Baccara Collection Band 474

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ICH SEHE DICH IN MEINEN TRÄUMEN, COWBOY von TANYA MICHAELS

Was für eine spontane Liebesnacht! Lächelnd erwacht Mia in den Armen des sexy Cowboys JT. Zwar verlässt die hübsche Tierärztin die Ranch wieder, aber es ist kein Abschied für immer. Denn sie nimmt sehr viel mehr mit als nur erotische Erinnerungen an ihren Cowboy …

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  • Erscheinungstag 10.08.2024
  • Bandnummer 474
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523127
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tanya Michaels, Niobia Bryant, Yvonne Lindsay

BACCARA COLLECTION BAND 474

1. KAPITEL

„Wow“, rief Shari bewundernd. „Das ist die Hütte für Gäste? Jetzt bin ich wirklich neidisch.“ Sie ließ die Reisetasche fallen und raste an Mia vorbei, um alles in Augenschein zu nehmen.

Mia Zane stellte ihren Rucksack und ihre Arzttasche ab und blickte sich um. Sie hatte gewusst, dass die Climbing-W-Touristenranch eine der beliebtesten im Staat war, doch die Hütte mit dem gemauerten Kamin und dem riesigen Himmelbett fiel weitaus luxuriöser aus, als sie erwartet hatte.

„Die Wanne hat sogar einen Whirlpool!“, rief Shari aus dem Badezimmer. „Ich kann nicht glauben, dass du auch noch dafür bezahlt wirst, hier zu übernachten.“

„Es ist ja nur heute Nacht.“ Ab dem nächsten Tag würde Mia mit einem weniger glamourösen Zelt und einem Schlafsack vorliebnehmen müssen und ihre Praxiskluft gegen Jeans eintauschen. Sie begleitete als Tierärztin einen Viehtreck, der zwar Teil des echten Ranch-Betriebs war, an dem aber auch Touristen teilnehmen konnten. Mia fragte sich, ob Alonzo Boone, der Leiter des Trecks, jedem Tierarzt die Nacht in dieser luxuriösen Hütte anbot oder ob sie nur in den Genuss kam, weil er ein alter Pokerkumpan ihres Vaters war.

Shari kehrte mit einem Sortiment grüner Flaschen aus dem Badezimmer zurück. „Diese Kosmetika sind wirklich super!“

„Nimm alles mit, was du möchtest – auch die Gratisweinflasche. Das ist das mindeste. Schließlich hast du mich hergefahren und passt auch noch auf mein Haus auf.“

Und ich habe für dich fertiggepackt, als du heute Morgen die Not-OP machen musstest.“ Shari grinste. „Ich bin die Beste.“

„Das bist du wirklich.“ Mia war mit drei älteren Brüdern aufgewachsen und hatte sich oft eine Schwester gewünscht. Doch Shari Freeman, die sie bei einem Lunch der örtlichen Geschäftsleute kennengelernt hatte, kam dem ziemlich nah. Die üppige, rothaarige Tierärztin und die zierliche afroamerikanische Küchenchefin sahen sich zwar nicht ähnlich, waren jedoch Schwestern im Geiste. „Apropos OP. Ich sollte Dr. Kline anrufen und nachhören, wie es aussieht.“

Mia hatte einem Tierarzt im benachbarten Bezirk bei einem Eingriff geholfen, bei dem sie mehr Erfahrung besaß. Der Kollege war dankbar für ihre fachliche Hilfe und sie für das Extraeinkommen. Denn Mia war fest entschlossen, ihre Praxis zu retten. Die Behandlung fremder Patienten und das Honorar für den Viehtreck waren Schritte in die richtige Richtung, auch wenn sie den Schaden durch Drews Betrügereien nicht komplett ausgleichen konnten.

„Moment mal, Zane, ich kenne diesen gestressten Gesichtsausdruck. Reg dich sofort wieder ab“, befahl Shari ihr. „Und verschwende keine mentale Energie an deinen Bastard von Ex.“

„Ich bin über Drew hinweg. Aber ich komme niemals darüber hinweg, was er der Praxis angetan hat.“

„Deine Praxis wird sich wieder erholen – und sogar besser dastehen als vorher. Wie viele Tierärzte unter dreißig haben so einen soliden Ruf wie du? Vertrau mir, du schaffst das.“ Sharis Augen wurden schmal. „Doch wenn dieses Arschloch jemals wieder in Colorado auftauchen sollte …“

„Werden meine Brüder ihn vermöbeln.“

„Nicht, wenn ich ihn zuerst erwische.“

Mia musste schmunzeln. Shari maß barfuß zwar nur knapp ein Meter sechzig, doch nur ein Narr würde sie unterschätzen. „Was würde ich nur ohne dich machen?“

„Zu viel arbeiten, vergessen zu essen und dahinsiechen. Und du hättest mit Sicherheit weniger Spaß. S-p-a-ß. Du erinnerst dich doch noch an das Wort, oder?“

Mia überging den wiederkehrenden Vorwurf, dass sie in ihrem Leben nur arbeitete und sich zu wenig amüsierte. „Wir beide wissen, dass ich noch nie Gefahr lief dahinzusiechen. Nach deinen letzten Testrezepten kann ich von Glück reden, dass ich meine Jeans noch zubekomme.“ Die waren nicht so bequem wie ihre OP-Hosen mit Gummizug.

„Pah. Du siehst in den Jeans toll aus und ich wette, hier auf der Ranch gibt es ein Dutzend Kerle, die mir zustimmen würden. Wenn ich …“

Das plötzliche Funkeln in den Augen ihrer Freundin wurde Mia unbehaglich und sie wechselte schnell das Thema. „Danke noch mal, dass du mich hergefahren hast. Ich sollte jetzt zum Stall rübergehen und mit Alonzo sprechen.“

„Klar, aber genieß trotzdem die Pause von der Praxis. Nutze die Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen. Hab Spaß!“

„Ich bin nicht als Touristin hier, Shar, sondern habe auch einen Job zu erledigen.“ Doch Mia hörte selbst, wie verkrampft ihre Worte klangen. Vielleicht hatte Shari ja recht. Auch wenn die Praxis oberste Priorität haben musste, war es vielleicht ganz gesund, wenn sie hin und wieder entspannte und Energie tankte. Dann konnte sie im Anschluss noch härter arbeiten.

Shari tippte etwas in ihr Smartphone. „Spaß“, las sie laut vor, „Substantiv, bedeutet Freude oder Vergnügen. Als Verb…“

„Ja, ja, ich habe ja verstanden. Und ich verspreche, mich diese Woche zu amüsieren.“ Schließlich würde sie ihren Traumjob sogar an der frischen Juni-Luft machen dürfen. Trotz der finanziellen Belastungen bereute Mia nicht eine Sekunde, dass sie die Praxis eröffnet hatte. Sie liebte Tiere, egal ob Riesenschnauzer, Rinder oder Reptilien.

Shari nickte zufrieden. „Na schön. Ich fahre jetzt zurück zu dir nach Hause und kuschele ein bisschen mit deinen drei Pflegekatzen.“

„Versuche bitte, sie nicht zu sehr zu verwöhnen.“

„Ich kann nichts versprechen.“ Shari zwinkerte ihr zu und wandte sich zur Tür. „Wir sehen uns in einer Woche.“

Als Shari weg war, rief Mia ihren Kollegen Dr. Kline an. Doch zuerst schickte sie ihrer Freundin eine kurze Nachricht, sie solle ihr schreiben, sobald sie sicher zu Hause angekommen war. Nach ihrem Autounfall im vergangenen Monat war Mia ein wenig ängstlich. Der Treck bot ihr die perfekte Gelegenheit, das Chassis reparieren zu lassen.

Kurz nachdem Mia die Nachricht abgeschickt hatte, meldete sich Shari schon mit einem Daumen-hoch-Emoji. Und dem Screenshot des Online-Wörterbucheintrags für „Spaß“.

„Bitte nimm es nicht persönlich. Du bist großartig – doch an diesem Punkt in meinem Leben einfach nicht die Richtige.“ Jace Malone lächelte entschuldigend und tätschelte Yenefers Schulter.

Das junge Quarter-Horse wieherte leise und versicherte ihm so, dass es ihm seine Bemerkung nicht übelnahm.

„Ich sage dir aber eins, Yen. Du bist womöglich die beste Zuhörerin, der ich je begegnet bin.“ Auf jeden Fall besser als seine beiden älteren Brüder, die seit seiner Rückkehr nach Colorado jeden seiner Vorschläge vehement niedergemacht hatten. Einige Wochen zuvor war ihm die Anstellung auf der Climbing W Ranch wie ein schlauer erster Schritt erschienen, um die Vergebung seiner Brüder zu erlangen. Doch nun fragte sich Jace, ob er seine Zeit verschwendete.

Es ist keine Zeitverschwendung, wenn ich Grandpa Harry beweisen kann, dass ich mich geändert habe.

Er verdankte seinem Großvater alles. Harrison Malone war der Einzige, der unbeirrbar an Jace glaubte, nachdem …

Nein. Jace konnte nichts an dem Geschehenen ändern, daher war es sinnlos, immer wieder über die Vergangenheit nachzugrübeln. Stattdessen wollte er sich auf die Zukunft konzentrieren, Abbitte bei seiner Familie tun und seinen rechtmäßigen Platz bei Malone Energy einnehmen. Während seines Exils in Texas hatte er eine Menge gelernt und war mit Ideen nach Hause gekommen, wie man das Familienunternehmen modernisieren könnte. Seine Brüder lehnten seine Hilfe jedoch ab. Heath, der Finanzvorstand des Unternehmens, hatte seine Vorschläge „naive Einmischung“ genannt, die hunderten von Mitarbeitenden schaden konnte.

„Wir sind für das Auskommen dieser Menschen verantwortlich“, hatte Reed hinzugefügt. „Aber warum solltest du dir Gedanken über die Konsequenzen machen? Dir wurde ja alles auf dem Silbertablett serviert.“

Als ob Jace nicht jeden verdammten Tag der vergangenen elf Jahre unter den Konsequenzen seiner Taten gelitten hätte. „Ihr wurdet genauso reich und privilegiert geboren wie ich.“

„Heath und ich haben im Sommer immer echte Knochenjobs gemacht. Wir hatten in der Schule die besten Noten. Du hast es nur dank Harrys Spenden aufs College geschafft und als du dich da nicht durchmogeln konntest, hat er einen Gefallen eingefordert und dir einen Job besorgt. Den du schließlich geschmissen hast.“

Nur weil er nach all den Jahren in dem Ölkonzern ethische Bedenken entwickelt hatte.

Jace war längst kein trauernder Teenager oder ständig betrunkener Verbindungsbursche mehr. Trotzdem erlaubten ihm seine Brüder keinen Neuanfang. Sogar sein Großvater war ein wenig skeptisch. Nachdem er Jace begeistert auf der weitläufigen, luxuriösen Triple Pine Ranch der Malones willkommen geheißen hatte, stimmte er verlegen zu, dass es wohl das Beste wäre, wenn Jace keine Rolle im Vorstand übernahm. Jace war jedoch fest entschlossen, sich zu beweisen. Wenn er die Hoffnung aufgab, ein vollwertiges Teammitglied bei Malone Energy zu werden, würde das nur ihre Meinung bestärken, dass er kein Durchhaltevermögen besaß.

Sein langfristiges Ziel war also noch das gleiche. Doch er hatte einen strategischen Umweg über die Climbing W Ranch genommen, um dort als Ranch-Helfer seiner Familie zu beweisen, dass er keine langen Tage und harte Arbeit scheute.

„Hier bin ich also, Yen. Ich sollte eigentlich helfen, das Familiengeschäft in ein neues Zeitalter zu bringen. Stattdessen unterhalte ich mich mit einem Pferd.“ Er gab der Stute ein Leckerchen als Belohnung für ihr friedliches Verhalten beim Hufschmied, aber auch für ihr offenes Ohr.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es Zeit war, Alonzo Boone bei der Einweisung der Gäste zu helfen. Der erfahrene Treck-Leiter war der Einzige auf der Ranch, der Jace’ wahre Identität kannte. Jace wollte sich ohne die Malone-Connections in dem Job beweisen und benutzte daher nicht mal seinen Vornamen, sondern waren allen nur als JT bekannt. Der raubeinige Alonzo ließ sich nicht von dem Geld oder Einfluss der Malones beeindrucken und würde sich nie bei ihm anbiedern.

Jace wandte sich in Richtung Stall, um die Stute zurückzubringen, und erblickte dort an den Zaun gelehnt eine Frau. Eigentlich sollten alle Ranch-Angestellten beim Einchecken der neuen Touristen sein. Ihr langes, rotes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, leuchtete im Sonnenlicht gold- und kastanienfarben. Der Wind wirbelte ihr einige Strähnen ins Gesicht und verdeckte für einen Moment ihre Züge.

Beim Näherkommen sah Jace, dass sie am Handy telefonierte. Und dass sie umwerfend aussah.

Sie maß ungefähr ein Meter fünfundsechzig, trug enge Jeans und besaß üppige Kurven und kühne Gesichtszüge. Starke Wangenknochen und volle Lippen. Ein Bein hatte sie auf den unteren Holm des Zauns gestützt, was ihre wohlgeformte Hüfte noch mehr zur Geltung brachte. Es juckte Jace regelrecht in den Fingern, ihr am nächsten Morgen in den Sattel zu helfen und sie bei der Gelegenheit zu berühren.

Mit wem reiste sie? Die Gäste machten nur selten alleine Urlaub auf diesen Viehtrecks. War sie mit Freunden da? Oder mit Arbeitskollegen, die diese Woche als Team-Building nutzten? Oder würde sie mit einem Liebhaber unter den Sternen schlafen? Diese Vorstellung gefiel Jace überhaupt nicht, doch dann rief er sich in Erinnerung, dass sie für ihn tabu war. Egal ob Single oder nicht.

Einen zahlenden Gast verführen? Ganz sicher nicht. Boone hatte Leute schon aus geringeren Gründen gefeuert. Es wäre unprofessionell und impulsiv und würde nur die schlechte Meinung seiner Brüder über Jace bestätigen.

Yen neben ihm wieherte leise und rieb ihren Kopf an seiner Schulter.

„Danke für dein Mitgefühl, Süße. Mich von ihr fernzuhalten, wird wirklich …“ Hart war die Untertreibung des Jahres.

Trotzdem konnte er sein Ansehen in der Familie nicht wegen einer leichtsinnigen Affäre aufs Spiel setzen. Auch nicht mit einer Frau, die so aussah, als ob sie es wert wäre.

Wegen der Brise konnte Mia nur mit Mühe alles verstehen, doch Sharis unbekümmertes Lachen am anderen Ende der Leitung war nicht zu überhören.

„Na schön, du hast mich erwischt. Ich habe ein paar Sachen in deine Tasche geschmuggelt, während du im OP warst. Gern geschehen.“

Mia seufzte. „Ich möchte nicht undankbar für deine Hilfe klingen, aber ich wollte mit leichtem Gepäck reisen und …“

„Ein roter Spitzen-BH hat kein großes Gewicht.“

Es war nicht nur ein BH, sondern Mia hatte in ihrer Reisetasche auch noch ein seidiges Nachthemd und ein ärmelloses, kurzes Wickelkleid gefunden.

„Du musst die extra Sachen ja nicht mit auf den Treck nehmen“, sagte Shari. „Lass sie in einfach in der Hütte. Ich wollte dir nur Optionen geben und dich daran erinnern, dass es mehr im Leben gibt als Impfungen und Operationen.“

„Aber …“

„Ja, ich verstehe dich. Die Klinik ist dir genauso wichtig wie mir mein Restaurant. Aber manchmal musst du auch innehalten und an den Wildblumen schnuppern.“

Links neben der Koppel befand sich tatsächlich ein Feld voller gelber und lilafarbener Blumen. Es war schon traurig, dass Mia sie jetzt erst bemerkte. Wenige Menschen hatten das Glück, an einem Ort mit solch einer atemberaubenden Bergkulisse zu arbeiten. Und an dem der aufregendste Cowboy, den sie je gesehen hatte, sie direkt anstarrte.

Moment, wo ist der denn plötzlich hergekommen?

Eine Sekunde lang fragte sich Mia, ob der breitschultrige Cowboy, der ein kastanienbraunes Pferd am Zügel führte, nur eine Halluzination war, die sich durch ihren Schlafmangel und Stress erklären ließ. Nein, definitiv keine Halluzination. Statt zu verschwinden, kam er immer näher.

„Du solltest wirklich lernen, wie diese Unterhaltungen am Telefon ablaufen“, witzelte Shari. „Also zuerst sage ich etwas und dann sagst du …“

„Tut mir leid.“ Zu spät bemerkte Mia, dass sie den Mann unverhohlen anstarrte.

Er tippte sich an den Hut und verzog langsam die Lippen zu einem Lächeln.

Mia bekam einen ganz trockenen Mund. „Ich muss auflegen. Ich …“ Sie hätte ihrer Freundin gerne von dem Cowboy erzählt, doch noch peinlicher, als ihn offen anzustarren, war es, dabei ertappt zu werden, wie sie über ihn redete.

Das hinderte sie jedoch nicht daran, ihn ganz genau vom Hut bis zu den Stiefeln zu mustern. Er sah herrlich verwahrlost aus mit einem Dreitagebart und abgewetzten Jeans. Die Ärmel seines karierten Hemdes trug er hochgerollt, sodass seine aufregenden Unterarme zum Vorschein kamen. Soweit sie das erkennen konnte, war sein Haar noch dunkler als sein schwarzer Cowboyhut. Und obwohl sie aus der Entfernung die Farbe seiner Augen nicht ausmachen konnte, war sein Blick, mit dem er sie nicht aus den Augen ließ, heißer als die Sommersonne.

Mia hätte sich beinah Luft zugefächelt und richtete den Blick auf das Blumenfeld. „Da kommt ein Mann auf mich zu“, flüsterte sie in ihr Handy.

„Aha. Und warum klingst du dann so komisch? Bist du in Gefahr?“

„Was? Nein. Er ist nur, ähm …“

Oh.“

Verdammt. Eine Freundin, die einen so gut kannte, hatte auch Nachteile.

„Das ist aufregend“, sagte Shari, „Schick mir ein Foto!“

„Wir wissen beide, dass ich das nicht mache.“

„Dann gib mir ein paar Details. Wie sieht er aus?“

Er sah … Mia riskierte einen weiteren Blick und ihre Augen trafen sich. Sein Grinsen vertiefte sich und auch sie verzog die Lippen zu einem Lächeln.

Er sah nach Spaß aus.

2. KAPITEL

Mia beendete den Anruf, was ihr prompt leidtat. Sie hätte lieber weiter mit Shari gesprochen, als atemlos darauf zu warten, dass der Mann sie erreichte. Ohne Handy fühlte sie sich irgendwie nackt. Ein nervöses Flattern machte sich in ihrer Magengegend bemerkbar.

„Ich habe mich noch nie über die Anwesenheit einer schönen Frau beschwert“, sagte der Cowboy, „doch Gäste sollten sich hier eigentlich nicht aufhalten.“

„Das bin ich nicht.“

„Sie sind nicht hier?“ Seine tiefe Stimme klang amüsiert. Wie sich herausstellte, hatte er strahlend blaue Augen, die Mia vollkommen aus dem Konzept brachten und nach Worten suchen ließen.

Jetzt reiß dich zusammen, Mia. Sie war in einem Haus voller Männer aufgewachsen und daher sah es ihr gar nicht ähnlich, vor einem Exemplar um Worte verlegen zu sein. „Ich meine, ich bin kein Gast. Dr. Mia Zane, Tierärztin. Alonzo Boone hat mich für den Viehtreck angeheuert.“

„Ach so. Dann müssen Sie eine großartige Tierärztin sein. Boone lässt sich nicht so leicht beeindrucken. Ich bin JT und diese junge Dame hier ist Yen.“ Er tätschelte den Hals des Fohlens und blickte Mia dann mit undurchdringlicher Miene an. „Sie sind also kein zahlender Gast?“

„Nein.“ Glaubte er ihr nicht?

„Ich bin einer der Cowboys, die den Treck begleiten. Was meinen Sie, zu was uns das macht?“, sinnierte er. „Kollegen?“

„Ich bin nicht sicher, ob es uns überhaupt zu etwas macht.“

„Na schön.“ Sein Grinsen wirkte verschmitzt. „Jedenfalls noch nicht.“

„Flirten Sie etwa mit mir?“ Es war eine peinliche Frage, doch Mia sprach die Dinge immer gerne direkt an. Noch mehr, seit Drew sie hintergangen hatte.

„Wenn ich mit Ihnen flirte, werden Sie das schon merken. Doch wenn Sie etwas dagegen haben, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, es zu sagen.“

Wollte sie, dass er mit ihr flirtete? Ja!

Nein! Du bist beruflich hier. Sie setzte an, ihn höflich auf diesen Umstand hinzuweisen, hörte sich dann jedoch sagen: „Das kann ich noch nicht entscheiden. Ich behalte mir das Recht vor, später noch nein zu sagen.“

„Ist notiert. Aber ich kann Sie nur warnen: Ich werde mein Bestes geben, Sie zu einem Ja zu bewegen.“

Diesmal stammte das Flattern in Mias Magen nicht von ihrer Nervosität. Hitze breitete sich in ihrem Innern aus und ein zittriges Hochgefühl darüber, dass sie die Ursache für das Glitzern in seinen Augen war. „Ist notiert“, wiederholte sie seine Worte.

Er grinste und wurde dann ernst. „Ich möchte diese Unterhaltung eigentlich nicht abwürgen, doch die Einführung fängt bald an. Und ich leite sie. Sehe ich Sie dort?“

Sie nickte. Alonzo hatte ihr versichert, dass ihre Teilnahme nicht notwendig sei, doch plötzlich war sie sehr daran interessiert, sich gründlich über die Sicherheitsregeln zu informieren. „Ich sitze in der ersten Reihe und schreibe fleißig mit.“ Oder starre den Vortragenden an.

„Ich habe eine bessere Idee. Eine Assistentin würde das Ganze vielleicht anschaulicher machen. Haben Sie Lust, die Freiwillige zu spielen, Dr. Zane? Wenn Boone Sie eingestellt hat, müssen Ihre Reitkünste solide sein.“

„Das sind sie, doch ich bin ein bisschen aus der Übung.“

„Das kommt schon wieder. Außerdem sind Sie in guten Händen.“

Ein erregendes Kribbeln durchströmte sie. Sie wettete, dass JT gut mit seinen Händen umgehen konnte. Die Frage war nur, ob sie mutig genug war, es herauszufinden? Ein kleiner harmloser Flirt war eine Sache, aber sich in das Zelt eines Fremden zu schleichen? Eine aufregende Fantasie, aber im echten Leben hatte sie so etwas noch nie gemacht.

JT grinste sie mit einem unwiderstehlichen Ausdruck an und sie konnte sich durchaus vorstellen, dass er ihre Gedanken gelesen hatte.

Plötzlich ging ihr seine Bemerkung von zuvor durch den Kopf, und was erst wie eine spielerische Herausforderung geklungen hatte, kam ihr nun wie ein Versprechen vor. Ich werde mein Bestes geben, Sie zu einem Ja zu bewegen.

Der Mann stand zu seinem Wort.

Normalerweise ließ sich Mia durch nichts ablenken, doch bei JT konnte sie sich nur mit Mühe auf seine Erklärungen konzentrieren. Sein Ton hatte ganz sachlich geklungen, als er sie den versammelten Gästen vorstellte, doch die Touristen konnten auch nicht sehen, wie sein Daumen sacht an der Innenseite ihres Handgelenks entlangstrich, während er ihr die Zügel reichte. Keiner wusste von dem elektrisierenden Kribbeln, das die Berührungen seiner Haut an ihrer auslösten. Und sicherlich wusste niemand, wie gut er roch. Als er ihr beim Aufsteigen auf die braune Stute half, kostete es Mia all ihre Willenskraft, nicht die Augen zu schließen, sich vorzubeugen und tief einzuatmen.

JT erweckte all ihre Sinne, inklusive ihrer schlafenden Hormone und erotischen Wünsche. Mia konzentrierte sich mehr auf das tiefe Timbre seiner Stimme als auf seine tatsächlichen Worte und verpasste einmal sogar ihren Einsatz. Zum Glück überspielte er die Situation. Der Mann war das Charisma in Person und hatte auch keine Scheu, vor einer größeren Menschenmenge zu sprechen.

Aber auch im direkten Kontakt war er alles andere als schüchtern. Wenn ich mit Ihnen flirte, werden Sie das schon merken. Sein Tonfall hatte beiläufig und doch sehr selbstsicher geklungen. Wie ein Mann, der wusste, was er konnte. Mia überfiel eine freudige Erregung, während sie sich ausmalte …

Das Pferd unter ihr bewegte sich und holte sie abrupt in die Gegenwart zurück. Das war kaum der richtige Moment, sich ihren erotischen Fantasien hinzugeben.

Schließlich entließ JT seine Zuhörer mit der Information, dass sie bis zu den Cocktails noch eine Stunde zur freien Verfügung hatten. Dann half er Mia beim Absteigen und legte seine Hand auf ihre. „Sie brauchen vermutlich keine Hilfe, doch wir hier auf der Climbing W. bieten immer den kompletten Service.“

„Ich habe keinerlei Beschwerden“, murmelte sie, drehte sich ihm zu und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Als sie auf dem Boden ankam, berührten die Spitzen ihrer Stiefel seine. Mia fühlte sich von seiner Wärme regelrecht umfangen und wieder nahm sie seinen maskulinen Geruch wahr.

Sie standen nah genug beieinander, dass sie sich ganz leicht hätten küssen können.

Dieser spontane Gedanke überraschte Mia. Sie küsste keine Männer, die sie gerade erst getroffen hatte. Aber warum eigentlich nicht? Ihr Blick wanderte zu seinem Mund hinunter und das Blut jagte erwartungsvoll durch ihre Adern.

„Apropos kompletter Service“, setzte JT an.

Sie strebte ihm entgegen. „Ja?“

„Wenn Sie nicht anderweitig verabredet sind, darf ich mich Ihnen zum Abendessen anschließen? Ich kann auf keinen Fall zulassen, dass jemand auf der Climbing W alleine zu Abend isst.“

Bei der Vorstellung, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, erfasste Mia eine wohlige Wärme. „Na schön, wir haben ein Date.“ Das Wort mit all seinen Verheißungen hallte regelrecht in ihrem Kopf wider. Sie mochte nicht wagemutig genug sein, einen Fremden zu küssen, aber ein Date?

Das war etwas anderes.

Ich schulde Shari eine Entschuldigung. Mia betrat die große, umgebaute Scheune und strich ihren Rock glatt. Sie hatte die Jeans gegen das kurze Kleid getauscht, das Shari ihr eingepackt hatte, und statt des Pferdeschwanzes trug sie die Haare offen, die nun in sanften Locken ihr Gesicht umrahmten.

„Champagner, Ma’am?“ Ein Kellner mit einem Tablett voller Gläser kam auf sie zu. „Oder vielleicht den Climbing-W-Rum-Cocktail?“

Mia entschied sich jedoch für Sprudel. Kein Schwips konnte mit ihrer erwartungsvoll prickelnden Vorfreude mithalten. JT unterhielt sich in einer Ecke mit einem frisch verheirateten Paar, das sich den Viehtreck für ihre Flitterwochen ausgesucht hatte. Doch Mia wusste, dass er sie sofort bemerkt hatte, als sie in die Scheune gekommen war. Sie konnte es förmlich spüren, wie einen sachten Stromschlag auf der Haut, wie einen aufziehenden Wirbelsturm.

Mia widerstand jedoch dem Bedürfnis, sofort zu ihm hinüberzugehen, sondern ließ sich stattdessen in ein Gespräch mit ein paar Gästen verwickeln, die sie um ihre Meinung als Tierärztin baten. Mia genoss diese Unterhaltungen, die die Begegnung mit JT hinauszögerten. Beinah wie bei einer spannenden Fernsehserie, bei der sie die Folgen hintereinander wegsuchtete, sich aber die letzte Folge aufsparte, um die Vorfreude hinauszuzögern.

Mia vergaß mit den Touristen schließlich völlig die Zeit und dann betätigte Alonzo Boone die eiserne Essensglocke, die schon seit ewigen Zeiten von den Köchen der Verpflegungswagen benutzt wurde.

„Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten darf. Ich möchte Ihnen allen danken, dass Sie bei uns sind. Ab morgen bekommt jeder von Ihnen Aufgaben zugeteilt, doch heute Abend möchten wir Sie mit ein bisschen 5-Sterne-Luxus verwöhnen. Wir servieren Ihnen ein Abendessen unter freiem Himmel und danach gibt es noch Marshmallows und Lieder am Lagerfeuer. Doch denken Sie daran, dass wir morgen früh rausmüssen.“

Die Menge stöhnte gutgelaunt, doch da jeder der Gäste nicht wenig für den Treck bezahlt hatte, bezweifelte Mia, dass jemand ernsthaft etwas gegen die Pflichten oder das frühe Aufstehen einzuwenden hatte.

Draußen waren lange Holztische mit frischen Blumen dekoriert und darüber funkelten kleine Lämpchen in den Ästen der Bäume. Es war wirklich ein bezauberndes Setting und die Hektik der Praxis und der Stress, der zu Mias ständigem Begleiter geworden war, schien Welten entfernt. Plötzlich fühlte sich Mia leicht und befreit. Das Einzige, was den Abend noch schöner machen konnte, war ihre Essensbegleitung.

„Mia!“

Sie blinzelte überrascht, als plötzlich der Leiter des Trecks vor ihr stand. „Oh hi, Mr. Boone.“

„Ich erinnere mich noch, dass du mich Onkel ’lonzo nanntest“, sagte er amüsiert, „Warum nennst du mich jetzt nicht einfach Boone. Sorry, ich bin noch gar nicht dazu gekommen, dich zu begrüßen“, entschuldigte er sich dann. „Die Tage der Anreise sind immer die hektischsten.“

„Das verstehe ich sehr gut. Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin hier, um zu arbeiten.“

„Ja, ich habe schon gehört, dass du bei der Einführung geholfen hast.“ Er senkte die Stimme. „Ich wusste ja nicht, dass du und Jace euch schon kanntet?“

Mia konnte ihm nicht ganz folgen. „Bitte wer?“

„JT.“ Boone wippte auf den Fußballen. „Ihr zwei kennt euch?“

Das J steht für Jace? „Wir haben uns heute kennengelernt und ich habe ihm meine Hilfe angeboten. Ich hoffe, das war in Ordnung.“

„Ja, natürlich. Ich dachte nur, vielleicht … Oh, ich werde gerufen. Genieß das Abendessen!“, fügte er noch hinzu, bevor er davonmarschierte.

Sie suchte unter den Gästen, die sich an den Tischen versammelten, nach JT. Als sie ihn schließlich entdeckte, stand er etwas abseits und unterhielt sich konzentriert mit zwei anderen Angestellten der Ranch. Ihre Blicke trafen sich flüchtig und seine Miene wirkte entschuldigend. Mia verstand ihn jedoch sofort. Die Pflicht rief. Wie viele Verabredungen zum Mittagessen hatte sie schon abgesagt, weil etwas Dringendes in der Praxis zu tun war? Drew hatte meist verletzt reagiert, was Mia ein Rätsel gewesen war. Sie sah die Praxis als Team-Unternehmen, in das er genauso viel investierte wie sie.

Mia war natürlich ein wenig enttäuscht, als JT und die anderen Männer davongingen, doch sie entschied, den wunderschönen Abend trotzdem zu genießen. Sie hatte nach all der frischen Luft einen herzhaften Appetit und das Essen duftete köstlich. Die Gäste, die neben ihr saßen, verwickelten sie in eine angeregte Unterhaltung, während man ihnen eine gegrillte Garnele als Vorspeise servierte. Mia erzählte nette Anekdoten über ihre jungen Pflegekatzen und ließ sich einen kalten Weißwein schmecken. Eine wohltuende, ihr unbekannte Ruhe erfasste sie.

So muss es sich anfühlen, wenn man entspannt. Kein Wunder, dass die Leute es empfehlen.

Nach dem Essen zogen sich einige der Gäste in ihre Unterkunft zurück, während sich andere paarweise an das knisternde Lagerfeuer setzten. Immer noch ganz beseelt von dem wunderbaren Essen, nahm Mia alleine auf einem Scheit Platz und versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal Marshmallows geröstet hatte.

„Ist hier noch frei?“

Sie blickte sich um und entdeckte JT – Jace –, dessen markantes Kinn sich gegen den Schein des Feuers abzeichnete. „Hey.“ Mias Begrüßung klang atemlos, doch das war ihr egal. Sie freute sich einfach nur, ihn zu sehen.

Obwohl sie auf dem Scheit ein wenig zur Seite rutschte, stieß sein Bein gegen ihren Oberschenkel. Als er an ihr vorbei nach einem Spieß und der Tüte mit Marshmallows griff, streifte sein Arm ihre Schulter.

Ein heißer Schauer jagte durch ihren Körper und sie hätte beinah ihren Spieß mit den drei Marshmallows fallengelassen.

„Uuups.“ Sie zog die brennenden Marshmallows aus den Flammen und pustete sie aus.

Er lachte. „Möchten Sie mit mir tauschen?“ Er gab ihr seinen Spieß und nahm ihr die schwarzen, blubbernden Marshmallows ab. „Ich mag sie tatsächlich lieber so.“

„Ach, wirklich?“, fragte sie ungläubig.

„Als ich fünf war, habe ich mal bei einem Campingtrip mit meinem Vater und meinen älteren Brüdern ein paar Marshmallows verbrannt. Reed warf mir hochnäsig vor, dass ich das ganz falsch anstelle, und so ließ ich ab da immer absichtlich meine Marshmallows ankokeln, nur um ihn zu ärgern.“

„Ältere Brüder, hm? Wie viele? Ich habe drei überlebt.“

„Autsch. Sie besitzen mein Mitgefühl. Meine zwei haben mir gereicht.“

Lachend stieß sie sanft mit der Schulter gegen seine. „So schlimm war es doch auch nicht.“

„Aber auch nicht gut.“ Er zog die erste verkohlte Süßigkeit vom Spieß und steckte sie sich in den Mund. „Mmh, lecker. Wenn man erst mal die äußere Schicht überstanden hat, ist es klebrige Perfektion. Vielleicht ist es wirklich ein bisschen ekelig, aber ich konnte meine immer sofort und vor meinen Brüdern essen.“

„Sie sind also der Typ, der sofort seine Belohnung braucht?“

„Manchmal.“ Er schaute sie direkt an. „Aber ich kann mir auch Zeit lassen.“

Gut zu wissen. Sie schluckte schwer und konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Doch warum sollte sie auch?

„Vorsicht, Doc.“ Grinsend nickte er zu ihrem Spieß hinüber. „Sie wollen doch keine zweite Portion verbrennen.“

Sicherlich nicht. Aber sie konnte an diesem Abend nicht der Versuchung widerstehen, mit dem Feuer zu spielen.

„Tut mir leid, dass ich das Abendessen verpasst habe“, sagte er. „Ich musste im Stall bei einer nervösen Stute helfen.“

„Das ist schon in Ordnung. Das Essen war köstlich, auch wenn ich mich darauf gefreut hatte …“

„Marshmallows zu grillen?“, fragte er sie herausfordernd.

„Nein.“ Sie konnte es besser ohne Worte ausdrücken. „Auf das hier.“ Mia beugte sich vor und presste ihre Lippen auf seine.

Jace erstarrte für eine Millisekunde, doch dann legte er die Hand in ihren Nacken und vertiefte den Kuss. Mit langsamen, verführerischen Bewegungen strich er mit seinem Mund über ihren, bis sich alles um Mia drehte. Sie würde nie wieder ein geröstetes Marshmallow essen können, ohne an diesen Moment zurückzudenken.

„Wow.“ Er holte tief Luft und presste seine Stirn gegen ihre. „Es tut mir wirklich leid, dass ich vorher keine Zeit hatte. Aber jetzt stehe ich dir voll und ganz zur Verfügung … für alles, was du von jetzt an bis morgen früh brauchst.“

Eine ganze Nacht mit ihm? Verdammt, ja. Sie wollte diese spontane gestohlene Nacht mit einer Intensität, die sie selbst überraschte. Das Herz hämmerte ihr in der Brust. „Bringst du mich zu meiner Hütte?“

„Jawohl Ma’am.“

Erst als sie aufstanden, wurde Mia bewusst, dass sie ihn nicht einfach vor den anderen Gästen hätte küssen sollen. Doch sie konnte und wollte es nicht bereuen. Zum Glück schien niemand auf sie zu achten. Aus Diskretion nahm sie nicht seine Hand und erlaubte sich überhaupt nicht, ihn zu berühren, was ihre erregende Vorfreude nur noch erhöhte.

Mia nahm nichts von dem dezent beleuchteten Pfad zu ihrer Hütte wahr, denn sie war in Gedanken schon bei dem luxuriösen Bett, das auf sie und Jace wartete. Sie beschleunigte ihre Schritte, als sie sich ausmalte, wie es dort mit ihm wäre. Wie gut es sich anfühlen würde, sobald sie alleine waren und sich gegenseitig erkunden konnten.

Vielleicht steckte etwas Wahres in seiner Marshmallow-Philosophie. Manchmal wurde Geduld wirklich überbewertet.

Ihre Finger zitterten vor Erregung, als sie versuchte, die Tür zu ihrer Hütte aufzuschließen. Er legte seine Hand auf ihre.

„Lass mich.“

Ein Klicken und sie waren in der Hütte. Sie machten sich nicht die Mühe, das Licht einzuschalten. Das Mondlicht, das durch das Fenster hereinfiel, tauchte alles in einen silbrigen Schimmer und erlaubte Mia, die Linien seines Körpers und die Konturen seines Gesichts zu bewundern. Obwohl seine blauen Augen im Schatten lagen, war der Hunger in ihnen unverkennbar.

Er ließ den Blick an ihr herabgleiten wie eine beinah spürbare Liebkosung und löste ein beinah schmerzliches Sehen in ihr aus. „Du bist wirklich eine sexy Frau, Doc.“

„Danke.“ Und das habe ich dir zu verdanken. Sie war meist ein gestresster Workaholic, doch nicht so an diesem Abend. Nicht in seinen Augen. Seine Bewunderung verwandelte sie in eine verführerische Sirene, die sich nahm, was sie wollte.

Mia trat einen Schritt nach vorne und strich mit den Fingern an seinem Kragen entlang, über das Dreieck seiner nackten Haut. „Ich will dich anschauen.“ Sie machte sich daran, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. „Dich berühren.“

Er holte tief Luft. „Geht mir genauso.“ Nachdem er sein Hemd ausgezogen hatte, half er ihr mit seiner Jeans. Sein Körper war wie eine Statue, schlank und muskulös mit Bauchmuskeln, die von harter Arbeit geformt waren. Spielerisch zog Jace an dem Ausschnitt ihres Kleides. „Jetzt bist du dran.“

Sie schlüpfte aus dem Stoff und ließ ihn an ihrem Körper entlang zu Boden gleiten. Er ließ sich Zeit, ihren Anblick in sich aufzusaugen. Mia war keine Exhibitionistin, doch als sie die blanke Lust in seinen Augen sah, fühlte sie sich stolz und mächtig. Und sehr froh, dass sie in ihrer Reisetasche die Spitzenunterwäsche gefunden hatte.

Verhütungsmittel waren jedoch nicht dabei gewesen. „Oh.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich nehme nicht an, dass du Kondome dabeihast?“

Er nickte und nahm seine Jeans vom Boden hoch. „Nicht, dass ich davon ausgegangen war …“

„Ich mag es, wenn ein Mann vorbereitet ist“, unterbrach Mia ihn grinsend.

Jace erwiderte ihr Grinsen und zog sie wieder an sich, um sie noch einmal hungrig zu küssen. Schließlich konnte Mia keinen klaren Gedanken mehr fassen. Schwankend klammerte sie sich an ihn. Erregung durchströmte ihren Körper und löste ein Verlangen in ihr aus, wie sie es schon lange nicht mehr empfunden hatte. Eigentlich noch nie. Sie hatte das Gefühl, komplett die Kontrolle verloren zu haben, und es fühlte sich einfach nur wunderbar an.

Sie stieß einen leisen Protest aus, als er den Kuss beendete. Doch dann presste er seinen Mund auf die kleine Kuhle an ihrem Hals, strich über ihre empfindliche Haut und ließ seine Lippen nach unten wandern. Er legte seine Hand unter ihre Brust und stöhnend wölbte Mia sich ihm entgegen. Nur mit Mühe konnte sie das Gleichgewicht halten und er ließ sich daher mit ihr auf die große Matratze fallen.

Mia landete auf ihm und als sie sich gegen seine Erektion presste, keuchte Jace leidenschaftlich auf. Er legte auffordernd die Hände auf ihren Hintern. Bereitwillig kam sie seiner Bitte nach und bewegte erregt ihre Hüften vor und zurück. Jace richtete sich auf, öffnete ihren BH und rollte dann mit ihr herum, sodass er auf ihr lag. Auf einer anderen Matratze wären sie auf dem Boden gelandet.

„Dieses Bett ist eindeutig ein texanisches Bett“, scherzte er, doch in seiner Erregung wirkte seine Stimme tiefer, rauer.

„Das dachte ich auch.“ Sanft biss sie in sein Schlüsselbein.

„Lass uns gründlich Gebrauch davon machen.“ Er strich mit der Rückseite seiner Fingerspitzen über die Rundung ihrer Brust und zeichnete spielerisch Muster auf ihre Haut. Ihre Brustwarzen wurden hart und atemlos wartete sie auf mehr.

Jace.“

Er hielt überrascht inne.

„Ich habe gehört, wofür das J steht. Ich …“

„Sag es noch einmal.“ Vielleicht lag es am Mondlicht, doch plötzlich wirkte er überraschend verletzlich.

Mia nahm sein Gesicht in ihre Hände. „Jace.“

Begleitet von einem zufriedenen, leisen Summen beugte er den Kopf über ihre Brust und saugte fest an ihrer Knospe. Dabei rieb seine stoppelige Wange erregend über ihre Haut. Diesmal war es kein federleichtes Necken, sondern ein Ansturm auf ihre Sinne. Er wechselte zur anderen Brust und entlockte Mia mit seinen Lippen, seiner Zunge und seinen Zähnen kleine Schreie. Hitze durchströmte sie und ihre Hüften strebten ihm willenlos entgegen.

Als er mit seinen Fingerspitzen an der Innenseite ihres Schenkels entlangstrich, erzitterte sie. Das sanft-erregte Prickeln, das sie bei seinem ersten Kuss gespürt hatte, war einem weitaus animalischeren Gefühl gewichen. Sie musste ihm ganz nah sein, musste ihn in sich spüren. Als er mit dem Daumen über ihre Lustknospe strich, bäumte sich ihm ihr ganzer Oberkörper entgegen.

„Oh Gott.“ Ihre Stimme klang brüchig, doch es scherte sie nicht, solange er sie auf diese Art berührte. Sie konnte sich kaum beherrschen und stand kurz vor der Erfüllung. Nacktes Verlangen durchflutete sie. Er verstärkte den Druck und ließ seinen Daumen kreisen, während er mit einem Finger in sie eindrang. Sie war nicht mehr Herrin ihrer Worte und hörte wie aus der Ferne ihr flehendes „Ja“ und „Bitte“ und wie sie seinen Namen stöhnte.

Jace hatte sich nichts Erregenderes vorstellen können, als Mia nackt zu sehen, doch ihre Laute machten ihn regelrecht süchtig. Sein Name auf ihren Lippen, ihr zügelloses Stöhnen und die schamlose Art, wie sie seine Berührungen genoss. Er konnte nicht genug davon bekommen und wollte mehr.

Ein Teil von ihm hätte sie am liebsten bis zum Sonnenaufgang mit seinen Berührungen und Küssen verwöhnt. Doch er wollte in ihr sein, wenn sie zum Höhepunkt kam, wollte spüren, wie sie um ihn herum zerbarst. Blindlings tastete er nach dem Kondom, das er auf die Matratze gelegt hatte, und streifte es in Rekordzeit über.

Obwohl sie unglaublich feucht war, fühlte sie sich eng und einfach verdammt wundervoll an. Er küsste sie und musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, sich zuerst langsam in ihr zu bewegen. Doch als sie ihre Nägel in seinen Rücken grub, wurde er schneller. Mia schlang ihre Beine um seine Taille und nahm ihn tiefer in sich auf. Jace verlor sich in den überwältigenden Empfindungen. Ihre Weiblichkeit umschloss ihn immer wieder, während sie seinen Namen keuchte und unter ihm erzitterte. Sein Höhepunkt kam unaufhaltsam näher, begann am unteren Ende seiner Wirbelsäule und durchströmte dann seinen ganzen Körper. Laut aufstöhnend ließ er sich fallen, fing jedoch sein Gewicht mit den Armen ab, um sie nicht zu erdrücken.

Eine Weile hörte man im Zimmer nur ihren keuchenden Atem. Jace war nicht sicher, wie viel Zeit verstrichen war, bevor er schließlich ein bewunderndes „Wow“ hervorbrachte.

Mia seufzte zufrieden. „Jetzt weiß ich auch, wie sich deine Marshmallows fühlen.“

Jace stützte sich auf einem Arm ab. „Wie bitte?“

„So als wäre ich gerade in Flammen aufgegangen.“ Sie grinste. „Und jetzt bin ich ganz klebrig.“

Er lachte.

„Ich könnte eine Dusche brauchen.“ Sie rutschte unter ihm hervor, doch er hielt sie fest, um sie zu küssen.

Schließlich ließ er sie los und sah ihr gierig hinterher, während sie mit wiegenden Hüften den Raum durchquerte. Das Mondlicht umschmeichelte jede ihrer Rundungen, die er gerade noch liebkost hatte.

„Willst du mitkommen?“, fragte sie ihn über die Schulter.

„Ich bin direkt hinter dir … und liebe den Anblick.“

Sie warf ihm einen Kuss zu und verschwand mit einem übertriebenen Hüftschwung um die Ecke. Jace hastete ihr nach. Waren es erst Stunden her, dass er sich bei einem Pferd über sein Leben beschwert hatte? Denn in diesem Moment kam er sich vor wie der glücklichste Mann auf der Welt.

3. KAPITEL

Obwohl er nicht viel geschlafen hatte, wachte Jace am nächsten Morgen erfrischter und zufriedener auf, als er sich seit seiner Rückkehr nach Colorado gefühlt hatte. Dafür war die wunderschöne Frau verantwortlich, die an ihn geschmiegt neben ihm lag. Sie hatte ein Bein über seines geworfen und ihr Kopf lag an seiner nackten Brust. Ihr Haar breitete sich dabei aus wie ein leuchtendes, goldrotes Dreieck. Er hätte es gerne mit seinen Fingern durchkämmt, doch genau solche Berührungen waren schuld daran, dass er nicht mehr als zwei Stunden Schlaf bekommen hatte. Nun ging langsam die Sonne auf und er musste an die Arbeit. Wenn er sie berührte, woher sollte er die Selbstdisziplin nehmen, aus dem Bett zu klettern?

Jace hatte noch nicht ihre Hütte verlassen und freute sich trotzdem schon darauf, Mia später am Tag wiederzusehen. Sobald der Treck gestartet war, musste er sie natürlich mit den anderen Teilnehmern teilen. Schon bei der Einführung hatte er gemerkt, wie toll sie war. Freundlich und umsichtig hatte sie die Fragen der Leute beantwortet. Außerdem mochte sie Pferde genauso wie er. Sie erzählte mit großer Leidenschaft von ihrer Praxis und war witzig und schlagfertig. Im Gegensatz zu seinen Brüdern schien sie fähig, eine hohe Arbeitsmoral mit einem Sinn für Humor zu verbinden.

Es gab vieles an ihr, was ihm gefiel, doch vor allem mochte er, dass sie ihn sah – nicht als unverheirateten Milliardär oder schwarzes Schaf der Familie, sondern einfach als einen Mann, den sie begehrte. Zu viele Menschen in seinem Leben hatten vorgefertigte oder überholte Ansichten über ihn. Oder egoistische Motive, warum sie seine Nähe suchten. Es war einfach befreiend, Zeit mit jemandem zu verbringen, bei dem das nicht zutraf.

Doch nun musste er los.

Er machte sich vorsichtig von ihr los, um sie nicht zu wecken.

„Oh nein“, murmelte sie in die Matratze. „Ist schon Morgen?“

„Ich fürchte ja. Du kannst wahrscheinlich noch eine Stunde weiterschlafen, doch ich muss los. Wir wollen doch auf keinen Fall, dass Boone nach mir sucht.“ Jace hoffte, dass niemand der anderen Ranch-Arbeiter seine Abwesenheit in der Schlafbaracke bemerkt hatte. In der Nacht vor einem Treck waren meistens alle vollzählig. „Brauchst du noch etwas, bevor ich gehe?“

„In meiner Arzttasche sind noch Spritzen. Könntest du mir vielleicht Kaffee direkt in die Vene injizieren?“

Amüsiert presste er einen Kuss auf ihre Schläfe. „Bis später, Doc.“

Sie murmelte etwas und schlief wieder ein, während er sich anzog. Dann trug er seine Stiefel auf die Veranda und schlüpfte dort hinein. Plötzlich begann sein Handy zu vibrieren. Er entfernte sich ein paar Schritte von der Hütte und schaute aufs Display.

Heath? Normalerweise schickte der nur bissige Textnachrichten.

„Ja?“

„Jace.“ Die zittrige Stimme am anderen Ende klang sicherlich nicht nach seinem stoischen Bruder. Das letzte Mal hatte Jace ihn so aufgebracht erlebt, als …

Angst machte sich in seiner Magengrube breit und ihm wurde ganz kalt. „Was ist passiert?“

„Es ist Grandpa Harry. Herzinfarkt. Doch wir wissen erst mehr, sobald er aus dem OP kommt. Du solltest hier sein. Nur für den Fall, dass …“

„Ich bin auf dem Weg“, unterbrach Jace ihn, denn er wollte nicht, dass Heath die schreckliche Möglichkeit laut aussprach.

Zum Teufel mit dem Viehtreck.

Er nahm nur daran teil, um sich gegenüber seinem Großvater zu beweisen. Was, wenn ihn seine Abwesenheit um die Chance gebracht hatte, sich von Harry zu verabschieden? Ein schreckliches Gefühl von Déjà-vu durchströmte ihn und der saure Geschmack nach der vertrauten Mischung aus Schuld und Trauer lag ihm auf der Zunge.

Jace rannte los und betete, dass ihm das Universum nicht noch einen geliebten Menschen wegnehmen würde.

Der wunderschöne Morgen passte genau zu Mias sonniger Stimmung. Doch als sie zu den Picknicktischen hinüberschlenderte, auf dem das Frühstück serviert wurde, spürte sie ihre müden Muskeln. Nach der vergangenen Nacht würde das Sitzen im Sattel mit Sicherheit etwas unbequem werden. Doch es war die Sache auf jeden Fall wert gewesen. Sie war dankbar, dass sie und Jace das Beste aus der Nacht gemacht hatten … eine Wiederholung während des Viehtrecks wäre sehr unprofessionell.

Doch trotz ihres erwachsenen Vorsatzes, auf freundlichen Abstand zu gehen, ertappte sie sich dabei, wie sie nach ihm Ausschau hielt. Um ihm höflich einen guten Morgen zu wünschen, nicht um ihn auf einer Picknickbank zu verführen.

„Entschuldigen Sie, sind Sie Dr. Zane?“

Mia drehte sich um und stand einem schlaksigen sommersprossigen jungen Mann gegenüber. „Guten Morgen, Levi.“ Sie hatten sich am Abend zuvor kennengelernt. Hatte Boone ihn geschickt, sie zu suchen? „Gibt es ein Problem mit einem Tier?“

„Nein, Ma’am. Ich habe eine Nachricht von JT für Sie. Es gab einen Notfall in der Familie und er wird beim Viehtreck nicht dabei sein. Er hat mich gebeten, Ihnen Auf Wiedersehen zu sagen.“

Oh. Sie würde ihn also beim Treck nicht wiedersehen? Enttäuschung erfasste sie, die größer war, als sie erwartet hätte.

Falls Levi es seltsam fand, dass Jace ihn mit dieser Botschaft beauftragt hatte, ließ er sich nichts anmerken. „Ich hoffe, mit seiner Familie ist alles in Ordnung“, sagte er nur.

„Das hoffe ich auch. Danke für die Nachricht.“

Levi nickte, tippte sich an den Cowboyhut und ging davon. Mia stellte sich mit den anderen Gästen in der Schlange vor dem langen Tisch mit dem Frühstücksbüfett an, obwohl sie eigentlich nicht mehr hungrig war.

Vielleicht ist es so am besten. Natürlich nicht der Teil mit dem Notfall – sie hoffte, dass sich das zum Guten wenden würde. Doch vielleicht war diese klare Trennung ein unerwarteter Segen. Wenn sie jetzt schon so enttäuscht war, dass Jace weg war, wie würde sie sich nach einer Woche mit ihm auf dem Treck fühlen?

Die Nacht mit ihm war wirklich unvergesslich gewesen. Perfekt. Mia war noch nie so enthemmt bei einem Mann gewesen, so unersättlich. Ab der Sekunde, in der er die Tür zu ihrer Hütte aufgeschlossen hatte, hatte sie keinen Gedanken an die Welt da draußen verschwendet.

Auch nicht an ihre Praxis.

Doch nun war ein neuer Tag angebrochen und sie hatte Verpflichtungen. Seine Abreise rettete sie vor peinlichen Momenten, die es oft nach einem One-Night-Stand gab. Es war das Beste, wenn sie ihn nicht wiedersah … abgesehen von gelegentlichen Begegnungen, die sich in ihrer Fantasie abspielen würden.

Ich sehe dich in meinen Träumen, Cowboy.

Sechs Wochen später! Jace öffnete den Mund, um seinen Vater zu warnen, brachte jedoch keinen Laut hervor. Dann der Aufprall. Das Auto schleuderte herum. Metall schabte über Metall, und Glas zerplatzte. Jace hörte seine Mutter schreien. Dann stand alles und um ihn herum wurde es dunkel. Sirenen heulten in der Ferne und wurden lauter, während …

Jace kämpfte sich mit pochendem Herzen und hämmerndem Schädel aus dem Schlaf hoch.

Die Einzelheiten in dem Albtraum veränderten sich jedes Mal und entsprachen nicht immer dem Geschehenen. Doch die erstickende Angst war stets die gleiche. Er schluckte schwer und sein Mund war ganz trocken. Vor seiner Rückkehr nach Colorado hatte er den allzu vertrauten Traum monatelang nicht mehr gehabt. Doch seit sein Großvater Harry den Herzinfarkt erlitten hatte …

Das ist keine Sirene.

Obwohl er nun wach war, hörte er immer noch das durchdringende Geräusch aus seinem Traum. Da begriff er, dass es das Weinen eines Babys war. Brooke. Seine Nichte mochte erst vier Monate alt sein, doch ihr Stimmvolumen war verdammt beeindruckend.

Dankbar für die Ablenkung, schnappte sich Jace ein T-Shirt und folgte dem Geräusch seiner weinenden Nichte durch das weitläufige Haus. Schließlich fand er seinen Bruder in der Küche, wo Reed barfuß, mit zerzausten Haaren und seiner Tochter Brooke auf dem Arm hin und her lief und versuchte, mit dem rotgesichtigen Baby zu diskutieren.

„Wenn du keine nasse Windel hast und keine Flasche willst, dann bist du vielleicht einfach nur müde. Schlafen könnte helfen. Bitte, bitte schlaf jetzt endlich.“

„Vielleicht kann sie nicht schlafen“, sagte Jace gedehnt, „weil hier jemand einfach einen Mordskrach veranstaltet.“

Reed blieb abrupt stehen und starrte ihn wütend an. „Ach tatsächlich. Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Jace konnte sich mühsam ein Lachen verkneifen. Normalerweise war Reed nicht für Sarkasmus zu haben. Natürlich standen ihm für gewöhnlich auch nicht die Haare zu Berge. War es seltsam, dass Jace diesen Reed dem älteren Bruder vorzog, der die Firma leitete und versuchte, der Familie Vorschriften zu machen, während Grandpa Harry in der Reha war?

„Komm, lass mich mal“, bot Jace an. „Du siehst aus, als könntest du eine Pause gebrauchen.“

Reed umfasste seine Tochter fester. „Was weißt du denn von Babys?“

„Ich weiß nur, dass man ihnen besser Light Bier gibt statt das richtige und einmal die Woche ihre Windeln wechseln muss. Aber viel Spaß mit deinem schreienden Bündel.“

„Warte …“

Jace blieb stehen.

„Ich brauche wirklich eine Pause.“ Zögernd reichte Reed ihm das Baby. „Sei vorsichtig! Sorry, das war nicht persönlich gemeint. Nur ein Reflex.“

Ein alleinerziehender geschiedener Elternteil hatte es sicherlich nicht leicht, doch für einen Milliardär musste es doch einfacher gehen. „Hast du keine Nanny?“ Jace setzte Reeds Runde durch die Küche fort, wippte dabei aber ein wenig auf und ab.

„Während der regulären Arbeitszeiten ja. Aber wenn ich sie auch noch nachts jemand anderem anvertraue, dann sehe ich meine Tochter gar nicht mehr.“ Reed fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar. „So wurden wir auch nicht großgezogen. Mom und Dad waren immer da.“

Reed erwähnte fast nie ihre Eltern, und sofort wurden die Bilder seines Albtraums für Jace wieder sehr lebendig. In dem ersten Jahr nach dem Unfall hatten die Brüder sich so gestritten und Vorwürfe gemacht, dass ihre Beziehung beinah daran zerbrochen war. Erst nach vielen Vorhaltungen von Grandpa Harry und ein paar widerwilligen Sitzungen bei der Familientherapie hatten sie einen wackligen Burgfrieden geschlossen.

Jace schluckte. „Du redest normalerweise nicht über Mom und Dad.“

„Aber ich denke ständig an sie. Und ich schulde es ihnen, der beste Dad zu sein, der ich sein kann. Und ich schulde es Brooke.“ Er wandte den Blick ab und sammelte sich. „Tut mir leid, dass sie dich geweckt hat.“

„Mir nicht.“

Reed blickte ihn überrascht an.

„Schlimme Träume“, murmelte Jace. Es war ihm peinlich, dass er wie ein Sechsjähriger klang, bei dem der Vater noch nach Monstern unter dem Bett suchen musste.

Reed fragte nicht nach Einzelheiten und als das Schweigen zwischen ihnen unangenehm wurde, richteten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Brooke. Sie schien sich zu beruhigen, obwohl sie immer noch stur gegen den Schlaf ankämpfte. Sie war eindeutig eine Malone.

„Du machst das richtig gut mit ihr.“ Reeds Kompliment wäre schöner gewesen, wenn er nicht so überrascht geklungen hätte.

„Was soll ich sagen. Die Frauen lieben mich“, witzelte Jace.

Sein Bruder verdrehte die Augen.

„Ich habe im Büro in Dallas ein bisschen üben können. Wir haben für die Angestellten eine Tagesstätte eingerichtet.“ Dies war eines der wenigen Dinge bei seinem alten Arbeitgeber, die Jace mit Stolz erfüllt hatten. Er seufzte. „Ich kann verstehen, warum du mich für jemanden hältst, der schnell aufgibt. Doch ich bin nicht aus Dallas weg, weil ich mich gelangweilt habe oder der Job zu hart war. Ich konnte nicht mehr mit Clints Halsabschneider-Methoden leben oder der Tatsache, dass das Unternehmen sich nicht um die langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt schert.“

Frust schwang in seiner Stimme mit. „Energiekonzerne sollten eine positive Kraft in der Gesellschaft sein.“

„Willst du sagen, dass Malone Energy das nicht ist?“

Jace verkniff sich eine Antwort, da er gerade versuchte, ein Baby zu beruhigen, und keinen Streit mit seinem Bruder anfangen wollte. „Nein, aber ich finde, dass wir etwas Gutes verbessern können. Auch für zukünftige Generationen.“ Er schaute bedeutungsvoll auf seine nun schlafende Nichte.

Reed blickte ihn nachdenklich an.

„Ich bin nicht mehr der selbstsüchtige junge Kerl, an den du dich erinnerst“, fügte Jace hinzu. Er musste nur die Chance bekommen, es auch zu beweisen.

In dunkleren Stunden stimmte er seinen Brüdern jedoch zu und fragte sich insgeheim, ob er diese Chance überhaupt verdiente. Denn wenn er nicht gewesen wäre …

„Alonzo Boone sagte, du hättest hart gearbeitet. Und ich sollte vermutlich keine Empfehlung von einem vier Monate alten Säugling annehmen, doch meine Tochter scheint dich zu mögen.“

Brooke lag friedlich an Jace’ Brust. Er hatte die Mütter im Büro sagen hören, dass Babys Stress spüren konnten. Vielleicht hatte sich Brooke von Reeds Ungeduld anstecken lassen. Jace machte ihn jedoch nicht darauf aufmerksam. Sein unausgeschlafener Bruder würde das vielleicht als Kritik auffassen. Dieser Moment war der erste in über einem Jahrzehnt, in dem sie sich so etwas wie Respekt entgegengebracht hatten. Und Jace wollte diesen Frieden nicht zerstören.

Reed atmete schwer auf. „Ich hoffe Grandpa Harry zuliebe, dass du dich wirklich geändert hast. Er will an dich glauben und hat schon genug Probleme mit dem Herzen, ohne dass du es brichst.“

Schon wieder. Jace wusste, wie oft er seinen Großvater enttäuscht hatte.

Doch damit war es nun vorbei. Noch einmal fasste Jace den Entschluss, seine Ziele fest im Blick zu halten und sich von nichts davon abbringen zu lassen, auch nicht von den lustvollen Nächten mit einer atemberaubenden Rothaarigen. In den Wochen seit seiner Begegnung mit Mia hatte er oft an sie gedacht und überlegt, sie zu kontaktieren und sich wenigstens richtig von ihr zu verabschieden.

Doch er hatte es sich schließlich ausgeredet. Es wäre kompliziert, ihr seine wahre Identität zu erklären, und er war in diesem Moment nicht auf der Suche nach Komplikationen. Sondern nach Fokus. Einer Frau hinterherzujagen, die er kaum kannte, war typisch für den alten Jace. Der neue Jace wollte seine Familie stolz auf sich machen.

Er gab Brooke wieder an seinen Bruder zurück. „Du kannst mir vertrauen.“

Reed musterte ihn eingehend und wünschte ihm dann eine gute Nacht.

Jace blieb alleine in der Küche sitzen. Er hatte es nicht eilig, wieder einzuschlafen und weitere Albträume zu riskieren. Doch die Wahrheit verfolgte ihn auch im wachen Zustand. Obwohl der Unfall technisch die Schuld des LKW-Fahrers gewesen war, der eingeschlafen und eine rote Ampel überfahren hatte, war es seine Schuld, dass sich seine Eltern zu dem Zeitpunkt auf der Kreuzung befunden hatten. Sie wären bei einer Veranstaltung im Rathaus gewesen, wenn Jace nicht vom Sicherheitspersonal beim Klauen erwischt worden wäre.

Die Erinnerung war immer noch ungeheuer lebendig. Die feuchtwarme Nachtluft, der vertraute Duft nach dem Parfüm seiner Mutter, die Enttäuschung im Gesicht seines Vaters.

„Weißt du, wie peinlich es ist, dass mein Sohn gestohlen hat?“, fragte sein Vater, als sie in den Wagen stiegen. „Du hättest alles in dem Laden bezahlen können – wir haben genug Geld! Und wir haben verdammt noch mal gewisse Werte. Haben wir dich nicht besser erzogen?“

Jace saß auf dem Rücksitz und starrte schmollend in die Abenddämmerung hinaus. Seine Eltern würden es nicht verstehen. Sie waren überall geschätzt, während die Lehrer in der Schule von Jace erwarteten, dass er ebenso gute Noten bekam wie seine Brüder. Doch er war nicht so diszipliniert wie Reed oder so klug wie Heath. Und die Klassenkameraden lehnten ihn entweder wegen des Geldes seiner Familie ab oder biederten sich bei ihm an.

Seine Mutter drehte sich in ihrem Sitz zu ihm um. „Es liegt an diesen neuen Freunden von dir. Warum willst du unbedingt mit diesen Unruhestiftern abhängen?“

Weil sie ihn nicht wie einen Malone behandelten, sondern wie einen jugendlichen Mit-Straftäter. Er schwieg und konnte seiner besorgten Mutter nicht in die Augen sehen.

Und so vertat er unwissentlich die Chance, ein letztes Mal mit seinen Eltern zu reden. Jace würde alles dafür geben, das und auch alles andere ungeschehen zu machen. Er vermisste sie jeden Tag.

Er konnte sie nicht zurückholen. Doch er würde alles daransetzen, der Sohn zu werden, den sie verdienten.

4. KAPITEL

Als Arzt brauchte man nicht nur Fachwissen, sondern auch Selbstbewusstsein, Genauigkeit und einen Blick fürs Detail. Daher besorgte es Mia umso mehr, dass ihr nun der Name ihrer Assistentin nicht mehr einfiel, die bereits seit drei Jahren für sie arbeitete.

„Dr. Z? Alles in Ordnung mit Ihnen?“

„Ähm, tut mir leid …“ Anna? Abby? „Ich habe heute Morgen verschlafen und komme seitdem nicht richtig in die Gänge.“ Mia nahm die Akte in die Hand, die ihre Angestellte für sie auf den Tisch gelegt hatte. Anita? „Das kommt davon, wenn ich vor Beginn der Sprechstunde keine Zeit für Koffein habe.“

„Das verstehe ich sehr gut. Einmal, während meiner Prüfungen …“

„Amanda!“ Amanda Rockwell. Mia konnte nicht glauben, dass sie so lange gebraucht hatte, bis ihr der richtige Name einfiel.

Die Blondine schaute sie überrascht an. „Ja?“

„Was?“ Da wurde Mia bewusst, dass sie den Namen laut herausposaunt hatte. „Nicht wichtig. Danke für die Akte. Rufen Sie, ähm, Mr. Lee an und fragen nach, wie es Roscoe geht?“

„Das wollte ich gerade machen.“ Amanda musterte ihre Chefin prüfend. „Sind Sie sicher, dass Sie nichts brauchen?“

„Nein, alles bestens.“ Mia versuchte ein überzeugendes Lächeln.

Doch etwas stimmte nicht. Am Abend zuvor hatte Mia nur mit Mühe der Adoptivfamilie ihrer Pflegekatze versichern können, dass es ihr gutging. Doch alle Beteiligten waren alarmiert wegen Mias Tränen gewesen, als die neuen Besitzer das letzte ihrer Kätzchen abholten. Sie hatte schon unzählige Katzen und Hunde in die Obhut fürsorglicher Menschen gegeben und konnte sich das peinliche tränenreiche Schauspiel nicht erklären. Und schließlich war sie danach so erschöpft gewesen, dass sie an diesem Morgen den Wecker verschlafen hatte.

Was zur Hölle ist nur los mit mir? Sie sackte in ihrem Stuhl zusammen und hatte Mühe, sich auf die Patientenakte zu konzentrieren.

In diesem Moment tauchte Amanda mit einem Becher Kaffee im Türrahmen auf.

„Ich dachte, das hier könnte helfen.“

Mia nahm ihr den Becher ab. „Danke.“ Plötzlich wurde ihr schlecht und sie musste die Lippen zusammenpressen. Normalerweise liebte sie den Geruch von Kaffee und besaß sogar Kerzen, die danach dufteten. In diesem Moment protestierte ihr Körper jedoch vehement gegen das Aroma. Sie drängte sich an der überrascht dreinschauenden Amanda vorbei und rannte auf die Toilette, wo ihr Magen rebellierte.

Stimmungsschwankungen.

Müdigkeit.

Erbrechen.

Man brauchte kein Medizinstudium, um die Symptome zu erkennen. Mia wurde schwindelig und sie klammerte sich haltsuchend am Beckenrand fest. Nein, nein, nein. Das war nicht möglich. Sie hatte nicht mal ein Sexleben. Na ja, abgesehen von der einen Nacht mit Jace. Doch da hatten sie Kondome benutzt.

Sie betrachtete sich im Spiegel und schaute nach irgendwelchen sichtbaren Anzeichen, dass sie womöglich …

Es fiel ihr sogar schwer, das Wort auch nur in Gedanken auszusprechen. Schwanger. Doch offensichtlich ging nun die Fantasie mit ihr durch. Vermutlich ...

Autor

Tanya Michaels
Tanya Michaels, die eigentlich Tany Michna heißt, hat schon über 25 Auszeichnung für ihre Bücher gewonnen und wurde mehrfach für den RITA-Award, die wichtigste Auszeichnung für Liebesromane, nominiert. Daher wundert es nicht, dass ihre gefühlvollen und mitreißenden Geschichten in viele Sprachen wie Deutsch, Spanisch, Holländisch, Französisch, Griechisch, Koreanisch und Italienisch...
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Niobia Bryant
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Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
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