier unlösbarer Probleme zu finden.

3. KAPITEL

Harper betrachtete die Situation aus jedem nur erdenklichen Blickwinkel, aber am nächsten Nachmittag war sie so weit, zuzugeben, dass Nicks Idee die einzige war, die alle Probleme gleichzeitig lösen würde. Zog Harper nach Connecticut, hatte sie die Unterstützung ihrer Mutter und konnte den Kindern ein stabiles Umfeld bieten, aber es würde Nick schlecht aussehen lassen in seinem Prozess um das Sorgerecht für Ellie.

Sie konnte keine Entscheidung fällen, von der nur ihre Babys profitierten, bei der aber ihre Halbschwester und ihr Vater unter die Räder kamen. Diese Entscheidung würde auch den Ruf von Tate Armor gefährden, und dabei ging es nicht nur um Nick. Sie hatte zwei Jahre dort gearbeitet und war der Firma und den Angestellten gegenüber loyal.

Sie versuchte, mehrere kleinere Ideen zu kombinieren, um alle Probleme gleichzeitig in den Griff zu bekommen, aber es blieb dabei: Nur Nicks Plan war die ideale Lösung.

Die Vorstellung machte ihr das Herz schwer. Sie hatte sich ihr Leben wirklich anders vorgestellt. Einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte, der eigentlich ein Fremder für sie war, hatte nicht dazugehört. Dabei spielte es keine Rolle, dass er ihr Herz jedes Mal schneller schlagen ließ, wenn sie ihn sah. Oder wenn sie an ihn dachte.

Während sie das Klingeln in der Leitung hörte und darauf wartete, dass Nick abnahm, kreisten ihre Gedanken immer noch verzweifelt auf der Suche nach einer anderen Lösung.

„Harper.“ Seine tiefe Stimme ließ ihr unwillkürlich einen Schauer über den Körper laufen. „Bist du zu einer Entscheidung gekommen?“

Da ihr während der letzten dreißig Sekunden keine Alternative eingefallen war, schloss sie die Augen und stellte sich dem Schicksal. „Ich glaube, du hast recht. Die Heirat ist die beste Option, die wir haben.“

Er atmete hörbar auf. „Danke. Ich werde mein Bestes tun, damit du es nicht bereust.“

Sie war ihm dankbar für die gute Absicht, aber sie hatte das Gefühl, gerade etwas losgetreten zu haben, das größer war als sie beide.

„Ich habe ein paar gute Drähte zum Rathaus“, sagte sie. „Ich will sehen, ob ich den Termin für die Hochzeit beschleunigen kann. Nur für den Fall, dass Maverick uns auf der Spur ist.“

„Eine gute Idee. Warte mal.“ Sie hörte, wie im Hintergrund eine Tür aufging und wieder geschlossen wurde, bevor Nick sich wieder meldete. „Hast du schon darüber nachgedacht, wann du hier einziehen möchtest?“

Sie brauchte noch etwas Zeit, um sich innerlich auf die Situation einzustellen, aber da sie dies alles nur taten, um den Schein zu wahren, sollte sie spätestens bei der Hochzeit bei ihm eingezogen sein. „Ich muss mir für die Hochzeit einen Urlaubstag nehmen. Wir könnten den Umzug am selben Tag machen.“

„Gut“, sagte er. „Das passt.“

Am Vorabend hatten sie kurz die Dauer der Ehe angesprochen. Auch wenn Harper dieses Gespräch lieber direkt mit ihm geführt hätte, musste sie das Thema jetzt noch einmal anschneiden, weil es unwahrscheinlich war, dass sie ihn vor der Hochzeit noch einmal sah. Vor allem, wenn es ihr gelang, den Termin vorzuziehen. „Ich habe auch darüber nachgedacht, wie lange wir verheiratet bleiben sollten.“

„Und? Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“

„Die fünf Jahre, die du vorgeschlagen hast, sind vernünftig. Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, dass ich mit zwei Babys im Haus noch die Kraft hätte für Verabredungen.“ Und es war unwahrscheinlich, dass sie irgendeinen Mann traf, der sie wie Nick allein mit einem Blick erregen konnte. Es war nicht auszuschließen, dass er ihr alle anderen Männer verdorben hatte.

„Wenigstens bin nicht ich es, der dich behindert.“ Sein Ton triefte vor Ironie und enthielt noch etwas anderes, das sie nicht zu benennen vermochte.

„Damit haben die Babys fünf Jahre mit uns beiden. In der Zeit werden sie zu jedem von uns eine feste Beziehung aufgebaut haben.“

„Solange wir die Scheidung friedlich ablaufen lassen, werden sie auch darunter nicht leiden“, setzte er hinzu.

Sie sah zur Decke. Nick war wahrscheinlich zu optimistisch, aber sie würde auf jeden Fall ihr Bestes tun, um den Übergang für die Kinder stressfrei zu halten.

Sie ging von der Küche ins Esszimmer. Es gab noch einen Punkt, über den sie sich einigen mussten … ihr Liebesleben. Nick hatte beim Essen gesagt, dass er für den Vollzug der Ehe war, aber da in dem Moment das Essen gekommen war, hatte sie ihm darauf nicht antworten müssen. Natürlich hatte sie seither darüber nachgedacht, aber sie wusste immer noch nicht, wie sie dazu stand.

Besser gesagt: Sie wusste, dass sie ihn wollte, aber sie war sich nicht sicher, ob ein aktives Liebesleben in einer so rationalen Verbindung, wie sie es planten, klug war. Sie wartete einen Moment, ob er das Thema anschneiden würde, aber entweder dachte er, es sei entschieden, oder aber er wartete darauf, dass sie etwas sagte.

Und statt einen der wichtigsten Aspekte des Ehelebens offen anzusprechen, beließ sie es dabei. Sie waren schon übereingekommen zu heiraten, es würde also im Moment sowieso nichts mehr ändern. Und nach der Hochzeit? Das blieb abzuwarten.

„Ich sage dir Bescheid, wann wir einen Termin bekommen“, sagte sie nur.

„Bis dann.“ Er beendete das Gespräch.

Harper behielt das Smartphone noch eine Weile in der Hand und starrte es nachdenklich an. Sie verstand selbst nicht, wieso sie einem Gespräch über ihr potenzielles Liebesleben ausgewichen war.

Und noch wichtiger: Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn sie schließlich vor der Option stand, mit Nick Tate ins Bett zu gehen.

Am Freitagmorgen erschien Nick zu seiner Hochzeit im Standesamt und hoffte inständig, dass auch seine Braut kam. Sie hatte seinem Plan zwar zugestimmt, aber nur widerstrebend. Daher würde es ihn nicht wirklich überraschen, wenn sie in letzter Sekunde noch ihre Meinung änderte.

Harper war es gelungen, den Termin für die standesamtliche Trauung vorzuziehen, und hatte ihn angerufen, um ihn über die Details zu informieren. Es war nur ein kurzes Gespräch gewesen. Rein sachlich.

Seine Nerven waren schon den ganzen Morgen zum Zerreißen gespannt gewesen, während er darüber nachdachte, was er machen sollte, falls sie ihre Meinung änderte. Er hatte ihr eine SMS geschickt: Alles okay? Ihre Antwort war genauso knapp ausgefallen: Ja. Das war irgendwie beruhigend, aber er würde sich erst dann entspannen, wenn sie beide vor dem Beamten Ja gesagt hatten und sie seinen Ring am Finger trug.

Er musste sich einen Ruck geben, bevor er den Warteraum des Standesamtes betrat. Harper war bereits da. Es war, als ginge ein Aufatmen durch seinen ganzen Körper. Sie trug einen knielangen grauen Rock mit einer weißen Seidenbluse. Das Haar fiel ihr in dunklen, glänzenden Wellen über den Rücken hinunter. Die Lippen waren dezent geschminkt. Noch nie war ihm eine Frau schöner erschienen.

„Zu spät zu deiner eigenen Hochzeit?“

Nicks Miene verfinsterte sich, als er sich seinem Bruder zuwandte, der eine besorgte Miene aufgesetzt hatte.

„Ich weiß nicht, Harper“, fuhr Malcolm fort. „Ich glaube, du könntest etwas Besseres finden. Zum Beispiel einen Mann, dem du so wichtig bist, dass er pünktlich zu eurer Hochzeit erscheint.“

„Ich bin nicht zu spät“, verteidigte Nick sich. „Wir sind alle zu früh.“ Nick entdeckte seine Mutter neben Malcolm und umarmte sie. „Vielen Dank, dass du so kurzfristig gekommen bist.“

Als er ihr die Neuigkeit mitgeteilt hatte, war sie gerade bei ihrer Schwester in Dallas gewesen und musste einen Tag früher als geplant zurückkommen. Nick hatte lange darüber nachgedacht, wie er es seiner Mutter sagen sollte. Dabei war er zu dem Schluss gekommen, dass die Wahrheit ihr das Herz brechen würde. Sie und sein Vater hatten eine lange, liebevolle Ehe geführt, und das Letzte, was sie einem ihrer Söhne wünschen würde, war eine Vernunftehe. Also hatte er behauptet, er wäre bereits seit Monaten mit Harper zusammen. Auch wenn seine Mutter spürbar überrascht gewesen war, hatte sie sowohl die anstehende Hochzeit als auch die Aussicht auf Babys begeistert.

Sie zupfte ihm die Krawatte zurecht. „Natürlich bin ich gekommen. Ich muss doch die Frau kennenlernen, die verrückt genug ist, dich zu heiraten.“

„Meine Güte, Mom!“ Nick warf einen Blick zu Harper hinüber. Der Humor seines Bruders und seiner Mutter kam nicht bei allen gut an, aber glücklicherweise lachte Harper leise. Er schüttelte den Kopf. „So viel zur moralischen Unterstützung durch die Familie.“

„Das ist schon in Ordnung“, sagte seine Mutter. „Harper und ich haben uns schon unterhalten. Ich mag sie. Und dein Vater hätte sie auch gemocht.“

Nick schluckte. Es war neun Jahre her, seit sein Vater gestorben war, aber sie vermissten ihn alle immer noch. Heute kam zur Trauer um ihn noch etwas anderes hinzu, weil seine Mutter quasi auch seinen Segen zu ihrer Verbindung gegeben hatte. Nun hatte er das Gefühl, nicht nur einem Elternteil etwas vorzumachen, sondern beiden.

Er zwang sich zu einem Lächeln. „Danke, Mom.“

„Sind die Blumen für mich?“ Sie deutete auf den Strauß in seiner Hand, den er ganz vergessen hatte.

Ohne auf ihr Necken einzugehen, reichte er ihn Harper. „Ich wusste nicht, ob du einen hast, deswegen dachte ich, ich bringe vorsichtshalber einen mit.“

„Danke. Das ist süß von dir.“ Sie ließ die Finger leicht über die rosa- und cremefarbenen Blüten gleiten. „Sie sind wunderschön.“

Sie knipste eine helle Rose ab und schob den Stängel durch das obere Knopfloch seiner Anzugjacke. Als sie sie zurechtrückte, fuhr ihre Zungenspitze über ihre Oberlippe. Ihm wurde heiß. Wären sie jetzt allein, hätte er sie geküsst. Sie sah auf, als sie fertig war, und musste ihm seinen Gedanken wohl an den Augen abgelesen haben, denn ihr stockte für einen Moment der Atem. Er unterdrückte ein Stöhnen. Ihre Reaktion war ihm wirklich keine große Hilfe …

Malcolm versetzte ihm einen Stoß in die Seite, als Harper ein Gespräch mit ihrer Mutter begann. „Die Nummer, die ihr hier für Mom abzieht, ist so überzeugend, dass ich sie euch auch fast abkaufen könnte“, sagte er leise zu seinem Bruder.

„Lass dich nicht irreführen von einem Brautstrauß und einem Standesbeamten.“

„Irreführen? Moment mal – du weißt aber schon, dass dies eine juristisch bindende Zeremonie ist, oder?“

„Harper und ich haben alles durchgesprochen. Wir machen uns keine Illusionen, was die Romantik betrifft. Wir tun nur das, was vernünftig ist.“

Malcolm zog eine Braue in die Höhe. „Muss das eine das andere ausschließen?“

„Sag mir einfach nur, dass du die Ringe dabeihast.“

Malcolm grinste. „Habe ich. Die Ringe, die eure Verbindung symbolisieren. In Körper, Geist und Seele.“

Nick flehte den Himmel um Kraft an, seinem Bruder nicht an die Kehle zu gehen. Er wandte sich ab, um mit seiner Mutter und Harper zu reden.

Zehn Minuten später wurden sie in einen anderen Raum gebeten, wo der Standesbeamte sie begrüßte und überprüfte, ob die Zeugen, die Ringe und alle nötigen Unterlagen da waren.

Nick sah sich um. Die schlichte Zeremonie war kein Vergleich zu seiner ersten Hochzeit. Melissa war seine große Liebe aus der Highschool gewesen. Sie hatten eine große Hochzeit ganz in Weiß zelebriert – eher eine große Inszenierung als etwas anderes. Es war ihm unangenehm gewesen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, aber damals hätte er alles für Melissa getan. Damals, als er noch an das Für immer und ewig geglaubt hatte …

Trotz des fehlenden Glamours – oder gerade deswegen – hatte diese Zeremonie etwas sehr Reales. Nick gab sich einen Ruck. Er durfte sich nichts vormachen: Dieses Arrangement war rein der Vernunft geschuldet. Eine Möglichkeit, alle Probleme zu lösen, die sich durch Harpers Schwangerschaft und seinen Sorgerechtsstreit ergeben hatten, nicht mehr.

Die Formalitäten waren erfreulich kurz. Da keiner von ihnen ein eigenes Ehegelöbnis geschrieben hatte, war auch die Trauung selbst nach wenigen Minuten vorbei. Erst als sie die Ringe tauschten, verspürte er eine Regung in sich. Die langsamen, ritualisierten Bewegungen ihrer Hände hatten ein Gewicht, das er nicht bedacht hatte. Es war, als seien sie in einer kleinen Luftblase gefangen, losgelöst von allen anderen. Er war überzeugt gewesen, von der Zeremonie nicht berührt zu werden, aber nun geschah genau das. Harper schien es ähnlich zu gehen, als sie den Ring über seinen Finger schob.

Der Augenblick verflog. Seine Mutter umarmte sie beide, und Malcolm versetzte ihm einen brüderlichen Schlag auf den Rücken, während er ihm gratulierte. Nick war hin- und hergerissen – einerseits wollte er die Glückwünsche in dem Geiste nehmen, in dem sie dargeboten wurden, andererseits fühlte er sich schlecht, weil er seiner Mutter etwas vormachte. Er beschloss, sich einfach nur darüber zu freuen, dass sein Plan aufgegangen war.

„So …“ Malcolm warf einen Blick auf die Uhr. „Es ist fast Mittag. Wie wäre es, wenn wir irgendwo zur Feier des Tages essen gehen?“

„Eine gute Idee.“ Seine Mutter hakte sich bei Harper unter, während sie zum Ausgang gingen.

„Vielleicht ein andermal. Wir wollen heute Nachmittag Harpers Sachen in mein Haus bringen.“

„Braucht ihr Hilfe?“ Malcolm sah ihn fragend an.

Die Vorstellung, den Rest des Tages mit seinem nervig gut gelaunten Bruder und dessen Frotzeleien zu verbringen, hatte nichts Verlockendes. Außerdem wollte Nick allein sein mit Harper, um herauszufinden, wie ihre Ehe im Alltag aussehen würde.

Er nahm Harpers Hand, als sie vor dem Gebäude standen. „Wir kommen schon allein zurecht.“

Malcolm wandte sich an ihre Mutter. „Ich glaube, die beiden Turteltäubchen möchten allein sein.“

Sie nickte. „Sie haben nur ein Wochenende für die Flitterwochen. Da sollten sie keine Zeit mit uns vertun.“

Nick zwang sich, nicht darauf einzugehen. „Vielen Dank, dass ihr gekommen seid. Das hat uns viel bedeutet.“

„Das stimmt“, pflichtete Harper ihm bei.

„Es war uns ein Vergnügen.“ Seine Mutter hauchte ihnen beiden einen Kuss auf die Wange. „Aber wir verstehen einen Wink mit dem Zaunpfahl, nicht wahr, Malcolm?“

„Oh, verstanden habe ich ihn schon. Ich wollte ihn nur einfach ignorieren.“ Malcolm grinste.

„Keine Angst“, sagte ihre Mutter, „wir gehen jetzt.“ Sie packte den protestierenden Malcolm beim Arm und steuerte ihn mit energischen Schritten zum Parkplatz – so wie sie es schon getan hatte, als die Zwillinge zehn waren.

Harper lachte. „Ich mag deine Mutter.“

„Das freut mich.“ Nick atmete tief durch. „Jetzt sind wir also verheiratet.“

Ihr Blick verriet Unsicherheit. „Sieht ganz so aus.“

Eine leichte Brise ließ ihr ein paar Haarsträhnen ins Gesicht fliegen. Er schob sie hinter ihr Ohr. „Bereit für den Umzug?“

Ihr knurrte der Magen. „Ja. Solange wir auf dem Weg dahin irgendwo etwas Essbares auftreiben können.“

„Deal.“ Er war froh, endlich etwas tun zu können, bei dem er nicht lügen musste und bei dem er alle Beteiligten glücklich machen konnte.

4. KAPITEL

Nick hielt vor Harpers Haus und griff nach der Papiertasche mit den mexikanischen Gerichten, die sie mitgebracht hatten. Alles ging so unglaublich schnell: angefangen von der Entdeckung, dass er Vater von Zwillingen wurde, bis zur Hochzeit und nun dem Umzug. Sein Adrenalinpegel war weit oben, aber wenn Harper erst bei ihm eingezogen war, beruhigte sich hoffentlich alles wieder. Die Chemie zwischen ihnen stimmte. Das machte ihn optimistisch, dass sein Plan funktionieren könnte.

Er folgte Harper den schmalen Weg zu ihrem Haus. Nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, stellte er rasch die Tasche ab und trug seine Braut über die Schwelle.

Sie stieß einen kleinen Überraschungsschrei aus und lachte dann. „Ich glaube, der Bräutigam sollte die Braut nur über die Schwelle des gemeinsamen Zuhauses tragen. Bei mir wäre es also nicht nötig.“

„Ich möchte das Schicksal nicht unnötig herausfordern“, sagte er scherzend und versuchte, nicht daran zu denken, wie gut es sich anfühlte, sie auf seinen Armen zu halten. „Dies ist keine normale Ehe; aber für uns beide hängt viel davon ab. Daher ist es wohl besser, die Traditionen hochzuhalten und es vorsichtshalber doppelt zu machen.“

Ihre Belustigung verging langsam, und der Puls an ihrem Hals begann sichtlich zu flattern. Er genoss es für einen Moment ganz bewusst, ihren weichen Körper an seinem zu spüren. Nahm wahr, wie ihr der Atem stockte.

„Nick …“ Ihre Stimme bebte leicht. „Wir müssen … reden. Ich meine, über … über die Intimität in unserer Ehe.“

Er hätte sie gern etwas höher gehoben, um sie zu küssen. Er wollte sich dabei Zeit lassen. Wollte herausfinden, wie sie es gern hatte. Und er erkannte an der Hitze in ihrem Blick, dass sie trotz ihrer Worte nichts dagegen hätte. Aber wenn er das jetzt tat, würden sie nicht aufhören. Das wusste er aus Erfahrung. Ihrem Ton nach zu urteilen lag ihr daran, zuerst dieses Gespräch zu führen.

Er zwang sich, Harper auf dem Boden abzusetzen. Verlegen zupfte sie ihre Bluse zurecht und schüttelte den Kopf. „Vielleicht sollten wir dieses Gespräch besser früher als später führen.“

„Das klingt nicht schlecht“, gab er zu und versuchte, den Protest seines Körpers dagegen zu ignorieren, dass er sie losgelassen hatte.

„Gib mir einen Moment. Das ist nicht das richtige Outfit für einen Umzug. Wenn du das Essen schon einmal vorbereiten willst, im Schrank über der Anrichte findest du die Teller.“

Sie konnte ihm nichts vormachen. Natürlich musste sie sich umziehen, aber im Moment lag ihr nur daran, Zeit zu gewinnen, um sich wieder zu fangen. Wenn er ehrlich war, konnte er diesen Moment auch gebrauchen. Er stellte sich vor, unter einer kalten Dusche zu stehen, bis er seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte.

Wenige Minuten später kam Harper in einem leichten Sommerkleid zurück, das ihre gebräunte Haut gut zur Geltung brachte und ihre Beine locker umspielte. Und schon hätte er wieder eine kalte Dusche brauchen können …

Er räusperte sich. „Ich habe mich umgesehen. Wie wäre es, wenn wir auf der Terrasse essen?“

„Das klingt gut.“

Sobald sie es sich draußen am Tisch bequem gemacht hatten, lehnte er sich zurück. Sie schob das Essen nervös auf ihrem Teller hin und her.

„Du wolltest darüber reden, wie wir es mit der Intimität halten wollen“, half er ihr auf die Sprünge.

„Stimmt.“ Sie richtete sich auf. „Du hast gesagt, du möchtest Sex, aber ich bin mir da nicht so sicher.“

Das hatte er erwartet, aber er verstand trotzdem nicht, wo das Problem war. „Wovor hast du Angst?“

„Dies ist eine reine Vernunftehe, die wir nach fünf Jahren beenden können, wenn wir wollen. Wäre es da nicht am besten, klare Grenzen zu haben?“

Rein oberflächlich betrachtet klang das vernünftig, aber er hatte das Gefühl, dass es noch einen anderen Grund gab. „Du glaubst, wir könnten uns ineinander verlieben, wenn wir wieder zusammen schlafen?“

„Nicht zwangsläufig verlieben“, widersprach sie, „aber es wäre dann alles komplizierter.“

Grundsätzlich stimmte er ihr zu. Sex miteinander zu haben war ein großer Schritt. War er einmal getan, gab es kein Zurück mehr. Und doch … „Wir haben diese Linie schon überschritten. Würde es wirklich helfen, wenn wir uns nun zurückhalten?“

„Es ist jetzt etwas anderes.“

„Ja, ich weiß.“ Er nahm ihre Hand in seine. „Wir haben das Pferd von hinten aufgezäumt. Zuerst die Schwangerschaft, dann die Hochzeit und nun das Kennenlernen.“

Autor

Rachel Bailey
Rachel Bailey war während ihrer Schulzeit nicht sehr interessiert am Schreiben und lesen. Physik, Chemie und Biologie waren ihre Lieblingsfächer. Ihre Mutter machte sich darüber lustig, dass sie wissenschaftliche Lehrbücher in den Urlaub mitnahm. Nach der Schule machte sie einen wissenschaftlichen Abschluss (wer hätte das auch anders gedacht?) aber ganz...
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