Baccara Exklusiv Band 198

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VERFÜHRUNG WIE IN 1001 NACHT von OLIVIA GATES

Amir kann nicht anders, er muss die sinnliche Schönheit verführen. Eine Nacht, die nur ein Märchen bleiben wird, wie in den Erzählungen aus 1001 Nacht? Denn Amir muss schon bald heiraten - eine Braut, die Königin von Zohayd werden kann …

WILDE LEIDENSCHAFT, ZÄRTLICHES GLÜCK von MAUREEN CHILD

Unfassbar! Drei Jahre lang hat Sadie ihm seine Zwillingstöchter verschwiegen. Trotzdem gibt es für Rick als Ehrenmann nur eine Option: Heirat. Doch Sadie will mehr als eine Zweckehe. Sie will die drei kleinen Worte hören, die Rick noch nie, nie in seinem Leben gesagt hat …

SO SINNLICH WIE DEIN KUSS von YVONNE LINDSAY

Judd Wilsons Sexappeal ist unwiderstehlich - doch er ist der Sohn ihres Bosses! Anna soll Judd in dessen Auftrag überzeugen, nach Hause zurückzukehren und das Millionenunternehmen zu leiten. Dumm nur, dass Judd seinen Vater hasst und jede Gelegenheit nutzen will, um sein Imperium zu vernichten. Ist seine zärtliche Verführung womöglich auch Teil seines Racheplans?


  • Erscheinungstag 18.09.2020
  • Bandnummer 198
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726829
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Olivia Gates, Maureen Child, Yvonne Lindsay

BACCARA EXKLUSIV BAND 198

1. KAPITEL

Johara Nazaryan war gekommen, um den Mann zu sehen, den sie als Einzigen je geliebt hatte – bevor er eine andere heiraten würde.

Ihr Herz pochte heftig. Sie war verwirrt; im einen Moment voller Vorfreude, im nächsten verließ sie wieder der Mut.

Sie betrachtete die zahlreichen luxuriös gekleideten Gäste der Party, die zu seinen Ehren stattfand. Aber von Amir Aal Shalaan selbst war keine Spur zu sehen.

Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, trat Johara vorsichtshalber einen Schritt zurück.

Solange er noch nicht hier war, blieb ihr Zeit, sich etwas zu beruhigen. Oder machte das Warten sie noch nervöser? Sie konnte es immer noch kaum fassen, dass sie sich entschlossen hatte, ihn nach zwölf Jahren wiederzusehen.

Dabei hatte sie die ganze Zeit über jede noch so unbedeutende Nachricht über ihn förmlich aufgesogen. Wann immer sie ihre Reisen in seine Nähe geführt hatten, hatte sie es sich nicht nehmen lassen, ihm sehnsüchtige Blicke zuzuwerfen.

Aber dieses Mal würde sie direkt auf ihn zugehen und ihn ansprechen. Lange nicht gesehen …

Amir. Der Prinz von Zohayd, des mächtigen Königreichs in der Wüste. Der jüngste der drei Söhne von König Atef Aal Shalaan und der verstorbenen Königin Salwa. Außerdem war Amir in den letzten sechs Jahren zu einem erfolgreichen und geschätzten Geschäftsmann in der Bau- und Transportbranche geworden.

Für Johara allerdings würde er immer der vierzehnjährige Jugendliche bleiben, der ihr vor zwanzig Jahren das Leben gerettet hatte.

Es war an ihrem ersten Tag in Zohayd passiert, damals war sie sechs Jahre alt gewesen. Ihr Vater, ein Mann mit armenischen und amerikanischen Vorfahren, war zum ersten Assistenten des Hofjuweliers, Nazeeh Salah, ernannt worden und sollte fortan mit seiner Familie im Palast leben.

„Onkel“ Nazeeh, der Mentor ihres Vaters, war übrigens auch derjenige gewesen, der ihren Namen vorgeschlagen hatte: Johara – das arabische Wort für Schmuckstück, Juwel.

Während des Gesprächs zwischen ihrem Vater und dem König war Johara unbemerkt auf den Balkon hinausgegangen und über die Balustrade geklettert – wo sie dann hilflos zwischen Himmel und Erde hing. Sie konnte sich gerade noch mit den Händen am Sims festhalten.

Als sie um Hilfe schrie, liefen sofort alle zusammen. Ihr Vater warf ihr eine Seilschlinge zu, in die sie ihre Hand stecken sollte. Johara versuchte es und wäre dabei fast abgerutscht. Da hörte sie von unten eine Stimme, die ihr dringend riet, es zu lassen.

Ängstlich blickte sie nach unten – und sah ihn.

Eigentlich schien er zu weit weg zu sein, als dass er Johara würde auffangen können. Doch während ihr die Eltern noch zuriefen, dass sie durchhalten sollte, begriff sie schlagartig, dass er sie sicher halten würde. Sie ließ den Sims los und fiel fast zehn Meter in die Tiefe.

Und tatsächlich: Mit der Schnelligkeit, Kraft und Präzision des Falken, nach dem er benannt war, hatte er sie aufgefangen. Sie war wohlbehalten in seinen Armen gelandet.

Noch heute dachte sie ab und zu an diesen Moment höchster Gefahr. Johara wusste, dass sie es nicht geschafft hätte, das Seil über ihre Hand zu streifen. Blitzschnell hatte sie sich dafür entschieden, sich dem wundervollen Jungen anzuvertrauen, dessen feurige braune Augen so viel Sicherheit ausstrahlten.

Von da an hatte sie gewusst, dass sie immer ihm gehören würde.

Nicht nur, weil er ihr das Leben gerettet hatte. Er war in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Mensch, der ihr unendlich viel bedeutete.

Auch zwischen ihrem älteren Bruder Aram und ihm hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt.

Aber als Johara älter geworden war, hatte sie einsehen müssen, dass ihr Traum von einem gemeinsamen Leben niemals in Erfüllung gehen würde.

Amir war ein Prinz – und sie nur die Tochter eines Bediensteten. Auch dass ihr Vater inzwischen das hohe Amt des Juweliers des Königs übernommen hatte, änderte daran nichts. In dieser Funktion entwarf er zum einen die Schmuckstücke für die königliche Familie, zum anderen war er für den umfangreichen wertvollen Kronschatz verantwortlich. Er wurde „Pride of Zohayd“ genannt und war Zohayds ganzer Stolz.

Dennoch blieb ihr Vater ein Mann aus einfachen Verhältnissen, aus dem Ausland, der es nur mit Fleiß und Begabung so weit nach oben geschafft hatte. Eine adelige Abstammung ersetzte das nicht …

Und selbst wenn Johara zu einer der vornehmsten Familien Zohayds gehört hätte, hätte Amir sie wohl kaum in Betracht gezogen. Sicher, er war immer sehr nett zu ihr gewesen. Aber seit seinem siebzehnten Lebensjahr wurde er von attraktiven Frauen regelrecht umschwärmt.

Sich selbst hatte Johara damals längst nicht als Schönheit empfunden, und sie war auch nicht besonders weltgewandt …

Doch inzwischen fand sie ihre äußere Erscheinung ansprechend genug, um seine Nähe zu suchen und ihn zu lieben.

Acht wunderbare Jahre lang hatte er ihr seine Freundschaft geschenkt. Als Johara zwölf war, hatten sich ihre Eltern getrennt. Um weiterhin in Amirs Nähe zu sein, war sie bei ihrem Vater geblieben. Ihre Mutter, eine Französin, war in ihre Heimat zurückgekehrt, wo sie ihre Karriere als Modedesignerin fortsetzte.

Dann plötzlich war alles vorüber. Amir hatte sich von Johara und ihrem Bruder zurückgezogen. Aram hatte erklärt, dass er sich als Prinz nicht länger mit Bediensteten abgeben wollte.

Johara wunderte sich, denn eine solche Einstellung passte ihrer Meinung nach nicht recht zu Amir. Sie vermutete, dass es für die Bitterkeit ihres Bruders andere Gründe gab. Dennoch fühlte sie sich, als sei sie aus einem Traum erwacht.

Denn auf die Erfüllung ihrer Liebe durfte sie kaum hoffen. Eines Tages würde Amir standesgemäß heiraten, wie es seine Bestimmung war.

Vielleicht hatte er ja ihre Gefühle geahnt und hatte sich von ihr abgewandt, um sie nicht zu verletzen? Jedenfalls hatte sein Verhalten maßgeblich zu ihrer Entscheidung beigetragen, Zohayd zu verlassen.

Kurz nach ihrem vierzehnten Geburtstag war sie nach Frankreich zu ihrer Mutter gereist – und nie wieder zurückgekommen.

Seit diesem Tag empfand Johara Nachrichten über Amir als tröstlich. Sie freute sich aufrichtig über seine Erfolge und darüber, dass es ihm gut ging. Mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, dass diese heimliche, einseitige Liebe offenbar ihr Schicksal war …

Aber jetzt, kurz vor dem einschneidenden Ereignis, erschien es Johara, als ob sie nicht länger das Recht hätte, ihren Empfindungen nachzuhängen – auch wenn niemand etwas davon ahnte.

Sie musste ihn sehen, und zwar nicht nur aus der Ferne. Ein letztes Mal, bevor er eine andere zur Frau nahm.

Darum war sie zu der Abschiedsparty gekommen. Aidan McCormick, einer seiner Geschäftsfreunde, richtete sie für Amir in New York City aus.

Über ihre Anwesenheit würde sich niemand wundern. Als erfolgreiche Mode- und Schmuckdesignerin, die auch außerhalb Frankreichs Furore machte, gehörte sie schließlich zum internationalen Jetset.

Aber der weitaus schwierigere Teil des Abends stand ihr noch bevor: Sie musste sich ein Herz fassen und Amir ansprechen.

Dabei, hoffte sie, würde ihr klar werden, wie übertrieben ihre Gefühle für ihn gewesen waren …

Plötzlich überzog eine Gänsehaut ihren ganzen Körper.

Amir war da!

Es dauerte eine Weile, bis sie ihn sah. Seine Persönlichkeit überstrahlte förmlich den ganzen überfüllten Raum.

Johara hatte ihn nicht kommen sehen, obwohl sie den offiziellen Eingang in den letzten zwei Stunden nicht aus den Augen gelassen hatte. Er war von der anderen Seite gekommen. Dort musste McCormick einen privaten Aufzug haben.

Mit seiner Ausstrahlung zog Amir sie völlig in seinen Bann.

Sie hatte nur noch Augen für ihn. Sie war verwirrt. Und sie bewunderte ihn grenzenlos.

Obwohl sie mit vierzehn schon einen Meter siebzig groß gewesen war, hatte er sie bereits damals deutlich überragt. An diesem Abend trug sie halbhohe Absätze, mit denen sie über einen Meter achtzig maß – trotzdem war Amir mindestens fünfzehn Zentimeter größer.

Wieso war ihr nicht schon früher aufgefallen, wie eindrucksvoll seine Erscheinung war?

Als sie ihn das letzte Mal aus der Nähe betrachtet hatte, war er nicht einmal zweiundzwanzig gewesen. Aus der Distanz hatte sie ihn seitdem fünf oder sechs Mal gesehen, zuletzt vor einem Jahr auf einem Ball in Cannes.

Doch bei diesen heimlichen Gelegenheiten hatte sie nie mehr als einen Eindruck von Vitalität und männlicher Kraft gewonnen. Und Fotos und Filmaufnahmen, die sie von ihm gesehen hatten, wurden, wie Johara fand, seiner Persönlichkeit und äußeren Erscheinung sowieso nur annähernd gerecht.

Natürlich hatte sie ihn schon früher regelrecht angebetet, doch in diesem Moment kam er ihr noch attraktiver vor.

Amir erschien ihr wie eine gottgleiche Erscheinung der Wüste, geheimnisvoll und mächtig, kaum zu begreifen, herrlich und selbstherrlich zugleich.

Deutlich verrieten sein Anzug aus schwarzer Seide und das eng anliegende T-Shirt, dass Schultern und Brust breiter und muskulöser geworden waren. Im Gegensatz dazu wirkten die Hüften schlank wie ehedem.

Wenn er früher geschmeidig wie ein junger Falke gewesen war, besaß er nun etwas von der Majestät und Würde eines erwachsenen Raubvogels …

Auch Amirs Gesicht hatte sich verändert. Eine gefällige Erscheinung war er schon immer gewesen, mit seiner dichten dunklen Haarmähne, den feurigen braunen Augen und dem dunklen Teint.

Nun, da das Weiche und Jugendliche aus seinen Zügen verschwunden war, schien er reifer und männlicher zu sein.

Und doch war es vor allem sein Gesichtsausdruck, der Johara den Atem anhalten ließ: Amir war nicht glücklich!

Er wirkte nicht nur nicht zufrieden. Nein, er machte den Eindruck eines Mannes, dem man die innere Ruhe geraubt hatte. Möglich, dass dies anderen Leuten verborgen blieb, aber Johara spürte es so deutlich wie ihre eigenen widerstreitenden Gefühle.

Damit schwand all ihre Hoffnung, einen Schlusspunkt zu setzen.

Hätte sie Amir heiter und ausgeglichen vorgefunden – vielleicht hätte sie sich von ihm lösen können. Aber so …

Und doch … Für eines war sie dankbar: Er hatte sie nicht gesehen. Und das würde er auch nicht – sie musste nur ihren Plan ändern …

Ja, das war das einzig Richtige!

Wenn sie Amir jetzt ansprach, würde das alles nur noch verschlimmern. Wenn er sie so sehr durcheinanderbrachte, während er noch zehn Meter entfernt war und Johara nicht einmal bemerkt hatte – was würde dann erst passieren, wenn sie einander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden?

In ihrer naiven Liebe zu ihm hatte sie ihr Problem nur verstärkt. Mehr denn je wurde sie sich ihrer unerfüllten Sehnsucht bewusst. Jetzt half nur noch eins: den Schaden begrenzen.

Während sie sich selbst dafür schalt, dass sie überhaupt hergekommen war, ging sie zum Ausgang. Doch plötzlich fühlte sie sich wie von einem geheimen Kraftfeld angezogen …

Amir sah sie an – und schlagartig geriet ihr mühsam bewahrtes Gleichgewicht aus den Fugen.

Schon immer hatten seine Augen glühenden Kohlen geglichen, selbst wenn er Johara sanft und freundlich angeschaut hatte. In diesem Augenblick aber fühlte sie sich von seinem Blick regelrecht durchbohrt.

Darin lag ein aufleuchtendes Erkennen, eine ungeheure Intensität – ohne einen Anflug von höflicher Zurückhaltung.

Johara blieb fast das Herz stehen.

Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen, ein viel größerer, als sie es sich bisher eingestanden hatte. Zweifellos würde sie es bis ans Ende ihrer Tage bereuen …

Wie angewurzelt blieb sie stehen, als er auf sie zukam. Es war, als stünde sie unter seinem Bann: Sie konnte sich nicht von der Stelle rühren.

Sie fühlte sich wie ein Mensch, der sein Schicksal vor sich sieht und ihm nicht entrinnen kann …

Kaum hatte Amir Aidans großzügiges Penthouse betreten, als er es auch schon bereute. Mit jedem Schritt, mit dem er der Party mit ihrer aufgesetzt fröhlichen Stimmung näher kam, wuchs sein Unbehagen.

Er hätte gar nicht erst zulassen sollen, dass Aidan diese Abschiedsfeier für ihn ausrichtete – denn Amir war fast wie bei einer Beerdigung zumute …

In diesem Moment kam sein Freund und Geschäftspartner mit einem fröhlichen Lächeln auf ihn zu.

„Hallo, Am!“ Er versuchte, die laute Technomusik zu übertönen. „Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen.“

Unwillkürlich zuckte Amir zusammen. Dennoch versuchte er, ebenfalls zu lächeln. In Wirklichkeit mochte er es nicht, wenn man ihn Am nannte.

Aber er ließ es sich gefallen. Davon abgesehen – was bedeutete schon ein ungeliebter Spitzname im Vergleich zu dem, was er von nun an erdulden sollte?

Amir betrachtete das heitere Gesicht seines Freundes, der kleiner war als er selbst, und sagte: „Aidan, wenn ich geahnt hätte, was für eine Party das hier ist, wäre ich wahrscheinlich tatsächlich nicht gekommen.“

„Du kennst doch das Sprichwort: Arbeit allein macht nicht glücklich“, sagte Aidan und legte ihm freundschaftlich den Arm auf die Schulter.

Beinahe wäre Amir zurückgewichen. Zwar mochte er Aidan und kam aus einem Kulturkreis, in dem körperliche Gesten als Gunstbezeugungen zwischen Männern an der Tagesordnung waren. Trotzdem schätzte er es nicht besonders, berührt zu werden. Im engsten Familienkreis störte es ihn noch am wenigsten.

Aber wenn er mit Frauen zusammen war, stellte er stets von vorneherein klar, dass allzu große Nähe nicht infrage kam.

Dabei konnte er sich an seine letzte Affäre sowieso kaum noch erinnern. Solche oberflächlichen Abenteuer hatten für ihn längst ihren Reiz verloren. Und die Frauen, die er mochte und respektierte, begehrte er nicht.

Mit einer geschmeidigen Bewegung entzog er sich wie zufällig der Umarmung seines Freundes. „Ich bin mir nicht sicher, ob mir Arbeit nicht lieber wäre als diese verrückte Party.“

Verdutzt sah Aidan ihn an. Auch nach sechs Jahren geschäftlicher Zusammenarbeit gab Amir ihm immer noch Rätsel auf. Vielleicht weil er niemanden wirklich an sich heranließ …

Aber Aidan hatte diese Party mit den besten Absichten ausgerichtet, und es wäre unfair gewesen, ihn zu enttäuschen.

Deshalb fügte Amir höflich hinzu: „Trotzdem. Schließlich sage ich nicht jeden Tag meiner Freiheit Lebewohl. So gesehen ist der Trubel durchaus … berechtigt.“

Erleichtert atmete Aidan auf und lächelte wieder. Amir zuliebe sagte er: „Du verlierst ja nicht wirklich deine Freiheit. Soweit ich gehört habe, lassen arrangierte Ehen in Königshäusern viel Raum für alle möglichen … Vereinbarungen.“ Dabei zwinkerte er dem Freund zu und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.

Für diese Bemerkung hätte Amir ihm am liebsten den Kopf abgerissen. Zum Glück wandte sich Aidan in diesem Moment mit einem erfreuten Ausruf ein paar Leuten zu, die sich zu ihnen gesellt hatten, um Amir zu begrüßen.

Mit einem leisen Seufzen ergab sich Amir seinem Schicksal und verhielt sich so, wie Aidan es von ihm erwartete. Im Moment hätte es sowieso keinen Sinn gehabt, ernsthaft mit ihm zu sprechen. Offensichtlich hatte er schon einiges getrunken und war entsprechend guter Laune.

Amir fand, es reichte, wenn er selbst der harten Realität ins Auge sehen musste …

Seine Welt stürzte in sich zusammen.

In geschäftlicher Hinsicht konnte er sich nicht beklagen. Im Gegenteil, ein Erfolg folgte auf den nächsten. Aber privat stimmte schon lange nichts mehr. Und er wusste genau, an welchem Punkt sich alles geändert hatte: Seit dem Streit mit Aram war es immer weiter bergab gegangen.

Bis dahin hatte Amir unbeschwert gelebt und einer glänzenden Zukunft entgegengesehen.

Schon damals hatte er im Grunde gewusst, dass von ihm als Prinzen eines Tages eine standesgemäße Heirat erwartet wurde. Aber er hatte den Gedanken immer verdrängt. Schließlich hatte er noch zwei ältere Brüder, die in der Thronfolge vor ihm standen. Wenn einer von ihnen oder beide eine politisch motivierte Ehe eingingen …

Und tatsächlich hatte Amjad, der Kronprinz, eine solche Ehe aus Staatskalkül geschlossen – die in einem Desaster geendet hatte.

Die Braut war bereits schwanger zur Hochzeit gekommen. Sie hatte geplant, Amjad zu töten und das Kind als seines auszugeben. So hätte sie den Rang einer Prinzessin behalten und wäre zudem Mutter des neuen Thronerben gewesen.

Als sich Amjad von ihr hatte scheiden lassen, hatte es einen Skandal gegeben, über den immer noch geredet wurde.

Danach war Amjad um die Welt gereist, um internationale Kontakte zu knüpfen. Er war als einflussreicher Mann zurückgekehrt, der mehr Macht in seiner Person vereinigte als das gesamte übrige Zohayd.

Niemand würde es wagen, von ihm eine weitere Heirat aus Vernunftgründen zu verlangen. Wenn er den Thron bestieg, würde er seinen Bruder Hassan – und nach ihm Amir – als Nachfolger bestimmen. Das hatte er öffentlich erklärt.

Was Hassan betraf, so würde es seine Position nur schwächen, wenn er sich mit einem der Wüstenstämme durch Heirat verbinden würde.

Er war der beste Innenminister geworden, den Zohayd je gehabt hatte. Besonders auf dem Gebiet der Staatssicherheit hatte er sich einen Namen gemacht. Daher war Neutralität für ihn wichtig.

Mit seinen sechsunddreißig Jahren hatte Hassan viele Beziehungen zu Frauen gehabt, ohne sich ernsthaft zu verlieben. Wenn er dennoch je heiraten wollte, stand es ihm frei, allein nach seinem Herzen zu entscheiden.

Also blieb nur Amir, der mit einer passenden Heirat den Zusammenhalt der verschiedenen Gruppen sichern sollte. Denn er war der letzte Sohn des Königs und einer wahren Königin von Zohayd mit edler Herkunft.

Seine beiden Halbbrüder hatten Sondoss zur Mutter, die jetzige Gemahlin des Königs, die aus Azmaharia stammte. Daher wurden Haidar und Jalal für weniger würdig erachtet, die Linie des Königshauses fortzuführen und die Stämme zu einen.

Seit Jahren wusste Amir, dass er seinem Schicksal nicht entgehen würde. Aber statt sich an die Vorstellung zu gewöhnen, litt er immer mehr darunter.

Über ihm schien ein Damoklesschwert zu hängen …

Vor Kurzem, genauer gesagt am Tag nach seinem vierunddreißigsten Geburtstag, hatte er beschlossen, dem unerträglichen Schwebezustand ein Ende zu setzen.

Sofort hatte er mit seinem Vater gesprochen, damit eine Auswahl an Heiratskandidatinnen getroffen werden konnte, die infrage kamen. Bereits am folgenden Tag hatten die Medien darüber berichtet. Wenn einer der begehrtesten adligen Junggesellen eine Braut suchte, bedeutete das eine regelrechte Sensation.

Und hier stand Amir nun und ließ diese Abschiedsparty über sich ergehen.

Er sah auf die Uhr und stutzte. War er tatsächlich erst wenige Minuten hier? Dabei erschien es ihm, als hätte er hundert Menschen die Hand geschüttelt.

Genug. Er würde sich verabschieden und diesen Albtraum von einer Party verlassen. Aidan war so gut gelaunt, dass es ihm vermutlich nicht einmal viel ausmachen würde.

Gerade als Amir den Entschluss gefasst hatte und sich nach seinem Freund umwandte, stockte ihm der Atem. Da stand … sie!

Im Moment dieses plötzlichen Erkennens schien die Welt stillzustehen. Überwältigt sah er in ein Paar unglaublich dunkler Augen, als gäbe es die vielen Menschen in dem vollen Raum schlichtweg nicht.

Amir wusste nicht, wie lange er so dastand. Ihm erschien es wie ein Stück Unendlichkeit. Mit allen Sinnen empfand er Nähe zu einem anderen Menschen – trotz der Entfernung, die sie noch trennte. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren spürte er in sich Wärme und … Leben!

Wie unter Zwang folgte er seiner inneren Stimme und ging auf sie zu.

Die Menge teilte sich, als hätte Amirs Sehnsucht sich ihren Weg gebahnt. Plötzlich verstummte die Musik, und die Stille unterstrich die Bedeutung dieses Augenblicks.

Kurz vor ihr blieb er stehen und betrachtete sie von Kopf bis Fuß.

Er sog ihren Anblick ein, wie um sie nie mehr zu vergessen.

Gold- und bronzefarbene Locken fielen über ihre Schultern und brachten ihre helle Haut bezaubernd zur Geltung. Das Kleid aus schimmerndem Taft passte herrlich zu ihren dunklen Augen. Während das enge Oberteil die vollen Brüste und die fast unglaublich schlanke Taille betonte, fiel der feine Stoff des Rockteils in mehreren Lagen nach unten.

Hingerissen betrachtete Amir das edle Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Eine einzigartige Frau! Die Augen verrieten ebenso Intelligenz wie Empfindsamkeit. Ein sinnlicher Mund mit vollen Lippen …

Was er sah, erschien Amir wie ein Wunder. Um alle zauberhaften Einzelheiten dieses ersten Eindrucks zu ergründen, hätte eine Stunde, ja ein Tag nicht genügt.

„Guten Abend“, sagte Amir schließlich. „Wollen wir uns noch lange anschweigen?“ Dabei entging ihm nicht der raue Klang seiner Stimme – und ebenso wenig, wie sie davon erbebte.

Aus ihren leidenschaftlichen Augen sprach Verwirrung. „Ich … wir …“, begann sie.

Amir spürte, wie glücklich ihn dieser Moment machte. „Ja genau, wir beide. Wir sollten uns unbedingt unterhalten. Erst dann glaube ich, dass das hier kein Traum ist.“

„Ich bin … ich will nicht …“ Da ihr wieder kein vollständiger Satz gelang, zog sie leicht die Brauen zusammen – was sie in seinen Augen nur noch schöner machte.

Obwohl sie nur diese wenigen Worte sprach, fiel Amir der volle und warme Klang ihrer Stimme auf, der vollendet zu dieser außergewöhnlichen Frau passte.

„Worüber wollen wir also sprechen?“, fragte er. „Wenn erst der Anfang gemacht ist …“

„Amir, ich …“

Wieder sprach sie nicht weiter – und Amir setzte schier der Herzschlag aus. Wie wunderschön es sich anhörte, wenn sie seinen Namen flüsterte!

Er berührte ihr Kinn und sah ihr in die seelenvollen dunklen Augen. Dann fragte er leise: „Kennen wir uns?“

2. KAPITEL

Plötzlich begriff Johara: Er erkannte sie nicht!

Wie auch?

Vielleicht hatte er schon lange nicht mehr an sie gedacht. Und selbst wenn – sie sah inzwischen völlig anders aus als mit vierzehn.

Das lag zum einen daran, dass sie zu den Frauen gehörte, die ihre volle Schönheit relativ spät entfalten, zum anderen am Einfluss ihrer Mutter.

Damals in Zohayd hatte Jacqueline Nazaryan großen Wert auf ein dezentes Erscheinungsbild ihrer Tochter gelegt. Später hatte sie ihr den Grund dafür anvertraut: Johara hatte von ihr die hohe schlanke Gestalt und den hellen, fast strahlenden Teint geerbt – und vom Vater die vitale Erscheinung mit den dunklen Augen. Jacqueline wusste daher von vornherein, dass ihre Tochter einmal eine außergewöhnliche Schönheit werden würde: groß und schlank, mit guter Figur, blonden Haaren und intensiver Ausstrahlung.

In Zohayd mit seinen dunkelhaarigen Menschen hätte man sie als Juwel gepriesen. Und das hätte mit ziemlicher Sicherheit zu Schwierigkeiten geführt. Viele, auch verbotene Wünsche hätten sich auf sie gerichtet, wenn sie ihre Attraktivität noch betont hätte.

Jacqueline, die nach Frankreich zurückgekehrt war, hatte Johara und ihrem Vater solche Probleme erspart – indem die Tochter weiterhin unauffällig aussah und gar nicht den Wunsch verspürte, ihre Schönheit voll zur Geltung zu bringen.

Später war Johara ebenfalls nach Frankreich gezogen. Dort hatten Jacqueline und ein paar ihrer Freundinnen, die wie sie in der Welt des Modedesigns zu Hause waren, Johara bei der Entwicklung ihres Typs geholfen.

Mit ihrer Hilfe hatte Johara gelernt, ihre Vorzüge zu betonen.

Als sie selbst erfolgreiche Modedesignerin und Geschäftsfrau geworden war, begriff sie, wie recht ihre Mutter gehabt hatte. Denn für viele Männer zählte nur das Äußere … Reichen und mächtigen Verehrern war es nur darum gegangen, sie ihrer Sammlung einzuverleiben. Aber Johara hatte sich ihnen mit Erfolg entzogen, ohne Ausnahme und ohne Folgen. In Zohayd wäre das nicht so einfach gewesen …

Kein Wunder also, dass Amir sie nicht erkannte. Aus dem Entchen war ein stolzer Schwan geworden.

Amir … Endlich stand er vor ihr – und betrachtete sie, ohne zu wissen, wer sie war. Das Leuchten in seinen Augen, die Freude, die sich darin ausdrückte, musste einen anderen Grund haben …

Warum spielte ein Lächeln um seine Lippen? Weshalb neigte er ihr so freundlich den Kopf zu? Und wieso schien von seiner Hand an ihrem Kinn eine solche Hitze auszugehen? War es möglich, dass er …?

„Natürlich wissen Sie, wer ich bin“, unterbrach Amir die Gedanken, die durch ihren Kopf jagten. Seine dunkle Mähne schimmerte mahagonifarben im Licht der Spiegelkugeln und Discoscheinwerfer. Mit seinen unergründlichen Augen sah er sie an. „Schließlich sind Sie hier auf meiner Abschiedsparty.“

Sie schwieg. Offenbar nahm er an, sie gehörte zu den Gästen, die einfach nur hier waren, um die Drinks zu genießen und neue Kontakte zu knüpfen.

Er hatte jetzt ihr Kinn losgelassen und strich mit dem Handrücken zart über ihre Wange, die Johara sofort glühend heiß erschien. „Wem verdanke ich das Riesenglück, dass Sie hier sind? Wer hat Sie eingeladen?“

Verständlich, dass er sie nicht auf den ersten Blick wiedererkannt hatte. Aber dass ihre Begegnung so gar keine Erinnerung in ihm wachrief, wunderte Johara. Und es enttäuschte sie auch.

Was er bisher gesagt und getan hatte, hatte nichts mit Wiedersehensfreude nach all den Jahren zu tun. Es gab nur einen Grund, warum er auf sie zugekommen war, mit ihr sprach, sie so freundlich ansah. Auch wenn es unglaublich erschien, war es doch die einzige Erklärung …

Amir fand sie attraktiv!

Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte er mit tiefer, wohltönender Stimme, die sie bis ins Herz berührte: „Auf die Gefahr hin, dass es abgedroschen klingt: Mir kommt es vor, als ob wir uns schon ewig kennen.“

In diesem Moment setzte die Musik wieder lautstark ein. Das wirkte wie ein Tusch und nahm Johara die Möglichkeit, zu bestätigen, dass es ja tatsächlich so war.

Bei dem fast schon ohrenbetäubenden Lärm hörte Amir auf, ihre Wange zu streicheln. Stattdessen schaute er sich verärgert im Raum mit dem lebhaften Partytreiben um. Gleich darauf sah er wieder Johara an – mit derselben Intensität wie vorher. „Hier wird man ja verrückt.“ Mit einem Blick auf ihre elegante Handtasche sagte er: „Ihre Sachen haben Sie ja bei sich. Wollen wir gehen?“

Dabei strich er sanft über ihren Arm. Eine unwiderstehliche Geste, die zwar nicht gegen die Regeln der Höflichkeit verstieß, aber dennoch eindeutig einen einladenden Charakter hatte.

„Aber es ist d…, äh Ihre Party.“

Als er lächelte, bildeten sich feine Lachfältchen um die Augen, und die geöffneten Lippen ließen seine makellos weißen Zähne sehen. „Aih, genau. Und deshalb gehe ich, wann immer ich will.“

Die Berührung seiner Hand auf der nackten Haut ihres Oberarms jagte Schauer der Erregung durch ihren Körper.

„Und jetzt will ich. Und wie“, fügte er hinzu.

Johara presste die Hand an ihr Herz, das heftig pochte.

Schon immer hatte sie sich wie im Märchenland gefühlt, wenn er sie angelächelt hatte. Aber diese Situation war einfach … unglaublich! Ganz offenbar besaß Amir die Gabe, in verbotenes Terrain vorzustoßen. Und Johara war machtlos dagegen.

Sie blinzelte, sah sich wie in Trance um und blinzelte wieder.

Erstaunt stellte sie fest, dass sie die Party verlassen hatten. Sie standen in einer großen Marmorhalle vor einem Aufzug, der anscheinend privat war. Johara bekam weiche Knie …

Wie war sie nur hierhergekommen?

Plötzlich war ihr alles zu viel. Seine Blicke, seine Bewegungen, alles schien nur dazu angetan zu sein, ihr die innere Ruhe zu nehmen. Sie wandelte an einem gefährlichen Abgrund, und jeden Moment konnte sie das mühsam bewahrte Gleichgewicht verlieren.

Für Amir, der sich nicht an sie erinnerte, war sie eine fremde Frau, die er verführen wollte. Und offensichtlich zweifelte er nicht daran, dass es ihm gelingen würde.

Immerhin nahm sie so viel Willenskraft zusammen, dass sie sich aus seinem lockeren, aber dennoch kraftvollen Griff befreite und einen Schritt zur Seite trat.

Überrascht zog er die edel geschwungenen Augenbrauen hoch. Seine Lippen wirkten jetzt schmaler, und dadurch wurde die Schönheit seines Mundes noch stärker betont.

Amir war jetzt ganz der Prinz, dessen Wünsche sich nicht erfüllten …

Anscheinend verstand er nicht, dass eine Frau es wagte, sich ihm zu widersetzen. Wie würde diese Begegnung ausgehen? Würde er gar versuchen, Druck auszuüben?

Ernüchtert sah sie ihm in die Augen. „Du … Sie sind sich ziemlich sicher, dass ich mitkomme, stimmt’s?“

Amir entging nicht die leichte Bitterkeit in ihrer Stimme. Ruhig sagte er: „Ja, völlig. Sie wollen es – genauso sehr wie ich.“

Ärgerlich antwortete sie: „Sie haben recht: Es klingt abgedroschen.“

Seine Augen weiteten sich. „Mag sein, aber trotzdem ist es wahr.“

Zweifelnd sah sie ihn an.

„Sie glauben wohl, ich drücke mich banal aus, weil mir jede Fantasie oder Feinfühligkeit fehlt. Wenn aber die Wahrheit so klar auf der Hand liegt, warum soll man sie mit Worten verkomplizieren?“

„Vielleicht haben Sie einfach nur keine Lust, sich etwas Neues auszudenken. Oder Sie sind zu übersättigt. Womöglich sind Sie noch nie auf die Idee gekommen, Ihr Flirtverhalten zu überdenken. Finden Sie etwa, ich wäre es nicht der Mühe wert, umworben zu werden? Jedenfalls ist für mich die bloße Erkenntnis, dass Sie sich für mich interessieren, noch kein Grund, mit Ihnen ins Bett zu gehen.“

Mit jedem ihrer Worte schien er bestürzter zu werden.

Und Johara selbst erging es nicht besser. Warum nur hatte sie das alles gesagt? Es war, als hätte sich in ihrer Seele ein starker Druck aufgebaut, der sich nun durch die Enttäuschung über Amirs Verhalten Bahn gebrochen hatte.

Alles nur, weil sie ihn schon so lange liebte!

Wie oft hatte sie sich diese Begegnung in den schönsten Farben ausgemalt! Und nun hatte die raue Wirklichkeit ihre Träume zerstört.

Mit seinem rein körperlichen Interesse hatte Amir ihren Glauben an die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen ad absurdum geführt. Die hatte sie sich in ihrer Verliebtheit also nur eingeredet.

Diese Schlussfolgerung machte Johara sehr traurig. „Und was“, fragte sie, „wenn der Mann, der mich eingeladen hat, mein Freund ist – oder sogar mein Verlobter oder Ehemann? Ist Ihnen dieser Gedanke nicht gekommen?“

Amir erstarrte. „Nein.“

„Oder spielt es für Sie keine Rolle, ob ich gebunden bin?“

„Das kann nicht sein! Das hätte ich gespürt. Für mich war klar …“

Er brach ab. Die Energie, die von ihm ausgegangen war, seit er Johara gesehen hatte, wurde merklich schwächer und erlosch schließlich ganz. Nun wirkte er wieder so bedrückt, wie er ihr anfangs erschienen war. Wie unter einer Zentnerlast …

Er schloss die Augen und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Dann ließ er die Arme sinken und sah Johara an. Der Ausdruck von Hoffnungslosigkeit in seinem Blick ging ihr durch Mark und Bein.

„Ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist“, sagte er schließlich. „Als ich Sie gesehen habe, habe ich gedacht … nein, ich hätte schwören können, dass in Ihren Augen ein … Erkennen lag. Das Erkennen, das sich angeblich einstellt, wenn man den Menschen trifft … der für einen bestimmt ist.“

Zerstreut strich er sich durch das Haar.

„Vielleicht lag es an der Beleuchtung, aber ich war mir vollkommen sicher, dass wir einander auf diese Art erkannt haben! Oder mir hat mein Unterbewusstsein einen Streich gespielt – aus Verzweiflung. Wie dumm von mir, dass ich geglaubt habe, ich könnte auf einer Party wie dieser eine so tiefe Verbundenheit erleben. Ist es nicht überhaupt ziemlich unwahrscheinlich? – Jedenfalls möchte ich mich bei Ihnen und Ihrem Mann entschuldigen. Eigentlich hätte ich mir ja denken können, dass Sie schon vergeben sind.“

Er ballte die Fäuste und öffnete sie wieder, und Johara litt mit ihm. Dann schüttelte er über sich selbst den Kopf und wandte sich ab.

Johara fühlte sich wie vom Blitz getroffen und blickte Amir nach, der mit großen Schritten davonging. Gleichgültig hatte er nicht gewirkt, nur verletzt. Und niedergeschlagen. So hatte sie ihn noch nie gesehen.

„Es war rein hypothetisch“, rief sie ihm nach.

Amir blieb stehen, drehte den Kopf aber nur halb zu ihr, sodass sie sein Profil sah. Er hielt den Blick gesenkt und wartete, dass sie weitersprach.

Johara brachte kaum ein Wort heraus. „Als ich einen Freund, Verlobten oder Mann erwähnt habe, war das nur eine Was-wäre-wenn-Frage. Ich habe niemanden.“

„Also sind Sie nicht vergeben“, flüsterte er mit rauer Stimme.

Während der düstere Ausdruck aus seinem Gesicht wich, kam Amir langsam wieder auf sie zu. „Sie wollten nicht mit mir kommen, weil Sie mich für einen gelangweilten Playboy ohne echte Gefühlsregung und Poesie gehalten haben. Für jemanden, der gar nicht erkennt, was für ein Wunder es ist, dass wir uns begegnet sind.“

Johara atmete schwer. „Also gut. Hiermit ändere ich meine Meinung. Sie sind ein Mann voller echter Gefühle und Poesie“, sagte sie scherzhaft.

Als Amir lachte, wurden ihr vor Erleichterung die Knie weich. Mit einem großen Schritt, der seinen Hunger nach ihr verriet, trat er vor sie. Johara fühlte sich wie elektrisiert.

„Sagen Sie mir, dass Sie es auch spüren“, flüsterte er. „Zwischen uns besteht eine fast greifbare … Einheit! Oder ist das ein Traum?“

„Kein Traum. Ich spüre es auch.“

„Wenn ich Sie berühre, werden Sie sich mir dann wieder entziehen? Oder dieses Mal nicht?“

Sie schüttelte den Kopf, nickte, seufzte. Und verging fast vor Sehnsucht nach ihm.

Er nahm ihre beiden Hände und zog Johara an sich. Stolpernd kam sie ihm entgegen und legte endlich, endlich den Kopf an seine Schulter – wie sie es sich immer erträumt hatte.

Genau wie damals, nachdem er sie gerettet hatte.

Endlich schmiegte sie sich an ihn, während er sie an sich drückte und ihr über das Haar strich. Im selben Moment wie sie stöhnte auch er auf …

Schließlich sagte er: „So etwas gibt es sicher nicht oft. Wir haben unseren ersten Streit hinter uns, und ich kenne noch nicht einmal Ihren Namen.“

„Ein richtiger Streit war es ja nicht“, flüsterte Johara und löste sich ein wenig von ihm, um Atem zu holen.

Er lächelte sie an, und sie sah an seinen Augen, wie sehr sie ihm gefiel. „Aus meiner Sicht nicht“, sagte er. „Aber Sie wären ja fast auf mich losgegangen. Und ich hätte mich vermutlich nicht einmal gewehrt. – Und jetzt lasse ich mich nicht länger vertrösten. Sagen Sie mir Ihren Namen, ya ajaml makhloogah fel kone. Er wird für mich wie ein segensreiches Geschenk sein.“

Mit seinen arabischen Worten hatte er sie soeben das schönste aller Geschöpfe genannt! Vielleicht hatte er gar nicht bemerkt, dass er in seiner Muttersprache geredet hatte …

„J…“ Ihr versagte die Stimme, als Amir noch näher kam. Es schien, als wolle er ihren Namen einatmen wie ein kostbares Parfüm.

In diesem Moment begriff sie, dass sie ihm nicht sagen konnte, wer sie war.

Unweigerlich würde eine peinliche Situation entstehen. Erst würde er bestürzt reagieren und dann aus Anstandsgefühl auf Distanz gehen.

Sie brachte es nicht über sich, diesen glücklichen Augenblick mit ihm zu zerstören. Denn bald würde ihr nur die Erinnerung daran bleiben …

„Gemma“, sagte sie – und hätte sich sogleich am liebsten für diesen Einfall geohrfeigt. Gemma … ein Wort, das in vielen romanischen Sprachen Schmuck bedeutet. Also eine wörtliche Übersetzung ihres wirklichen Namens. Wie leicht zu durchschauen!

Aber nachdem sie ja schon angefangen hatte zu sprechen, blieb ihr keine andere Wahl, als bei demselben Anfangslaut zu bleiben. Ein Name wie Dana oder Sara hätte Amir nur stutzig gemacht.

Bevor ihr die Situation entglitt, würde sie sich von ihm verabschieden und gehen, ohne sich umzusehen. Ihr blieb ihr ganzes Leben, um diese wunderbare Begegnung mit ihm im Geiste wieder und wieder durchzuspielen …

Aber Amir durchkreuzte ihren Plan, indem er sie fester an sich zog.

„Gemma“, sagte er und seufzte glücklich. „Was für ein herrlicher Name. Und er passt so gut, ya joharti.“

Ihr blieb fast das Herz stehen. Doch Amir lockerte die Umarmung und lächelte. „In meiner Muttersprache bedeutet das ‚mein Juwel‘. – Meine kostbare Gemma, wollen Sie mit mir kommen?“

„Wohin denn?“

„Spielt das eine Rolle? Solange wir beide zusammen sind …“

Bald war Johara klar, dass alles, was dagegen sprach, keine Rolle spielte.

Was waren alle Bedenken gegen diese Gelegenheit, einen letzten Blick, ein letztes Lächeln, eine letzte Berührung von Amir als Erinnerung einzufangen?

Was bedeuteten ihre Zweifel gegen die unermessliche Freude, dass Amir sich für sie interessierte, sie begehrte, sie umwarb?

Fasziniert betrachtete sie ihn, einen Traum von einem Mann, wie er ihr gegenübersaß. Um ein, im wahren Sinn des Wortes, exklusives Dinner in einem exklusiven Restaurant zu genießen.

Seit sie aus McCormicks Penthouse weggegangen waren, hatten sie sich angeregt unterhalten. Johara hatte Amirs Fragen beantwortet, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen …

„Möchtest du wissen, was der Restaurantbesitzer zu mir gesagt hat, nachdem er die anderen Gäste abgewiesen hatte?“, fragte Amir mit glänzenden Augen, während er Joharas Handfläche streichelte. „Dass solche schweren Geschütze für eine kultivierte Frau wie dich viel zu unsubtil sind.“

Sie lachte. „Ein sehr kluger Mann.“

„Ich wünschte, das hättest du mir gesagt, bevor ich ihm meine Kreditkarte überlassen habe“, scherzte er.

Wieder lachte sie. Obwohl sie so aufgeregt war, fühlte sie sich beschwingt. Nun waren ihre Träume doch noch wahr geworden. Es gab sie tatsächlich, die Verbindung zwischen ihnen.

Amir und sie flirteten genauso lebhaft miteinander wie in den Fantasien, die ihrem Leben Farbe verliehen hatten.

Er war immer noch der Mann, den sie geliebt hatte, seit sie denken konnte. Und das Zusammensein mit ihm war sogar noch schöner, als sie es sich je ausgemalt hatte.

Was für eine bittersüße Situation! Johara seufzte. „Aber im Ernst, du hättest dich nicht in solche Unkosten stürzen sollen. Wir waren uns doch einig, dass es keine Rolle spielt, wohin wir gehen.“

„Ich wollte mit dir allein sein.“

„Dazu hätten wir auch am Pier spazieren gehen können“, sagte sie.

„Die Idee kam mir auch. Aber für eine kühle Nacht bist du nicht richtig angezogen.“ Er senkte den Blick, wie um über das Muster nachzusinnen, das er mit dem Finger in ihre Handfläche malte.

Als er wieder zu Johara aufsah, war alles Charmante und Freundliche aus seinem Gesicht verschwunden, und er wirkte wieder wie ein Gott der Wüste, entschlossen und hart.

Es erschreckte Johara, wie heftig sie darauf reagierte …

„Du weißt, wo ich am liebsten mit dir allein wäre. Bei mir. In meinem Bett.“

Was für eine unglaubliche Vorstellung! Johara schloss die Augen. Was sollte sie bloß tun?

Sanft strich er ihr über die Lider, bis sie die Augen öffnete. Nun gab es kein Zurück …

„Ich will dich, Gemma. Diese Art von Begehren habe ich noch nie verspürt, so stark und rein.“

„Rein?“

„Ja. Es ist so unverdorben und bedingungslos. Ich will dich, in jeder Hinsicht. Und du willst mich genauso sehr. Nie würde ich so tief empfinden, wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Zwischen uns fließen Gefühle in einem nie endenden Kreislauf. Ein machtvolles Geschehen, das wir nicht leugnen können und das mit jedem Atemzug stärker wird. – Gemma, lass mich unseren gemeinsamen Wunsch erfüllen. Darf ich dir beweisen, wie sehr ich dich verehre?“

„Amir, bitte …“

Plötzlich stieß er seinen Stuhl zurück, und einen Herzschlag später stand er neben ihr und zog sie hoch. Er hob sie in seine Arme und bedeckte ihren Hals mit Küssen.

Johara legte den Kopf in den Nacken …

„Das ist alles, was ich will“, sagte er. „Dich glücklich machen, bis ans Ende der Zeit.“

Ich muss ihm sagen, wer ich bin! dachte sie. Dann wird er sofort aufhören …

Und er würde wütend sein, weil sie ihm es nicht eher gesagt hatte. Aber so sollte es nicht enden. Er sollte sich nicht getäuscht fühlen – und sie nicht hassen.

Sie musste Nein sagen. Eine Weigerung würde er akzeptieren. Sie hatte nicht gewollt, dass all das passierte. Doch sobald er sie angesehen hatte, war es um sie geschehen gewesen …

„Ja“, sagte sie schließlich. „Bitte.“

3. KAPITEL

Johara hatte keine Ahnung, was ihre Zustimmung bedeutete. Jedenfalls verliefen die beiden folgenden Stunden anders als erwartet.

Nach ihrem Ja zu seinem Drängen verließen sie gemeinsam das Restaurant und stiegen in den Fond der wartenden Limousine. Amir wies den Fahrer auf Arabisch an, einen möglichst weiten Umweg zu machen.

Auf der Fahrt zum Penthouse unterhielten sie sich ebenso angeregt wie vorher. Und wie zuvor streichelte Amir nur ihre Hand, nicht mehr. Er zeigte ihr Fotos seiner Familie auf dem Handy. Einige von seinem Vater und einige von seinen Brüdern, die eigentlich noch fast genauso aussahen wie früher, nur älter und maskuliner.

Auf den meisten aber waren seine Tante Bahiyah, seine Halbschwester Aliyah und seine Cousine Laylah zu sehen. Seit fünf Generationen waren sie die einzigen Frauen, die in seiner Familie geboren worden waren.

Für Amir waren sie der lebhafte Mittelpunkt unter so vielen Männern.

Die Frauen, fand er, waren es wert, fotografiert zu werden. Sie versinnbildlichten Schönheit, Anmut und Fröhlichkeit in einer rauen Welt.

In den acht Jahren, in denen sie im Palast gelebt hatte, hatte Johara Aliyah, die drei Jahre älter war als sie, nur selten zu Gesicht bekommen. Wie sich vor zwei Jahren herausgestellt hatte, war sie in Wirklichkeit nicht König Atefs Nichte. Prinzessin Bahiyah hatte sie adoptiert und sie als ihr Kind und das ihres amerikanischen Ehemannes ausgegeben.

In Wirklichkeit aber war sie die Tochter des Königs und seiner amerikanischen Geliebten. Diese Enthüllung hatte jedoch keinen Skandal entfacht, im Gegenteil: Da Aliyah eine arrangierte Ehe mit dem neuen König von Judar, Kamal Aal Masood, eingegangen war, hatte sich ein drohender Krieg verhindern lassen.

Aliyah wirkte nicht mehr blass wie früher, sondern schien der Inbegriff weiblicher Eleganz zu sein. Und sie war unverkennbar glücklich. Aus der politisch motivierten Beziehung war wahre Liebe geworden.

Und bald würde Amir dasselbe erfahren. Denn welche Frau würde ihn nicht lieben?

Johara drängte ihre Traurigkeit zurück und betrachtete die Fotos von Laylah. Aus dem zwölfjährigen Mädchen war, wie erwartet, eine auffallend schöne Frau geworden. Johara kannte sie nicht gut, denn Laylahs Mutter, die Schwester von Königin Sondoss, hatte den Umgang ihrer Tochter mit Bediensteten nicht gern gesehen.

Wie Amir sagte, hatte er seiner Stiefmutter dreierlei zu verdanken: Da sie die Ehe zwischen ihrer Schwester und seinem Onkel gestiftet hatte, seine Cousine Laylah. Und seine Halbbrüder Haidar und Jalal.

Außerdem erzählte Amir, dass er und seine Brüder von den Frauen viel Lebensweisheit gelernt hatten. Das und viele Gemeinsamkeiten zwischen den Frauen und Johara würden seiner Meinung nach dafür sorgen, dass sie sich großartig verstehen würden.

Alles, was er sagte, deutete auf eines hin: Offenbar sah er es als selbstverständlich an, dass ihre Beziehung nach dieser Nacht nicht zu Ende sein würde.

Dabei sollte er es besser wissen, dachte Johara traurig.

Sie hatte sich ja bereits seinem Wunsch ergeben. Also gab es keinen Grund, warum er ihr etwas vormachen sollte. Nein, er meinte wirklich, was er sagte. Dass er erst vor vier Tagen angekündigt hatte, eine politisch motivierte Ehe eingehen zu wollen, hatte er anscheinend völlig vergessen …

Johara vermutete, dass er wegen ebendieser Ehe so bedrückt ausgesehen hatte. Doch seit sie zusammen waren, schien er nicht mehr daran zu denken. Und sie würde ihn auch nicht daran erinnern. Sie würden früh genug mit der grausamen Realität leben müssen.

Aber diese Nacht gehörte ihnen.

Inzwischen waren sie angekommen und ausgestiegen. Nun stand Johara also in der spartanisch eingerichteten Eingangshalle seines Penthouse und sah ihm zu, wie er in aller Ruhe seine Jacke und ihren Umhang aufhängte.

Warum verschwendete Amir ihre kostbare gemeinsame Zeit? Auch wenn Johara nicht wusste, was sie erwartete, hatte sie doch … mit seiner Begierde gerechnet.

In ihren Träumen hatte er sie zum Wagen getragen, auf der Fahrt ununterbrochen geküsst und in der Wohnung gegen die Eingangstür gedrückt, sobald sie geschlossen war …

War ihm doch noch eingefallen, dass er versprochen hatte zu heiraten? Wollte er sie auf höfliche Art loswerden?

Diese Mühe kann ich ihm ersparen, dachte sie, indem ich von mir aus gehe. Eigentlich hätte ich nicht mitkommen sollen. Ich hätte niemals Ja sagen dürfen. Und überhaupt … wäre ich nur nicht zu der Party gegangen!

Irgendetwas blitzte.

Überrascht stellte Johara fest, dass Amir sie mit seinem Handy fotografiert hatte.

Er kam auf sie zu, groß gewachsen und geschmeidig, attraktiver als je zuvor. Aber das, was ihr fast den Atem raubte, war sein Gesichtsausdruck.

Seine Freundlichkeit war einer unbeschreiblichen Sinnlichkeit gewichen. Und das tiefe Leuchten der Augen verstärkte seine charismatische Ausstrahlung.

Kurz vor Johara blieb er stehen und nahm ihre Hand, die er bereits so ausführlich liebkost hatte. „Wenn du so nachdenklich bist, finde ich dich noch anziehender. Das Foto sieht aus wie das Werk eines alten Meisters.“

Als er ihre Hand an die Lippen führte und einen Finger nach dem anderen küsste, bekam Johara einen ersten Eindruck von seiner Zärtlichkeit.

Ernst sah er sie an und fragte: „Sind dir Bedenken gekommen?“

„Nein“, antwortete sie so schnell, dass sie sich beinah dafür schämte. „Und dir?“

Er lächelte. „Nur dass ich dich vielleicht auffressen werde. Weil ich mich nicht mehr zurückhalten kann, wenn ich erst einmal angefangen habe, dich zu lieben.“

Darum hielt er sich also zurück – weil er Angst hatte, sich zu fordernd zu verhalten. Johara spürte, wie dieser Gedanke sie verunsicherte.

Kein Wunder. All die Jahre hatte sie ihn rein mit ihrem Herzen und in der Fantasie geliebt. Mehr als Umarmungen und Küsse war in ihren Träumen nicht vorgekommen. Körperliche Liebe hatte darin kaum eine Rolle gespielt.

Dass er sie tatsächlich begehren könnte, hätte sie nie gedacht.

Und doch hielt sie gespannt den Atem an.

Sie fühlte deutlich, dass sie alles wollte, was auch er wollte. Langsam trat sie näher. Vor Aufregung fiel ihr das Sprechen schwer. „Keine Sorge, Amir. Fang einfach an. Und halte dich nicht zurück. Ich will dich so, wie du bist.“

Mit jedem ihrer zögernden Worte trat mehr Glanz in seine Augen. Als sie fast schüchtern schwieg, strich er sanft mit dem Handrücken über ihre Wange.

„Dann fange ich mit deiner unglaublich zarten Haut an. Wie alles an dir ist sie wunderschön. Sie ist zauberhaft hell, ohne blass auszusehen. Du errötest nicht, egal wie stark du empfindest. Deine Haut scheint nur von innen heraus zu glühen … Deine Augen schimmern wie dunkler Onyx und spiegeln so deutlich deine Gefühle, dass ich darin lesen kann wie in einem Buch … Und deine Lippen – wie sie deine Gedanken und Empfindungen ausdrücken! Sie stacheln meine Begierde an …“

„Es stimmt“, flüsterte Johara. „Du bist wirklich poetisch veranlagt.“

„Ich glaube, du hast meine letzten Worte nicht verstanden“, sagte er lächelnd.

Trotz ihrer gespannten Erwartung musste Johara lachen. Während er mit zärtlichen Fingern ihre Lippen streichelte, ging sein Atem schwerer.

Sie schloss die Augen, um sich ganz den Gefühlen zu überlassen, nach denen sie sich so lange gesehnt hatte. Selbst ihre kühnsten Fantasien waren nur ein lauer Vorgeschmack gewesen auf das, was nun Wirklichkeit wurde.

Johara seufzte und genoss Amirs Atem, seine Nähe und seine Berührungen, die sie tief ansprachen. Und dann gab sie dem Impuls nach, seine angenehm warmen Finger zu küssen.

Als er leise aufstöhnte, vergaß sie ihre restliche Befangenheit. Ihr Slip wurde feucht.

Sie öffnete die Lippen und berührte seine Finger leicht mit den Zähnen.

Amir atmete so heftig, dass Joharas Brüste gegen seine Rippen gedrückt wurden. Sie wusste, dass er spürte, wie erregt sie war.

Das Wissen darum, dass er sie ebenso begehrte wie sie ihn, machte Johara unbeschreiblich glücklich. Sie empfand tiefe Dankbarkeit dafür, dass sie diese Empfindungen mit ihm teilen durfte.

Inzwischen fühlte sie sich mutiger. Vorsichtig ließ sie die Zungenspitze über seine Finger gleiten. Wie gut er roch und schmeckte!

Mit der freien Hand umfasste Amir ihre Taille. Johara hielt die Augen geschlossen, während sie begann, lustvoll an seinen Fingern zu saugen. Sie stellte sich vor, wie er damit in der Wüste die Zügel eines halbwilden Pferdes hielt …

„Das ist gefährlich.“ Beim Klang seiner dunklen Stimme öffnete Johara die Augen und saugte mit noch größerer Begierde weiter.

Sie wusste, was er meinte, noch ehe er ausführte: „Dass du mich genauso willst wie ich dich.“

Johara nickte und rang nach Atem. Damit hatte er nur allzu recht …

Amir umfasste ihr Gesicht und legte die Stirn an ihre. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Quälend und … einzigartig!“

„Ja“, flüsterte sie.

Obwohl ihr der Vergleich fehlte, spürte Johara, dass dieses genussvolle Auskosten ihrer Gefühle viel erregender war als eine übereilte, fieberhafte Vereinigung …

Während er ihr unablässig in die Augen sah, tastete er nach dem Rückenverschluss ihres Kleides und zog ihn langsam auf. Danach öffnete er ihren BH. Johara stöhnte, als der Druck der Kleidungsstücke nachließ. Zärtlich streifte Amir ihr die Träger ab.

Bevor Johara ihre Brüste mit den Händen bedecken konnte, zog er das Kleid über die Hüfte nach unten – und kniete vor Johara auf dem Boden.

Sie öffnete leicht die Lippen, während sie versuchte, diesen Eindruck zu verarbeiten. Amir blickte zu ihr auf, als ob er sie jeden Moment mit Haut und Haar verschlingen wollte.

Dann zog er sie fest an sich. „Jetzt verwöhne ich dich.“

Johara wäre fast gestolpert, als sie seine warmen Lippen auf der Haut spürte.

Sie stöhnte immer wieder, während er mit der Zunge ihren Bauchnabel berührte, sich aufrichtete und dann ihre Brust mit Lippen und Zähnen reizte.

Als er eine Brustspitze zwischen die Zähne nahm und sie vorsichtig biss, sagte Johara: „Amir … Bitte!“

Mit einer einzigen gewandten Bewegung zog er ihr den Slip aus.

Nun stand sie nackt vor ihm. Ihr Kleid schmiegte sich um ihre Füße. Das einzige verbliebene Kleidungsstück waren ihre Schuhe. Alles um sie herum schien zu verblassen. Amir kniete vor ihr, die edlen Züge voller Leidenschaft.

Ich bin mit Amir zusammen!

Wie in Trance sah sie, dass er ihre Beine von unten bis oben liebkoste. Mit seiner angenehm rauen Stimme flüsterte er Zärtlichkeiten – in allen Sprachen, die er beherrschte. Und als er aufstand, kannte ihre Erregung keine Grenzen mehr.

Er hob sie hoch und bat: „Meine Gemma, halte dich an mir fest, mit deinem wunderbaren Körper und all deiner Sehnsucht.“

Seufzend schlang sie Arme und Beine um ihn. Sie spürte all seine Wärme und Erregung. Es war ein unbeschreibliches Gefühl!

Das würde ihr fehlen – bis ans Ende ihres Lebens …

Aber … jetzt hatte sie ihn.

Während Amir mit ihr auf den Armen durch das Penthouse ging, lehnte sie den Kopf an seine Schulter.

Obwohl Johara die Augen offen hatte, bekam sie von der eleganten, aber unaufdringlichen Einrichtung nur schemenhafte Eindrücke mit. Die zurückhaltende Einrichtung zeugte von Amirs Persönlichkeit und seinem guten Geschmack.

Er trug Johara in sein Schlafzimmer. Als sie sich auf den Weg gemacht hatte, um Amir ein letztes Mal zu sehen, hatte sie keine Sekunde daran gedacht, dass sie womöglich miteinander schlafen würden … Und doch wollte sie in diesem Augenblick nirgendwo sonst lieber sein.

Sie erwachte aus ihrer Benommenheit. Hier also schlief er, wachte auf, zog sich an und aus. Hier las er und entspannte sich. Und hierher, das spürte sie genau, hatte er noch keine andere Frau mitgebracht. In New York war dies hier sein Rückzugsort.

Mit ihm hier zu sein, war eine einmalige Gelegenheit, die nicht wiederkommen würde.

Johara war entschlossen, ihre Chance zu nutzen.

Der große Raum wurde nur leicht von einer Nachttischlampe erhellt. Möbel aus edlen dunklen Hölzern setzten Akzente, ansonsten herrschte ein angenehmes Grau vor, das von grünlichen Mustern durchbrochen wurde.

Wie in ihren Träumen drückte Amir sie voller Leidenschaft gegen die Tür. Johara erbebte. Es war so unglaublich sinnlich. Das polierte Holz fühlte sich kühl an, und vor ihr stand Amir, dessen Erregung deutlich zu spüren war.

Nur seine Kleidung trennte sie noch …

Vor ein paar Minuten war Johara noch schüchtern gewesen. Und auch jetzt konnte sie sich kaum ausmalen, wie es weitergehen würde.

Bei dem Gedanken, ihn in sich zu spüren, versagte ihre Vorstellungskraft.

Dabei hatte er sie noch nicht einmal geküsst!

Jetzt bedeckte er ihren Hals mit Küssen, dann hob er den Kopf und sah sie an. „Ya galbi.“

Er nannte sie Mein Herz! Johara schluchzte.

„Gemma“, sagte er und runzelte die Stirn. „Wenn du willst, dass ich aufhöre, tue ich das sofort. Wenn du dir nicht ganz sicher bist …“

Als Antwort zog sie seinen Kopf zu sich, und endlich schien sich ihr sehnlichster Wunsch zu erfüllen: Mit bebenden Lippen küsste sie ihn.

Amir hielt völlig still, während sie ihn leidenschaftlich, ja flehentlich küsste. Doch statt den Kuss zu erwidern, drehte er den Kopf zur Seite.

„Was ist los, Gemma?“, fragte er und legte sie auf das Bett. Im Schein der Lampe betrachtete er sie aufmerksam. „Du weinst ja!“

Sie schlang die Arme um ihn und wollte ihn wieder an sich ziehen. „Es ist nur … weil ich mich zu sehr nach dir sehne. Ich kann es nicht mehr erwarten. Bitte, Amir. Nimm mich. Jetzt.“

Sofort war der besorgte Gesichtsausdruck verschwunden, und Amir sah sie voller Begierde an. „Genau das will ich. Ich will dich lieben und dabei jede Minute auskosten – bis sich deine Tränen in Glückstränen verwandeln. Aber ich kann nicht. Erst möchte ich ganz sicher sein, dass es für dich nicht zu schnell geht.“

„Keine Angst, es ist nicht zu schnell. Nur …“

Galbi, lass mich das Tempo bestimmen. Ich will, dass wir uns Zeit lassen, damit es auch für dich schön ist.“

„Ist es. Mit dir zusammen ist alles schön.“

Er zog sie auf seinen Schoß. „Sag jetzt nichts mehr, Gemma. Es sei denn, du möchtest, dass ich mich auf der Stelle wie wild auf dich stürze. Im Allgemeinen habe ich keine Probleme mit meiner Selbstbeherrschung. Aber mit dir …“

Sie schniefte und lächelte. „Davon merke ich bisher nicht viel.“

Dieses Mal war er es, der sie küsste. So wie sie es sich seit frühester Jugend ausgemalt hatte. Nein, sogar noch schöner. Es war ein Kuss voll sanfter Wildheit, voll fordernder Zärtlichkeit. Damit weckte Amir nie gekannte Gefühle in ihr. Sie genoss seinen Geschmack und Geruch – und spürte deutlich sein Verlangen nach ihr.

Johara veränderte ihre Position so, dass Amir schließlich über ihr war und ihre Arme über dem Kopf festhielt. Die andere Hand ließ er von ihrem Gesicht über den Hals tiefer gleiten, bis er ihre Brust umfasste. „Ab jetzt seufzt du, wenn du mehr möchtest, einverstanden? Mehr braucht es nicht, damit ich schier verrückt werde.“

„Zieh dich doch auch aus“, bat sie.

„Jetzt noch nicht … Du hältst dich ja nicht an die Regel!“

„Doch. Du hast gesagt, ich kann mehr verlangen. Und das tue ich hiermit.“

„Das kommt schon noch. Lass dir Zeit“, erwiderte er beschwichtigend.

„Du bist unfair“, beschwerte sie sich.

„Nein, du! Nichts sollte so zauberhaft sein …“

Johara versuchte, ihre Hände zu befreien, um ihn zu berühren und zu streicheln – ohne seine Kleidung zwischen ihnen. Aber Amir ließ sich nicht beirren und liebkoste und küsste ihre nackte Haut. Dann schob er Johara zur Bettkante und kniete nieder.

Johara blieb fast das Herz stehen. Natürlich war es dumm, sich befangen zu fühlen, wenn er sie so zärtlich verwöhnen wollte – schließlich sehnte sie sich sogar nach mehr. Und doch versuchte sie, die Beine zusammenzupressen …

Amir drückte sie liebevoll wieder auseinander. „Kein Grund zur Schüchternheit“, sagte er. „Ich möchte deinen Anblick genießen. Und dich vorbereiten, bis du so weit bist.“

„Was soll das heißen? Ich bin längst so weit.“

„Wenn ich mit dir schlafe, will ich mich nicht zurückhalten. Und die einzige Art, dich darauf vorzubereiten, sind ein paar Höhepunkte im Voraus.“

„Ein paar …?“, fragte sie ungläubig.

Was hat er nur vor?

Aber sie vertraute ihm und ergab sich seinen Liebkosungen. Bald glaubte sie, es vor Lust kaum noch auszuhalten. Wenn sie ihn doch endlich in sich spüren könnte!

Sie versuchte, Amir mit den Beinen an sich zu ziehen, doch es gelang ihr nicht. Stattdessen begann er, Johara mit Lippen und Zunge zu verwöhnen.

Schon bei dem Anblick, wie er sein Gesicht mit den edlen Zügen über sie beugte, wurde ihr vor Glück fast schwindelig. Das Bewusstsein, was er für sie tat, überwältigte sie noch mehr als die intensiven körperlichen Empfindungen.

Wie durch einen Schleier hindurch sah sie ihm zu, wie er von ihr nicht genug bekam. Ihre Lust kannte keine Grenzen mehr … bis Amir offenbar bemerkte, dass sie es kaum noch aushalten konnte.

„Und jetzt, ya roh galbi, zeig mir, wie gut es dir geht“, forderte er sie auf – und setzte das Spiel seiner Zunge fort.

Im nächsten Moment bäumte Johara sich auf. Sie wurde von gewaltigen Wellen der Lust fortgetragen und erreichte den Höhepunkt. Dabei sah sie Amir unablässig in die Augen …

Erschöpft ließ sie sich zurücksinken – unfähig, ihn um mehr zu bitten. Und Amir begann aufs Neue, sie zu verwöhnen, bis sie die gleiche, fast verzweifelte Sehnsucht verspürte wie am Anfang …

Johara wusste nicht, wie oft er sie zum Höhepunkt geführt hatte, als er innehielt und zu ihr kam.

Amir küsste ihren Bauch, die Brüste und Brustspitzen … „Ich kann mich nicht erinnern, je etwas so Wundervolles gesehen oder geschmeckt zu haben.“

Johara versuchte, seinen Gürtel zu öffnen. „Ich möchte dich sehen. Und spüren. Bitte, Amir, jetzt!“

Er erhob sich und stand aufrecht neben dem Bett, fast über ihr. Mit schnellen Bewegungen und voller Entschlossenheit zog er sich aus.

Trotz ihrer Sehnsucht, ihn zu spüren, wollte sich Johara die einmalige Chance, ihn zu betrachten, nicht entgehen lassen. Sie richtete sich auf und staunte über seine Schönheit …

Lustvoll stöhnend beugte sie sich vor, um ihn endlich zu berühren.

„Amir …“, flüsterte sie zwischen zwei Küssen, „… du bist noch attraktiver, als ich es mir vorgestellt habe … Wie kann ich dir zeigen, was ich für dich empfinde? Ich möchte dich streicheln … überall.“

Er strich ihr durchs Haar. „Später, ya hayati. Ich verspreche dir, dass nachher noch genug Zeit ist, uns gegenseitig ausgiebig zu streicheln. Aber jetzt will ich dich ganz. Und du willst mich.“

„Ja“, sagte Johara nur, ließ sich zurücksinken und streckte ihm die Arme entgegen.

Er kam zu ihr, und sie genoss es, das Gewicht seines Körpers zu spüren. Dass sie einander so nahe waren, fühlte sich wunderbar an. Einzigartig, wie er es genannt hatte.

Johara schlang die Beine um ihn – wie sich in all den Jahren ihre Wünsche und Gedanken um ihn geschlungen hatten.

Amir ließ sie nicht aus den Augen. Mit einer Mischung aus Achtsamkeit und Begehren betrachtete er sie, während er in sie eindrang.

Als er ihre feuchte Hitze spürte, stöhnte er auf.

Johara war sicher gewesen, dass es nicht wehtun würde … Aber es lag nicht nur an ihrer fehlenden Erfahrung. Auch mit Erfahrung wäre der Eindruck überwältigend gewesen.

Dann begriff er. Darum dieses Gefühl eines Widerstands, deshalb ihr leiser Aufschrei und ihr Beben … Die Erkenntnis erschreckte ihn offensichtlich. „Du bist noch Jungfrau!“

„Schon gut, alles in Ordnung. Bitte mach weiter, Amir.“

„B’Ellahi!“, stieß er hervor und wollte sich zurückziehen.

Aber Johara schlang die Beine fester um ihn.

„Lass mich los, Gemma. Ich kann dir doch nicht wehtun“, sagte er und sah sie entsetzt an.

Johara hielt ihn noch fester. „Bitte! Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, dich in mir zu spüren … Du hast versprochen, dich nicht zurückzuhalten.“

„Ja. Aber da wusste ich noch nicht, dass du …“ Er schüttelte den Kopf. „Ya Ullah, ich bin der Erste für dich!“

„Bist du enttäuscht?“

„Nein! Verblüfft, überwältigt! Ya Ullah!

„Ich hätte es dir sagen sollen. Es war auch kein bewusstes Verschweigen. Nur … Glaub jetzt bitte nicht …“ Sie ließ ihn los und schluckte. „Ich kann aufstehen. Ich gehe, und du siehst mich nie …“

Aber Amir sah sie mit leuchtenden Augen an und hörte nicht auf, sie zu lieben. Nur war er jetzt vorsichtiger und sanfter. „Glaubst du wirklich, es stört mich, dass kein anderer Mann dich je hatte? Ich wusste von Anfang an, welch ein Geschenk du für mich bist. Und nun ist meine Freude noch größer. Ich wünschte, ich könnte dir etwas ebenso Besonderes schenken.“

„Du bist für mich das größte Geschenk“, sagte sie und spürte, wie ihr die Tränen kamen. Aber Weinen hätte alles verdorben. Mit zitternden Lippen brachte sie ein Lächeln zustande. „Im übertragenen und im wörtlichen Sinne.“

Amir atmete scharf ein.

Trotz ihres Schmerzes drückte Johara die Hüften fester gegen ihn. „Wenn du mich glücklich machen willst, hör nicht auf, Amir. Keine Zurückhaltung bitte.“

„Du willst also wirklich, dass ich mich wie wild auf dich stürze?“

„Oh ja.“

„Wenn du mich so bittest, kann ich nicht anders …“, sagte er, richtete sich auf und drang tiefer in sie ein.

Welch herrliches Gefühl der Erfüllung!

Als er sich zurückzog, drängte sie sich ihm ungeduldig entgegen. Für einen Moment widerstand Amir der Aufforderung. Dann ließ er seiner Sehnsucht freien Lauf.

Johara stöhnte auf. Amir beobachtete ihre Reaktionen genau, jede Bewegung und jeden Atemzug, bis er ganz sicher war, dass sie nur noch Lust und keinerlei Schmerz empfand. Dann erst erhöhte er das Tempo.

Dabei hörte er nicht auf, sie zu küssen.

Johara erlebte nie gekannte Gefühle.

„Wunderbar, ya galbi. Alles mit dir und an dir ist wunderbar.“

Als sie spürte, dass sie dem Ziel näher kam, seufzte sie tief. Auch Amir schien es zu wissen, denn er veränderte ihre Position, um ihre Lust noch zu steigern.

Im nächsten Augenblick wurde sie von einer intensiven Woge der Lust davongetragen.

Erst danach erlaubte sich auch Amir, den Gipfel zu erreichen – ein Moment, den Johara niemals vergessen würde. Was für ein Gefühl, als das Zusammensein mit ihr ihm höchste Ekstase bereitete! Und wie herrlich er aussah, als er mit einem leisen Aufschrei den Kopf in den Nacken legte!

Johara wollte, dass Amir sich auf sie legte, aber er sorgte dafür, dass sie auf ihm lag.

Sie war noch nie so zufrieden gewesen. Zum ersten Mal in ihrem Leben überkam sie völlige Ruhe. Die Welt schien in Ordnung zu sein.

Aber als Amir sie zärtlich streichelte und ihr liebevolle Worte ins Ohr flüsterte, fragte sie sich, ob es richtig gewesen war …

Er bewegte sich so, dass sie neben ihm lag, und küsste sie innig. Sogleich verschwanden ihre Bedenken. Er flüsterte: „Das war das Beste, was mir je passiert ist. Nein – du bist das Beste.“

Sie glaubte, dass er es tatsächlich so meinte. Aber leider war er an seine Pflicht gebunden. Johara hatte das Gefühl, auf dem Boden der Tatsachen aufzuschlagen …

Doch diese Nacht gehörte ihnen. Johara schüttelte ihre Verzagtheit ab und ließ das Wunder seiner Nähe auf sich wirken.

Sie erwiderte seine Küsse, strich über seinen Rücken und lächelte. „Deine Gefühle sind ein Spiegel meiner Gefühle“, sagte sie.

Er richtete sich auf, sah sie an und lächelte. Er umfasste ihren Po. „Dann muss ich dir wohl beweisen, dass meine Empfindungen echt sind.“

Der Rest der Nacht verging, ohne dass bei Johara daran irgendwelche Zweifel aufkamen …

Johara genoss seinen herrlichen Anblick.

Amir lag ausgestreckt auf dem Bett, einen Arm über dem Kopf, während die andere Hand auf seinem Herzen ruhte.

Es sah aus, als wollte er die Küsse festhalten, die Johara gerade eben noch auf seine Brust gehaucht hatte.

Das dunkelgrüne Laken bedeckte nur ein Bein, während alles Übrige Joharas bewundernden Blicken ausgesetzt war.

Sie hatte ihm gesagt, sie wolle nur schnell ins Bad …

Ihr wurde das Herz schwer, und sie stieß ihr Versprechen hervor: „Ich werde dich immer lieben, ya habibi.“

Er seufzte und lächelte im Schlaf. Hatte er sie gehört, obwohl sie am anderen Ende des Raumes stand?

„Ich liebe dich auch, meine Gemma.“

Hatte er das wirklich gesagt?

Aus tiefstem Herzen stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie verließ das Penthouse und schloss die Tür hinter sich. Damit verschwand sie aus seinem Leben.

Und damit wurde ihres so leer, dass sie nicht wirklich wusste, wie es weitergehen sollte.

4. KAPITEL

Als Amir die Augen aufschlug, wusste er sofort, dass etwas anders war als sonst. Angenehm anders. Er fühlte sich heiter und gelassen.

Um dieses herrliche Gefühl der Zufriedenheit auszukosten, blieb er liegen und schloss die Augen wieder. Noch nie war es ihm so gut gegangen.

Er war für seine Privilegien immer dankbar gewesen und hatte sie nie als Selbstverständlichkeit betrachtet. Alles im Leben hatte seinen Preis, und er stellte sich gern den Herausforderungen und Schwierigkeiten, die mit der Macht einhergingen.

Womit er weniger gut zurechtkam, waren die Einschränkungen seiner persönlichen Wahlfreiheit. Immer wieder sah er sich gezwungen, anders zu entscheiden, als er selbst es im Grunde richtig fand. Zwar verdrängte er solche Enttäuschungen oft, aber sie sorgten dennoch für eine dauernde Anspannung.

Im Augenblick spürte er von alldem nicht das Geringste. Stattdessen fühlte er etwas, was er bisher immer nur hatte ahnen können: tiefen Frieden.

Und das lag an ihr. An Gemma.

Schon ihr Name erschien ihm vollkommen. Und ihr Aussehen und alles, was er mit ihr erlebt hatte, ebenso. Wie durch ein Wunder hatte alles andere keine Bedeutung mehr.

Eine Nacht mit ihr war wie ein ganzes Leben …

Wohlig streckte er sich.

So intensive Gefühle hatte er noch nie erlebt. Er kannte Leidenschaft für seine Aufgaben, für Erfolg, für Details. Er liebte seine Familie und hatte sich ab und zu vorübergehend für die eine oder andere Frau interessiert.

Aber etwas so Umfassendes, Verzehrendes hatte er sich bisher nicht einmal vorstellen können.

Gleich als er sie gesehen hatte, war die Anziehung stärker gewesen als alle Vernunft. Durch das Zusammensein mit ihr war jede Anspannung verschwunden.

Ihm kam es vor, als würde er sie schon lange kennen.

Ein Leben ohne sie erschien ihm unmöglich. Sie hatte die Dinge auf den Kopf gestellt – und neu ausgerichtet.

Während er an die Nacht mit ihr dachte, seufzte er.

Er hatte sie geliebt, als ob er sie ein Leben lang begehrt hätte. Selbst als ihm aufgefallen war, dass er für sie der Erste war, hatte er nicht aufhören können. Und als er sich vorgenommen hatte, es bei einem Mal bewenden zu lassen, hatte sie ihn erneut angestachelt …

Plötzlich störte ein unbehagliches Gefühl sein Glück.

Er hatte sie angesprochen und geliebt – ohne frei zu sein! Ihm stand nicht zu, eine solche Entscheidung zu treffen. Wie hatte er das nur vergessen können?

Aber er hatte es vergessen. Und erst jetzt fiel es ihm wieder ein.

Nein! Egal, was von mir verlangt wird. Eine arrangierte Ehe kommt nicht infrage!

Noch hatte er keine Ahnung, wie er es durchsetzen konnte. Doch er würde einen Weg finden, allen politischen Notwendigkeiten zum Trotz. Jetzt hatte er nur noch ein Ziel: Gemma musste ihm gehören.

Auch wenn es ein Kampf werden würde …

Er fuhr sich durchs Haar, als würde das den Druck lindern, der auf ihm lastete.

Welche Katastrophe – und welche Freude zugleich!

Während er unweigerlich Schwierigkeiten auf sich zukommen sah, dachte er gleichzeitig an sie. Wie sie sich unterhielten, einander küssten und streichelten, sich liebten … Keine Frage, sie wog alle Schwierigkeiten auf.

Er setzte sich auf und strich über das Laken, wo sie gerade noch geschlafen, nein gelegen hatte. Denn zur Ruhe waren sie beide nicht gekommen. Ihr Zusammensein war für Körper, Geist und Seele gleichermaßen anregend gewesen.

Wenn er daran dachte, spürte er sofort wieder, wie sehr er sie begehrte.

Kein Gedanke, ermahnte er sich. Nach dieser Nacht ist es sicher besser, wenn sie sich ein paar Tage erholt. Am besten, wir entspannen uns zusammen in der großen Badewanne.

Er stand auf. „Gemma?“

Stille. Nachdem er sie das zweite Mal gerufen hatte, ohne eine Antwort zu erhalten, wurde er unruhig. Durch die angelehnte Tür ging er ins Bad. Es war leer. Sofort fürchtete er das Schlimmste.

Oder … vielleicht war sie in der Küche, die zu weit weg war, als dass sie ihn hören könnte. Er stellte sich vor, wie sie frisch geduscht in einem seiner T-Shirts Kaffee machte.

Erst wollte er nackt zu ihr gehen. Dann beschloss er doch, einen Slip anzuziehen. Auch wenn sie ihn mit jeder Faser ihres Körpers begehrt hatte, war sie doch noch … schüchtern. Er wollte sie weder verschrecken noch sich ihr aufdrängen.

Vielleicht fühlte sie sich durch seine Leidenschaft schon genug bedrängt, auch wenn sie die Nacht sehr genossen hatte. Aber schließlich war er der Erfahrenere von ihnen. Er sollte sich also nicht wie ein Teenager benehmen, der nicht genug bekommen kann.

Er rannte fast in die Küche. Auf dem Weg dahin beschlich ihn eine Vorahnung, ein Gefühl von Leere …

In der Küche war sie nicht. In Windeseile durchsuchte er alle Zimmer des Penthouse.

Nichts. Gemma war nicht mehr da.

Amir stand mitten im Wohnzimmer, blickte über Manhattan und verstand die Welt nicht mehr.

Sie konnte doch nicht einfach gegangen sein!

Sicher gab es dafür einen triftigen Grund, womöglich einen Notfall.

Andererseits, wenn etwas Schlimmes passiert war, warum hatte sie ihn dann nicht geweckt? Vielleicht glaubte sie nicht – wie er –, dass sie beide alle Stufen einer sich anbahnenden Partnerschaft in Rekordzeit durchlaufen hatten? Dass sie gewissermaßen eine Abkürzung zum Glück genommen hatten?

Oder hatte sie in der Eile einfach nicht daran gedacht, ihm Bescheid zu sagen?

Stopp!

Womöglich lag er mit seinen Vermutungen völlig daneben. Wenn sie erst wieder in Kontakt waren, würde sich alles aufklären.

Da fiel ihm ein, dass sie keine Telefonnummern ausgetauscht hatten. Schlimmer noch: Er kannte nicht einmal ihren Familiennamen!

Wo hatte er nur seinen Kopf gehabt?

Und das war es: Er hatte nur an sie gedacht, vom ersten Augenblick an.

Wie nie zuvor hatte er nur in der Gegenwart gelebt …

Selbst vertrauenswürdigen Menschen gegenüber hatte er sich stets zurückgehalten. Auf diese Weise schützte er sich vor möglichem Fehlverhalten.

Nur bei Gemma hatte er von Anfang an keinerlei Bedenken gehegt. Sie war die Frau seiner Träume. Die Einzige.

Aber sie war weg. Nach der schönsten Nacht seines Lebens war sie verschwunden.

Sie hatte ihm ein wunderbares Geschenk gemacht – und ihm einen Blick in die Zukunft einer einzigartigen Beziehung eröffnet.

Und jetzt war sie nicht mehr da! Amir mahnte sich zur Ruhe. Sicher gab es eine vernünftige Erklärung für ihr Verhalten.

Bestimmt hatte sie keine Wahl gehabt. Ansonsten wäre sie sicher nicht ohne eine Nachricht gegangen. Kein Grund zur Sorge also.

Auch wenn er ihren Namen nicht kannte und nicht wusste, wo sie sich aufhielt – sie würde ja ihn jederzeit finden. Und sobald sie konnte, würde sie zurückkommen.

Aber Gemma kam nicht wieder. Sie schien wie vom Erdboden verschwunden zu sein.

Amirs Sicherheitsleute, auf die er so große Hoffnungen gesetzt hatte, konnten ihm nicht weiterhelfen. Als sie am frühen Morgen gesehen hatten, wie die fremde Frau aus der Wohnung ging, hatten sie sich hauptsächlich um Amir Sorgen gemacht.

Sie hatten ihn angerufen, um sich zu versichern, dass es ihm gut ging.

Amir war so verschlafen gewesen, dass er sich an das kurze Telefonat erst wieder erinnerte, als später die Sprache darauf kam.

Nachdem also offensichtlich war, dass keine Gefahr bestand, hatte man Gemma gehen lassen, ohne ihr zu folgen. Es war also aussichtslos, sie auf diesem Wege wiederzufinden.

Amir hatte die Suche nach ihr auf die gesamten Vereinigten Staaten ausgedehnt – ohne Erfolg.

Allmählich kam es ihm so vor, als wäre die wunderbare Nacht mit ihr nur ein Produkt seiner Fantasie gewesen.

Immerhin einen Beweis für Gemmas Existenz gab es: das Foto auf seinem Handy. Aber niemand kannte diese Frau. Und das, obwohl alle meinten, eine Schönheit wie sie würde auffallen. Auch ihr Name sagte keinem etwas.

Es war, als hätte es sie nie gegeben …

Dann war ihm die fixe Idee gekommen, dass sie Opfer eines Unfalls geworden war. Aber das hätte er mitbekommen. Also blieb nur noch eine einzige Erklärung, so bitter es auch war … Sie wollte ihn nicht wiedersehen!

Mochte sie auch seine Traumfrau sein – er war für sie offenbar nur ein flüchtiges Abenteuer. Hatte sie ihn nur dazu benutzt, damit er sie in die Freuden der Liebe einführte und ihr unglaubliches Potenzial weckte?

Dachte sie, dass sie ihn als einen Mann aus einem anderen Kulturkreis danach wieder völlig aus ihrem Leben verbannen konnte?

Nachdem seine Verzweiflung der Resignation gewichen war, gab es nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnte.

Nichts, was ihn in New York hielt.

Zeit, nach Zohayd zurückzukehren und seine Pflicht zu erfüllen.

Er musste sich seinem Albtraum stellen …

Als er das Büro seines Vaters betrat, ließ dieser ihn erst einmal warten. Schließlich sagte er nur: „Amir.“ In diesem einen Wort klangen Enttäuschung und Erbitterung mit.

Amir verstand das, denn in den letzten acht Wochen hatte er sich um keine seiner Verpflichtungen gekümmert. Nur einmal hatte er angerufen, um mitzuteilen, dass er nicht nach Hause kam. Ohne weitere Erklärung hatte er jeden Kontakt abgebrochen.

Immer wieder hatte sein Vater ihm Nachrichten hinterlassen und Abgesandte geschickt, die ihn zur Heimkehr bewegen sollten.

Natürlich wollte der Vater wissen, weshalb Amir nicht zu der Entscheidung stand, die er verkündet hatte.

König Atef Aal Shalaan erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Hoheitsvoll, zornig und im vollen Ornat des Königs von Zohayd.

Ein mächtiger breitschultriger Mann. Als Kind hatte Amir oft gedacht, die Schultern des Vaters wären stark genug, alle Last des Königreichs zu tragen. Missbilligend sah er den Sohn an. Amir wich seinem Blick nicht aus.

Trotz seiner Stärke und Erfahrung hatte Atef mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Er musste den Frieden im Königreich sichern, seine Feinde in Schach halten und dafür sorgen, dass die Verbündeten ihm treu blieben. Und genau dabei sollte ihm Amirs arrangierte Heirat helfen.

Atef zog die Furcht einflößenden schwarzen Augenbrauen zusammen. Seine hellbraunen Augen hatte er nur Hassan vererbt …

„Ich frage dich nicht, warum du verschwunden warst“, sagte der Vater. „Und auch nicht, weshalb du zurückgekommen bist.“

„Gut.“ Amir nickte und versuchte gar nicht erst, dem Gespräch die Spannung zu nehmen. Schließlich konnte Atef froh über seine Rückkehr sein.

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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