Baccara Collection Band 456

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HALTE DEINE FEINDE NAH … von Cat Schield
Seit Nolan Thurston die verführerische Chelsea Grandin zum ersten Mal sah, wollte er sie kennenlernen! Natürlich nur, um ihr Informationen im Streit der beiden Familien um die Ölrechte der Gegend zu entlocken. Doch schon bald merkt er, dass ihre Nähe und seine Faszination für sie den Plan vereiteln könnten …

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MIT DIR ALLEIN ZUSAMMEN von Donna Hill
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  • Erscheinungstag 21.03.2023
  • Bandnummer 456
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516327
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cat Schield, Joanne Rock, Donna Hill

BACCARA COLLECTION BAND 456

Für meinen Dad

1. KAPITEL

Chelsea Grandin war stolz darauf, dass ihr in Sachen Lassowerfen, Reiten und Durchhaltevermögen niemand etwas vormachen konnte. Leider hatte keine ihrer Fähigkeiten jemals eines der männlichen Familienmitglieder beeindruckt. Als Älteste unter den Geschwistern hatte sie alle Eigenschaften eines Erstgeborenen. Sie war ehrgeizig und verantwortungsbewusst und stets die Erste, die morgens zur Tür hinausging, und die Letzte, die abends hereinkam.

Auch heute hatte sie das Haus um vier Uhr morgens verlassen, damit sie ihre Arbeit auf der Ranch erledigen konnte, um am Nachmittag an der Party zum 4. Juli in Royal teilnehmen zu können. Zur Mittagszeit hatte sie bereits einen ganzen Arbeitstag hinter sich, ohne dass ihr Bruder Vic aufgetaucht wäre.

„Klar, er ist der einzige Junge und mutmaßliche Erbe“, murmelte sie verbittert. Ganz gleich, wie hart sie arbeitete, ihr Vater hatte klargemacht, dass er die Ranch seinem Sohn übergeben wollte. Und Vic benahm sich, als stünde sie ihm zu. „Idiot.“

Die Geschwister hatten unterschiedliche Führungsstile. Chelsea arbeitete gerne Seite an Seite mit den Angestellten der Ranch, weil sie dann den Puls der Ranch besser spürte. Vic dagegen delegierte lieber. Chelsea bildete sich zwar nicht ein, die einzige Person zu sein, die wusste, was auf der Ranch vor sich ging, aber sie war überzeugt, dass sie besser Bescheid wusste als ihr Bruder. Nicht, dass ihr das jemals etwas genützt hätte, wenn es darum ging, ihren Vater zu beeindrucken.

Chelsea sprang aus ihrem Truck und näherte sich der vorderen Veranda, wo ihr Brüderchen saß, die Füße an das Geländer gestützt.

„Nimmst du dir heute frei?“, fragte sie und schleppte sich die Stufen zur Veranda hinauf. Das frühe Aufstehen forderte seinen Tribut.

„Es ist der 4. Juli“, sagte Vic mit hochgezogener Braue.

„Na und?“ Chelsea hasste es, sich ständig über ihren Bruder aufzuregen.

Jeden Tag rang sie mit der Gewissheit, dass ihr Vater sie übergehen und Vic die Ranch übergeben würde. Es war einfach unfair, dass sie als Mädchen geboren worden war und deshalb keine Chance hatte, die Ranch zu leiten, ganz gleich, wie qualifiziert oder engagiert sie war.

Dazu kam die fehlende Anerkennung. Ihr Vater und ihre Mutter betrachteten ihre Arbeit auf der Ranch als Zwischenlösung, bis sie heiratete und auszog. Sie erkannten nicht, wie sehr Chelsea mit dem Land verbunden war, das seit Generationen im Besitz ihrer Familie war.

„Heute ist ein Feiertag“, erklärte Vic in diesem lässigen Tonfall, bei dem sie jedes Mal die Zähne zusammenbeißen musste, „und ich arbeite nicht.“

„Stimmt“, brummte Chelsea, „du arbeitest wirklich nicht.“

Als sie das riesige Haus betrat, in dem die ganze Familie lebte, stellte Chelsea sich den Moment vor, in dem Vic das Haus übernehmen würde. Wie sollte sie hier wohnen bleiben, wenn sie wusste, dass er jedes Mal, wenn sie sich stritten, gewinnen würde? Doch die Ranch bedeutete ihr alles. Sie wusste einfach nicht, was sie stattdessen tun sollte.

Als sie das geräumige Wohnzimmer durchquerte, fiel ihr Blick auf das Foto, das auf Laylas Verlobungsfeier aufgenommen worden war. Ihre Schwester hatte sich gerade mit ihrem Verlobten Joshua eine eigene Wohnung gekauft. Chelsea könnte es ihr gleichtun und sich ebenfalls etwas Eigenes suchen.

Oder sie könnte ein Unternehmen gründen, wie ihre jüngste Schwester. Morgan besaß in der Stadt eine erfolgreiche Modeboutique namens Rancher’s Daughter. Ihre Schwester hatte schon früh erkannt, dass es bei drei älteren Geschwistern auf der Ranch keinen Platz für sie gab. Könnte Chelsea ebenfalls irgendwo anders glücklich werden?

Jetzt hoffte sie erst einmal, dass sie unter der Dusche den Kopf frei bekommen und wieder fit werden würde. Ein langer Tag lag vor ihr. Die ganze Familie nahm an der jährlichen Parade zum 4. Juli teil. Später würden sie noch zum Texas Cattleman’s Club gehen, wo es wie jedes Jahr Barbecue und Feuerwerk gab.

Im Flur vor ihrem Schlafzimmer kam ihre Mutter auf sie zu.

„Ich habe dich gerade gesucht.“ Bethany Grandin versuchte gar nicht erst, ihre Enttäuschung zu verbergen, als sie die derangierte Aufmachung ihrer Tochter sah. „Du bist ja noch gar nicht fertig.“

„Ich bin gerade zurückgekommen von …“ Chelsea brach ab, als sie merkte, dass ihre Mutter nicht wirklich zuhörte. Bethany war wie ihr Mann dagegen, dass ihre Töchter auf der Ranch mitarbeiteten. Chelsea hatte schon vor langer Zeit gelernt, Dinge einfach zu tun und sich nicht mehr zu rechtfertigen.

Bethany warf einen Blick auf die Uhr. „Die Parade beginnt in einer Stunde.“

„Ich weiß. Ich brauche nicht lange, um zu duschen und mich umzuziehen.“ Chelsea schob sich an ihrer Mutter vorbei. Ein Kleidersack lag auf ihrem Bett. „Was ist das?“

„Nur eine Kleinigkeit aus der Boutique deiner Schwester. Ich dachte, es könnte ganz passend sein für heute.“ Bethany liebte es, zu shoppen, und kaufte ihren Kindern oft etwas zum Anziehen.

Offensichtlich war ihre Mutter der Meinung, dass Chelsea ihr Aussehen vernachlässigte, und vielleicht hatte sie recht damit. Chelsea machte sich zwar gerne auch mal schick, doch wenn sie sich selbst überlassen war, trug sie lieber Jeans, Stiefel und das Hemd, das gerade zur Hand war.

„Das ist nett von dir.“

Die Antwort schien Bethany zu beruhigen. Zweifellos hatte sie mit Widerspruch gerechnet. Chelsea seufzte. War sie wirklich so kratzbürstig und schwierig? Das wollte sie nicht. Sie wollte einfach nur für das geschätzt werden, was sie war, und nicht ignoriert werden. Sie wollte auch nicht in das Bild verwandelt werden, das andere Menschen von ihr hatten.

„Ich habe es in Morgans Boutique gesehen und sofort an dich gedacht.“ Ihre Mutter öffnete den Kleidersack und zog ein rotes Neckholderkleid mit langem Rock heraus.

Chelseas pflichtbewusstes Lächeln verwandelte sich in ein anerkennendes „Wow“, als sie sich ausmalte, wie gut die kräftige Farbe zu ihrem dunklen Haar und ihren braunen Augen aussehen würde.

„Und dazu ein passender Lippenstift.“ Bethany reichte Chelsea den Stift.

Die knallrote Farbe erschreckte sie im ersten Moment. Sie war nicht die Familienschönheit. Layla und Morgan hatten die zarten Gesichtszüge und die helle Hautfarbe ihrer Mutter geerbt, während Chelsea und Vic nach ihrem Vater mit seinen dunkelbraunen Haaren und Augen gekommen waren. Aber während der kräftige Knochenbau und die Augenbrauen bei ihrem Bruder gut aussahen, fühlte Chelsea sich dadurch alles andere als zierlich und weiblich.

„Ich weiß, dass du dir etwas anderes ausgesucht hättest“, sagte ihre Mutter und strich über den weichen Stoff. „Aber du hast die perfekte Figur für dieses Kleid, und ich dachte, es würde dir gefallen.“

Übersetzung: Es wäre schön, wenn du dich wie eine Frau anziehen würdest. Chelsea wusste, dass ihre Mutter recht hatte. Aber sie hasste es, beim Vergleich mit ihren schönen, eleganten Schwestern den Kürzeren zu ziehen.

„Es ist sehr schön.“ In diesem Kleid würde sie garantiert Aufmerksamkeit erregen – doch leider war es nicht die Art von Anerkennung, nach der sie sich sehnte. Chelsea wollte nicht durch ihr Aussehen auffallen, sondern durch ihre Erfolge.

Ihr Blick fiel auf die veraltete Tapete mit dem Paris-Thema und die dazu passende Dekoration in ihrem Zimmer. Seit sie vor siebzehn Jahren aufs College gegangen war, hatte sich hier wenig geändert. Damals war sie von Paris besessen gewesen und hatte sogar überlegt, ein Jahr in Übersee zu studieren. Aber am Ende hatte sie sich für etwas Praktisches entschieden und Agrarwirtschaft studiert, was für eine zukünftige Rancherin sinnvoll war.

Jetzt erinnerte sie das Zimmer lebhaft an den Weg, den sie damals nicht eingeschlagen hatte. Damals war es in ihren Träumen um etwas anderes gegangen als um die Leitung der Grandin-Ranch.

Energisch schüttelte sie den Kopf. Sie musste sich auf das Wesentliche konzentrieren und ihren Vater überzeugen, sich all ihre Ideen zur Verbesserung der Ranch anzuhören. Die neue Weidewechseltechnik zum Beispiel würde die Qualität des Grases für ihre Herde verbessern. Neue Zuchtlinien würden ihr Vieh widerstandsfähiger machen. Chelsea hatte bereits eine Reihe von technologiebasierten Anwendungen eingeführt, mit denen sie die Gesundheit der Rinder überwachen konnte.

Ihre Mutter seufzte, als sie merkte, dass ihre Tochter mit den Gedanken schon wieder bei der Arbeit war. „Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich fertig machen kannst. Sollen wir auf dich warten?“

„Ich fahre selbst.“ Chelsea wollte sich Zeit nehmen, um sich zurechtzumachen, und ihre Familie nicht aufhalten.

Bethany sah sie besorgt an. „Aber du kommst doch, oder?“

„Natürlich, ich werde da sein.“ Chelsea bemühte sich um einen freundlichen Tonfall, um überzeugend zu wirken. „Vielen Dank hierfür.“ Sie deutete auf das Kleid und hielt dann den Lippenstift hoch.

„Du wirst fantastisch aussehen.“

Die Prophezeiung ihrer Mutter erwies sich als zutreffender, als Chelsea erwartet hatte.

„Wow, du siehst umwerfend aus!“, rief ihre beste Freundin, als sie sich auf der Main Street trafen. Das war ein ziemliches Kompliment, wenn es von Natalie Hastings kam, um deren stilvolle Garderobe sie selbst die wählerischsten Modefans beneiden würden. „Wo hat sich diese Chelsea die letzten zwei Jahre versteckt?“

Groß und kurvenreich, mit langem, dunklem Haar und makelloser, gebräunter Haut, war Natalie in Sachen Beruf ähnlich ehrgeizig wie Chelsea.

„Hey.“

Die Parade war schon seit einer halben Stunde im Gange, und Chelseas Gedanken wanderten zurück zur Ranch. Wie konnte sie ihren Vater davon überzeugen, dass sie – und nicht Vic – die Leitung übernehmen sollte, wenn er aufhörte?

„Autsch.“ Chelsea hatte nicht schnell genug auf ihre Freundin reagiert und bekam einen Ellbogen in die Rippen. Empört warf sie Natalie einen Blick zu und stellte fest, dass die Aufmerksamkeit ihrer Freundin nicht auf die Parade gerichtet war. „Was?“

„Sieh nicht hin, aber Nolan Thurston starrt dich schon seit zehn Minuten an.“

„Nolan Thurston?“ Eisige Verachtung löste eine Gänsehaut bei ihr aus. „Bist du sicher?“ Chelsea war froh, dass ihr Blick hinter einer Sonnenbrille verborgen war, als sie die Menge auf der anderen Straßenseite absuchte. „Ich kann ihn nicht sehen.“

„Er steht vor dem Royal Gents.“

Ein Festwagen versperrte ihr den Blick, und Chelsea schüttelte den Kopf. „Das hat bestimmt nichts zu bedeuten. Oder es geht um den Streit zwischen unseren Familien?“

Nolan war genau vor zwei Monaten nach Royal zurückgekehrt und hatte angefangen, zusammen mit seinem Bruder Heath der Familie Grandin das Leben zur Hölle zu machen. Nolan und Heath hatten Dokumente vorgelegt, in denen behauptet wurde, ihre Mutter, Cynthia Thurston, besitze die Ölrechte unter der Ranch der Familie Grandin.

„Ich weiß nicht. Es war eher ein schmachtender Blick.“ Natalie schürzte die Lippen. „Als hätte er etwas gesehen, das ihm gefällt und das er gerne nackt sehen würde.“

Natalies Einschätzung traf Chelsea völlig unvorbereitet. Adrenalin schoss durch ihren Körper, und sie schnaubte entrüstet. „Das ist verrückt.“

Sie hatte Nolan in der Stadt und im Texas Cattleman’s Club gesehen, aber sie hatten nicht ein einziges Mal miteinander gesprochen. Chelsea ging den beiden Thurston-Brüdern aus dem Weg, weil sie ihren Zorn nicht an ihnen auslassen und in einen öffentlichen Streit verwickelt werden wollte.

„Ist es das?“ Natalie klang nachdenklich.

„Layla ist eher sein Typ.“ Erneut suchte Chelsea in einer Lücke in der Parade nach Nolan. „Er hat sie angebaggert, sobald er in der Stadt war.“

„Weil er Informationen über deine Familie haben wollte. Nicht, weil er an ihr interessiert war.“

Die merkwürdige Übertragung der Ölrechte durch Chelseas Großvater setzte allen Beteiligten zu. Zuerst hatte die Familie Grandin vermutet, dass es sich bei der ganzen Sache um einen Betrugsversuch der Thurston-Zwillinge handelte. Doch dann stellte sich heraus, dass Chelseas Onkel David tatsächlich eine Affäre mit Cynthia gehabt hatte, etwa zu der Zeit, als sie mit ihrer Tochter Ashley schwanger geworden war. Seltsamerweise kam das Dokument erst ans Licht, nachdem Mutter und Tochter bei einem Unfall ums Leben gekommen waren. Nun war Heath Thurston zusammen mit seinem Zwillingsbruder entschlossen, sein Vermögen auf Kosten der Grandin-Ranch zu vergrößern.

„Vielleicht hat er es jetzt auf mich abgesehen, weil er mit Layla Schluss gemacht hat?“, mutmaßte Chelsea.

„Es gäbe noch eine andere Möglichkeit …“

„Die da wäre?“

Kaum hatte sie die Frage gestellt, als ihr Blick auf die dunkelhaarigen Zwillinge fiel, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen. Obwohl sie die Main Street von Royal in ihrer ganzen Breite zwischen sich hatten, merkte sie, dass Nolan sie tatsächlich anstarrte. Etwas Gefährliches und Aufregendes ging von ihm aus und ließ jede Faser ihres Körpers vibrieren. Es raubte ihr den Atem, sodass sie Natalies Antwort kaum hörte.

„Es wäre möglich, dass er dich so aufgetakelt nicht erkannt hat. Wir kennen uns schon ewig, und ich wäre vorhin fast an dir vorbeigelaufen.“

In der Tat ignorierte Chelsea meistens die Kleider in ihrem Schrank und lief lieber in Jeans und Cowboystiefeln durch die Stadt. Als ob ihr Vater in ihr vor allem eine fähige Rancherin und erst im zweiten Schritt seine älteste Tochter sehen würde, wenn sie sich wie ein Mann kleidete.

„Vielleicht ist er einfach ein Schönling, der sich für eine attraktive Frau interessiert.“ Natalies Blick sprang von Nolan Thurston zu Chelsea. „Bei seinen dunklen Augen und diesen kräftigen Augenbrauen, kombiniert mit deiner fantastischen Figur, würden bei euch beiden wunderschöne Babys herauskommen.“

Chelsea schaffte es nicht, das entsetzte Lachen herunterzuschlucken, das aus ihr herausplatzte. „Gott bewahre!“ Sie verdrehte die Augen, während ihr Magen einen beunruhigenden Purzelbaum schlug. „Ich habe keine Zeit für irgendetwas, das mit Nolan Thurston und seinem Schlafzimmerblick zu tun hat.“

„Nicht einmal, wenn du deinem Bruder dadurch einen Schritt voraus wärst?“

„Ich bin ganz Ohr.“ Chelsea richtete ihre volle Aufmerksamkeit auf ihre Freundin.

„Was ist im Moment die größte Krise auf der Ranch?“

„Die Sache mit den Ölrechten.“

Natalie nickte. „Also hat Nolan Layla zum Mittagessen eingeladen, um ‚über alles zu reden‘. Aber Layla wusste natürlich, dass er nur Informationen haben wollte. Wie wäre es, wenn du den Spieß umdrehst und das Gleiche mit ihm machst? Wenn du die Ranch rettest, indem du den Streit um die Ölrechte beilegst, hätte dein Vater keine andere Wahl, als dir die Ranch zu übergeben.“

Die meiste Zeit kämpfte Chelsea mit offenen Karten gegen ihren Bruder um die Kontrolle der Ranch. Sie wollte durch harte Arbeit und ein gutes Urteilsvermögen gewinnen. Aber das traditionelle Rollenverständnis hielt sich hartnäckig in ihrer Familie. Wenn sie recht überlegte, verdiente sie es vielleicht gar nicht, das Sagen zu haben, wenn sie nicht bereit war, alles zu geben.

Entschlossenheit erfasste Chelsea. „Deine Idee gefällt mir.“

Sie würde tun, was nötig war, um Vic zu schlagen. Das hatte sie sich geschworen.

Ihr Blick flog zu den Thurston-Zwillingen und zu Nolan. Ihre Knie wurden weich, als sie darüber nachdachte, was eine Beziehung mit ihm mit sich bringen könnte. Eines war sicher – Zeit mit einem so gut aussehenden Mann zu verbringen, würde zu gleichen Teilen Vergnügen und Befriedigung bedeuten.

Und am Ende würde sie ihre Ranch retten.

Vielleicht sollte sie es endlich einmal zu ihrem Vorteil nutzen, dass sie eine Frau war.

Chelsea hakte sich bei ihrer Freundin unter. „Wie und wo kann ich Nolan Thurston zufällig treffen?“

Die Hitze, die Nolan Thurston zusetzte, hatte weder mit der Temperatur von 34 °C noch mit dem Gedränge um ihn herum zu tun. Das Inferno in seinem Inneren war dadurch entfacht worden, dass die scharfe Brünette in dem sexy roten Kleid ihn endlich bemerkt hatte. Die Frau war verdammt umwerfend. Er mochte große, geschmeidige Frauen mit Kurven an den richtigen Stellen, und sie schien die perfekte Mischung aus all dem zu sein. Ihr dunkelbraunes Haar fiel ihr über die Schultern, und er stellte sich vor, wie er die seidigen Locken um seine Handgelenke wickelte, während er sie zu einem leidenschaftlichen Kuss zu sich zog.

Wann hatte er das letzte Mal eine Frau angeschaut und das Gefühl gehabt, mit voller Wucht gegen eine Mauer gerannt zu sein? Das war lange her. Ein Festwagen der Parade versperrte ihm den Blick auf die Frau, und es war, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Nolan musste unbedingt auf die andere Straßenseite gelangen, bevor sie verschwunden war. Er musste einfach ganz nah an sie herankommen, um zu sehen, ob sie dann immer noch genauso hinreißend war.

Als Nolan vortreten wollte, hielt ihn jemand fest. „Hey! Wo willst du denn hin?“

Nolan warf einen Blick über die Schulter auf seinen Bruder. Die fünfzehn Jahre, die er von Heath getrennt war, hatten ihn vergessen lassen, wie es war, seinen Zwilling anzuschauen und diese verrückte Verwirrung zu spüren, wenn man sich in den Zügen eines anderen wiederfand. Es war ein wenig so, als würde man in den Spiegel schauen und sich selbst nicht wiedererkennen.

Heath war schon immer der Ernstere und Verantwortungsvollere von ihnen beiden gewesen, doch der düstere Fremde von heute hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem schelmischen Zwilling von früher. Die Brüder hatten zwar die gleichen Gesichtszüge, aber jeder trug die Jahre anders.

„Da ist eine Frau, die ich unbedingt kennenlernen muss.“ Nolan deutete auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo die Lady in Red stand.

Ein Grinsen veränderte Heaths Gesichtszüge, und er wirkte direkt nahbarer.

„Wen?“

„Das würde ich gerne herausfinden.“

Von ihnen beiden war Nolan der Frauenflüsterer, derjenige, dem die Frauen wegen seines Charmes und seiner frechen Art nur so nachliefen. Heaths seriöseres Auftreten schreckte die Frauen nicht ab – seine angenehmen Gesichtszüge und sein kräftiger Körperbau zogen immer die Aufmerksamkeit auf sich –, aber er hatte es normalerweise nicht so mit der Romantik.

„Welche ist es?“ Heath betrachtete die Menge, als könnte er den Frauengeschmack seines Bruders erraten.

„Die im roten Kleid auf der anderen Straßenseite.“ Noch während er sprach, rollte der hintere Teil des Festwagens vorbei, und sie kam erneut in Sicht. Unwillkürlich entwich ihm ein tiefer Seufzer. Absolut überwältigend.

„Ein rotes Kleid, sagst du … Wow!“ Heath schüttelte energisch den Kopf. „Das kannst du dir abschminken.“

„Warum?“ Nolans Inneres zog sich zusammen, als er den entschiedenen Tonfall seines Bruders hörte. „Warst du mal mit ihr zusammen?“

„Ob ich mit …?“ Heath starrte ihn an. „Erkennst du sie nicht? Das ist Chelsea Grandin.“

Als sein Bruder den Nachnamen betonte, kniff Nolan die Augen zusammen und musterte sie noch einmal. „Bist du sicher? Die sieht nicht aus wie Chelsea.“ Wo war die nüchterne Rancherstochter in Jeans und Stiefeln? Diese Vision in Rot hatte eigenwillige Haare, große braune Augen und herrliche, volle rote Lippen. „Sie ist umwerfend.“

„Ganz sicher.“ Heaths Aussage klang wie das Klopfen eines Richterhammers. Die Entscheidung war endgültig. Nolan durfte mit niemandem aus der Familie Grandin etwas zu tun haben.

Vor zwei Monaten hatte er sprachlos zugehört, als Heath ihm von dem Dokument erzählte, das er bei den Unterlagen ihrer Mutter gefunden hatte und das ihr die Rechte an dem Öl unter der Ranch der Grandins zusprach. Heath hatte ihn gebeten, nach Royal zu kommen, um ihm zu helfen, die Ansprüche geltend zu machen, und er hatte Ja gesagt. Die Brüder waren einander fremd geworden, nachdem Nolan die Stadt mit achtzehn Jahren verlassen hatte, und er hoffte, das zu ändern.

Heath hatte schon immer an der Ranch ihrer Familie gehangen und arbeitete hart daran, sie nicht nur am Laufen zu halten, sondern sie zum Blühen zu bringen. Nolan dagegen hatte seine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und war gen Westen gezogen. Ein paar Wochen später war er in Los Angeles gelandet.

Doch für Nolan war die Reise in Hollywood nicht zu Ende, sie begann dort erst richtig. Er heuerte auf einer Yacht an, die nach Singapur überführt werden sollte, weitere Reisen dieser Art folgten. Auf einer dieser Touren lernte er den wohlhabenden Studiomanager Skip McGrath kennen und begann, als Scout für Reality-TV-Produktionen zu arbeiten. Das Auskundschaften von Drehorten gab ihm die Möglichkeit, an einer Vielzahl exotischer Orte zu arbeiten. Seit seiner Kindheit träumte er davon, die Welt zu sehen, und jetzt konnte er damit seinen Lebensunterhalt verdienen.

Der einzige dunkle Fleck in seinem ansonsten perfekten Leben war die Entfremdung von seinem Zwilling. Ein einziges Mal in fünfzehn Jahren war Nolan nach Royal zurückgekehrt – zur Beerdigung seiner Mutter und seiner Schwester. Das war vor zwei Jahren gewesen. Er hatte sich Sorgen gemacht, wie Heath auf das Wiedersehen reagieren würde, aber die Trauer hatte den Brüdern eine Brücke zur Versöhnung gebaut. Seitdem hatte sich ihre Beziehung etwas verbessert. Der schreckliche Verlust hatte die Funkstille zwischen ihnen beendet, und sie sprachen wieder häufiger miteinander. Aber sie hatten noch einen langen Weg vor sich.

Das war einer der Gründe, die Nolan nach Royal zurückgeführt hatte. Er hoffte, dass ein gemeinsames Ziel sie einander wieder näher bringen würde. Doch Heath war ganz versessen darauf, sich in vollem Umfang zu holen, was ihnen zustand, und das ließ ihn schroff und unnahbar werden. Bisher war es Nolan nicht gelungen, das Vertrauen seines Bruders zu gewinnen.

Heaths Mission versetzte die ganze Stadt in Aufruhr und zwang ihre Freunde und Nachbarn, sich für eine Seite zu entscheiden. Doch das schien Heath nicht im Geringsten zu beunruhigen. Das Leben in einer Kleinstadt war nicht jedermanns Sache, und Nolan fielen all die Gründe wieder ein, warum er Royal damals verlassen hatte. Er hatte sich eingeengt gefühlt und war besessen davon, die Stadtgrenzen hinter sich zu lassen und herauszufinden, was die große weite Welt zu bieten hatte. Er hatte das Glück gehabt, seinen Traum leben zu können – doch der Preis dafür war der Verlust des geliebten Bruders.

„Findest du sie wirklich attraktiv?“ Heaths nachdenkliche Frage riss Nolan aus seinen Gedanken.

„Ja. Aber natürlich.“ Er schaute in Richtung der attraktiven Brünetten, nur um festzustellen, dass sie verschwunden war. Seine Stimmung kippte. „Du etwa nicht?“

Heath zuckte mit den Schultern. „Ich habe nie darüber nachgedacht.“

„Wenn ich mich recht erinnere, hast du auch immer mehr auf Blondinen gestanden.“ Nolan dachte an seinen gescheiterten Versuch, sich bei Layla Grandin einzuschmeicheln. Er wollte herausfinden, warum seine Mutter Cynthia ein Dokument besaß, das ihr die Rechte an dem Öl unter dem Land der Grandins zusprach. „Vielleicht hättest du es bei Layla versuchen sollen. Sie sieht gut aus, aber ich war nicht mit dem Herzen dabei.“

Er mochte schöne, selbstbewusste Frauen, doch sobald er Chelsea in der Stadt traf, verbarg sie ihr Gesicht unter der Krempe eines Stetsons. Seit er hier war, hatte er mehr von ihrem Po gesehen, wenn sie sich von ihm entfernte.

Nolan runzelte die Stirn. Ging sie ihm womöglich aus dem Weg? Angesichts des Konflikts zwischen ihren Familien wäre es nur verständlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Die Aussicht auf eine Verfolgungsjagd ließ seine Haut prickeln.

„Wie wär’s, wenn ich versuche, Chelsea ein wenig näher kennenzulernen?“, schlug er vor und sah Heath an. „Vielleicht komme ich mit ihr besser zurecht als mit ihrer Schwester. Ich könnte es schaffen. Die Hälfte meines Jobs besteht aus Verhandeln.“

„Aber pass auf, dass du nicht mehr Informationen preisgibst, als du bekommst.“

Da er nur sehr wenig über die Strategie oder Motivation seines Bruders wusste, war das kein Problem. Und wenn er etwas herausfand, das ihnen helfen würde, würde Heath ihn vielleicht wieder wie seinen Zwilling behandeln, anstatt ihn auf Distanz zu halten.

„Ich habe mit Milliardären in Istanbul zu Abend gegessen, wochenlang im Dschungel gelebt, während ich in Indonesien auf der Suche nach dem perfekten Drehort war, und habe in Australien Krokodilen in die Augen gesehen. Ich habe Glück, bin einfallsreich und hartnäckig.“

„Chelsea ist schlau und riecht den Braten wahrscheinlich schon aus einer Meile Entfernung.“

Nolan zuckte mit den Schultern. Warum sollte er Zeit damit verschwenden, seine Fähigkeiten aufzulisten, wenn er seinen Erfolg für sich selbst sprechen lassen konnte? „Einen Versuch ist es wert. Und man weiß ja nie …“ Nolan grinste seinen Bruder frech an. „Vielleicht hat sie ja Lust auf ein Abenteuer.“

Heath schnaubte. „Das bezweifle ich.“

„Herausforderung angenommen“, rief Nolan und rieb sich im Geiste die Hände.

2. KAPITEL

Nolan hätte nicht gedacht, dass eine Schönheit in einem roten Kleid so schwer zu finden sein würde, aber er hatte vergessen, dass die ganze Stadt sich in Rot, Weiß und Blau herausgeputzt hatte. Nach einer halben Stunde Suche hatte er sie immer noch nicht gefunden, und Enttäuschung machte sich in ihm breit. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich darauf gefreut hatte, Chelsea Grandin zu treffen.

In der Hoffnung, dass er beim Barbecue mehr Glück haben würde, machte Nolan sich auf den Weg zum Texas Cattleman’s Club. Er hatte in seinem Leben schon viele Frauen kennengelernt, einige von ihnen aufregender als andere. Doch noch nie hatte er eine mit solch einem Eifer verfolgt. Ja, Nolan wollte vor allem Informationen von ihr, aber schließlich war sie ihm schon aufgefallen, bevor er erfahren hatte, dass sie eine Grandin war.

Jemand stieß ihn in den Rücken, und der Aufprall riss ihn aus seinen Gedanken. In Anbetracht der vielen Menschen, die sich im Park tummelten, überraschte ihn so ein Zusammenstoß nicht,

„Oh, Entschuldigung“, sagte eine heisere Frauenstimme.

Nolan fing den Duft von Passionsfrüchten auf und drehte sich um, um der Frau ins Gesicht zu sehen, die ihn angerempelt hatte.

Chelsea Grandin.

Sein Herz schlug einen Purzelbaum, als er in ihre großen braunen Augen blickte, die ihn um Verzeihung bittend anschauten. Obwohl er nach ihr gesucht hatte, war Nolan nicht auf dieses Gefühl vorbereitet, das ihn durchfuhr, als sie plötzlich zum Greifen nah vor ihm stand. Ein Klecks Soße in der Nähe ihres Mundes lenkte seine Aufmerksamkeit auf die rubinroten Lippen. Betroffen von dem Impuls, sich vorzubeugen und die Barbecue-Soße von ihrer Haut zu lecken, wich Nolan einen halben Schritt zurück.

„Es war meine Schuld“, antwortete Nolan, leicht atemlos. Unwillkürlich musste er lächeln, als er sah, wie sich nach seiner charmanten Erwiderung ein Grübchen in ihrer Wange bildete.

„Stimmt nicht. Du standest einfach nur da. Ich glaube, ich bin in ein Loch getreten.“

Nolan folgte ihrem Blick, als sie auf den Boden neben ihren Füßen schaute.

Angesichts des schicken Kleides, das sie trug, hatte er erwartet, dass sie hochhackige Sandalen tragen würde. Stattdessen trug sie mit weißen Sternen besetzte Cowboystiefel aus cognacfarbenem Leder.

„Ich habe nur für eine Sekunde das Gleichgewicht verloren.“ Ihre riesigen Augen wurden noch größer, so unvorstellbar es schien. „Ich hoffe, ich habe dich nicht mit Barbecue-Soße bekleckert.“

Bevor er ihr versichern konnte, dass es ihm egal war, schlängelte sie sich um ihn herum und strich mit den Fingern über seinen Rücken, um zu prüfen, ob sein Hemd einen Fleck abbekommen hatte. Nolan stand starr da, während tausend Nervenenden unter ihrer leichten Berührung aufloderten.

„Gut.“ Sie seufzte erleichtert. „Sieht aus, als wären wir gerade noch einmal davongekommen.“

War er das?

Seine Kleidung hatte vielleicht keinen Schaden genommen, aber sein Inneres war erheblich aus dem Gleichgewicht geraten. Seine Muskeln schienen zu glühen, als sie ihre Inspektion beendete und wieder vor ihm stand.

„Ich bin Nolan.“

Unwillkürlich hatte er seinen Nachnamen weggelassen. Vielleicht wollte er angesichts seiner intensiven körperlichen Reaktion auf sie nicht erleben, wie sich ihr offenes Gesicht verfinsterte, sobald sie erfuhr, dass er ein Thurston war. Dabei waren er und Heath doch Zwillinge. Er suchte in ihrer Miene nach einem Zeichen des Erkennens. Als er weder Vorsicht noch Feindseligkeit erblickte, wurde er misstrauisch. Sein Bruder hatte ihre gesamte Familie in hellen Aufruhr versetzt, indem er die Ölrechte unter ihrem Land einforderte. Warum behandelte sie ihn nicht wie einen Feind?

„Chelsea.“ Ihre vollen Lippen öffneten sich zu einem echten Lächeln, was ihn noch mehr verwirrte.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie keine Soßenflecke übersehen hatte, streckte sie ihm die Hand hin. Als sich ihre Handflächen berührten, verrieten ihm raue Schwielen, dass dies keine Frau war, die sich zurücklehnte und andere die Arbeit machen ließ. Sein Interesse an ihr wuchs, und er bedauerte die Feindseligkeit zwischen ihren Familien.

„Ich habe dich schon in der Stadt gesehen“, sagte er und tastete sich vorsichtig voran. „Aber noch nie so gekleidet.“ Bewundernd ließ er den Blick über ihre schlanke Gestalt wandern. „Du siehst aus wie ein Feuerwerkskörper, der jeden Moment explodieren kann.“

Ihr heiseres Lachen bescherte ihm eine Gänsehaut. Das kühne Interesse, das in ihren Augen aufblitzte, ließ ihn innerlich zusammenzucken. Verlangen auf den ersten Blick war ihm nicht unbekannt, aber nur wenige Frauen waren so faszinierend und zugleich so gefährlich wie Chelsea Grandin.

„Heiß genug wäre es ja.“ Sie warf ihm einen tiefen Blick unter den Wimpern hervor zu und deutete dann auf einen Stand in der Nähe. „Hast du Lust, einer Unbekannten ein Glas Limonade zu kaufen?“

„Klar.“

Sie schaute nicht zurück, um zu sehen, ob er ihr folgte. Offensichtlich war sie zuversichtlich, dass er sie nicht entkommen lassen würde. Nolan zögerte kurz, um zu bewundern, wie ihre Hüften in eine schmale Taille übergingen. Dann schoss er ihr hinterher, wobei er sich geschickt zwischen zwei Gruppen hindurchschob, um an ihre Seite zu gelangen.

Am Limonadenstand tauschte er einen Schein gegen zwei mit Zitronen verzierte Pappbecher ein.

Chelsea musterte die Picknicktische in der Nähe. „Suchen wir uns einen Platz zum Sitzen?“

„Wie wäre es dort?“ Er deutete auf eine schmale Bank, auf die sie sich beide gerade noch quetschen konnten.

Sie nickte zustimmend. Er wartete, bis sie sich niedergelassen hatte, bevor er sich zu ihr setzte. Obwohl er fest zwischen ihr und einem kräftigen Cowboy eingezwängt war, bemerkte Nolan nur den weichen, weiblichen Körper, der sich an seine linke Seite drückte.

„Hier“, sagte sie und schob ihm den Teller hin. „Nimm. Das ist viel zu viel für mich, um es ganz allein zu essen.“

Er überlegte, ob er sich weigern sollte, aber als ihm der Duft des Grillfleischs in die Nase stieg, fing sein Magen prompt an zu knurren. „Ich habe tatsächlich etwas Hunger.“ Er machte eine Pause. „Ich könnte mir selbst etwas holen …“

Noch während er es ihr anbot, hoffte er, dass sie ihre Einladung zum Teilen wiederholen würde. Er hatte Angst, sie würde wieder verschwinden, sobald er sie auch nur kurz verließ.

Zu seiner Erleichterung schüttelte Chelsea den Kopf.

„Hilf mir erst, das hier aufzuessen.“

„Gerne.“

Die folgende Mahlzeit blieb ihm als eines der köstlichsten fleischlichen Erlebnisse im Gedächtnis. Die Rippchen waren zart und perfekt durchgegart, und der Anblick von Chelseas gleichmäßigen weißen Zähnen, die das Fleisch vom Knochen lösten, machte den Julitag noch heißer.

„Wie findest du die 4.-Juli-Party in Royal?“, fragte Chelsea, als von dem Festmahl nichts mehr übrig war als ein Haufen Knochen. „Hat dir die Parade gefallen?“

„Ehrlich gesagt habe ich nicht darauf geachtet.“

„Zu kleinstädtisch?“, stichelte sie.

Nolan schüttelte den Kopf. „Zu abgelenkt.“

„Ach ja?“

Während der Parade hatte er geglaubt, dass sie sein Interesse bemerkt hatte, aber sie war so weit weg gewesen, dass er nicht sicher sein konnte. Außerdem war es ihm ein Rätsel, warum sie sich verhielt, als hätte sie keine Ahnung, wer er war.

Obwohl ihm diese Ölrechte, die ihre Familien entzweit hatten, nicht aus dem Kopf gingen, zögerte er, das Thema anzusprechen. Wenn sie es nicht erwähnte, würde er es auch nicht tun. Wollte sie wissen, wohin die Anziehung zwischen ihnen sie führte – oder wollte sie womöglich Informationen aus ihm herausholen?

„Mir ist eine gewisse Frau auf der anderen Straßenseite aufgefallen, und ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden.“

„Kannst du sie beschreiben? Vielleicht weiß ich ja, wer sie ist.“ Flirtete sie mit ihm?

„Lange braune Haare. Umwerfendes rotes Kleid. Rote Lippen, die geküsst werden wollen. Sie hat mich umgehauen.“

„Aus zehn Metern Entfernung?“ Chelsea blinzelte. Bei seiner Beschreibung war sie leicht errötet. „Wow! Sie muss einen ziemlichen Eindruck auf dich gemacht haben.“

Er stützte den Ellbogen auf den Tisch, legte sein Kinn auf die Handfläche und sah sie an. „Sie ist echt atemberaubend.“

„Und wenn du diese Frau finden würdest, was würdest du am liebsten mit ihr machen?“

Sie stellte ihn auf die Probe, um herauszufinden, was für ein Mann er war. Nolan spürte, dass Chelsea Grandin bei aller Lockerheit vorsichtig und zurückhaltend war. In vielerlei Hinsicht erinnerte sie ihn an Heath. Sein Zwilling war zwar nicht der Erstgeborene – ihre Schwester Ashley war fünf Jahre älter –, aber Heath war der erstgeborene Junge und hatte schon früh Verantwortung übernehmen müssen.

„Ich würde sie gerne näher kennenlernen.“ Als ihre roten Lippen ein sinnliches Lächeln formten, lief ihm ein Schauer über den Rücken.

„Und wenn sie schon vergeben ist?“

Die Frage überraschte ihn. War Chelsea etwa mit jemandem zusammen?

„Wenn sie verheiratet wäre, hätte ich natürlich Pech gehabt. Aber jeden anderen Beziehungsstatus würde ich als Aufforderung zum Wettkampf betrachten.“

„Du bist dir deiner Attraktivität ziemlich sicher. Was hast du zu bieten, das sie interessieren könnte?“

Verdammt. Diese Frau brachte ihn ins Schwitzen. Nicht, dass er Angst vor Herausforderungen hätte – sein ganzer Beruf war eine einzige Herausforderung.

„Abenteuer. Aufregung. Romantik.“

Mit jedem Wort wuchs die Neugierde in ihren Augen.

„Hm“, murmelte sie. „Klingt gut.“

Überzeugt davon, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hatte, strich Nolan eine Haarsträhne von ihrer Wange und schob sie hinter ihr Ohr. „Was meinst du, Chelsea? Bist du dabei?“

Unter Nolans intensivem Blick stockte ihr der Atem. War sie bereit für das Spiel? Verdammt, ja. Sie würde sich vor ihm in Acht nehmen müssen. Selbst ohne die Probleme zwischen ihren Familien war er nicht der Typ, mit dem sie normalerweise ausgehen würde.

Die Männer, mit denen sie sich normalerweise traf, waren durchschaubar und berechenbar. Bei Nolan Thurston war ihr vom ersten Moment an klar gewesen, dass er alles andere als das sein würde.

„Was stellst du dir denn vor?“

„Ein Abendessen?“ Er hob die Brauen. „Es sei denn, du möchtest etwas Abenteuerlicheres ausprobieren.“

Seine Kühnheit löste ein aufregendes Prickeln bei ihr aus, was wiederum Unbehagen hervorrief. Chelsea hatte noch nie jemanden getroffen, der so faszinierend war wie Nolan. Wahrscheinlich hatte sie deshalb nicht mehr an die Ranch gedacht, seit sie ihn auf der Parade gesehen hatte. Sie genoss sein einnehmendes Lächeln und seinen verführerischen Blick. Mit seinem festen, muskulösen Körper, der sich auf der schmalen Bank an ihren presste, fiel es ihr schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Sie brauchte einen Moment, bis ihr wieder einfiel, dass sie sich aus einem ganz bestimmten Grund mit ihm abgab. Es ging um Ölrechte, die das Land ihrer Familie betrafen. Aber was sprach dagegen, sich ein wenig zu amüsieren, während sie ihn davon überzeugte, dass es sich nicht lohnte, den Anspruch durchzusetzen?

Chelsea schüttelte sich, um sich aus seinem Bann zu befreien. „Fangen wir mit dem Abendessen an und sehen, wie es läuft.“

„Wunderbar. Hast du diese Woche Zeit?“

„Dienstag oder Donnerstag.“ Nicht, dass er noch auf den Gedanken kam, sie hätte sonst nichts zu tun. Für ein erstes Date war ein Abend unter der Woche ungezwungener als am Wochenende, und sie könnte die Verabredung mit dem Hinweis abkürzen, dass sie morgens früh aufstand.

„Dann Dienstag. Ich will nicht länger warten als nötig.“ Bei seinem wölfischen Lächeln begann ihr Nacken zu kribbeln.

Wusste er wirklich nicht, dass sie eine Grandin war? Sie hatten ihre Nachnamen zwar nicht genannt, aber Nolan hatte bei der Parade neben seinem Bruder gestanden, und Heath wusste genau, wer sie war. Die Tatsache, dass keiner von ihnen mit der Sprache herausgerückt und die Ölrechte erwähnt hatte, erinnerte sie daran, dass sie sich vor Winkelzügen hüten sollte.

Sie tauschten Telefonnummern aus, aber keiner von ihnen machte Anstalten, sich fortzubewegen. Stattdessen standen sie da und lächelten sich an wie zwei verliebte Teenager, während die Geräuschkulisse im überfüllten Garten zu einem weißen Rauschen wurde.

„Das war schön.“ Chelsea hörte in ihrer Stimme gleichermaßen Freude und Widerwillen, als sie versuchte, sich von Nolan zu lösen.

Den Grillteller mit ihm zu teilen, war eine erfreuliche Ablenkung gewesen, aber in Sachen Ölrechte hatte es sie keinen Schritt weitergebracht.

„Sehr schön“, stimmte Nolan zu und musterte sie mit verträumtem Blick. „Ich kann mich an kein Essen erinnern, das ich mehr genossen habe.“

Chelsea befahl ihren Füßen, sich zu bewegen, doch allen Anfeuerungen zum Trotz verweigerten die Muskeln ihr den Dienst. Sie hatte es geschafft, er hatte angebissen. Das bedeutete, dass sie gehen musste, damit er mehr wollte.

„Wir könnten uns noch einen Nachtisch holen“, schlug sie stattdessen vor und schalt sich, weil sie unbedingt mehr Zeit mit ihm verbringen wollte.

„Es ist ein heißer Tag.“ Sein Blick glitt über ihre Lippen und ließ sie erschauern. „Ein Eis in der Stadt?“

„Super.“ Die Fahrt sollte ihr Zeit geben, wieder klar zu denken.

Er warf die Reste ihres gemeinsamen Mahls in den nächsten Mülleimer. Sie erklärte ihm den Weg zu ihrer Lieblingseisdiele auf der Main Street und sagte ihm, dass sie ihn dort treffen würde.

Im kühlen Inneren der Eisdiele wurden sie vom Vanilleduft frisch zubereiteter Waffeln empfangen. Jeder von ihnen wählte seine Lieblingssorte, und mit dem süßen Geschmack von Schokolade auf der Zunge schlenderten Chelsea und Nolan die schattige Seite der Main Street entlang. Auf einer Bank vor der Post ließen sie sich nieder. Während Nolan mit ausgestreckten Beinen und einem Arm über der Lehne der Bank hinter ihr lümmelte, hockte Chelsea auf der Kante, die Knie fest zusammengepresst, und betrachtete verstohlen seinen umwerfenden Körper.

Sie platzte mit dem ersten Wort heraus, das ihr in den Sinn kam. „Was ist deine Lieblingsfarbe?“ Rasch leckte sie einen Tropfen auf, der an der Seite ihrer Tüte herunterlief, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

Nolan antwortete nicht sofort auf ihre Frage. Stattdessen beobachtete er sie intensiv und fasziniert. Etwas Sinnliches und Ursprüngliches vibrierte hinter ihrem Bauchnabel, als sie sich vorstellte, wie ihre Zunge auf ähnliche Weise über seine Haut glitt wie über das Eis.

„Rot. Ich habe dich auf der anderen Straßenseite gesehen und konnte meine Augen nicht von dir lassen.“ Er klang heiser, als ob er wirklich meinte, was er sagte.

„Oh“, sagte Chelsea. Sie wusste, dass er ihr und ihrer Familie Probleme machen würde, doch er wirkte so verdammt aufrichtig, und sie wollte sich von seiner Offenheit einlullen lassen. Mehrmals in der letzten Stunde hatte sie den wahren Grund vergessen, warum sie ihn überhaupt angesprochen hatte. „Bist du immer so direkt?“

„Meistens. Wenn ich etwas sehe und sofort weiß, dass es das Richtige ist, kann ich sehr zielstrebig und direkt sein.“

Sollte sie daraus schließen, dass sie die Richtige für ihn war? Eine schmeichelhafte Vorstellung, dass ihm dafür ein Blick aus der Ferne gereicht hatte, aber vermutlich wollte er, dass sie genau das glaubte. Hatte sich ihre Verbindung nicht ein wenig zu reibungslos entwickelt? Er musste doch wissen, wer sie war. Immerhin war er schon seit zwei Monaten in der Stadt. Dieser Gedanke ließ Chelsea aufwachen, gerade noch rechtzeitig. Sie war kurz davor gewesen, seinem romantischen Geschwätz Glauben zu schenken.

Sie erinnerte sich an die gefährliche Natur ihrer Mission und ließ ihr Gespräch Revue passieren. Welche wichtige Information hatte sie ausgeplaudert, die Nolan seinem Bruder verraten könnte? Ihr fiel nichts ein. Aber sie hatte sich von seinem Charme ziemlich mitreißen lassen.

Überhaupt war er viel charmanter und interessanter, als sie erwartet hatte. Chelsea war nicht mehr so sicher, ob sie es schaffen würde, Nolan zu manipulieren.

Die texanische Hitze zwang Chelsea, ihr Eis zügig aufzuschlecken, ehe die klebrige Masse auf sie herabtropfte. Erleichtert schob sie sich das letzte Stückchen Eis in den Mund. Wenn sie ihren Aufbruch noch länger hinauszögerte, könnte er auf die Idee kommen, dass sie sich in ihn verguckt hatte.

„Das war wirklich nett, aber meine Familie fragt sich wahrscheinlich, wo ich abgeblieben bin“, sagte Chelsea und stand auf. „Dann sehen wir uns also Dienstag.“

„Auf jeden Fall.“ Nolans breites Lächeln ließ sie erbeben.

Chelsea gab sich keine Mühe, ihre Freude zu verbergen, und grinste ihn an. Taktische Spielchen waren nicht ihre Stärke.

Sie war einen Block gelaufen, bevor sie merkte, dass sie in die falsche Richtung ging. Ihr Auto parkte in entgegengesetzter Richtung. Sie verfluchte ihr verwirrtes Hirn und lief noch einen halben Block weiter zur Boutique ihrer Schwester. Die Glocke über der Tür zu Rancher’s Daughter klingelte, und Morgan blickte von ihren Bestellungen auf. Als sie Chelsea erkannte, lächelte sie und musterte ihre Schwester von oben bis unten.

„Die Stiefel sind eine ungewöhnliche Wahl, aber sie passen. Du solltest dich wirklich öfter schick machen.“

Chelsea dachte an ihre bevorstehende Verabredung mit Nolan und beschloss, sich zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins ein sexy raffiniertes Kleid zu kaufen. „Du hast recht. Ich schaue mich mal um, ob mir etwas gefällt.“

Sie probierte mehrere Kleider an, bis drei in die engere Wahl kamen. Doch Chelsea konnte sich nicht entscheiden, welches sie kaufen sollte. Diese Unentschlossenheit passte gar nicht zu ihr. Wenn sie Entscheidungen zum Wohle der Ranch traf, konnte sie das Für und Wider verschiedener Strategien abwägen und sich die beste Lösung überlegen.

Dieses Mal war es anders. Sie versuchte, bei jemandem, den sie überhaupt nicht kannte, eine emotionale Reaktion hervorzurufen. Was würde Nolan anmachen? Sollte sie es mit etwas Romantischem oder mit etwas umwerfend Aufreizendem probieren? Wollte sie sein Herz gewinnen oder ihm den Verstand rauben? Letzteres kam ihr einfacher und weniger verräterisch vor.

Als ihr die ganze Tragweite ihres Vorhabens bewusst wurde, setzte sich Chelsea in der Umkleidekabine hin. Was am Anfang nach einem vernünftigen Plan ausgesehen hatte, wurde schnell kompliziert. Wollte sie wirklich unter falschem Vorwand etwas mit Nolan anfangen? Ihre Kühnheit erregte und entsetzte sie gleichermaßen, doch diese Chance, die Ranch zu retten und die Anerkennung ihres Vaters zu gewinnen, konnte und wollte sie sich nicht entgehen lassen.

Es stand viel auf dem Spiel, sowohl für sie als auch für die Ranch. Sie hatte sich noch nie vor hohen Einsätzen gescheut. Warum also jetzt damit anfangen? Solange sie ihre eigenen Emotionen unter Kontrolle und den Preis im Auge behielt, konnte nichts schiefgehen.

3. KAPITEL

Nachdem er sich von Chelsea getrennt hatte, fuhr Nolan zu sich nach Hause. Das neunzig Quadratmeter große umgebaute Loft in einem ehemaligen Möbelhaus an der First Avenue ähnelte seiner Wohnung in der Innenstadt von L. A. und war ihm vertrauter als das Ranchhaus, in dem er aufgewachsen war. Er hatte sich Sorgen gemacht, dass das Zusammenleben mit Heath zu viele unangenehme Erinnerungen wachrufen würde, und hatte sich eine eigene Bleibe gesucht. Über längere Zeit mit anderen Menschen auf engem Raum zusammenzuwohnen, konnte stressig sein – das hatte er gelernt, als er fast ein Jahr lang als Crewmitglied auf einer Luxusjacht gearbeitet hatte.

Nolan liebte seine Freiheit und war es nicht gewohnt, dass man sein Kommen und Gehen überwachte. Er wohnte zwar nicht auf der Thurston-Ranch, doch Heath behielt ihn genau im Auge. Vielleicht hatte sein Bruder Angst, dass Nolan sich bei Nacht und Nebel davonstehlen würde.

Sein Handy piepte und zeigte eine eingehende SMS an, als er gerade die Haustür hinter sich zugezogen hatte. Musste er etwa zurück nach L. A.? Er wartete auf die Zusagen für mehrere Projekte, für die er die Drehorte auskundschaften sollte. Dann würde er entscheiden müssen, ob er die lukrativen Aufträge ablehnen und in Royal bleiben sollte, um Heath zu helfen, oder ob er seinen Bruder im Stich lassen müsste. Das könnte ihre Beziehung wieder auf den Nullpunkt zurückwerfen.

Zu Nolans Erleichterung kam die SMS von Heath.

Wie ist es mit Chelsea Grandin gelaufen?

Eine einfache Frage, doch Heaths Anspannung war deutlich zu erkennen. Nolans Bruder hatte sich aus irgendwelchen Gründen von der Sache mit den Ölrechten vereinnahmen lassen. Es war nicht so, dass Heath das Geld bräuchte. Der Ranch ging es besser als zu der Zeit, als Nolan sie verlassen hatte. Er wünschte nur, sein Bruder würde ihm anvertrauen, um was es ihm wirklich ging.

Ich habe ein Date mit ihr am Dienstagabend. Hast du eine Idee, wo ich mit ihr hingehen könnte?

Nolan holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Kurz darauf klingelte das Telefon.

„Sag mir alles, was sie gesagt hat“, verlangte Heath ohne Einleitung.

„Ich weiß nicht, ob ich mich an alles erinnere“, gab Nolan zu bedenken. Er ahnte, dass es Heath gar nicht gefallen würde, dass Nola, seine Energie ausschließlich in den Flirt mit Chelsea gesteckt hatte, anstatt mit ihr über die Ölrechte zu sprechen. Sie hatten nicht einmal ihre Nachnamen erwähnt.

„An was erinnerst du dich?“

Nolan seufzte. Manchmal war Heath wirklich zu direkt. Konnte er seinen Bruder davon überzeugen, dass er Zeit und Fingerspitzengefühl brauchte, um hinter das Geheimnis der beiden Familien zu kommen?

„Wir haben nicht über das Dokument gesprochen, das du gefunden hast.“ Nolan hielt eine Sekunde inne, als er hörte, wie sein Bruder den Atem ausstieß. „Ich muss ihr Vertrauen gewinnen, und das klappt nicht bei einem Teller Rippchen.“

„Ich verstehe.“ Heath klang enttäuscht, nicht überrascht. „Danke für den Versuch.“

Sein Bruder warf also bereits das Handtuch? Nolan verdrehte die Augen. Es war typisch für Heath, Nolans Fähigkeiten abzuwerten. Er war einer der gefragtesten Location-Scouts der Branche und ein hervorragender Verhandlungsführer, aber Heath sah in ihm nur seinen jüngeren Bruder.

Als Kind hatte Heath nie gezögert, seinen Bruder herunterzuputzen, sobald Nolan anderer Meinung war. In den letzten Monaten hatte Heath sich mehrmals abfällig über Nolans Arbeit geäußert, weil er nicht begriff, wie sein Zwilling ein gutes Einkommen erzielen und gleichzeitig etwas tun konnte, was er liebte.

„Oh, ich bin noch nicht fertig“, sagte Nolan energisch. „Ich habe die Absicht, herauszufinden, was Chelsea weiß. Dann können wir eine Strategie entwickeln, um die juristischen Auseinandersetzungen zu gewinnen, die sie mit Sicherheit gegen deine Forderung anstrengen werden.“

Meine Forderung?“ Heath klang verblüfft. „Die Ölrechte gehören der Familie. Das betrifft dich genauso wie mich.“

„Sicher.“ Nolans Kehle wurde eng. Seine Beziehung zu Heath war weder unkompliziert noch einfach. „Aber ich war so lange weg, dass ich dachte, du würdest mich nicht mehr als Teil der Familie betrachten.“

Es folgte ein Schweigen, während beide Männer Nolans Worte verdauten. „Es tut mir leid, dass du so denkst“, sagte Heath schließlich. „Ich gebe zu, dass die Jahre ohne dich nicht leicht waren. Aber Mom hat mich oft daran erinnert, dass du deinen eigenen Weg gehen musstest. Du warst schon immer ein rastloser Geist, und hier in Royal gibt es nicht viel Neuland zu entdecken.“

Eine überwältigende Welle der Erleichterung und des Bedauerns überkam Nolan. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass Heath sein Bedürfnis, Royal zu verlassen, verstand.

„Es tut mir leid, dass ich abgehauen bin und dich im Stich gelassen habe. Ich habe nicht erwartet, dass ich so lange weg sein würde. Ich dachte, ich würde etwas von der Welt sehen und irgendwann nach Hause kommen. Aber dann bekam ich mehr von der Welt zu sehen als erwartet.“

„Wenn man bedenkt, dass wir Zwillinge sind, sind wir beide ziemlich verschieden“, sagte Heath und klang dabei ungewohnt nachdenklich. „Ich gehöre auf die Ranch. Ich habe kein Bedürfnis, Royal zu verlassen. Selbst nach dem Verlust von Mom und Ashley habe ich nie daran gedacht, zu verkaufen und etwas anderes zu machen.“

„Natürlich nicht“, stimmte Nolan zu, der sich Heath nur als Rancher vorstellen konnte. „Du bist zum Rinderzüchter geboren.“

„Chelsea Grandin hat sich also mit dir verabredet“, sagte Heath nachdenklich und brachte sie damit auf das ursprüngliche Thema zurück. „Interessant.“

„Wir haben uns gut verstanden.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass du Glück bei ihr haben würdest.“

„Ehrlich gesagt bin ich selbst ein wenig überrascht.“ Trotz der ausgeprägten Anziehung zwischen ihnen war Nolan davon ausgegangen, dass der Streit zwischen ihren Familien ein zu großes Hindernis sein würde. „Aber sie ist definitiv scharf auf mich.“

„Sie ist ein bisschen zu erfahren, um sich überrumpeln zu lassen“, sagte Heath trocken. „Selbst von einem Charmeur wie dir.“

„Du meinst, dass sie mich vielleicht genauso benutzt wie ich sie?“ Nolan beschloss, den Unschuldigen zu spielen. Heath traute keinem Mitglied der Grandin-Familie. Nolan brauchte ihm nicht zu verraten, dass er Chelsea unbedingt näher kennenlernen wollte. „Vielleicht will sie auch nur ein bisschen Spaß haben.“

„Das klingt gar nicht nach Chelsea“, sagte Heath. „Sie ist die Vernünftigste von allen Geschwistern. Und sie würde alles tun, um die Grandin-Ranch zu schützen.“

„Einschließlich der Verabredung mit mir?“ Nolan ärgerte sich, dass er seine Enttäuschung nicht verbergen konnte. Natürlich hatte sein Bruder recht, natürlich musste er vorsichtig sein. Doch Nolan war überzeugt, dass die Anziehung zwischen ihnen echt war.

Heath schwieg einen Moment. „Pass einfach auf dich auf“, sagte er schließlich.

„Ich werde vorsichtig sein.“

„Wo willst du denn hin?“ Chelseas Mutter riss die Augen auf, als sie ihre älteste Tochter sah. „In diesem Aufzug?“

Für ihr erstes Date mit Nolan hatte Chelsea sich für ein körperbetontes, langärmeliges Kleid in Nachtblau mit einem umgekehrten V-Ausschnitt entschieden. Von vorne sah sie sexy aus, war aber vom Oberschenkel bis zum Knie bedeckt. Der Clou kam, wenn sie sich umdrehte – ein goldener Reißverschluss, der vom hinteren V-Ausschnitt bis zum Saum verlief und nur darum bettelte, geöffnet zu werden. Sie hatte eine gewisse Erregung verspürt, als sie es angezogen und sich Nolans Reaktion ausgemalt hatte. Würde er darin eine Einladung oder eine Herausforderung sehen?

„Ich bin verabredet.“ Chelsea war stolz auf ihren nonchalanten Tonfall, auch wenn sie innerlich vor Aufregung bebte.

„Sie geht mit Nolan Thurston aus“, meldete Layla sich zu Wort.

„Mit einem Thurston?“ Ihre Mutter schaute empört.

Chelsea warf ihrer Schwester einen vernichtenden Blick zu. Sie bereute bereits, Layla eingeweiht zu haben.

„Du könntest dir jeden Junggesellen in der Stadt aussuchen“, sagte ihre Mutter. „Warum muss es ausgerechnet jemand sein, der versucht, uns zu ruinieren?“

„Genau deshalb gehe ich mit ihm aus.“ Chelsea hasste es, sich wie eine dumme Teenagerin zu fühlen. Warum konnte ihre Familie sie nie als intelligente, kompetente Person sehen, die genau wusste, was sie tat? „Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass ich sonst an einem Date mit ihm interessiert wäre.“

„Nun ja.“ Bethany verzog das Gesicht. „Du hast nicht gerade ein glückliches Händchen, wenn es um Männer geht.“

Chelsea brauchte nicht an ihre misslungenen Dates erinnert zu werden. Mehr als einmal war sie anschließend von den Männern komplett ignoriert worden. Es war so oft vorgekommen, dass sie sich nicht mehr traute, mit jemandem auszugehen. Aber Nolan war anders. Eigentlich war es nicht einmal ein richtiges Date.

„Ich hoffe, herauszufinden, was er und Heath planen.“

Layla grinste. „Wenn er so ist wie sein Bruder, wird er dir nichts sagen.“

„Das weißt du doch gar nicht“, erwiderte Chelsea scharf. „Irgendwas …“ Verdammt. Es hörte sich idiotisch an, es zu sagen, aber was soll’s. „… ist da zwischen uns.“

„Er wird wohl eher versuchen, über dich an Informationen zu kommen. So wie bei Layla“, sagte ihre Mutter und sah ihre Tochter vielsagend an.

„Ich wusste genau, was er vorhat“, sagte Layla, „und ich bin sicher, Chelsea weiß es auch.“

„Allerdings“, bestätigte Chelsea. „Ihr braucht euch keine Sorgen um mich zu machen. Manchmal denke ich, ihr vergesst, dass ich sehr gut auf mich und die Ranch aufpassen kann.“

„Du solltest die Sache mit den Ölrechten deinem Vater und Vic überlassen“, sagte ihre Mutter und widmete sich wieder ihrem Rätsel.

Chelsea biss die Zähne zusammen. Wie immer überließ ihre Mutter alle wichtigen Entscheidungen, die die Ranch betrafen, ihrem Bruder und ihrem Vater. Es war schon schlimm genug, dass ihr Vater daran festhielt, dass nur ein Mann als Erbe infrage kam, aber Bethany Grandin war genauso altmodisch.

Es ärgerte Chelsea, dass niemand aus ihrer Familie bemerkte, wie sehr sie sich auf der Farm einbrachte. Sie war es gewesen, die die Bewirtschaftung des Landes und die Tierhaltung so umgestaltet hatte, dass sich die Qualität des Viehs verbessert hatte. Doch ihr Vater weigerte sich, anzuerkennen, dass die Ranch jetzt effizienter und produktiver war – weil seine Tochter und nicht der Sohn für die Verbesserungen verantwortlich war.

„Du kennst doch das alte Sprichwort“, sagte Chelsea und schluckte ihren Groll herunter. „Halte dir deine Freunde nahe, aber deine Feinde näher.“

„Nimm dich in Acht“, sagte ihre Mutter. „Diese Thurston-Jungs wollen Blut sehen.“

Chelsea dachte an ihr erstes Treffen mit Nolan. Obwohl ihre Mutter allen Grund hatte, die Brüder hart zu verurteilen, konnte Chelsea nur gewinnen. Sicher, diese Ölrechte bedrohten die Ranch. Aber war es nicht möglich, dass die Angelegenheit für Nolan und Heath lediglich ein geschäftliches Unterfangen und keine Art Rachefeldzug war?

„Ich bin nicht auf Nolan Thurstons Charme hereingefallen“, sagte Layla und kam ihrer Schwester endlich zu Hilfe. „Und Chelsea wird das auch nicht.“

Chelsea merkte, dass ihre Mutter nicht überzeugt war, und verließ entschlossen die Ranch. Ihr ganzes Leben lang hatte sie damit gelebt, dass ihre Familie ihr nicht vertraute. Bisher hatte sie sich davon nicht unterkriegen lassen, und sie auch würde jetzt nicht damit anfangen.

Nolan hatte vorgeschlagen, sich an der Bank vor der Post zu treffen, wo sie ihr Eis gegessen hatten. Sie kam fünf Minuten zu früh und stellte fest, dass Nolan bereits auf sie wartete. Sie hatte einen Block weiter geparkt und ging langsam die Main Street entlang. Es war lange her, dass sie Stöckelschuhe getragen hatte, und es war ungewohnt, in den fünf Zentimeter hohen Stilettos zu laufen.

„Wow!“ Er betrachtete sie mit unverhohlener Bewunderung, als sie näher kam. „Ich hätte nicht gedacht, dass du noch schöner werden könntest, aber ich habe mich geirrt. Du siehst umwerfend aus.“

Sie hatte ihr Haar zu kunstvollen Wellen gestylt und den gesamten Vorhang aus Haaren über die linke Schulter geworfen. Mit ihren großen Augen, dem muskulösen Körper und dem breiten Mund wusste Chelsea, dass sie eher auffällig als schön war.

„Du siehst aber auch nicht schlecht aus.“ Sie musterte seinen anthrazitfarbenen Anzug und das schwarze Button-down-Hemd. Der oberste Knopf stand offen, und es fiel ihr schwer, den Blick von seinem Hals abzuwenden. Ohne die tiefen Grübchen, mit denen er sie anlächelte, hätte sie sich vielleicht überlegt, mit ihm allein irgendwohin zu gehen. „Ich war ein wenig besorgt, dass ich vielleicht zu viel anhabe.“

Er nahm ihre Hand, beugte sich vor und gab ihr einen warmen Kuss auf die Wange, der ihr den Atem raubte. Chelsea wurde schwindlig, und sie kam sich vor wie eine naive Teenagerin bei ihrem ersten Date. Was war nur in sie gefahren? War sie wirklich so empfänglich für den Sexappeal dieses Mannes?

„Du bist perfekt.“ Ein weiteres knisterndes Lächeln ließ sie dahinschmelzen. Er steuerte auf einen massigen schwarzen Jeep zu, der aussah, als könnte er jedes Terrain bezwingen, das Texas zu bieten hatte. „Sollen wir?“

„Gerne.“ Chelsea hatte schon fast die Beifahrertür erreicht, als sie bemerkte, dass Nolan ihr nicht gefolgt war. Hatte sie sich geirrt, welches Auto er gemeint hatte? Als sie sich umdrehte, stand er wie angewurzelt auf dem Bürgersteig, mit großen Augen und vollen Lippen. Er stieß einen leisen Pfiff aus. „Alles gut bei dir?“

„Ob alles gut ist?“ Er schlug sich mit der Handfläche gegen die Brust und schwankte dramatisch. „Dieses Kleid ist das Schärfste, was ich in diesem Jahr gesehen habe. Willst du mich umbringen?“

„So schlimm?“

Als Nolan auf sie zukam, ertappte Chelsea sich dabei, dass sie voller weiblicher Genugtuung grinste. Sie hatte genau den gewünschten Effekt erzielt – aber war es nur die Freude darüber, dass ihr Plan funktionierte? Oder wollte sie ihre Macht der Verführung an einem Mann testen, den sie begehrte?

Sie wollte nur herausfinden, wie viel Nolan über die Absichten seines Bruders wusste oder welche Verbindung zwischen seiner Mutter und ihrem Onkel Daniel bestand. Noch besser wäre es, wenn sie ihn davon überzeugen könnte, die Ranch ihrer Familie in Ruhe zu lassen – oder ihn zu überreden, zusammen mit Heath die Forderungen fallenzulassen. Sie wollte nur ihrer Familie ein für alle Mal beweisen, dass die Grandin-Ranch ihr gehören sollte.

Doch als Nolan sie erreichte, mit den Fingerspitzen an ihrer Wirbelsäule entlang bis zum oberen Ende des Reißverschlusses fuhr und ein wenig an der Lasche zog, war sie sich nicht sicher, wo der Ehrgeiz aufhörte und der Hunger begann. Vor Verlangen zitternd biss sie sich auf die Lippe. Die Versuchung, ihn anzuflehen, den Reißverschluss zu öffnen, war gefährlich und verdrängte jeden anderen Gedanken.

Nolan senkte seinen Kopf und murmelte: „Verdammt sexy, Mrs. Dreamy.“

Das Kosewort reizte sie. „Ist es nicht ein bisschen früh für Spitznamen?“, fragte sie bebend, als sie seinen Atem an ihrem Nacken spürte.

„Ich sage nur, wie es ist. Und du bist definitiv ein Traum.“

4. KAPITEL

Dieses verdammte Weib, dachte Nolan mit zähneknirschender Bewunderung, als er die Lasche am oberen Ende des Reißverschlusses berührte. Er hatte nicht übertrieben, als er gesagt hatte, dass sie ihn mit diesem Kleid fast umbringen würde. Sobald er den goldenen Reißverschluss sah, der vom Halsausschnitt bis zum Saum reichte, konnte er nur noch daran denken, ihn auf der Stelle bis nach unten aufzureißen. Sie hatte ihn überrumpelt, und das passierte selten.

Vielleicht brauchte sie eine Lektion, was passierte, wenn er provoziert wurde.

Mit dem Finger fuhr er die Vene an ihrem Hals entlang und hörte, wie sie den Atem anhielt. Sie hob den Kopf, und ihr Blick war direkt und unerschütterlich. Nicht gerade herausfordernd, aber auch nicht zustimmend. Sie beugte sich vor, ein winziges Stück, und er sah eine Einladung in der leichten Kurve ihrer Lippen.

Jetzt stockte ihm der Atem. Natürlich wusste er, dass sie ein Spiel spielten, aber sie hatte ihn in die Falle gelockt. Bevor er nachgeben und von ihr kosten konnte, schoss ihm Heaths Warnung durch den Kopf.

Sie könnte dich so benutzen, wie du sie benutzt.

Nolan zo...

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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