Baccara Collection Band 421

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JA, ICH WILL NUR DICH von CHARLENE SANDS

Luke liegt neben ihr - nackt! Schlagartig ist Katie wach. Nicht genug, dass sie mit ihm eine Nacht in Las Vegas verbracht hat. Sie hat den Ex-Verlobten ihrer Schwester auch noch geheiratet! Was für eine Katastrophe! Allerdings eine äußerst verführerische …

WAS EIN MILLIARDÄR BEGEHRT von NAIMA SIMONE

Sonst steht Shay auf der Gästeliste der exklusiven Benefizgala. Doch um einer Freundin zu helfen, arbeitet sie diesmal im Service - und weckt Gideon Knights Interesse! Der Milliardär ahnt nicht, wen er an sich zieht, als Chicago bei einem Stromausfall in Dunkelheit versinkt …

PLÖTZLICH VERHEIRATET MIT DEM BOSS! von JAYCI LEE

"Ein Jahr. Kein Sex." Natalies Boss, der unverschämt gut aussehende Garrett Song, braucht dringend eine Ehefrau auf Zeit. Aber aus dem keuschen Deal, den Natalie mit ihm schließt, wird eine erotische Affäre! Und was wird aus Natalie, wenn das Jahr um ist?


  • Erscheinungstag 14.07.2020
  • Bandnummer 421
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726669
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Charlene Sands, Naima Simone, Jayci Lee

BACCARA COLLECTION BAND 421

CHARLENE SANDS

Ja, ich will nur dich

Er will ihre Liebe – sie verlangt die Scheidung! Luke weiß, dass Katie ihre spontane Hochzeit und den heißen Sex in Las Vegas am liebsten ungeschehen machen würde. Aber er denkt gar nicht daran! Viel zu lange ist er schon verrückt nach ihr. Ob es sie ein bisschen beruhigt, wenn sie ihrer Familie erstmal nichts von der Ehe sagen?

NAIMA SIMONE

Was ein Milliardär begehrt

Gideon kann den Blick nicht von der hinreißenden Kellnerin abwenden, die auf der Luxusgala Champagner serviert. Ein Stromausfall, der die Stadt lahmlegt, gibt dem Milliardär die Chance, sie von sich zu überzeugen: Eine Nacht lang kommen er und die anmutige Schönheit sich ganz nah. Doch der Morgen bringt eine erstaunliche Wahrheit ans Licht …

JAYCI LEE

Plötzlich verheiratet mit dem Boss!

Garrett steht kurz davor, endlich CEO im familieneigenen Imperium zu werden. Aber seine Großmutter knüpft eine Bedingung an die Beförderung: Er soll heiraten. Sogar eine Braut hat sie für ihn ausgesucht. Kommt gar nicht infrage – lieber heiratet Garrett seine wunderschöne, verführerische Angestellte Natalie! Bloß dass die noch nichts von ihrem Eheglück weiß …

1. KAPITEL

Las Vegas, Nevada

Katie erwachte allmählich. Sie kuschelte sich in ihr bequemes Kissen und hielt die Augen geschlossen. Ein wärmender Sonnenstrahl fiel durch das Fenster des Hotelzimmers auf ihre Haut, wodurch ihr klar wurde, dass es später war als vier Uhr morgens, ihre übliche Zeit, um aufzustehen und zu backen.

Heute war sie jedoch nicht in Boone Springs, und Katie’s Kupcakes and Bakery war an diesem Wochenende geschlossen. Sie hatte einen superwitzigen Junggesellinnenabschied für ihre beste Freundin Drea organisiert, und dazu passend hatte sie gerade den fantastischsten Traum ihres Lebens gehabt. Obwohl die Einzelheiten ziemlich verschwommen waren, war sie noch nie mit so einem Gefühl der Zufriedenheit aufgewacht. Ihr Körper kribbelte von Kopf bis Fuß.

Ein Stups gegen die Schulter ließ sie die Augen aufreißen. Was zum …?

„Entschuldige“, flüsterte eine tiefe Männerstimme hinter ihr.

Sie öffnete die Augen noch weiter, während sie nach einer Erklärung suchte. Sie hatte sich die Stimme doch nicht eingebildet oder von ihr geträumt? Nein, sie war vollkommen wach, und es hatte sie wirklich gegeben. Sie konnte die Wärme des Bettzeugs neben sich spüren. Eine Hand streifte über ihre nackte Schulter. Katie keuchte auf.

Oh nein. Sie erkannte die Stimme wieder.

Sie packte die Decke, die ihren nackten Körper verhüllte, und rollte sich auf die Seite. Vielleicht hatte ihr Gehirn ihr nur einen miesen Streich gespielt. Diese Hoffnung wurde in jenem Moment zerstört, in dem sie ihn erblickte. Lucas Boone – den Ex-Verlobten ihrer Schwester. Der Mann, der Shelly das Herz gebrochen hatte.

Ihr Magen begann zu rebellieren.

Sie zog sich das Bettzeug unters Kinn und setzte sich benommen auf. Ihr Herz schlug schnell. „Luke, was in aller Welt …?“ Mühsam versuchte sie, sich zu konzentrieren.

„Sweetheart, leg dich wieder hin. Du hast mich gestern Abend unter den Tisch getrunken und ich habe verfluchte Kopfschmerzen. Dein Kater muss noch viel schlimmer sein als meiner.“

„Mein … Kater? Luke, verdammt. Ist das alles, was du zu sagen hast? Sieh uns an! Wir sind zusammen im Bett. Und wenn ich mich nicht vollkommen irre, bist du unter der Decke genauso splitternackt wie ich.“

Er griff nach der Bettdecke.

„Wag es ja nicht, zu gucken“, warnte sie ihn.

Er ließ die Decke wieder los. „Vermutlich hast du recht.“

Ihre Wangen brannten. Mit Lucas Boone im Bett zu sein war auf so vielen Ebenen falsch, dass sie es kaum glauben konnte. „Was zum Teufel haben wir letzte Nacht getrieben?“

Luke warf einen Blick auf die im Zimmer verstreuten Klamotten und zog eine Augenbraue hoch.

„Das können wir nicht … Ich würde nie … Ich könnte nicht …“

Du liebe Güte. Katie dachte daran zurück, wie Luke die Hochzeit mit ihrer Schwester drei Tage vor der Zeremonie abgeblasen und sich direkt danach bei den Marines verpflichtet hatte.

Er hatte behauptet, noch nicht bereit dafür zu sein, sesshaft zu werden, und die ganze Schuld auf sich genommen. Doch das machte all die Zeit nicht wieder gut, in der er Shelly glauben ließ, dass sie eine gemeinsame Zukunft hätten.

Das war nun fünf Jahre her. Inzwischen lebte Luke wieder in Boone Springs, der Stadt, die seine Vorfahren vor einem Jahrhundert gegründet hatten. Er war der Trauzeuge seines Bruders Mason und sie die Trauzeugin von Masons Verlobter Drea. Unwissentlich war sie mit Luke für einen gemeinsamen Junggesellen-Junggesellinnen-Abschied in der Stadt der Sünde gelandet. Las Vegas, Baby. Was dort passierte, blieb dort.

Katie dachte wieder an ihre Schwester. Deren Narben waren längst nicht verheilt. Die arme Shelly hatte der Demütigung tapfer getrotzt, doch sie hatte nie vergessen, was Luke ihr angetan hatte, wie sehr er ihre Liebe und ihr Vertrauen missbraucht hatte. Sie war verbittert und traurig, und ihre Mutter Diana und sie bekamen noch immer zu hören, wie Luke ihr Leben ruiniert hatte. Deshalb wäre der Gedanke, dass sie, ob betrunken oder nicht, mit Shellys Ex schlief, das Allerschlimmste.

Luke rollte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf eine Hand, als diskutierten sie gerade darüber, was sie zum Frühstück essen sollten. „An was erinnerst du dich von letzter Nacht?“

„An was ich mich erinnere?“

„Ja. Erinnerst du dich, dass du die Party mit mir verlassen hast?“

Katie bewegte sich so weit von ihm weg, wie das Bett es erlaubte, und überlegte. Sie erinnerte sich daran, dass sie getrunken und gelacht und die meiste Zeit mit Luke getanzt hatte. Sie hatte sich schuldig gefühlt, weil sie so viel Spaß mit ihm hatte, doch sie hatten sich schon immer gut verstanden, waren immer Freunde gewesen, bis er einen Rückzieher von der Hochzeit machte.

Die Boones waren gute Kunden ihrer Bäckerei. Sie und Luke teilten außerdem eine Leidenschaft für Pferde und arbeiteten beide ehrenamtlich bei der Red Barrel-Pferderettung. Seit seiner Rückkehr vom Militär vor beinahe einem Jahr waren sie jedoch übermäßig zurückhaltend miteinander umgegangen, und ihre Unterhaltungen liefen häufig gestelzt und unbeholfen ab. Auch sie war verletzt gewesen, als Luke ihre Schwester sitzen ließ. Sie hatte ihm ebenfalls vertraut.

„Ich erinnere mich, dass du mir angeboten hast, mich zu meinem Hotel zu begleiten.“ Das nur ein paar Blocks vom Nachtclub entfernt lag.

„Wir hatten beide zu viel getrunken.“

Ihre Kopfschmerzen riefen ihr das immer wieder in Erinnerung. „Ja.“

Luke sah ihr fest in die Augen; seine waren hell und tiefblau. Irgendwie faszinierend.

„Du hast mich angefleht, dich nicht zu deinem Hotel zurückzubringen. Du wolltest nicht, dass die Nacht endet. Du … äh …“

Katie rieb sich den schmerzenden Kopf. Das hier wurde mit jeder Sekunde schlimmer. „Was?“

Luke schwieg.

„Was habe ich gesagt?“, fragte sie nachdrücklich. Sie musste es wissen, um sich einen Reim auf alles machen zu können.

„Du hast gesagt, du willst das, was deine Freunde haben. Du willst jemanden, den du lieben kannst.“

„Oh Gott.“ Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, ihre langen Haare fielen herab. Es war ihr peinlich, in betrunkenem Zustand ihr innerstes geheimes Verlangen gelüftet zu haben. Und ausgerechnet ihm gegenüber. „Und deshalb sind wir in deinem Hotelzimmer gelandet?“

Luke zuckte zusammen und kniff die Augen zu. Sein besorgter Gesichtsausdruck beunruhigte sie.

„Nicht ganz. Vorher sind wir woanders hingegangen.“

„In einen anderen Club?“

Er schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn man dem hier glaubt.“ Er griff nach einem Zettel auf dem Nachttisch und überflog ihn kurz. „Noch etwas, das du wolltest …“ Er reichte ihr das Papier.

Katie studierte die fetten Buchstaben auf dem Stück Pergament und ihre Hand begann zu zittern.

Eine Heiratsurkunde.

Ihre beiden Namen waren eingetragen und sie trug das heutige Datum. „Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Hey, ich erinnere mich auch nicht mehr an viel von letzter Nacht. In meinem Kopf dreht sich alles wie ein verdammter Kreisel.“

Das war absurd. Es musste ein schlechter Witz sein. Wo war die versteckte Kamera? Irgendwer erlaubte sich einen Streich mit ihr.

Es stimmte schon, dass sie oft über ihre geheimen Wünsche nachgedacht hatte. Sie wollte die Liebe finden und heiraten, auch wenn sie diese Wünsche niemandem gegenüber je äußerte. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde sich Sorgen um sie machten oder glaubten, dass sie sie um ihr Glück beneidete. Aber das hätte sie Luke doch nicht verraten, oder? Und ganz sicher hätte sie es nicht ausgelebt.

Dennoch starrte die Wahrheit ihr ins Gesicht. Das Datum war von heute, also hatten sie nach Mitternacht geheiratet, etwa kurz nachdem sie zusammen den Club verlassen hatten. Die Fakten ergaben Sinn, aber sie hatte trotzdem Probleme, das alles zu verdauen.

„Ich kann das nicht glauben. Nein, das ist nicht wahr.“ Sie senkte die Stimme. „Wir haben nicht … noch etwas anderes getan, oder?“

War sie wirklich so naiv zu denken, dass sie nackt mit dem attraktiven, gut gebauten Luke im Bett gelandet war, ohne Sex mit ihm zu haben?

„Ich erinnere mich an ein paar Dinge. Von gestern Nacht.“ Das Blau seiner Augen wurde dunkler, intensiver. „Du nicht?“

Sie wollte es nicht. Sie wollte es nicht für möglich halten, dass sie die Nacht mit dem einzigen Mann auf der ganzen Welt verbracht haben sollte, der für sie tabu war. Doch verdammt noch mal, vage Erinnerungen kratzten an der Oberfläche ihres Gedächtnisses. Wie sie umarmt und geküsst wurde – wie ihr Körper gestreichelt, geliebt wurde. Sie verzog das Gesicht. Gütiger Gott, die Erinnerungen waren verschwommen und schwach, aber sie waren da.

„Oh nein“, flüsterte sie. Tränen traten ihr in die Augen. „Warum hast du das nicht verhindert?“

Es war ungerecht, ihm die Schuld zuzuschieben. So wie er bei ihrer Frage zusammenzuckte, dachte er das offenbar auch.

„Ich … konnte nicht.“

Er konnte nicht? Was bedeutete das?

„Katie, alles ist gut. Wir sind verheiratet. Ich habe dich nicht ausgenutzt. Ich meine, wenn ich mich richtig erinnere, hast du dich über nichts davon beschwert.“

Sie presste sich die Decke fester an die Brust. „Darüber, glaubst du, mache ich mir Gedanken? Es ist in Ordnung, dass wir Sex hatten, weil wir verheiratet sind? Mein Gott, Luke. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie furchtbar das ist? Du warst mit meiner Schwester verlobt! Du hast sie praktisch vorm Altar stehen lassen. Meine Mutter und Shelly waren am Boden zerstört. Ich mache mir hier keine Sorgen um meine Keuschheit. Es geht um etwas viel Größeres.“

„Okay, okay. Beruhige dich.“ Luke strich sich übers Gesicht. „Ich werde jetzt duschen und mich anziehen, dann besprechen wir das. Es sei denn, du willst zuerst?“

„Nein, nein.“ Verheiratet oder nicht, sie würde sich ihm nicht nackt zeigen. „Du gehst zuerst.“

„Gut. Und Katie … es wird wirklich alles gut.“

Sie runzelte die Stirn. Die Falten wurden nur noch tiefer, als Luke aus dem Bett aufstand und ins Bad ging, als wären sie schon seit Jahren verheiratet, und sie einen atemberaubenden Blick auf die breiten Schultern, die muskulösen Arme und seinen perfekten Hintern erlangte.

Ihr Herz klopfte wie wild. Sie hatte einen Boone geheiratet, einen der reichsten Männer von ganz Texas. Den Mann, der ihre Schwester betrogen hatte und den sie in den letzten Monaten so verzweifelt zu meiden versucht hatte.

Sobald sie hörte, dass die Tür zum Bad ins Schloss fiel, stand sie auf und suchte ihre Kleidung vom Boden zusammen. Da entdeckte sie die leere Kondompackung. Das war der unbestreitbare Beweis dafür, dass sie die Ehe vollzogen hatten – als ob ihr befriedigter Körper das nicht bereits zu schreien schien.

Sie zog sich an und wartete auf Luke. Sie mussten das umgehend klären. Sie würde nicht als Katie Boone nach Hause zurückkehren. Ganz sicher nicht.

Als sie hörte, wie die Dusche ausging, wappnete sie sich, kämmte ihr Haar mit den Fingern und glättete ihr Cocktailkleid. Ihre Entschlossenheit war so stark wie ihre Verärgerung.

Die Tür öffnete sich und Luke trat mit feuchten Haaren heraus. Seine Haut schimmerte im Morgenlicht. Um die Hüfte hatte er ein weiches weißes Handtuch geschlungen, der Rest von ihm bestand aus gestählten Muskeln.

Gütiger Gott. War er der Mann aus ihren Träumen?

Nein, das konnte nicht sein. Nur weil sie einmal Freunde gewesen waren und eine Liebe für Pferde teilten, bedeutete das nicht, dass sie jemals so über ihn denken würde, nicht mal unterbewusst.

„Luke, wir müssen reden.“

Er betrachtete sie von oben bis unten, sein Blick heftete sich an ihr schwarzes Kleid, und plötzlich wurde ihr unheimlich warm. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit einem Wassertropfen, der sich einen Weg seine nackte Brust hinunter bahnte, unter feinen Härchen hindurch und an seinem Nabel vorbei, bis er vom Handtuch aufgesogen wurde.

Luke erwischte sie dabei und lächelte. „Ich brauche eine Tasse Kaffee. Die brauchen wir beide. Ich bestelle Frühstück, während du duschen gehst.“

Er wirkte zu entgegenkommend, viel zu locker, als hätte er nicht ebenfalls den größten Schnitzer seines Lebens gemacht. Wo war seine Panik?

„Und dann klären wir das Ganze?“

Er nickte. „Dann reden wir, versprochen.“

Dreißig Minuten später trat Katie aus dem Bad und fühlte sich ein bisschen besser, was ihre missliche Lage betraf. Ihr war noch immer etwas flau im Magen, doch ihre Sicht der Dinge war nicht mehr ganz so pessimistisch. Sie waren schließlich in Las Vegas. Wie schwer konnte es schon sein, ihre kurze Ehe annullieren zu lassen, die Scheidung von einer Hochzeit zu erwirken, die niemals hätte stattfinden sollen? Sicherlich gab es Hunderte Menschen, die sich nach einer wilden Nacht und zu viel Alkohol in derselben Situation befanden.

Luke wartete auf sie neben dem Rolltisch, den der Zimmerservice gebracht hatte. Zum Glück war er inzwischen komplett angezogen – er trug Jeans und ein marineblaues Shirt, das seine Augen noch eine Spur blauer schimmern ließ. Sie hatte bloß das Outfit, in dem sie letzte Nacht gekommen war, und ihre Handtasche. Glücklicherweise hatte ihr Handy genügend Akkuleistung, sodass sie Drea schreiben konnte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte und sie ihr später alles erklären würde.

Oder auch nicht.

Doch irgendwas musste sie der Braut in spe erzählen. Sie teilten sich ein Hotelzimmer, außerdem hatte Drea sie gestern Abend mit Luke verschwinden sehen und wusste, dass sie nicht in ihr Zimmer zurückgekehrt war.

„Bereit fürs Frühstück?“

Luke schlürfte bereits einen Kaffee, die dampfende Kanne stand auf dem Tisch neben Tellern mit Bacon, Eiern, armem Ritter, Bratkartoffeln und einem Korb mit frischem Gebäck.

Igitt. Nichts davon sah appetitlich aus. Sie konnte nichts essen. „Nein, danke. Kaffee reicht.“

Sie schnappte sich die Kaffeekanne und goss sich eine Tasse ein, dann setzte sie sich ihm gegenüber. Sie ließ drei Zuckerwürfel hineinplumpsen und rührte um. Luke zog eine Augenbraue hoch.

Was sollte sie sagen? Sie liebte süßes Trostfutter, und jetzt gerade war Zucker Balsam für ihre Seele. Lukes stumme Missbilligung veranlasste sie, nach einem vierten Zuckerstück zu greifen, sie sah ihm direkt in die Augen, während sie den Würfel in ihren Kaffee fallen ließ.

„Willst du gar nichts essen?“, fragte er.

„Ich habe keinen Hunger, Luke. Mir ist noch immer schwindelig.“

„Ich dachte, die Dusche würde helfen.“

„Unter der Dusche ist mir eins klar geworden: Wenn unser Ausflug nach Las Vegas uns in diesen Schlamassel hineingebracht hat, warum kann er uns nicht auch wieder herausbringen?“

Luke sah sie lange an. „Was?“

„Ich möchte eine Scheidung. Auf der Stelle. Irgendwer in dieser Stadt kann uns sicher dabei helfen.“

Luke kratzte sich am Kopf und sah sie an, als wäre sie ein Kind, das nach dem Mond greifen wollte.

„Das ist unmöglich, Katie.“

„Wie kannst du so etwas sagen? Wir haben es nicht mal versucht. Pass auf, ich war gestern Nacht nicht ich selbst, und das weißt du. Wie lange kennen wir uns jetzt? Zehn Jahre?“

„Zwölfeinhalb.“

Sie starrte ihn an und er zuckte mit den Schultern.

„Ich habe ein gutes Gedächtnis für Daten. Wir haben uns beim ersten Jubiläum der Red Barrel-Rettung kennengelernt.“

Katie erinnerte sich an diesen Tag. Sie hatte die Rettungseinrichtung als Thema ihrer Facharbeit in der Highschool gewählt und war hingegangen, ohne zu wissen, was sie erwartete. Sie hatte nur einen Blick auf die geschändeten und verstümmelten Pferde geworfen, um die man sich dort kümmerte, und war schon verliebt. Luke war auf gewisse Art ihr Mentor gewesen, und durch sie hatte er ihre Schwester Shelly kennengelernt.

„Und in all diesen zwölfeinhalb Jahren bin ich dir da jemals impulsiv oder wild oder, wie du es heute genannt hast, als eine Frau vorgekommen, die dich unter den Tisch trinken könnte?“

„Nein.“ Er kratzte sich erneut am Kopf. „Andererseits war ich auch noch nie mit dir in Las Vegas.“

Sie rollte mit den Augen. „Das ist eine ernste Angelegenheit, Luke. Ich erinnere mich nicht mehr daran, dass all das gestern Nacht passiert ist, aber ich weiß ganz bestimmt, dass wir dieses Problem so schnell wie möglich aus der Welt schaffen müssen.“

„Ich … stimme dir zu.“

„Wirklich? Gut, denn für eine Sekunde habe ich schon befürchtet, dass dir das nicht wie ein großes Problem vorkäme.“

„Ich kann mich nicht scheiden lassen, bevor ich nicht mit meinem Anwalt gesprochen habe. Es tut mir leid, Katie, aber das wird heute nichts.“

„Warum nicht?“

„Weil es kompliziert ist. Ich bin ein Boone, das bedeutet, dass Scheidungsverfahren ziemlich hässlich werden können. Mein Anwalt wird mich nichts unterschreiben lassen, das er nicht vorher gesehen hat.“

„Meine Güte, Luke, ich will nichts von dir oder deiner Familie. Wenn du darauf hinauswillst, kannst du direkt zu …“

„Es liegt nicht an mir, Katie. So laufen die Dinge nun mal, wenn du …“

„Reich bist?“

„Ein Boone bist.“

„Wie schlimm es sein muss, dass du nie weißt, wem du vertrauen kannst. Vermutlich hattest du genau die gleichen Schwierigkeiten mit Shelly?“

„Lass uns deine Schwester da raushalten.“

„Du hast leicht reden.“ Katies Magen brannte inzwischen, die Säure schäumte heftig. Es lief nicht gut. Er stellte sich begriffsstutzig und die Andeutung, dass sie es irgendwie auf das Geld der Boones abgesehen hatte, brachte sie auf die Palme. „Und es gibt nichts, was wir tun können? Vielleicht wenn du deinen Anwalt anrufst …“

Luke warf ihr einen finsteren Blick zu. „Das geht nicht. Er ist aus persönlichen Gründen nicht im Land.“

„Aus persönlichen Gründen? Du könntest sagen, dass dies dein persönlicher Grund ist.“

Er seufzte. „Seine Mutter ist furchtbar krank und er ist dort, um ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Also, falls der schlimmste Fall eintritt.“

„Oh. Tut mir leid, das zu hören. Kannst du nicht jemand anderes beauftragen?“

Luke schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, so funktioniert das nicht. Zumindest nicht für mich.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften, seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich augenblicklich dorthin. An wie viel von letzter Nacht erinnerte er sich? Er betrachtete sie anders als zuvor. Als nähme er ihre Ehe ernst, als wäre sie … seine Frau. „Ich kann nicht mit dir verheiratet nach Boone Springs zurückkehren, Luke.“

„Sieht so aus, als müsstest du das. Unser Flug geht in ein paar Stunden.“

Katie seufzte, Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich fasse das einfach nicht.“

Er schwieg.

Sie hatte keine andere Wahl, als nachzugeben. Sie sah keinen Ausweg. Wenn sie ihren Aufenthalt in Las Vegas verlängerte, würde die gesamte Hochzeitsgesellschaft misstrauisch werden. Das brauchte sie nicht. Sie musste mit dem, was zwischen Luke und ihr vorgefallen war, hinterm Berg halten und sich etwas ausdenken, bevor das Firmenflugzeug der Boones abhob.

„Na gut, aber ich bin darüber nicht glücklich. Falls die Wahrheit herauskommt, bin ich dem Untergang geweiht. Es würde die Beziehung zu meiner Familie zerstören. Und wer weiß, wie sehr es die Gesundheit meiner Mama beeinflussen würde. Versprich mir, dass niemand davon erfährt. Versprich mir, dass du unser Geheimnis für dich behältst.“

Luke berührte ihre Hand, sein leichtes Streicheln war süß, tröstend und verflucht verwirrend.

„Ich verspreche es, Katie. Niemand wird es erfahren.“

Luke wartete, bis alle an Bord des Boone-Firmenflugzeugs waren, und hielt seinen Blick auf Katie gerichtet. Sie nahm einen Platz bei den Brautjungfern im hinteren Teil ein, wo sich die Mädels um die Braut in spe zusammendrängten.

Er konnte nicht anders, als Katies wunderschönes blondes Haar zu bewundern, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Die Strähnen, die ihr Gesicht einrahmten, verliehen ihr ein unschuldiges und niedliches Aussehen. All das war sie auch, doch gestern im Club hatte er ihre aufreizende, leidenschaftliche Seite gesehen. Ihre sanften grünen Augen hatten verschmitzt gefunkelt, besonders als sie in ihrem sexy schwarzen Kleid tanzte. Nun, in Denim-Jacke und Jeans, bildete sie einen wundervollen Gegensatz zu den cremefarbenen Ledersitzen und dem Ambiente des speziell angefertigten Flugzeugs.

Sie war seine Ehefrau. Er konnte es kaum glauben. Er war tatsächlich mit Katie Rodgers verheiratet. Während Mason mit Drea und sein anderer Bruder Risk mit April verlobt war, hatte er seine Brüder ungewollt beim Schritt vor den Altar geschlagen.

Katie sah in seine Richtung und ihre Blicke trafen sich. Er könnte sie für immer ansehen und dessen nie müde werden. Sobald sie seinen Blick bemerkte, wandte sie sich jedoch ab.

Er lächelte in sich hinein, wagte es aber nicht, in Gegenwart einer ruhigen, übel gelaunten Katie zufrieden zu wirken. Sie war gerade herzlich genug zu ihren Freundinnen, um Nachfragen abzuwenden. Sie hatte allen erzählt, ihr sei gestern Nacht schlecht geworden und sie habe sich die Seele aus dem Leib gekotzt, sodass er sie in den frühen Morgenstunden in die Notaufnahme gebracht habe, um sicherzustellen, dass sie nicht dehydrierte.

Es war eine plausible Flunkerei, die jeder zu glauben schien, abgesehen von seinen Brüdern. Während Drea sich bei ihm bedankt hatte, dass er sich um ihre beste Freundin gekümmert hatte, hatten ihn sowohl Risk als auch Mason schief angesehen.

Verdammt, er hatte all das ganz sicher nicht geplant, doch Katies leise dahingehauchter Wunsch, die Liebe ihres Lebens zu finden und zu heiraten, hatte etwas tief in ihm erschüttert und sein einsames Herz gepackt. Er hatte ebenfalls zu viel getrunken, und seine Willenskraft in ihrer Gegenwart war auf einem Allzeittief gewesen. Sie hatte mit ihm geflirtet, ihn praktisch aufgefordert, mit ihr zu schlafen, und na ja … dagegen hatte er sich nicht wehren können. Nicht bei ihr.

Luke schnallte sich an und warf einen Blick zu Katie. Sie sah fix und fertig aus, als hätte sie gerade ihre beste Freundin verloren, obwohl Drea direkt neben ihr saß.

Er seufzte, und als er sich wieder umdrehte, fand er sich Auge in Auge Risk gegenüber, der auf dem Nachbarsitz saß.

„Läuft da irgendwas zwischen euch beiden?“, fragte sein Bruder.

Er hatte Katie versprochen, ihr Geheimnis nicht zu verraten, und diesen Schwur würde er nicht brechen. „Mit wem?“

„Stell dich nicht dumm. Zwischen dir und Katie.“

„Nein, da läuft nichts.“ Luke warf ihm einen warnenden Blick zu.

Risk hob abwehrend die Hände. „Hey, ich will nur, dass du auch mal glücklich bist.“

„Du weißt aber schon, wer sie ist, oder?“

Risk feixte. „Die beste Bäckerin in ganz Texas. Sie würde uns mit Gourmet-Cupcakes dumm und dämlich füttern.“

„Sie ist Shellys kleine Schwester. Und sie kann mich kaum ertragen.“

Katie hatte Shelly vor Jahren einmal zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Red Barrel-Rettungsstation geschleppt und sie einander vorgestellt. Es hatte sofort gefunkt, und er fing an, mit Katies großer Schwester auszugehen. Die Verlobung war der nächste logische Schritt gewesen. Bis zu dem Tag, an dem er aufwachte und bemerkte, dass er einen riesengroßen Fehler beging.

„Ihr beide seid gestern Abend zusammen verschwunden“, sagte Risk. „Und heute kannst du die Augen nicht von ihr lassen.“

„Lass es einfach gut sein. Okay?“

Risk schien seine Verärgerung zu bemerken. „Okay, ich halte mich da raus.“ Er klopfte ihm auf die Schulter. „Aber wenn es ein Problem gibt, bin ich für dich da.“

„Das weiß ich zu schätzen. Wieso sitzt du eigentlich nicht bei deiner Verlobten?“

„Scheint ganz so, als wäre der Junggesellinnenabschied der Mädels erst vorbei, wenn das Flugzeug wieder in Boone Springs landet.“

Risk beobachtete April, was Luke die Gelegenheit gab, noch einmal nach Katie zu schauen. Da saß sie und gab ihr Bestes, den anderen nicht den Spaß zu verderben, versuchte zu lächeln und den Kummer zu verbergen, der vermutlich in ihr brodelte. Der Gedanke, dass er diesen Kummer verursachte, nagte an ihm. Das war das Letzte, was er wollte. Doch er konnte sie nicht gehen lassen. Nicht jetzt.

Sie war die Frau, die seine Liebe für Pferde teilte, die die halbe Nacht mit ihm getanzt hatte, und außerdem jene unerreichbare Frau, die ihn die vergangenen fünf Jahre in seinen Träumen begleitete.

Er brauchte eine Chance mit ihr, und das war die beste, die er bekommen würde.

Eine Chance.

War das zu viel verlangt?

2. KAPITEL

Eine Limousine der Boones holte die gesammelte Hochzeitsgesellschaft am Flughafen ab und brachte alle Gäste jeweils direkt nach Hause in die Außenbezirke der Stadt. Katie war eine der Letzten, die abgesetzt wurden, da sie im Herzen von Boone Springs in einem Apartment über ihrer Bäckerei lebte.

Es war eine bescheidene Wohnung mit einem Schlafzimmer und einem Bad, doch die Räume waren weitläufig, und ihre große Küche diente als Reserve, wenn die Aufträge in der Bäckerei das Limit überschritten. Das passierte nicht oft. Katie führte den Laden effizient, und es gab nichts Besseres, als um vier Uhr morgens aus dem Bett zu rollen und im Pyjama unten zu arbeiten, bis die Bäckerei um sieben Uhr öffnete.

Als die Limo vor ihrem Haus hielt, erfasste sie eine Woge der Erleichterung. „Hier muss ich raus“, sagte sie zu ihren Freunden, die noch im Wagen saßen. „Ich hoffe, ihr hattet alle eine tolle Zeit.“

Drea nahm sie fest in den Arm. „Es war wunderbar. Ein fantastischer Mädelsausflug, meine Liebe. Vielen Dank für alles. Dafür habe ich dich so lieb.“

„Hab dich auch lieb.“

Katie sah in die Runde und winkte zum Abschied. „Ihr alle habt die Party für unsere lieben Freunde zu etwas Unvergesslichem gemacht.“

„Nach letzter Nacht habe ich mehr vergessen als behalten“, sagte Mason lächelnd.

„Du hattest einen großartigen Abend mit Freunden und Familie, besonders mit deiner Verlobten.“ Drea drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Frag einfach mich, dann fülle ich die Lücken.“

Katie hatte auch ein paar Lücken, die sie gerne gefüllt gehabt hätte.

„Aber eins weiß ich: Luke und Katie haben hart daran gearbeitet, alles zu organisieren. Danke dafür“, sagte Mason. „Ihr zwei seid ein gutes Team.“

Eine Hitzewelle schoss ihr den Nacken hinauf. „Danke. Es war eigentlich gar nicht so schwer, und es hat Spaß gemacht.“ Der einzig schwierige Teil war die Zusammenarbeit mit Luke gewesen. Ihrem Ehemann. Oh Gott.

Der Fahrer der Limo holte ihre Taschen und öffnete ihr die Tür.

„Ich steige auch hier aus“, wandte Luke sich an den Fahrer.

Katie starrte ihn an.

„Es ist nur ein kurzes Stück zu Fuß bis zum Büro“, erklärte er. „Und ich habe noch etwas zu erledigen. Benny, wenn Sie meine Taschen an der Ranch abliefern könnten? Das wäre sehr nett.“

Der Fahrer nickte. „Ja, Sir.“

Katie stieg aus, Luke direkt hinter ihr.

„Die nehme ich.“ Er nahm dem Fahrer ihre Taschen aus der Hand.

Katie bemerkte einige verwunderte Blicke aus dem Wagen und wäre am liebsten im Boden versunken. Was um Himmels willen tat Luke da? Sie wollte keinen Verdacht erregen. Es war schlimm genug, dass sie ihre beste Freundin darüber hatte anlügen müssen, wo sie letzte Nacht gewesen war. Luke schien gar nicht zu bemerken, wie sein Verhalten auf die anderen wirkte.

„Tschüss“, sagte Drea. „Danke noch mal, Süße. Wir reden bald.“

„Okay.“ Katie schenkte ihrer Freundin ein Lächeln.

Als die Limo davonfuhr, drehte sie sich zu Luke um. „Gib mir meine Taschen.“

„Ich trage sie für dich hoch.“

„Das ist nicht nötig.“

„Ich weiß, aber ich würde gerne.“

„Warum?“

„Du hast immer noch einen Kater. Du siehst blass und ein bisschen geschwächt aus.“

„Der einzige Grund, wieso ich krank aussehe, ist wegen dem, was zwischen uns passiert ist. Das verursacht mir Bauchschmerzen.“

Einer seiner Mundwinkel zuckte, doch es tat ihr überhaupt nicht leid, dass sie so grob gewesen war. Nun, vielleicht tat es ihr ein ganz kleines bisschen leid. Es war ebenso sehr ihr Fehler, wie es seiner war.

„Umso mehr ein Grund, dir zu helfen. Ich fühle mich verantwortlich.“

„Brauchst du nicht.“

„Ich kann nicht anders, Katie. Komm, du musst dich ausruhen.“

Es gefiel ihr nicht, dass er ihr sagte, was gut für sie war, doch er reckte stur das Kinn, und sie konnten nicht den ganzen Tag hier stehen und sich streiten. „Also schön.“

Er war schlau genug, sich nicht damit zu brüsten, den Punkt gewonnen zu haben, sondern nickte und ging mit ihren Taschen hinüber zur Eingangstür.

Sie schloss den Laden auf und trat ein. Die Bäckerei war drei Tage geschlossen gewesen, dennoch erfüllte der Duft von Vanille, Zimt und Zucker die Luft. Der Geruch von Zuhause. Sie seufzte und ihr Körper entspannte sich.

„Hier drin riecht es so, wie du bist“, bemerkte Luke, als könnte er ihre Gedanken lesen.

„Und das wäre?“, fragte sie.

„Süß.“

Sie ließ seine Antwort für einen Moment im Raum stehen. Gerade fühlte sie sich nicht süß. Sie fühlte sich furchtbar und schuldig. Noch immer wünschte sie sich, sie könnte diesem schrecklichen Traum entkommen. Als Ehefrau des Ex ihrer Schwester aufzuwachen war wahrhaftig ein Albtraum. Und je schneller sie das wieder ins Lot brachte, desto besser.

„Die Treppe ist hinten, durch die Küche.“ Sie ging voran und er folgte ihr.

Er blieb stehen und ließ den Blick durch die Backstube schweifen. „Hier findet also die Magie der Cupcakes statt. Ich habe mich immer gefragt, wie dieser Ort aussehen mag.“

„Ja, so ist es. Hier verbringe ich einen Großteil meines Lebens.“ Sie konnte die Freude in ihrer Stimme nicht unterdrücken. Sie war stolz auf ihren Laden, stolz darauf, was sie erreicht hatte. Und sie liebte ihre Arbeit.

Luke studierte den riesigen Mixer, die Schüsseln und Cupcake-Bleche, die Kanister mit Mehl und Zucker sowie den Industriekühlschrank. Ja, das war ihr Zuhause.

„Hier sehe ich dich“, sagte Luke, als stellte er sie sich bei der Arbeit vor.

„Es ist nicht glamourös.“

„Ich kann mir vorstellen, dass es verdammt harte Arbeit ist. Aber Arbeit, die dir Spaß macht.“

„Stimmt.“

„Deine Bäckerei ist die beste der Region, jeder weiß das. Doch ich habe dich nur als Pferdeliebhaberin kennengelernt. Du verbringst viel Zeit bei der Red Barrel-Rettung. Wie bringst du beides unter einen Hut?“

„Du leitest ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen, wie findest du die Zeit?“

Er grinste. „Du bist clever, das muss man dir lassen.“

„Offenbar nicht clever genug“, murmelte sie. Ansonsten wäre sie nicht mit ihm im Bett gelandet.

Luke strich sich übers Gesicht. „Ich habe nicht gelogen, als ich meinte, dass es auf Gegenseitigkeit beruht hat, Katie. Das weiß ich ganz sicher. Mach dir nicht zu viele Schuldgefühle.“

Katie kniff kurz die Augen zusammen und nickte. Der Mann, den sie von der Pferderettung kannte, war sanftmütig, einfühlsam und freundlich. Er war einst ihr Freund gewesen, und da fing die ganze Verwirrung an. Denn er hatte ihrer Schwester wehgetan, und vielleicht war alles, was sie über ihn zu wissen glaubte, vollkommen falsch. „Okay, können wir einfach nicht darüber reden?“

„Worüber nicht reden?“ Er spielte mit. „Du wolltest mir gerade erzählen, wie du die Zeit findest, in der Rettungsstation zu arbeiten.“

„Mein Arbeitstag ist früh zu Ende. Und ich finde die Arbeit wichtig, die wir dort leisten. Diese Tiere brauchen Hilfe.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich date nicht. Oder zumindest habe ich das eine ganze Weile nicht mehr, deshalb habe ich alle möglichen …“

„Du wirst keine Dates mehr haben, Katie.“

Sein Tonfall gefiel ihr nicht, ebenso wenig wie der indirekte Befehl. „Luke, um Himmels willen. Glaubst du, ich möchte mein Leben noch komplizierter machen?“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Und du hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe.“

„Es mag eine überstürzte Hochzeit gewesen sein, aber du bist meine Frau.“

Sie rümpfte die Nase. „Hör auf damit.“

„Ich bin dein Ehemann.“

„Für eine Millisekunde. Denk dran, du hast versprochen, dich so schnell wie möglich um die Scheidung zu kümmern.“

„Das habe ich und das werde ich. Aber bis dahin …“

Luke kam näher, seine unglaublichen Augen blickten sie sanft an. Er nahm ihre Hand und drückte sie.

„Falls du jemals etwas brauchst, ruf mich an.“

„Du weißt, was ich will.“

Er lächelte und seine blauen Augen gewannen an Farbkraft. „Ich weiß, was du zu wollen glaubst.“

„Was soll das heißen?“

Seine Hand schloss sich sanft um ihren Nacken und er zog sie zu sich. Dann senkte er die Lippen auf ihre und küsste sie. Es war liebevoll und süß, überhaupt nicht fordernd, und der Genuss machte es schwer, sich von ihm zu lösen.

„Du solltest gehen“, murmelte sie und stupste ihn gegen die Brust.

„Ich wollte gerade los.“

Als er einen Schritt zurücktrat, sah sie ihn an. Einen kurzen Augenblick, nur eine winzige Sekunde, entdeckte sie etwas in ihm, das sie glücklich machte, und sie wünschte, er müsste nicht gehen.

„Wenn du von deinem Anwalt hörst, melde dich.“

Er nickte und verließ die Bäckerei.

Vielleicht war es gut, dass sie ihn nicht mit nach oben genommen hatte.

Katie rannte die Treppen hinunter und stieß sich an der letzten Stufe einen Zeh. „Aua, verdammter Mist.“ Als sie die Bäckerei betrat, konnten nicht einmal die wohltuenden Aromen all der süßen Dinge ihre Stimmung an diesem Morgen aufhellen.

Nachdem sie am Vorabend noch völlig erschöpft, übermüdet und nervös zum Haus ihrer Mutter gefahren war und für kurze Zeit den gigantischen Fehler vergessen hatte, der ihr in Las Vegas unterlaufen war, hatte sie nun verschlafen und lag total hinter ihrem Zeitplan.

Herrje, ihr schwirrte so viel im Kopf herum – es hatte auch nicht geholfen, dass ihre Schwester wieder einmal kein gutes Haar an Luke gelassen hatte, als Katie vom Junggesellinnenabschied berichtete. Lange hatte sie nicht einschlafen können, und als es ihr schließlich doch gelungen war, war der Schlaf tief und fest gewesen. Sie hatte geträumt, dass eine gesichtslose Bestie sie verfolgte, und sie war gerannt und gerannt, bis sie schweißgebadet aufgewacht war.

Wollte dieser Traum ihr etwas mitteilen?

Sie schaltete das Licht an, band sich ihre lavendelfarbene „Katie’s Kupcakes and Bakery“-Schürze um und machte sich an die Arbeit. Das Montagsmorgen-Angebot war ein Karotten-Zucchini-Cupcake mit luftiger Aprikosenfüllung. Sie nannte es ihr „Smart Start Spezial“, eine gesündere Alternative zu den zuckrigen Naschereien. Es war der Renner bei all jenen, die sich schuldig fühlten, weil sie am Wochenende zu viel gesündigt hatten.

Ihre Aushilfe Lori klopfte an der Hintertür. Katie öffnete und blickte in ein lächelndes Gesicht.

„Hey, schön dich zu sehen. Wie war dein Ausflug?“, fragte Lori, als sie an ihr vorbeiging und ihren Pullover auszog.

„Äh, es war okay.“

„Ach ja? Nur okay?“

Lori klang, als hätte sie ihre Zweifel. Seit sechs Jahren arbeiteten sie eng zusammen und kannten sich ziemlich gut. Inzwischen ging Lori abends aufs College, um einen Abschluss in Betriebswirtschaft zu machen, daher waren die Zeiten in der Bäckerei perfekt für sie. Der Laden schloss um zwei Uhr mittags.

„Klingt so, als hättest du keinen Spaß gehabt. Ist irgendetwas passiert?“

„Nein. Nichts. Ich bin nur müde. Habe verschlafen.“

„Du verschläfst nie. Vielleicht hattest du zu viel Spaß in Las Vegas.“ Lori zwinkerte. „Du musst es mir in allen Einzelheiten berichten. Ich war das ganze Wochenende in meinem Zimmer gefangen, habe gebüffelt und mir deine coole Reise ausgemalt.“

„Es gibt keine Einzelheiten.“ Katie zuckte mit den Schultern. „Wir hatten eine schöne Zeit. Erst Sightseeing, dann eine Show. Wir hatten einen Tag im Spa mit vielen Massagen, waren tanzen. Das Übliche eben.“

„Du warst ganz begeistert davon, als du hier losgefahren bist. Ich war mir sicher, dass du ein paar tolle Geschichten aus Vegas mitbringst, um mich heute Morgen zu unterhalten.“

Lori legte sich ihre Schürze an und begann damit, Zutaten abzuwiegen. Sie fing mit den Schokoladenganache-Cupcakes an, während Katie am Tagesangebot arbeitete. Ihr Arbeitsablauf glich einer Wissenschaft, und hinter dem Zeitplan zu liegen bedeutete, dass ein oder zwei Cupcakes es nicht in die Auslage schaffen würden.

„Sorry, Lori. Nicht viel zu berichten“, flunkerte sie. „Wie wär’s, wenn wir alles mit Kürbis rausschmeißen? Die Herbstsaison ist ja schon eine Weile vorbei“, sagte sie und wechselte das Thema.

„Gute Wahl.“

„Und wenn es irgendwelche Beschwerden gibt, weißt du ja, was du zu tun hast.“

„Wie immer.“

Katies Motto war, die Kunden bei Laune zu halten, indem sie einen oder zwei Cupcakes verschenkte, um Anfeindungen entgegenzuwirken. Auch wenn das bei ihren Stammkunden in Boone Springs kaum je passierte. Sie waren wie eine Familie. Die meisten von ihnen kannte sie mit Namen, ebenso wusste sie, wo sie wohnten und wie viele Kinder sie hatten. Oft belieferte sie Geburtstagsfeiern und andere Veranstaltungen.

Während die Cupcakes im Ofen waren, kümmerte Katie sich um die anderen Backwaren, füllte Croissants, backte Kekse und Zimtschnecken. Gemeinsam arbeiteten sie ohne Pause und hatten die Regale der Bäckerei bis sieben Uhr gefüllt. Der Kaffee war fertig und ihre Stammgäste trudelten ein.

Gegen halb zehn gab es eine Flaute, und Katie plumpste auf einen Stuhl im kleinen Aufenthaltsraum an der Hintertür. Müdigkeit überfiel sie, und die kam nicht nur vom fehlenden Schlaf, sondern war auch akute geistige Erschöpfung, die von den Ereignissen in Las Vegas am vergangenen Wochenende hervorgerufen wurde.

Lori schenkte ihr einen mitleidigen Blick. „Wieso gehst du nicht eine Stunde nach oben?“, schlug sie vor. „Mach ein Nickerchen. Ich kann mich um alles kümmern, bis es voller wird.“

„Danke, aber in ein paar Minuten geht es mir wieder besser. Ich muss nur neuen Schwung sammeln.“

Der neue Schwung kam jedoch nicht, und bei Ladenschluss war Katie völlig geschafft. Nachdem alles aufgeräumt und Lori verschwunden war, stieg sie langsam die Treppen zu ihrem Apartment hoch und ließ sich aufs Sofa fallen. Sie schaltete den Fernseher ein und kämpfte darum, die Augen offenzuhalten, verlor den Kampf aber schließlich.

Für gewöhnlich verbrachte Luke die meiste Zeit in seinem Büro im Haupthaus der Rising Springs Ranch. Er verfolgte auf dem Anwesen einen zupackenden Führungsstil und hatte einen guten Draht zu Joe Buckley, dem Vorarbeiter der Ranch. Sie arbeiteten gut zusammen und er wusste, dass Joe ihn nicht enttäuschen würde.

Heute war Luke im Unternehmensbüro in Boone Springs. Er saß in einem Raum mit seinem Namensschild auf dem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster.

Im Kopf hatte er nichts anderes als Katie und er war bloß in die Stadt gekommen, weil er ihr nahe sein wollte. Ihre Bäckerei war nur zwei Blocks entfernt, eingerahmt von einer Kleiderboutique und einem Textiliengeschäft. Dank dieser Lage hatte die Backerei ziemlich viel Laufkundschaft. Doch selbst wenn nicht, wäre Katie erfolgreich, weil ihre Backwaren die besten im County waren und er dafür gesorgt hatte, dass ihr von keiner Boone-Immobilie aus Konkurrenz gemacht wurde.

Eine kleine Tatsache, die er geheim hielt.

Während er dem Land gedient hatte, hatte er seinen Brüdern sein Anliegen offenbart, und sie waren einverstanden gewesen. Die Familie Rodgers hatte seinetwegen genug durchgemacht, und seine Brüder hatten getan, was sie konnten, damit Shelly und ihre Familie nicht ungewollt durch ihr Tun in Bedrängnis gerieten.

Ihm war es jedoch hauptsächlich um Katie gegangen. Er hatte gewollt, dass sie erfolgreich wird, ein gutes Leben führt. Verdammt, als er wieder nach Hause zurückgekommen war, hatte er sich gewünscht, sie wäre verheiratet oder zumindest in einer ernsten Beziehung. Zu wissen, dass sie noch immer Single war, hatte seine Rückkehr zu einer Tortur werden lassen. Und doch hatte er es geschafft, auf Distanz zu bleiben, wenn er sie irgendwo in der Stadt sah oder wenn sie ehrenamtlich bei der Pferderettung zusammenarbeiteten.

Und dann war Las Vegas gekommen.

Frustriert zwang er sich, die Ranch-Berichte durchzusehen, die er auf seinem Computer geöffnet hatte. Er musste ein bisschen Arbeit erledigen, sich heute irgendwie produktiv fühlen, anstatt davon zu fantasieren, Katie wiederzutreffen.

Um kurz nach vierzehn Uhr klingelte sein Handy. „Hey, Wes. Wie geht’s?“ Normalerweise meldete der Manager der Pferderettung sich nicht bei ihm, daher wusste er, dass es wichtig sein musste.

„Hey, Luke. Entschuldige die Störung, doch es geht um Snow. Es tut mir leid, aber wahrscheinlich ist ihre Zeit gekommen. Das alte Mädchen atmet nicht mehr richtig. Dr. Hernandez war da. Er hat ihr ein paar Schmerztabletten gegeben, mehr konnte er nicht für sie tun. Dachte, das solltest du wissen.“

Luke drehte sich der Magen um. Snowball war eine Mustangstute, die man schwer misshandelt hatte, sie war zu der Zeit in die Rettungsstation gekommen, als er nach Hause zurückgekehrt war. Er und Katie hatten sie beide irgendwie unter ihre Fittiche genommen. Sie hatten ein Faible für das alte Mädchen. Zwar hatte sie sich erholt, doch die Misshandlungen hatten ihren Tribut gefordert, und leider war es bei manchen der Pferde so, dass man nicht viel mehr tun konnte, als das Leid zu lindern.

„Danke, Wes. Tut mir leid, das zu hören. Ich, ähm, ich komme vorbei. Ich will sie sehen.“

„Das dachte ich mir.“

„Ich gebe auch Katie Bescheid.“

„Katie habe ich gerade angerufen. Sie geht nicht ans Telefon. Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen.“

„Okay, also ich werde irgendwie versuchen, sie zu erreichen. Wir sehen uns gleich, Wes.“

Luke legte auf und rieb sich die Schläfen. Er nahm sich einen Moment, um seine Gedanken zu sammeln, und schüttelte den Kopf. Sosehr er Katie auch wiedersehen wollte, die schlechte Nachricht mochte er ihr nicht überbringen.

Fünf Minuten später saß er in seinem Auto und fuhr zur Bäckerei. Im Schaufenster hing ein Geschlossen-Schild. Trotzdem parkte er den Wagen in einer Lücke direkt vor dem Laden und stieg aus. Er drückte am Türgriff. Kein Glück. Dann legte er die Hände an die Stirn, um das Sonnenlicht abzuschirmen, und spähte durchs Fenster. Keine Menschenseele zu entdecken.

Ein Auto bremste auf der Straße ab und eine junge Frau rief: „Kann ich Ihnen helfen?“

Er erkannte sie als eine von Katies Angestellten wieder, auch wenn er sich nicht an ihren Namen erinnerte. Sie hatte mal ein paar Auslieferungen ins Firmenbüro der Boones gebracht. „Ich suche Katie.“

„Warten Sie kurz.“ Die junge Frau parkte ihr Auto und kam zu ihm an die Tür gelaufen.

„Ich bin Lucas Boone.“

Sie lächelte, als wollte sie sagen, dass sie wusste, wer er war. Die Boones erkannte man in der Stadt für gewöhnlich wieder.

„Hi, Lucas. Ich bin Lori. Brauchen Sie Cupcakes oder so? Die Bäckerei ist geschlossen.“

„Nein, nichts dergleichen. Ich muss Katie sehen. Es ist wichtig. Hat mit der Red Barrel-Pferderettung zu tun.“

„Oh … Ich verstehe.“ Sie kaute an ihrer Unterlippe.

„Sie geht nicht ans Telefon.“

„Nein, wahrscheinlich ruht sie sich oben aus. Sie war heute ziemlich ausgelaugt.“

„Es ist wirklich wichtig. Können Sie mir helfen?“

Sie dachte ein paar Sekunden darüber nach. „Ich weiß, dass Ihr Bruder ihre beste Freundin Drea heiratet. Vermutlich ist es also in Ordnung, wenn ich Sie hereinlasse.“

„Vielen Dank.“

Lori steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. „Ich bin nur zurückgekommen, weil ich mein Lehrbuch und meine Unterlagen hier vergessen habe und morgen Abend diese große Klausur schreibe.“

Luke nickte und sie ließ ihn in die leere Bäckerei treten.

„Ich gehe hoch und klopfe“, sagte sie. „Ich lasse Katie wissen, dass Sie hier sind.“

Ein paar Minuten später stand Luke von Angesicht zu Angesicht einer schlafumnebelten Katie gegenüber.

„W…was machst du hier?“ Katie stand im Türrahmen, eine Decke um die Schultern geschlungen, und starrte Luke an. Sie hätte nicht gedacht, dass sie ihn so schnell wiedersehen würde. Seinen Kopf hielt er gesenkt, sein Blick wirkte besorgt. Ihr Herz begann heftig zu klopfen. „Lori hat was von der Pferderettung gesagt.“

„Ich habe einen Anruf von Wes erhalten. Es geht um Snow. Sie ist in schlechter Verfassung.“

Die Luft wurde ihr aus der Lunge gepresst, ihre Schultern sackten zusammen. „Oh nein. Nicht unser Mädchen.“

„Jep. Ich fürchte doch.“ Er rieb sich den Nacken. „Dachte, du würdest das wissen wollen. Wes hat versucht, dich anzurufen.“

„I… ich habe tief und fest geschlafen. Ich habe das Telefon nicht gehört.“

„Ich bin gerade auf dem Weg zu ihr. Vielleicht zum letzten Mal.“

Oh Mann. Sie musste an die Ungerechtigkeit denken, die Snowball widerfahren war, ein Leben voller Misshandlungen und Leid. Ihr Besitzer hatte sie vernachlässigt, und sie war unterernährt, mit Narben übersäht und verletzt in die Rettungsstation gekommen. Es war nicht fair. Sie hatten ihr Bestes gegeben, um sie zu versorgen, und Katie würde sie jetzt nicht ihre letzten Atemzüge alleine machen lassen. „Ich muss sie auch sehen.“

„Ich nehme dich mit.“

„Nein, fahr du schon vor.“ Sie strich sich durchs Haar. Vermutlich sah sie furchtbar aus. „Ich muss mich erst frisch machen.“

„Ich warte solange.“

„Das musst du nicht.“

„Katie, ich bin hier, mein Auto steht vor der Tür und wir fahren zum selben Ziel. Lass uns keine Zeit verschwenden, wenn wir sie stattdessen mit Snow verbringen könnten. Tu einfach, was du tun musst, ich warte so lange unten.“

Er hatte recht. Snow war ihr zu wichtig, um sich mit ihm über die Einzelheiten der Fahrt zu streiten. „Okay, einverstanden. Gib mir eine Minute.“

Fünf Minuten später hatte sie sich eine Jeans und ein rotes Shirt angezogen und ihre Haare zu einem Knoten gebunden. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht und trug Lipgloss auf, um nicht auf den Lippen zu kauen. Dann lief sie die Stufen hinunter und zur Tür der Bäckerei hinaus.

Luke wartete gegen seinen schwarzen SUV gelehnt vor dem Haus auf sie, die Hände in den Taschen und mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Sie hatte wegen der ultrageheimen Hochzeit mit dem Ex ihrer Schwester noch immer einen Stein im Magen. Und jetzt würde die liebe Stute, die sie das letzte Jahr über gehegt hatte, vielleicht sterben.

„Bereit?“, fragte er und öffnete ihr die Tür.

„Ja … glaube ich.“

„Ich weiß, was du meinst. Snow ist etwas Besonderes.“

Katie stieg ein und griff nach dem Gurt, während Luke sich hinters Steuer setzte. Schweigend fuhren sie los. Als sie sich dem Canyon näherten, begann sie zu zittern.

„Kalt?“, fragte er.

„Ein bisschen.“ Sie schlang sich die Arme um den Oberkörper. „Ich habe meine Jacke vergessen.“ Sie hatte nicht daran gedacht, wie frisch es zu später Stunde im Canyon werden konnte.

„Ich kann dich ganz schnell aufwärmen“, sagte er und schenkte ihr ein Lächeln.

Der Anblick seiner Grübchen heizte ihren Körper auf der Stelle auf. In Gedanken war sie unvermittelt wieder in Las Vegas und erinnerte sich an die Stunden, die sie gemeinsam im Bett verbracht hatten.

Er drückte ein paar Knöpfe auf dem Armaturenbrett und schon bald umgab sie ein wärmender Luftstrom.

„Besser?“

Sie nickte.

„Ich habe hinten eine Ersatzjacke. Ich lasse dich da draußen nicht zu Tode frieren.“

Dass er davon sprach, sie etwas zu lassen oder nicht, brachte ihre Nerven in Wallung. Er war nicht wirklich ihr Ehemann – allein daran zu denken, erschien ihr völlig fremd –, doch er kümmerte sich um ihre Bedürfnisse, und das war sie nicht gewohnt, von keinem Mann bisher. „Danke.“

Ein paar Minuten später erreichten sie die Red Barrel-Pferderettung, und Luke parkte auf dem Kiesplatz vor dem kleinen Gebäude, das als Büro diente.

„Ich gehe rein und lasse Wes wissen, dass wir hier sind“, sagte er. „Willst du im Auto bleiben und dich noch etwas aufwärmen?“

„Nein, ich gehe mit dir.“

„Klar.“ Er streckte sich nach hinten und zog zwei Jacken vom Rücksitz. „Hier, bitte.“

Er gab ihr die Wildlederjacke, die mit Lammwolle gefüttert war, während er die leichtere aus Baumwolle behielt. Katie warf sie sich über, sie reichte ihr beinahe bis zu den Knien. Wes kam aus dem Büro, um sie zu begrüßen.

Die Männer gaben sich die Hand, dann wurde Katie von Wes vorsichtig umarmt.

„Ich wusste, dass ihr beiden kommen würdet, sobald ihr es hört. Snow ist im Stall. Ich habe es ihr so bequem wie möglich gemacht.“

Luke suchte ihren Blick, dann sah er wieder zu Wes. „Wir würden sie jetzt gerne sehen.“

„Ihr kennt den Weg. Bleibt, solange ihr möchtet.“

„Danke“, sagte Luke, seine Hand schloss sich sanft um ihre.

Sie machten sich auf den Weg zum Stall und Katie nahm Notiz von all den anderen Pferden in den Gehegen auf dem Grundstück. Das waren die Glücklichen, die eine zweite Chance bei Red Barrel bekommen hatten. Es gab noch so viele andere, die krank und hungrig in den Canyons umherirrten.

Als sie die breite Holztür erreichten, drehte Luke sich zu ihr um. „Ganz egal, was da drin passiert, denk immer daran, dass wir unser Bestes für sie gegeben haben.“

„Das weiß ich“, flüsterte sie. „Sie ist bloß etwas Besonderes. Und sie hat so viel durchgemacht.“

„Na dann“, sagte er mit einem sanften Lächeln. „Lass uns ihr die letzten Stunden so angenehm wie möglich machen.“

Katie hielt die Luft an und atmete tief aus. „Okay.“

Sie traten aus dem Tageslicht in die dunkle Scheune. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Es war definitiv Jackenwetter im Canyon.

„Da ist sie.“ Luke deutete auf den größten Sattelplatz in der Scheune.

Katie näherte sich der Box, und als sie Snow erblickte, fasste sie sich an die Brust. „Oh, meine Süße.“ Es tat weh, Snow so schwach zu sehen, dass sie den Kampf aufgegeben hatte.

„Sie ist zusammengebrochen“, sagte Luke. „Aber noch ist sie bei uns.“

„Ja, das ist sie. Du hast auf uns gewartet, nicht wahr, meine schöne Snowball?“

Snow hob den Kopf und beäugte sie beide kurz, dann legte sie ihn wieder auf ihrem Kissen aus Stroh ab.

Katie betrat den Stall, zog die Jacke aus und legte sie neben der Stute ins Stroh. „Macht dir das etwas aus?“, fragte sie Luke.

„Absolut nicht“, sagte er und tat dasselbe mit seiner Jacke.

Sie setzten sich auf die Jacken neben Snow.

„Hey, mein Mädchen. Ich bin hier“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Du musst das nicht alleine durchstehen.“ Katie legte eine Hand auf Snows Mähne und tröstete sie mit sanftem Streicheln. „Ich weiß, das Atmen fällt dir schwer. Bleib ganz ruhig. Ich bin hier.“

Luke streichelte Snow an der Seite und pfiff leise eine sanfte Melodie. Er machte das tatsächlich ziemlich gut, sodass es nicht nur die Stute entspannte, sondern auch ihre Nerven beruhigte.

„Das klingt schön“, sagte sie und schloss die Augen. „Wo hast du das gelernt?“

„Ein Freund hat es mir in Übersee beigebracht.“

Katie öffnete die Augen. „Als du in Afghanistan warst?“

Er nickte. „Wir mussten Zeit totschlagen, wenn wir nicht im aktiven Einsatz waren. Du weißt schon, irgendwie die Leere füllen, weil man so weit weg von zu Hause ist.“

„Muss schwer gewesen sein.“

„Es war nicht gerade ein Spaziergang.“

„Dennoch hast du dich verpflichtet. Obwohl du hier eine Familie und eine Multimillionen Dollar schwere Firma zu leiten hattest. Du hättest nicht einrücken müssen.“

„Irgendwie doch. Ich glaube, die Zeit woanders hat geholfen.“

„Sprichst du jetzt von meiner Schwester?“

Er nickte. „Ich hatte nie vor, ihr wehzutun. Ich weiß, dass sie mich hasst, aber es ist eine Menge Zeit vergangen, seit wir uns getrennt haben.“

„Du meinst, seit du sie sitzen lassen hast? Sie gedemütigt hast?“

„Ja.“ Er runzelte die Stirn. „Wenn du es so ausdrücken möchtest.“

„Es ist bloß so, dass meine Familie dir vertraut hat.“ Sie streichelte Snows Mähne. Luke hatte seine Streicheleinheiten ebenfalls nicht unterbrochen. „Und deine Entscheidung kam irgendwie aus heiterem Himmel.“

„Was kann ich noch sagen, was ich nicht bereits gesagt habe?“

Katies Gefühle standen im Widerspruch zueinander. Sie wollte Shelly und ihre Mom unterstützen, doch Luke hatte nicht ganz unrecht. Er konnte keine Frau heiraten, die er nicht liebte. Es war nur ziemlich blöd, dass er diesen Schluss erst direkt vor der Hochzeit gezogen hatte.

„Ich weiß, dass die beiden mich hassen, Katie. Aber wie sieht es mit dir aus?“

Die Frage erwischte sie vollkommen auf dem falschen Fuß. „Hass ist ein starkes Wort.“

„Also nicht?“

„Sagen wir einfach: Ich hasse es, wie die Dinge sich entwickelt haben.“

Lucke nickte. „Na gut.“

„Wo wir gerade von Entwicklungen sprechen, gibt es schon Neuigkeiten von deinem Anwalt, was unser Dilemma angeht?“

Luke runzelte die Stirn. „Nein.“

Sie seufzte. „Das wäre wohl auch zu viel des Guten.“

Snow wurde unruhig und rutschte auf ihrem Strohbett hin und her.

„Ich glaube, du musst weiterpfeifen“, sagte Katie. „Es hilft ihr offenbar.“

Luke legte die Lippen aufeinander, und die Melodie erfüllte den Stall. Bald hatte Snow sich beruhigt, ihre Atemzüge kamen regelmäßiger.

Der Nachmittag wich dem Abend, und das alte Mädchen hielt durch. Ihre Augen waren inzwischen geschlossen, ihr Atem schwerfälliger. „Braves Mädchen, Snow. Und jetzt schreite über die Brücke. Bald bist du an einem besseren Ort.“ Katie beugte sich hinunter, um ihr einen Kuss zu geben, und streichelte ihre Nase.

Luke machte eine Pause vom Pfeifen. „Ich erinnere mich daran, wie ich sie zum ersten Mal entdeckt habe. Sie war übersät mit Wunden und blauen Flecken und doch hatte sie beseelte Augen. Sie waren so lebendig, so hoffnungsvoll.“

„Ich fand es grauenhaft, wie man sie behandelt hatte. Das arme Ding hatte nicht mal einen Namen“, sagte Katie.

„Ja, ich erinnere mich. Unter dem ganzen Dreck war ihr Fell schwarz, und diesen weißen Fleck mitten auf ihrer Stirn konnte man nicht übersehen. Es sah aus, als hätte man sie mit einem fetten Schneeball getroffen.“

„Deshalb habe ich sie Snowball genannt.“

„Ich habe sie Snowball genannt“, sagte Luke, die Stimme eine Oktave höher.

Katie lächelte, als sie die gespielte Entrüstung auf seinem Gesicht sah. In Wahrheit wusste sie nicht, wer es zuerst gesagt hatte, aber sie hatten sich auf den Namen geeinigt. „Okay, vielleicht haben wir sie beide Snowball genannt.“

Luke lächelte ebenfalls. „So muss es gewesen sein. Endlich sind wir uns bei etwas einig.“

Sie mochte diesen Luke, der Mitgefühl zeigte. Ein Mann, der über sich selbst lachen konnte und sich nicht aufplusterte. Er war mehrfacher Millionär, trotzdem protzte er nie damit. „Das ist die Magie von Snow. Sie ist …“ Sie blickten beide zur Stute hinunter. Sie lag reglos da. Atmete nicht mehr. „Oh nein.“

Katie sah zu Luke, auch sein Lächeln verblasste. Die Stute hatte ihren letzten Atemzug getan, während sie sich unterhalten hatten. Snow hatte sie gehört, ihre Stimmen erkannt und sich friedlich genug gefühlt, um ohne Ringen fortzugleiten.

Katies Augen füllten sich mit Tränen.

Luke kniff sich ebenfalls in den Nasenrücken.

„Sie ist ge…gegangen.“

„Ja.“ Er legte ihr die Arme um die Schultern und zog sie an sich. „Aber sie ist in dem Wissen gegangen, dass sie geliebt wurde.“

Katie konnte nicht länger an sich halten. Sie nickte und ließ die Wahrheit seiner Worte sacken. Leise weinte sie und sah Luke an, Tränen rannen ihr die Wangen hinab und benetzten sein Shirt.

„Ist schon okay, Katie. Nicht weinen, Sweetheart.“

„Mir war klar, dass dieser Tag kommen würde, aber ich hätte nicht geglaubt, dass es so bald wäre. Ich habe gedacht, wir hätten mehr Zeit mit ihr.“

Sie hatte nie ein Haustier besessen. Sie hatte nie ein Tier gehabt, um das sie sich kümmern konnte, es füttern und liebhaben, bis sie anfing, für die Rettungsstation zu arbeiten. Sie liebte alle Pferde hier – jedes hatte eine Geschichte. Doch aus irgendeinem Grund war Snow besonders. Die Stute hatte ihr Herz berührt und sie hatten eine tiefe Beziehung gehabt, eine Verbindung, die sie zu keinem der anderen Pferde verspürte. Katie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Snows Tage angenehm zu gestalten.

Offenbar fühlte Luke das Gleiche. Seine Augen waren feucht, seine Miene traurig. Er konnte seinen Kummer ebenfalls nicht verbergen. Mit den Lippen streifte er ihre Stirn. Sie brauchte jetzt seine Wärme, seine Stärke.

„Es gibt nichts mehr, was wir tun können.“ Seine Stimme war zittrig, und er schien sie nicht loslassen und somit das Band zwischen ihnen zerschneiden zu wollen. „Wir sollten gehen.“

Sie nickte, wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht, und versuchte dann, sein von ihren Tränen nasses Shirt trockenzuklopfen. „Entschuldige.“

„Mach dir darüber keine Gedanken“, sagte er leise.

„Ich verlasse sie nur äußerst ungern.“

„Ich gebe Wes Bescheid, dass sie gegangen ist. Er wird sich um sie kümmern.“

Es war schwer, loszulassen. Abschied zu nehmen.

Luke stand auf und half ihr hoch, verschränkte seine Finger mit ihren. „Bereit?“

„Ich denke schon.“ Sie blickte noch ein letztes Mal zur armen Snow und es zerriss ihr das Herz.

Luke hob die Jacken auf und streifte das Stroh davon ab. „Zieh die an. Draußen ist es kalt.“

Er schenkte der gefallenen Stute ebenfalls einen letzten Blick voller Traurigkeit und Bedauern, nahm eine Wolldecke vom Stallpfosten und bedeckte ihren Körper.

Katie schlüpfte in seine Jacke, und er umklammerte erneut ihre Hand, wodurch seine Wärme und Stärke in sie sickerten.

Er führte sie aus der Scheune. „Komm, Sweetheart. Ich bringe dich nach Hause.“

Diesmal machte ihr der Kosename nichts aus – sie konnte sich nicht dagegen wehren. Konnte nicht streiten. Sie hatte stürmische vierundzwanzig Stunden hinter sich und fühlte sich zu taub, um überhaupt noch zu denken. Seine Schultern waren für sie zum Anlehnen da, er fand die richtigen Worte, und dieses eine Mal würde sie nehmen, was Luke anzubieten hatte.

Ohne Schuldgefühle.

3. KAPITEL

Luke stand Katie an der Schwelle ihres Apartments gegenüber. Er hatte darauf bestanden, sie nach oben zu begleiten, vermutlich weil sie ihre Gefühle nicht ganz in den Griff bekam. Sie hatte einen Großteil der Heimfahrt geweint, kleine Schluchzer waren ihr immer dann von den Lippen gekommen, wenn sie sich Snow ohne Regung und leblos auf dem Boden vorgestellt hatte. Im Auto hatte Luke oft zu ihr herübergesehen. Sie hatte seinen besorgten Blick gespürt, aber sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Sie zeigte niemandem gerne ihre verletzliche Seite, doch heute Abend ließ es sich nicht verhindern. Ihre Emotionen waren außer Kontrolle.

„Kommst du zurecht?“, fragte er.

„Ich denke schon.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen.“

Er sah ihr tief in die Augen und rieb sich das Kinn. „Das tue ich aber.“

„Du hast mir gegenüber keinerlei Verpflichtung, Luke. Wirklich, ich komme klar.“

„Darum, glaubst du, geht es mir?“

Er sagte es sanft, ohne Verurteilung, und plötzlich fühlte sie sich klein und borniert. „Nein, nein. Es tut mir leid. Du bist natürlich genauso aufgewühlt wegen Snow wie ich. Ernsthaft, ich bin froh, dass wir ihre letzte Nacht zusammen verbracht haben. Du hattest sie ebenso gern wie ich. Mein Gott, ich kann nicht glauben, dass ich von ihr in der Vergangenheitsform spreche.“

„Das ist seltsam, hm?“

„Ja.“

Sie fixierte ihn, durch ihren Kopf schwirrten so viele Gedanken. Doch hauptsächlich war sie froh, dass er heute Abend hier war, ihr Trost spendete und dabei half, dass sie über den Verlust von Snow hinwegkam.

„Es war ein langer Tag. Ich sollte dich jetzt zur Ruhe kommen lassen“, sagte er.

„Das klingt … gut.“

„Okay, na dann. Gute Nacht.“

Er wandte sich zum Gehen, doch Katie platze heraus: „Luke, warte.“

Er drehte sich wieder um und hob die dunklen Augenbrauen.

Sie nahm seine Hände in ihre und drückte sie. „Ich wollte dir nur noch einmal danken, dass du mich heute abgeholt hast. Es hat mir viel bedeutet, dort zu sein. Ehrlich, ich wüsste nicht, wie ich das alles durchgestanden hätte, wenn du nicht bei mir gewesen wärst.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen unschuldigen Kuss auf die Wange zu hauchen, doch dann drehte sie ihren Kopf und er drehte seinen, sodass ihre Lippen zu einem echten Kuss verschmolzen. Luke machte ein Geräusch tief in seiner Brust, und ein Gefühl köstlicher Wärme flammte in ihr auf.

In Las Vegas hatten sie einander womöglich Dutzende Küsse gegeben, aber sie erinnerte sich an keinen einzigen davon. An diesen Kuss würde sie sich erinnern. Sie wollte nicht, dass dieser Kuss jemals endete.

Ein Stöhnen bildete sich in ihrer Kehle, eins voller Verlangen und Lust, und für einen Augenblick wurde sie rot vor Scham. Doch Luke hörte nicht auf, er zögerte nicht, ihren Mund zu erobern. Er war ebenfalls voll dabei, rief dadurch ihre tiefsten Sehnsüchte danach wach, in den Arm genommen und getröstet zu werden. Sie war verletzt, und dieser Kuss war Balsam für ihre Seele.

Er bewegte sich, schob sie rückwärts ins Apartment und küsste sie endlos. Sie ließ es bereitwillig geschehen, kostete seinen Geschmack aus, die rohe Lust, die er in ihr weckte. Er schüttelte seine Jacke ab und zog ihr ihre aus, ohne den Kuss zu unterbrechen. Dann schlang er die Arme um sie und hielt sie so eng bei sich, dass sich seine Erektion an ihren Bauch presste.

Eine Hitzewelle durchzuckte sie. Es war erstaunlich, wie schnell er sie zum Leben erweckte. Sie war froh über die Empfindungen, die ihren Körper erbeben ließen. In Lukes starken Armen wünschte sie sich auf einmal, was ihr verboten war.

„Luke“, sagte sie, als er den Kuss plötzlich beendete.

Er sah ihr tief in die Augen. „Sag mir nicht, dass ich aufhören soll“, flüsterte er und ließ seine Lippen erneut über ihre gleiten.

„Werde ich nicht, aber vielleicht sollten wir zu Atem kommen?“

Das flüchtige Lächeln auf seinem Gesicht haute sie um. Er war so verdammt attraktiv. Warum ausgerechnet er? Sie hielt ein paar Sekunden inne und atmete tief ein und aus. „Okay, das reicht.“

„Kannst du damit umgehen?“, fragte er und strich ihr eine eigenwillige Haarsträhne aus der Stirn. „Beantworte das nicht“, murmelte er. „Ich weiß schon, dass du es kannst.“

Er umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht und sah sie eindringlich an, bevor er erneut ihre Lippen bestürmte. Seine ungebändigte Lust überwältigte sie und linderte den Kummer in ihrem Herzen. Sie war selbst überrascht, wie leichtfertig sie ihn gewähren ließ, wie sehr sie mehr von seinen Küssen wollte, mehr von ihm. Prompt durchzog ein Hitzewirbel ihren Körper, stimulierte und erregte sie.

„Du spürst es auch, nicht wahr?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Das sollte sie nicht. Aber ja. Ja. Sie spürte es. „Ja“, sagte sie leise. Obwohl sie es nur widerwillig zugab, konnte sie ihn nicht anlügen. Konnte nicht leugnen, dass seine Berührungen sie auf schockierende Weise antörnten. Dass seine Küsse sie dahinschmelzen ließen. Dass sie mehr wollte.

All das geschah wegen Snow und des Verlusts, den sie verspürte. Es musste so sein. Es durfte keinen anderen Grund geben.

Luke knöpfte sein Hemd auf, und streifte es ab. Er legte ihre Hände flach auf seine Brust. Die straffen Muskeln faszinierten sie, und sie ließ die Finger darüber gleiten, bis sie den gesamten Umfang seines breiten Brustkorbs nachgezeichnet hatte. Er war überwältigend – fest, stramm und hart.

Elektrische Funken schienen zwischen ihnen zu knistern, eine unsichtbare Verbindung zog sie zu ihm, machte sie ganz schwindelig. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Schulter und spürte, wie er erbebte.

„Katie.“

Ihr Name kam tief aus seiner Kehle. Es war weder ein Flehen noch eine Warnung, sondern eine Mischung aus Ehrfurcht und Respekt, die ein Kribbeln in ihrer Brust auslöste.

Seit zwei Jahren hatte sie keinen Mann in ihrem Leben gehabt, und nicht einmal das war etwas Ernstes gewesen, bloß belanglose Rendezvous. Und jetzt stand sie hier mit Lucas Boone und hatte Verlangen nach ihm, brauchte seine Stärke und seinen Trost. Ihr Körper reagierte auf seinen, und sie glaubte fest daran, dass Trauer auf beiden Seiten die Gefühle hochkochen ließ und den harten Tag ein bisschen leichter machten.

Er küsste sie erneut, zog sie in seine Arme, seine großen Hände streichelten ihre Schultern, ihren Rücken und glitten dann tiefer. Alles unterhalb ihrer Taille schien auf die schönste Art zu pulsieren.

Ein Stöhnen, das sie kaum als ihr eigenes erkannte, brach sich Bahn. Und doch genoss sie es, wie Luke sie berührte. Er streichelte ihre Brüste, knöpfte ihre Bluse auf, riss sie ihr herunter. Seine Augen strahlten, als er ihre Brüste betrachtete, die aus den Körbchen ihres BHs hervorschauten.

„So wunderschön“, murmelte er zwischen zwei Küssen.

Seine Anerkennung verstärkte das Prickeln und die Hitze. Katie ergab sich vollkommen ihrem Verlangen. Luke streifte ihr den BH ab, umfasste ihre Brüste und verwöhnte sie sanft und fast ehrfürchtig mit der Zunge. Sie fühlte sich lebendiger als jemals zuvor.

Kurz darauf befand sie sich auf seinen Armen und wurde in ihr Schlafzimmer getragen. Er ließ nicht von ihr ab, hörte nicht auf, sie zu küssen, bis er sie wieder absetzte und ihre Stiefel den Boden berührten.

„Bitte mich herein“, sagte er mit rauer Stimme.

Das entlockte ihr ein Lächeln. „Du bist doch schon hier“, flüsterte sie.

Er lächelte sexy, und sie hätte sich ihm nicht verwehren können, selbst wenn sie gewollt hätte.

„Ich glaube, das bin ich.“

Er küsste sie erneut, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, war sie ihre Kleider los, lag auf dem Bett und wartete auf Luke.

Sie empfand einen Moment der Panik, da ihr bewusst wurde, was gerade ablief. Das war Luke, der Ex ihrer Schwester, der Mann, den sie aus Versehen in Las Vegas geheiratet hatte. Jedoch hatte sie heute Abend eine Verbindung zu ihm aufgebaut, während sie Snow Lebwohl sagten und gemeinsam den schweren Verlust erlebten. Es war kompliziert und sie würde sich später damit befassen, doch jetzt … jetzt brauchte sie den Trost, den er spendete. Die Erregung war ein zusätzlicher Bonus.

Er kam zu ihr ans Bett und sah mit lüsternem Blick zu ihr herab.

„Ich nehme das nicht auf die leichte Schulter, Katie. Ich … Das ist nicht …“

„Ich weiß“, antwortete sie. „Ich weiß, warum das passiert.“

„Ach ja?“

„Es ist wegen Snow.“

Luke sah sie einen Augenblick lang durchdringend an. „Ja.“

Dann bedeckte er ihren Körper mit seinem und streichelte sie, bis sie vor Lust aufstöhnte und in tausend Teile zu zerbersten glaubte. Jetzt wusste sie, wie sich vollkommene Glückseligkeit anfühlte. Sie badete in Behaglichkeit. „Oh, wow.“ Mehr brachte sie nicht heraus.

„Ja, wow.“

Luke bedeckte ihre Schulterblätter mit vielen kleinen Küssen, um ihr Zeit zu geben, die Nachwirkungen ihres Höhepunktes zu genießen. Dann drückte er seine Lippen wieder auf ihre. Sie begrüßte es und lud ihn mit ihrem Körper ein. Er verschwendete keine Sekunde, entledigte sich seiner restlichen Kleidung und streifte sich ein Kondom über.

„Ich will dich, Katie.“

Das wusste sie. Und als ihre Körper sich vereinigten und Luke aufstöhnte, tat sie es ihm gleich. „Oh, Luke.“

Er füllte sie vollständig aus, und ihr Verlangen steigerte sich, als er mit jedem Stoß tiefer in sie eindrang. Jede Bewegung verstärkte die Intensität, bis sie aufschrie.

Luke schien ebenso berauscht wie sie, seine Stöße wurden heftiger, sein Gesicht spiegelte die brennende Erregung wider, und sie folgte seinem Rhythmus, bis die Erlösung ihn schließlich erschauern ließ.

Direkt danach sackte er neben ihr aufs Bett und zog sie in eine Umarmung. Er küsste sie auf die Stirn und hielt sie umschlungen. Sie waren beide zu sehr außer Atem, um noch ein Wort zu sprechen.

Luke erwachte vor ihr. Katies süßer Duft umwehte seine Nase. Er spürte ihre Anwesenheit neben sich auf dem Bett, und als er die Augen öffnete, sah er sie tatsächlich in die Decke gekuschelt daliegen. Ihre honigblonden Strähnen ergossen sich über das Kissen. Er lächelte. Sie war seine Ehefrau, und letzte Nacht hatten sie sich geliebt, als würden sie zusammengehören. Das waren seine Flitterwochen, alles, was er sich je gewünscht hatte. Alles, was er je gebraucht hatte. War es dumm von ihm zu hoffen, dass sie in Ordnung finden würde, was zwischen ihnen geschehen war?

Es war beinahe vier Uhr morgens. Bald würde sie zur Arbeit aufstehen, doch er brauchte ein paar Minuten mehr, um es auszukosten, mit ihr im Bett zu liegen. Um die süße Gemütlichkeit ihres Körpers neben seinem zu genießen, um zu spüren, wie sie sich gegenseitig wärmten.

Luke seufzte und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Mmm“, murmelte sie im Schlaf.

Er lächelte und strich ihr vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht. „Meine hübsche Katie“, flüsterte er und musste sie noch einmal berühren.

Sie bewegte sich, und er zog sich zurück, drehte sich auf die Seite, stützte seinen Kopf in eine Hand und gab sich damit zufrieden, sie einfach nur beim Schlafen zu beobachten.

Viel zu früh durchbrach der Wecker auf dem Nachtisch die Ruhe und Katie öffnete die Augen.

Sie entdeckte ihn neben sich. „Hi“, sagte sie.

Ihre Begrüßung überraschte ihn.

„Morgen, Sweetheart.“

Offensichtlich war sie noch nicht bei klarem Verstand.

Luke griff über sie hinweg, um den Wecker auszuschalten, er strapazierte sein Glück und streifte ihre Lippen dabei mit seinen. Ihre waren warm und einladend. Für eine Sekunde klammerte er sich an die Hoffnung. „Hast du gut geschlafen?“

Autor

Charlene Sands
<p>Alles begann damit, dass der Vater von Charlene Sands, ihr als Kind die schönsten, brillantesten und fantastischsten Geschichten erzählte. Er erfand Geschichten von plündernden Piraten, mächtigen Königen und Sagen von Helden und Rittern. In diesen Erzählungen war Charlene immer die Prinzessin, Königin oder Heldin um die gekämpft oder die gerettet...
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Naima Simone
Bestsellerautorin Naima Simone entdeckte ihre Liebe zu romantischen Geschichten beim Schmökern von Harlequin-Büchern, die sie ihrer Großmutter stibitzte. Inzwischen verbringt sie ihre Tage mit dem Schreiben humorvoller Liebesromane. Im wirklichen Leben ist sie mit ihrem persönlichen Superhelden verheiratet und Mutter zweier Kinder. Die Familie lebt – trotz aller Herausforderungen des...
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