Baccara Collection Band 419

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HEISSE SEHNSUCHT NACH DIR von SHERI WHITEFEATHER

Models und Affären - das ist die Welt von Playboy Brandon Talbot. Doch seit ihm die schöne Mary im Park buchstäblich in die Arme gelaufen ist, denkt er nur an sie. Ihr sprühender Charme weckt heiße Sehnsucht in ihm. Dann macht der Staranwalt eine fatale Entdeckung…

EINE SCHARFE SOMMERFANTASIE von BRENDA JACKSON

Als Ellie Weston in das Nachbarhaus am See einzieht, fühlt Uriel Lassiter sofort pures Verlangen. Sie nach all der Zeit wieder zu küssen, ist für den athletischen CEO mehr als nur ein Abenteuer. Aber was, wenn Ellie bloß eine flüchtige Sommeraffäre will?

LIEBESTRAUM IN NEW YORK CITY von PAMELA YAYE

Für Morrison Drake ist Beauty-Bloggerin Karma die schönste Frau New Yorks! Ihre schillernde Persönlichkeit fasziniert ihn, und ihr Sex-Appeal bringt den erfolgreichen Richter um den Verstand. Doch als er um ihre Hand anhält, kommt ein dunkles Geheimnis ans Licht…


  • Erscheinungstag 19.05.2020
  • Bandnummer 419
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726645
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sheri WhiteFeather, Brenda Jackson, Pamela Yaye

BACCARA COLLECTION BAND 419

SHERI WHITEFEATHER

Heiße Sehnsucht nach dir

Brandon Talbot ist der heißeste Single der Stadt. Ihn verführen? Das ist eigentlich nicht Marys Art. Aber um sich an dem Starjuristen zu rächen, ist ihr jedes Mittel recht. Er soll wissen, wie es ist, wenn man betrogen wird! Doch als der smarte Anwalt sie küsst, spürt Mary statt Rachegefühlen plötzlich süßes Verlangen …

BRENDA JACKSON

Eine scharfe Sommerfantasie

Groß, muskulös und verboten sexy! Wie hypnotisiert blickt Ellie auf den Mann, von dem sie schon als Teenager schwärmte. Uriel Lassiter jetzt zu sehen, wie er vor ihrem Sommerhaus im See nackt badet, übertrifft all ihre Träume. Natürlich hat er sie längst vergessen, denkt sie. Bis er plötzlich vor ihrer Tür steht und Ellie mit einem unglaublichen Angebot überrascht …

PAMELA YAYE

Liebestraum in New York City

Schönheitsexpertin Karma Sullivan hat für Männer keine Zeit! Ihr Beauty-Salon steht an erster Stelle. Dann platzt der atemberaubend attraktive Richter Morrison Drake in ihr Leben. In seinen starken Armen fühlt Karma, was ihr bisher gefehlt hat: bedingungslose Zärtlichkeit! Nur wird der smarte Womanizer sie trotz ihrer Vergangenheit lieben?

1. KAPITEL

Mary McKenzie saß im Stadtpark von Nashville auf einer Bank und wartete darauf, dass Brandon Talbot auftauchte. Er führte seinen Hund hier jeden Sonntagmorgen spazieren. Bisher hatte sie ihn noch nie persönlich getroffen, aber sie wusste schon alles Mögliche über ihn.

Brandon war ein attraktiver, beruflich überaus erfolgreicher Anwalt. Außerdem war er der Mann, den sie verführen sollte. Nicht bis zu dem Punkt, mit ihm ins Bett zu gehen. Gott bewahre, das würde sie niemals tun.

Vielleicht hatte sie ja Glück, und Brandon ließ sich heute gar nicht blicken. Oder in Begleitung einer seiner glamourösen Eroberungen. Dann käme sie ungeschoren davon.

Sie ließ ihren Blick in die Ferne schweifen und entdeckte ihn und seinen sibirischen Husky. Sollte sie diese aberwitzige Mission abbrechen und weglaufen?

Nein, dachte sie. Wenn sie jetzt kniff, würde sie seinem Vater, dem Superstar der Countrymusik schlechthin, durchgehen lassen, dass er ihre Mutter so schmerzlich betrogen hatte. Und auch Brandons eigene Schuld bliebe für immer ungesühnt.

Mary wandte sich wieder dem Buch zu, das sie zu lesen vorgab. Schließlich klappte sie es zu und steckte es in ihre Tasche. Dann erhob sie sich, als wollte sie den Park im nächsten Moment verlassen.

Brandon trug Pullover, Jogginghose und teure Sneakers. Während sie ihm entgegenging, wünschte sie sich, sie würde ihn nicht so attraktiv finden. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, waren amouröse Gefühle für den Feind.

Als sie einander beinahe erreicht hatten, blickte sie auf und schaute ihn an. Er grüßte mit einem Kopfnicken. Hätte sie es nicht besser gewusst, so hätte sie ihn fast für einen guten Menschen halten können. Sein Benehmen war zuvorkommend. Auch sie versuchte, freundlich zu ihm zu sein.

Sie ergriff die Gelegenheit, die sich ihr bot, um ihn anzusprechen. „Ich habe Sie hier schon einmal gesehen und wollte Ihnen bereits damals sagen, wie hinreißend ich Ihren Hund finde.“ Diesen Satz hatte sie wochenlang geübt.

Brandon lächelte, ganz entspannt und absolut hinreißend. Er war schlank und hochgewachsen, hatte schwarzes Haar und strahlend blaue Augen. Marys Puls beschleunigte sich spürbar.

„Danke“, antwortete er. „Sein Name ist Cline.“

Das wusste sie bereits von Brandons Instagram-Seite. „Ich hätte auch gern einen Husky. Aber ich wohne mit meiner Schwester zusammen. Unsere Wohnung ist viel zu klein für so ein Tier.“ Mary hatte sich für die Strategie entschieden, Lüge und Wahrheit zu mixen. Das gemeinsame Apartment entsprach der Realität. „Ist es okay, wenn ich ihn streichle?“

„Sicher.“

Sie kniete sich hin, um das Fell des Hundes zu klopfen, während das Tier geduldig stehen blieb. „Und diese Augen erst! So blau wie der Himmel.“ Wie die Augen seines Herrchens, dachte sie. Doch das konnte sie nicht offen sagen. Sie erhob sich und stand Brandon nun direkt gegenüber. „Cline ist ein ungewöhnlicher Name.“

„Der bezieht sich auf Patsy Cline, meine Lieblingssängerin.“ Wieder zeigte er sein gewinnendes Lächeln. Er hatte makellose weiße Zähne und ein umwerfend markantes Kinn.

Sie zwang sich, ebenfalls zu lächeln. Sie hatte einen Spalt zwischen ihren oberen Schneidezähnen, was manche Leute supertrendy fanden. Aber Mary passte definitiv in kein Modelschema. Mit ihren gerade mal einen Meter sechzig, dem naturroten Haar und einer Haut voller Sommersprossen konnte sie höchstens als einigermaßen hübsch durchgehen. Ihre Schwester sah das allerdings anders. Für sie war Mary das perfekte Mädchen aus der Nachbarschaft, um das sich die geheimen Fantasien der Männer rankten. Aber Alice hatte nun mal ein beeindruckendes Vorstellungsvermögen. Sie war es auch gewesen, die den Verführungsplan ausgeheckt hatte. So etwas wäre Mary allein niemals eingefallen. Sie war keine Femme fatale. Sie wusste nicht einmal, ob es ihr gelingen würde, Brandon für sich zu interessieren.

Um ihre Zweifel zu vergessen, konzentrierte sie sich wieder auf ihr Gespräch. „Ich mag ein paar von ihren Liedern. Meine Großmutter hat sie gern gehört.“ Auch ihre Mutter hatte die alten Platten ab und zu aufgelegt. Doch aus Sicherheitsgründen vermied sie es, ihre Mutter zu erwähnen.

Auf einmal wirkte Brandon seltsam beunruhigt. „Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?“

Gütiger Himmel. Sie bemühte sich, ihre Fassung zu bewahren. Hatte er bereits Verdacht geschöpft? War das sein Anwaltsinstinkt, seine Fähigkeit, Lügner zu enttarnen?

Sie war entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. „Verzeihen Sie, aber sollte ich Sie kennen? Sind Sie Politiker, oder etwas in der Art?“

Eine leichte Brise ließ sein Haar flattern. Die Frisur überzeugte durch einen perfekten Schnitt und erstklassige Pflege. „Finden Sie etwa, dass ich danach aussehe?“

„Irgendwie schon. Aber das war nur so eine Idee.“ Sie zwang sich, in beiläufigem Ton weiterzureden. „Wollen Sie mir nicht endlich sagen, wer Sie sind?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich entstamme einer prominenten Familie.“

„Haben Sie mit den Kennedys zu tun? Ein Neffe? Ein Cousin?“

„Nein, nichts dergleichen. Ich heiße Brandon Talbot und bin Anwalt in der Unterhaltungsbranche. Mein Bruder und mein Vater sind Countrymusiker, Tommy und Kirby Talbot.“

„Oh, wow.“ Sie tat überrascht. „Sie sind Tommy Talbots Bruder?“ Es war leichter, die Unterhaltung in diese Richtung zu lenken, denn Tommy hatte nichts mit dem Missgeschick ihrer Mutter zu tun. „Er ist wahnsinnig berühmt, vor allem hier in der Gegend.“

„Und mein Vater hat bereits Legendenstatus.“ Er grinste verlegen. „Manchmal ist er der Erste, der davon anfängt.“

Brandon machte sich tatsächlich über das Ego seines Vaters lustig. Ihre Gedanken schweiften zurück zu jenem Schicksalssommer vor acht Jahren, als ihre Mutter nach Nashville gegangen war, in der Hoffnung, als Songwriterin groß herauszukommen.

Und siehe da, der allmächtige Kirby hatte davon erfahren, dass sie durch die Clubs der Stadt zog, um ihre Lieder vorzutragen. Und während seiner Bemühungen, sie ins Bett zu kriegen, versprach er, ihr die Songs abzukaufen. Doch als ihre kurze Affäre vorbei war, ließ er sie einfach links liegen. Gebrochen kehrte Mama nach Oklahoma zurück. Sie fühlte sich wie eine Versagerin, eine Schlampe, versuchte aber weiterhin, ihn zu kontaktieren, um ihn an sein Versprechen zu erinnern. Doch er behandelte sie, als sei sie nur ein verrückter Fan. Er zeigte sie sogar an und erwirkte ein Kontaktverbot. Zu diesem Zeitpunkt war Brandon auf der Bildfläche erschienen. Er hatte die Klage beantragt, die Mama zur Stalkerin abstempelte.

Danach war nichts mehr wie vorher. So sehr Mary damals auch versuchte, die Familie zusammenzuhalten, es gelang ihr nicht. Mama verfiel in eine schreckliche Depression. Alice entwickelte sich zu einem launischen Kind und später zu einem rebellischen Teenager, dessen größter Wunsch es war, Kirby sein Verhalten eines Tages heimzuzahlen. Mary hatte geschworen, ihr dabei zu helfen. Und als ihre Mutter im Frühjahr gestorben war, hatten sie damit begonnen, ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Ursprünglich hatten sie Kirby einfach nur verklagen wollen. Doch da sie nicht beweisen konnten, dass er versprochen hatte, die Songs ihrer Mutter zu kaufen, mussten sie sich etwas anderes ausdenken. Vielleicht reichte es ja, den Vorgang öffentlich zu machen. Sie beschlossen, das Schicksal ihrer Mutter an eine Regenbogengazette zu verkaufen, um Kirby als den Mistkerl zu entlarven, der er war. Aber dann erschien Kirbys Biografie, deren Lektüre ergab, dass es darin nur so vor skandalösen Geschichten wimmelte. Einige davon waren viel anstößiger als alles, was sie selbst der Presse stecken könnten.

Also brütete Alice einen neuen Plan aus, der Brandon in die Sache mit hineinzog. Bei ihren Recherchen im Netz hatte sie herausgefunden, dass ein paar seiner Freunde ihm rieten, sich endlich ein nettes Mädchen zu suchen. Wenn Brandon tatsächlich Interesse an einer normalen Frau entwickeln würde, statt sich weiter mit Stars und Sternchen zu umgeben, hätte Mary vielleicht eine Chance, ihn für sich zu gewinnen. Und sobald er anbiss, sollte sie ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, ganz so, wie sein Vater es einst mit ihrer Mom getan hatte. Später wollten sie dann Kontakt zu Kirby aufnehmen, um ihm zu sagen, wer sie waren und warum sie Brandon getäuscht hatten, nämlich um Vater und Sohn eine Lektion zu erteilen.

Und nun stand Mary also hier, schaute in Brandons tiefblaue Augen und hatte Mühe, sich nicht darin zu verlieren.

„Hat Ihr Vater nicht gerade seine Biografie veröffentlicht?“, erkundigte sie sich betont gleichgültig, obwohl ihr das Herz vor Aufregung bis zum Hals pochte. „Ich glaube, so was im Radio gehört zu haben.“

„Ja, Sie haben richtig gehört. Das Buch war ein voller Erfolg und hat es schon auf die Bestsellerlisten geschafft.“

Sie tat gelangweilt. „Die meisten Bücher hole ich mir aus der Bibliothek. Das sind vor allem Klassiker und gebundene Werke.“ Ehe sie weitersprach, zögerte sie einen Moment. „Dachten Sie etwa, ich wäre ein Fan, der Sie Ihrer Familie wegen anspricht?“

„Das passiert mir häufig. Und es ist noch schlimmer geworden, seit Dads Buch erschienen ist. Doch den meisten Ärger damit hat Matt, unser Halbbruder in Texas. Als wir aufwuchsen, war er Dads heimliches Kind.“

Sie hatte gelesen, wie furchtbar Kirby seinen unehelichen Sohn behandelt hatte. Und auch für Brandon und Tommy war er kein besonders guter Vater gewesen. Die meiste Zeit ihres Lebens hatte er entweder getrunken oder Drogen konsumiert. Wahrscheinlich hatte er mittlerweile einen Entzug gemacht. Doch Brandon pflegte auch zu Kirbys schlimmsten Zeiten eine gute Beziehung zu seinem Dad – anders als seine Brüder, die sich des Öfteren mit ihm angelegt hatten. In letzter Zeit arbeiteten sie jedoch alle zusammen an ihrer Version einer großen, glücklichen Familie. So etwas lag außerhalb von Marys Vorstellungsvermögen. Mama hatte ihren Lebensmut schon lange vor ihrem Tod verloren.

„Wer sind Sie denn eigentlich?“, fragte Brandon unvermittelt.

„Oh, ich heiße Mary McKenzie.“ Es war nicht zu befürchten, dass ihr Familienname eine Erinnerung bei ihm wachrufen könnte, denn sie hieß anders als ihre Mutter. „Ich arbeite bei Sugar Shop, einer Konditorei.“

„Ich habe von dem Laden gehört, bin aber noch nie da gewesen. Dabei habe ich eine Schwäche für Süßes.“

Sie wollte sich gar nicht ausmalen, welche weiteren Schwächen er noch haben könnte. „Ich bin erst seit drei Monaten dort. Davor war ich in einer Bäckerei in Oklahoma City tätig.“

„Von dort stammen Sie wohl ursprünglich?“

„Richtig.“ Diesbezüglich wollte sie nicht lügen. Viele Menschen kamen aus Oklahoma City, nicht nur die Frau, die von Brandon und seinem Vater ruiniert worden war. „Ich lebe mich langsam hier in Nashville ein.“

Wieder ließ er sein perfektes Lächeln sehen. „Na dann, herzlich willkommen in der Welthauptstadt der Musik. Was hat Sie hierhergeführt?“

Wenn du bloß wüsstest, dachte sie. Aber auch für diese Frage hatte sie eine vorgefertigte Antwort parat. „Meine Schwester hat online einen Mann kennengelernt. Er kommt aus Tennessee, und sie haben eine Fernbeziehung angefangen. Dann ist sie hierhergezogen, um näher bei ihm zu sein, aber die Sache ging schief. Alice ist erst neunzehn, hatte aber schon einige Freunde.“ Das entsprach der Wahrheit, denn Alice lebte praktisch für die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts.

„Das erklärt, weshalb Ihre Schwester hierhergezogen ist. Aber was hat das mit Ihnen zu tun?“

„Auch ich brauchte eine Veränderung. Ich bin Konditorin, habe mich mittlerweile aber zur Meisterin weitergebildet. Der Kurs ist fast abgeschlossen, sodass ich Alice bald dabei unterstützen kann, beruflich Fuß zu fassen.“

„Was hat sie denn für Interessen?“

„Sie tendiert zu Modedesign. Im Herbst fängt sie mit dem College an. Ich hoffe, sie hält das durch, denn sie kann ziemlich flatterhaft sein.“ Mary hatte nicht vor, die Persönlichkeit ihrer Schwester zu verschleiern. Wenn Brandon und Alice sich jemals begegnen sollten, würde er selbst sehen, was mit ihr los war. „Manchmal mache ich mir Sorgen, weil sie so viel online ist und andauernd feiern geht. Ich habe sie dazu überredet, ihre Profile in den sozialen Netzwerken zu löschen, als wir umgezogen sind. Aber kaum waren wir hier, hat sie neue Konten eröffnet und wieder angefangen, auf Partys zu gehen.“ In Wirklichkeit hatte Alice die digitalen Spuren ihrer Vergangenheit gelöscht, damit sie und Mary schlechter auszuforschen waren. Aber die sozialen Aktivitäten ihrer Schwester gestalteten sich nach wie vor für Marys Geschmack viel zu ausschweifend.

Brandon nickte, als könnte er sie verstehen. „Ich weiß, wie es ist, wenn man sich um seine Geschwister sorgt. Tommy war früher auch sehr unstet.“

„Schwer zu sagen, wie es mit Alice weitergeht. Vielleicht macht sie einmal Karriere als Designerin. Immerhin ist sie sehr talentiert.“

„In der Modeindustrie kenne ich mich gut aus. Meine Mutter hat früher als Model gearbeitet. Heute führt sie eine Kosmetikfirma. Ihr Name ist Melinda Miller.“

„Das ist Ihre Mom?“ Sie tat so, als wüsste sie nichts über Kirbys Ex-Frau. „Ich habe TV-Werbespots von ihr gesehen. Oh Gott, Sie entstammen wirklich einer berühmten Familie. Zwar nicht die Kennedys, aber immerhin …“

Er lachte über ihren Kommentar, und nach einem Moment peinlicher Stille ergriff sie wieder das Wort. „Ich hoffe, Sie finden es nicht seltsam, dass ich Ihnen so viel von meiner komplizierten Schwester erzählt habe. Normalerweise bin ich Fremden gegenüber nicht so redselig.“

„Ich auch nicht.“ Er zwinkerte ihr aufreizend zu. „Aber eigentlich würden mich Ihre eigenen Männergeschichten weit mehr interessieren.“

Mary spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Er flirtete mit ihr, und sie benahm sich wie eine Idiotin. Sollte sie ihm erzählen, dass sie Single war?

Sie entschloss sich, bei der Wahrheit zu bleiben. „Mein Liebesleben ist nicht besonders aufregend. Ich bin fünfundzwanzig und hatte erst eine ernstzunehmende Beziehung. Und die war weniger bedeutsam, als sie hätte sein sollen.“

„Sie sind jung und haben noch viel Zeit, um den Richtigen zu treffen. Schauen Sie dagegen mich an – ich werde dieses Jahr siebenunddreißig.“

„Ich wette, Sie hatten schon viele Freundinnen.“ Darüber wusste sie bereits bestens Bescheid. Auf seinen Onlineprofilen wimmelte es von bildhübschen Frauen.

„Zugegeben, ich habe meinen Spaß gehabt, aber bei Weitem nicht so ausgiebig wie Tommy. Dem haben sich die Frauen buchstäblich an den Hals geworfen. Mittlerweile ist er verheiratet und wird bald Vater. Er ist so glücklich wie nie zuvor.“

„Das freut mich.“ Sie hatte von Tommy und seiner Frau Sophie in Kirbys Buch gelesen. Matts Beziehung mit seiner Verlobten Libby wurde darin auch ausführlich erwähnt. Libby war die Biografin, die Kirbys Geschichte aufgeschrieben hatte. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Anwälte in der Unterhaltungsbranche keine Groupies haben?“

„Nicht, dass ich wüsste.“ Er trat näher an sie heran. „Aber ich muss gestehen, die Idee hat was.“

Mary spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Er starrte sie so fasziniert an, als würde er sich gerade ausmalen, sie wäre eine seiner süßen, kleinen Verehrerinnen. Die Luft zwischen ihnen fing buchstäblich an zu knistern. Und sie ertappte sich bei der Frage, wie er wohl als Liebhaber wäre.

Kraftvoll und zärtlich, stellte sie sich vor. Ein Mann, der sie zum Stöhnen brachte und sie dahinschmelzen ließ.

Sie fühlte Panik in sich aufsteigen. „Ich sollte Sie jetzt in Ruhe lassen.“ Die erotische Spannung und ein unvermitteltes, unwiderstehliches Verlangen, ihm körperlich näherzukommen, drohten sie zu überwältigen. „Sie wollten hier nur mit Cline spazieren gehen, und ich stehle Ihnen einfach Ihre Zeit. Vielleicht treffen wir uns ja nächsten Sonntag zufällig wieder.“

„Das fände ich sehr schön“, sagte er mit samtweicher Stimme.

„Ich auch.“ Ihr Herz hämmerte erbarmungslos. Gerade hatte sie einen Hauch seines würzigen Rasierwassers geschnuppert.

„Ich werde da sein. Gleicher Ort, gleiche Zeit.“ Er zog an der Hundeleine.

„Okay.“ Sie verfluchte ihr verräterisches Herzklopfen. Sie hatte sein Interesse geweckt, ganz so wie sie es geplant hatte. Doch jetzt musste sie seinen Fängen entfliehen, möglichst mit einem intakten Nervenkostüm. „Bye-bye, Brandon.“

„Auf Wiedersehen, Mary.“

Sie ging in die entgegengesetzte Richtung davon, eisern bemüht, die Ruhe zu bewahren. Doch sie spürte noch lange, wie er sie mit seinem Blick verfolgte. Offenbar war er genauso beeindruckt von ihr wie sie von ihm.

Kaum hatte Mary die Wohnung betreten, kam ihr ihre Schwester entgegen. „Wie ist es gelaufen? Hat er mit dir geredet?“

„Ja.“ Sie versuchte noch immer, die sinnlichen Gefühle, die er in ihr ausgelöst hatte, unter Kontrolle zu bekommen. „Ich war so nervös, dass ich nicht wusste, wie ich das durchstehen sollte.“

„Du musst mir alles haarklein erzählen.“ Alice packte sie am Arm und zog sie mit sich auf das Sofa. Zum Glück stand die Tür zu ihrem Minibalkon offen. Mary brauchte die frische Luft ganz dringend.

„Also?“, drängte Alice.

„Darf ich erst mal eine Minute durchatmen?“

„Ich warte schon seit Stunden hier auf dich. Aber bitte.“ Alice verdrehte ungeduldig ihre stark geschminkten Augen. Sie wechselte ihren Stil häufig, und zurzeit probierte sie einen Mix aus Western- und Punkrockelementen. Zum hautengen Fransenkleid hatte sie Gothikschmuck kombiniert. Ihr kurzes Haar war platinblond und stachelig gestylt. Trotz des einigermaßen bizarren Outfits konnte man ihre aparte Schönheit noch gut erkennen. Mama war ebenfalls eine bildhübsche Frau gewesen. Im Vergleich dazu empfand sich Mary als graue Maus. Und doch war sie es gewesen, die gerade eine Begegnung mit Kirbys unverschämt attraktivem Sohn gehabt hatte.

„Die Zeit ist um“, sagte Alice. „Das war sogar länger als eine Minute.“

„Er scheint mich zu mögen“, begann Mary. Allein der Gedanke an ihn ließ ihren Atem stocken. „Aus der Nähe sieht er sogar noch besser aus. Ihm in die Augen zu schauen war einfach überirdisch.“

„Er ist wohl heißer, als du erwartet hast? Und er fand dich sympathisch? Dann dürfte es dir nicht schwerfallen, ihn ins Bett zu kriegen.“

„Vergiss es.“ Mary winkte ab, obwohl sie mit ihren eigenen verbotenen Wünschen kämpfte. „Ich habe dir bereits gesagt, dass Sex für mich keine Option ist, selbst, wenn er sich für mich interessieren sollte.“

„Du bist so verklemmt. Dann musst du seine Aufmerksamkeit eben auf andere Weise erregen.“ Alice rückte an Mary heran. „Los, erzähl schon, was genau passiert ist.“

Mary ging vor allem auf den Anfang ihres Gesprächs ein, bevor sie begonnen hatte, von seinen Qualitäten als Liebhaber zu fantasieren.

Alice fiel ihr ins Wort. „Ich wette, du hast einen Riesenschreck bekommen, als er dich gefragt hat, ob du weißt, wer er ist.“

„Ich war wie versteinert.“ Aus Angst, er könnte sie durchschaut haben.

„Offenbar hast du die Sache ganz prima hingekriegt. Ich wusste, du würdest es mühelos schaffen, ihm das nette Mädchen von nebenan vorzuspielen.“

„Ich habe mich dabei aber ganz schlecht gefühlt.“ Im Moment war sie total durcheinander. „Was, wenn er an dem, was passiert ist, gar keine Schuld trägt? Womöglich wusste er gar nichts davon, dass sein Dad Lügen über unsere Mom verbreitet hat. Wenn er ihm geglaubt hat, dass sie eine Stalkerin war, dann hat er mit der Unterlassungsklage gegen sie nur seinen Job gemacht.“

Fassungslos starrte Alice sie an. „Das meinst du nicht ernst.“

Jetzt, wo Mary ihn persönlich kennengelernt hatte, konnte sie sich nicht mehr vorstellen, dass er ein schlechter Mensch war. Aber vielleicht hasste sie sich auch einfach nur selbst dafür, dass sie sich von einem solchen Schurken angezogen fühlte. „Ich will einfach nur sicher sein.“

„Ich habe jedenfalls nicht den geringsten Zweifel, dass er genauso kaltblütig ist wie sein Vater.“

„Du hast wahrscheinlich recht.“ Aber sie brauchte absolute Gewissheit. „Auf jeden Fall werde ich ihn nächste Woche wiedersehen.“

„Du solltest ihm Gebäck mitbringen. Etwas, das du speziell für ihn gebacken hast, um ihm den Mund wässrig zu machen.“

„Er hat mit erzählt, dass er eine Schwäche für Süßes hat. Für Cline mache ich ein paar Hundekekse.“

„Oh, genau das würde ein nettes Mädchen tun – seinem Biest von einem Hund auch noch extra Leckerlis mitbringen.“

Mary beeilte sich, den Husky zu verteidigen. „Cline ist ein sehr freundliches Tier.“

„Kann sein, aber das macht sein Herrchen noch nicht zu einem guten Menschen.“ Die Abneigung ihrer Schwester gegenüber Brandon war allzu offensichtlich. „Ich frage mich, ob er Fotos von dir auf seine Instagramseite stellt, wenn er mit dir etwas anfängt. Oder vielleicht Selfies mit dir und dem Hund.“ Alice seufzte. „Zu schade, dass du ihn nicht verführen willst. Sex würde mir die Rache um einiges versüßen.“

„Mir ginge das wirklich zu weit.“ Sie befürchtete, dass ihre Seele in Gefahr geraten würde, wenn sie mit ihm schlief. Nicht nur aufgrund ihrer unerwarteten Gefühle für ihn, sondern auch wegen ihres falschen Spiels.

„Okay, du hast nun mal deine moralischen Prinzipien. Das bedeutet aber nicht, dass du noch Jungfrau bist, oder?“

„Darum geht es nicht.“ Ihr Liebesleben stand hier nicht zur Debatte. Sie hatte bisher erst mit einem Mann geschlafen – ihrer einzigen Beziehung, die ihr zu wenig bedeutet hatte. „Brandon ist ohnehin nicht mein Typ.“

„Ich wusste nicht, dass du einen besonderen Typ hast.“

„Jedenfalls stehe ich nicht auf einen Anwalt, der mich vermutlich nur unterdrücken würde. Ich habe nämlich den Eindruck, dass er im Schlafzimmer ähnlich dominant sein könnte wie im Gerichtssaal.“

Alice hob ihre Füße, die in Cowboystiefeln steckten, auf den Couchtisch. „Jetzt mal ehrlich, wen willst du hier eigentlich hinters Licht führen? Du wünschst dir doch nichts mehr, als ihn flachzulegen.“

„Können wir bitte das Thema wechseln?“ Mary konnte das Gespräch nicht länger ertragen.

„Meinetwegen. Solange du dafür sorgst, dass er am Ende seine gerechte Strafe kriegt und leidet. Außerdem hast du doch mit den Fesselgeschichten angefangen, nicht ich.“

„Und du machst aus einer Mücke einen Elefanten.“

„Okay, aber egal, wie scharf du auf ihn bist, vergiss bitte nie, dass wir das hier für Mama tun. Was immer du machst, verliere niemals dein Herz an ihn.“

„Das habe ich nicht vor.“ Es hatte keinen Sinn, Gefühle für einen Mann zu entwickeln, von dem sie nicht wusste, ob er überhaupt vertrauenswürdig war.

2. KAPITEL

Am Freitagabend saß Brandon neben seiner Begleiterin auf der Rückbank einer Limousine und fragte sich, wie viele derartige Empfänge er im Laufe seines Lebens schon besucht hatte. Hunderte, Tausende? Momentan kam es ihm vor, als wären es Millionen gewesen.

Schon jetzt quälte ihn die Langeweile, dabei waren sie noch gar nicht am Veranstaltungsort angelangt. Er gehörte zum Organisationsteam und stand voll hinter seinem Engagement in der Wohlfahrt. Aber wie viele luxuriöse Events würde er noch ertragen können?

Doch sein eigentliches Problem war die Rothaarige, die er im Park getroffen hatte, und die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte. Mary McKenzie. Er bezweifelte, dass sie jemals im glitzernden Abendkleid auf einem rauschenden Ball getanzt hatte.

„Geht es dir gut?“, fragte Doreen. Die langbeinige Brünette war eine seiner gelegentlichen Freundinnen. Eine Millionenerbin, die bereits zweimal geschieden war und ihrer Figur zuliebe auf eine kohlenhydratfreie Ernährung schwor, außerdem auf Botox, um ihre Gesichtsfalten zu glätten.

„Bestens.“

„Du wirkst etwas durcheinander.“

„Ich sitze hier doch ganz entspannt.“ Und denke daran, Mary wiederzusehen, die erfrischend unverbrauchte Fünfundzwanzigjährige, die in einer Bäckerei jobbte. Sie entsprach so gar nicht seinem sonstigen Beuteschema. „Vielleicht befinde ich mich gerade in einer Krise und sehne mich nach Dingen, auf die ich lieber verzichten sollte.“ Das könnte tatsächlich der Grund dafür sein, dass er von einer Frau fantasierte, die er kaum kannte.

Doreen knipste das Licht über ihnen an. „Hat dir jemand den Kopf verdreht? Wir Frauen spüren es, wenn ein Mann an eine andere denkt.“

„Es gibt keine andere.“ Sie brauchte nicht zu erfahren, dass er den Sonntag kaum abwarten konnte, um die schöne Unbekannte, die sein Blut in Wallung brachte, wiederzusehen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so etwas für eine Frau empfunden hatte.

Doreen seufzte. „Es macht mir nichts aus, wenn du auf jemand anderen stehst, denn mir geht es genauso.“

Erfand sie irgendwelche Geschichten, um ihm die Wahrheit zu entlocken? „Wenn du von einem anderen Mann träumst, weshalb bist du dann mit mir unterwegs?“

„Du und ich haben diesen Termin schon lange im Voraus geplant. Und da wir uns seit Monaten nicht mehr gesehen haben, dachte ich, wir gehen einfach als Freunde zusammen aus.“

Ein durchaus vernünftiger Plan, befand er. Doreen war nicht die Einzige, die er in letzter Zeit vernachlässigt hatte. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte er keinen Sex mehr gehabt. Und er hatte auch nichts vermisst, bis zu der Begegnung mit Mary.

Doreen schaute prüfend in ihren Klappspiegel. „Der Typ, den ich verführen will, wird ebenfalls auf dieser Party sein. Also dachte ich …“

„Du benutzt mich, um ihn auf dich aufmerksam zu machen?“ Im Normalfall hätte ihn das sicher zur Weißglut gebracht. Aber es interessierte ihn schlicht nicht, ob sie hinter einem anderen Mann her war. „Wer ist es?“

„David Norton.“

„Der Modemilliardär? Steht er nicht seit Kurzem auf der Liste der reichsten US-Amerikaner?“

Sie steckte den Spiegel zurück in ihre Tasche. „Ich brauche sein Geld nicht. Davon habe ich selbst genug.“

Das stimmte. Durch ihr Erbe und ihre Ex-Ehemänner hatte sie ausgesorgt. „Ja, okay, aber ist er nicht ein bisschen zu alt für dich?“ David Norton hatte einen guten Charakter, ging aber stramm auf die siebzig zu. Doreen war erst Anfang vierzig.

„Er steht auf Frauen meines Alters. Und in unserem gesellschaftlichen Umfeld wird das immer wichtiger. Weißt du, wie oft mir schon junge Dinger meinen Partner ausgespannt haben? Ich wette, die Frau, in die du vernarrt bist, ist blutjung und süß.“

Vielleicht zu süß, dachte er. Tigerinnen wie Doreen waren eigentlich mehr nach seinem Geschmack.

„Ist deine neue Flamme etwa auch bei diesem Empfang?“

„Sie verkehrt nicht in unseren Kreisen.“ Verdammt, damit hatte er mehr oder weniger zugegeben, dass er an eine andere Frau dachte.

„Oh je.“ Theatralisch legte Doreen eine Hand auf das gesmokte Oberteil ihrer Robe, um anschließend damenhaft zu seufzen. „Du bewegst dich außerhalb deines sozialen Umfelds? Dann sehe ich Ärger auf dich zukommen.“

Er hasste es, wenn sie sich über ihn lustig machte.

„Brandon, ich meine es ernst. Diese Art von Affären funktioniert nicht.“

„Ich habe nicht gesagt, dass ich was mit ihr anfangen will.“ Sicher, er begehrte Mary, aber bisher war lediglich ein weiteres Treffen im Park verabredet. Und doch hatte er den Eindruck, dass er sie nervös gemacht hatte. „Eigentlich habe ich keine Lust, mich über sie zu unterhalten. Lass uns diesen Abend einfach so rasch wie möglich hinter uns bringen.“

Ihm selbst konnte die Zeit bis Sonntagmorgen nicht schnell genug verstreichen, denn dann würde er Mary wiedersehen.

Mary parkte ihren Wagen in einer Seitenstraße. Sie wünschte, sie müsste Brandon nicht ausspionieren. Diese Aufgabe würde ihr leichter fallen, wenn sie wie Alice von seinem schlechten Charakter überzeugt wäre. Doch momentan war sie sich über gar nichts mehr im Klaren.

In die Isoliertasche, die sie bei sich trug, hatte sie unterschiedliche Törtchen gepackt, eine Thermoskanne mit frischem Kaffee und Picknickutensilien.

Während sie über den Rasen lief, schaute sie sich suchend nach Brandon um. Als sie ihn erblickte, machte ihr Herz einen Hüpfer. Jetzt hatte er sie auch gesehen und kam mit dem Hund an der Leine auf sie zu. Es war ein heißer Tag, daher trug er heute Shorts und T-Shirt. Doch ganz gleich, was er anhatte, er wirkte immer, als wäre er gerade einem Modemagazin für Männer entsprungen. Sein Talent für Stil hatte er wohl von seiner Mutter geerbt, denn sein Vater kleidete sich immer von Kopf bis Fuß in Schwarz, wie ein Bandit.

Als sie sein Gesicht erkennen konnte, sah sie, dass er sie erwartungsvoll anlächelte. Ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken, als sei sie von einem Vampir gebissen worden. War er ein Mann ohne Seele? Oder hatte er einfach nur zu viel Sexappeal? So oder so, sie genoss seinen Blick und erwiderte sein Lächeln umgehend.

„Hallo, Mary“, sagte er, als sie sich gegenüberstanden.

„Hi.“ Sie hielt ihm die Tragetasche hin. „Heute habe ich Ihnen und Ihrem Hund etwas Leckeres zu essen mitgebracht.“

„Was denn genau?“

„Für Sie habe ich Himbeer-Ingwer-Muffins und Schoko-Zimt-Hörnchen gebacken. Für Cline gibt es Leckerlis mit Erdnussbutter und Schinken.“

„Das ist aber nett von Ihnen.“ Er leckte sich die Lippen. „Können wir gleich davon kosten?“

Sie nickte. Alles lief nach Plan, wenn man davon absah, dass sie seinen sinnlichen Mund hungrig anstarrte. Er zeigte mit der Hand auf eine Picknickbank in der Nähe. „Wollen wir?“

Sie setzten sich einander gegenüber, und sie war froh, dass die Tischfläche sie trennte. Obwohl Brandon die Hundeleine zu Boden fallen ließ, wich der Husky seinem Herrchen nicht von der Seite.

Mary deckte den Tisch so ansprechend wie möglich. Sie schenkte Kaffee ein und schob ihm eine Tasse hin. „Und das hier ist für Cline.“ Sie stellte eine Tüte mit knochenförmigen Keksen auf den Tisch.

„Rufen Sie ihn zu sich und befehlen Sie ihm, sich hinzusetzen. Dann wartet er, bis er etwas bekommt.“

Sie befolgte seinen Rat, und kurze Zeit später saß Cline mit erhobener Schnauze neben ihr. Sie ließ einen Keks fallen, und der Hund fing ihn mit dem Maul auf, um ihn auf dem Boden kauernd zu verspeisen. „Ich glaube, ich habe einen Freund fürs Leben gefunden“, bemerkte sie amüsiert.

„Das kann ich ihm nicht verdenken.“ Brandon sah sie an, als sei sie genauso appetitlich wie ihr Gebäck. „Was soll ich zuerst probieren?“

„Das bleibt Ihnen überlassen.“ Sie spürte ein heißes Feuer in ihrem Inneren auflodern und fragte sich, während sie an ihrem Kaffee nippte, ob sie nicht besser für sich selbst Eiswasser hätte mitbringen sollen, um diese Flammen zu löschen.

Er nahm sich einen Schoko-Zimt-Muffin, und sie beobachtete ihn dabei, wie er voller Appetit hineinbiss. „Verdammt, das ist gut.“

„Freut mich, wenn’s Ihnen schmeckt.“

Sie sah, dass auf seiner Tischseite ein altmodisches Herz mit Initialen ins Holz eingeritzt war, umrahmt von einigen unflätigen Kommentaren. Nichts ist so unschuldig, wie es zunächst scheint, dachte Mary. Wenn Brandon wüsste, was sie in Wirklichkeit vorhatte, würde er ihr den Muffin vor die Füße schleudern.

„Möchten Sie mir nicht beim Essen Gesellschaft leisten?“, fragte er.

Um ihre trüben Gedanken zu vertreiben, nahm sie sich einen Himbeer-Muffin. „Was wir jetzt nicht schaffen, dürfen Sie gern mitnehmen.“

„Mit Vergnügen. Als ich sieben oder acht war, hatte ich eine Kinderfrau namens Fleur, die mir öfters ein paar extra Kekse organisiert hat. Sie fand, ich hätte eine Belohnung für mein gutes Benehmen verdient.“

„Hat sie Sie mit großgezogen?“ Mary hätte sich als Kind niemals vorstellen können, von jemand anderem als ihrer Mutter zu Bett gebracht zu werden.

„Sie war nicht sehr lange bei uns. Ich hatte unzählige Nannys. Aber für Fleur hatte ich eine besondere Schwäche, der Kekse wegen. Und wofür hatten Sie früher eine Schwäche?“ Er zwinkerte ihr vielsagend zu.

„Sie meinen wohl, für wen.“ Sie hatte eindeutig eine unvorhergesehene Schwäche für ihn und konnte sich kaum auf ihre Antwort konzentrieren. „In der Mittelstufe gab es einen älteren Jungen namens Kasey. Aber er hat meine Gefühle nicht erwidert.“

Brandon musterte sie fasziniert. „Jetzt würde er das wahrscheinlich tun.“

Ihr Puls fing an zu rasen. „Ich bin längst über ihn hinweg.“

„Mary, ich musste die ganze Woche über an Sie denken. Ich würde wirklich gern mit Ihnen ausgehen.“

Oh, mein Gott. Er hatte sie gerade um ein richtiges Date gebeten. Die Dinge entwickelten sich schneller als erwartet.

Er lächelte. „In ein nettes Lokal.“

Weil er sie für ein nettes Mädchen hielt? „Ich bin schicke Lokale nicht gewohnt.“

„Es muss nicht unbedingt schick sein, Hauptsache wir können es uns gemütlich machen, und ich bekomme hinterher einen Abschiedskuss.“

Sie erschrak. „Und wenn ich nun der Meinung bin, dass wir uns bei der ersten Verabredung nicht gleich küssen sollten?“

„Dann wäre ich gezwungen, bis zum nächsten Date zu warten. Welcher normale heterosexuelle Mann hätte etwas anderes im Sinn, als dich zu küssen?“

Er ist nicht irgendein Mann, dachte sie. Er war der Rechtsanwalt, der ihre Mutter verklagt hatte. „Bei deinem Tempo wird mir ganz schwindelig. Ich hatte schon ewig keine Dates mehr.“

„Das kriegen wir schon hin. Isst du gern chinesisch? Ich könnte uns eine separate Loge im Crystal Buddha reservieren. Wie wäre es am Donnerstagabend?“

„Das würde passen. Ich gebe dir meine Telefonnummer, und du rufst mich an, sobald der Tisch reserviert ist. Vielleicht solltest du mir vorsichtshalber auch deine Nummer geben.“

Sie tauschten ihre Daten aus. „Ich glaube, mein Hund langweilt sich allmählich“, sagte er dann. Cline hatte sich auf dem Rasen ausgestreckt und döste.

„Vielleicht sollte er sich auch ein Date anlachen. Sag mal, hättest du was dagegen, wenn ich mir die Biografie deines Vaters besorge? Ich würde sie gern lesen, bin schon sehr gespannt.“

„Wirklich? Warum denn?“

„Um mehr über deine Familie zu erfahren.“ Und weil sie das Buch dann mit ihm diskutieren und seine Reaktion sehen konnte. „Dann hätten wir bei unserem Date etwas Interessantes zu besprechen.“

„Klar, wir können uns gern darüber unterhalten. Es wäre vielleicht gar nicht so schlecht, wenn du dich auf diese Weise über mein mehr oder weniger öffentliches Leben informierst. Aber du musst schnell lesen, das Buch hat vierhundert Seiten.“

„Ich beeile mich.“ Er durfte nicht wissen, dass sie es schon mehrfach durchgearbeitet hatte.

„Zu schade, dass es kein Buch über deine Familie gibt. So muss ich meine Informationen wohl auf dem üblichen Weg beschaffen.“

Mary nickte nur. Von üblichen Dingen konnte in diesem Ränkespiel keine Rede sein. „Ich bin nur ein einfaches Mädchen aus ganz normalen Verhältnissen.“

„Wir beide geben schon ein seltsames Paar ab.“

„Das stimmt“, bestätigte sie und hoffte dabei inständig, dass sie mit der Verabredung klarkommen würde – und mit dem Kuss, den er bereits angekündigt hatte.

Donnerstagabend, als er gerade von der Arbeit nach Hause gekommen war, tauchte Tommy spontan bei ihm auf. Brandon besaß ein weiteres Anwesen in der Nähe seines Elternhauses, hatte aber hier in der Stadt seinen Hauptwohnsitz.

Wie es sich für einen Countrystar gehörte, war Tommy ganz im Westernstil gekleidet. Mit seinem braunen Haar und den dunklen Augen ähnelte er ihrem Vater, während Brandon eher nach der Mutter kam. Ihre Eltern hatten sich schon vor Jahren scheiden lassen, aber Mom hatte ihrem Ex-Mann verziehen, und mittlerweile waren sie gute Freunde geworden.

„Was gibt’s?“, fragte Brandon.

„Ich hatte geschäftlich in der Nähe zu tun und dachte, ich schau mal bei dir vorbei.“

„Hast du dich mit den Produzenten der Show getroffen?“ Sein Bruder hatte einen fetten Vertrag für eine populäre TV-Show abgeschlossen.

„Genau. Die Dreharbeiten fangen demnächst an. Ich habe überlegt, ob Sophie, ich und du nicht zusammen essen gehen könnten, wenn ich schon mal in der Stadt bin.“ Er klopfte sich auf den Bauch. „Ich lege allmählich etwas zu, damit meine schwangere Frau sich nicht mies zu fühlen braucht.“

Soweit Brandon es beurteilen konnte, hatte der zukünftige Vater kein Gramm mehr auf den Rippen als früher. Dagegen war Sophie wunderbar rund gewesen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. „Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber ich bin schon verabredet.“ Brandon schlenderte an die Bar, um seinem Bruder ein Glas Mineralwasser einzuschenken. Tommy lebte abstinent. Mit einem Vater aufzuwachsen, der Alkoholiker war, hatte ihn abgeschreckt. Brandon trank gelegentlich ein Glas Wein zum Essen, denn er neigte nicht zur Abhängigkeit – im Gegensatz zu ihrem alten Herrn.

„Was hast du vor?“

„Ich habe ein Date.“ Brandon musste an Marys rotes Haar denken. Bisher kannte er es nur zu einem Zopf gebunden. Er hoffte, sie würde es heute Abend offen tragen. Dann könnte er ihr, falls sie ihm einen Kuss erlaubte, mit den Fingern durch die Mähne fahren. „Sie ist anders als die Frauen, mit denen ich sonst zu tun habe.“

„Sag schon, wer ist es?“

„Sie arbeitet als Konditorin und macht gerade ihren Meister. Ursprünglich kommt sie aus Oklahoma. Sie wohnt mit ihrer Schwester zusammen und geht gern in den Park, um dort zu lesen. Sie fiel mir erst auf, als sie mich auf meinen Hund angesprochen hat.“

„Tatsächlich? Mein feiner Herr Bruder geht mit einer Normalsterblichen aus, die ihn im Park angesprochen hat? Oh Mann, wie gern würde ich dabei Mäuschen spielen.“

Brandon schaute sich in seiner Studiowohnung um und überlegte, was Mary wohl davon halten würde. Er sammelte moderne und zeitgenössische Kunst. Gerade hatte er ein dreiteiliges Set abstrakter Aktmalerei erstanden und im Schlafzimmer aufgehängt. Die Motive waren sehr erotisch, und er hatte nie zuvor etwas in der Art gekauft. Doch nach seiner Begegnung mit Mary, fühlte er sich förmlich dazu getrieben. Hing das womöglich mit dem unwiderstehlichen Drang zusammen, diese Frau zu erobern?

„Und was ist an ihr nun so anders?“, hakte Tommy neugierig nach.

Brandon musste wieder an die Gemälde denken. „Vielleicht ist es ja eine rein körperliche Geschichte.“

„Das heißt, du hast sexuelle Fantasien von einem anständigen Mädchen.“

„Yeah, und deshalb komme ich mir vor wie ein Raubtier. Verdammt, ich sollte dir eigentlich gar nichts davon erzählen.“

„Wenigstens erweiterst du so deinen Horizont.“

Indem er einer Frau nachstellte, die erst einen einzigen Partner gehabt hatte? Vielleicht sollte er heute Abend gar nicht versuchen, sie zu küssen. Vielleicht sollte er sie am besten überhaupt nicht wiedersehen.

„Als wir uns das erste Mal getroffen haben, wusste sie kaum etwas über unsere Familie. Aber dann hat sie mich gefragt, ob es für mich okay wäre, wenn sie Dads Buch lesen würde. Ich sagte ihr, dass ich nichts dagegen hätte.“

„Hast du sie gewarnt, dass unser Vater mitunter ein schlimmer Fiesling sein kann?“

„Er ist gar nicht mehr so bösartig.“ Kirby versuchte, für seine Taten Wiedergutmachung zu leisten. Für all die Lügen, die er ihrer Mutter aufgetischt hatte, oder die vielen Male, als er ihn und Tommy ignorierte und Matt im Regen stehen ließ.

„Es ist ein Wunder, dass du dich nicht ein einziges Mal mit ihm gestritten hast.“

Weil Brandon der Sohn gewesen war, der sich immer zu benehmen wusste und niemals Ärger machte. Der Friedensstifter, wie die Familie stets betonte. Tommy hingegen war der Krisenherd in Person gewesen. Und Matt? Sein einziger Fehler bestand darin, dass er ein außereheliches Kind war. Dad hatte vielen Menschen wehgetan, aber er hatte sich verändert.

„Ich verschwinde jetzt wieder“, verkündete Tommy. „Viel Spaß bei deinem Date, und bring deine neue Freundin mal mit, wenn sich zwischen euch etwas Ernstes entwickelt.“

„Wir gehen nur zusammen essen. Ich hole sie nicht mal von zu Hause ab. Sie will mich direkt im Restaurant treffen.“

„Sie scheint sehr unabhängig zu sein.“

Eher vorsichtig, dachte Brandon. Er begleitete Tommy zur Tür. „Grüß Sophie von mir, ja?“

Tommy hatte seine beste Freundin aus Kindertagen geheiratet. Anfangs sollte er nur als Samenspender für ihr Baby fungieren. Doch im Laufe ihres Arrangements hatten sie sich ineinander verliebt.

Brandon war bisher noch nie verliebt gewesen, und er erwartete auch nicht, dass das bald passieren würde. Sicher, Tommy war früher auch anders gewesen. Sie waren beide unter schwierigen Umständen aufgewachsen, Liebe und Ehe hatten nicht viel bedeutet. Und trotzdem war es seinen Brüdern gelungen, eigene Familien voller Warmherzigkeit und Stabilität zu gründen. Deshalb konnte es durchaus sein, dass Brandon in Bezug auf seine eigene Zukunft falsch lag.

Er schob den Gedanken beiseite und ging ins Bad, um sich für das Treffen mit Mary frisch zu machen. Im Moment war es völlig sinnlos, über Liebe und Sex nachzudenken. Er musste diese Verabredung mit klarem Kopf und unterdrückter Libido durchstehen.

3. KAPITEL

Eins. Zwei. Drei.

Mary stand vor ihrem Waschbecken und zählte ihre Atemzüge. Ihre Mutter hatte das immer getan, wenn sie sich auf einen Auftritt vorbereitet hatte.

Vier. Fünf. Sechs.

Aber Mamas alte Methode funktionierte nicht. Mary war nach wie vor furchtbar aufgeregt, weil ihr Treffen mit Brandon unmittelbar bevorstand.

Das Spiegelbild ihrer Schwester tauchte plötzlich neben ihrem auf.

„Du siehst wirklich hübsch aus“, sagte Alice. „Dein Haar ist wie das von Mama auf den alten Fotos, aus der Zeit vorher.“

Ehe Kirby Talbot sie zugrunde gerichtet hat, dachte Mary. Mama war mit gerade mal zweiundfünfzig Jahren an Herzversagen gestorben. „Sie hat es schwer gehabt – zuerst hat sie Dad verloren, später wurde sie von Kirby betrogen.“

„Ich verstehe nicht, weshalb unsere Eltern nie geheiratet haben“, sagte Alice frustriert.

„Weil Dad es nicht wollte. Aber ich weiß nichts Genaueres, denn ich habe nur noch sehr vage Erinnerungen an ihn. Und du kannst dich überhaupt nicht mehr an ihn erinnern.“ Joel McKenzie war als Lkw-Fahrer für Langstreckentransporte monatelang von zu Hause weg gewesen. Etwa ein Jahr nach Alices Geburt war er bei einem Verkehrsunfall gestorben. „Mama sagte, er habe sie gut behandelt, auch ohne Trauschein.“

„Ich denke, alles wäre besser gelaufen, wenn er am Leben geblieben wäre.“

„Mama wäre dann niemals nach Nashville gegangen, um mit Kirby zu schlafen“, sagte Mary.

Alice seufzte. „Ich vermisse sie.“

„Ich auch.“ Es verging kein Tag, an dem sie sich nicht nach ihrer Mutter sehnte.

Eine düstere Stimmung machte sich zwischen ihnen breit. „Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du nicht da gewesen wärst, um nach Moms Zusammenbruch die Scherben aufzusammeln“, sagte Alice schließlich. „Du hast mir die Pausenbrote geschmiert, mir bei den Hausaufgaben geholfen. Mama hat kaum den Weg zu ihrem Arbeitsplatz bewältigt.“

„Es war eine harte Zeit für uns alle.“ Mary dachte über den emotionalen Zustand nach, in dem sie und ihre Schwester sich derzeit befanden, einem Gefühlscocktail aus Trauer und Schmerz. „Und sie bestimmt unser Leben noch immer.“

„Ja, aber wenigstens versuchen wir, etwas daran zu ändern.“

„Weil ich mich mit Brandon treffe?“ Sie spürte ihre Angst zurückkommen. „Ist mein Make-up in Ordnung?“ Sie hatte sich Wimpern und Lippen geschminkt.

„Vielleicht ein bisschen mehr Rouge. Lass mich das machen.“ Alice wirbelte mit dem Pinsel über Marys Wangen. „Perfekt.“

„Hilfst du mir bei der Kleiderauswahl? Ich habe einige Sachen auf mein Bett gelegt, aber ich weiß nicht, was ich nehmen soll.“

„Kein Problem.“

Sie gingen in Marys Schlafzimmer. Alice begutachtete jedes Outfit mit kritischem Blick. „Ich hab da was, das besser zu dir passt. Einen Moment.“

Sie eilte hinaus und kam mit einem pfirsichfarbenen Kostüm zurück. „Das habe ich mir gekauft, als ich noch auf Pastelltöne stand, aber nie getragen. An dir sieht das sicher umwerfend aus.“

Die beiden Schwestern hatten dieselbe Kleidergröße, aber einen völlig unterschiedlichen Stil.

„Meinst du nicht, dass der Ausschnitt zu gewagt ist? Ich bin solche Sachen nicht gewohnt. Abgesehen davon soll er mich für ein nettes, anständiges Mädchen halten. Da kann ich zum ersten Date doch nicht so sexy aussehen.“

„Das ist überhaupt nicht zu sexy. Und das Kleid ist komplett gefüttert, also kein bisschen durchsichtig. Probier es einfach an, okay?“

„Na gut.“ Mary schlüpfte hinein und stellte sich vor den verspiegelten Kleiderschrank. „Oh, wow. Das ist toll.“

„Sag ich doch.“ Alice machte sich an Marys Schuhregal zu schaffen und wählte ein Paar beigefarbene Pumps aus. „Die kannst du dazu anziehen.“

„Welche Tasche soll ich nehmen?“ Wenn Alice schon dabei war, konnte sie auch gleich das ganze Outfit zusammenstellen.

„Mal sehen.“ Alice durchwühlte die Schubladen und entdeckte dabei ein schwarzes Abendtäschchen mit goldener Schulterkette. „Das würde gehen. Als Ohrringe empfehle ich dir Creolen. Ich habe welche, die durch deine Haare hindurch glitzern würden.“

Kurz darauf war Mary fertig, und jedes Accessoire saß am richtigen Platz.

„Bei deinem Anblick wird er tot umfallen“, stellte Alice zufrieden fest.

Mary antwortete nicht. Sie musste dringend losfahren, ehe sie komplett die Nerven verlor.

Von der Sekunde an, als Mary das Restaurant betrat, konnte Brandon seinen Blick nicht von ihr abwenden. Auch jetzt, da sie einander im Separee gegenübersaßen, starrte er sie unverwandt an. Sie sah frisch und strahlend aus – eine ungekünstelte Frau, die eine ganz spezielle Seite in seiner Seele ansprach.

War das wirkliche Anziehung oder einfach nur Lust? Früher hatte er immer sofort gewusst, was er von einer Frau wollte. Aber in Bezug auf Mary war seine Haltung zwiespältig.

Die Dekoration aus Orchideen und Kerzen in der Tischmitte tauchte das Ambiente in sanftes Licht und stellte gleichzeitig eine Barriere zwischen ihnen dar.

Während sie sich bei Tee und gemischten Vorspeisen locker unterhielten, wartete er gespannt darauf, dass sie auf das Buch seines Vaters zu sprechen kam. Da sie keine Anstalten machte, beschloss er, das Thema selbst anzuschneiden. „Hast du Kirbyville tatsächlich gelesen? Ich sterbe fast vor Neugier zu erfahren, was du davon hältst.“ Der Titel der Biografie war gleichzeitig der Name des luxuriösen Anwesens seines Vaters, wo er und Tommy aufgewachsen waren.

„Ja, ich hab’s praktisch verschlungen. Ich finde es faszinierend, dass die Autorin Matts Verlobte ist und dass sich die beiden kennengelernt haben, als sie für das Buch recherchiert hat. Außerdem ist es schön, dass auch die Beziehung von Tommy und Sophie zur Sprache kommt. Aber die Teile, die von dir handeln, sind am interessantesten.“

Er betrachtete Mary im flackernden Kerzenschein. „Weil ich darin als der stets Besonnene dargestellt werde, der die Familie zusammenhält?“

„Stimmt das wirklich, Brandon?“

„Ich nehme an, dass ich schon immer ziemlich ausgeglichen war.“ Doch im Augenblick fühlte er sich alles andere als das. Würde sie ihm heute Abend einen Kuss gestatten? Würde er ihr langes Haar berühren dürfen? Sie trug es offen, so wie er es sich erträumt hatte.

„Das Buch hat auch Passagen, die ich verstörend finde …“

Er nutzte ihr Zögern. „Sprich gerne die heiklen Themen an. Schließlich war Dad derjenige, der damit an die Öffentlichkeit gegangen ist.“

„Es geht um die Beziehung deiner Eltern. Als deine Mom für das Buch interviewt wurde, hat sie zugegeben, dass sie lieber einen monogamen Ehemann gehabt hätte. Trotzdem hat sie deinem Vater seine Affären erlaubt, weil sie wusste, dass er sie ohnehin betrogen hätte. Ich verstehe nicht, welchen Vorteil ihr das gebracht hat.“

„Ich weiß. Auch für uns Kinder war das schwer zu begreifen. Ich schätze, deswegen sind Tommy und ich später solche Playboys geworden, und aus diesem Grund brauchte Tommy auch so lange, bis er kapiert hat, dass er Sophie wirklich liebt. Mir hat die Ehe schon immer Angst eingejagt. Aber vielleicht komme ich eines Tages darüber hinweg.“ Im Moment war schon Marys Anziehungskraft eine echte Herausforderung für ihn.

„Noch mehr hat mich an der Beziehung deiner Eltern irritiert, dass dein Dad es nicht mal schaffte, die einzige Bitte seiner Frau zu erfüllen.“

„Du meinst, er hat ihren Wunsch missachtet, mit einer anderen Frau kein Kind zu bekommen? Und dann war er diesem Kind auch noch ein schlechter Vater …“ In dieser Hinsicht hatte sich sein Dad tatsächlich mies verhalten. Matt war aus Kirbys beständigster Affäre hervorgegangen. Die Frau hatte Matt dann mehr oder weniger allein aufgezogen.

„Ich weiß nicht, ob ich deinem Vater an Matts Stelle jemals verzeihen könnte.“

„Du wirkst auf mich wie ein Mensch, der vergeben kann. Und tief im Inneren hat mein Vater auch gute Charakterzüge. Heute tut es ihm aufrichtig leid, anderen so viel Kummer bereitet zu haben.“

„Das betont er in dem Buch immer wieder, aber er hat euch allen trotzdem sehr wehgetan. Nicht nur deiner Mom und Matt, sondern auch dir und Tommy.“

„Tatsächlich war es für mich nicht so schlimm. Sicher, er war kein idealer Vater. Aber er hat mich nicht emotional misshandelt, so wie er es leider mit Tommy gemacht hat.“

„Weshalb hätte er das auch tun sollen? Du warst ihm gegenüber doch immer loyal.“

„Das scheint dir irgendwie nicht akzeptabel vorzukommen – dass ich ihn oft unterstützt habe und zu ihm stehe?“

„Das wollte ich damit nicht behaupten.“ Sie wirkte nervös, als sei sie in Sorge, sich verplappert zu haben.

„Alles gut.“ Er hatte sie schließlich gebeten, ihre Gefühle offenzulegen. „Vielleicht triffst du ihn ja irgendwann mal und kannst dir dein eigenes Urteil aus erster Hand bilden.“

Ihre Teetasse klirrte, als sie danach griff. „Vielleicht sollten wir uns einfach auf das Hier und Jetzt konzentrieren.“

Ja, damit hatte sie wohl recht. Das hier war ihr allererstes Date, und er dachte schon daran, sie seinem Vater vorzustellen? „Stimmt, ich schätze, das wäre noch ein bisschen früh, nachdem du doch gerade erst sein Buch gelesen hast. Aber Tommy freut sich schon darauf, dich kennenzulernen.“

„Du hast deinem Bruder von mir erzählt?“

„Ich sagte ihm, dass ich mit jemand Neuem ausgehe.“ Er verschwieg ihr lieber, was er sonst noch über sie gesagt hatte. Dass es vielleicht nur etwas Sexuelles sein könnte. Wie durcheinander er ihretwegen war. Wenn es nach ihm ginge, würde er sie heute Nacht mit zu sich nach Hause nehmen und sie entblättern, bis sie nackt vor ihm stand.

„Interessiert sich Tommy für jeden neuen Kontakt in deinem Leben?“

„Nein. Aber ich habe ihm erzählt, dass du ganz anders bist als die Frauen, mit denen ich sonst unterwegs bin.“

„Wie anders?“

„Nett und bescheiden.“ Er stellte sie sich in seinem Bett vor, in ein Laken gehüllt, das lange Haar ausgebreitet auf seinen Kissen. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich dich so beschrieben habe.“

„Natürlich bleibt es dir überlassen, wie du mich einschätzt. Aber ich muss gestehen, dass die Art, wie du mich anschaust, bewirkt, dass ich mich wilder fühle als ich tatsächlich bin.“

Dieses Bekenntnis fuhr ihm direkt in die Lenden. „Vielleicht hast du ja deine wildere Seite bislang einfach nur vernachlässigt.“

„Jedenfalls habe ich sowas noch nie zuvor empfunden.“ Sie senkte ihre Stimme. „Ich glaube, daran bist du schuld.“

Brandon hätte den ganzen Abend so weiterflirten können, aber der Kellner brachte ihr Essen, was ihrem Gespräch vorerst ein Ende setzte.

Nachdem er wieder gegangen war, aßen sie schweigend. Sie waren von einer intimen Unterhaltung ins Nichts abgestürzt. Unablässig musste er darüber nachgrübeln, was sie mit den wilden Gefühlen gemeint haben könnte, von denen sie gesprochen hatte.

Er zeigte auf ihre noch eingepackten Essstäbchen. „Willst du die nicht benutzen?“

„Ich habe das nie hingekriegt.“

„Ich bringe es dir bei. Das ginge allerdings einfacher, wenn ich direkt neben dir säße.“ Das war ein einleuchtender Grund, auf ihre Sitzbank zu wechseln, ihren Duft einzuatmen. „Möchtest du es mal probieren?“

Sie nickte, er setzte sich neben sie und sie riss die Papierverpackung ihrer Stäbchen auf.

„So, und jetzt nimm sie ganz leicht zwischen die Finger. Wenn du die Stäbchen zu fest hältst, fällt dir der Bissen runter.“ Er zeigte ihr den korrekten Gebrauch: Das untere Stäbchen wurde fixiert, während er mit dem oberen einen Bissen anhob. „Jetzt versuch du es.“

Ihre Bewegungen waren fahrig und unsicher. Er vermutete, dass ihr die Nerven einen Streich spielten, weil er so nah bei ihr saß. Die sexuelle Energie zwischen ihnen war förmlich mit Händen zu greifen.

„Dein Essen wird kalt, wenn du weiter hier sitzt und mit mir übst.“

Er rückte noch ein wenig näher. „Aber du hast den Bogen jetzt fast raus.“

„Wirklich?“ Sie schaute in seine Augen statt auf ihren Teller.

„Los, nur noch ein Mal.“

Vorsichtig balancierte sie ein Stück Paprikaschote zu ihrem Mund. „In diesem Tempo werden wir noch die ganze Nacht hier sitzen.“

Das wäre eine Möglichkeit, gemeinsam mit ihr die Nacht zu verbringen. „Üb einfach, wann immer sich die Gelegenheit bietet.“

„Mach ich. Und vielen Dank für den Unterricht.“ Sie tauschte die Stäbchen wieder gegen ihre Gabel.

„Kein Problem.“ Er kehrte an seinen Platz zurück.

„Wo waren wir stehen geblieben?“, fragte sie. „Ich meine, was die Biografie deines Vaters betrifft.“

„Vielleicht sollten wir dieses Thema ein anderes Mal vertiefen. Erzähl mir lieber von deinen Zukunftsplänen.“ Immerhin hatte er ja bereits preisgegeben, dass er nicht wusste, ob er jemals sesshaft werden wollte. „Willst du irgendwann mal heiraten?“

Sie seufzte tief. „In der Hinsicht bin ich wahrscheinlich ähnlich unschlüssig wie du.“

„Tatsächlich? Warum das denn?“

„Es ist einfach unproduktiv, herumzusitzen und auf ein Happy – End zu warten.“

Happy End hin oder her, er hatte noch immer Lust, sie zu küssen. Sein Verlangen war nicht verflogen. Egal, wie hin- und hergerissen er ihretwegen war – stets wanderten seine Gedanken zu dem verdammten Kuss zurück.

„Sind deine Eltern auch geschieden? Hast du deshalb Vorbehalte gegen die Ehe?“ Das schien ihm ein realistischer Grund zu sein.

„Meine Eltern sind beide gestorben, und ich würde es vorziehen, nicht über sie zu reden. Meine Großmutter ist ebenfalls tot. Alice ist alles, was ich noch an Familie habe.“

„Das tut mir leid.“ Er sah ihr an, wie sehr sie das deprimierte. „Mir war nicht bewusst, dass du nur noch deine Schwester hast.“ Verglichen mit ihrer Familie war seine eigene ein offenes Buch, doch er musste ihre Zurückhaltung respektieren. Allerdings erschien sie ihm immer rätselhafter, je weniger sie ihm über sich offenbarte.

Ein Rätsel, das ihm schier unlösbar erschien.

Zum Nachtisch bestellten sie Eis. Während sie darauf warteten, wünschte sich Mary, sie hätte ein ganz normales Date und müsste nicht so viel über sich geheim halten.

Immerhin hatte sie ihn wissen lassen, dass er ungestüme Gefühle in ihr weckte. Das hätte sie nicht sagen dürfen, auch wenn es stimmte. Alles an ihm brachte sie völlig aus der Fassung. Als er vorhin so dicht neben ihr saß, um ihr den Umgang mit den Stäbchen zu erklären, hatte sie kaum atmen können. Und nun waren sie wieder in einem dieser seltsam schweigsamen Momente gefangen.

Endlich kam das Dessert. Er nahm seinen Löffel und brach damit durch die knusprige Schicht, die das Eis umgab. „Der Nachtisch ist mein Lieblingsgang. Ich habe übrigens jedes einzelne Gebäckstück probiert, dass du mir mitgegeben hast. Deswegen musste ich diese Woche etwas härter trainieren.“

Sie stellte sich ihn vor, schweißglänzend nach einer intensiven Trainingsstunde. „Weshalb müssen die Dinge, die schlecht für uns sind, nur so gut schmecken?“, fragte sie belustigt.

„Das scheint ein Gesetz zu sein. Aber etwas Verbotenes zu genießen kann eben auch Spaß machen.“

Oder gefährlich sein, dachte sie. Weiß Gott, wohin es führen würde, wenn sie sich ungehemmt mit ihm amüsierte. Noch immer hatte sie sich nicht entschieden, ob sie ihm heute Abend erlauben sollte, sie zu küssen.

„Wollen wir tauschen?“, fragte er plötzlich.

„Verzeihung. Wie bitte?“

„Du kostest von meinem Eis und ich von deinem.“

Es gab durchaus Leute, die ihr Dessert teilten, aber die Vorstellung, das mit ihm zu tun, erschien ihr fast zu sinnlich.

Er schob ihr seinen Eisbecher hin. „Bitte schön. Bedien dich.“

Ihr Dessert wanderte zu ihm. Sie wünschte sich, er wäre nicht Kirby Talbots Sohn. Wäre er irgendein anderer Mann, könnte sie seine Gesellschaft ohne das Gefühl von Schuld oder Angst genießen.

„Wie findest du mein Eis?“, wollte er wissen.

„Es ist genauso gut wie meins.“ Süß, knusprig und voller Aromen. Mary schluckte einen weiteren Löffel und musste ein genüssliches Stöhnen unterdrücken. Die Art, wie er sie dabei anschaute, ließ sie erneut vor Verlangen schaudern.

„Muss man eigentlich Kunst studiert haben, um Konditormeisterin zu werden?“, fragte er, als beide wieder ihre eigenen Eisbecher vor sich hatten.

Sie versuchte, so sachlich wie möglich zu antworten. „Nein, das ist nicht notwendig. Aber Konditoren müssen eine kreative Ader haben, damit ihre Werke so verführerisch aussehen wie sie schmecken. Ich habe in der High School einige Zeichenkurse besucht und war eigentlich sehr gut darin.“

„Ich kann weder malen noch zeichnen. Aber ich bin Sammler. Ich besuche gern Museen oder stöbere in Galerien, um Kunstwerke zu kaufen.“

Sie nickte. „Ich mag die Emotionen, die Kunst auslösen kann. Aber ich gehe sehr selten in eine Ausstellung.“ Das war einfach nicht ihre Welt.

„Vielleicht magst du mich ja mal begleiten.“

War das etwa eine Einladung? „Bringst du mir dann bei, was ich wissen muss, um Kunstkennerin zu werden?“

„Sicher, warum nicht? Mein Schwerpunkt liegt auf zeitgenössischer Kunst, aber ich sammle auch Stücke der Moderne.“

„Ich dachte immer, das wäre dasselbe.“ Was bewies, wie wenig Ahnung sie hatte.

„Die Moderne beginnt im neunzehnten Jahrhundert und endet in den 1970er-Jahren. Zur zeitgenössischen Kunst gehört alles nach dieser Periode bis zum heutigen Tag.“ Er beugte sich über den Tisch. „In meinen beiden Häusern habe ich Teile meiner Sammlung ausgestellt.“

„Du hast zwei Häuser?“

„Ein Loft in der Stadt und ein Anwesen auf dem Land, wo ich mich jedoch selten aufhalte. Manchmal frage ich mich, warum ich es überhaupt gekauft habe, abgesehen von seiner Lage unweit von Kirbyville.“

Das war die luxuriöse Residenz seines Vaters, in der er aufgewachsen war. Das Buch enthielt Fotos davon. Mama war niemals dort gewesen, denn Kirby hatte sie nie dorthin mitgenommen. Ihre Affäre hatte sich in einem Hotel abgespielt, wo er ihre Mutter von seinem Privatleben abschirmen konnte. Brandon hingegen versuchte nicht, Mary zu verstecken. Er hatte sie schon dazu aufgefordert, seine Familie kennenzulernen.

„Du könntest es ja wieder verkaufen.“

„Stimmt. Aber dann müsste ich alle Kunstwerke, die dort lagern, woanders hinschaffen.“

„Die Sammlung liegt dir wohl sehr am Herzen?“

„Kann man so sagen. Ich habe sogar schon Käufe getätigt, die von dir inspiriert sind.“

Sie schaute ihn verwundert an. „Sind das Bilder von Kuchen und Torten? Hängen sie in deiner Küche?“

„Nein, im Schlafzimmer meiner Stadtwohnung.“

Ihr fiel beinahe der Dessertlöffel aus der Hand. Man musste kein Genie sein, um zu erahnen, dass er sich Bilder mit sexuellem Motiv gekauft hatte. Sie konnte es an seinem Blick erkennen, in seinem Tonfall hören. „Dann sind es wohl eher keine Darstellungen von Eclairs und Windbeuteln“, scherzte sie halbherzig.

Er lächelte geheimnisvoll. „Nein, nicht wirklich.“

Sie bemühte sich, ihr Unbehagen abzuschütteln. „So, langsam wird es Zeit, die Segel zu streichen. Ich muss morgen früh um vier Uhr in der Bäckerei sein.“

„Gehst du immer so zeitig zur Arbeit?“

„Ja, aber das ist in Ordnung, ich bin Frühaufsteherin.“ Sie plapperte weiter, um die Bilder vor ihrem geistigen Auge zu vertreiben. „Außerdem habe ich am Wochenende frei und in dieser Hinsicht ziemlich normale Arbeitszeiten.“

Er winkte den Kellner heran, um zu bezahlen. „Dann brechen wir jetzt besser auf, damit du genug Schlaf bekommst. Allerdings bestehe ich darauf, dich zu deinem Wagen zu bringen. Ganz so leicht wirst du mich nicht los.“

Weil er immer noch die Hoffnung hegt, mich zu küssen, dachte sie. So leidenschaftlich, wie sie es ihm erlaubte.

4. KAPITEL

Mary und Brandon standen neben ihrem alten Toyota, für den sie einst lange gespart hatte. Sein schicker neuer BMW parkte ein paar Meter entfernt. Spätestens jetzt wurde ihr der Klassenunterschied zwischen ihnen bewusst. Er strahlte Wohlstand und Macht in Reinform aus. Kein Wunder, schließlich war er der Sohn eines der erfolgreichsten Superstars von Nashville. Zum Glück kam er äußerlich nicht nach seinem Vater, sonst hätte sie ihn mit Sicherheit nicht so sehr begehrt, wie sie es zweifellos tat. Es war ein unwiderstehliches Verlangen. Ein Bedürfnis. Ein Desaster, das unmittelbar bevorstand.

Sie lehnte sich an die Fahrertür ihres Wagens. Doch das entpuppte sich als schlechte Idee. Es erlaubte ihm, ihr noch näher zu kommen, sie an Ort und Stelle festzunageln.

Angezogen sah er schon umwerfend aus, aber sie vermutete, dass er unbekleidet sogar noch mehr zu bieten hatte.

Wirklich? Daran dachte sie gerade? Ja, verdammt, das tat sie. Malte es sich in allen Einzelheiten aus. War sicher, dass sie, wenn sie ihm das Hemd aus dem Hosenbund zerrte, um es aufzuknöpfen, darunter einen steinharten Waschbrettbauch vorfinden würde.

„Als Teenager bin ich mit meinen Freundinnen immer raus in die Natur gefahren, um dort mit ihnen zu knutschen.“ Er hob eine Hand und streifte ihre Wange mit seinen Fingern. „Auf einem Parkplatz im Schein der Straßenlampen habe ich das noch nie getan.“

Seine Berührung verursachte ihr Gänsehaut. „Wir knutschen nicht. Wir stehen hier einfach nur.“

„Außerdem sind wir keine Teenager mehr.“ Er rieb seinen Daumen sacht über ihren Mund und führte ihn dann am Innenrand ihrer Unterlippe entlang, sodass seine Fingerspitze feucht wurde.

Das Vorspiel für einen Kuss. Sie konnte sich nur noch aufrecht halten, weil sie an ihrem Auto lehnte.

„Darf ich dich küssen?“, fragte er leise.

Sie hätte ihm seine Bitte abschlagen sollen. Doch stattdessen flüsterte sie ihm ein heiseres Ja zu.

Und dann küsste er sie, umschloss ihre Lippen mit seinen, zog Mary in seinen Bann und brachte sie um den letzten Rest ihrer Geistesgegenwart.

Sie seufzte, als ihre Zungen sich trafen. Er umfasste zärtlich ihr Kinn, was ihr den nächsten sehnsüchtigen Laut entlockte. Begierde erhitzte sie von innen heraus und versengte förmlich ihre Haut. Sie umarmte ihn und zog ihn enger an sich in ihrem brennenden Verlangen, auch in ihm ein Feuer zu entfachen.

War er genauso erregt wie sie selbst? War er hart und hungrig und bebte am ganzen Körper vor Begierde?

Er kam zuerst wieder zur Besinnung und löste sich von ihr.

„Ich glaube nicht, dass ich heute Nacht ein Auge zukriegen werde“, sagte sie.

„Das ist schlecht. Ich hindere dich ja jetzt schon an deinem wohlverdienten Schlaf.“

„In meinem Zimmer wird es bisweilen sehr heiß, weil die Klimaanlage nicht richtig funktioniert.“

„Das ist es, was dich vom Schlafen abhält? Eine schwüle Sommernacht in Tennessee?“

Objektiv betrachtet war es zwar noch nicht ganz so sommerlich schwül. Aber die Welt schien wirklich heißer und feuchter zu sein, wenn Brandon Talbot in der Nähe war.

„Was ziehst du nachts an, um nicht zu sehr zu schwitzen?“, fragte er.

Ihr Gespräch ähnelte immer mehr einem Telefonsex-Dialog, obwohl sie persönlich miteinander redeten. „Was immer sich gut anfühlt.“ Aber in dieser Nacht würde sie wahrscheinlich nackt schlafen, um besser von ihm träumen zu können. „Ich mache mich jetzt besser auf den Weg.“

„Okay. Wann sehen wir uns wieder?“

Gleich in meiner Fantasie, dachte sie. Oder vielleicht in ihren Albträumen. Sie war dabei, etwas mit einem Mann anzufangen, der dabei geholfen hatte, ihre Mutter ins Unglück zu stürzen. Selbst wenn er das nicht absichtlich getan haben sollte, gab es eine Verbindung zwischen ihm und dem Leid ihrer Mutter.

„Wann, Mary?“, drängte er.

„Ich weiß es nicht.“ In ihrem Kopf ging es drunter und drüber. „Lass uns das später besprechen.“

„Okay.“ Er beugte sich wieder zu ihr hinab, aber dieses Mal gab er ihr nur einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Schreibst du mir kurz, wenn du sicher zu Hause angekommen bist?“

Sie nickte, drehte sich um und öffnete die Autotür. Dann setzte sie sich hinters Steuer und verriegelte die Tür von innen, denn sie fragte sich, ob sie sich jemals wieder sicher fühlen würde.

Den Samstagnachmittag der nächsten Woche verbrachte sie gemeinsam mit Brandon. Sie hatte neun Tage Zeit gehabt, um sich von seinem Kuss zu erholen. Aber es wollte ihr nicht gelingen, Abstand zu gewinnen. Sie konnte an nichts anderes denken, nur an ihn.

Auch dieses Mal nahm sie ihr eigenes Auto, um zum verabredeten Treffpunkt zu fahren, einer auf naive Kunst spezialisierten Galerie. Mary hatte nicht einmal geahnt, dass ein solches Genre existierte. Nun wusste sie, dass es sich dabei um Arbeiten handelte, die von Laien geschaffen worden waren. Als Motive dienten meist Tiere, Menschen und Pflanzen, die aus einer kindlichen Perspektive in überwiegend knalligen Farben dargestellt waren.

Gemeinsam schlenderten sie durch die Galerie. „Ich suche nach einem Bild für das Kinderzimmer von Tommy und Sophie“, sagte Brandon. „Der Stichtag rückt näher, und ich möchte ihnen vor der Geburt noch etwas zuschicken.“ Er blieb vor einem Bild stehen, auf dem Bäume in Form von Lollipops dargestellt waren. „Sie bekommen ein Mädchen, und die Kleine soll Zoe heißen. Ihr zweiter Name soll Sloane sein, denn so hieß Sophies Mom. Sie ist kurz nach ihrer Geburt gestorben.“

„Ach, das tut mir so leid für sie.“ Mary betrachtete das Bild, das außer den Lollipop-Bäumen noch einen Regenbogen und einen Fluss mit springenden Fischen zeigte. „Ich weiß, wie sie sich fühlt …“ Sie verstummte, weil sie bemerkte, dass er sie genau beobachtete.

„Ich verstehe, dass es schwer für dich sein muss, über deine Eltern zu reden, Mary. Aber ich bin ein guter Zuhörer, falls du dich jemals einem Menschen anvertrauen möchtest.“

„Vielen Dank.“ Er war die Person, die sich am wenigsten für ein Gespräch über ihre Eltern eignete. Um von dem Thema abzulenken, wandte sie sich erneut dem Gemälde zu. „Käme das für Zoes Kinderzimmer in Betracht?“

„Ich glaube, es ist nicht mädchenhaft genug. Sie haben den Raum rosafarben ausgestattet, mit Girlanden, Schleifen und silbernen Sternen an der Decke. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Babys, aber ich finde es spannend, Onkel zu werden. Es war auch spaßig, Libbys Sohn kennenzulernen. Chance ist ein überaus charmantes Kind.“

Mary nickte. Der siebenjährige Chance war in der Biografie erwähnt worden, vor allem, weil er nach Kirbys bekanntestem Song benannt worden war. Libby war verwitwet, und sie und ihr verstorbener Mann waren Fans von Kirby gewesen, lange bevor der Countrystar sie als seine Biografin angeheuert hatte.

„Bei meinen Brüdern ist dieses Jahr einiges los“, erzählte Brandon weiter. „Nicht nur, dass Tommy und Sophie Nachwuchs bekommen – im August steht auch noch die Hochzeit von Matt und Libby an.“

Bei Alice und ihr passierte zurzeit eher wenig, abgesehen davon, dass sie beide versuchten, ihrer Mutter die Ehrenrettung zu verschaffen, die ihr zustand. Mary beneidete Brandon um die glücklichen Anlässe, die seiner Familie bevorstanden.

„Danke, dass du mich hierher begleitet hast“, sagte er. „Es ist hilfreich, eine Frau dabei zu haben, die beim Aussuchen eine weibliche Note beisteuert.“

„Du hättest jemanden buchen können, um eine Auswahl zu treffen. Oder du hättest der Galerie schildern können, wonach du suchst. Meine Anwesenheit ist eigentlich überflüssig.“

„Da liegst du ganz falsch.“ Er griff nach ihrer Hand.

Sie verschränkte ihre Finger mit seinen, und zwar enger, als nötig gewesen wäre. Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto stärker fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Es war ein Gefühl, als würde er sie langsam, aber stetig umgarnen, vielleicht sogar auf dieselbe Art und Weise, wie sein Vater einst ihre Mutter eingelullt hatte.

Wie lang würde es dauern, bis sie in seinem Bett landen würde und er dort verbotene Dinge mit ihr tat? Bestimmt hatte Mama sich Kirby anfangs auch widersetzt.

Doch sie redete sich ein, dass es nicht ihre Absicht war, mit Brandon zu schlafen. Ihr Streben nach Vergeltung durfte nicht derart ausufern.

Sie ließ seine Hand los und ging zu einem Gemälde, das den Titel Magie trug. Brandon folgte ihr. „Das ist zu erwachsen für ein Kinderzimmer“, bemerkte er.

„Ich weiß. Ich wollte es nur bewundern.“ Eine Fee mit wehendem rotem Haar blies die Flugsamen einer Pusteblume in den Wind. Die Botschaft war definitiv für Erwachsene bestimmt, denn die Schöne wirkte wie eine antike Sirene. „Ich finde es sehr verführerisch.“

„Möchtest du es gerne haben, Mary? Ich kann das Bild für dich kaufen. Soll es bei dir zu Hause über deinem Bett hängen?“

„Du musst mir nichts kaufen.“ Sie hätte kein gutes Gefühl dabei, von ihm Geschenke anzunehmen.

„Aber es ist offensichtlich, dass dir das Bild sehr gefällt. Und die Fee ist ein Rotschopf, genau wie du.“

Er trat zu ihr und schmiegte seine Wange in ihr Haar. „Es wäre schön für mich zu wissen, dass sie nachts über deinen Schlaf wacht.“

Seine Worte befeuerten den Moment mit sinnlichem Knistern und verwandelten die Fee in ein Symbol ihres gegenseitigen Verlangens. „Erzählst du mir mehr von den Gemälden in deinem Schlafzimmer?“, fragte sie, denn es interessierte sie brennend, zu welchem Motiv sie ihn inspiriert hatte.

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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