Baccara Exklusiv Band 162

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RACHE IST ZUCKERSÜß von TESSA RADLEY
Nur ein Traum kann schöner sein! Danielle hat Rico d’Alessio geheiratet, den Mann, für den sie seit Jahren heimlich schwärmt. Auch wenn die Ehe nur zustande gekommen ist, um sie vor einem Stalker zu schützen -Rico zu lieben ist einfach wundervoll. Doch sie belastet ein Geheimnis …

KÜSS MICH, VERFÜHR MICH! von BARBARA MCCAULEY
Zwei Wochen mit dem texanischen Millionär D.J. Bradshaw auf seiner Ranch: Eine verlockende Aussicht für Alaina Blackhawk. Einem Kuss im Licht der aufgehenden Sonne folgen Nächte voller Leidenschaft. Alaina ist glücklich wie noch nie - bis ihr Vertrauen in D.J.s Liebe erschüttert wird …

EIN LIEBESTRAUM AUF DEN BAHAMAS von BRENDA JACKSON
Auf den Bahamas erfüllen sich alle von Cassies Träumen! Leise rauschen die Palmen im Abendwind, als ihr Traummann sie auf starken Armen in die Luxussuite trägt. Da begegnet Cassie seinem traurigen Blick und erschrickt. Sie ahnt, dass Brandon ihr etwas Wichtiges verschweigt - nur was?


  • Erscheinungstag 15.12.2017
  • Bandnummer 0162
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725198
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tessa Radley, Barbara McCauley, Brenda Jackson

BACCARA EXKLUSIV BAND 162

1. KAPITEL

Es ist geschafft. Danielle Sinclair atmete erleichtert auf und stellte das weiße Brautbouquet mit Freesien, Lilien und Schleierkraut in eine Glasvase auf ihrer Frisierkommode. Endlich war Kim verheiratet.

Nachdem sie jahrelang auf ihre Schwester aufgepasst und ihr immer wieder aus der Bredouille geholfen hatte, war Kim nun nicht länger ihr Problem. Jetzt hatte sie einen Ehemann – und Danielle war nicht mehr für sie verantwortlich.

Die Hochzeit des Jahres war ein prachtvoll ausgestattetes gesellschaftliches Ereignis gewesen und mit literweise französischem Champagner begossen worden. Ein solches Fest hatte Danielle nicht von ihrer wilden und rebellischen kleinen Schwester erwartet. Dennoch hatte Kim in dem Designerbrautkleid strahlend ausgesehen. Als die Feier zu Ende ging, hatte Kim das Brautbouquet in die Menge geworfen, und der Strauß war direkt in Danielles Armen gelandet. Eingehüllt vom Duft der Blumen, war sie einen Moment erstarrt. Sie hatte weder gehofft noch erwartet, den Brautstrauß zu fangen. Auch er würde ihr nicht dabei helfen, einen Bräutigam zu finden – und ganz sicher nicht den Mann ihrer Träume.

Sie hoffte nur, dass Bradley Lester, der Geschäftsführer des Unternehmens ihres Vaters und ihr jetziger Schwager, wusste, auf was er sich da eingelassen hatte. Aber nach der Demütigung und dem Leid, das Rico D’Alessio ihr vor vier Jahren zugefügt hatte, verdiente Kim jetzt ein wenig Glück. Nein, ich werde an Kims besonderem Tag nicht an diesen Mann denken, ermahnte sich Danielle. Von mir aus kann er in der Hölle schmoren! Sie warf einen Blick auf ihre edle goldene Armbanduhr. Mittlerweile sollten Kim und Bradley schon in der besten Suite des Hilton angekommen sein und den Ausblick auf die luxuriösen Jachten genießen, die in Aucklands Viaduct Basin vor Anker lagen. Morgen würden sie dann nach Fidschi fliegen, um dort ihre Flitterwochen zu verbringen.

Danielle zog die Haarnadeln aus ihrer Frisur, und die dunkelblonde Mähne fiel ihr auf die Schultern. Anschließend zog sie das pinkfarbene Taftkleid aus und hängte es sorgfältig auf einen Bügel – auch wenn sie sicher war, dass sie das Kleid nie mehr tragen würde. Das auffällige Pink war nicht ihre, sondern Kims Wahl gewesen. Sie hätte sich für einen eleganten Blauton entschieden, hatte aber nicht mit der Braut streiten wollen.

Sie würde jetzt ein kurzes Bad nehmen, um sich endlich zu entspannen. Von den Schuhen mit den viel zu hohen Absätzen taten ihr die Füße weh. Danach würde sie in Erfahrung bringen, worüber ihr Vater mit ihr reden wollte. Vielleicht würde sie es noch schaffen, den Bericht zu überfliegen, den sie tags zuvor fertiggestellt hatte, bevor sie ins Bett gehen würde.

„Was, zum Teufel, willst du, D’Alessio?“

Dich und deine Tochter verfluchen, dachte Rico D’Alessio. Stattdessen ignorierte er Sinclairs Frage und ging zu dem großen Schreibtisch, der in Sinclairs riesigem Arbeitszimmer im Paritai Drive Herrenhaus geradezu verloren wirkte. Er schenkte all der Pracht um sich herum kaum Beachtung, als er sich langsam auf die Schreibtischplatte stützte und den Mann auf der anderen Seite wütend anfunkelte.

Der ältere Mann verzog keine Miene, als Rico sich so drohend vor ihm aufbaute. Mit seinen 1,85 Metern, seiner athletischen Gestalt und seinem heißblütigen italienischen Temperament schüchterte Rico die meisten Menschen sofort ein – nicht so Sinclair, das musste Rico ihm zugutehalten.

Doch dann blinzelte der ältere Mann.

Sein früherer Mentor war nervös. Rico beobachtete, wie Sinclair an ihm vorbeisah, um sich zu vergewissern, dass seine Lakaien an Ort und Stelle waren. Er war durch die Gegenwart von David Matthews, Sincos Topanwalt, nicht sonderlich beunruhigt. Oder durch den muskulösen jungen Mann neben Matthews, der angriffslustig mit den Füßen auf und ab wippte. Aber bei der gedrungenen Gestalt, die auf der anderen Seite des Zimmers stand, war das schon etwas anderes. Ken Pascal war ein Mann, den man im Auge behalten musste. Als Rico entdeckte, dass Sinclairs Stirn mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt war, erfüllte ihn das mit großer Genugtuung. Bevor das hier vorbei wäre, würde der alte Mann noch viel mehr ins Schwitzen kommen.

„Ich habe dir doch gestern am Telefon gesagt, dass ich dich entschädigen werde.“ Robert Sinclair deutete auf einen Stapel Papiere in der Ablage am Rand des Schreibtisches. „Unterschreib den Vertrag, den David Matthews vorbereitet hat, und ich werde veranlassen, dass dir eine sehr hohe Geldsumme auf ein Konto deiner Wahl überwiesen wird.“

„Kein Geld der Welt kann das wettmachen, was ich verloren habe.“

Sinclair runzelte die Stirn. „Was willst du dann?“

Rico entschied, aufs Ganze zu gehen. „Alles!“

„Alles?“ Zum ersten Mal wirkte der ältere Mann, als wäre er kurz davor, die Fassung zu verlieren. „Was meinst du damit? Alles?“

Nachdem Rico erst vor ein paar Tagen den Anruf von seinem Anwalt erhalten hatte, war er ans Bett seines kranken Vater geeilt und hatte sich dessen flehentliche Bitte um einen Enkelsohn anhören müssen. Noch am selben Tag war er dann zum Friedhof am Stadtrand von Mailand gefahren. An Lucias Grab hatte er voller Schmerz Rache geschworen. Zum ersten Mal seit vier Jahren hatte er eine Mission: nach Neuseeland zurückzukehren und Robert Sinclair und seine Tochter für all das Leid zahlen zu lassen, das sie seiner Familie zugefügt hatten. Doch sein Plan war durch die jüngste Entwicklung vereitelt worden. Kim hatte geheiratet.

Drohend grinste er Sinclair an, als in den stahlgrauen Augen des älteren Mannes ein Anflug von Angst zu sehen war. „Hast du ein Problem damit, das Wort alles zu verstehen?“, fragte er spöttisch. „Vielleicht können wir ein Wörterbuch auftreiben, in dem die Bedeutung des Wortes erklärt wird?“ Er hob die Augenbraue. „Oder ist es mein Akzent, der dir Probleme macht?“

Der ältere Mann reckte kampfbereit das Kinn. „Dein Englisch ist perfekt, D’Alessio. Wie könnte es auch anders sein, nachdem du zehn Jahre lang in Neuseeland gelebt hast?“

Rico hätte dem Mann am liebsten einen Faustschlag versetzt. Nur mit Mühe beherrschte er sich. Er hatte nicht vor, sich durch eine unüberlegte Handlung hinter Gitter zu bringen. Auch wenn ihm das nicht mehr allzu viel ausmachen würde. „Was ist es dann, das du nicht verstehst?“, murmelte er und lächelte Sinclair kalt an.

Auf der Stirn des Mannes standen Schweißperlen. „Was willst du?“

„Ich will meine Anteile an Sinco Security zurück und für das entschädigt werden, was ich verloren habe.“

„Abgemacht“, sagte Sinclair erleichtert.

„Und ich will mehr.“

„Wie viel?“ Angewidert sah der Mann Rico an.

Rico ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte gegen seinen Zorn und Schmerz an. Sinclair dachte also immer noch, dass er ihn kaufen könnte! Robert Sinclairs Reichtum war für ihn früher einmal eine sehr große Verlockung gewesen. Doch jetzt brauchte er Sinclair oder Sinco Security nicht mehr. Er besaß selbst ein Vermögen, von dem Sinclair nur träumen konnte und für das Rico einen zu hohen Preis bezahlt hatte. Aber das wusste Sinclair nicht. Der Mann dachte, er hätte es mit einem heimatlosen Herumtreiber zu tun, den er ins Exil gejagt hatte. „Ich will dein verdammtes Geld nicht.“

„Was willst du dann, D’Alessio?“, fuhr Sinclair ihn an.

Wenn er das wüsste … Rico suchte einen Moment lang nach den Worten, die er vor vier Jahren benutzt hätte, bevor er jeglichen Respekt vor dem Mann verloren hatte, der jetzt vor ihm stand. Dann sah er Sinclair an. „Ich will meinen Platz im Sinco-Vorstand wieder einnehmen.“ Er hatte es sich verdient. Er hatte Tag und Nacht dafür gearbeitet, Sinco Security zu dem zu machen, was es heute war. Er war es gewesen, der die Idee gehabt hatte, der reichen Klientel einen besonders hohen Sicherheitsstandard zu bieten. Erst das hatte Sinco zu einem florierenden Unternehmen gemacht, mit dem man in der australischen Pazifikregion rechnen musste. „Und, verdammt noch mal, ich will nicht irgendeine Position haben. Ich will Geschäftsführer sein.“

„Unmöglich! Dieser Job ist bereits vergeben.“ Sinclair runzelte die Stirn. „Komm schon, D’Alessio. Ich bin ein vernünftiger Mann und versuche mein Möglichstes, um dir entgegenzukommen.“

Abrupt stand Rico auf und ging zur Tür.

„Wo willst du hin?“ Der ältere Mann klang alarmiert.

Rico drehte sich um und fuhr sich durch die lockigen schwarzen Haare. „Ich werde mir einige Fotos beschaffen, um die sich die Tageszeitungen reißen werden. Oh, und vielleicht werde ich einige Fernsehsender anrufen. Mal sehen, welcher davon das beste Angebot macht.“ Er warf Sinclair ein unbekümmertes Lächeln zu. „Ciao – für den Moment.“ Natürlich hatte er nicht die Absicht, seine Story an die Medien zu verkaufen. Aber das wusste Sinclair nicht. Als Rico sich wieder zur Tür umdrehte, konnte er fast hören, wie der ältere Mann mit den Zähnen knirschte.

„Nicht so hastig, D’Alessio.“

Tiefe Genugtuung erfüllte Rico, als er stehen blieb und auf dem Absatz kehrtmachte. Zweifellos hatte Sinclair noch nie in seinem Leben um etwas bitten müssen. Doch das würde er jetzt lernen.

Nachdem Danielle gebadet, das Make-up entfernt und das klebrige Haarspray aus ihren Haaren gewaschen hatte, fühlte sie sich erfrischt und entspannt genug, sich gedanklich ihrem Vater zuzuwenden. Robert Sinclair war ein Mann, der nur seine Arbeit im Kopf hatte. Als er nach der Hochzeit nach Hause gekommen war, hatte er keine Zeit verschwendet und Danielle mitgeteilt, dass er sie in einer Stunde in seinem Arbeitszimmer sehen wollte.

Mit einem Stirnrunzeln strich sie den Baumwollstoff des weißen Kleides glatt, das sie angezogen hatte. Sie war zwanzig Minuten zu spät. Und ihr Vater hasste es, wenn man ihn warten ließ. Aber auf einmal machte es ihr Vergnügen, ein bisschen zu trödeln. Sie entdeckte fast eine rebellische Ader in sich, was völlig untypisch für sie war.

Nicht sie, sondern Kim war immer die wilde und aufrührerische Tochter gewesen. Vor einigen Jahren hatte Danielle zwar versucht, dem goldenen Käfig zu entkommen, zu dem ihr Elternhaus für sie geworden war, aber ihr Vater hatte jeden ihrer Versuche unterbunden, zusammen mit alten Schulfreundinnen in eine eigene Wohnung zu ziehen. Schließlich hatten ihre Freundinnen sie abgeschrieben und ihr eigenes Leben gelebt, während Danielle weiterhin bei ihrem Daddy wohnte.

Ihr war überhaupt nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich auf diese Weise isoliert hatte – was unglaublich dumm von ihr gewesen war. Sie war damit beschäftigt gewesen, ihren Hochschulabschluss zu machen, und hatte unter dem ständigen Druck ihres Vaters gestanden, nur die besten Zensuren zu erhalten. Und natürlich hatte sie alle Hände voll mit Kim und ihren ständigen Krisen und Eskapaden zu tun gehabt. Ständig hatte sie versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben, und dafür gesorgt, dass möglichst nichts von den Dummheiten bekannt wurde, die ihre Schwester immer wieder angestellt hatte. Wie viel ihr Vater davon wusste, konnte sie nicht sagen. Zweifellos mehr, als sie vermutete – denn er hatte Kim als weiteres Druckmittel gegen sie benutzt. Sie war so lange die unterwürfige Tochter gewesen, dass es ihr zur Gewohnheit geworden war.

Sogar als sie schon auf dem Weg zur Tür ihrer Suite war, blieb sie sofort stehen, als das Telefon klingelte. Das musste ihr Vater sein, um ihr zu befehlen, sich zu beeilen. Einen Moment lang zog sie in Erwägung, das Telefon zu ignorieren. Doch nach dem dritten Klingeln siegte die Macht der Gewohnheit. Mit einem Seufzer ging sie zum Telefon und nahm den Hörer ab. „Kim?“, fragte sie erstaunt, als ihre Schwester am Apparat war. „Was ist los?“

Kim redete ohne Unterlass. „Versuche, mich nicht zu hassen. Ich konnte nicht weiter mit all dem leben. Nicht jetzt, wo ich so glücklich bin. Ich musste etwas tun.“

Oh nein. „He, ganz langsam.“ Danielle versuchte, irgendeinen Sinn in Kims Gestammel zu entdecken. „Was hast du getan?“

Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann: „Hat Daddy es dir nicht erzählt?“

„Es mir erzählt?“ Danielle atmete tief ein und zählte bis drei. „Nein. Er hat eine Art Meeting einberufen, will mich aber zuerst sprechen. Ich sollte mich auf den Weg machen. Ich bin schon zu spät.“

„Er wird es dir sagen.“ Kim rang nach Atem. „Danielle … Es tut mir leid.“

„Was denn?“

„Daddy wird es dir erzählen.“ Es klickte in der Leitung.

„Kim?“, rief Danielle verzweifelt.

Aber ihre Schwester hatte einfach aufgelegt.

„Ich habe gelesen, dass du dich auf die Rettung von Entführungsopfern spezialisiert hast“, meinte Ken Pascal. Der Sinco-Sicherheitschef musterte Rico prüfend.

„Ja, das stimmt.“ Sogar in Krisengebieten hatte er über die Freigabe von Geiseln verhandelt – meist mit Erfolg. Zusammen mit Morgan Tate und Carlos Carreras hatte er eine Firma gegründet, die Spezialeinheiten und Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen darin schulte, professionell mit Entführern umzugehen. Die Firma leiteten jetzt seine beiden Partner – mittlerweile hatten sie alle drei sehr viel Geld damit gemacht.

„Was hat das denn mit unserer Angelegenheit hier zu tun, Ken?“, fragte Sinclair ungeduldig.

„Es ist eine gute Gelegenheit, ihn mit ins Boot zu nehmen, Boss. Rico könnte überprüfen, ob das auch für uns realisierbar wäre – oder vielleicht gibt es andere Geschäftsfelder, die er für Sinco erschließen kann.“

„Ich werde keine Abteilung für Spezialeinsätze aufbauen“, sagte Rico entschieden.

„Das würde mir die Gelegenheit geben, Bradley davon zu überzeugen, seine Position als Geschäftsführer niederzulegen“, entgegnete Sinclair.

Rico fühlte sich als Sieger und deutete mit dem Kopf Richtung Telefon. „Dann hol Bradley jetzt mal an den Apparat.“

„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Er hat heute geheiratet“, erwiderte Sinclair angespannt.

„Natürlich. Das hatte ich vergessen. Ich habe es in der Presse gelesen. Tochter des Chefs heiratet Sinco-Geschäftsführer. Das sind gute Nachrichten für beide Familien – und für die Aktionäre, hm?“

Der andere Mann beobachtete ihn argwöhnisch. Aber er schwieg.

„Andererseits …“ Spöttisch betonte Rico seinen sonst kaum wahrnehmbaren italienischen Akzent. „… habe ich noch etwas mit der Braut zu erledigen.“

„Wissen Sie, Boss, er könnte genau das sein, was wir brauchen.“

Rico drehte den Kopf und musterte Ken Pascal misstrauisch. Hatten im Laufe der Jahre seine grauen Zellen gelitten? Pascal war nie dumm gewesen. Und wenn es etwas gab, das alle hier im Zimmer wussten, dann war es die Tatsache, dass Robert Sinclair Rico D’Alessio so dringend brauchte wie eine Kugel im Kopf.

„Sehen Sie ihn sich an. Kein Mann wird sich mit ihm anlegen wollen“, fuhr Pascal fort. „Es sei denn, er hätte den Verstand verloren.“

Sinclair scheint zu wissen, wovon Pascal redet, realisierte Rico. Er mochte den abschätzenden Blick absolut nicht, mit dem Sinclair seine breiten Schultern und die muskulösen Arme in Augenschein nahm. Er kam sich vor wie bei einer Fleischbeschau. „Wofür genau bräuchtest du mich denn? Soll ich mir die Hände schmutzig machen? Soll ein anderer unschuldiger Mann ins Exil geschickt werden?“

Pascal hüstelte. „Danielle Sinclair braucht jemanden, der auf sie aufpasst.“

Sofort hatte Rico ein Bild von der ältesten Tochter Sinclairs vor Augen. Damals war sie jung, still, ernst und sehr traurig gewesen. Er schob die Erinnerung beiseite. „Was ist mit einem Bodyguard? Davon gibt’s hier doch mehr als genug. Oder wurde der letzte dabei erwischt, wie er das Familiensilber klaut? Oder wollte die Lady ihm vielleicht an die Wäsche?“

Alle anderen im Zimmer schnappten entsetzt nach Luft. Rico lachte nur. Er hatte gelernt, dass er mit einem lauten Lachen seinen quälenden, ja fast zerstörerischen Zorn am besten verbergen konnte.

„Ich will nicht, dass D’Alessio sich in der Nähe meiner Tochter aufhält“, lehnte Sinclair kategorisch ab. Er war blass geworden. „Er ist wahnsinnig.“

Rico lachte erneut.

„Danielle hat es strikt abgelehnt, einen Bodyguard oder einen anderen Schutz in Anspruch zu nehmen. Sie ist genauso stur wie ihr Vater“, meinte Pascal zu Rico. Dann wandte er sich an Sinclair. „Robert, wenn Sie nicht schnell etwas unternehmen, werden Sie bald nur noch eine Tochter haben. Rico wäre genau der Richtige dafür.“

„Was meint er damit, dass Sie bald nur noch eine Tochter haben werden?“, fragte Rico. „Ich kann nicht glauben, dass sie Daddy weglaufen wird. Wo will sie hin?“

„Zwei Meter unter die Erde, wenn der geistesgestörte Stalker nicht gefasst wird.“ Pascal ging zum Schreibtisch und griff nach einem großen Umschlag und einem Tuch. „Darf ich?“ Er sah Sinclair an.

Robert Sinclair ließ die Schultern hängen und nickte.

Rico nahm das Tuch und den Umschlag von Ken Pascal und warf einen Blick hinein. Dann zog er langsam ein Foto heraus, wobei er sorgfältig darauf achtete, eventuell existierende Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Schockiert riss er die Augen auf, als er das Foto betrachtete, das am selben Tag auf der Hochzeit aufgenommen worden war. Mit grimmigem Gesichtsausdruck erkannte er die Braut, Kimberly Sinclair, die zwischen ihrem Vater und einem Mann stand, der, seinem vertrottelten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wohl Bradley Lester sein musste. Aber es war die vierte Person auf dem Foto, die ihn den Atem anhalten ließ.

Die schlanke Frau hatte ein eng anliegendes Kleid in einem gewagten pinkfarbenen Ton an – einer Farbe, die darauf schließen ließ, dass die Trägerin sinnlich und leidenschaftlich war. Wenn das Danielle Sinclair war, war sie erwachsen geworden. Aber es war ihr Gesicht beziehungsweise das bisschen davon, das noch zu sehen war, das Ricos Aufmerksamkeit erregte. Mit einem Rasiermesser war es fast völlig zerfetzt worden.

Sein Herz klopfte, als er auf das verstümmelte Foto starrte. Pascal hatte recht. Danielle brauchte jemanden, der auf sie aufpasste, bevor sie als Leiche auf einem Friedhof endete. Und er hatte nicht während der schlimmsten Zeit ihres Lebens ihre Hand gehalten, damit irgendein Irrer ihr schadete.

In dem Moment, in dem Danielle die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters öffnete, spürte sie, wie angespannt die Atmosphäre war. Ihr Blick fiel auf die breiten Schultern eines unbekannten Mannes, der offensichtlich der Grund dafür war. Er stand mit dem Rücken zu ihr und gegenüber den vier Männern vor ihm. Obwohl er zahlenmäßig klar unterlegen war, schien er sich und die Situation völlig unter Kontrolle zu haben.

Ein kurzer Blick genügte ihr, um zu wissen, dass sie die anderen Männer kannte. Neben ihrem frustrierten Vater stand Ken, sein Sicherheitschef. Er machte einen eher ruhigen Eindruck, während David, der Vertraute und Ratgeber ihres Vaters, das Pokergesicht zur Schau trug, das er immer aufsetzte, wenn er nach einer Lösung für ein schwieriges Problem suchte. Der junge Bodyguard, den Ken als Aufpasser ausgesucht hatte, wirkte sehr unsicher. Danielle hatte seinen Namen vergessen. Hieß er Ty? Tymon? Oder Tyrone?

Sie sah wieder den Fremden an. Die anderen vier Männer beobachteten ihn, als wäre er ein gefährliches Tier, und blieben außer Reichweite. Sie wollte – nein, sie musste – das Gesicht dieses Mannes sehen und ihm in die Augen schauen, um verstehen zu können, was ihn so bedrohlich und so männlich machte.

Danielle konnte nicht anders, als einen anerkennenden Blick auf seine breiten Schultern in dem schwarzen T-Shirt und seinen Po und die langen Beine in den schwarzen Jeans zu werfen. Er ist nur ein Mann, sagte sie sich. Auch wenn er sehr gut gebaut ist. Dennoch nahm sie noch einmal seinen knackigen Po, die schmale Taille und die breiten Schultern in Augenschein.

Er hielt einen Umschlag und noch etwas anderes in den Händen. Einen Augenblick später drehte er sich um. Ihr blieb das Herz stehen, als sie das kantige Profil seines Gesichts sah. Als er sich ganz zu ihr herumdrehte, wurde ihr heiß vor Verwirrung. In seinen Augen flackerte etwas auf, als er sie erkannte. Doch dann wurde sein Blick ausdruckslos, und er hantierte mit dem Umschlag und legte ihn auf den Tisch. Ihr Herz begann, laut zu hämmern. Rico D’Alessio war hier.

Danielle wurde von kaltem Zorn erfasst, ließ sich aber keine Gefühlsregung anmerken. Sie wollte nicht zeigen, wie sehr sie diesen Mann hasste. Und sie hatte sogar seinen Körper bewundert. Scharf zog sie die Luft ein und versuchte, ihre sonst übliche Gelassenheit an den Tag zu legen. „Was geht hier vor, Dad? Warum ist er zurück? Was will er?“ Sie wirbelte herum, suchte in den Gesichtern der anderen vier Männer nach Antworten und wartete, dass jemand die Verantwortung übernehmen und D’Alessio vor die Tür setzen würde. „Und warum hast du nicht die Polizei gerufen?“

„Der Angelegenheit würde nicht nachgegangen werden“, gab ihr Vater widerwillig Auskunft.

„Warum nicht?“

Rico D’Alessio nahm Blickkontakt zu ihr auf.

Sie bemerkte, dass er arrogant und fast ein bisschen amüsiert wirkte. Und da war noch etwas anderes. Danielle betrachtete seinen sinnlichen Mund und nahm das Glitzern in seinen dunklen Augen wahr. Er war wütend. Hinter seinem angeblichen Amüsement lauerte der nackte Zorn. Was war es, das ihn derart in Rage brachte? Was nahm er sich heraus? Schließlich war er der Bastard gewesen, der ihrer Schwester Schlimmes angetan hatte. Warum war er hier und störte erneut den Familienfrieden? Völlig verwirrt sah sie wieder ihren Vater an. „Ich muss Kim anrufen.“ Sie wollte ihre Schwester warnen und der bedrückenden Atmosphäre in diesem Zimmer entkommen.

Einen Moment lang wirkte ihr Vater wie um Jahre gealtert. „Kim weiß Bescheid. Sie ist der Grund, warum er zurückgekommen ist. Sie hat ihre Aussage geändert.“

Danielle rang nach Atem und fühlte sich merkwürdig benommen.

„Setz dich, Danielle.“

Die Worte ihres Vaters drangen kaum zu ihr durch. Wie konnte das sein? Als Rico D’Alessio vor vier Jahren das Land verlassen hatte, war sie so erleichtert gewesen. Denn sie hatte gewusst, dass er Kim nie wieder wehtun konnte. Und jetzt war er zurück und strahlte eine ungeheure Entschlossenheit aus – ganz anders als der Mann, an den sie sich erinnerte.

„Setz dich hin, Mädchen, bevor du in Ohnmacht fällst.“

Automatisch befolgte sie den ungeduldigen Befehl ihres Vaters und sank ihm gegenüber auf die kleine Couch. Einen Augenblick später gab das Polster neben ihr unter einem viel schwereren Gewicht nach. Sie drehte den Kopf und begegnete Rico D’Alessios gefährlichem Blick.

2. KAPITEL

„Erzähl mir nicht, dass du geglaubt hast, ich wäre schuldig, Prinzessin“, forderte Rico Danielle Sinclair heraus. Er konnte und würde nicht akzeptieren, dass sie so naiv war, wie es den Anschein hatte. Sie wirkte regelrecht verstört. „Besonders du hättest wissen müssen, wie ich reagieren würde, wenn sich die Tochter meines Arbeitgebers an mich ranmacht – ganz sicher nicht mit Gewalt.“ Er redete so leise, dass ihr Vater und die anderen Männer ihn nicht hören konnten.

„Niemand wirft dir etwas Derartiges vor“, erwiderte sie und biss sich nervös auf die Unterlippe.

Ricos Blick fiel auf ihren Mund, und ihm wurde so heiß, dass er zur Seite rutschte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie noch immer solch eine Wirkung auf ihn hatte. Insgeheim fragte er sich, ob sie wie damals weiße Spitzenslips trug. Als sie ihn seinerzeit zu verführen versucht hatte, hatte sie so einen Slip getragen. Er betrachtete das weiße, feminine Kleid, das sie anhatte. Es war ganz anders als das pinkfarbene, in dem er sie auf dem Foto gesehen hatte.

Er wandte seine Aufmerksamkeit von dem makellosen Kleid und ihrem schlanken, zarten Körper ab und sah ihr in die Augen, bemüht, sich seine eindeutige Reaktion auf ihre Nähe nicht anmerken zu lassen. Die Verwirrung in ihren graugrünen Augen weckte seinen Beschützerinstinkt, was ihm total gegen den Strich ging. Es war sehr lange her, dass irgendetwas oder irgendjemand solche Gefühle in ihm geweckt hatte. Seine Geschäftspartner Morgan und Carlos verglichen ihn stets mit einem Roboter, wenn sie auf seinen Mangel an Emotionen zu sprechen kamen. Konnte seine Reaktion auf Danielle ein Überbleibsel des Mitgefühls sein, das er für sie nach dem Tod ihrer Mutter empfunden hatte? Sie war so verdammt tapfer gewesen.

„Nein“, stimmte Rico ihr zu. „Ich wurde nicht der Vergewaltigung bezichtigt. Aber auch nur, weil dein Vater eine Beschuldigung gegen mich erhoben hat, die mir einfacher anzuhängen war als ein solches Verbrechen. Sag mir, glaubst du, dass ich deine Schwester verführt habe? Oder, wie die Polizei es ausgedrückt hat, dass ich ‚gesetzwidrigen sexuellen Kontakt mit einer Minderjährigen‘ hatte?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete sie verwirrt.

„Das reicht mir nicht!“ Aus irgendeinem Grund musste er von Danielle hören, dass sie ihm glaubte. Dass sie ihn niemals verdächtigt hatte, so etwas getan zu haben.

„Also hat Kim gelogen?“ Es war keine Feststellung, sondern klang eher wie eine Frage.

Verdammt!, dachte Rico. Sie hat geglaubt, dass ich fähig wäre, ihrer Schwester zu schaden und das Vertrauen zu missbrauchen, das ich als Protégé und Geschäftspartner ihres Vaters genossen habe. Er war verärgert, zog es jedoch vor zu schweigen. Er hatte gelernt, dass es manchmal besser war, den Mund zu halten. Als die Stille schließlich unerträglich wurde, warf er Robert Sinclair einen Blick zu und erhob die Stimme. „Ich würde vorschlagen, dass du diese Männer …“ Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter. „… aus dem Zimmer schickst.“

„Danielle kennt David und Ken schon ihr ganzes Leben lang. Sie waren sogar bei ihrer Taufe dabei“, antwortete Sinclair. In seiner Stimme schwang ein arroganter Unterton mit.

„Daddy, kannst du sie bitten zu gehen? Bitte!“ Danielles weiche, leicht atemlose Stimme klang, als ob sie mit den Nerven am Ende wäre.

Rico hatte nicht damit gerechnet, Mitgefühl zu empfinden. Es lag im Widerstreit mit dem Zorn, der ihn seit dem Anruf seines Anwalts vor zehn Tagen angetrieben hatte.

Ihr Vater zuckte die Achseln. „Ich verstehe nicht, was das ganze Theater soll.“

„Ich denke, deine Tochter hätte gern ein bisschen Privatsphäre, um mit den Neuigkeiten fertig zu werden“, meinte Rico so kühl, wie es sein innerlicher Aufruhr zuließ. Dann fragte er sich, warum er Danielle verteidigte.

Sinclair erhob sich von seinem Stuhl und ging zu den anderen Männern.

„Ich will, dass du ebenfalls hinausgehst“, sagte sie leise zu Rico.

Er funkelte sie an. „Vergiss es, Prinzessin.“ Dass er den spöttischen Kosenamen verwendete, wurmte sie. Das konnte er ihr ansehen. Als die Männer hinausgingen und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, bedeckte Danielle ihr Gesicht mit den Händen. Rico, der sah, wie ihre Schultern zu beben begannen, wünschte sich fast, er wäre mitgegangen.

Er sah sich verzweifelt um. Verdammt, was sollte er jetzt tun? Er hasste es, wenn Frauen weinten. Und er erinnerte sich daran, dass Danielle lautlos weinte. Sie hatte in den langen Stunden nach dem Autounfall um ihre Mutter geweint. Bei der Beerdigung war sie dann noch einmal in Tränen ausgebrochen. Doch danach hatte sie keine einzige Träne mehr vergossen, auch wenn die Traurigkeit in ihren Augen lange Zeit unübersehbar gewesen war. Kimberly dagegen hatte dramatische emotionale Krisen gehabt, die lange Therapien nach sich gezogen hatten. Dabei war Kimberly nicht in den Unfall verwickelt gewesen, bei dem Rose Sinclair ums Leben gekommen war. Sie war auch nicht zwei Stunden lang in dem Autowrack eingesperrt gewesen – so lange hatten die Rettungskräfte nämlich gebraucht, um Danielle daraus zu befreien.

Verlegen tätschelte Rico ihre Schulter. Mit dem Daumen berührte er die nackte Haut ihres Oberarms, die weich und seidig war. Er zuckte schuldbewusst zusammen und zog die Hand weg.

„Warum hat Kim das getan?“

Ihre Stimme war so schwach, dass er sich ein Stück zu ihr herunterbeugte. Das hatte er sich in den vergangenen vier Jahren auch immer wieder gefragt und keine Antwort darauf gefunden. „Wer weiß? Vielleicht hatte sie einen schlechten Tag, weil ihre Frisur nicht gesessen hat.“

Danielle lächelte nicht. Stattdessen faltete sie die Hände in ihrem Schoß und zog sich noch mehr in sich selbst zurück. „Du hast Kim nie … Du hast sie nie angefasst?“, flüsterte sie.

„Erinnerst du dich, was ich an jenem Abend zu meiner Verteidigung gesagt habe? Ich hatte eine Ehefrau. Eine Ehefrau, die ich geliebt habe und die ein Kind von mir erwartet hat. Warum hätte ich das aufs Spiel setzen sollen?“

Sie runzelte unsicher die Stirn. „Aber später bist du weggegangen …“

„Mir blieb wohl kaum eine andere Wahl, nicht wahr?“, meinte Rico verbittert.

Danielle senkte den Blick und nestelte an dem Stoff ihres weißen Kleids. „Es tut mir leid. Ich habe gehört, dass deine Frau gestorben ist.“

„Dass es dir leidtut, nützt mir nichts. Es bringt mir Lucia auch nicht zurück“, erwiderte er schroff.

Sie zuckte zusammen.

Einen Moment lang bereute Rico seine brutalen Worte. Danielle wusste, wie schmerzlich es war, einen geliebten Menschen zu verlieren. An ihr sollte er seine Wut nun wirklich nicht auslassen. Für den Bruchteil einer Sekunde kam sein Entschluss ins Wanken. Doch dann stählte er sich gegen solche Gefühle. Sie war eine Sinclair und somit ein Teil dieser Familie. Und sie war noch zu haben. Kim mochte verheiratet sein – ihre Schwester war es nicht.

„Du hasst uns“, sagte sie. „Du hasst uns wirklich. Also, warum bist du hier?“

„Deine Familie hat bei mir eine Menge wiedergutzumachen.“

„Du willst dich rächen?“

Sie hatte eine schnelle Auffassungsgabe und war geradeheraus. Diese Qualitäten hatte Rico immer an ihr gemocht. „Lass es mich so sagen: Ich will für das, was ich verloren habe, entschädigt werden.“ Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts, dachte er ironisch.

„Oh.“ Ein merkwürdig enttäuschter Ausdruck huschte über Danielles Gesicht. „Du willst Geld.“

Nein, Prinzessin. Es gibt viele Dinge, die ich will. Aber Geld gehört nicht dazu. Doch das sagte er nicht. Stattdessen verzog er den Mund zu einem gequälten Lächeln. „Du begreifst schnell.“ Als er hörte, dass die Tür wieder aufgemacht wurde, drehte er sich um. Sinclair stand auf der Schwelle und Pascal hinter ihm. Rico wandte sich wieder Danielle zu.

Sie starrte ihren Vater an. „Er sagte gerade …“

„Du hast mich doch immer Rico genannt“, unterbrach er sie so leise, dass nur sie ihn hören konnte.

Sie reckte das Kinn. „D’Alessio hat mir erzählt, dass du ihn entschädigen musst. Ist das schon geregelt?“

„Wir werden uns noch genauer über die Details unterhalten.“ Sinclair lächelte sie abwesend an. „Darum brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“

Rico beobachtete, wie Danielle die Röte in die Wangen stieg. Ihr Vater hätte sie genauso gut in aller Öffentlichkeit zurechtweisen können, dass sie sich ihren hübschen Kopf nicht über solche belanglosen Dinge wie Geld und Ungerechtigkeit zerbrechen sollte. Er bemerkte, dass er sie von der herablassenden Bemerkung Sinclairs ablenken wollte, um den Schmerz in ihren graugrünen Augen zu besänftigen. „Ich bekomme auch eine Position im Sinco-Vorstand.“

Sie sah ihn an. „Welche Position?“

Bis zu diesem Moment hatte er noch keine Entscheidung getroffen. Aber jetzt wusste er, was er tun würde. Es war so einfach, dass er nicht glauben konnte, nicht schon vorher daran gedacht zu haben. „Prinzessin, ich werde für besondere Projekte verantwortlich sein.“

„Was machst du hier? Das ist Martins Büro.“ Es war früh am Montagmorgen. Um diese Zeit standen die Büros bei Sinco normalerweise noch leer, und Danielle hatte ganz sicher nicht erwartet, mit dem Mann konfrontiert zu werden, der am Schreibtisch ihres Chefs saß.

„Ich glaube, der geschätzte Personalchef nimmt in dieser Woche an einer Konferenz in Sydney teil.“ Rico sah nicht einmal von den Papieren auf, die er studierte. „Und wenn er zurückkommt, wird er seinen Vaterschaftsurlaub antreten. Im zehnten Stock, wo ich arbeiten werde, müssen noch einige Änderungen vorgenommen werden. Also schlage ich vorerst hier meine Zelte auf.“

Ich will dich nicht hier haben, dachte Danielle, biss sich aber auf die Zunge. Es klang so kindisch. Dennoch stimmte es. Ihr Büro und das von Martin Dunstan waren nur durch eine Nische getrennt, in der ihre gemeinsame Sekretärin Cynthia ihren Arbeitsplatz hatte. Rico war ihr also viel zu nah. Das bereitete ihr Unbehagen. „Du kannst nicht hier arbeiten.“

Jetzt hob er den Kopf. „Das ist doch ganz sicher keine große Sache?“, fragte er leicht ungeduldig.

Unschlüssig trat sie von einem Fuß auf den anderen. Es sollte tatsächlich keine große Sache sein. Wie sollte sie ihm nur klarmachen, wie überwältigt sie war? Das konnte sie nicht, denn nicht einmal sie selbst wusste, warum sie sich so fühlte.

„Ich möchte dir etwas zeigen.“ Rico hielt einen Umschlag in den Händen. Neugierig kam Danielle näher. „Ich denke nicht, dass man dich wie ein Kind behandeln und weiter im Unklaren lassen sollte.“ Mit den Fingern streifte er ihre Hand, als er ihr den Umschlag reichte. „Mach ihn auf.“

Mit einem leicht mulmigen Gefühl öffnete sie den Umschlag. Als sie das Foto mit ihrem brutal zerschnittenen Gesicht sah, stockte ihr der Atem.

„Ich bin kein Experte, was Täterprofile angeht. Aber wer auch dafür verantwortlich ist, meint es ernst, denke ich“, erklärte Rico.

Sie war so entsetzt, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte.

Er deutete mit dem Finger auf ihr massakriertes Gesicht auf dem Foto. „Das ist der Grund, weshalb Pascal und dein Vater sich Sorgen um dich machen – und warum ich gleich nebenan sitze.“

Danielle schluckte. Warum musste erst etwas so Furchtbares passieren, damit ihr Vater ihre Existenz zur Kenntnis nahm? Doch anstatt das zu sagen, sah sie Rico an. „Warum du?“

„Weil du dich geweigert hast, einen Bodyguard zu akzeptieren.“

„Ich will nicht, dass du …“

„Warum nicht?“

„Weil …“ Danielle sucht nach den richtigen Worten. Weil ich dich nicht Tag und Nacht in meiner Nähe haben will. Besonders jetzt, da sie wusste, dass Rico nicht mehr verheiratet war und ihre Schwester nicht angerührt hatte. Was hatte Kim sich nur dabei gedacht, ihn so zu Unrecht zu beschuldigen? Leider konnte sie ihre Schwester das erst fragen, wen sie aus den Flitterwochen zurückgekehrt sein würde. Denn sie wollte Kim in die Augen sehen, wenn sie sie zur Rede stellte. Sie wollte sich selbst vergewissern, ob ihre Schwester ihr dann weitere Lügen oder die Wahrheit erzählte. Aber tief in ihrem Herzen glaubte sie Rico. Es gab keine andere Erklärung für seinen Zorn und den Widerruf ihrer Schwester.

Versuche, mich nicht zu hassen. Ich konnte nicht weiter mit all dem leben. Nicht jetzt, wo ich so glücklich bin. Ich musste etwas tun.

Nun machten Kims Worte Sinn. Die Sinclairs hatten Rico verraten. Aber obwohl Danielle Mitleid mit ihm hatte, weil sie ihn in eine derart schreckliche Lage gebracht hatten, wollte sie ihn nicht den ganzen Tag über um sich haben. „Ich brauche keinen Aufpasser“, sagte sie trotzig.

„Ich würde sagen, das Foto beweist das Gegenteil. Aber ganz wie du willst. Wenn du keinen Bodyguard akzeptierst, bekommst du eben mich.“

„Ich will dich nicht.“

„Warum nicht?“ Rico nahm sie ins Visier.

Sie bemerkte, dass sie errötete. „Ich traue dir nicht.“

Er wurde weiß wie die Wand.

Oh nein! Er denkt, ich meine … „Nein, nicht aus diesem Grund.“ Dieses Missverständnis musste Danielle aufklären. „Ich traue dir nicht, weil du es uns heimzahlen willst.“

„Wirfst du mir das vor?“ Rico sah weg, bevor er schließlich grimmig sagte: „Ich brauche die Position im Sinco-Vorstand.“

Danielle wurde das Herz schwer. Er hatte durch ihre Familie bereits so viel verloren.

Rico musste ihre Traurigkeit gespürt haben, denn er redete schnell weiter. „Diese Position im Vorstand wird mir einen Neuanfang ermöglichen und die Chance geben, meinen guten Ruf wiederherzustellen. Wenn dein Vater mich erst einmal zum Geschäftsführer ernannt hat, kann er sogar das Geld behalten, das er mir als Entschädigung angeboten hat.“

„Der arme Bradley. Ihm steht ein ziemlicher Schock bevor.“ Sie lächelte traurig. „Aber dir auch. Mein Vater wird sich niemals die Bedingungen diktieren lassen.“

Aus dunklen Augen sah Rico sie ausdruckslos an. „Oh doch, das wird er, Prinzessin. Ich kann tun, was immer ich will.“

Danielle warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Doch als sie bemerkte, dass es ihm wirklich ernst war, war sie hin- und hergerissen zwischen Hysterie und Ungläubigkeit und begann zu lachen. „Er weiß nicht, was er sich da einhandelt.“

Erstaunt hob Rico eine Augenbraue.

„Mein Vater hat sich ein Raubtier ins Haus geholt und ist völlig ahnungslos.“ Hier war jemand, den ihr Vater nicht kontrollieren konnte. Sie konnte es kaum erwarten, Robert Sinclairs Frust mitzuerleben.

Er streckte die Hand aus, um sich das Foto zurückgeben zu lassen. Dann steckte er es wieder in den Umschlag. „Denk daran, dass ich nicht dein Bodyguard bin. Du musst auf dich Acht geben. Ich habe einen Job, der viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Ich werde nur zwischenzeitlich ein Auge auf dich haben, weil Pascal und dein Vater sich Sorgen um deine Sicherheit machen. Und da dein Vater ohnehin schon mit mir zurechtkommen muss, schlägt er so zwei Fliegen mit einer Klappe. Er verschafft mir einen Einstieg bei Sinco, ohne Bradley jetzt schon aus dem Unternehmen drängen zu müssen, und jagt gleichzeitig diesem Irren Angst ein. So einfach ist das.“

„Du glaubst, dass du ihm Angst einjagst?“

„Nun, dein Vater und Pascal denken das jedenfalls.“

Danielle musterte sein grimmiges Lächeln und seinen harten, muskulösen Körper. Nein, sie war nicht überrascht, dass er anderen Männern Angst machen konnte. Ihr machte er auch Angst. D’Alessio war gefährlich. Weit gefährlicher als irgendein Spinner, der seinen Hass per Post ins Haus schickte. Und ihr Vater und Pascal vertrauten ihm die Aufgabe an, auf sie aufzupassen. Sie seufzte. „Okay. Du kannst bleiben. Mir bleibt ja wohl ohnehin keine Wahl.“

Ricos Anspannung schien ein wenig nachzulassen. „Ich werde dich abends nach Hause bringen, und ab morgen werde ich dich auch jeden Morgen dort abholen.“

Die restliche Woche verlief relativ ereignislos. Danielle ärgerte sich darüber, wie nahtlos sich Rico in ihre tägliche Routine und in das geschäftige Treiben in der Sinco-Geschäftsführungsetage eingefügt hatte. Sie hatte weit mehr Probleme damit, sich an seine Gegenwart im angrenzenden Büro zu gewöhnen, während sie zu arbeiten versuchte. Sie musste ehrlich zugeben, dass sie nicht viel zuwege brachte. Jedes Mal, wenn Rico etwas sagte und sein minimaler italienischer Akzent bis zu ihr ins Büro drang, konnte sie sich nicht mehr konzentrieren.

Am Freitagmorgen umklammerte sie das Lenkrad ihres BMWs und entschied, dass sie es sich nicht länger leisten konnte, sich von Rico ablenken zu lassen. Ihre Arbeit war zu wichtig für sie. Sie verlangsamte das Tempo, als die Ampel auf Rot schaltete. Nachdem sie angehalten hatte, warf sie dem Mann neben sich einen Blick zu. „Bist du bereit für einen weiteren harten Tag im Büro?“

Sie war erstaunt gewesen, als Rico am Dienstagmorgen vor dem Haus ihres Vaters angekommen war und nicht automatisch die Schlüssel für ihr schnelles BMW Cabriolet verlangt hatte. Ihr Vater machte das immer, wenn er mit ihr irgendwohin fuhr. Es machte Robert Sinclair verrückt, dass sie den Sportwagen so überaus vorsichtig fuhr. Dabei wusste jeder, dass ihr achtsamer Umgang mit Fahrzeugen von einer schmerzlichen Erfahrung herrührte.

Nachdem Rico den weißen BMW mit dem zusammengefalteten Dach kritisch begutachtet hatte, war sein einziger Kommentar gewesen, dass von nun an das Dach geschlossen bleiben musste.

Als sie darauf warteten, dass die Ampel auf Grün schaltete, lächelte er Danielle an. „Du arbeitest ganz sicher hart und sehr lange. Versuchst du, zur Angestellten des Jahres gekürt zu werden?“

Bei Sinco konnte man nicht mit einem solchen Preis geehrt werden. Aber es war keine schlechte Idee. Als Teamleiterin der Personalabteilung könnte sie eine derartige Auszeichnung ins Leben rufen. „Vielleicht.“

„Gib dir keine Mühe.“

Überrascht schaute sie Rico an. „Denkst du, dass ich die Ehrung nicht bekommen würde?“

„Nein.“

Die Gewissheit, mit der er das sagte, ärgerte Danielle. „Ich arbeite wirklich sehr hart! Ich habe das Betriebswirtschaftsstudium als Beste meines Jahrgangs abgeschlossen und das Managementprogramm bei Sinco im Schnelldurchgang absolviert. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich die Tochter des Chefs bin. Das versichere ich dir.“

„Das glaube ich. Es hat nichts mit deinen Fähigkeiten zu tun – aber du wirst trotzdem keinen Preis damit gewinnen.“

„Und warum nicht?“

„Weil du kein Mann bist.“ Ricos Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.

Daher konnte Danielle den Ausdruck in seinen Augen nicht sehen. Er sah sehr sexy und sehr italienisch aus. Sie bemühte sich, ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße und dem Thema zuzuwenden, über das sie gerade diskutierten. „Hältst du meinen Vater für einen Chauvinisten?“

„Natürlich ist er das!“

Leider hatte Rico recht. Ihr Vater nahm sich wenig Zeit, um auf die Frauen am Arbeitsplatz oder in der Geschäftsführung zu achten. „Und du bist kein Chauvi?“

„Ich mag Frauen.“ Er verzog den Mund zu einem Lächeln, das Danielles Herz schneller schlagen ließ.

Sie atmete tief ein. Sie konnte es sich nicht erlauben, der unglaublichen Anziehungskraft nachzugeben, die Rico noch immer auf sie ausübte.

„Die Ampel ist grün“, sagte er weich.

„Danke für den Hinweis“, erwiderte sie scharf und nahm zu schnell den Fuß von der Kupplung. Das Auto machte einen Satz nach vorn, bevor es stehen blieb. Danielle wagte nicht, Rico anzusehen oder im Rückspiegel einen Blick auf die vielen Autos hinter sich zu werfen, die warteten. Stattdessen startete sie den Motor neu und reihte sich dann in den Verkehrsstrom Richtung Innenstadt ein.

In ihrem Büro öffnete Danielle dann ihr E-Mail-Postfach und ging die ungelesenen Nachrichten durch. Als sie eine E-Mail von einem ihr unbekannten Absender entdeckte, hielt sie inne. Die Nachricht schien nicht mit einem Virus infiziert zu sein. „Dringende Kurzmitteilung“ stand in der Betreffzeile. Doch es fehlte der Text. Mit einem Stirnrunzeln legte sie eine Diskette in den Computer, speicherte darauf den Dateianhang der merkwürdigen Nachricht und startete die Virussoftware. Die E-Mail war okay. Also klickte sie auf den Anhang … Dann schrie sie laut auf.

Sie hörte kaum, dass jemand herbeigeeilt kam, so konzentriert war sie auf die abscheuliche Darstellung auf dem Bildschirm. Total entsetzt und geschockt starrte sie auf das Gesicht – ihr Gesicht – auf dem völlig verstümmelten Körper. „Was ist passiert?“, hörte sie wie aus weiter Ferne Martin Dunstan sagen.

Im nächsten Moment stürzte Rico ins Zimmer. „Runter auf den Boden, Danielle. Sofort.“

Sie gehorchte, kauerte unter dem Schreibtisch und bedeckte mit den Händen die Augen. „Und du stellst dich an die Wand“, hörte sie Rico scharf sagen.

„Aber …“

„Keine Widerrede. Tu es einfach.“

„Sie verstehen nicht …“

„Nein, Kumpel, du verstehst es nicht. An die Wand mit dir. Los.“

„Meine Güte, das ist ein Messer“, sagte Martin verzweifelt.

Nun hob Danielle den Kopf.

„Ja, ganz recht. Jetzt mit dem Gesicht an die Wand und die Hände über den Kopf.“

Danielle kam unter ihrem Schreibtisch hervor und riss die Augen auf, als sie sah, dass Rico Martin nach Waffen absuchte. In der Tür stand Cynthia, die sich die Hand vor den Mund hielt. Danielle ergriff das Wort. „Rico, Martin ist keine Bedrohung.“

Er überzeugte sich erst endgültig davon, dass der Mann nicht bewaffnet war. „Das ist Dunstan?“

„Ja … Das ist Martin Dunstan, mein Chef.“

Rico musterte ihn. „Sie sehen anders aus als auf Ihrem Sicherheitsfoto. Wo ist der Bart? Und sollten Sie jetzt nicht in Sydney sein?“

„Ich habe ihn abrasiert.“ Martin rieb sich über das Kinn. „Ich habe einen früheren Flug genommen. Meine Frau erwartet in diesen Tagen unser Baby. Es kann jeden Moment so weit sein. Es tut mir leid.“

Schnell drehte Rico sich zu Danielle um. „Du hast geschrien. Warum?“ Er ging um ihren Schreibtisch herum und hatte Martin schon vergessen.

Sie brauchte ihm nicht zu antworten.

Mit zwei Schritten stand er vor ihrem Computer und starrte, ohne auch nur zusammenzuzucken, auf den Bildschirm. Dann griff er zum Telefon.

Danielle hätte sich daran stören müssen, dass er die Kontrolle übernahm, aber sie brachte nicht die Energie dazu auf. Vielmehr war sie erleichtert, eine starke Brust zum Anlehnen zu haben, auch wenn Rico ihre Gefühlswelt gefährlich durcheinanderwirbelte.

3. KAPITEL

Als die Polizei einige Stunden später wieder weg war, bestand Rico darauf, Danielle nach Hause zu bringen. Trotz ihrer Einwände, noch arbeiten zu müssen, war ihre Erleichterung offensichtlich.

Er konnte nicht verstehen, warum er ihr unbedingt hatte helfen wollen, als die Polizei sie mit Fragen bombardiert hatte. Noch weniger begriff er allerdings, warum Danielle so viele unterschiedliche Emotionen in ihm weckte: Angst, Wut und das Bedürfnis, sie vor der Welt zu beschützen. Morgan und Carlos würden sich kaputtlachen, wenn sie ihn jetzt sehen würden. Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem gefühllosen Roboter mehr. Es erschreckte ihn, dass er anfing, wieder tiefe Gefühle zu empfinden, und dass der Angriff auf Danielle zu einer persönlichen Angelegenheit für ihn wurde.

Rico verscheuchte die neugierigen Zuschauer, die immer noch in der siebten Etage auftauchten. Während sowohl Ken Pascal als auch Davis Matthews zu ihnen ins Büro gekommen waren, hatte Robert Sinclair mit Abwesenheit geglänzt. Die Information, dass Sinclair zu beschäftigt damit war, Sicherheitsvorkehrungen für eine wichtige Delegation aus den USA zu treffen, um sich selbst um seine Tochter zu kümmern, brachte Rico zur Weißglut. Trotz Pascals ständiger Telefonate, um seinen Chef auf dem Laufenden zu halten, hatte Sinclair bisher immer noch nicht mit seiner Tochter gesprochen. Den Schmerz und die Verwirrung in Danielles Augen zu sehen machte Rico wütend. Zumindest bin ich an ihrer Seite gewesen, dachte er, als er sie in den Lift begleitete. Robert Sinclair verdiente keine Tochter wie Danielle.

„Ich denke, jetzt verstehst du, warum du diesen Irren ernst nehmen solltest“, meinte er zehn Minuten später, als Danielle mit dem BMW über den Tamaki Drive fuhr. Weil er darauf bestanden hatte, nahm sie einen anderen Weg als am Morgen.

Die Mittagssonne ließ den See in Hobson Bay glitzern, und keine einzige Wolke war am azurblauen Himmel zu sehen. Normalerweise wäre Danielle jetzt mit offenem Verdeck gefahren. Aber angesichts ihrer Panik vorhin würde es wohl eine Weile dauern, bis sie sich dafür wieder sicher genug fühlte. Und das brachte sie auf. „Okay. Du hattest also recht. Aber ich brauche dich dennoch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag um mich zu haben.“

„Prinzessin, du solltest dich glücklich schätzen, dass ich bei dir bin.“

Der Kosename bekam plötzlich eine ganz andere Bedeutung, und sie vergaß, wie sehr sie es hasste, wenn Rico sie so nannte. Sie errötete, weil sich seine Stimme so weich und sexy anhörte, und trat aufs Gaspedal. Plötzlich bekam sie Lust, etwas Verrücktes zu tun.

„He, fahr langsamer.“

Danielle warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Hast du die Hosen voll?“, spottete sie, entschlossen, die sinnlichen Bilder, die Rico in ihr hervorrief, zu verscheuchen. Fast genauso erschreckend fand sie, dass irgendein Irrer sie beobachtete. Aber niemand würde sie dazu bringen, dass ihre Angst die Oberhand gewann. Als sie noch einmal darüber nachdachte, entschied sie, dass sie sich lieber auf das gefährliche Spiel einließ, Ricos Machismo herauszufordern. „Ich war überrascht, dass ein so taffer Mann wie du mich ans Steuer meines Wagens lässt.“ Sie bedachte ihn mit einem gekonnten Augenaufschlag, als sie wegen des stockenden Verkehrs anhalten musste.

Er schnaubte. „Ich fahre nicht selbst, weil ich auf diese Weise die Hände frei habe, um meine Waffe zu ziehen. Das ist der einzige Grund.“

Provozierend sah Danielle ihn an. „Du hast die ganze Zeit die Hände auf deiner Waffe?“

Er starrte geradeaus und gab ihr keine Antwort.

Doch sie bemerkte, dass er rot wurde. „Und ich dachte, dass du akzeptierst, dass ich mein Auto gern selbst fahre.“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Macht es dir Angst, dich von einer Frau fahren zu lassen?“

Rico zuckte die Achseln. „Welcher Italiener würde sich denn die Gelegenheit entgehen lassen, in einem Sportwagen von einer schönen Blondine herumkutschiert zu werden?“

Sie funkelte ihn an, aber insgeheim schlug ihr Herz höher. Rico fand sie schön. Plötzlich schien die Sonne am Himmel noch heller zu strahlen.

Als sie zu dem weißen Herrenhaus im Paritai Drive zurückkehrten, machte sich Danielle auf den Weg zu ihren Zimmern. Sie wollte nichts mehr, als ein entspannendes Bad zu nehmen, um den schlimmen Vorfall von heute einfach abzuwaschen. Aber das würde wohl ein Wunschgedanke bleiben. Denn Rico folgte ihr auf dem Fuß und schien nicht die Absicht zu haben, sie aus den Augen zu lassen. Es sei denn, sie könnte ihn abschütteln. „Bleib genau hier stehen“, sagte sie zu ihm, als sie die Tür zu ihrer Suite öffnete.

„Ich will nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“ Er ging einfach an ihr vorbei.

Aufgebracht hielt sie ihn am Arm fest. „Ich wohne schon mein ganzes Leben lang hier. Glaube mir, da drinnen bin ich sicher.“

„Lass mich einfach durch, Prinzessin, ja?“ Er lächelte sie an.

Danielles Puls schlug schneller. Sie schluckte, als sie plötzlich die Wärme in Ricos Augen entdeckte. Verflixt, seinen Einschüchterungsversuchen konnte sie standhalten. Aber gegen seinen Charme war sie machtlos.

„Warte hier.“ Er ging hinein und war wenige Sekunden später zurück. „Bleib draußen!“, ordnete er mit versteinertem Gesicht an.

„Was …?“

„Glaub mir, du willst nicht dort hineingehen.“

Sie bahnte sich ihren Weg an ihm vorbei. Aber selbst in der Eile bemerkte sie, wie heiß ihr wurde, als sie dabei seinen muskulösen Körper streifte. Im Wohnzimmer angekommen, umfasste Rico von hinten ihre Schultern, und erneut reagierte sie mit jeder Faser ihres Körpers auf ihn.

„Danielle, du willst das nicht tun.“

Sie wollte sich aus seinem Griff winden. Aber er hielt sie nur noch fester. „Es ist mein Leben. Ich habe das Recht zu sehen, was du vor mir zu verbergen versuchst. Ich bin erwachsen, Rico. Und ich bin es leid, dass immer alle Entscheidungen für mich getroffen werden, als wenn ich noch ein Kind wäre.“

Er seufzte. „Okay. Ich sagte dir ja schon, dass ich es falsch finde, dich wie ein Kind zu behandeln. Aber das hier musst du dir wirklich nicht antun. Nicht nach dem, was heute schon passiert ist. Bist du sicher, dass du einen weiteren Schock verkraften kannst?“

Angst schnürte ihr die Kehle zu. Dennoch nickte sie entschlossen. „Ja.“

Er ließ Danielle los. „Im Schlafzimmer. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

Sie lief zum Schlafzimmer, blieb jedoch wie angewurzelt auf der Türschwelle stehen, als sie die ehemals weiße Bettdecke sah, die mit roten Flecken übersät war. Ist das Blut?, fragte sie sich beklommen. In der Mitte des Doppelbetts zwischen abgerissenen Blumen des Brautbouquets, das sie vor einigen Tagen mit nach Hause genommen hatte, lag ihre Puppe Annabelle. Ihr Körper war verstümmelt, das Gesicht zerschmettert. Impulsiv rannte sie zum Bett, um die geliebte Puppe – ein Geschenk ihrer Mutter aus Kindertagen – in den Arm zu nehmen.

„Lass sie dort liegen!“, rief Rico schroff.

Danielle zuckte zusammen und regte sich nicht mehr.

„Alles muss unverändert bleiben, bis die Polizei kommt.“ Sein Ton wurde weicher, als er zu ihr kam. Er legte die Hände auf ihre Oberarme.

Sie unterdrückte einen Schluchzer. Ihr Schlafzimmer war zum Tatort geworden.

„Du brauchst besseren Schutz. Dieser Mann zeigt deutlich, dass er dich erwischen kann, wenn er nur will. Das behagt mir absolut nicht.“

„Was kann ich tun? Ich will keinen Bodyguard. Ich kann so nicht leben.“ Als er zögerte und sie den kühl kalkulierenden Ausdruck in seinen Augen bemerkte, erschauerte Danielle. Doch dann verschwand der Ausdruck, und er wurde wieder zu dem Rico, den sie von früher kannte.

„Du kannst mich heiraten.“

Verblüfft sah sie ihn an. „Dich heiraten? Soll das ein Scherz sein? Warum?“

„Das ist kein Scherz. Dann werde ich die ganze Zeit über mit dir zusammen sein. Du wirst ihm nie allein ausgeliefert sein.“

Stattdessen würde sie Rico ausgeliefert sein! Aber statt Furcht löste der Gedanke ein wohliges Prickeln aus, das Danielle zu Kopf stieg wie ihr erstes Glas Champagner. Unter gesenkten Lidern schaute sie auf seinen festen, vollen Mund, der im Zentrum unzähliger Tagträume gestanden hatte, als sie siebzehn Jahre alt gewesen war. Dieser Mund und seine heisere Stimme hatten Wünsche in ihr geweckt, von denen sie nicht gewusst hatte, wie sie in Erfüllung gehen könnten – Begierden, die sie in Verlegenheit gebracht hatten.

Und jetzt schlug ihr Teenageridol vor, ihn zu heiraten. Die Welt schien stillzustehen. Sie schüttelte heftig seine Hände ab, und er ließ sie gehen. Sie trat einen Schritt zurück und wünschte sich gleichzeitig, er hätte sie nicht losgelassen. Mom, was soll ich tun? Doch ihre Mutter konnte ihr nicht helfen. Genauso wenig wie vor vier Jahren, als die aufgestaute Sehnsucht sie dazu getrieben hatte, sich Rico an den Hals zu werfen – was in einem Fiasko geendet hatte.

Allein die Erinnerung daran ließ Danielle erblassen. Rico und ihr Vater hatten ein gemeinsames Wochenende geplant, um über die Zukunft von Sinco Security nachzudenken. Am Freitagabend hatten die beiden bis Mitternacht im Arbeitszimmer ihres Vaters gesessen und gearbeitet, und sie war vor der Tür hin und her gegangen und hatte Ricos tiefer Stimme gelauscht. Sie war wirklich total verknallt gewesen.

Nach dem Meeting hatte Rico sich ins Gästezimmer zurückgezogen, und sie hatte wahnsinnig aufgeregt an seine Tür geklopft. Als er die Tür aufgemacht und gesehen hatte, dass sie barfuß war und nur einen Morgenmantel aus Satin trug, hatte er mit einem Stirnrunzeln gefragt, was sie wollte. Sie war an ihm vorbei ins Zimmer geeilt, hatte die sehr romantischen Worte vergessen, die sie sich zurechtgelegt hatte, und einfach den Morgenmantel auf den Boden fallen lassen. Dann hatte sie nur in ihrem knappen weißen Spitzenslip vor ihm gestanden und ihn sehnsüchtig angesehen.

Doch Rico war wütend geworden und hatte sie angeschrien, dass sie noch ein Kind und er ein verheirateter Mann wäre. Dann hatte er sie aufgefordert, das Zimmer zu verlassen. Sie wäre vor Scham fast gestorben und hatte sich nur noch irgendwo verkriechen und ihm nie wieder in die Augen sehen wollen. Aber sie hatte sich gezwungen, seinem Blick zu begegnen, der unnahbar und nicht mehr voller Anteilnahme und Sympathie gewesen war. Sie hatte ihren Morgenmantel aufgehoben und war aus dem Zimmer gerannt. Am darauffolgenden Tag war Rico dann sehr distanziert gewesen.

Und jetzt bat er sie, ihn zu heiraten.

„Heirate mich. Ich werde alles in Ordnung bringen. Du wirst schon sehen.“ Er klang sehr sicher.

Danielle schaute in seine funkelnden Augen, und ihr Herz klopfte schnell. Konnte er alles in Ordnung bringen? Sie sah ihn prüfend an. Er war nicht mehr der Mann, den sie in Erinnerung hatte. Aber er bot ihr eine Chance. Sie konnte ihn heiraten und den Mann kennenlernen, der er jetzt war. Sie konnte in Erfahrung bringen, ob sich hinter seinem unnachgiebigen Blick die Freundlichkeit verbarg, mit der er ihr einst begegnet war. Doch sie wollte weit mehr als Freundlichkeit. Sie wollte wissen, wie es sich anfühlte, von Rico berührt und geküsst zu werden. Verstohlen sah sie auf seinen Mund und stellte sich vor, wie er mit seinen Lippen über ihre streichen würde. In ihren Träumen hatte sie sich das so oft ausgemalt. Aber damals war sie ein sehr romantischer Teenager gewesen. Heute war sie erwachsen, und ihre Sehnsüchte gingen weit über einen schüchternen Kuss hinaus.

„Es ist zu spät“, sagte sie und wünschte, die Wahrheit würde nicht so wehtun. Es war besser, sich endlich der Realität zu stellen, bevor sie noch den Verstand verlor. Schließlich hatte sie beschlossen, den Traum von einer Hochzeit völlig abzuschreiben und sich stattdessen auf ihre Ausbildung und ihren Beruf zu konzentrieren. „Eine Heirat ist nicht notwendig“, fügte Danielle kühl hinzu und schluckte. Sie würde Rico also nie küssen und erfahren, ob er so leidenschaftlich war, wie sie glaubte.

„Okay, und was ist dann mit einer vorgetäuschten Heirat?“

„Eine vorgetäuschte Heirat?“, fragte sie ungläubig und war einen Moment lang erleichtert über seine Hartnäckigkeit.

„Warum nicht?“ Rico kam näher. „Eine in aller Öffentlichkeit vorgetäuschte Heirat. Denk mal darüber nach. Es wird in allen Zeitungen stehen. Der Stalker wird eingeschüchtert und verschwindet, sobald er realisiert, dass du einen Ehemann hast und nicht länger zu haben bist. Oder er wird durchdrehen und etwas Unüberlegtes tun. Dann werde ich ihn mir schnappen. So oder so wirst du gewinnen …“

Das ergab auf eine merkwürdige Art Sinn. Aber Danielle zögerte noch immer. „Mein Vater würde es nicht erlauben … Selbst wenn es nur eine Finte wäre. Meine Wünsche zählen nicht für ihn. Für ihn spielt nichts eine Rolle – außer Geld und Macht.“

„Dein Vater will nicht, dass dir etwas passiert.“

Er wird mich niemals gehen lassen, wollte sie erwidern. Dennoch schwieg sie, denn Rico bot ihr einen Ausweg an. Sie musste nur noch zustimmen. Sie starrte in seine dunkelbraunen Augen und verbarg ihre Sehnsucht. Denn er bot ihr an, all ihre Träume und Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen. Die Chance, sich aus der Dominanz ihres Vaters zu befreien … und vielleicht sogar … Danielles Herz begann, schneller zu schlagen. Sie wagte nicht einmal, daran zu denken. „Eine vorgetäuschte Hochzeit. Ich möchte nicht hören, was mein Vater dazu sagen wird“, meinte sie dann.

„Dann sag es ihm nicht. Es ist dein Leben. Sag ihm, die Hochzeit sei echt. Er wird keine Wahl haben.“

„Das kann ich nicht. Es fällt mir schwer, ihm die Stirn zu bieten. Ich will ihn nicht anlügen.“

„Dann tu irgendetwas, um wieder selbst über dein Leben zu bestimmen. Such dir einen neuen Job, eine eigene Wohnung. Lebe dein Leben.“

Danielle starrte Rico an. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie schon versucht hatte, auszuziehen und der Kontrolle ihres Vaters zu entkommen? Aber er hatte ihr jedes Mal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und dann waren da die Belohnungen dafür, dass sie blieb. Die Beförderungen am Arbeitsplatz etwa. Der subtile Druck und ihr schlechtes Gewissen hatten dafür gesorgt, dass sie nicht so einfach weggehen konnte.

„Dein Vater wird einer Hochzeit zustimmen“, fuhr er fort. „Denn dadurch kann er das wiedergutmachen, was er mir angetan hat. Viele Leute halten mich eines Verbrechens für schuldig, das ich nie begangen habe.“

Sie errötete und sah schuldbewusst weg.

„Dein Vater ist schlau genug, das zu begreifen – und es wird weit weniger kosten, als das Gesicht zu verlieren, falls ich gerichtlich gegen Kimberly vorgehen werde.“

Wird er mir jemals verzeihen, dass ich an ihm gezweifelt habe?, fragte sich Danielle. „Es tut mir so leid, Rico.“ Sie bereute, dass sie nicht an ihn geglaubt hatte. Sie hatte nicht daran gedacht, was Rico von dieser Scheinheirat haben könnte – die Chance, an ihrer Seite gesehen zu werden und seinen Namen unwiderruflich reinzuwaschen. Dass eine solche Heirat auch zu seinem Vorteil sein würde, machte es ihr einfacher. Impulsiv legte sie die Hand auf seine. „Glaub mir – ich hasse es, dass die Leute denken, du hättest dich einer Sache schuldig gemacht, die du nicht begangen hast.“

Er ballte die Hand unter ihrer zur Faust. Dann streckte er die Finger wieder aus und drehte die Hand um. Als sich ihre Handflächen berührten, verschränkte er seine Finger mit ihren.

Danielle erinnerte sich daran, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der sie sich an ihm, an dieser Hand, festgehalten hatte. Damals hatte er sie getröstet und war für sie da gewesen. Nur das hatte sie davor bewahrt, völlig in ihrem Leid zu versinken. Jetzt brauchte Rico sie, um seinen guten Ruf wiederherzustellen. Er hatte so viel verloren. Wie konnte sie sich ihm da verweigern?

Er drückte ihre Hand. „Mach dir wegen deines Vaters keine Gedanken. Mich zu heiraten macht wirklich Sinn. Pascal und ich werden deinen Vater davon überzeugen.“

„Danke.“ Sehr erleichtert über sein Angebot, mit Robert Sinclair zu reden, lächelte sie ihn an. „Du bist mein Held.“ Intensiv blickte er sie an. Ein heißer Schauer lief Danielle über den Rücken. Sie waren noch nicht einmal verheiratet, und schon hatte sie ihre Reaktion auf ihn nicht mehr unter Kontrolle. Beabsichtigte er …? „Wir werden doch nicht gemeinsam in meiner Suite wohnen müssen, oder?“, platzte sie heraus.

Der Ausdruck in seinen Augen wurde wieder emotionslos und unergründlich, und er entzog Danielle seine Hand. „Wir werden sogar dieses Schlafzimmer miteinander teilen. Ich will hier sein, wenn der Stalker erneut versucht, hier hereinzukommen.“

„Wenn?“ Sie sah sich völlig verunsichert um. Voller Unbehagen verschränkte sie die Arme vor der Brust. Der Gedanke, dass Rico die ganze Nacht in ihrem Schlafzimmer verbringen würde, verstörte sie zutiefst. „Meinst du nicht, falls er es erneut versucht?“

„Nein, denn ich denke nicht, dass er so einfach aufgeben wird. Es muss so aussehen, als wenn wir das Schlafzimmer teilen. Wir wissen nicht, wie er an Informationen über dich herankommt.“

„Du meinst, dass ihn jemand mit Informationen über mich versorgt?“, fragte Danielle entsetzt.

„Wahrscheinlich. Wie sonst sollte er in dein Schlafzimmer kommen?“

Plötzlich fühlte sie sich in den vertrauten vier Wänden nicht mehr sicher. Sie wollte nur noch weg und nie mehr zurückkommen. „Ich werde nie wieder in diesem Bett schlafen“, entschied sie.

„Dann kauf dir ein anderes.“

Rico hat recht. Es ist so einfach, dachte Danielle und entspannte sich. „Das werde ich. Was ist mit Annabelle?“

„Die Polizei wird sie wahrscheinlich mitnehmen.“

Sie schloss einen Moment lang die Augen. Die geliebte Puppe hatte sie immer an ihre Mom erinnert. Dann sah sie Rico an. „Ich will hier nicht bleiben … nach all dem … Nicht einmal in einem neuen Bett könnte ich in diesem Zimmer schlafen.“

„Wie wäre es, wenn du in Kimberlys Suite ziehst?“

„Nein.“ Danielle atmete tief ein. „Wenn ich mitspiele und so tue, als würde ich dich heiraten, möchte ich auch etwas davon haben.“

„Nämlich?“

„Meine Freiheit. Du bist derjenige, der mich Prinzessin nennt. Ich muss meinem goldenen Käfig entkommen und irgendwo leben, wo mich mein Vater nicht mehr kontrollieren kann.“

„Du bist hier sicherer. Das Haus ist bestens geschützt“, gab Rico zu bedenken.

„Danach sieht es aber absolut nicht aus, oder?“ Danielle reckte das Kinn. „Das ist meine Bedingung. Entweder ich ziehe aus, oder es gibt keine Scheinheirat. Du hast die Wahl.“

Er schnaubte. „Prinzessin, du bist kaum in der Position, Bedingungen zu stellen.“

„Ich weiß. Aber ich versuche mein Bestes.“

„Okay.“ Rico seufzte. „Du kannst in meinem Apartment bleiben, das ich vorübergehend gemietet habe. Auch dort ist es relativ sicher.“

„Nein! Dann komme ich vom Regen in die Traufe. Ich will meine eigenen vier Wände haben – etwas, das ganz allein mir gehört.“ Danielle hatte schon ihr neues Heim vor Augen, das sie ganz nach ihrem Geschmack einrichten würde. „Auf diese Weise werde ich zumindest meine Unabhängigkeit haben, wenn diese Farce vorüber ist.“ Schnell fuhr sie fort: „Du kannst für die Sicherheit der Wohnung oder des Hauses sorgen, das ich finden werde. Wenigstens musst du dir dann keine Gedanken machen, dass dieser Irre vom Personal oder von sonst irgendjemand hier Informationen über mich zugesteckt bekommt. Dann wird er woanders Erkundigungen einziehen müssen.“

Einen Moment lang erwiderte Rico ihren Blick. Als er schließlich nickte, war sie unglaublich erleichtert.

4. KAPITEL

Am darauffolgenden Samstag starrte Danielle ungläubig und leicht benommen auf den Priester vor dem Altar, der sehr überzeugend wirkte. Der Schauspieler, den Rico engagiert hatte, wirkte wie ein echter katholischer Priester. Und auch die Trauungszeremonie fühlte sich sehr real an. Die vielen weißen Blumenarrangements, Ricos Ehegelöbnis, das zu Herzen ging – all das trug dazu bei, den Schein einer echten Hochzeit zu wahren. Sogar das eng anliegende elfenbeinfarbene Brautkleid, das sie trug, und ihr Brautbouquet mit den winzigen weißen Rosen hätte sich Danielle für ihre echte Traumhochzeit ausgesucht. Eine Traumhochzeit, die wohl nie stattfinden konnte. Denn welcher Mann würde sie wollen, nachdem sie ihm gesagt hätte, dass sie …

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“, erklärte der Priester – nein, der Schauspieler.

Vor Panik erstarrte Danielle. Hatte Rico den Mann nicht angewiesen, diesen Teil der Zeremonie auszulassen? Sie wollte ihn nicht küssen. Nicht vor zweihundert Gästen, die in letzter Minute eingeladen worden waren, um der Hochzeit mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Rico beugte sich über ihren Mund, und Danielle erwog kurz, die Augen zu schließen. Doch dann entschied sie, besser auf der Hut zu sein. Für den Bruchteil einer Sekunde küsste er sie sanft auf den Mund.

Einen kurzen Moment lang dachte sie, dass sie zu benommen war, um die Wirkung des Kusses zu spüren. Aber irgendetwas, eine winzige Kleinigkeit, hatte sich verändert. Ihr Atem stockte, ihr Herz begann wie wild zu klopfen. Dann war der Moment vorüber, und Rico trat zurück. Sie seufzte – aus Erleichterung, weil der Kuss so schnell geendet hatte? Oder aus Sehnsucht, weil er sie nicht mit der Leidenschaft geküsst hatte, zu der er ihrer Meinung nach fähig war?

„Es ist fast vorbei“, murmelte er. „Dann kannst du dich entspannen.“

Danielle lächelte nervös. Entspannen? Wenn sie und Rico in ein paar Stunden zusammen in der Hochzeitssuite waren und am Tag danach in das behagliche Stadthaus zogen, das sie vor vier Tagen gekauft hatte – entspannen war wohl kaum möglich. Zum ersten Mal fragte sie sich, ob es tatsächlich eine so gute Idee gewesen war, allein mit ihm zu wohnen. Im Haus ihres Vaters wären sie wenigstens permanent von Leuten umgeben gewesen. Verstohlen musterte sie sein kantiges Profil, die rabenschwarzen Haare, die ihm in die Stirn fielen, seine markante Nase und den sinnlichen Mund. Gleichermaßen erregt und besorgt betrachtete sie ihn. Ihr Puls schlug schneller. Bei dem Gedanken, seinen Mund auf der Haut zu spüren, erbebte sie. Unbewusst umfasste sie seinen Arm fester.

Er wandte ihr den Kopf zu und sah sie wachsam an.

Sie schluckte und lächelte schwach. Er erwiderte ihr Lächeln, aber ohne jeden Anflug der heißen Sinnlichkeit, nach der sie sich sehnte.

Erleichtert registrierte sie, dass Rico absolut keine Ahnung hatte, wie sehr er ihr noch immer unter die Haut ging. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie so dringend Trost gebraucht, dass sie sich eingebildet hatte, in den Mann verliebt zu sein, der ihr in einer grauenvollen Zeit beigestanden hatte. Sie war überzeugt gewesen, dass die schlimme Erfahrung und der Schmerz, den sie geteilt hatten, sie für immer zusammenschweißen würden. Aber es war keine Liebe. Sie war lediglich verliebt gewesen in einen verheirateten Mann, der ihr sein mangelndes Interesse durch eine brutale Zurückweisung deutlich gemacht hatte. An seiner Haltung würde sich sicher nichts ändern. Nicht nach all dem, was die Sinclairs ihm angetan hatten.

Als die Trauungszeremonie beendet war, führte Rico sie hinter dem falschen Priester in einen angrenzenden kleinen Raum. Dort trugen sie sich in ein gefälschtes Kirchenregister ein und lächelten in die Linse des Fotografen, den ihr Vater bestellt hatte. In der Kirche setzte Orgelmusik ein, und sie schritten den Gang zwischen den Gästen entlang zur Tür. Vor Danielles Augen verschwammen die vielen lächelnden Gesichter, und einen Moment lang wünschte sie sich verzweifelt, dass all das wahr wäre. Dass dies eine echte Hochzeit wäre und kein teure Farce, auf die sie sich wegen eines brandgefährlichen Stalkers eingelassen hatte.

Der Wunsch verflog, als sie und Rico hinaus in die frische Luft traten. Die Reporter, die vor der Kirche auf das frischgebackene Ehepaar gewartet hatten, drängten nach vorne, und die Mitarbeiter von Sinco Security hatten Mühe, die Paparazzi zurückzuhalten. Rico legte den Arm um Danielles Schultern und schirmte sie mit seinem Körper ab, als er sie schnell an der Menschentraube vorbeiführte. Sie konnte seine Anspannung spüren, und seine beschützende und fürsorgliche Geste löste eine Welle von Zuneigung und Wärme in ihr aus.

Ein schwarzer Bentley fuhr vor, und Rico machte die Tür auf. Zumindest wusste sie jetzt, wie es sich anfühlte, eine Braut zu sein. Er hatte alles, was sich eine Braut erhoffen konnte – und mehr. Wie ein Profi hatte er den liebevollen Ehemann gespielt. Aber er hatte ja auch Erfahrung. Schon einmal hatte er vor dem Altar gestanden. Das erste Mal hatte er allerdings aus Liebe und nicht zum Schein geheiratet. Er manövrierte sie in den wartenden Wagen. Durch die Trennscheibe aus Glas erkannte sie Bob Harvey, einen Sinco-Fahrer, der für besonders gefährliche Einsätze ausgebildet war. Sie mochte die plump vertrauliche und leicht anzügliche Art des Mannes nicht, aber heute sah er strikt geradeaus. Offensichtlich wollte er Rico keine Angriffsfläche bieten.

Als der Wagen sich in Bewegung setzte, sah Rico sie an. „Du bist eine schöne Braut.“

„Danke.“ Danielle strahlte vor Freude und ließ den Blick über seinen eleganten hellgrauen Anzug wandern. „Du siehst auch nicht schlecht aus.“

Er schien sich unbehaglich zu fühlen. „Der Hochzeitstag gehört der Braut.“

„Das hier ist wohl kaum eine echte Hochzeit“, erinnerte sie ihn.

Sofort warf Rico einen warnenden Blick in Richtung Fahrer.

Sie seufzte. Natürlich war die Show noch nicht vorbei. Auch wenn der Fahrer durch die Glasscheibe nichts hören konnte. Sie sah aus dem Fenster. Doch dann ritt sie der Teufel. Sie rückte näher und schmiegte sich an seine Brust.

Er erstarrte. „Was machst du da?“

„Ich versuche, so realistisch wie möglich die glückliche Braut zu geben.“ Danielle zeigte aus dem Fenster. „Für sie.“

Rico fluchte, als das Motorrad zu ihnen aufschloss und der Beifahrer auf dem Rücksitz die Kamera zückte. „Zeigen Sie uns einen Kuss“, rief der Fotograf.

Sofort nahm Rico sein Handy, gab barsch eine Anweisung, und im nächsten Moment fuhr ein Auto nach vorn und drängte das Motorrad ab.

„Ich wollte der Bitte gerade nachkommen“, sagte Danielle schelmisch.

Er funkelte sie nur böse an.

„Wir sind da“, meinte sie erleichtert, als der Bentley durch das beeindruckende Eingangstor des exklusiven San Lorenzo Hotels fuhr.

Sosehr Rico sich auch einzureden versuchte, dass Danielle ihn eigentlich kaltließ, so sicher wusste er doch, dass es zwecklos war. Daher versuchte er, sich mit der Tatsache anzufreunden, dass Danielle ihm zunehmend unter die Haut ging und dass er sie in der Kirche am liebsten heiß und leidenschaftlich geküsst hätte. Es war für ihn total unbefriedigend gewesen, nur kurz ihre Lippen gestreift zu haben. Und auf dem Weg zum Bentley hatte er es genossen, den Arm um sie zu legen und ihren Körper zu spüren. Jetzt beobachtete er sie, wie sie von Tisch zu Tisch ging, lächelte und mit den Gästen redete.

In den letzten Tagen hatte er jedes Mal einen seltsamen Widerwillen gespürt, seinen Plan in die Tat umzusetzen, wenn er Danielles Blick begegnet war. Doch dann hatte der Gedanke an Lucia seinen Entschluss erneut bekräftigt.

Lucia. Rico wartete zum ersten Mal vergeblich auf die vertraute, fast tröstliche Leere und die Einsamkeit, die er immer empfand, wenn er sich an seine verstorbene Frau erinnerte. Verdammt, dann sollte ihm zumindest die Erinnerung an das bleiche Gesicht seines Vaters, der nach einem Schlaganfall auf der Intensivstation im Mailänder St. Josephs Krankenhaus lag, jegliche Zweifel austreiben. Nachdem Kim überraschend ihre Anschuldigung widerrufen hatte, war er vom jüngsten Entführungsfall im Mittleren Osten nach Neuseeland geflogen und hatte nur kurz Zwischenstation am Krankenhausbett seines Vaters machen können. Alles, was er jetzt zu tun hatte, war, die Wünsche seines Vaters zu erfüllen.

Ken Pascal gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Alles in Ordnung?“

Er nickte, und Pascal ging weiter. Obwohl zahlreiche Sicherheitsleute in Zivil im Saal waren, blieb auch Pascal wachsam.

Danielle würde nichts geschehen. Fast gegen seinen Willen suchte Rico den Saal nach ihr ab. Selbstsicher stand sie bei einigen Gästen und plauderte. Die Konvention, ein weißes oder auch ein elfenbeinfarbenes Brautkleid zu tragen, wie es moderne Bräute gern taten, ist eine Lüge, dachte er. Es war lächerlich, denn keine Frau ging heutzutage noch als Jungfrau in die Ehe – was wohl auch kein Mann erwartete. Er jedenfalls wollte eine selbstständige Frau, die wusste, was Sache ist.

Eine moderne Frau wie Danielle Sinclair, die trotz ihrer kühlen Art sehr weiblich war. Das Seidenkleid setzte ihren schlanken, geschmeidigen Körper besonders schön in Szene. Sie trug ihre langen Haare offen. Einige gelockte Haarsträhnen umrahmten weich ihr Gesicht, was sexy wirkte. Im Moment hatte sie absolut nichts mit dem Image der unterkühlten Eisprinzessin gemein, das sie sonst der Welt präsentierte. Sie ist meine Braut, dachte Rico einen Moment lang. Dann ballte er die Hände zu Fäusten. Nein! Sie würde nie seine Braut sein. Seine Braut war tot. Abrupt wandte er sich ab.

„Du musst sehr zufrieden mit dir sein. Alles läuft glatt“, sagte jemand mit unverhohlener Feindseligkeit in der Stimme. Rico drehte sich zu Robert Sinclair um, der mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck seine Tochter betrachtete. „Sie sieht schön aus – genauso schön wie ihre Mutter.“

Er wünschte, Sinclair würde den Mund halten. Er hatte selbst bemerkt, dass Danielle förmlich glühte. Und er musste auch nicht an Rose Sinclair erinnert werden. Was konnte er sagen? Es tut mir leid, dass sie gestorben ist, weil ein Betrunkener mit seinem Wagen in ihr Auto gekracht ist? Es tut mir leid, dass Danielle es ertragen musste, mit ihrer toten Mutter in dem Wrack eingeschlossen zu sein? Und – was ihn am meisten schmerzte – es tut mir leid, dass Rose vorher die Plätze mit mir getauscht hat? Ich hätte an diesem Tag sterben sollen, nicht die Mutter von zwei halbwüchsigen Töchtern.

Rico beobachtete, wie Danielle mit einer rothaarigen Frau redete. Kimberly, realisierte er. Er hatte Danielle eine Woche lang nicht aus den Augen gelassen, und seit Kimberlys Rückkehr aus den Flitterwochen trafen die beiden Schwestern zum ersten Mal wieder zusammen.

„D’Alessio …“

„Nenn mich besser Rico, hm? Schließlich sind wir jetzt eine Familie.“ Er sah Sinclair spöttisch an. Doch dann entschied er, nicht auf dem Hochzeitsempfang mit seinem angeblichen Schwiegervater Streit anzufangen, und fügte beschwichtigend hinzu: „Ich erinnere mich, dass sie schon als Teenager ein aufmerksames und rücksichtsvolles Mädchen war.“

„Sie ist wie ihre Mutter, wie ich schon sagte“, entgegnete Sinclair schroff. „Hüte sie wie deinen Augapfel. Ich will nicht …“. Er kam ins Stocken. „ … dass ihr irgendetwas passiert.“

Der Bastard hat auch eine menschliche Seite, dachte Rico und machte sich auf den Weg zu seiner Braut. Es war weit einfacher, Sinclair für einen kalten, tyrannischen Magnaten zu halten, als als Mann, der die geliebte Frau verloren hatte.

Danielle beobachtete, wie Rico sich entschlossen den Weg zu ihr bahnte. Er wirkte wieder sehr unnahbar, was sie hasste. Als David ihn aufhielt, seufzte sie erleichtert.

„Bist du sicher, dass dieser Heiratsplan funktionieren wird?“, fragte Kim.

Plötzlich wünschte Danielle, sie hätte ihre Schwester über den Grund ihrer „Heirat“ im Unklaren gelassen. „Ken, Daddy und Pascal sind davon überzeugt.“

„Trotzdem ist es total abgedreht, Daddys neuestes Vorstandsmitglied zu heiraten, um einem Irren einen Strich durch die Rechnung zu machen. Das würde eher zu mir passen. Und du hättest stattdessen meine Hochzeit mit Bradley haben sollen.“

Es wäre meine Hochzeit gewesen, wenn meine Mutter noch leben würde, dachte Danielle. Denn es war der innigste Wunsch ihrer Mutter gewesen, dass Bradley, der älteste Sohn der besten Freundin von Rose Sinclair, und Danielle heiraten würden. Aber das Schicksal hatte es anders gewollt. Bradley hatte Kim geheiratet – so wie es ihre Schwester gewollt hatte. Nun war sie endlich glücklich. Dennoch konnte Danielle es sich nicht verkneifen zu sagen: „Hast du Bradley schon über?“

„Meine Güte, nein! Es war ein Witz.“ Kim war entsetzt, dass ihre Schwester ihre Worte ernst genommen hatte.

Autor

Barbara McCauley
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