Baccara Exklusiv Band 168

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SETZ ALLES AUF LEIDENSCHAFT von JACKSON, BRENDA
Ausgerechnet in das Kasino ihres Ex-Geliebten führt Brookes nächster Einsatz als Agentin. Das Wiedersehen mit Ian beweist: Liebe und Leidenschaft waren nie erloschen. Doch zwischen heißen Küssen muss sie heimlich ermitteln - gegen den Mann, den sie von ganzem Herzen liebt …

DIE NACHT, IN DER ALLES BEGANN von LINDSAY, YVONNE
Immer wieder träumt Rachel von der heißen Liebesnacht mit Matt - die elf Jahre zurückliegt! Doch sobald Matt sie mit diesen dunklen Augen ansieht, flammt die alte Sehnsucht wieder auf. Wenn er nur endlich das Diamanten-Imperium vergessen könnte - und die Tatsache, dass Rachel seine Angestellte ist!

DIE RACHE DES MILLIARDÄRS von LEWIS, JENNIFER
Als Milliardär kehrt Declan Gates in seine Heimatstadt zurück, um sich an seiner Ex-Freundin zu rächen. Beim Wiedersehen mit Lily fliegen die Fetzen - und ein gemeinsamer nächtlicher Spaziergang am Strand endet in einer heißen Umarmung. Trotzdem gibt Declan seine Pläne nicht auf …


  • Erscheinungstag 01.06.2018
  • Bandnummer 0168
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725082
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson, Yvonne Lindsay, Jennifer Lewis

BACCARA EXKLUSIV BAND 168

PROLOG

„Ich mache das nicht, Malcolm!“, erklärte Brooke Chamberlain scharf und schob sich geistesabwesend eine dunkelbraune Locke hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war.

Wenn sie auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, weshalb sie ins Büro des Chefs zitiert worden war, hätte sie sich mit Sicherheit eine Ausrede einfallen lassen.

Aus ihrer Sicht war seine Bitte völlig inakzeptabel.

Erstens hatte sie gerade erst einen Einsatz beendet, in dem sie aufgedeckt hatte, dass ein bekanntes Weingut mehr als nur Qualitätsweine produzierte. Und zweitens verlangte Malcolm von ihr, dass sie über ihren Schatten sprang und ausgerechnet dem Mann nachspionierte, der sie aus tiefstem Herzen hassen musste – Ian Westmoreland.

Nervös fuhr sich Malcolm Price mit der Hand übers Gesicht. „Setz dich, Brooke. Ich will dir erklären, warum ich dich für diesen Einsatz ausgewählt habe.“

Sie gab einen wenig damenhaften Laut von sich. In ihren Augen gab es nichts zu erklären. Malcolm war mehr als nur ihr Chef. Er war ein guter Freund, und sie kannten sich seit ihrem ersten Tag beim FBI. Deshalb war er auch einer der wenigen, die über ihre frühere Beziehung zu Ian und über den Trennungsgrund Bescheid wussten.

„Wieso verlangst du das ausgerechnet von mir, Malcolm?“, fragte sie und ging unruhig im Zimmer auf und ab, anstatt sich zu setzen.

„Wenn du Nein sagst, fällt die Wahl auf Walter Thurgood.“

Abrupt blieb sie stehen. „Thurgood?“

„Ja, und wenn er den Einsatz leitet, kann ich nichts mehr tun.“

Brooke setzte sich jetzt doch in den Sessel, den Malcolm ihr angeboten hatte. Walter Thurgood war ein ehrgeiziger Emporkömmling, der seit einigen Jahren beim FBI arbeitete. Er verfolgte hochgesteckte Ziele, und eines davon war, ein Top-FBI-Mann zu werden. Nach seinen ersten Einsätzen stand er im Ruf, ein guter Ermittler zu sein, der seine Fälle erfolgreich löste – wenn auch manchmal mit fragwürdigen Methoden.

„Selbst wenn Ian Westmoreland eine weiße Weste hat, wird ihn Thurgood in ein denkbar schlechtes Licht rücken und als Verbrecher hinstellen. Hauptsache, es ist gut für seine Karriere“, sagte Malcolm, ohne zu verbergen, wie wenig er Thurgood mochte.

Brooke war klar, dass Malcolm recht hatte. Und sie wusste auch, was er nicht ausgesprochen hatte: dass dem Sohn eines einflussreichen Mannes viel zu selten auf die Finger geklopft wurde.

„Aber wenn du denkst, dass Ians Geschäfte sauber sind, und du ihn nicht verdächtigst, warum dann die Ermittlungen?“, fragte sie.

„Weil der vorherige Eigentümer, Bruce Aiken, illegales Glücksspiel betrieben hat. Wir wollen vermeiden, dass Aikens alte Freunde zurückkommen. Während des Gerichtsverfahrens gegen ihn waren sie untergetaucht, könnten jetzt aber ohne das Wissen Westmorelands ihre alten Geschäfte wieder aufnehmen. Gewissermaßen tust du ihm sogar einen Gefallen, wenn du dich ein bisschen umschaust.“

Sie wandte den Blick ab und betrachtete ihre ineinander verschränkten Hände. Brooke und Malcolm wussten beide, dass Ian die Sache nicht so sehen würde. Es würde das Misstrauen zwischen Ian und ihr selbst nur verstärken. Andererseits wollte sie auf keinen Fall zulassen, dass Thurgood den Fall an sich riss. Denn das würde geradezu katastrophal für Ian enden.

Brooke hob den Kopf und sah Malcolm wieder ins Gesicht. „Und es ist keine offizielle Ermittlung?“

„Richtig. Du machst einfach deine wohlverdienten Ferien und hältst dabei Augen und Ohren offen.“

Sie beugte sich vor, und Ärger blitzte in ihren Augen auf. „Ian ist einer der ehrenhaftesten Männer, die ich kenne.“

„Wenn das so ist, brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen.“

Einen Augenblick sah sie ihn gedankenverloren an, bevor sie sagte: „Okay.“

Fragend zog Malcolm eine Augenbraue hoch. „Heißt das, du machst es?“

Es war ihnen beiden klar, dass sie in einer Zwickmühle steckte. „Ja, ich mache es. Und du hast es von vornherein gewusst.“

Lächelnd nickte er. Und in dem Blick seiner tiefblauen Augen erkannte Brooke, dass er noch etwas wusste: dass sie Ian Westmoreland auch nach vier Jahren noch immer liebte.

1. KAPITEL

Ian Westmoreland saß an seinem Schreibtisch und steckte bis zum Hals in Büroarbeit, als er plötzlich ein seltsames Ziehen in der Magengegend spürte. Dafür gab es keinen ersichtlichen Grund. Aber Ian war inzwischen dreiunddreißig Jahre alt und hatte gelernt, auf seine Intuition ebenso zu vertrauen wie auf seinen Verstand.

Nachdenklich hob er den Kopf und blickte auf die holzvertäfelte Wand vor ihm.

Er streckte die Hand aus, drückte einen Knopf und beobachtete, wie die Holzverkleidung zur Seite glitt und den Blick auf eine riesige Glasfront freigab.

Geschäftig liefen die Menschen durch das Casino, versuchten ihr Glück an den Spielautomaten und – tischen und bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden. In bestimmten Bereichen des Casinos wurden sie außerdem abgehört. Mehr als einmal hatten die Überwachungsgeräte Gespräche aufgezeichnet, die besser unbelauscht geblieben wären. Aber für den Betrieb eines Casinos von der Größe des „Rolling Cascade“ hatten Monitore und verspiegelte Glaswände aus Sicherheitsgründen durchaus ihre Daseinsberechtigung.

Nicht alle Casinobesucher waren gekommen, um zu spielen. Leider gab es auch einige, die die Schwäche anderer gezielt ausnutzten, und auf diese Sorte Gäste konnte Ian sehr gut verzichten. Der große Überwachungsraum im dritten Stock war mit erstklassigen Sicherheitsexperten besetzt, die mithilfe von hundert Monitoren vierundzwanzig Stunden am Tag Aufsicht führten und sicherstellten, dass es keine Zwischenfälle gab.

Seit der großen Eröffnungsfeier verzeichneten Casino und Resort viele Buchungen von Menschen, die neugierig waren und sich das Resultat der umfangreichen Renovierungsarbeiten anschauen wollten. Sie fanden die Gerüchte bestätigt: Das vormals heruntergewirtschaftete Casino erstrahlte nun in völlig neuem Glanz. Eine Sonderausgabe des People Magazine hatte verkündet, dass das „Rolling Cascade“ Casino echte Las-Vegas-Atmosphäre an den Lake Tahoe gebracht hatte – und das auf allerhöchstem Niveau.

Ian stand auf, ging auf und ab und setzte sich schließlich auf die Schreibtischkante. Sein scharfer und abschätzender Blick war auf die Menschenmenge gerichtet. Es musste einen Grund dafür geben, dass er diese merkwürdige Anspannung verspürte. Der Eröffnungstag war ein voller Erfolg gewesen, und Ian war glücklich, dass ihm der Aufstieg zum Casinobesitzer so leichtgefallen war. Vorher hatte er als Kapitän ein Riverboat gesteuert, ein Ausflugsschiff auf dem Mississippi.

Nach ein paar Minuten wollte er sich abwenden – seine Intuition funktionierte wohl heute nicht –, als er sie sah.

Brooke Chamberlain.

Erschrocken sprang er auf. Was, zum Teufel, machte sie hier? Er entschied, dass er keine Zeit mit Rätselraten verschwenden wollte, und griff zum Telefonhörer. Der Sicherheitsmanager des Casinos meldete sich sofort.

„Ja, Ian?“

„Am südwestlichen Blackjack-Tisch steht eine Frau in einem taubenblauen Hosenanzug. Bitte begleite sie in mein Büro.“

Es entstand eine Pause, bevor der Sicherheitsmanager etwas erwiderte. Ian antwortete mit belegter Stimme: „Ja, ich weiß, es ist Brooke Chamberlain.“

Er legte auf und ließ seine Gedanken wieder zu der Frau schweifen, der er einst beinahe einen Heiratsantrag gemacht hatte … vor ihrem Verrat. Er hatte sie zuletzt vor drei Jahren gesehen, bei der Hochzeit seines Cousins Dare in Atlanta. Sie war eingeladen worden, da sie einige Zeit als Polizistin für Sheriff Dare Westmoreland gearbeitet hatte. Ian hatte sie absichtlich nicht beachtet.

Aber diesmal lagen die Dinge wirklich anders. Sie war hier in seinem Revier, und er hatte vor, sie das spüren zu lassen.

Ian beobachtete sie.

Brooke war sich nicht sicher, von wo aus. Aber die FBI-Agentin in ihr wusste, dass zahlreiche Videokameras liefen. Sie waren so diskret platziert, dass sie zweifelte, ob die vielen Menschen, die begierig aufs Spielen und Wetten waren, sie überhaupt wahrnahmen.

„Entschuldigung. Miss Chamberlain?“

Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht eines großen, kräftigen Mannes Ende vierzig mit blonden Haaren und dunkelblauen Augen. „Ja?“

„Ich bin Vance Parker, der Sicherheitschef des Casinos. Der Eigentümer, Ian Westmoreland, möchte mit Ihnen reden – in seinem Büro.“

Sie musste lächeln. „Gut, Mister Parker, gehen Sie bitte voran.“

Als Vance Parker sie zum Aufzug begleitete, betete sie, dass sie es schaffen würde, die nächsten zwei Wochen zu überleben.

Ian, der blicklos auf die Glaswand sah, hatte ihre Begegnung genau verfolgt. Als sie gehört hatte, wer der Eigentümer war, hatte Brooke nicht überrascht reagiert. Die Möglichkeit, dass sie nicht wusste, in wessen Casino sie war, konnte er damit vergessen. Sie hatte sich absichtlich in die Höhle des Löwen begeben, und er würde herausfinden, warum.

Ian stand auf, lief im Zimmer hin und her und spürte, dass das Ziehen in seiner Magengegend schlimmer geworden war. Und es verstärkte sich noch mehr, als er hörte, dass der Aufzug in seiner Etage stoppte.

Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, er würde gleich der Frau gegenüberstehen, die er niemals ganz aus seinen Gedanken hatte verbannen können. Ob absichtlich oder unabsichtlich – während der zwei Jahre, in denen er mit Brooke zusammen war, hatten sich seine Erwartungen Frauen gegenüber verändert. Am Tag Polizistin und nachts ganz Frau, ließ sie jede etwaige Nachfolgerin irgendwie zweitklassig aussehen.

Ob er wollte oder nicht, er musste sich schließlich eingestehen, dass Brooke Chamberlain die ideale Partnerin für ihn war. Die einzige Frau, die ihm das Verlangen nach anderen Frauen genommen hatte. Die Einzige, die es verstand, sein wildes Herz zu zähmen.

Nicht nur zu zähmen, sondern zu erobern.

Er lächelte bitter. Aber jetzt war er älter und klüger, und sein Herz, das einmal ihr gehört hatte, war versteinert. Trotzdem stockte ihm der Atem, als er das Geräusch der sich öffnenden Aufzugtür hörte und sich umdrehte.

Ihre Blicke begegneten sich, und er musste sich eingestehen, dass das Gefühl, das sie beide verband, immer noch da war. Heiß. Intensiv. Erregend. Es war ganz deutlich im Zimmer spürbar, er konnte es fühlen. Er stützte sich auf den Schreibtisch, denn der Fußboden schien auf einmal zu schwanken.

Seit dem Morgen, an dem Ian die Wahrheit herausgefunden und nach dem heftigen Streit ihr Apartment verlassen hatte, waren sie einander nicht mehr so nahe gekommen. Bei der Hochzeit von Dare und Shelly war Ian auf Distanz gegangen und hatte peinlich genau einen Mindestabstand von drei Metern zu ihr eingehalten. Aber trotz dieser Vorsichtsmaßnahme war das Ziehen in seinem Bauch auch da deutlich zu spüren gewesen.

In all den Jahren war es ihm nicht gelungen, den Tag aus seinem Gedächtnis zu streichen, als sie einander zum ersten Mal in Dares Polizeibüro begegnet waren. Damals war sie zweiundzwanzig und selbst in ihrer Polizeiuniform so anziehend, dass ihm der Atem stockte – und genauso attraktiv war sie noch immer.

Ihre Beziehung war ihm perfekt erschienen, bis die Umstände ihm keine Wahl gelassen hatten, als sich von ihr zu trennen. Dennoch musste er zugeben, dass Brooke die allerschönste Frau war, die er je gesehen hatte.

Sie hatte einen wunderbaren bronzefarbenen Teint; ihre Augen schimmerten, je nach Stimmung, in verschiedenen Brauntönen; und wenn sie lächelte, verspürte er ein aufregendes Prickeln; die Locken fielen ihr üppig über die Schultern – die Schultern, die er so gerne festgehalten hatte, wenn sie sich geliebt hatten.

Er ballte die Hand zur Faust. Der Gedanke, dass Brooke in ihm unerwünschte Erinnerungen weckte, ärgerte ihn. Er zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden und auf Vance zu richten. „Danke, Mister Parker. Das ist alles.“

Neugierig zog Ians Freund eine Augenbraue hoch und zuckte die breiten Schultern, bevor er sich umdrehte und zum Aufzug ging. Sobald sich die Aufzugtür geschlossen hatte, wandte Ian seine Aufmerksamkeit wieder Brooke zu. Sie war durch den Raum gegangen und stand nun mit dem Rücken zu ihm, wobei sie gerahmte Aufnahmen betrachtete, die ihn einmal mit Tiger Woods und einmal mit dem Basketballspieler Dennis Rodman zeigten.

Zu seiner Überraschung brach sie das Schweigen mit den Worten: „Ich habe gehört, dass Tiger Woods und Dennis Rodman hier in der Gegend zu Hause sind.“

Ian hob die Brauen. Wollte sie Small Talk machen? Stimmt, er hätte es wissen müssen. Brooke neigte dazu, draufloszuplappern, wenn sie in eine Situation kam, die sie nervös machte. In der Nacht ihres ersten Dates hatte er das sehr liebenswürdig gefunden. Aber jetzt war es einfach nur nervig.

Er wollte keinen Small Talk mit ihr machen, und er wollte sie nicht hierhaben. Das brachte ihn zurück zu dem eigentlichen Grund, weshalb sie hier im Büro war. Er wollte Antworten, und er wollte sie jetzt.

„Ich habe dich nicht durch Vance herbringen lassen, um mit dir die Wohnsitze von Woods und Rodman zu erörtern. Ich will wissen, was, zum Teufel, du hier machst, Brooke.“

Der entscheidende Augenblick war gekommen. Als Ian Vance Parker weggeschickt hatte, hatte Brooke die Chance genutzt, sich Ians Blick zu entziehen. Seit sie Malcolms Büro verlassen hatte, hatte sie versucht, sich auf die Begegnung mit Ian einzustellen, aber noch immer war sie nicht wirklich bereit dafür. Sie konnte jetzt nichts anderes tun, als sich umzudrehen und zu hoffen, dass er ihr eines Tages die Lüge verzeihen würde, die sie ihm jetzt gleich auftischen würde.

Seufzend drehte sie sich langsam um. Ihre Augen leuchteten jetzt intensiver als vor wenigen Augenblicken, als Vance noch da war. Ihre Körpertemperatur stieg, jede einzelne Zelle ihres Körpers schien von Hitze verzehrt zu werden.

Ihr fehlten die Worte, seit Ian ihr buchstäblich den Atem geraubt hatte. Er war schon immer ein gut aussehender Mann gewesen, und jetzt, drei Jahre nachdem sie ihn zuletzt gesehen hatte, wirkte er noch attraktiver. Der gepflegte, kurz geschnittene Bart stand ihm gut. Er hatte immer diesen umwerfenden Blick gehabt, der zu sagen schien: Ich sterbe, wenn ich dich nicht haben kann. Er war schon immer ein Mann, der die Aufmerksamkeit von Frauen magisch anzog. Und nun umgab den reifer gewordenen Ian eine Aura purer Erotik.

Als sie vor einigen Jahren den Job bei Dare Westmoreland in Atlanta angetreten hatte, hatte Brooke schon von den beiden Westmoreland-Cousins gehört, die im selben Alter waren und bevorzugt zusammen auftraten. Ian und sein Cousin Storm waren weit über Atlanta hinaus als notorische Spieler und legendäre Liebhaber bekannt.

Es ging das Gerücht um, dass Ian jede Frau, mit der er ausging, ins Bett bekam. Aber das änderte sich, als er begann, sich für Brooke zu interessieren. Für ihn war sie eine harte Nuss – eine der wenigen Frau, die seinem Charme widerstanden.

Anstatt ohnmächtig seinem Zauber zu verfallen, so wie die anderen Frauen, hatte sie ihn dazu angehalten, sie nach allen Regeln der Kunst zu erobern. Als Folge davon durfte sie zwei Jahre lang exklusiv seine wunderbaren Qualitäten als Liebhaber genießen.

Sie hatte herausgefunden, dass Ian besser war als sein Ruf. Der Gedanke daran, wie er sie in einem Moment zärtlich liebkost und im nächsten leidenschaftlich geliebt hatte, erregte sie noch immer und ließ sie erschauern. Er war ihr erster Mann gewesen und, wie sie im Stillen hinzufügte, auch ihr einziger.

„Willst du noch länger stumm herumstehen, oder bekomme ich endlich eine Antwort, Brooke?“

Ians ärgerliche Frage holte sie unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück.

Sie stützte die Hände in die Seiten und erwiderte im selben barschen Tonfall wie er: „Klar bekommst du eine Antwort, Ian.“

Ian verschränkte die Arme vor der Brust. Wie hatte er vergessen können, wie schnell Brookes Augen vor Zorn aufblitzten? Wie sich ihre vollen und sinnlichen Lippen in einen Schmollmund verwandelten? Die ganze Zeit über hatte er ihre ehrliche Mimik vermisst, die ihre Gefühle zu jeder Zeit widerspiegelte. Und auch ihr heißblütiges Temperament, das jederzeit zum Ausbruch kommen konnte, wenn sie sich über etwas ärgerte, hatte ihm gefehlt.

Die Frauen, mit denen er sich nach ihr getroffen hatte, waren für seinen Geschmack zu sanft und zu angepasst. Es fehlte ihnen an Courage, sie bemühten sich viel zu sehr, ihm alles recht zu machen. Nicht so die Frau, die jetzt vor ihm stand. Sie konnte austeilen wie niemand sonst, und dafür hatte er sie stets bewundert. Das war vielleicht einer der Gründe, warum er so schlecht über die Trennung hinweggekommen war.

„Ich bin aus demselben Grund hier wie alle anderen auch. Ich brauche eine Auszeit von meinem Job, und daher habe ich hier einen vierzehntägigen Aufenthalt gebucht“, unterbrach sie seine Gedanken.

Ian seufzte. Der Grund erschien ihm fadenscheinig. „Warum ausgerechnet hier? Es gibt tausend andere Möglichkeiten.“

„Ja, sicher. Als ich gebucht habe, wusste ich nicht, dass du hier der Eigentümer bist. Ich dachte, du wärst immer noch Riverboat-Kapitän.“

Ein paar Sekunden lang sagte er gar nichts. „Der Hurricane Katrina hat dem ein vorläufiges Ende gesetzt. Aber ich habe mich schon ein paar Monate davor entschieden, das Casino zu kaufen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder an Land ging.“

Er betrachtete sie einen Moment und fragte: „Und wann hast du erfahren, dass das Casino mir gehört?“

Brooke zuckte die Schultern. „Vor ein paar Tagen. Aber mein Geld, das ich hier ausgebe, ist genauso viel wert wie das aller anderen Besucher. Und ich kann nicht mein ganzes Leben lang aufpassen, dass ich nicht an der nächsten Ecke auf dich treffe.“

Unwillig fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar, sodass ihr die Locken auf die Schultern fielen.

„Zum Teufel, Ian, wir sollten unsere Vergangenheit als glücklich oder unglücklich abhaken, je nachdem, wie du sie empfindest, und uns der Gegenwart zuwenden. Ich habe nur Gutes von diesem Casino gehört. Es ist genau das, was ich jetzt brauche. Und um ganz ehrlich zu sein, ich schätze es gar nicht, mich zu dir beordern zu lassen wie eine Kriminelle. Wenn du immer noch an der Vergangenheit hängst und glaubst, wir könnten nicht zwei Wochen lang dieselbe Luft atmen, sag es mir bitte. Dann gebe ich mein Geld woanders aus.“

Verärgert biss Ian die Zähne zusammen. Sie hatte natürlich recht – er sollte sie in Ruhe lassen und zur Tagesordnung übergehen; aber was mehr als alles andere an ihm nagte, war nicht die Tatsache, dass Schluss war, sondern der Grund, warum sie es beendet hatten. Sie waren ein besonderes Paar gewesen. Sie war die einzige Frau, mit der er sich eine Ehe hatte vorstellen können. Aber am Ende war sie die Frau, die sein Herz gebrochen hatte.

Selbst als sie beide weggezogen waren – sie in den District Columbia, um die Stelle beim FBI anzutreten, er nach Memphis, um die Delta Princess zu übernehmen –, konnten sie trotz der großen Entfernung die Beziehung ohne Weiteres aufrechterhalten. Ein Jahr später wollten sie heiraten.

Aber das eine Mal, als Brooke ihn in einen wichtigen Sachverhalt hätte einweihen müssen, hatte sie nicht genug Vertrauen zu ihm gehabt. Stattdessen hatte sie ihm verschwiegen, dass sich ihre Ermittlungen gegen einen seiner Geschäftspartner richteten. Als er es herausgefunden hatte, war ein Mann tot, und eine Familie war zerstört.

Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie wieder abgereist wäre. Das Wiedersehen mit ihr und seine Reaktion darauf hatten ihm deutlich vor Augen geführt, dass er Brooke auch nach vier Jahren nicht aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt verbannen konnte. Aber dazu war es höchste Zeit. Vielleicht war der erste Schritt, zu beweisen, dass sie tatsächlich dieselbe Luft atmen konnten.

„Also gut, bleib da, wenn du willst. Es ist deine Entscheidung“, sagte er schließlich.

Brooke hob den Kopf. Ja, es war ihre Entscheidung. Kein Zweifel, er würde sie am liebsten hinauswerfen, womöglich so, dass sie gleich im Lake Tahoe landete. Dennoch sagte sie entschlossen: „Dann bleibe ich. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich möchte jetzt meine Ferien genießen.“

Sie ging zum Aufzug, ohne ihn nochmals anzusehen, drückte den Knopf und trat in die Kabine, nachdem sich die Tür geöffnet hatte. Als Brooke sich umdrehte, trafen sich nochmals für einen kurzen Moment ihre Blicke, bevor sich die Tür mit einem leisen Rauschen schloss. Hatte da etwas in ihren Augen aufgeleuchtet? Dreistigkeit? Bedauern? Lust?

Ian runzelte die Stirn. Wie konnte er sich auf die Gegenwart konzentrieren und dabei das Vergangene ruhen lassen? Jedes Mal, wenn er an das dachte, was sie getan hatte, stieg derselbe Ärger wie damals in ihm hoch.

Er ging um seinen Schreibtisch herum und drückte einen Knopf. Sofort erklang Vance’ tiefe Stimme. „Ja, Ian?“

„Miss Chamberlain ist auf dem Rückweg.“

„Alles klar. Soll ich sie im Auge behalten, während sie hier ist?“

„Nein“, sagte Ian schnell. Aus irgendeinem Grund gefiel ihm der Gedanke nicht, dass irgendjemand – vor allem ein anderer Mann – Brooke im Auge behalten sollte. Er kam zu dem Schluss, dass er seinem Freund eine Erklärung schuldig war, und sagte: „Brooke und ich müssen allmählich unsere Vergangenheit begraben.“

„Aha.“

„Und noch etwas, Vance. Sie ist FBI-Agentin.“

Ian hörte seinen Freund einen leisen Fluch murmeln, bevor er fragte: „Ist sie dienstlich oder privat hier?“

„Sie sagt, sie sei nur zum Vergnügen hier, aber ich werde sie im Auge behalten, um sicherzugehen. Nach allem, was ich weiß, könnte sie der eine oder andere Fall hierhergeführt haben, und je nachdem, was dahintersteckt, könnte es schlechte Publicity für das ‚Cascade‘ bedeuten.“

„Würde sie es dir nicht sagen, wenn sie dienstlich hier wäre?“

Ian lachte bitter. „Nein, sie würde es mir weiß Gott nicht sagen. Loyalität gehört leider nicht zu Brooke Chamberlains Stärken.“

Brooke wusste, dass sie wahrscheinlich mit Videokameras beobachtet wurde, und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Um sie herum drängte sich die Menschenmenge in die Spielhallen, zur Bar, zur Lounge oder zu den Spielautomaten. Sie schlenderte durch das Casino zur Seilbahn, in deren Gondeln die Besucher bequem zum Resortgelände gelangen konnten, und fuhr damit zu ihrer Villa.

Als sie kurze Zeit später ihre Tür öffnete und hineinging, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie konnte ganz gut in Ians Augen lesen, und seinen tiefen Hass zu spüren war mehr, als sie ertragen konnte. Wenn er bloß nicht herausfand, warum sie tatsächlich hier war …

Sie atmete tief ein und wischte ihre Tränen ab, denn sie musste sich bei Malcolm melden. Nachdem sie ihr Handy aus der Handtasche genommen hatte, wählte sie. Beim zweiten Läuten nahm er ab.

„Ich bin im ‚Rolling Cascade‘, Malcolm.“

Offenbar hörte er die Anspannung in Brookes Stimme, denn er sagte: „Du bist doch Ian Westmoreland schon begegnet, stimmt’s?“

„Ja.“

Nach einer kurzen Pause sagte er: „Du weißt ja, es ist keine offizielle Ermittlung, Brooke. Genieße einfach deine Ferien, aber wenn dir etwas Ungewöhnliches auffällt, lass es uns wissen.“

„Auch das ist Spionieren.“

„Ja, aber auch Westmoreland hat einen Vorteil davon. Du schadest ihm nicht, du hilfst ihm sogar.“

„Er wird es sicher nicht so sehen.“ Ihre Erwiderung klang schwach, weil ihr wieder Tränen in die Augen traten. „Also gut, Malcolm, ich melde mich bei euch, wenn irgendetwas vorfällt. Ansonsten sehen wir uns in zwei Wochen.“

„Okay, und pass gut auf dich auf.“

Brooke schaltete das Handy ab und steckte es wieder in ihre Tasche. Sie ging durch das Wohnzimmer und blickte umher, wobei sie versuchte, nicht mehr an Ian zu denken.

Resort und Casino waren durch ein System von Seilbahnen mit Gondeln miteinander verbunden. Beim Bau der Villenanlage hatte man die Bedürfnisse von Radfahrern und Joggern berücksichtigt. Sie tummelten sich auf der breiten hölzernen Uferpromenade, die am See entlangführte. Es war Mitte April, und der harte Winter geriet gerade in Vergessenheit. Die Berge boten ein sagenhaftes Panorama. Welche Idylle!

Als sie sich alles angesehen hatte, spürte Brooke eine freudige Erregung. Ihre Villa war einfach wunderbar, ein kleines Stück vom Paradies. Das war wirklich der ideale Ort, um auszuspannen.

Die Aussicht auf den Lake Tahoe aus dem Wohn- und dem Schlafzimmerfenster war atemberaubend. Gerade schimmerte der See in den leuchtenden Farben des Sonnenuntergangs. Brooke gelangte zu der Überzeugung, dass ihre Villa, die besonders reizvoll zwischen verschiedenen Wanderwegen gelegen war, der schönste Platz der Welt war. Hierher konnten die Menschen kommen und ihre Sorgen hinter sich lassen. Nur für sie selbst galt das nicht, ganz im Gegenteil.

Sie schob diesen Gedanken beiseite und ging ins Badezimmer. Es war so groß wie das Wohnzimmer und glich einem privaten Tropenparadies. Ein romantischer Rückzugsort, dachte sie, als sie zum Whirlpool ging, der groß genug für vier Personen war. Und dabei sah sie das Markenzeichen, von dem sie gehört hatte, dass es in allen Badezimmern zu finden war: einen Wasserfall.

Sie holte tief Luft. Irgendwie war sie stolz auf das, was Ian erreicht hatte. Sie dachte an die vielen Nächte, in denen sie aneinandergekuschelt im Bett gelegen hatten und er ihr von seinem Traum erzählt hatte, ein Casino wie dieses zu besitzen. Als er die Chance bekam, die „Delta Princess“ zu kaufen – ein Riverboat für zehntägige Reisen von Memphis aus den Mississippi entlang, mit Zwischenstopps in New Orleans, Baton Rouge, Vicksburg und Natchez –, richteten seine Brüder und Cousins eine Feier aus, bei der sie an seiner Seite war. Und als seine Cousine Delaney einen Wüstenscheich geheiratet hatte, war es Brooke, die Ian zu den beiden Hochzeitsfeierlichkeiten in den Vereinigten Staaten und im Nahen Osten begleitet hatte.

Sie seufzte. Sie musste die Vergangenheit abhaken, so wie sie es zu ihm gesagt hatte. Aber ihre zwei gemeinsamen Jahre gehörten zu den besten ihres Lebens. Sie hätten nicht schöner sein können, und Brooke hatte sich auf die Ehe mit Ian gefreut.

Sie runzelte die Stirn. Vor vier Jahren hatte sich Ian geweigert, sie anzuhören. Selbst wenn das FBI Boris Knowles’ Verbindungen zum organisierten Verbrechen nicht aufgedeckt hätte: Es wären auf jeden Fall alle seine Geschäftsverbindungen genauestens untersucht worden, einschließlich derer zu seinem Partner Ian. Das hatte Ian einfach nicht wahrhaben wollen.

Schon der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass sie vorsichtig sein musste, was Ian betraf. Er war wachsam und gewandt. Und er traute ihr nicht über den Weg. Kein Zweifel, er würde sie genau beobachten.

Brookes Atem ging schneller, als sie daran dachte, wie seine Blicke ihr folgen würden. Sie musste lächeln, und kurz darauf lachte sie – ein heiseres Lachen, das im Raum widerhallte. Sollte er sie ruhig beobachten, sie würde ihn spüren lassen, was er damals vor vier Jahren verloren hatte.

Ian schaute auf die Uhr in seinem Büro und beschloss, aufzuhören, so zu tun, als ob er arbeitete. Er konnte sich ohnehin nicht auf seine Geschäftsberichte konzentrieren. Er hatte zu viele andere Dinge im Kopf.

In den letzten Stunden hatte er immer wieder den Knopf gedrückt, um zu sehen, was im Casino vor sich ging, in der Hoffnung, einen Blick auf Brooke zu erhaschen. Diesmal widerstand er dem Bedürfnis. Unwillkürlich zerknüllte er das Papier, das er in der Hand hielt. Er fühlte sich erbärmlich. Und sie würde zwei Wochen lang hierbleiben!

Die Privatleitung seines Telefons blinkte. Er nahm ab. „Ja bitte?“

„Hallo, Ian, wie geht’s?“

Er lächelte, als er Taras Stimme erkannte. Sie war Kinderärztin und mit seinem Cousin Thorn verheiratet, einem landesweit bekannten Motorradhersteller und Rennfahrer. „Hallo, Tara, mir geht’s gut. Womit habe ich diesen Anruf verdient?“

„Es geht um die Überraschungsparty zu Delaneys Geburtstag. Shelly und ich gehen gerade die Gästeliste durch, und wir wollten mit dir über jemanden sprechen, der darauf steht.“

Ian lehnte sich zurück in seinen Sessel. Kaum zu glauben, dass seine Cousine Delaney dreißig wurde. Ihr Ehemann, Prinz Jamal Ari Yasir, wollte ihr zu Ehren ein Fest ausrichten, das sie nie vergessen würde. Es sollte im „Rolling Cascade“ stattfinden. Es schien ihm erst gestern gewesen zu sein, dass er, seine Brüder und Cousins sich abgewechselt hatten, um auf sie, die einzige Frau ihres Alters im Familienclan, aufzupassen.

Delaney hatte es ihnen nicht leicht gemacht und sie oft mit Absicht an der Nase herumgeführt, aber jetzt war sie die Prinzessin eines Landes namens Tahran und die Mutter des zukünftigen Königs. Und um das alles noch zu toppen, erwarteten sie und Jamal nun ihr zweites Kind.

„Über wen willst du mit mir sprechen?“

„Über Brooke Chamberlain.“

Nervös fuhr Ian sich mit der Hand übers Gesicht. Was für ein Zufall! Als er Brookes Namen hörte, stieg wieder Ärger in ihm hoch. „Was ist mit ihr?“

„Delaney würde sie gern wiedersehen, aber wir wollten zuerst mit dir sprechen. Wir wollen nicht, dass du dich unbehaglich fühlst. Wir wissen ja, wie es dir bei der Hochzeit von Dare und Shelly gegangen ist.“

Wieder lehnte sich Ian zurück. Er bezweifelte, dass irgendjemand auch nur ahnen konnte, wie schwer es für ihn bei der Hochzeit gewesen war. „Macht euch keine Sorgen um mich. Ich kann damit umgehen.“

Es entstand eine kleine Pause. „Sicher?“

„Ja, sicher.“ Er entschied sich, nicht zu erwähnen, dass Brooke im Augenblick hier im Casino war und sie beide dieselbe Luft atmeten, wie sie es ausgedrückt hatte. „Ich bin seit Jahren darüber hinweg. Brooke bedeutet mir nichts mehr.“

Ian seufzte schwer und wünschte aus tiefstem Herzen, dass seine Worte wahr wären.

2. KAPITEL

Von seinem Platz aus konnte Ian ungestört beobachten, was vor sich ging. Er sah Brooke in dem Moment, als sie die „Blue Lagoon Lounge“ betrat.

Jede andere attraktive Frau wäre ihm bestenfalls ein flüchtiges Lächeln wert gewesen. Bei Brooke war das etwas anderes. Sie erregte überall Aufmerksamkeit. Sobald sie einen Raum betrat, zog sie die neidvollen Blicke der anderen Frauen auf sich, und die Männer verdrehten ihretwegen die Köpfe.

Er seufzte. Sie bahnte sich ihren Weg durch die Menge; ihr Auftreten zeugte von Selbstvertrauen, Stil und Niveau. Etliche der anwesenden Männer konnten nicht anders, als ihr interessiert nachzusehen.

Als er das bemerkte, runzelte Ian verärgert die Stirn. Am meisten störte ihn, dass er selbst keine Ausnahme bildete. Aber sie sah auch wirklich zum Anbeißen aus …

Sie trug ihr Haar hochgesteckt zu einem Knoten, doch einige lose Strähnen fielen anmutig auf ihre Schultern. Dunkle Wimpern umrahmten ihre Augen, die vollen Lippen leuchteten flammend rot.

Das eng anliegende kurze Kleid betonte ihre schlanke feminine Figur und ihre schönen langen Beine. Mit einigen Männern ging anscheinend die Fantasie durch; Ian konnte förmlich hören, wie sie schluckten.

Als Brooke sich auf einen Barhocker setzte, rutschte das Kleid etwas nach oben und gab den Blick auf ihre makellosen Oberschenkel frei. Sie hatte noch nicht richtig Platz genommen, als sich schon die ersten Männer erhoben, um sie anzusprechen.

Ian nippte gelassen an seinem Glas. Wenn sie sich in den vergangenen vier Jahren nicht total geändert hatte, stand den armen Teufeln ein böses Erwachen bevor.

Vielleicht genoss sie es ab und zu, Blicke auf sich zu ziehen. Aber sie war nicht der Typ, der vor Männern herumscharwenzelte, um ihre Bewunderung zu erregen. Diese Erfahrung hatte er gemacht, als er sie kennengelernt hatte. Von da an hatte er sie niemals wieder unterschätzt.

Ian war der Einzige, der die Frau wirklich kannte, die heute Abend im Mittelpunkt des Interesses in der „Blue Lagoon Lounge“ stand. Er wusste, dass sie eine schwere Jugend gehabt hatte.

Ihr Vater und zwei ältere Brüder hatten als die Chamberlain-Bande traurige Berühmtheit erlangt. Sechs Monate lang hatten sie kreuz und quer im ganzen Land Banken ausgeraubt, bis schließlich das FBI dem Ganzen ein Ende setzte.

Brooke und ihre Mutter zogen nach Atlanta, um dem Gespött und der Gleichgültigkeit der sogenannten anständigen Leute zu entgehen, bis die Angelegenheit in Vergessenheit geraten würde. Damals, während ihrer Zeit auf der Highschool, hatte sich Brooke entschlossen, auf der richtigen Seite des Gesetzes zu arbeiten. Der Name Chamberlain sollte wieder einen ehrlichen und respektablen Klang bekommen.

Die Geschehnisse im Raum rissen Ian aus seinen Gedanken. Er lachte leise. Alle, die ihr bezauberndes Lächeln anzog, wurden einer nach dem anderen höflich, aber bestimmt von ihr abgewiesen. Er hob sein Glas. „Cheers“, murmelte er und nahm einen großen Schluck.

Es muss am Vollmond liegen, dass ich heute so anziehend wirke, dachte Brooke amüsiert und nippte an ihrem Drink.

Welche Frau würde es nicht genießen, von den Männern bewundert zu werden? Manche dachten allerdings, Schönheit gehe Hand in Hand mit Dummheit. Sie hatte sogar einen Heiratsantrag bekommen – allerdings von einem glücklich verheirateten Mann.

„Aha, du hast also nichts von deiner Ausstrahlung eingebüßt.“

Brooke sah den Mann an, der sich jetzt neben sie setzte. Er lächelte umwerfend, und es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder im Griff hatte. Sie spürte einen Kloß im Hals und trank einen Schluck. „Danke für das Kompliment“, brachte sie schließlich hervor.

Sie unterdrückte ein leises Beben und richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Glas in ihrer Hand, um Ian nicht ansehen zu müssen.

„Ich habe nicht damit gerechnet, dich heute noch einmal zu sehen“, sagte er und trank einen Schluck.

Erstaunt zog sie eine Braue hoch und wandte sich zu ihm. Sofort fiel ihr auf, dass er sich umgezogen hatte und jetzt einen eleganten Maßanzug trug, ganz der erfolgreiche Geschäftsmann. Ob er es wollte oder nicht, es war unübersehbar, wer der Eigentümer des Casinos war.

„Wieso nicht?“, wollte sie wissen und konzentrierte sich wieder auf das, was er sagte, statt auf sein Aussehen. „Wieso hast du nicht damit gerechnet? Denkst du, ich verstecke mich in meinem Zimmer, nur weil wir uns heute begegnet sind? Wie ich schon sagte: Ich kann dir nicht andauernd ausweichen, als ob ich etwas Falsches getan hätte.“

Er kniff die Augen zusammen und erwiderte mit belegter Stimme: „Ein Mann ist ums Leben gekommen.“

„Stimmt“, antwortete sie ruhig. „Aber Boris Knowles hätte sich die Konsequenzen seines Handelns eher überlegen müssen. Es waren keine Kleinkriminellen, mit denen er sich eingelassen hatte, es war das organisierte Verbrechen. Er hat seine Wahl getroffen – mach bitte nicht mich dafür verantwortlich.“

„Aber wenn ich das gewusst hätte …“

„Du hättest nichts ändern können. Er steckte zu tief drin. Warum glaubst du mir nicht? Am Ende wärst du noch selbst in eine bedrohliche Situation geraten.“

Ian war so starrsinnig, was diesen Punkt betraf. Brooke wusste nicht mehr, welche Argumente sie noch anführen sollte. Er konnte von Glück reden, dass sie ihn nicht eingeweiht hatte. Nur wollte er das einfach nicht glauben.

Er fluchte leise. Sie bereute, dass sie in die Lounge gekommen war. Schließlich hätte sie sich denken können, dass er auch hier war. „Ian, wir sind hierüber sehr unterschiedlicher Auffassung, vor allem was meine Gründe betrifft, dich nicht ins Vertrauen zu ziehen. Und ich habe keine Lust, immer der Buhmann zu sein.“

Sie stand auf und zahlte. „Man sieht sich. Oder besser nicht?“

Wieder fluchte Ian. Brooke ging, nur der verführerische Duft ihres Parfüms blieb zurück. Er fühlte das Stechen in seiner Brust, das er nur zu gut kannte. Denn es überfiel ihn immer, wenn er an ihren Verrat dachte. Trotzdem: Etwas Ähnliches wie Brooke hatte ihm auch schon Dare, der ja auch FBI-Ermittler war, erklärt. Organisiertes Verbrechen ließ sich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und bei aller Tragik stimmte es. Boris hatte seine Wahl getroffen.

Dare hatte ihm auch begreiflich machen wollen, dass Brooke wie alle FBI-Agenten einen Eid geleistet hatte, die Gesetze konsequent einzuhalten und unbedingtes Stillschweigen zu bewahren. Hätte sie Ian ins Vertrauen gezogen und damit die Sicherheit des Einsatzes infrage gestellt, wäre möglicherweise ihr Leben und das ihrer Kollegen in Gefahr geraten.

Ian verstand das alles, aber irgendwie fand er, dass zwei Menschen, die füreinander bestimmt waren, keine Heimlichkeiten haben sollten. Seiner Meinung nach hatte sie ihren Job über die Beziehung zu ihm gestellt. Das war es, was ihn am meisten grämte.

Wenn er nicht verbittern wollte, sollte er sich allerdings allmählich von diesem Gedanken lösen. Er würde sie nicht länger als Buhmann hinstellen. Er wusste ja, wie viel es ihr bedeutet hatte, FBI-Agentin zu werden. Zweimal war ihre Bewerbung aufgrund ihres familiären Hintergrunds – wegen der Verbrechen ihres Vaters und ihrer Brüder – abgelehnt worden. Dare hatte seine guten Beziehungen nutzen und ein Empfehlungsschreiben verfassen müssen, damit sie endlich eingestellt werden konnte.

Ian atmete tief ein. Er wollte mit Brooke Frieden schließen. Nach allem, was zwischen ihnen geschehen war, konnten sie wohl kaum mehr Liebe füreinander empfinden. Aber nun war es an der Zeit, die Feindseligkeiten zu vergessen und wieder Freunde zu werden.

Verärgert schlüpfte Brooke aus ihrem Kleid. Ian Westmoreland war stur wie ein Esel. Er bedachte einfach nicht, dass ihr Job sie zu ihrem Verhalten gezwungen hatte. Sie hätte in Lebensgefahr kommen können, wenn sie ihm irgendetwas von dem Fall erzählt hätte.

Nein, alles, worum es ihm ging, war ein Mann, der seine Familie, seine Freunde und seine Geschäftspartner belogen und betrogen hatte.

Also gut, wenn er sich – auch nach vier Jahren noch – auf diesen Standpunkt versteifte, sollte er. Sie würde nicht zulassen, dass der Gedanke an ihn sie weiterhin beherrschte. Irgendwie würde sie es schaffen, die Erinnerungen, die sie nur belasteten, aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Ihr Herz sollte nicht länger Ian gehören.

Aber in der Zwischenzeit wollte sie ihren Aufenthalt hier genießen, ohne dass er ihr dabei im Wege stand.

Sie zog ihren Bikini an. Schwimmen fand sie immer sehr entspannend. Auch jetzt, spät in der Nacht, würde es ihr sicher guttun. Sie überlegte ernsthaft, an ihr Haus im District Columbia einen Pool anzubauen. Die Frage war, ob sie viel Zeit haben würde, ihn zu nutzen.

Sie war nun fast fünf Jahre beim FBI und musste sich entscheiden, ob sie weiterhin als Ermittlerin arbeiten oder in den Innendienst gehen wollte. Dare Westmoreland, ihr Freund und Mentor, hatte sie vor dem Burn-out-Syndrom gewarnt, das sich bei ihm nach sieben Jahren als Ermittler eingestellt hatte.

Brooke hatte sich gerade ihr Tuch um die Taille geschlungen, da klopfte es plötzlich an der Tür. Bestimmt hatte sich der Zimmerservice in der Villennummer geirrt. Sie durchquerte das Zimmer, lehnte sich an die Tür sah durch das Guckloch.

Ein seltsames Gefühl machte sich in ihrer Magengrube bemerkbar. Ihr später Besucher war Ian!

Sofort verspannte sie sich und schüttelte den Kopf. Wenn er annahm, in ihrem Streit das letzte Wort zu behalten, dachte er falsch. Sie schob die Kette beiseite und riss die Tür auf. „Ian, ich …“

Bevor sie ausreden konnte, überreichte ihr Ian eine weiße Rose. „Ich komme in friedlicher Absicht, Brooke. Du hast recht, es ist an der Zeit, die Vergangenheit abzuhaken und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.“

Ian spürte, wie sein Herz heftig schlug. Er war auf viel gefasst gewesen, aber nicht darauf, dass Brooke ihm so leicht bekleidet öffnen würde. Ein Pareo, der mehr preisgab, als er verbarg, war um ihre Taille geschlungen.

Ihre vollen, festen Brüste zeichneten sich deutlich unter dem Bikinioberteil ab. Er betrachtete ihre schlanke Taille. Ihre wohlgeformten Hüften. Ihre hinreißenden Beine – keine Frau hatte schönere. Und ihre Füße – wie hatte er nur ihre erotischen Füße vergessen können? Gepflegt und mit glänzend lackierten Nägeln, steckten sie in flachen Ledersandaletten.

Sie roch wundervoll, feminin und aufreizend, genau wie vorhin in der Lounge. Der Duft erfüllte den Raum. Ian hatte ihn schon beim Hereinkommen wahrgenommen und war nun ganz davon umhüllt. Brooke war schon immer eine Frau gewesen, die die Fantasie anregte. Sie so vor sich zu sehen war überwältigend. Seine Selbstbeherrschung geriet an ihre Grenzen.

Er seufzte tief und wünschte, er könnte an irgendetwas anderes denken als an ihren Körper und ihren Geruch. Er versuchte, sich auf die Rose zu konzentrieren, die er ihr geschenkt hatte. Aber stattdessen schweifte sein Blick zu ihrem Bauchnabel, der ihm schon immer so gefallen hatte. Er erinnerte sich, wie er ihn liebevoll geküsst hatte, bevor er tiefer …

„Ian?“

Er sah ihr ins Gesicht und räusperte sich. Oh Gott, er war doch gekommen, um Frieden zu schließen, und nicht um über sie herzufallen. Eine Liebesbeziehung würde sie beide nie wieder verbinden. „Ja?“

„Danke für die Rose. Ich freue mich, dass wir jetzt wieder in der Gegenwart leben, und hoffe, dass wir eines Tages Freunde werden“, sagte sie.

War in seinen dunklen Augen einen Moment lang so etwas wie Vorsicht zu erkennen? „Ja, das hoffe ich auch“, antwortete er.

Sie nickte. „Also gut.“

Er lehnte sich gegen den Türrahmen. „Gehst du schwimmen?“

„Ja, ich probiere einen der Pools aus. Der mit dem Wasserfall sieht einladend aus.“

Ian nickte. Ja, ein schöner Pool. Er war gerade daran vorbeigekommen. Allerdings hatte er dort viele Männer und nur wenige Frauen gesehen. Das lag daran, dass der Berufsverband der Elektriker mit über achthundert Teilnehmern gerade im „Rolling Cascade“ tagte. Ein großer Teil von ihnen hoffte, so schätzte Ian, auf die Schnelle eine Frau kennenzulernen und ins Bett zu bekommen.

Besorgt runzelte er die Stirn. Nicht diese Frau.

„Ja, der Pool ist ganz nett, aber ich kenne einen, der hundertmal schöner ist“, gab er zur Antwort, denn ihm war plötzlich etwas eingefallen.

„Ja, wo denn?“

„In meinem Penthouse.“

Ihre Blicke begegneten sich. Er konnte sich ihre Gedanken gut vorstellen. Zum Teufel, er wunderte sich über sich selbst. Schließlich hatte er kein Recht mehr, eifersüchtig zu sein. Aber dennoch durfte er doch so etwas wie Beschützerinstinkt verspüren, oder?

Da also Ritterlichkeit der Grund war, sie einzuladen, fühlte er sich gleich besser. Er fasste Brooke bei der Hand. „Na ja, ich will dir doch nur meinen privaten Pool zeigen. Außerdem würde ich gerne erfahren, wie es dir in der Zwischenzeit ergangen ist. Wenn du es aber lieber bei der Rose belassen willst, ist es auch o. k. für mich.“

Eine Weile dauerte es, bis sie seine Worte erfasst hatte. Er wollte, dass sie wieder Freunde würden, nichts weiter. Er hatte ihr ein Friedensangebot gemacht, und nun wollte er sich mit ihr über ihre Erlebnisse der letzten Jahre austauschen. Anscheinend hatte er keine Ahnung, wie oft sie sich nach ihm erkundigt hatte, wenn sie mit Dare telefoniert hatte. Allem Anschein nach war Ian glücklich und zufrieden. Lauthals verkündete er, dass er nie, nie heiraten würde. Auch wenn sein Cousin Storm inzwischen glücklicher Familienvater war, er, Ian, würde sich das nicht antun.

„Oh ja, zeig mir doch deinen Privatpool.“ Sie hoffte und betete inständig, dass sie den Abend allein mit ihm in seiner persönlichen Umgebung überstehen würde.

Er lächelte, und ihr wurde auf einmal heiß. „Okay. Gehen wir. Bist du fertig?“

„Ja. Ich hole nur noch mein Handtuch.“

„Nicht nötig. Handtücher habe ich genug.“

„Moment, meinen Schlüssel brauche ich noch.“

Kurz darauf verließen sie gemeinsam die Villa und gingen Seite an Seite zur Gondelseilbahn. Ihr war bewusst, dass Ian sie ansah, aber sie erwiderte seinen Blick nicht.

Wenn sie nur einen kurzen Moment lang so etwas wie Sehnsucht in seinen Augen bemerkt hätte – sie hätte eine große Dummheit begangen. Die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen war nur allzu deutlich zu spüren. Brooke würde nachgeben und ihn bitten, sie zu küssen. Doch sie wusste, wie eisern Ians Selbstbeherrschung sein konnte, wenn es darauf ankam. Er wäre imstande, sie abzuweisen.

„Herzlich willkommen in meinem Reich, Brooke Chamberlain.“

Er trat zur Seite, um sie hereinzubitten. Die Privaträume lagen über dem Büro und waren von da aus durch einen Aufzug erreichbar, was Ian sehr bequem fand.

Brooke war so beeindruckt, dass ihr der Atem stockte. Sie hatte sich schon gedacht, dass dem Eigentümer des Casinos eine komfortable Wohnung zur Verfügung stand, aber mit solch einer überwältigenden Ausstattung hatte sie nicht gerechnet.

Ians Liebe zur Natur zeigte sich in zahlreichen geschmackvoll angeordneten Pflanzen. Das Penthouse bestand aus zwei Etagen, die mit einer Wendeltreppe verbunden waren.

Ihr fielen sofort die großen Fenster und hohen Decken auf. Und natürlich die ungewöhnliche Farbgestaltung – eine lebhafte Mischung aus roten, gelben, orangefarbigen, grünen und blauen Tönen, die überraschenderweise sehr gut miteinander harmonierten.

Die Raumsymmetrie wurde durch zwei weiße, ansprechend dekorierte Kamine betont. Die Möbel wirkten bequem. Tropische Pflanzen ließen den Eindruck eines Wintergartens entstehen.

„Komm, ich führe dich etwas herum“, sagte Ian und nahm sie bei der Hand.

Die Kraft und die Wärme seiner Rechten lösten bei Brooke eine Welle angenehmer Empfindungen aus. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie Ian mit diesen Händen ihren Körper gestreichelt hatte. Wie er sie immer mit Daumen und Zunge verwöhnt hatte. Dabei hatte er bei den Brüsten begonnen, um allmählich immer tiefer zu gleiten …

Seine sanften Berührungen ließen sie schnurren wie eine Katze. Und immer, wenn er ihren Nabel liebkost hatte, hatte sie die Erregung in ihrem ganzen Körper gespürt, und sie hatte hingebungsvoll seinen Namen geflüstert.

„Geht es dir gut?“

Seine Worte rissen Brooke aus ihren Erinnerungen. Verunsichert sah sie ihn an. „Ja, warum?“

„Nur so“, murmelte er.

Fragend hob sie eine Augenbraue. Hatte sie sich etwas anmerken lassen? Hatte sie vielleicht einen Ton von sich gegeben, der ihm bekannt vorkommen musste?

Sie gingen durch das Penthouse, und Ian zeigte ihr alles. Die einzelnen Zimmer waren durch Glastüren miteinander verbunden. Die Raumaufteilung der topmodernen Küche mit großzügigem Essbereich war gut durchdacht. Man sah der gesamten Wohnung an, dass sachkundige Innenarchitekten sie geplant und eingerichtet hatten. Brooke dachte bei sich, dass dies hier das größte Penthouse war, das sie kannte. Ihr eigenes Haus daheim im District Columbia hatte sicher weit weniger Quadratmeter an Wohnfläche.

Ian erzählte ihr, dass Prinz Jamal Ari Yasir sein Hauptinvestor war. Ians Brüder Spencer und Jared und sein Cousin Thorn hatten ebenfalls ins „Rolling Cascade“ investiert. Brooke hatte der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung immer imponiert, die für die Familie Westmoreland typisch waren.

Als Brooke und Ian im Schlafzimmer angelangt waren, spürte sie einen Anflug von Eifersucht. Sie dachte daran, wie vielleicht andere Frauen das große Bett mit ihm teilten. Aber sie ermahnte sich, dass Ians Liebesleben sie nun wirklich nichts mehr anging.

„Und, wie findest du die Wohnung?“, fragte er beiläufig.

Sie riss ihren Blick vom Bett los und wandte sich ihm zu. „Ich bin wirklich stolz auf das, was du erreicht hast, Ian. Und du hast großes Glück, dass deine Familie dich bei allem, was du tust, voll unterstützt. Das ist toll.“

Er lächelte ihr zu. „Ja, das stimmt.“

„Und wie geht es deinen Eltern?“

„Gut. Weißt du, dass Storm geheiratet hat?“, fragte er, während er sie aus dem Schlafzimmer führte. Sie stiegen die Wendeltreppe hinab und kamen zum Poolbereich.

Sie lächelte ebenfalls. „Ja, ich habe es mitbekommen. Ich kann mir Storm beim besten Willen nicht als Ehemann vorstellen.“

Wieder lächelte Ian. „Er ist nicht nur Ehemann, sondern auch glücklicher Familienvater. Seine Frau Jayla und die beiden Zwillingsmädchen sind das Beste, was ihm je passiert ist. Er hängt sehr an ihnen.“

Es entstand eine kleine Pause, bevor Brooke sagte: „Ich habe auch von den Drillingen deines Onkels Corey gehört.“

Ian lachte. „Ja, kannst du dir das vorstellen? Er hat herausgefunden, dass eine Jugendfreundin Drillinge bekommen hatte, ohne ihm etwas zu sagen, obwohl er der Vater war. Als sie damals auf die Welt kamen, war er gerade mit einer anderen Frau zusammen. Jetzt hat er die Mutter seiner Drillinge geheiratet und lebt mit ihr auf seinem Berg in Montana. Er ist so glücklich wie nie zuvor in seinem Leben.“

Brooke nickte. Sie und Ian kannten Coreys Berg in Montana von einem Besuch und wussten, wie herrlich es dort war.

„Ich habe gehört, dass Chase und Durango nun auch verheiratet sind.“

Er nickte lächelnd. „Ja, ihre Frauen sind zwei Schwestern, Jessica und Savannah Claiborne. Durango und Savannah sind von zu Hause durchgebrannt und haben hier Hochzeit gefeiert.“

Ian musterte sie eindringlich. „Dare hat dich anscheinend gut über alles informiert.“ Obwohl er keine Miene verzog, schwang in seiner Stimme ein Lächeln mit.

Brooke zuckte die Schultern. „Stört es dich, dass Dare und ich in Kontakt geblieben sind?“

„Natürlich nicht.“ Es hörte sich an, als ob Ian die Frage lächerlich fand. „Dare kennt dich schon eine ganze Weile länger als ich. Du hast in seinem Polizeibüro gearbeitet, und ihr habt euch sehr nahegestanden. Ich kann doch nicht verlangen, dass du den Kontakt zu ihm abbrichst, nur weil es mit uns beiden nicht geklappt hat. Das wäre auch nicht im Sinne der Familienehre der Westmorelands.“

Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Außerdem weiß ich, dass du auch zu anderen Familienmitgliedern Kontakt hältst.“ Er grinste. „Oder besser ausgedrückt, dass sie Kontakt zu dir halten. Delaney hat mich unmissverständlich wissen lassen, dass das Ende unserer Beziehung eurer Freundschaft nicht geschadet hat.“

„Ach wirklich?“, fragte Brooke mit gespielter Gleichgültigkeit. Sie und Delaney waren Freundinnen geblieben. Vor einiger Zeit, als Delaney ihren Mann zu einer internationalen Tagung nach Washington begleitet hatte, hatten sie gemeinsam einen Tag mit Shoppen, Kino und einem guten Essen verbracht.

„So. Da wären wir.“

Brooke verschlug es den Atem. Das musste der Himmel auf Erden sein! Das große Schwimmbad war mit einem Wasserfall und tropischen Pflanzen dekoriert. Von hier aus gelangte man zu Ians persönlichem Fitnesscenter und seiner privaten Spielhalle.

„Gefällt dir mein Pool?“

„Oh Ian, er ist wundervoll. Du hast recht gehabt: Er ist viel schöner als der in der Villenanlage.“

Er reichte ihr ein paar Handtücher.

„Da, bitte. Ich wollte dich schon früher fragen. Wie geht es eigentlich deiner Mutter?“

Lächelnd antwortete sie: „Danke, gut. Die Ehe bekommt ihr. Zu Dads Lebzeiten – auch während seiner Haft – wollte sie auf keinen Fall eine neue Beziehung eingehen. Sie hat ihr Eheversprechen ernst genommen, obwohl sie etwas Besseres verdient hätte. Sie wollte sich einfach nicht scheiden lassen.“

Er nickte. „Ich habe das von deinem Vater gehört. Mein Beileid.“

Brooke zuckte die Schultern. „Bis zu seiner vorzeitigen Haftentlassung wären es nur noch ein paar Jahre gewesen – und was macht er?“, fragte sie zornig. „Zettelt einen Aufstand an, der nicht nur ihn, sondern auch vier anderen Gefängnisinsassen das Leben kostet.“

„Und was machen deine Brüder?“

„Bud und Sam sind auf dem richtigen Weg. Mom hat zu ihnen mehr Kontakt als ihre leibliche Mutter, Dads erste Frau“, sagte sie. Als ihre Mutter Nelson Chamberlain geheiratet hatte, waren ihre Brüder schon im Teenageralter gewesen.

„Ich schreibe ihnen regelmäßig und besuche sie ab und zu mit Mom. Sie haben aus ihren Fehlern gelernt und werden bald vorzeitig entlassen“, fuhr sie fort.

Sie rechnete es Ian hoch an, dass er sich nach ihrer Familie erkundigt hatte. Wie alle Kinder hatte sie ihren Vater und ihre Brüder geliebt, auch wenn diese eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen hatten. Und sie bewunderte ihre Mutter für die Kraft, ihren Ehemann zu verlassen, um ihr, der Tochter, ein angemessenes Lebensumfeld zu verschaffen.

Sie zupfte an ihrem Pareo und lächelte Ian nervös an. „Schwimmst du eine Runde mit?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, heute nicht. Du hast den Pool für dich allein. Ich muss noch einige Telefonate führen. Macht es dir etwas aus, wenn ich dich solange allein lasse?“

„Natürlich nicht. Und danke, dass ich deinen Pool benutzen darf.“

„Bitte. Keine Ursache.“

„Ian. Es freut mich, dass wir uns unterhalten haben.“

„Mich auch.“ Er sah auf die Uhr. „In einer halben Stunde bin ich wieder da und begleite dich zur Villa zurück.“

„Alles klar.“

Er ging, und Brookes Lippen fühlten sich auf einmal trocken an. Warum hatte er das Penthouse so schnell verlassen? Oder bildete sie sich das nur ein? Hatte ihn der Gedanke, dass sie sich vor ihm ausziehen könnte, in die Flucht geschlagen? Dabei wollte sie doch nur ihren Pareo abnehmen. Vielleicht war es mit Ians eiserner Selbstbeherrschung doch nicht so weit her, wie sie angenommen hatte.

Bestand die Anziehungskraft zwischen ihnen noch? Der Gedanke daran wärmte ihr das Herz. Plötzlich fühlte sie sich beschwingt, nahm ihren Pareo ab, ging zur tiefen Seite des Pools und tauchte ins Wasser ein.

Mit zitternden Händen goss sich Ian Wein ins Glas. Er hatte sich ein paar Mal sehr zusammennehmen müssen, um Brooke nicht an sich zu ziehen. Und was noch schlimmer war: Er hatte ihre Ausstrahlung gespürt – sie war in derselben Stimmung wie früher, wenn sie von ihm geliebt werden wollte.

Es war schrecklich gewesen, neben ihr zu stehen, zu wissen, wonach sie sich sehnte, und ihr nicht entgegenkommen zu dürfen. Gereizt stellte er sein Glas ab. Wir leben nicht in der Vergangenheit, das hier ist die Gegenwart. Denk nicht mal daran, das Rad zurückzudrehen, Westmoreland. Brooke und du, ihr könnt bestenfalls Freunde werden, und selbst das ist fraglich.

Leise fluchte er, da läutete plötzlich das Telefon. „Ja?“

„Hey, geht es dir gut?“

Als er die Stimme seines Cousins Storm hörte, schüttelte Ian ungläubig den Kopf und musste lachen. Sonderbarerweise konnte Storm seine Gedanken lesen. Beide hatten sie Zwillingsbrüder: Ians Bruder hieß Quade, und Chase war Storms Bruder. Aber von Anfang an fühlten sich Ian und Storm einerseits und Quade und Chase andererseits mehr miteinander verbunden.

Da Quade für den Geheimdienst arbeitete, wusste die meiste Zeit niemand in der Familie, wo er sich gerade aufhielt. Doch dank der besonderen Beziehung, die die beiden verband, blieb es Chase nie verborgen, wenn Quade in Schwierigkeiten war. Und ebenso konnte nur Storm herausfinden, was Ian gerade zusetzte, selbst wenn Tausende von Meilen zwischen ihnen lagen.

„Wie kommst du darauf, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte?“, fragte Ian und setzte sich auf ein Ledersofa. Von hier aus würde er Brooke sehen, sobald sie im flacheren Teil des Pools schwamm.

Storm lachte. „Hey, ich spüre das, Mann. Eigentlich sollte ich jetzt tief und fest schlafen, denn wir müssen jetzt nicht mehr jede Nacht wegen der Zwillinge aufstehen. Aber was tue ich? Ich mache mir Sorgen um dich.“

Erstaunt zog Ian eine Augenbraue hoch. „Sorgen um mich?“

„Genau. Was ist los, Ian? Was nimmt dich so mit?“

Brooke schwamm jetzt im flachen Teil des Beckens, und Ian konnte sich nicht mehr auf das Telefongespräch konzentrieren. Er rutschte ein Stück weiter, um sie besser sehen zu können, ohne dass sie es merkte.

Sie erinnerte ihn an die Göttin Venus, als sie aus dem Wasser stieg. Sie schüttelte die nassen Haare. Doch nicht die Haare fesselten seine Aufmerksamkeit, sondern – Welch ein Anblick! – ihr wohlgeformter Körper, mit dessen erfreulichen Details er sehr gut vertraut war. Und der nasse Bikini stand ihr gut. Zu gut!

Er konnte sich lebhaft vorstellen, welche Reaktion sie bei anderen Männern ausgelöst hätte. Der bloße Gedanke, dass er sie einst überall berührt und geküsst hatte, dass er sie auf unzählige Arten geliebt hatte, ließ sein Herz schneller schlagen. „Oh verdammt!“

„Hey, Mann. So rede doch! Was ist los?“

Nun erst merkte Ian, dass er noch immer mit Storm telefonierte. Mit einem Mal fühlte er sich müde und ausgelaugt. Es kostete ihn sehr viel Kraft weiterzusprechen.

„Brooke“, brachte er schließlich hervor. „Sie ist hier.“

„Was soll das heißen, sie ist hier?“

Ian verdrehte die Augen. „Was ich dir sage, Storm. Sie hat vierzehn Tage im ‚Rolling Cascade‘ gebucht, um etwas auszuspannen. Und im Moment ist sie in meinem Penthouse und schwimmt in meinem Pool. Wir wollen die Vergangenheit begraben.“

„Großartige Idee, Ian“, erwiderte Storm. „Sag nichts, lass mich raten. Brooke und du, ihr wollt Freunde werden, stimmt’s? Mann, überleg doch mal vernünftig. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du dich mit der einzigen Frau, der du jemals dein Herz geschenkt hast, einfach so anfreunden kannst?“

Ian blickte finster drein. „Doch. Denn das ist vorbei. Ich liebe Brooke schon seit Jahren nicht mehr.“

„Sagst du.“

„Ja, und so meine ich es auch. Gute Nacht, Storm.“

3. KAPITEL

Ian erhob sich und ging durch den Raum zur Fensterfront, die die ganze Wand einnahm. Von hier aus hatte man einen atemberaubenden Blick über den Lake Tahoe.

Nach den aufwendigen Umbauarbeiten hatte das Casino nicht nur ein neues Aussehen und einen neuen Namen bekommen, sondern vor allem ein neues Image.

Ian hatte Wert darauf gelegt, dass alle Komponenten miteinander harmonierten: die reizvolle Landschaft Nevadas, die Pracht eines Casinos von Weltrang und ein erstklassiges Unterhaltungsprogramm. Das einzigartige Ambiente sprach auch eine gehobene Klientel an.

Von Ians Penthouse aus konnte man das Panorama am besten genießen. Auf der Westseite des Casinos nahm es Teile der achten und neunten Etage ein und lag weitab von den Villen, den verschiedenen Geschäften und Restaurants, den Golfanlagen mit den Wasserfällen und den Tennisplätzen.

Das Penthouse war sein Refugium, in dem er allerdings noch nicht viel Zeit verbracht hatte. Bis zur Eröffnung, die ein knappes Jahr zurücklag, hatte er viel zu viel zu tun gehabt, um sich dorthin zurückzuziehen. Er war so beschäftigt, dass er sich kaum freie Zeit gönnte. Außer weiblichen Familienmitgliedern hatte er noch keine Frau hierher eingeladen, nur Brooke.

Brooke.

Als er sie im Pool plantschen hörte, musste er lächeln. Aus irgendeinem Grund gefiel ihm ihre Anwesenheit, und egal, was Storm sagte: Zwischen Brooke und ihm gab es keine gefühlsmäßige Bindung. Sie konnten bestenfalls noch Freunde werden.

Brooke zog eine Bahn nach der anderen im ruhigen Wasser von Ians Pool. Schließlich setzte sie sich an den Beckenrand. Die Bewegung hatte ihr gutgetan. Sie fühlte sich entspannt und gleichzeitig angenehm erschöpft. Daher beschloss sie, sich etwas auszuruhen. Die lange Bank neben dem Becken sah einladend aus.

Sie legte sich auf den Rücken, sah zur Decke hoch und konnte an nichts anderes als an Ian denken, an seine dunklen Augen und wie er sie angesehen hatte, bevor er gegangen war. Schon immer hatte er sie fasziniert.

Sie versuchte, auf Abstand zu bleiben – vor allem weil sie nur zu gut wusste, wie schnell sie die Sehnsucht nach ihm überwältigen konnte. Den wahren Grund für ihr Hiersein hatte sie ihm nicht genannt, und sie konnte an der Anziehungskraft zwischen ihnen beiden nichts ändern. Grundbedürfnisse ließen sich nun einmal nicht ignorieren. Und sie wusste ja, wie geschickt Ian ihre Bedürfnisse befriedigen konnte.

Sie drehte sich auf den Bauch. Statt der Decke betrachtete sie jetzt eine Pflanze, die neben ihr stand. Wie konnte sie sich nur von Ian ablenken? Sie schloss die Augen, und ihre Gedanken schweiften in die Vergangenheit. Genüsslich erinnerte sie sich daran, wie Ian ihre Brüste mit Küssen bedeckt hatte, wie er an ihren Brustspitzen gesaugt und geleckt hatte, während er gleichzeitig ihren sensibelsten Punkt liebkoste …

Ian merkte nicht, wie die Zeit verging. Er trank von seinem Wein, während er am Fenster stand und Jachten und Segelboote beobachtete, die auf dem See kreuzten. Am folgenden Tag hatte er wichtige Termine: mit Nolen McIntosh, dem Manager des Casinos, mit Vance wegen Sicherheitsfragen, mit Danielle wegen Werbemaßnahmen. Und natürlich mit dem Mitarbeiter, der für die Organisation von Veranstaltungen zuständig war, wegen der bevorstehenden Überraschungsparty zu Delaneys Geburtstag.

Ian merkte fast sofort, dass kein Wasserplätschern mehr zu hören war. Er stellte sein Weinglas auf ein kleines Tischchen und ging zum Pool, wo er Brooke eine Stunde zuvor allein gelassen hatte.

Im Wasser war sie nicht mehr. Sie lag auf der Ruhebank und schlief. Die starken Gefühle, die ihn plötzlich überkamen, brachten ihn vollends aus dem Konzept. Wann hatte er Brooke zuletzt schlafen gesehen? Es war Jahre her. Die zornigen Worte ihres letzten Streites – die größtenteils von ihm ausgegangen waren – waren ihm noch gegenwärtig. Sie hatte alles erklären, ihm die Dinge aus ihrer Sicht schildern wollen. Aber er hatte abgelehnt. Nein, er hatte nichts mehr hören und sie niemals wiedersehen wollen.

Was ging nur in ihm vor? Warum sprach er mit ihr? Warum hatte er sie in seine Wohnung gelassen, die ihn als Einziges nicht an sie erinnerte?

Sie murmelte etwas im Schlaf. Er trat näher und gestand es sich zu, sie eingehend zu betrachten.

Da war das Band, das ihr Bikinioberteil an seinem Platz hielt, die gleichmäßige Rückenlinie, die Rundung ihrer Hüften, das dünne Stückchen Stoff, das die Bikinihose sein sollte. Ihre Haut sah weich aus, einladend und warm. Ian wurde heiß, er schluckte. Er wollte ihre Oberschenkel streicheln und hätte einiges darum gegeben, ihren attraktiven Po umfassen zu können. Und er wollte nicht einmal daran denken, wie seine Zunge ihre Brüste …

Er stöhnte auf. Bei ihrer Vorgeschichte war es nur natürlich, dass er dieses heiße Verlangen spürte, diese verzehrende Begierde. Früher, wenn er sie so vorgefunden hatte, hatte er sie sanft wecken, auf den Rücken drehen und sie streicheln können. Mit Lippen und Händen hatte er ihr ein sinnliches Seufzen entlockt.

Bei diesen Erinnerungen verspürte er ein flaues Gefühl in der Magengegend, und ihm wurde noch heißer. Ihm war klar, dass die Dinge nicht so einfach lagen. Zwischen ihnen war schon seit langer Zeit Schluss, und daran würde sich kaum etwas ändern. Er durfte sie nicht mehr berühren.

Von einem Tischchen nahm er ein Badetuch und deckte sie fürsorglich zu. Er würde sie nicht aufwecken. Sie sollte sich ausruhen. Aber er wollte bei ihr sein, wenn sie aufwachte.

Seine Sehnsucht würde sich zwar ins Unermessliche steigern, aber er wollte ihr in die Augen schauen. Wie immer beim Aufwachen würde sie verschlafen und zerzaust aussehen, was er so sexy fand. Stets hatte dieser Anblick seine männlichen Instinkte geweckt und ihn grenzenlos erregt. Dann hatte er sie mit einer Leidenschaft genommen, die er für keine andere Frau empfand.

Nachdem er sein Jackett ausgezogen und ordentlich über die Lehne eines Korbsofas gelegt hatte, setzte er sich auf einen Stuhl und streckte die Beine aus. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf Brooke.

Er dachte wieder an die Vergangenheit. Von dem Tag an, als er Dares Polizeibüro betreten hatte, war nichts in seinem Leben mehr wie vorher gewesen.

Brooke erwachte aus tiefem Schlaf und hatte die Augen noch geschlossen. Schläfrig gähnte sie. Es ging nichts übers Schwimmen, um angespannte oder schmerzende Muskeln zu lockern. Dabei fiel ihr wieder ein, wo sie war und warum sie der vertraute Geruch eines ganz besonderen Mannes umgab.

Langsam öffnete sie die Augen, und sofort fiel ihr Ian Westmorelands dunkler, durchdringender Blick auf, der auf sie gerichtet war. Ian machte einen leicht verwirrten Eindruck, als ob er schon längere Zeit auf dem Stuhl am anderen Ende des Raumes säße. Er wirkte ausgesprochen sexy.

Einige Knöpfe seines weißen Hemdes waren offen, die Ärmel aufgekrempelt. Seine Hose lag eng an den ausgestreckten Beinen an, sodass sich die Muskulatur seiner gut trainierten Oberschenkel darunter abzeichnete.

Mit Erschrecken merkte sie, wie gut er ihr noch immer gefiel. Sie spürte das Badetuch, mit dem er sie zugedeckt hatte. Es regte ihre Fantasie an, dass er ihr so nah gekommen war.

Sie wollte sich aufsetzen, die Beine strecken, sich entschuldigen, dass sie eingeschlafen war, doch sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte kaum atmen. Sein Blick schien sie festzuhalten. Sie erinnerte sich an die vergangenen Tage voller Glück und Leidenschaft und fragte sich, ob es ihm auch so ging.

Sein Blick erweckte etwas in ihr zum Leben, das vier Jahre lang geschlafen hatte. Das Bewusstsein seiner Nähe ließ sie erschauern.

Er war der Mann, der sie in die Freuden der Liebe eingeführt hatte. Jeden Morgen hatte er sie geweckt, indem er sie zärtlich geküsst und liebkost hatte. Abgesehen davon, dass er der beste Liebhaber war, den sich eine Frau nur wünschen konnte, war er auch ihr guter Freund und Vertrauter geworden.

Brooke blinzelte. Einen Moment lang war sie überrascht, als er auf sie zukam. Es war unverkennbar: Er begehrte sie. Das war ihm deutlich anzusehen. Ihre Reaktion darauf ließ nicht auf sich warten. Die sexuelle Anziehungskraft, die er ausstrahlte, war überwältigend.

Nun setzte sie sich hin, streckte die Beine und stützte die Hände neben sich auf. Sie fragte sich, was wohl in ihm vorging. Ihre eigenen Gedanken durchschaute sie inzwischen. Sie sah das Feuer in seinen Augen, spürte die Vertrautheit zwischen ihnen. So vieles war noch unklar. Es konnte nicht mehr wie vorher werden. Aber die körperliche Anziehungskraft, die zwischen ihnen herrschte, würde niemals nachlassen.

Tief in ihrem Inneren wünschte sie, es wäre anders und sie könnte Ian aus ihrem Herzen verbannen, so wie er es mit ihr gemacht hatte. Er begehrte sie noch, doch er liebte sie nicht mehr. Aber in diesem Moment spielte das keine Rolle. Sie wollte seinen Körper spüren, sie wollte, dass er sie noch einmal in die Arme nahm, dass er sie küsste.

Nun stand er vor ihr. Im Gegenlicht bildete seine gebräunte Haut einen reizvollen Kontrast zu seinem weißen Hemd. Als sie zu ihm aufblickte, schlug ihr Herz wie wild. Seine breite Brust und sein starker, muskulöser Körper beeindruckten sie sehr.

Langsam stand sie auf. Sie befürchtete erst, die Beine würden sie nicht tragen. Dann hörte sie ihn aufstöhnen und begriff, dass er ihr widerstehen wollte. Dass er bekämpfen wollte, was sie beide fühlten.

Doch im nächsten Moment beugte er sich zu ihr, und sie merkte, dass er der Versuchung nachgab, statt länger dagegen anzukämpfen. Seine Leidenschaft siegte über seine Bedenken.

Ihre Lippen berührten sich. Brooke fühlte sich wie elektrisiert, als sie seine Zunge spürte, sodass sie ihre anfängliche Zurückhaltung schnell aufgab. Mit Leib und Seele genoss sie seine Nähe. Ian, dachte sie und tat das Natürlichste auf der Welt: Sie erwiderte seine Küsse, so wie er es ihr beigebracht hatte.

Ian küsste Brooke hingebungsvoll. Er wollte es. Er brauchte es. Vier lange Jahre hatte er versucht, sein Verlangen, seine schmerzliche Sehnsucht nach dieser Frau zu verdrängen – vergeblich. Vielleicht war das hier der erste Schritt, um sich von ihr zu lösen.

Doch je länger der Kuss und das Spiel ihrer Zungen andauerten, desto schwerer fiel es ihm, die Beherrschung zu bewahren. Er zog Brooke näher an sich heran und streichelte ihren Rücken. Wie schön sie ist. Wie sehr ich sie noch immer begehre…

Er wollte mehr, viel mehr, als sie nur zu küssen. Er wollte sich mit ihr auf die Bank legen, sie ausziehen und spüren. Sie wieder besitzen.

Sie besitzen?

Bei diesem Gedanken zuckte er innerlich zusammen. Das Rad ließ sich nicht zurückdrehen. Von einigen Dingen konnte man sich nicht erholen, schon gar nicht von einem gebrochenen Herzen. Er hatte Brooke aus tiefster Seele geliebt. Und sie hatte – absichtlich oder unabsichtlich – diese Liebe zerstört.

Er sah sie an und prägte sich dabei jedes Detail ihres Gesichts ein, das er so attraktiv fand. Aber weiter würde er nicht gehen. Vielleicht begehrte er sie und sehnte sich nach ihr, aber lieben würde er sie nicht mehr.

„Komm, ich bringe dich nach Hause in deine Villa“, brachte er heiser hervor. Bedauern klang in seiner Stimme mit.

Brooke nickte nur, legte sich ihr Tuch um und folgte Ian zum privaten Aufzug.

„Hoffentlich habe ich deine Geduld als Gastgeber nicht überstrapaziert“, murmelte sie endlich. Die Türen des Aufzugs öffneten sich.

Angespannt erwiderte er: „Aber nein.“

Sie glaubte ihm nicht. Sie wusste, er konnte nicht so leicht verzeihen – und vergessen erst recht nicht. Er sagte zwar, sie beide sollten Freunde werden, aber sie bezweifelte, dass er das wirklich wollte, ja sogar, dass er mit diesem Kompromiss überhaupt zurechtkommen würde. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Wahrscheinlich würde er für den Rest ihres Aufenthalts auf Distanz bleiben.

Sie kamen bei der Villa an, und Ian trat zur Seite, um Brooke die Tür aufsperren zu lassen. Jetzt würde er ihr eine gute Nacht wünschen, doch überraschenderweise nahm er ihre Hand und folgte ihr in das Apartment. Er schloss die Tür.

„Im Flur sind Kameras versteckt“, flüsterte er und zog sie sanft in seine Arme. Dann küsste er sie noch einmal. Wieder war es ein langer und inniger Kuss, der sie erschauern ließ.

Nun verteilte er warme Küsse auf ihrem Gesicht und ihrem Hals. Als sein Kinn ihre Haut streifte, verspürte Brooke ein erregendes Kribbeln im Bauch. Ein Mann wie Ian war eben in mehr als einer Hinsicht eine Versuchung.

Zu ihrer Überraschung fragte er sie: „Brooke, gehst du morgen mit mir segeln?“

Erstaunt hob sie den Kopf und erwiderte bebend: „Willst du das wirklich?“

Er schwieg und schaute ihr tief in die Augen. Es kostete sie Mühe, nicht auf der Stelle dahinzuschmelzen. „Ja, ganz sicher.“ Er trat einen Schritt zurück. „Ich habe etwas erkannt, Brooke.“

„Was denn?“, fragte sie und schluckte.

„Die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit machen es uns schwer, jetzt nur einfach Freunde zu sein.“

Fragend zog sie eine Augenbraue hoch und kämpfte gegen den Kloß in ihrer Kehle an, der ihr das Atmen fast unmöglich machte. „Wie meinst du das?“

„Reine Freundschaft zwischen uns wird es niemals geben.“

„Meinst du?“

„Ja.“ Seine Stimme klang kühl und selbstsicher. „Und weil wir das Rad nicht zurückdrehen können, ist es am besten, wir ziehen einen klaren Schlussstrich.“

Sie dachte an ihre Küsse und musste sich eingestehen, dass er recht hatte. Doch seine Worte taten ihr weh. „Was sollen wir also deiner Meinung nach tun? Willst du, dass ich abreise?“, erkundigte sie sich und wusste dabei selbst, dass das keine Lösung war.

Er sah sie lange an, bevor er antwortete. „Nein. Ich will nicht, dass du gehst. Was ich will, ist, dass ich nicht ständig an dich denken muss. Und ich weiß nur einen einzigen Weg, um das zu schaffen.“

Brooke seufzte schwer. Sie wusste, worauf Ian hinauswollte. Und damit war sie ganz und gar nicht einverstanden. Vielleicht würde ihm das helfen, Abstand zu gewinnen, aber was sie selbst anging, hätte es genau die gegenteilige Wirkung.

Heftig schüttelte sie den Kopf. „Das funktioniert nicht.“

„Doch, bestimmt. Glaub mir.“ Seine Stimme klang heiser.

Sie hob den Kopf und sah ihn an, wobei sie das ungute Gefühl in ihrem Magen ignorierte. „Vielleicht hilft es dir. Aber mir sicher nicht.“

Seine Lippen waren ihren ganz nah, als er flüsterte: „Ich möchte es dir gern beweisen, Brooke. Du weißt doch, was ich meine: das Verlangen, die Sehnsucht, die Begierde. Erinnerst du dich an unsere wilden Nächte, in denen unsere Hormone verrückt gespielt haben? Wir konnten es nicht erwarten, uns die Kleider vom Leib zu reißen, sobald wir allein waren, und uns zu lieben.“

„Ian!“

„Und wo ich dich überall geliebt habe – auf dem Sofa, auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt. Ich habe dir alles gegeben. Und wie du immer …“

„Hör auf, Ian“, sagte sie scharf und trat einen Schritt zurück. Sie versuchte, die Schmerzen in ihrem Magen zu unterdrücken. „Ich lasse mich von dir nicht überreden.“

Seinen Gesichtsausdruck deutete sie als eine Kampfansage. Er würde hartnäckig sein Ziel verfolgen. „Okay“, sagte er lächelnd und glaubte ihr ebenso wenig wie sie sich selbst. „Ich hole dich morgen früh zum Segeln ab. Bis dann, Brooke.“

Kopfschüttelnd sah Brooke ihm nach, wie er ging, ohne sich noch einmal umzuschauen. Sie fröstelte und zog ihr Handtuch fester um den Körper. Eigentlich hätte sie nach Chlor riechen müssen. Aber sie roch nach Ian. Sein männlicher Geruch schien überall zu sein.

Eine Dusche würde ihr guttun. Daher ließ sie ihr Handtuch fallen und ging ins Badezimmer. Sie würde ihm eine Nachricht zukommen lassen, dass sie doch nicht mit ihm zum Segeln ging.

Er spielte anscheinend gern mit dem Feuer, sie allerdings nicht.

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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