Baccara Collection Band 473

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HEIßE SCHEINEHE IN MIAMI von NADINE GONZALEZ

Empört erfährt Filmproduzentin Gigi von der Bedingung für ihr Millionenerbe: Sie muss fünf Jahre auf das Geld warten – oder heiraten! Was jetzt? Eine temporäre Scheinehe mit Starkoch Myles scheint die Lösung. Bis Gigi sich plötzlich nach sinnlichen Nächten mit ihm verzehrt …


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  • Erscheinungstag 13.07.2024
  • Bandnummer 473
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523110
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nadine Gonzalez, J. Margot Critch, Karen Booth

BACCARA COLLECTION BAND 473

AKT I, SZENE I

Schauplatz: Im Haus. Es ist Nacht.

„Schlägst du etwa vor, dass wir heiraten, Georgina?“

„Richtig.“

„Wir kennen uns kaum.“

„Du weißt, was ich zu bieten habe.“

„Und das wäre?“

„Deine wildesten Träume auf dem Silbertablett.“

„Ich habe keine wilden Träume, nur erreichbare.“

„Das kann ich ändern.“

„Ich bin fast versucht, ja zu sagen – nur um zu sehen, wie du das anstellen willst.“

„Dann sag doch einfach ja.“

„Nein.“

„Warum? Nenn mir einen Grund.“

„Wir würden uns gegenseitig benutzen. Das ist nicht mein Stil.“

„Ich korrigiere: Wir würden nützlich füreinander sein. Und wäre das wirklich so schlimm? Es gibt Ehen, die mit weniger auskommen.“

„Wenn du es so sagst, klingt es so einfach.“

„Es ist so einfach. Heißt das, du wirst mich heiraten?“

„Nein.“

1. KAPITEL

Wann war ihr Leben bloß zu einem Hollywood-Drehbuch geworden? Eine Erbschaft, die an Bedingungen geknüpft war? Eine Zweckehe, um das Problem zu lösen? Solche Klischees waren eigentlich nur für romantische Komödien geeignet. Und doch war das genau die Situation, in der sich Gigi befand.

Das Drama hatte mit der üblichen Szene begonnen: Die Verlesung des Testaments. Sie hatten sich im Büro des Anwalts versammelt – keine holzgetäfelte Suite, wie die Kinobesucher es vielleicht erwartet hätten, sondern ein modern eingerichteter Raum in einer der obersten Etagen eines Hochhauses in der Innenstadt von Miami.

Neben ihr auf dem weißen Ledersofa saß ihre Mutter, Elizabeth Brooks-Garcia, besser bekannt als Beth Brooks, ehemaliges Topmodel. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, nur für den Fall, dass jemand ihre Trauer in Frage stellte. Gigis Halbbruder, Gabriel Garcia, saß auf einem Sessel gegenüber von ihnen. Er starrte sie mit den grünbraunen Augen seiner eigenen Mutter an. Hinter einem schmalen Schreibtisch saß Andrew Row, der Anwalt. Alle drei schienen den Atem anzuhalten und darauf zu warten, dass Gigis Wutanfall sich wieder legte.

Keiner von ihnen war auf ihrer Seite, das war ihr klar.

„Was soll das heißen, ich muss fünf Jahre warten, bevor ich mein Erbe antreten kann?“, platzte Gigi wütend heraus. Fünf Jahre Wartezeit für fünfzig Millionen Dollar? Es war absurd.

„Oder heiraten“, präzisierte Row. „Fünf Jahre warten oder heiraten. Das sind die Bedingungen.“

„Und wie lange muss meine Mutter warten?“, fragte Gigi.

„Gar nicht.“

Gigi zeigte auf Gabriel. „Was ist mit ihm?“

„Für ihn gibt es auch keine Bedingungen.“

„Das betrifft also nur mich?“

„Richtig.“

„Georgina!“, klagte Beth. „Dein Vater hatte seine Gründe.“

Gigi bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Wirklich? Die würde ich gern hören.“

„Er wollte für dich sorgen.“

„Er wollte mich kontrollieren! Noch aus dem Grab heraus!“

„Sei bitte nicht so eine Drama-Queen!“, erwiderte Beth streng.

„Beides ist wahrscheinlich richtig“, meldete Gabe sich zu Wort. „Er wollte für dich sorgen … und er wollte dich kontrollieren. Das ist der Nachteil, wenn man das Lieblingskind ist.“

„Danke für diese aufschlussreiche und tiefgehende Analyse, Gabe.“

Man hätte vielleicht denken können, dass sie beide in einem Moment wie diesem ihre Geschwisterrivalität beiseitelegen würden. Aber sie hatten sich nie verstanden und würden es wohl auch nie tun. Fairerweise musste man sagen, dass Gigis Vater Gabes Mutter für ihre verlassen hatte, also … das war wohl der Grund.

Jetzt meldete sich Row zu Wort. „Wir sitzen jetzt schon eine ganze Weile hier. Möchte jemand eine Erfrischung? Kaffee? Tee?“

„Kaffee“, bat Beth. „Schwarz und ohne Zucker, bitte.“

„Wasser“, sagte Gabe.

Gigi stieß einen erschöpften Seufzer aus. „Eine Margarita bitte. Auf Eis und mit Salzrand.“

„Georgina!“, rief Beth empört.

Okay, das hatte sie zugegebenermaßen provoziert. Irgendetwas an dieser ganzen Situation und dem damit einhergehenden Gefühl der Machtlosigkeit machte sie zu einem rebellischen Teenager, dessen einziger Instinkt war, um sich zu schlagen. Doch die Person, die für diesen ganzen Schlamassel verantwortlich war, sang längst fromme Lieder mit den Engeln oder war vielleicht als Schmetterling wiedergeboren. Wie auch immer, offenbar war es der letzte Wille ihres Vaters gewesen, seine einzige Tochter um zig Millionen Dollar zu prellen. Und alles, was man ihr zum Ausgleich anbot, waren Erfrischungsgetränke.

„Tut mir wirklich leid, Mom“, sagte Gigi übertrieben zuckrig. „Aber es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich in die Ehe gezwungen werde.“

„Niemand zwingt dich zu irgendetwas“, entgegnete Beth. „Dein Vater wollte nur das Beste für dich.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass das der offizielle Slogan des Patriarchats ist“, murmelte Gigi.

Beth verzog das Gesicht. „Himmel!“

Gigi wandte sich an den Anwalt. „Welche anderen Optionen habe ich?“

„Die Gesetze in Florida sind sehr streng“, sagte Row. „Es gibt zahlreiche Nachweise dafür, dass Ihr Vater bis zu seinem Ende bei klarem Verstand war. Seine kognitiven Fähigkeiten sind in den umfangreichen medizinischen Unterlagen dokumentiert.“

Es stimmte, der Verstand ihres Vaters war scharf geblieben, auch wenn sein Körper von der Krankheit verkrüppelt worden war. Er hatte seine Geschäfte vom Krankenhausbett aus geregelt. Der ehemalige Baseball-Star war bis zu seinem Todestag ein Champion geblieben.

„Das kann ich bezeugen, falls das jemals nötig sein sollte“, sagte Beth. „Dein Vater war ein außergewöhnlicher Mann. Ich werde nicht zulassen, dass die Erinnerung an ihn verfälscht wird, nur damit du früher kassieren kannst.“

Bevor Gigi ihre Mutter damit konfrontieren konnte, dass sie sie praktisch als skrupellos und geldgierig bezeichnet hatte, mischte sich Gabe ein und machte die Sache noch schlimmer.

„Dieses Portrait in Vanities war nicht gerade vorteilhaft für dich. Ich bin sicher, dass Dad es deshalb gemacht hat.“

Gigis Herz schlug ihr bei der Erwähnung des Artikels bis zum Hals. Das renommierte Wirtschaftsmagazin hatte ihre Karriere quasi für tot erklärt, nachdem ihre Produktionsfirma GG Cinema eine Reihe von wirtschaftlichen Flops produziert hatte. Diese waren zwar von der Kritik gefeiert worden, hatten aber an den Kinokassen versagt.

„Seit wann liest du Vanities?“, fragte sie bissig.

„Lag im Wartezimmer meines Zahnarztes herum“, antwortete Gabe trocken.

„Ja, klar.“

„Es ist ja nicht so, dass du hungern müsstest“, sagte Beth. „Du bist eine kluge Geschäftsfrau. Außerdem reicht dein monatliches Einkommen mehr als aus, um dich über die Runden zu bringen.“

Ihr Einkommen war nicht das Problem – Gigi brauchte Kapital. Sie musste sich unbedingt von ihren großen Geldgebern trennen, um ihr Unternehmen auf einen neuen Kurs zu steuern.

Ihr Bruder lehnte sich in seinem Sessel zurück. Mit der Nonchalance eines Mannes, der Millionen erben würde, ohne auch nur einen Finger dafür rühren zu müssen, schlug er vor: „Vielleicht versteigerst du einfach deine Oscarsammlung.“

Gigi ließ sich nicht provozieren. „Scheint so, als hätte ich keine andere Wahl, als zu heiraten“, murmelte sie vor sich hin.

„Und wie willst du das hinkriegen?“, fragte Gabe. „Du bist doch schon eine ganze Weile Single, oder?“

Was wusste er schon? „Ich bin mit jemandem zusammen.“

„Wirklich?“, fragte Beth. „Und wo war er an deinem Geburtstag? All deine Freunde waren bei deinem Essen.“

„Wir sind diskret. Ich ziehe es vor, meine heimlichen Lover nicht herumzuzeigen.“

Gabe lachte. „Kein Mensch sagt heimliche Lover. Du bist schon zu lange in Hollywood.“

„Mir ist egal, als was du den Mann bezeichnest“, sagte Beth steif. „Aber um Himmels willen, heirate ihn nicht. Wegen Geld heiraten ist stillos.“

Gabe gab sich keine Mühe, sein Lachen zu unterdrücken. Gigi musste zugeben, dass Beths mangelndes Bewusstsein für die eigene Situation wirklich urkomisch war. Sie war achtzehn Jahre jünger als ihr verstorbener Mann und war nach ihrer Heirat sofort als junge Vorzeigefrau abgestempelt worden. Nur Gigi kannte die Wahrheit: Ihre Eltern hatten sich über alles geliebt.

Gigi wandte sich an Row. „Sagt das Testament, dass ich aus Liebe heiraten muss?“

„Nein“, antwortete er. „Das tut es nicht.“

„Es reicht!“, empörte sich Beth. „Ich lasse das nicht zu.“

„Und ist die Zustimmung meiner Mutter erforderlich?“, fragte Gigi unbeirrt weiter.

Der Anwalt wirkte amüsiert. „Nein, auch das nicht.“

„Gut. Dann werde ich Ende des Monats verheiratet sein.“

Ihre Erklärung wurde in der Runde mit spöttischem Gelächter quittiert.

„Findet ihr das lustig?“, fragte Gigi.

„Wir finden das tragisch“, erwiderte Beth. „Wenn du einmal nicht deinen Willen bekommst, denkst du dir sofort irgendeine Wahnsinnsaktion aus. Wann wirst du endlich erwachsen?“

„Pass auf, dass du am Ende nicht irgendeinem Typen Unterhalt zahlen musst“, fügte Gabe hinzu. „Schau, dass du einen hieb- und stichfesten Ehevertrag aufsetzt.“

„Okay. Hieb- und stichfesten Ehevertrag aufsetzen …“ Gigi tat so, als notiere sie sich das. „Wird gemacht, großer Bruder.“

Als Kind hatte sie Gabe immer bewundert. Er war sportlich und gut aussehend, und alle ihre Freundinnen waren in ihn verknallt. Zu dumm, dass er Gigi schon immer als seine Feindin betrachtet hatte. Sie hatte es nie persönlich genommen, weil sie gewusst hatte, dass der Groll ihres Bruders sich eigentlich gegen Beth richtete, weil die angeblich seine Familie zerstört hatte.

Juan Pedro Garcia war zwar noch mit Gabes Mutter verheiratet gewesen, als er Beth kennengelernt hatte, aber Gigis Vater schwor, dass er dieser erst nach der gesetzlichen Trennung seine Liebe erklärt hatte. „Ich respektiere die Heiligkeit der Ehe“, sagte er zu jedem, der ihm zuhörte. Jahrzehnte später, als er krank wurde, war er besessen davon, seine einzige Tochter heiraten zu sehen. „Es tut weh, nicht mehr miterleben zu dürfen, wie du heiratest“, hatte er immer gesagt. Gigi hatte jedes Mal versucht, dem Ganzen die Schwere zu nehmen, und erwidert: „Du wirst miterleben, wie ich einen Oscar gewinne. Wie viele Väter können das von sich behaupten?“

Doch selbst wenn sie den Friedensnobelpreis gewonnen hätte – der einzige Wunsch ihres Vaters war, dass sie in feste Hände kam.

Beth berührte Gigi leicht am Arm. „Gabe hat recht. Dein Leben ist keine romantische Komödie. Aus den falschen Gründen zu heiraten, ist ein schrecklicher Fehler.“

Im Ernst, warum war ihre Familie so besessen von der Filmindustrie? Sie ließen keine Gelegenheit aus, Gigi ihre Karriere unter die Nase zu reiben. Alles – jeder Rückschlag, jede Pechsträhne, jeder kleine Schnupfen – wurde auf ihren sogenannten Hollywood-Lifestyle geschoben. Wahrscheinlich hatten sie längst Wetten abschlossen, wann ihre Karriere zerbrechen würde. Nun, diese Genugtuung würde sie ihnen nicht geben.

Gigi stand auf und strich sich den Rock glatt. „Vergesst nicht, in den Briefkasten zu gucken. Meine Hochzeitseinladung wird bald ankommen.“

Mit diesen Worten verließ sie das Büro des Anwalts und machte sich auf den Weg zum Aufzug. Gabe folgte ihr hastig. „Georgina, warte!“

Er wurde ihrem Vater immer ähnlicher. Mit seinen kurz geschnittenen Haaren sah er aus wie der junge, großspurige Pedro Garcia, der gerade von den Houston Astros angeworben worden war.

Sie drückte den Fahrstuhlknopf. „Geh weg!“

„Gib mir nur eine Sekunde, okay? Es ist kein Wunder, dass er dich wie ein Kind behandelt hat. Du benimmst dich wie eins!“

Gigi wirbelte herum, bereit für einen Schlagabtausch. „Und was willst du mit deinem Geld machen? Ein Boot kaufen? Noch eine Eigentumswohnung am Strand? In Kryptowährungen investieren?“

Gabe wurde rot. Der Aufzug kam und ging, während sie auf seine Antwort wartete.

„Es geht dich nichts an, was ich damit mache.“

„Genau das meine ich“, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Es ist allein deine Entscheidung. Was für ein Privileg!“

„Ob du es glaubst oder nicht, ich bin auf deiner Seite“, sagte er. „Du hast jedes Recht, verärgert zu sein, aber bitte, tu nichts, was du später bereuen wirst.“

Niemand war auf ihrer Seite, das hatten sie mehr als deutlich gezeigt.

„Ich tue, was ich zu tun habe.“

Gigi drehte ihrem Bruder den Rücken zu und stieg in den Aufzug. Sie betrachtete sich in den verspiegelten Wänden. Sie war groß und schlank, und sie hatte den goldbraunen Teint ihres Vaters und die markanten Wangenknochen ihrer Mutter. Aber was viel wichtiger war: Sie hatte den Geschäftssinn ihres Vaters und die Gerissenheit ihrer Mutter. Und sie würde einen Ausweg aus dieser Situation finden. Niemand – weder ihre Mutter noch ihr Bruder noch der Geist ihres Vaters – konnten sie aufhalten.

Draußen wartete sie geduldig darauf, dass der Angestellte des Bürogebäudes den hellblauen Bentley vorfuhr, den Beth ihr vermacht hatte. Doch kaum saß sie am Steuer und bog auf den Biscayne Boulevard ein, als sie am Straßenrand halten musste. Ihre Augen waren blind vor Tränen.

Verdammter Mist! Was soll ich bloß machen?

Doch das Schicksal warf Gigi eine Rettungsleine zu. Gerade als die Panik sie zu ersticken drohte, klingelte ihr Handy. Der Name auf dem Display ließ ihr einen Schauer der Erleichterung über den Rücken laufen. Eine Sekunde später ertönte die warme Stimme ihres besten Freundes über die Freisprechanlage. „Ich habe vorhin schon versucht, dich zu erreichen. Was machst du? Wie ist dein Tag?“

Ihr Herzschlag beruhigte sich. „Grauenhaft. Du wirst nicht glauben, was ich gerade erfahren habe.“

„Oje! Was ist los?“

Die meisten Menschen hatten Glück, wenn sie eine Person in ihrem Leben hatten, die in ein brennendes Gebäude rennen würde, um sie zu retten. Gigi hatte eine Handvoll davon. Einer von ihnen war der Oscar-prämierte Schauspieler Alessandro Cardenas. Er war vor ein paar Tagen für die Beerdigung ihres Vaters nach Miami geflogen und meldete sich täglich, um zu hören, wie es ihr ging.

Obwohl sie beide aus Miami stammten, hatten sich ihre Wege in L.A. gekreuzt. Sandro hatte für eine kleine Rolle in einem der ersten Filme, die sie produziert hatte, vorgesprochen, und seine Darstellung eines schwulen kubanischen Aktivisten hatte ihn zum Star gemacht. Seitdem gehörten sie zum Leben des jeweils anderen. Zu schade, dass er mit einer talentierten Künstlerin verlobt war, in die er sehr verliebt war. Sonst hätte Gigi ihm auf der Stelle einen Heiratsantrag gemacht.

„Mach dir keine Sorgen“, seufzte sie. „Es geht mir gut.“

„Du klingst aber nicht so“, sagte er. „Lass uns zusammen zu Mittag essen. Ich hole dich ab. Sag mir einfach, wo du bist.“

Ja, wo war sie überhaupt? Irgendwo in der Nähe eines Einkaufszentrums. „Schon gut, ich komme zu dir.“

„Okay“, sagte er. „Ich bin auf dem Weg ins Diablo. Treffen wir uns dort?“

Ein lautes belebtes Restaurant war im Moment der letzte Ort, an dem sie sein wollte. „Können wir uns vielleicht irgendwo treffen, wo es ruhiger ist?“

„Das Diablo ist mein zweites Zuhause“, versicherte er ihr. „Wir können in der Küche abhängen, das Essen probieren und in Ruhe reden. Ich verspreche dir, dass wir ungestört sein werden.“

Das klang eigentlich wunderbar, und sie war kurz vorm Verhungern. Ein gutes Essen und die Gelegenheit, Dampf abzulassen, waren jetzt genau das Richtige für sie.

„Schickst du mir die Adresse?“

Sandro war kurz still. „Machst du Witze?“

„Okay, schon gut. Ich kann auch selber nachgucken. Kein Grund, unhöflich zu sein.“

„Ich kann es nicht glauben“, sagte Sandro langsam. „Du warst noch nie im Diablo?!

„Tut mir leid, nein.“

Gigi tat es überhaupt nicht leid. Sie hatte keine Zeit, jedes angesagte Restaurant in Miami auszuchecken. Im Gegensatz zu seinen eher hedonistischen Freunden hatte sie ein Unternehmen zu leiten – das gerade dabei war, pleite zu gehen.

„Moment mal“, sagte er jetzt energisch. „Das heißt, du hast Myles noch nie getroffen?“

„Vielleicht … Ich weiß es nicht.“

Sie lernte so viele Menschen kennen, wie sollte sie da sicher sein? Aber sie verstand jetzt, warum Sandro so aufgebracht war. Myles war sein Sandkastenfreund, und er erzählte permanent von ihm.

Richtig! Er war eine Art Chefkoch. Wahrscheinlich arbeitete er im Diablo, oder vielleicht gehörte ihm der Laden sogar.

„Egal“, sagte Sandro. „Ich schick dir den Standort. Wenn du da bist, frag einfach nach dem Tisch des Chefkochs.“

„Mach ich. Bis gleich.“

Es dauerte nicht lange und sie parkte vor einem weißen Gebäude, das mit seinen hölzernen Jalousien und dem schrägen Dach an den alten Baustil Floridas erinnerte. Es befand sich abseits der belebten Straßen und war umgeben von Palmen. Bevor sie aus dem Wagen stieg, nahm sie sich einen Moment Zeit, um „Chefkoch Myles Diablo“ in die Suchmaschine ihres Handys einzugeben. Vielleicht würde Sandro ihr verzeihen, wenn sie Interesse an der Karriere seines Freundes zeigte.

Die Suchergebnisse waren dürftig. Ihr wurde die offizielle Website des Restaurants angezeigt, aber nach seinem persönlichen Instagram-Profil oder Ähnlichem suchte sie vergeblich. Der Chefkoch war anscheinend kein Freund der sozialen Medien. Dann stieß sie auf ein interessantes Portrait bei Let’s Spoon, einem Magazin für kulinarische Genüsse.

Myles V. Paris, Shootingstar der Fusionsküche, wurde gerade zum diesjährigen „Heißesten Chefkoch Floridas“ gekürt. Der in Miami geborene attraktive Dreißigjährige mit haitischen Wurzeln sorgt für ziemliche Aufregung in der kulinarischen Szene, doch er konzentriert sich weiterhin voll auf seine Arbeit. Zitat Myles: „Ich bin Single und habe kein Problem damit.“

Gigi vergrößerte das kleine Foto neben dem Text. Dunkle Haut, helle Augen, weiße Kochbekleidung, ein Sushi-Messer in der einen Hand – Chefkoch Myles war auffallend gut aussehend. Sie betrachtete seine ebenmäßigen Gesichtszüge, die Form seines Kiefers, das selbstbewusste, etwas schiefe Lächeln. Und diese Augen!

Eine ihrer vielen Gaben war ihre unheimliche Menschenkenntnis. Zugegeben, sie hatte den richtigen Mann noch nicht kennengelernt, aber dieses eine Foto sagte ihr alles, was sie wissen musste: klug, hartnäckig, sexy, unerschütterlich … Sie ließ ihr Handy in ihre Tasche fallen und griff nach ihrem Lippenstift. Sie hatte einen Plan.

2. KAPITEL

„Hier fragt jemand nach dem Tisch des Chefkochs.“

Die Hostess musste in der Zeit, die sie für ihre Worte brauchte, zweimal den eiligen Kellnern, die in der Küche ein und aus gingen, aus dem Weg springen. Sandro rief von seinem Platz am Stehtisch neben dem Fenster: „Sie gehört zu mir! Schick sie rein!“

Myles schaute verwundert von der Liste der aktuellen Bestellungen auf. Im Diablo gab es keinen Tisch für den Chefkoch. Das war ein Code für enge Familienmitglieder und Freunde, normalerweise außerhalb der Geschäftszeiten. Im Moment war allerdings Mittagszeit, und im Speisesaal herrschte reges Treiben, was bedeutete, dass in der Küche chaotische Zustände herrschten. Warum um Himmels willen hatte Sandro jemanden in diesen Trubel eingeladen? Man hörte kaum seine eigenen Worte in dem Lärm. „Nicht gerade die beste Zeit, um sich hier zu unterhalten.“

„Tut mir leid, Mann.“ Sandro schenkte ihm ein verlegenes Grinsen. „Sie macht gerade einiges durch, und wir müssen unter vier Augen reden.“

„Wer ist sie?“, fragte Myles. Es war nicht Sandros Verlobte, so viel war sicher. Das gesamte Personal kannte Angel, und sie brauchte kein Codewort, um in die Küche gelassen zu werden.

„Georgina Garcia“, antwortete Sandro. „Meine Freundin, die Produzentin.“

Myles prüfte die Konsistenz der Béchamel, die sein Saucier zubereitet hatte. „Ich glaube nicht, dass ich sie schon mal getroffen habe.“

„Was mich ehrlich gesagt ziemlich nervt“, erwiderte Sandro.

Myles runzelte die Stirn. Die Béchamel war zu dünn, und sein bester Freund redete wirres Zeug. „Warum hast du sie dann vor mir versteckt?“

„Das würde mich allerdings auch interessieren“, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm.

Myles drehte sich um und sah eine Frau in einem engen Kleid und hochhackigen Schuhen, die in einer einzigen geschmeidigen Bewegung einem gestressten Kellner auswich. Mit ihren chiliroten Lippen, ihrer zimtfarbenen Haut und ihrem schokoladenfarbenen Haar, das ihr bis zur Taille reichte, überforderte sie seine Sinne komplett.

„Myles, das ist Gigi“, sagte Sandro.

Die berühmte Gigi also … Die visionäre Rebellin, die gläserne Decken durchbrach, als wäre es nichts. Die Presse hatte ihren Vater vergöttert. Pedro Garcia, die Baseball-Legende, die zum Immobilienmogul wurde, hatte dem Süden Floridas einen deutlichen Stempel aufgedrückt. Es gab Bibliotheken, Museen und sogar ein Krankenhaus, die nach ihm benannt worden waren – zweifellos aufgrund von großzügigen Spenden. Gigi hatte die hochgewachsene Statur ihres Vaters, sein Lächeln und seine starke Präsenz, aber offensichtlich nicht den Hang zur großen Show, der einige Leute bei ihrem Vater gestört hatte. Ihr Blick war wie klarer Honig, der allerdings leicht getrübt war von ihren Emotionen. Genauer gesagt, von Verzweiflung – oder bildete er sich das nur ein?

„Schön, dich kennenzulernen“, sagte sie. „Sandro sagt, du bist wie ein Bruder für ihn. Tja, ich bin wie eine große, herrische Schwester für ihn.“

„Das würde uns zu Verwandten machen.“

„Nein“, sagte sie entschieden. „Definitiv nicht.“

Gut, dachte Myles. Er hatte schon eine große Schwester.

Er lächelte sie an. „Schön, dich kennenzulernen, Georgina.“

„Bitte, nenn mich einfach Gigi“, antwortete sie. „Das tun alle.“

„Ist es das erste Mal, dass du hier isst?“, fragte er.

„Leider ja“, sagte sie. „Aber lass uns einfach Sandro die Schuld geben.“

„Ist definitiv seine Schuld“, sagte Myles. „All seine anderen Freunde habe ich längst kennengelernt.“

Gigi runzelte die Stirn. „Klingt für mich nach Gatekeeping.“

„Verbündet ihr euch etwa gerade gegen mich?“, fragte Sandro erstaunt. „Ihr kennt euch erst seit fünf Minuten!“

„Genug Zeit, um den Vibe zu spüren“, sagte sie. „Ich weiß schon jetzt, dass ich deinen Freund mag, dass dieses Restaurant toll ist und dass ich mich hier so richtig wohl fühlen werde.“

Während Gigi Sandro aufzog, wandte sie ihren vor Neugier funkelnden Blick nicht von Myles ab. Nervös lenkte er das Gespräch auf sicheres Terrain.

„Bist du hungrig?“, fragte er.

Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. „Ich bin kurz vorm Verhungern.“

„Worauf hast du Lust?“

„Alles“, sagte sie. „Gestern Abend hatte ich eine Tüte Popcorn zum Abendessen.“

„Himmel! Sag nicht so was!“

„Ist aber wahr.“

„Irgendwelche Einschränkungen? Unverträglichkeiten?“

„Keine.“

„Abenteuerlich?“

„Sehr!“

„Okay.“ Myles nickte. „Ich werde mich um dich kümmern.“

Sandro grinste. „Bin ich das nur, oder wird es gerade ziemlich heiß hier drinnen?“

„Das bist nur du“, antwortete Myles trocken.

„Wir brauchen nur etwas von deinem köstlichen Brot“, sagte Sandro. „Du wirst nicht einmal merken, dass wir hier sind.“

Myles bezweifelte es. Gigi war magnetisch. Sie hatte die Atmosphäre im Raum innerhalb von wenigen Minuten komplett verändert.

Er ließ einen Kellner einen zweiten Barhocker für Gigi bringen und den Tisch mit einer weißen Tischdecke und Leinenservietten eindecken. Dann schickte er eine Flasche Rotwein, frisches Brot und eine Schale mit Sandros Lieblingsoliven vorbei. Anschließend machte er sich an die Arbeit und stellte ein Menü zusammen. Als Vorspeise hatte er seine Ceviche aus Red Snapper im Kopf. Als Hauptgericht würde er ihnen die beliebte Spezialität des Hauses anbieten, gebratene Jakobsmuscheln auf Jasminreis. Und zum Abschluss würde es die Kokoscreme geben, die Sandros absoluter Favorit war. Das sollte genügen.

Während er die Speisen zubereitete, warf er von Zeit zu Zeit einen Blick in Richtung ihres Tischs. Aneinandergerückt, die Stimmen absichtlich leise, sahen sie mehr wie Verschwörer aus als wie Freunde oder alte Kollegen.

Doch auch ihr Blick wanderte immer wieder durch die Küche, und Myles hatte keinen Zweifel daran, dass sie sich nach ihm umschaute. Als ihre Blicke sich schließlich trafen, war es, als beginne eine unhörbare Konversation nur zwischen ihnen beiden.

Gigi … Warum bist du hier? Und was willst du von mir?

3. KAPITEL

Sandro beugte sich über den Tisch und drückte ihre Hand. „Ich will ganz ehrlich sein“, sagte er. „Du siehst ein bisschen verstört aus. Was brauchst du? Wasser? Wein? Etwas Stärkeres? Irgendwo hier gibt es eine Flasche Whiskey.“

„Ich brauche einen Ehemann.“

Sandro ließ einen Moment verstreichen. „Ich bin verlobt. Das weißt du doch.“

„Ich rede nicht von dir!“, antwortete sie lachend.

Sandro wirkte absurderweise beleidigt. „Warum nicht? Ich wäre ein toller Ehemann.“

Sie brauchte keinen tollen Ehemann, sondern einen diskreten. Dessen einzige eheliche Pflicht würde es sein, den Mund zu halten. Und sie war bereit, diese Diskretion großzügig zu bezahlen.

„Ich weiß, Sandro“, sagte sie beruhigend. Männer waren zerbrechlich und mussten ständig bemuttert werden, selbst die mit einer riesigen Fangemeinde. „Angel hat ein Riesenglück. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich einen Verlobten brauche.“

„Seit wann bist du an der Ehe interessiert?“, fragte er.

Das war eine berechtigte Frage. Sie hatte nie den Wunsch geäußert, zu heiraten, auch nicht, als ihre Freundinnen begannen, ihr funkelnde Verlobungsringe vor die Nase zu halten.

Früher mussten Frauen heiraten, um ihre Stellung in der Gesellschaft zu festigen und ihr Vermögen zu sichern. Doch es schien, als wäre das Alte wiederauferstanden, denn hier war sie, auf der Suche nach einer guten Partie, um ihre Zukunft zu sichern.

„Seit der große Pedro Garcia eine Heiratsklausel in sein Testament aufgenommen hat.“

Sandro zog verwirrt die Stirn in Falten. „Das musst du mir erklären. Ich versteh nur Bahnhof.“

Gigi gab ihm eine schnelle Zusammenfassung ihres Vormittags.

„Aber warum hat er das getan?“, fragte Sandro aufgebracht. „Du brauchst das Geld, um in GG Cinema zu investieren, oder?“

„Allerdings.“

„Wusste er das? Oder hat er gedacht, du würdest es für teure Handtaschen verprassen?“

„Nein, nein, er wusste es.“

Das war der schlimmste Teil. Sie hatte ihn im Krankenhaus besucht, kurz nachdem der Artikel in Vanities erschienen war, und sie hatten ein Gespräch unter vier Augen geführt. Gigi hatte ihrem Vater reinen Wein eingeschenkt. Sie übernahm die Verantwortung für ihre Fehler und erzählte von ihren Plänen für eine Umstrukturierung ihrer Produktionsfirma. Sie hatte ihn sogar um Rat gebeten. Aber er gab ihr keine seiner Weisheiten mit auf den Weg. Er hörte nur zu, nickte und tätschelte ihre Hand. Er sagte ihr, dass er sie liebte und dass sie in ihrem Leben Großes erreichen würde. Er lag im Sterben, also verlangte sie nicht mehr von ihm.

Sie hatte ihn mit dem Gefühl neuer Kraft verlassen – nur um heute zu erfahren, dass er seinen Anwalt angerufen hatte, sobald sie an jenem Tag gegangen war. War es ein Wunder, dass sie sich von ihm verraten fühlte? Ihr Vater hatte sie absichtlich sabotiert. Die fünfjährige Auszeit, wie Andrew Row es genannt hatte, war ein tödlicher Schlag für GG Cinema.

„Gigi, bitte sag mir, dass du nicht vorhast, irgendeinen beliebigen Typen zu heiraten, um das Geld zu bekommen.“

„Welche andere Wahl habe ich denn?“

„Diesem Testament den Stinkefinger zu zeigen und loszulassen, zum Beispiel.“

„Das kann ich nicht tun.“

Myles kam an den Tisch und stellte eine Schale mit Butter neben den Brotkorb.

„Was ist das?“, fragte sie neugierig

„Trüffelbutter.“

„Köstlich“, sagte sie.

„Es sei denn, ihr bevorzugt Olivenöl.“

Sie lächelte ihn an und hätte am liebsten gesagt: Ich bevorzuge dich.

„Butter ist perfekt“, antwortete Sandro.

Myles nickte und ging. Auf dem Foto sah er sehr gut aus, aber in natura war er geradezu atemberaubend. Seine seelenvollen Augen bildeten einen starken Kontrast zu seinen kräftigen Brauen, seiner markanten Nase und seinem kantigen Kiefer. Er bewegte sich mit unglaublicher Anmut. Während Sandro lebhaft war und immer Lust auf Partymachen hatte, wirkte Myles ruhig, nachdenklich und voller gelassener Zuversicht. Sie verstand jetzt besser, welche Rolle er in Sandros hektischem Leben spielte: Myles war sein sicherer Hafen.

„Warte fünf Jahre“, nahm Sandro ihr Gespräch wieder auf. „Das ist die Wahl, die du hast. Es wird sich etwas anderes ergeben.“

„Ich kann es mir nicht leisten zu warten.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das kannst. Das hier ist schließlich keine Frage von Leben oder Tod.“

„Aber die Firma …“

„Gigi, ich weiß alles über dein Unternehmen. Und trotzdem sage ich dir: Das ist es nicht wert. Eine schlechte Ehe kann dein Leben zerstören.“

Gigi bestrich ein Stück Brot mit der köstlich duftenden Trüffelbutter. „Es muss gar nicht so kompliziert sein. Wir müssen ja nicht bis zum Tod zusammenbleiben oder was auch immer die Leute für bescheuerte Ideen in Bezug auf die Ehe haben.“

Sandro zog eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Und gehört der gute alte altmodische Sex auch zu diesen bescheuerten Ideen?“

„Pst!“ Sie sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand sie gehört hatte. Ihr Blick schweifte suchend durch die überfüllte Küche und blieb schließlich an Myles hängen. „Vielleicht …“

Sandro ließ sein Buttermesser fallen. „Moment mal“, sagte er. „Wenn du glaubst, dass der Typ, dem du da gerade schöne Augen machst, die Lösung für dein Problem ist, liegst du völlig falsch.“

Das war genau das, was sie glaubte. Myles hatte sozusagen bereits den Sicherheitscheck durchlaufen, und was konnte schon schiefgehen, wenn Sandro über ihnen schwebte wie ein Überwachungssatellit?

„Wo liegt das Problem?“, fragte sie. „Ich habe gelesen, dass er Single ist.“

„Wo hast du das bitte gelesen?“, fragte Sandro.

„Im Internet! Was glaubst du denn, wo? Unglaublich, was für einen Beschützerinstinkt du hast!“

„Gewöhn dich besser daran“, erwiderte Sandro finster.

„Ist er nun Single oder nicht?“

„Ja, ist er.“

„Niemand, mit dem er sich trifft?“

„Nicht, dass ich wüsste.“ Er hielt inne. „Jedenfalls nicht seit Natalie.“

Natalie? Hmm …

„Aber er hat einen starken Willen, Gigi. Auf keinen Fall wird er so einem hirnrissigen Plan zustimmen.“

„Aus Prinzip?“, fragte Gigi.

„Ja.“

Sie stieß einen Seufzer aus. Was gab es Schlimmeres als einen Mann mit Prinzipien? Vielleicht sollte sie die Idee doch fallenlassen …

Doch in diesem Moment blickte Myles von seiner Arbeit auf und schaute in ihre Richtung. Sie sahen sich einen Moment lang in die Augen. Sie nahm eine Olive und steckte sie sich in den Mund. Die Füllung war köstlich. Auf keinen Fall würde sie ihre Idee aufgeben.

Sie musterte Sandro nachdenklich. „Ich werde dafür sorgen, dass es sich für ihn lohnt. Jeder Mann, der mich heiratet, wird eine Menge Aufmerksamkeit von der Presse bekommen. Was gut fürs Geschäft ist. Ich werde halb Hollywood in dieses Restaurant bringen.“

„Das könnte ich auch“, sagte Sandro. „Aber das will er nicht.“

„Was will er dann?“

„Seine Ruhe.“

Gigi glaubte kein Wort. „So funktioniert die Welt nicht. Jeder will irgendetwas.“

„Jeder – außer Myles“, sagte Sandro schlicht. „Ich weiß, dass du in der Klemme steckst, Gigi. Und ich schwöre, dass ich nicht versuche, dir Steine vor die Füße zu werfen … Was könnte besser sein, als dass meine beiden Lieblingsmenschen zusammenkommen? Ich wette, ihr würdet die besten Partys schmeißen. Aber Myles ist nicht so ein Typ. Er ist ernsthaft und fokussiert, und er ist nicht für solchen Nonsens zu haben. Es fällt ihm schwer genug, meine Flatterhaftigkeit zu tolerieren.“

Gigi brütete einen Moment über seinen Worten, doch als kurz darauf zwei Teller mit einer unglaublichen Ceviche auf ihrem Tisch landeten, vergaß sie fast ihren Vater, das Testament und ihre scheiternde Firma. Bis Sandro wieder auf das Thema zurückkam.

„Dein Vater hat dich mit diesem Testament so richtig mies behandelt“, sagte er. „Und ich kann es dir nicht verdenken, dass du das letzte Wort haben willst.“

„Darum geht es nicht.“

„Ja, klar.“

„Okay“, räumte sie ein. „Es geht nicht nur darum. Ich habe fest mit diesem Geld gerechnet, um mein Personal zu bezahlen und mein nächstes Projekt zu finanzieren.“

„Ich werde deinen nächsten Film finanzieren“, sagte Sandro, als wäre das das Einfachste der Welt.

„Ich will dein Geld nicht.“

„Es ist ein Kredit.“

Aber die Kredite waren es, die sie überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht hatten. Sie musste erst ihre Finanzen in Ordnung bringen, bevor sie neue Projekte in Angriff nehmen konnte. Und sobald ihre Schulden beglichen waren, würde sie alle zukünftigen Projekte selbst finanzieren. Das war zumindest der Plan gewesen.

„Ich will keinen Kredit“, sagte sie. „Ich sitze auf einer Truhe voller Gold. Ich muss nur Zugriff darauf bekommen.“

„Und du würdest einen völlig Fremden heiraten?“

„Myles ist doch kein Fremder, oder?“

„Für dich schon.“

Gigi nahm einen Schluck von dem Cabernet, den Myles für sie ausgesucht hatte. Er mochte ein Fremder sein, aber er kannte ihren Weingeschmack. Leider schaffte der Wein es nicht, sie zu beruhigen. Sie war nervös und verunsichert. Sie hatte mit dem Widerstand ihrer Familie gerechnet, aber nicht mit dem von Sandro, ihrem Partner in Crime. Hatte sie sich womöglich etwas vorgemacht? Eine schlechte Geschäftsbeziehung konnte ein Unternehmen zerstören. Wie viel mehr Schaden konnte eine schlechte Ehe anrichten?

Als sie beim Dessert saßen, schaute Myles wieder bei ihnen vorbei.

„Können Angel und ich das bei unserer Hochzeit haben?“, fragte Sandro, als ob die Hochzeit nicht erst in einem Jahr wäre.

„Kann ich nicht versprechen“, sagte Myles. „So weit im Voraus plane ich keine Gerichte.“

„Machst du das Catering?“, fragte Gigi.

„Unter anderem“, antwortete er.

„Ach ja? Was denn noch?“

„Er ist auch mein Trauzeuge“, sagte Sandro.

„Ich würde diese Rolle allerdings gern abgeben, um mich voll und ganz der Küche widmen zu können“, sagte Myles. „Du weißt, dass ich immer für dich da bin, Sandro. Dafür muss ich nicht mit dir vorm Altar stehen.“

„Oh doch. Genau da brauche ich dich“, sagte Sandro entschieden.

„Das wäre eigentlich ein Job für mich“, sagte Gigi. „Ich war schließlich maßgeblich daran beteiligt, dich und Angel zusammenzubringen.“

Sie hatte das arme Mädchen praktisch in Sandros Richtung schubsen müssen. Die Aussicht, einen weltberühmten Filmstar zu daten, würde jede Frau nervös machen, aber Angel war gelähmt gewesen vor Angst.

Sandro warf Gigi einen stummen Blick zu.

„Was?“, fragte sie. „Du weißt, dass ich recht habe!“

„Ja. Und deshalb bist du Trauzeugin.“

Gigi errötete. „Wirklich?“

„Ja, wirklich“, bekräftigte Sandro. „Angel wird dich bald fragen. Tu bitte so, als wärst du überrascht.“

„Verlass dich auf mich. Du bist nicht der Einzige mit schauspielerischen Fähigkeiten.“

Trotz ihrer Witzelei war Gigi zutiefst gerührt. Jedes Mal, wenn ein Freund oder eine Freundin heiratete, bestand die Gefahr, diesen Menschen an das Paar zu verlieren. Es war beruhigend, auf diese Weise miteinbezogen zu werden.

Myles grinste sie an. „Ich schätze, wir sehen uns vor dem Altar, Gigi.“

Ja, dachte sie. Ja, das werden wir.

4. KAPITEL

„Hey, Eddy, ab nach Hause!“, befahl Myles dem jungen Tellerwäscher am späten Abend. „Musst du morgen früh nicht zur Schule?“

Eddy träumte davon, eine Ausbildung als Koch zu beginnen, aber zuerst musste er seinen Highschool-Abschluss schaffen.

„Nö“, antwortete Eddy. „Lehrer-Weiterbildung.“

Er räumte weiter saubere Teller in die Regale, als ob es abends um elf Uhr nichts Besseres zu tun gäbe. Aber Myles wusste genau, was los war. Obwohl es keine offizielle Ankündigung gegeben hatte, wusste das Personal von der bevorstehenden Schließung des Restaurants. Die Zeit lief ihnen davon. Ein Beikoch hatte gekündigt. Alle anderen waren merkwürdigerweise geblieben. Die Leute erschienen zu früh zu ihren Schichten, sie blieben länger, und sie übernahmen sogar freiwillig Doppelschichten. Für die meisten von ihnen, Myles eingeschlossen, war diese Küche eine Art zweites Zuhause. Es würde ihm das Herz brechen, dieses Team zu verlieren, aber er konnte nichts tun, um es aufzuhalten. Diablo gehörte nicht ihm und würde es auch nie. Er war dumm genug gewesen, zu hoffen. Jetzt nicht mehr.

„Geh trotzdem nach Hause“, sagte Myles zu Eddy. „Geh und mach deine Hausaufgaben, wenn dir langweilig ist.“

„Guter Witz“, sagte Eddy und lachte. „Wir sehen uns Freitag.“

Eddy schlurfte aus der Küche und stieß auf dem Weg fast mit Sandro zusammen.

„Was machst du denn schon wieder hier?“, fragte Myles.

„Wollte nur kurz tschüss sagen, bevor ich morgen fliege.“

Sandro schleppte einen Hocker an den Tresen und ließ sich nieder, was bedeutete, dass er vorhatte, eine Weile zu bleiben. Irgendetwas musste ihm auf der Seele liegen. Sie unterhielten sich über dieses und jenes, während die Küche immer leerer wurde. Myles vertraute seinen Leuten; sie würden nie etwas weitertratschen, was sie zufällig aufgeschnappt hatten. Sandro jedoch brauchte die zusätzliche Privatsphäre, die seine Berühmtheit ihm genommen hatte.

„Wohin geht es diesmal?“, fragte Myles.

„Toronto“, antwortete Sandro.

Myles wusste, dass sein Freund für einen sechswöchigen Dreh nach Kanada flog. Er spielte einen CIA-Agenten, der mehrere Sprachen fließend beherrschte. Myles erkundigte sich ehrlich interessiert nach Sandros Arbeit, doch gleichzeitig wusste er, dass sie im Grunde die Zeit überbrückten, bis sie die Küche für sich allein hatten. Schließlich war es so weit, und Myles schloss die Tür hinter der letzten Mitarbeiterin ab.

„Wir sind allein“, sagte er. „Also, warum bist du hier? Stimmt etwas nicht?“

„Es ist alles okay. Wir haben uns vorhin nur nicht unterhalten können.“

„Du warst hier, um dich mit Gigi zu treffen“, sagte Myles.

„Nicht wirklich“, sagte Sandro. „Das war eine spontane Entscheidung, aber ich bin froh, dass du sie endlich kennengelernt hast. Sie ist ein guter Mensch.“

„Sieht auch gut aus“, murmelte Myles.

„Das hast du bemerkt?“

„Schwer zu übersehen.“

„Heißt das, du bist bereit, dein Zölibat zu brechen?“

„Was redest du, Mann? Ich bin kein Mönch!“

„Ich hätte schwören können …“, sagte Sandro grinsend. „Aber egal, ich habe eine gute Nachricht: Sie ist auch Single, und das schon eine ganze Weile. Ihr habt also etwas gemeinsam.“

Gut möglich, dass das alles war, was sie gemeinsam hatten. „Bist du hergekommen, um das mit mir zu besprechen?“

„Vielleicht.“

„In dem Fall will ich deine Zeit nicht weiter verschwenden. Es ist ein klares Nein.“

Sandro verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum?“

„Keine Zeit.“ Bei dem ganzen Mist, den er gerade am Laufen hatte, war ein Date das Letzte, woran er dachte. „Versteh mich nicht falsch. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du versuchst, mich mit deinen reichen, gut aussehenden Freundinnen zu verkuppeln.“

„Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr gefällt mir die Idee“, sagte Sandro grinsend. „Ihr würdet gut zusammenpassen.“

„Hör auf nachzudenken“, schlug Myles vor. „Wozu sollte sie einen Typen wie mich brauchen?“

„Du wärst überrascht, wenn du wüsstest, was sie braucht.“

Myles zog es vor, nicht darüber nachzudenken – er hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wohin seine Gedanken sonst wandern würden.

„Warum sagst du mir nicht einfach, warum du wirklich hier bist?“, fragte er.

„Zuerst brauche ich einen Snack“, antwortete Sandro.

„Also wirklich“, rief Myles gespielt genervt. In Wirklichkeit liebte er es, seine Freunde mit Essen zu versorgen.

Einen Moment später verschlangen sie die übriggebliebenen Churros. Es war wie in alten Zeiten. Myles und Sandro waren wie Brüder aufgewachsen. Sie fuhren mit dem Fahrrad zur Schule und zurück, spielten Fußball auf der Straße, hingen in ihrem geheimen Clubhaus in Sandros Hinterhof ab und träumten von einer Zukunft, die sie aus ihrem kleinen Viertel hinausbringen würde. Nach der Highschool ging jeder von ihnen seinen eigenen Weg. Sandro studierte in New York und L.A. Schauspiel, während Myles eine Kochschule in Frankreich besuchte. Wann immer Sandro jetzt in Miami war, kam er vorbei, um zu essen, zu reden, über eine Rolle zu klagen, die er nicht bekommen hatte. Oder um ein Mädchen zu weinen – und zuletzt, um von seiner Verlobten Angel zu schwärmen. Myles hatte immer das Gefühl gehabt, dass Abende wie diese, an denen er mit den Menschen zusammen war, die er liebte, an dieses Restaurant geknüpft waren. Deshalb hatte er hart dafür gekämpft, diesen Ort nicht zu verlieren.

„Eigentlich bin ich hier für ein Update“, sagte Sandro. „Es ist schon eine ganze Weile her, dass du ein Kaufangebot für das Diablo gemacht hast. Hast du noch immer keine Antwort bekommen?“

Myles begann, mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln. „Doch, ich habe eine Antwort bekommen.“

„Und?“

„Sie haben abgelehnt.“

„So funktioniert das nicht“, sagte Sandro aufgebracht. „Sie müssen mit dir verhandeln.“

„Ach, so funktioniert das?“, sagte Myles in gespieltem Erstaunen. „Mist. Das wusste ich gar nicht.“

Er wollte nicht so verbittert rüberkommen, aber die Wahrheit war, dass er sich bitterer fühlte als ein Tankstellenkaffee. Er hatte ein solides Angebot für den Kauf des Restaurants gemacht, aber es war einfach vom Tisch gefegt worden.

Er stand auf, holte ein Glas Nutella aus der Speisekammer und stellte es Sandro als eine Art Friedensangebot vor die Nase.

Sandro nahm es und nickte. „Vergiss nicht, dass ich auf deiner Seite bin.“

„Ich weiß“, sagte Myles leise.

Sandro schmierte sich großzügig Nutella auf seinen Churro. „Okay, sie haben dein Angebot abgelehnt. Und was ist dann passiert?“

„Ich habe den Betrag erhöht.“

„Echt? Um wie viel?“

„Fünfhunderttausend.“

Sandro nickte zustimmend. „Das würde bedeuten, dass du jetzt irgendwo bei zwei Millionen liegst. Nicht schlecht. Was ist dann passiert?“

„Auch dieses Angebot wurde abgelehnt.“

„Was?“ Sandro sprang auf und begann, aufgeregt hin und her zu gehen. „Was zum Henker, Mann!?“

„Angebot und Nachfrage“, entgegnete Myles mit einer Distanziertheit, die er überhaupt nicht spürte. Die Art und Weise, wie man ihn abgewiesen hatte, hatte sich sehr persönlich angefühlt.

„Das ist doch Schwachsinn“, brummte Sandro. „Lass den Makler weg und sprich selbst mit dem Kerl. Wie lange arbeitest du schon für ihn? Acht Jahre?“

Der Mann, auf den Sandro sich bezog, war Lou Palmer. Er hatte das Diablo geerbt und es jahrelang am Laufen gehalten, obwohl er wenig bis gar kein Interesse an Gastronomie hatte. Er hatte Myles direkt nach dessen Ausbildung eingestellt, und Lous allgemeines Desinteresse und sein unpersönlicher Führungsstil waren Myles sehr entgegengekommen. Als Chefkoch konnte er mit dem Diablo machen, was er wollte. Er konnte die Speisekarte nach Lust und Laune ändern, mit Geschmacksrichtungen experimentieren und die Preise anpassen. Diese Freiheit ermöglichte es ihm, seinen unverwechselbaren Stil zu perfektionieren, und schon bald war sein Ruf legendär.

„Frag ihn, was er haben will, und wir werden das irgendwie hinbekommen.“

Wir werden gar nichts hinbekommen“, sagte Myles. „Das ist mein Problem.“

Sandro hatte ihm schon viele Male angeboten, ihm Geld zu leihen, und Myles war jedes Mal zu dem gleichen Schluss gekommen: Er konnte das Geld seines Freundes nicht annehmen. Ihre Freundschaft funktionierte so gut, weil sie beide selbstlos waren. Die Welt verlangte viel von einem Schauspieler – Zeit, Geld, Werbeverträge, Details aus seinem Privatleben. Myles würde auf keinen Fall zu den Menschen gehören, die von Sandro profitierten.

„Du musst das nicht allein schaffen“, sagte Sandro. „Ich will dieses Restaurant auch nicht verlieren. Es ist unser Ort.“

„Wir brauchen keinen Ort“, sagte Myles. „Kein geheimes Clubhaus. Wir sind erwachsen.“

Sandro warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Du vielleicht.“

„Das wird schon irgendwie“, versuchte Myles ihn zu beruhigen.

„Okay, wie lautet der Plan?“

Es war an der Zeit, reinen Tisch zu machen. „Ich habe ein paar Angebote in Vegas.“

„Vegas? Machst du Witze?“

„Du bist die ganze Zeit da.“

„Für Partys oder Werbeaktionen. Aber nie lange.“

Myles spürte ein Ziehen in der Brust. „Wird nur vorübergehend sein. Drei bis vier Jahre, höchstens. Dann komme ich zurück und eröffne meinen eigenen Laden.“

„Warum bleibst du nicht gleich hier?“ fragte Sandro. „In Miami gibt es mehr Restaurants, als wir brauchen können.“

„In Vegas verdiene ich viel besser. Mein Ziel ist es, in fünf Jahren meinen eigenen Laden zu eröffnen.“

„Und was ist mit deiner Familie?“, fragte Sandro. „Willst du Michelle einfach verlassen?“

„Michelle ist erwachsen, verlobt, und es geht ihr gut“, sagte Myles. „Sie wird es verstehen. Außerdem werde ich oft zu Besuch kommen.“

Das war kompletter Blödsinn. Wenn er erst als Chefkoch in einem Restaurant angefangen hatte, das auf der Jagd nach mehr Sternen war, würde er kaum Zeit haben zu atmen.

Sandro wirkte bedrückt. „Bist du dir sicher?“

„Im Moment sehe ich keine andere Möglichkeit.“

Sie schwiegen einen Moment lang. „Mach dir nicht so viele Sorgen“, sagte Myles schließlich. „Ich bin nicht auf dem Weg zum Mars. Und wenn du und Angel erst Kinder habt, werde ich meine Rolle als Ehrenonkel sehr ernst nehmen.“

„Du wirst kein Ehrenonkel sein“, brummte Sandro. „Du wirst der Onkel unserer Kinder sein. Und zwar der einzige.“

„Ich liebe eure Kinder schon jetzt, und ich verspreche, sie über die Maße zu verwöhnen.“

Sandro schien sich etwas zu beruhigen, aber Myles fragte sich beklommen, ob er in der Lage sein würde, sein Versprechen einzuhalten.

Sandro seufzte und streckte sich. „Was ganz anderes, kannst du mir einen Gefallen tun?“

„Alles was du willst“, antwortete Myles, der unbedingt vom Thema Vegas wegkommen wollte.

„Es geht um Gigi. Sie macht gerade eine Menge durch, und ich verlasse Miami in genau dem Moment, in dem sie einen Freund an ihrer Seite gebrauchen könnte.“

Myles nickte. „Der Tod ihres Vaters?“

„Es ist komplizierter. Er hat sie in einer … schwierigen Lage zurückgelassen.“

Dass Väter verschwanden und ihre Kinder in schwierigen Situationen zurückließen, kannten sowohl er als auch Sandro nur zu gut. Sandros Vater hatte ihn lange vor seinem Tod im Stich gelassen, und Myles’ Vater war einen Tag, nachdem er dreizehn geworden war, gestorben. Von einem Tag auf den anderen war von ihm erwartet worden, dass er der Mann im Haus war, obwohl seine Schwester Michelle zwei Jahre älter gewesen war.

„Könntest du sie vielleicht mal anrufen und nach ihr sehen?“, fragte Sandro jetzt.

Aha! Da war sie also endlich, die Bitte, wegen der Sandro gekommen war. Der Kerl war ein hervorragender Schauspieler, aber ein miserabler Lügner. Er versuchte immer noch, Myles zu verkuppeln.

Aber er war zu müde, um sich zu widersetzen. „Klar. Warum nicht?“

Sandro grinste triumphierend. „Cool. Ich schick dir ihre Nummer.“

5. KAPITEL

Eine Textnachricht leuchtete stumm auf ihrem Handy-Display auf. Es war nach Mitternacht, und Gigi saß auf dem Bett ihres alten Zimmers im Haus ihrer Mutter. Wenn sie wie normale Menschen zu dieser Zeit geschlafen hätte, hätte sie nichts mitbekommen. Aber sie war hellwach, löffelte genüsslich eine Schüssel Eiscreme und schaute sich Wiederholungen von I Love Lucy an.

Sie stellte die Schale mit dem Eis auf dem Nachttisch ab und griff nach ihrem Handy. Hoffentlich war die Nachricht keine spontane Einladung zu etwas, das nach Spaß klang. Sie hatte ihrer Mutter versprochen, sich vorerst aus Respekt für ihren Vater aus dem Rampenlicht herauszuhalten. Die sozialen Medien würden sich ansonsten unbarmherzig auf sie stürzen. Sie sah die Kommentare förmlich vor sich: Partygirl kurz nach dem Tod ihres berühmten Vaters beim Feiern gesehen.

Die Nachricht war von Sandro. Sie war kurz und provozierend vage gehalten.

Du hast recht

Keine Satzzeichen. Kein Zusammenhang. Sie versuchte, die Bedeutung der Worte zu entschlüsseln, kam aber zu keinem Ergebnis. Sie textete zurück:

Habe ich meistens. Womit genau habe ich dieses Mal recht?

Damit, dass jeder irgendetwas will

Diese Weisheit hatte ihr Vater ihr eingebläut. Sie konnte förmlich seine Stimme hören: „Jeder will etwas in diesem Leben. Traue niemandem, der so tut, als wolle er nichts.“

Langsam dämmerte ihr, wovon Sandro sprach.

Meinst du Myles?

Ja

Aufregung und Neugier machten sich in ihr breit. Was war es wohl, das der heiße Chefkoch wollte?

Erzähl!

Die Antwort kam in Fragmenten.

Sorry

Aber das kann ich nicht

Ist vertraulich

„Komm schon!“, rief sie frustriert aus. „Was soll denn das jetzt?“

Sandro! Du musst mir etwas geben, womit ich arbeiten kann!

Du bist schlau

Du findest es schon selbst heraus

Aber wie???

Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Sandro würde in wenigen Stunden für mehrere Wochen nach Kanada fliegen. Wann würde sie Gelegenheit haben, Myles wiederzusehen? Und welchen Grund gab es, ihr jetzt diesen Köder vor die Nase zu halten?

Ihr Handy leuchtete wieder auf.

Warte auf seinen Anruf

Sie stieß einen kleinen Jubelschrei aus. Sandro hatte es geschafft! Warum hatte sie jemals an ihm gezweifelt? Aber Moment … Mit zitternden Fingern tippte sie weiter.

Was hast du ihm gesagt?

Dass du einen Freund gebrauchen kannst. Er weiß nicht, dass du ihn in die Ehe treiben willst

Erleichtert atmete Gigi auf. Es wäre sicher eine gute Idee, sich mit Myles unter vier Augen zu treffen, ihn besser kennenzulernen und herauszufinden, was er überhaupt von ihr verlangen würde, wenn sie ihren Plan in die Tat umsetzte. Schließlich sollte man eine Ehe nicht leichtfertig eingehen.

DANKE, Sandro!!!

Viel Glück

Gigi drückte das Handy an ihre Brust. Glück würde sie allerdings brauchen, eine Menge davon.

Sie war zu aufgeregt, um weiter ihre Serie zu gucken, geschweige denn zu schlafen, also stand sie auf und ging mit der leeren Schüssel Eiscreme in die Küche. Im Kühlschrank ihrer Mutter fand sie eine halbe Flasche Chardonnay und in der Speisekammer eine Packung Gourmet-Cracker. Sie schmuggelte die Beute zurück in ihr Zimmer, wo sie im Geiste begann, eine Strategie zu entwerfen. Sie musste sich auf ihr Treffen mit Myles vorbereiten. Sie würde ihn mit einer angemessenen Geldsumme ködern müssen, so viel war klar. Geld regierte die Welt. Sie hatte letztes Jahr einige Aktien verkauft, was bedeutete, dass sie ein bisschen Spielgeld hatte, zumindest genug, um den Ball ins Rollen zu bringen. Es kam darauf an, was Myles vorhatte. Wollte er das Restaurant erweitern? Einen neuen Standort eröffnen? Oder sich einfach ein Jahr Auszeit nehmen, um ein Kochbuch zu schreiben? Wovon träumten Köche überhaupt?

Hysterisches Kichern stieg in ihr empor. Sie presste eine Hand auf ihren Mund, damit es nicht heraussprudelte. Das Schlafzimmer ihrer Mutter lag am anderen Ende des Flurs. Wahrscheinlich hatte sie eine Schlaftablette genommen, um zur Ruhe zu kommen, aber Gigi wollte nicht riskieren, sie zu wecken. In letzter Zeit waren Beths Stimmungsschwankungen legendär.

Gigi fragte sich, was ihre Mutter wohl mit dem Rest ihres Lebens anfangen würde. Sie war noch jung. Würde sie eine eigene Wohltätigkeitsorganisation gründen? Bei einer Reality-Show mitmachen? Es war nie zu spät, neu anzufangen, sich neu zu erfinden. Sie bezweifelte jedoch, dass Beth sich die Mühe machen würde. Ihre Identität war fest mit der ihres berühmten Mannes verknüpft. Sie war so stolz auf seine Errungenschaften, als wären es ihre eigenen. Ihre Mutter hätte eins der wirklich großen Topmodels sein können, aber sie hatte ihre eigene Karriere bereitwillig aufgegeben, als sie geheiratet hatte. Gigi dagegen würde eine Heirat nur in Betracht ziehen, wenn sie dadurch ihre Karriere retten konnte. Und das waren nicht die einzigen Unterschiede zwischen ihnen. Sie und ihre Mutter dachten nicht dasselbe, träumten nicht dasselbe, wählten nicht dasselbe und arbeiteten nicht dasselbe. Es hatte noch nie eine Zeit gegeben, in der sie sich nicht an entgegengesetzten Enden eines Spektrums befunden hatten.

Es war gegen Mittag, als Gigi am nächsten Tag eine Nachricht von einer unbekannten Nummer erhielt.

Hier ist Myles. Kann ich dich heute irgendwann anrufen?

Obwohl Sandro ihn wahrscheinlich überredet hatte, fühlte sich Gigi trotzdem irgendwie auserwählt. Sie lächelte still und antwortete:

Das wäre schön. Wann immer du willst.

Wie sieht es jetzt aus? Hast du Zeit?

Ja, habe ich.

Das war eine Lüge. Mit wortreichen Entschuldigungen beendete Gigi das Zoom-Meeting mit ihrer Assistentin, die während ihrer Abwesenheit GG Cinema leitete. Zerlina verdiente eine Gehaltserhöhung und würde sie auf jeden Fall bekommen – falls Gigi sie nicht am Ende des Quartals entlassen musste.

Ihr Telefon vibrierte in ihrer Hand und sandte eine Art elektrischen Impuls direkt in ihren Körper.

„Myles … Was für ein unerwartetes Vergnügen! Was steht heute auf der Speisekarte?“

Sie hörte ihn leise lachen und war sich sicher, dass das ein Privileg war, in dessen Genuss nur wenige Menschen kamen. „Sandro hat mir deine Nummer gegeben. Ich hoffe, das ist okay.“

„Mehr als okay. Er hat schon erzählt, dass du anrufen würdest.“

„Was hat er noch gesagt?“

„Dass du mich zum Abendessen einladen würdest.“

„Das hat er gesagt?“

„Oh, ja“, antwortete Gigi. „Er sagte, du würdest mich an einen ruhigen Ort bringen, wo wir uns kennenlernen können.“

„Seltsam. Das hat er mir gegenüber nicht erwähnt.“

Sie kicherte. „Ja, wirklich sehr seltsam.“

Er lachte wieder. Ihre Wangen wurden warm – es machte Spaß, mit ihm herumzuwitzeln.

„Du musst mich natürlich nicht einladen“, sagte sie. „Allerdings werde ich am Boden zerstört sein.“

„Das könnte ich nicht ertragen.“

„Na also, geht doch.“

„Ein ruhiger Ort?“, fragte er. „Bist du dir sicher? Heute Abend wird am South Beach eine neue Hotelbar eröffnet.“

Ihr Ruf als Partygirl musste ihr vorausgeeilt sein. Myles dachte wahrscheinlich, sie bräuchte einen roten Teppich, um sich zu amüsieren. „Nein, bitte keine großen Events.“

„Oje“, sagte er zerknirscht. „Tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht. Das ist im Moment wahrscheinlich das Letzte, was du brauchst. Wo wohnst du denn? Wenn du willst, kann ich bei dir vorbeikommen und für dich kochen.“

„Ich wohne gerade bei meiner Mutter, und ich muss dringend mal raus hier. Ich brauche frische Luft, gutes Essen und einen Cocktail.“

„Riverside Drive, The Heron“, sagte er schlicht.

Sie kannte das kleine Viertel, das sich am Miami River entlang zog. Dort gab es einige gute Restaurants. „Gut. Sag eine Zeit.“

„Wenn wir um fünf da sind, sind wir schneller als die anderen und bekommen den besten Tisch.“

Gigi hätte fast gequietscht vor Freude. „Gut, fünf Uhr. Und danke! Ich weiß das wirklich zu schätzen.“

„Warte, bis du siehst, wo wir hingehen.“

Vier Stunden später war Gigi in ein enges schwarzes T-Shirt-Kleid mit langen Ärmeln geschlüpft, das die richtige Balance zwischen sexy und lässig schaffte, vor allem in Kombination mit dem Paar flacher Designer-Schuhe von Dior. Sie hatte das Restaurant gegoogelt, und es handelte sich anscheinend um ein familiengeführtes Fischrestaurant, das für seine gegr...

Autor

Nadine Gonzalez
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J Margot Critch
J. Margot Critch lebt mit ihrem Mann Brian und ihren kleinen vierbeinigen Freunden Simon und Chibs in St. John’s, Neufundland. Ihre Zeit verbringt sie damit, Romane zu schreiben, Musik von Jimmy Buffett zu hören und aufs Meer zu schauen. Und dabei überlegt sie, ob sie lieber einen Kaffee oder eine...
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