Baccara Exklusiv Band 219

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HEISS BRENNT MEIN BEGEHREN von JOSS WOOD
Auf eine heiße Nacht einigen sich Kade Webb und die attraktive Brodie. Als sie feststellt, dass sie schwanger ist, besteht Kade darauf, das Baby gemeinsam großzuziehen. Doch genau das macht Brodie Angst: dass ihr erneut das Herz gebrochen wird …

DIESES SÜNDIGE VERSPRECHENvon LAUREN CANAN
Chance ist zurück – der erste Mann, dem Holly ihr Herz geschenkt hat. Und der es brach! Zwölf Jahre sind vergangen, doch Holly verfällt ihm wieder mit Haut und Haar – und fragt sich bei jedem seiner heißen Küsse, ob er es ernst mit ihr meint …

ERFÜLLE MEINEN TRAUM VON LIEBE von JULES BENNETT
So hat Charlotte ihren Ehemann noch nie gesehen: Er hält ein Baby im Arm und fleht sie an, ihm zu helfen. Dabei hatte sie Anthony verlassen, weil er keine Kinder wollte! Nun soll sie zurückkehren, bis er die Vormundschaft für seine Nichte bekommt …


  • Erscheinungstag 06.05.2022
  • Bandnummer 219
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510240
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Joss Wood, Lauren Canan, Jules Bennett

BACCARA EXKLUSIV BAND 219

1. KAPITEL

Humorvoll.

Durchtrainiert.

Sexy.

Klug. Wirklich klug.

Höflich, attraktiv, selbstbewusst.

Er war alles, was eine Frau sich für eine heiße Liebesnacht wünschen konnte. Und Brodie Stewart wusste, dass es Millionen Frauen gab, die sie für verrückt erklären würden für das, was sie gleich tun würde.

„Brodie? Hast du gehört, was ich gesagt habe? Ich habe dich gefragt, ob du mit nach oben kommen willst“, flüsterte Kade ihr ins Ohr und streichelte die Unterseite ihrer rechten Brust.

Sie leckte sich die Lippen und schmeckte ihn noch auf der Zunge, sog den Duft seiner Haut nach würziger Zitrusseife ein und legte den Kopf schief, um an seinem sehnigen Hals zu knabbern. Mann, ist er gut.

Sie musste unbedingt aufhören.

Das sagte sie sich nun schon seit drei Wochen. Sie hätte nicht jeden Morgen auf ihrer Joggingrunde auf Kade warten sollen, hätte keine Schmetterlinge im Bauch bekommen sollen, wenn er auf sie zugelaufen kam: ein hochgewachsener muskulöser Star. Sie hätte nicht über seine Witze lachen oder auf seine Flirtversuche reagieren sollen. Und sie hätte ganz bestimmt nicht seine Einladung annehmen sollen, ihn an diesem Samstagmorgen auf eine Tasse Kaffee nach Hause zu begleiten, nachdem sie ihre zehn Kilometer um den Stanley Park gelaufen waren.

Vor allem hätte sie ihn nicht küssen sollen.

Sie hatte geglaubt, sich alles gut überlegt zu haben und der Situation gewachsen zu sein. Ihm gewachsen zu sein. Es war ja nicht so, als ob sie seit Jay keinen Sex mehr gehabt hätte. Seit dem Unfall vor zehn Jahren hatte sie mit ein paar Männern geschlafen – na gut, mit zweien. Auf den ersten Blick war Kade perfekt. Der Ex-Eishockeyspieler, der jetzt Manager der Vancouver Mavericks war, galt als eingefleischter Single. Stolz darauf, nicht zu haben zu sein. Anders als die meisten Frauen in ihrem Alter hatte Brodie kein Interesse daran, ihn zu ändern. Sie hatte seine Einladung auch deshalb angenommen, weil sie wusste, was er wollte: keine ewige Liebe.

Na gut, es war eine Weile her, und sie war aus der Übung, aber warum konnte sie sich nicht einfach überwinden und auf eine heiße Nummer mit dem hinreißenden und sehr erfahrenen Kade Webb einlassen?

Vielleicht lag es daran, dass etwas an ihm eine Saite in ihr zum Klingen brachte. Er war mehr als nur ein attraktiver Mann. Seine Küsse waren leidenschaftlich und berauschend. Er erinnerte sie an Liebe, Intimität und Gefühle.

Daran wollte sie wirklich nicht erinnert werden.

Brodie löste sich von Kades breiter Brust. Sie küsste ihn zur Entschuldigung schnell aufs Kinn und spürte die goldenen Bartstoppeln an den Lippen. Dann stand sie vom Ledersofa auf und ging zu der Schiebetür, die auf den weitläufigen Balkon führte. Sie legte die Hand auf die kühle Glasscheibe. Von diesem Penthouse-Loft hatte man eine wunderbare Aussicht auf den False Creek, die Granville Bridge und die Burrard Bridge. Solch einen Blick konnte man sich nur leisten, wenn man viel Geld hatte. Sie ließ ihn auf sich wirken und dachte in aller Ruhe darüber nach, wie sie Kades Frage beantworten sollte.

Widerstrebend drehte sie sich um und lehnte sich an die Scheibe. Ihr Herz riet ihr, in seine Umarmung zurückzukehren, seine straffen Muskeln zu streicheln, an seiner olivbraunen Haut zu knabbern, ihm durchs zerzauste blonde Haar zu fahren und zu beobachten, wie seine braunen Augen vor Leidenschaft fast schwarz wurden. Aber ihr Gehirn behielt die Oberhand und befahl ihr davonzulaufen, bevor sie die Situation nicht mehr im Griff hatte.

Oh Gott. Er würde denken, dass sie nur mit ihm gespielt hatte. Aber so war es nicht. Sie schützte sich nur selbst.

Emotional. Psychisch. So gut sie konnte.

Brodie spürte, dass sein Blick auf ihr ruhte, starrte aber weiter ihre Sneakers an und wünschte sich, nicht nur das knappe Kapuzenshirt und die enge Laufhose anzuhaben. Sie wusste, dass er auf eine Erklärung dafür wartete, dass sie ihn bis zur Besinnungslosigkeit geküsst hatte, nur um jetzt einen Rückzieher zu machen. Sie konnte es ihm nicht sagen. Schließlich kannte sie ihn kaum. Sie waren bisher nur miteinander gejoggt, und er kannte nur ihren Namen und wusste, dass sie gern lief. Sie war wahnsinnig scharf auf ihn, aber der Gedanke an Sex mit ihm erinnerte sie an Intimität, und davor hatte sie entsetzliche Angst.

Es hätte alles Spaß machen sollen – nur eine schnelle Affäre. Aber Kade Webb weckte in ihr Gefühle, von denen sie geglaubt hatte, sie längst abgetötet zu haben. Warum ausgerechnet er von allen Männern in Vancouver? Er war ein wandelndes Klischee: gutaussehend, reich, charmant. In einem Jane-Austen-Roman wäre er als „Lebemann“ beschrieben worden, und auch zweihundert Jahre später klang der Ausdruck noch treffend.

Brodie seufzte und wünschte, sie hätte es anders angefangen. Jeder wusste, dass er ein Fitnessfanatiker war und morgens immer im Stanley Park joggte. Sie hatte nur feststellen wollen, ob sie mit ihm Schritt halten konnte. Statt im Morgengrauen mit ihm zu laufen, hätte sie auf Abstand bleiben sollen. Zuerst hatte er darüber gelacht, dass sie glaubte, seinem Tempo gewachsen zu sein. Aber auf dem College war sie Leichtathletin gewesen. Sie war schnell und ausdauernd. Als er festgestellt hatte, dass er sie nicht abschütteln konnte, hatte er angefangen, mir ihr herumzualbern. Viele Joggingrunden später hatte er sie zum Kaffee eingeladen – und zum Sex.

Die beiläufigen Gespräche hatten ihr so viel Spaß gemacht, dass sie oft vergessen hatte, dass sie mit dem begehrtesten Junggesellen der Stadt joggte. Für sie war er nur ein Mann mit viel Sinn für Humor, einem klugen Kopf und einem sehr attraktiven Körper. Es hatte Spaß gemacht, mit ihm zu laufen. Sie hatte seine Bewunderung genossen.

So sehr, dass sie geglaubt hatte, stark und tapfer genug für schnellen Sex am Samstagmorgen zu sein, wie jede selbstbewusste moderne Frau. Na klar.

„Du hast es dir anders überlegt, oder?“ Seine Stimme war so warm wie die Sonnenstrahlen, die über den Holzfußboden tanzten. Sie schaute auf und sah ihm in die Augen. Zu ihrer Erleichterung entdeckte sie keinen Ärger, nur Bedauern.

„Es tut mir so leid. Ich dachte, ich könnte es.“ Brodie hob ratlos die Hände.

„Liegt es an mir? Habe ich etwas getan, was dir nicht gefällt?“

Wie lieb von ihm …

Brodie wurde rot. „Nein, du bist großartig. Du weißt doch sicher, dass du wirklich toll küsst, und du bist sicher …“ Sie lief noch dunkler an. „Bestimmt kannst du alles richtig gut.“

Kade setzte sich auf und schlug die Beine übereinander. Er lehnte sich zurück. Seine Armmuskeln traten hervor, als er die Hände hinter dem Kopf verschränkte. Sein teures Laufshirt straffte sich über der Brust.

Hör auf, über seinen Körper nachzudenken, seine Bauchmuskeln, diese straffen Oberschenkel …

„Vielleicht beruhigt es dich zu wissen, dass du hier das Sagen hast. Wenn du Nein sagst – wann auch immer –, höre ich sofort auf“, versprach Kade leise.

Das war ein perfektes Beispiel dafür, warum sie sich so zu ihm hingezogen fühlte. Hinter dem Charme und dem sexy Körper verbarg sich ein Mann, den die Öffentlichkeit nie zu Gesicht bekam: jemand, der rücksichtsvoll genug war, sie zu beruhigen. Jemand, der ihre Ängste beschwichtigte. Sie war nahe daran, sich ein bisschen zu öffnen.

Kade erinnerte sie an Jay, und das wiederum erinnerte sie an die Person, die sie gewesen war, bevor ihr Leben völlig aus den Fugen geraten war: das aufgeschlossene, immer fröhliche Mädchen voller Lebenslust. Eine junge Frau, der die Welt zu Füßen gelegen hatte.

Das machte ihr an ihm am meisten Angst. Er rief ihr ins Gedächtnis, wer sie früher gewesen war.

Mit Sex konnte sie umgehen, aber sie hatte Angst davor, sich wohlzufühlen und zufrieden zu sein. Mit Glück kam sie nicht zurecht.

Sie wusste schließlich, wie schnell es einem genommen werden konnte.

Brodie biss sich auf die Unterlippe und hob noch einmal die Hände.

Sie sah, dass Kade leicht frustriert wirkte.

„Also das verstehe ich wirklich nicht. Ich dachte, du bist so scharf auf mich wie ich auf dich.“

Brodie rieb sich den Nacken. „Ja. Ich bin blöd. Es ist schwer zu erklären, aber es liegt wirklich nur an mir, nicht an dir.“

Kade nickte. „Ich weiß. Wenn es nach mir ginge, wärst du schon nackt.“

Dazu fiel ihr nichts ein. Sie hätte einfach gehen sollen. „Es war sehr dumm von mir.“ Brodie löste sich vom Fenster und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Tut mir leid, dass ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe.“

Kade stand auf und fuhr sich durchs Haar. „Kein Problem. Davon geht die Welt nicht unter.“

Für ihn bestimmt nicht. Seit er mit achtzehn bei den Mavericks angefangen hatte, war er mit vielen Frauen zusammen gewesen. In sechzehn Jahren hatte er viele kennengelernt, und wahrscheinlich würde es ihn nur einen Anruf oder eine SMS kosten, binnen zehn Minuten für Ersatz zu sorgen.

Also hatte diese ganze Katastrophe auch etwas Gutes: Sie würde nie zu „Webbs Frauen“ gehören.

Als sie zur Tür ging, summte Kades Handy. Er hob es vom Sofatisch auf, wischte über das Display und runzelte die Stirn, als er die SMS las.

„Quinn und Mac sind auf dem Weg hierher“, sagte er.

Quinn Rayne und Mac McCaskill waren Kades beste Freunde, seine ehemaligen Mannschaftskameraden und jetzigen Geschäftspartner. Wie jeder andere Mavericks-Fan las Brodie in der Zeitung und online alles über die drei. Die Affären, die verrückten Abenteuer (besonders bei Quinn), die Skandale (wieder Quinn) … Mittlerweile war es überwiegend Quinn, der den Medien Stoff für neue Schlagzeilen lieferte.

Brodie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach halb acht am Samstagmorgen. „So früh?“

„Ja, komisch.“ Kade stand auf und ging durch das weitläufige Loft zur Küchenecke. Er öffnete den riesigen Kühlschrank, zog zwei Flaschen Wasser daraus hervor und hielt ihr eine hin. „Möchtest du eine?“

Brodie nickte und fing mühelos die Flasche auf, die er ihr zuwarf. „Danke.“ Sie zeigte auf die Tür. „Ich sollte wohl gehen.“

Kade nickte, sah, dass sie Schwierigkeiten hatte, die Flasche zu öffnen, und kam auf sie zu. Er nahm ihr die Flasche ab, öffnete den Deckel und reichte sie ihr wieder. „Bitte.“

„Danke“, sagte Brodie und deutete aufs Sofa. „Entschuldige … Es tut mir leid.“

Kades Miene war nur nachdenklich. „Vielleicht verrätst du mir irgendwann, warum.“ Sie hörten Schritte vor der Tür. „Da sind die Jungs ja schon.“

„Ich bin gleich aus dem Weg.“

Kade ging an ihr vorbei und öffnete seinen Freunden die Tür. Brodie setzte dazu an, die beiden zu begrüßen, verstummte aber, als sie ihre Gesichter sah. Beide waren blass und hatten rot unterlaufene Augen.

„Was ist los?“, fragte Kade.

Brodie sah, wie die beiden Kade jeweils eine Hand auf die Schulter legten. Ihr sackte das Herz in die Hose. Sie kannte diesen Blick: Sie brachten schlechte Nachrichten.

Denselben Gesichtsausdruck hatte ihre Großtante Poppy gehabt, als sie ihr damals die furchtbare Nachricht überbrachte. Brodies Eltern, ihre beste Freundin Chelsea und Jay, mit dem sie erst seit kurzer Zeit zusammen war – auch wenn sie ihn schon lange kannte –, waren an den Unfallfolgen gestorben. Sie waren zusammen auf dem Weg zu einem Restaurant gewesen, um dort Brodies zwanzigsten Geburtstag zu feiern. Anscheinend hatte das Leben geglaubt, es sei ein passendes Geschenk, sie als Einzige die Massenkarambolage überleben zu lassen.

Warum ist mir nichts passiert?

„Nun sagt schon.“ Kades Stimme holte sie zurück zu den drei Männern, die alle wirkten, als wäre der Boden unter ihren Füßen ins Wanken geraten.

„Kade, Vernon hatte heute Morgen einen Herzinfarkt“, sagte Quinn steif. „Er hat es leider nicht geschafft.“

Sie sah Kade an, dass er es nicht fassen konnte, und schlich leise hinaus. Trauer war eine sehr private und persönliche Emotion. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war eine Fremde in seiner Wohnung. Außerdem hatte sie ihren eigenen Kummer noch nicht überwunden. Sie war bis heute nicht darüber hinweg, dass sie ihre Familie, ihre engste Freundin und den Mann, den sie hatte heiraten wollen, verloren hatte.

Tut mir leid, Kade, tut mir wirklich leid.

Früher war sie mutig und unkonventionell gewesen. Sie hoffte, dass die Nachricht vom Tod seines Freundes Kade nicht so verändern würde, wie der Tod ihrer Lieben sie verändert hatte.

Sie kehrte in dem Wissen in die Realität zurück, dass sie ganz bestimmt keine Frau war, die es ertragen konnte, sich von einem sexy Millionär zu einem Abenteuer verführen zu lassen.

Sechs Monate später

Bodie tippte die Antwort ihres Kunden in ihr Tablet, drückte Enter und schaute auf. Verdammt. Sofort hatte sie das Interesse in seinem Blick erkannt. Dieser Termin dauerte ohnehin schon zu lange, und sie wollte sich nicht auch noch gegen Zudringlichkeiten zur Wehr setzen müssen.

Das war die Schattenseite daran, als Partnervermittlerin für männliche Kunden zu arbeiten. Weil sie attraktiv war, beschlossen viele, die anstrengende Suche nach einer Partnerin zu überspringen und stattdessen mit ihr zu flirten.

„Nach was für einer Frau suchen Sie?“, fragte sie und spielte absichtlich mit dem großen Ring an ihrer linken Hand, der mit falschen Diamanten und Smaragden besetzt war.

„Eigentlich nach einer zierlichen Blondine, aber ich bin für alles offen. Vielleicht auch für Sie. Ich habe Karten für die Oper. Gehen Sie gern in die Oper?“

Sie hasste Opern und ging nicht mit Kunden aus. Nie. Sie ging überhaupt nicht mit Männern aus. Brodie lächelte verkniffen und hob die Hand, um ihm ihren Ring zu zeigen.

„Sosehr mir das schmeichelt: Ich bin verlobt. Tom ist Soldat bei einer Spezialeinheit und derzeit in Übersee im Einsatz.“

Letzte Woche war Tom noch Mike der Polizist gewesen, vorletzte Woche Jake der Abenteurer. Sie hatte gern Abwechslung bei ihren imaginären Verlobten.

Brodie gab die restlichen Informationen ein, ignorierte alle weiteren Flirtversuche und bestand darauf, ihren Kaffee selbst zu bezahlen. Sie sah ihm nach, als er das Café verließ und in einen tiefergelegten japanischen Sportwagen stieg. Als er außer Sichtweite war, ließ sie die Stirn auf den Tisch sinken.

„Schon wieder einer, der auf ein Date aus war?“ Jan, die Besitzerin des Cafés, ließ sich Brodie gegenüber auf einen Stuhl fallen und tätschelte ihr den Kopf. Obwohl Brodie immer versuchte, Distanz zu der überschwänglichen Wirtin zu wahren, war Jan irgendwie ihre Freundin geworden. Sie vertraute sich selten jemandem an – über die Vergangenheit zu reden, änderte schließlich nichts –, aber davon ließ Jan sich genauso wenig abschrecken wie Großtante Poppy.

Komisch. Mit Kade hatte Brodie in drei Wochen öfter geredet als mit sonst irgendjemandem in den letzten zehn Jahren, einschließlich Jan und Poppy.

Wieso kam ihr plötzlich dieser Gedanke? Tagsüber dachte Brodie so gut wie nie an Kade Webb. Die Erinnerungen an ihn, seinen Kuss, seinen straffen Körper unter ihren Händen, waren kleine Geschenke, die sie sich nachts im Schutze der Dunkelheit machte.

„Berufsrisiko.“ Brodie streckte sich, um ihre verspannten Schultern zu lockern.

Jan schob ihr einen hübschen rosafarbenen Teller mit einem Schokoladencookie über den Tisch. „Vielleicht hilft der dir.“

Er würde helfen, aber Brodie wusste, dass nicht nur Mitgefühl hinter Jans Geste steckte. „Was willst du?“

„Meine Cousine ist über dreißig und überlegt, ob sie sich an eine Partnervermittlung wenden soll. Ich habe dich vorgeschlagen.“

Brodie brach ein Stück vom Keks ab, um es sich in den Mund zu schieben. Der Geschmack explodierte auf ihrer Zunge. Sie schloss wohlig die Augen. „Das ist besser als Sex!“

„Süße, wenn meine Kekse besser als Sex sind, dann machst du etwas falsch“, bemerkte Jan trocken. Sie beugte sich neugierig vor. Ihre blauen Augen funkelten. „Hattest du Sex und hast mir gar nichts davon erzählt, Brodie?“

Schön wär’s. Kade Webbs heißer Kuss vor sechs Monaten war nahe dran gewesen, aber richtiger Sex? Sie versuchte, sich zu erinnern. Vor drei Jahren oder so?

Wie erbärmlich.

Sie biss noch ein Stück vom Cookie ab und verdrängte ihren Besuch beim Manager der Mavericks. „Du weißt, dass ich nur Männer als Kunden nehme, Jan.“

„Schön dumm von dir. Der Markt ist doppelt so groß!“

Aber Brodies Geschäftsmodell funktionierte: Sie war für die Männer zuständig, während ihr Partner Colin nur Frauen als Kunden hatte. Sie teilten sich ihre Datenbanken und das Büro. Damit kamen sie ganz gut zurecht. Im hektischen einundzwanzigsten Jahrhundert – dem Zeitalter von Internet, schrecklichen Krankheiten und vielen Idioten – konnten Singles ihre Hilfe gut gebrauchen.

„Frauen sind zu emotional und zu wählerisch. Zu viel Theater“, erklärte Brodie Jan nicht zum ersten Mal.

Sie brach sich noch ein Stück ab und zog die Nase kraus, als ihr klar wurde, dass sie schon einen Großteil verputzt hatte. Schokolade konnte sie einfach nicht widerstehen. Gott sei Dank hatte sie einen guten Stoffwechsel und ging immer noch jeden Tag joggen, wenn auch nicht mehr morgens.

„Die Männer wollen gar nicht wirklich ein Date mit mir. Sie genießen nur die Aufmerksamkeit und vergessen, dass sie mich dafür bezahlen.“

Eine Benachrichtigung auf ihrem Tablet verriet ihr, dass sie eine neue Mail bekommen hatte.

Jan stand auf. „Dann geh mal wieder an die Arbeit. Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?“

Brodie hatte eigentlich schon genug Koffein im Blut, aber das spielte keine Rolle. „Ja, bitte.“

Sie öffnete den Posteingang. Während sie sich mit ihrem aufdringlichen Kunden befasst hatte, waren einige Mails eingetroffen, aber nur von einer bekam sie Herzklopfen. Der Betreff lautete: Ihre Spende für den Wohltätigkeitsball der Maverick.

Ihr Mund wurde schlagartig trocken. Verdammt. Das mit Kade war Monate her! Hätte sie ihn nicht längst vergessen haben sollen?

Leider war Kade nicht der Typ Mann, den man so leicht vergaß. Und ehrlich gesagt vermisste sie das Laufen am frühen Morgen, wenn sie den Park für sich allein hatten. Sie vermisste das Herzklopfen, das sie bekam, wenn sie ihn sah, vermisste auch, wie er sie anspornte, mehr zu trainieren. Sie hatte die Zeit mit ihm genossen.

Brodie rieb sich das Gesicht und verpasste sich innerlich eine Ohrfeige. Sie war fast dreißig, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die als Partnervermittlerin von einigen der heißesten, attraktivsten und reichsten Junggesellen der Stadt gebucht wurde. Sie hätte nicht ausgerechnet an den allerheißesten, allerattraktivsten und allerreichsten von ihnen denken sollen.

Absolut erbärmlich. Brodie schüttelte den Kopf und öffnete die Mail.

Sehr geehrte Ms. Stewart,

im Namen des Managers der Vancouver Mavericks, Kade Webb, danke ich Ihnen herzlich für Ihre Spende für die Auktion der Mavericks am 19. Juni.

Anbei Ihre Einladung zu einem Lunch, den wir am selben Tag für unsere geschätzten Sponsoren geben. Auch auf dem Wohltätigkeitsball sind Sie selbstverständlich herzlich willkommen.

Wir freuen uns darauf, Sie am 19. Juni begrüßen zu können. Ort und Zeit entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Mit freundlichen Grüßeren Bayliseiterin PR

Vancouver Maverick

Nein danke. Sie würde nicht teilnehmen. Es war Colins Idee gewesen, etwas für die Wohltätigkeitsauktion zu spenden. Er konnte ja hingehen. Sie war sich ohnehin nicht sicher, ob jemand auf ihre Spende bieten würde. Wer gab schon gern in einem Saal voller Freunde und Kollegen zu, dass er die Dienste einer Partnervermittlung in Anspruch nehmen wollte? Diskretion war in ihrem Geschäft das oberste Gebot. Ihre Kunden wurden überwiegend durch Mundpropaganda auf sie aufmerksam. Aber Wren und Colin hatten Brodies Bedenken nicht ernst genommen. Die beiden glaubten, dass die Gäste für ihre Geschwister oder Freunde bieten würden. Außerdem konnte man auch anonym per Smartphone ein Gebot abgeben.

Colin war überzeugt, dass sie ihre Position als Partnervermittler der oberen Zehntausend von Vancouver festigen mussten, um der Konkurrenz durch Online-Dating-Portale zu begegnen. Die Auktion der Mavericks war die perfekte Werbung für ihre Zielgruppe. Da Colin der Marketingexperte war, hatte sie ihm schon gesagt, dass er sie bei der Veranstaltung vertreten sollte.

Ihr Widerwille hing auch damit zusammen, dass Kade vielleicht da sein würde. Auch nach Monaten war ihr alles noch äußerst peinlich. Wenn sie mit Kade im selben Raum war, würde sie nicht wissen, ob sie sich unter dem Tisch verstecken oder über ihn herfallen sollte. In ihren sexuellen Fantasien spielte er immer noch die Hauptrolle.

Eine neue Mail poppte auf.

Hallo, Brodes,

du hast doch sicher auch eine Einladung zum Sponsorenlunch bei den Mavericks bekommen? Ich kann nicht. Kay und ich haben genau dann einen Termin wegen der künstlichen Befruchtung. Kannst du für uns beide hingehen?

Danke!

Corodie stöhnte. Bitte lieber Gott, lass Kade nicht da sein.

2. KAPITEL

„Wer hatte denn die dumme Idee?“

Kade Webb sah seine beiden besten Freunde finster an, rollte die Schultern unter der Anzugjacke und wünschte sich, er wäre irgendwo anders als ausgerechnet im überfüllten Barbereich des Taste, eines der besten Restaurants von Vancouver. Er hatte einen Großteil des letzten Abends damit verbracht, Gewinn-und-Verlust-Rechnungen zu lesen. Heute Morgen hatte er stundenlang mit Josh Logans knallhartem Agenten verhandelt, um den aufstrebenden Flügelspieler zu kaufen. Nun wollte er sich eigentlich nur noch an seinen chaotischen Schreibtisch setzen, um endlich mit dem Papierkram voranzukommen. Wenn die Partnerschaft zwischen ihm, Mac, Quinn und Wrens Großvater endlich in trockenen Tüchern war, konnten sie zu viert ein tragfähiges Angebot machen, die Mavericks zu kaufen. Sonst würde Vernons Witwe sie an Boris Chenko verschachern, einen russischen Milliardär, dem schon mehrere Sportvereine gehörten. Alle waren mittlerweile gesichtslos und austauschbar.

Kade hatte keine Zeit für Nettigkeiten.

Obwohl es erst Mittag war, träumte er von einem kalten Bier, einer heißen Dusche und Sex. Oder, um Zeit zu sparen, Sex unter der Dusche. Aber eigentlich sehnte er sich vor allem danach, acht Stunden am Stück zu schlafen.

Er war einem Burnout nahe.

„Hörst du bitte sofort auf, so böse vor dich hinzustarren?“

Kade sah ins Gesicht seiner neuen PR-Leiterin und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum Wren ihn sexuell nicht erregte. Sie war wunderschön, gertenschlank, lebhaft und klug, aber sie zog ihn einfach nicht an. Er sie auch nicht. Sie waren Freunde, genau wie er und Macs Verlobte Rory. Zum ersten Mal in seinem Leben kam Kade in den Genuss eines unbefangenen Umgangs mit Frauen.

Gegen unkomplizierten Sex hätte er trotzdem nichts gehabt.

„Konzentrier dich.“ Wren rammte ihm den Ellenbogen in die Rippen. „Die Hauptsponsoren treffen jede Minute ein.“

„Wer war das noch einmal?“

Wren warf ihm einen frustrierten Blick zu.

Kade hob entschuldigend die Hände. „Wren, ich hatte so viel um die Ohren, dass ich keine Zeit hatte, mich näher damit zu befassen.“

„Hast du überhaupt eines der Memos gelesen, die ich dir geschickt habe?“

Kade zuckte die Schultern. „Nein. Tut mir leid. Aber du kannst es mir ja jetzt sagen, dann merke ich es mir.“

Er hatte ein hervorragendes Gedächtnis. Die Fähigkeit hatte sich entwickelt, als er als Kind mit seinem Künstlervater ständig den Wohnort und damit auch die Schule wechseln musste. Binnen eines Tages hatte er immer einen Stadtplan aufgetrieben und die Straßennamen auswendig gelernt, um genau zu wissen, wo er war. Seelisch hatte er sich so oft verloren gefühlt, dass er sich zumindest äußerlich nicht hatte verlaufen wollen. Sein Gedächtnis hatte ihm auch geholfen, in der Schule mitzuhalten und sich die Namen von Lehrern und neuen Freunden schnell einzuprägen.

Wren zählte erst die Großspender auf und sagte dann: „Die Forde Gallery hat ein Gemälde deines Vaters gespendet, ein hübsches Aquarell.“

Kade erinnerte sich gut daran, wie sein Vater Bilder gegen Essen oder Benzin eingetauscht hatte. Heute verkauften sich sogar seine kleineren Arbeiten für zehntausend Dollar oder mehr. Es war eine großzügige Spende.

„Dann haben wir noch Urlaubsreisen, Schmuck und allen möglichen Kleinkram. Aber für den meisten Gesprächsstoff sorgt sicher die Partnervermittlung …“

„Die was?“

„Brodie Stewart und Colin Jones stellen ihre Dienste als Partnervermittler zur Verfügung. Ein Mann und eine Frau werden jeweils zu drei Dates geschickt, um einen Partner zu finden. Klingt lustig, oder?“

Brodie Stewart? Seine Brodie? Die Frau, die traumhaft küsste und ihn hatte stehen lassen, bevor sie im Bett hatten weitermachen können?

„Es klingt entsetzlich“, stieß Kade hervor. Er konnte nur an Brodie denken, an ihr dunkles Haar, das ihr über die Schultern fiel, ihre grünen Augen, aus denen sie ihn nach dem sinnlichen Kuss so verträumt angesehen hatte. Sie hatte erwähnt, dass sie Geschäftsfrau war, aber er hatte geglaubt, sie sei Unternehmensberaterin.

„Kommt sie zum Lunch?“, erkundigte er sich und hoffte, dass seine Freunde seine Erregung nicht bemerken würden.

„Kennst du diese Brodie?“, fragte Quinn.

Das war das Problem, wenn man schon so verdammt lange befreundet war. Wenn jemand einen so gut kannte, konnte man ihm nichts vormachen.

„Nicht wirklich.“ Kade versuchte, gleichgültig zu klingen.

„Ich verrate dir jetzt etwas über deinen Chef, Wren“, sagte Mac und legte Rory den Arm um die Taille. „Wenn er lügt, klingt er immer so desinteressiert.“

Mac war schon immer ein guter Beobachter gewesen.

„Halt die Schnauze, McCaskill! Ich bin Brodie einmal begegnet, aber das ist eine Weile her.“

„Warum hast du uns nicht von ihr erzählt?“ Quinn ließ nicht locker.

„Erzählst du mir etwa von allen Frauen, die du triffst?“, antwortete Kade.

Quinn dachte kurz nach und grinste dann. „Ja, so ziemlich. Und wenn nicht, erfährst du es aus der Presse.“

Kade verzog das Gesicht. In den Klatschspalten der Lokalzeitungen und auf unzähligen Blogs wurde ständig über das Liebesleben der drei berühmten Mavericks spekuliert. Die Nachricht, dass Mac und Rory ein Paar geworden waren, hatte Kade und Quinn eine Atempause verschafft. Aber seit Kurzem stand ihr Liebesleben wieder im Mittelpunkt des Interesses. In vielen Artikeln wurde angedeutet, dass es Zeit für sie wurde, Macs Beispiel zu folgen.

Kade hätte lieber einen Pfeilgiftfrosch geküsst.

Nur Mac und Quinn wussten über seine Kindheit als Sohn eines ruhelosen Künstlers Bescheid. Die beiden hatten Verständnis für sein Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit. Da sie gemeinsam investierten und immer zusammenhielten, hatten sie das nötige Geld zusammen, um mit Wrens Großvater ihr geliebtes Eishockeyteam zu kaufen: die Vancouver Mavericks.

Wie Quinn war Kade ein reicher Junggeselle, aber das wollte er auch bleiben. Seine Karriere als Spieler und nun als Manager der Mavericks war vertraglich bis ins Detail abgesichert. Darauf und auf Quinn und Mac konnte er sich verlassen. Aber eine feste Beziehung? Bloß nicht.

Die Lektion hatte er als Kind auf die harte Tour gelernt. Sobald er jemanden geliebt hatte – einen Hund, einen Freund, einen Lehrer, einen Trainer –, hatte sein Vater ihm durch den nächsten Umzug alles wieder genommen. Intensive Gefühle erinnerten ihn nur an die Hilflosigkeit, die er bei der Trennung empfunden hatte. Deshalb versicherte er sich immer, dass die Frauen, mit denen er sich traf, von ihm nicht mehr als ein paar gemeinsame Nächte erwarteten.

Doch obwohl er das stets von Anfang an klarstellte, gab es einige Frauen, die glaubten, ihn ändern zu können. Aus diesen Situationen musste er sich dann herauswinden, manchmal charmant, gelegentlich auch schonungslos offen. Wenn er spürte, dass seine Geliebte Gefühle für ihn entwickelte, trennte er sich von ihr.

Brodie Stewart war die einzige Frau, die ihn von sich aus verlassen hatte. Und das, bevor er auch nur mit ihr im Bett gewesen war.

„… und sie hatte nicht mehr Tiefgang als eine Pfütze!“ Rorys vorwurfsvolle Bemerkung riss Kade aus seinen Gedanken.

„Auf eine intelligente Gesprächspartnerin hatte ich es auch nicht abgesehen“, antwortete Quinn.

Rory schüttelte den Kopf und legte Mac das Kinn auf die Schulter. „Eines Tages triffst du eine Frau, der du nicht widerstehen kannst, und ich hoffe, sie macht dir das Leben zur Hölle.“

„Leider hat Mac dich mir ja weggeschnappt. Ich muss wohl ewig Single bleiben.“ Quinn legte lachend die Hand aufs Herz.

Rory ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. „Irgendwann triffst du sie, und dann lache ich mich tot, wenn du wie ein aufgescheuchtes Huhn um sie herumscharwenzelst. Ich werde ihr raten, es dir so schwer wie möglich zu machen.“ Sie stieß Kade an. „Das gilt übrigens auch für dich. Die weibliche Bevölkerung von Vancouver macht es euch beiden viel zu einfach.“

„Dagegen habe ich nichts.“ Kade lächelte und trank einen Schluck Wasser.

„Ich auch nicht“, pflichtete Quinn ihm sofort bei. „Als Eishockeygötter haben wir das schließlich verdient.“

„Es zeigt nur, wie dämlich manche Frauen sind“, murmelte Rory. Sie schaute zu Mac hoch und kniff die Augen zusammen. „Du bist so still. Möchtest du etwas sagen?“

Mac küsste sie erst auf die Stirn, dann auf den Mund. „Bloß nicht! Ich will nachher zu Hause schließlich noch bei dir zum Zuge kommen. Da stimme ich besser allem zu, was du sagst.“

Kade verdrehte die Augen. „Du Weichei.“

„Auch wenn du die Hosen anhast, Rory sucht sie aus“, setzte Quinn hinzu und wich schnell zurück. Macs große Faust streifte seine Schulter nur. „Bevor sie dich an Land gezogen hat, warst du doch auch …“

„Könntet ihr drei euch jetzt bitte wie die verantwortungsbewussten Geschäftsleute benehmen, für die man euch fälschlich hält?“, fiel Wren ihm ins Wort. „Die erste Spenderin ist gerade eingetroffen.“

Kade wusste, dass es Brodie war, bevor er sie sah. Er spürte ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Die Energie im Raum veränderte sich. Als er sich langsam umdrehte, verblasste der Rest der Welt.

Sie hatte sich nicht verändert und war doch … anders. Es war erst sechs Monate her, aber irgendwie war sie noch attraktiver, als er sie in Erinnerung hatte. Ihr Kleid lag eng an ihrem durchtrainierten Körper an. Ihr schwarzes Haar war jetzt kurz. An ihrer Fähigkeit, sein Blut in Wallung zu versetzen, hatte sich aber nicht das Geringste geändert.

„Sieh an, sieh an …“, flüsterte Mac Kade ins Ohr.

„So sprachlos habe ich dich ja noch nie erlebt“, warf Quinn ein. „Mach den Mund zu, Junge, du sabberst!“

Kade ignorierte seine Freunde. Das Leben hatte Brodie unerwartet wieder zu ihm geführt, und er wollte, was er schon wollte, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte: Brodie. Nackt im Bett, die Beine um ihn geschlungen …

Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase. Es war der Duft, an den er sich erinnerte. Sofort war er wieder früh morgens beim Joggen im Park, und die schwarzhaarige Frau wartete auf ihn und hielt mühelos mit, wenn er am Uferdamm entlanglief. Seit er von Vernons Tod erfahren hatte, war er nicht mehr im Park gewesen.

Seit dem Morgen, an dem er Brodie geküsst hatte.

Es war ein unglaublicher Kuss gewesen. Die Erinnerung daran hatte ihm die stressigen letzten Monate versüßt. Er hätte sich gern auch daran erinnert, mit Brodie geschlafen zu haben …

Also wollte er nicht einfach nur heißen Sex mit irgendeiner Frau. Er wollte mit Brodie schlafen.

Verrückt.

Und gefährlich. Er durfte nicht zulassen, dass sie erfuhr, was für eine Wirkung sie auf ihn hatte. Er wollte nicht zugeben, dass sie die einzige Frau war, die ihn völlig aus der Fassung brachte und ihn alle Vernunft in den Wind schlagen ließ.

Er wurde wohl wirklich verrückt. Wren hatte recht: Er musste sich endlich wie der Manager benehmen, der er angeblich war.

Bei jeder anderen wäre ihm das leichtgefallen. Bei Brodie würde er sich anstrengen müssen.

Dann mal los …

Brodie hielt Kade die Hand hin und hoffte, dass ihr Lächeln nicht so nervös wirkte, wie sie sich fühlte. „Kade! Wir haben uns lange nicht gesehen.“

„Brodie.“ Kade nahm ihre Hand.

Sie sah ihm in die Augen, obwohl sie solches Herzklopfen bekam, dass sie es noch im Bauch spürte. Sie wusste, dass seine Augen dunkelbraun waren, aber heute wirkten sie gegen seine braune Haut und das blonde Haar fast schwarz.

Er war sexy. Sie hatten sich geküsst, aber das allein erklärte nicht, warum ihre Hormone außer Rand und Band gerieten. Sie sah auf ihre verschlungenen Hände hinab und erinnerte sich, wie seine sonnengebräunten Finger sich auf ihrem Rücken angefühlt hatten, während seine Lippen …

Verdammt, Brodie!

Kade berührte sie am Ellenbogen und deutete auf seine Freunde. So etwas von scharf. Quinn war sexy, Mac noch attraktiver, wenn das überhaupt möglich war, aber Kade … Kade sah so fantastisch aus, dass sie dem Drang, ihn auf dem nächstbesten Tisch flachzulegen, fast nicht widerstehen konnte.

Das ist das Problem mit Kade Webb, rief Brodie sich ins Gedächtnis. Er verwandelte sie von einer vernünftigen Frau in ein wildes Mädchen, das erst handelte und es später bereute. Sie hatte seit fast zehn Jahren keine spontane Entscheidung mehr getroffen, bis sie ihm begegnet war. Wochenlang hatte sie sich bei Sonnenaufgang mit ihm im Park getroffen. Dann war sie mit ihm nach Hause gegangen, hatte ihn geküsst und war in Versuchung gewesen, mit ihm zu schlafen. In seiner Nähe war sie nur impulsiv.

Benimm dich wie eine Erwachsene. Sofort!

Brodie riss sich zusammen und begrüßte Wren und Kades Freunde.

Quinn lächelte sie an. Für das Grinsen brauchte man sicher einen Waffenschein, aber Brodie sah seinen Augen seine Intelligenz an. „Sie sind also Brodie.“

„Genau.“

„Und Sie sind Partnervermittlerin?“

„Stimmt.“ Brodie legte den Kopf schief und musterte ihn. „Möchten Sie, dass ich jemanden für Sie suche?“

Sie musste lachen, als Quinn rot wurde und seine Freunde hilfesuchend ansah. Da Quinns Liebesleben in Vancouver Stadtgespräch war, wusste sie, dass er viele Frauen kannte. Eine Partnerin zu finden, war aber etwas ganz anderes.

„Die meisten meiner Kunden haben keine Schwierigkeiten, Frauen kennenzulernen“, erklärte sie.

Quinn runzelte die Stirn. „Warum brauchen sie dann Sie?“

„Weil sie eine Beziehung möchten“, erläuterte Brodie geduldig. „Hätten Sie gern eine Beziehung, Mr. Rayne?“

Sie tastete sich auf Umwegen an die entscheidende Frage heran: Würde Kade auf ihre Dienste als Partnervermittlerin bieten? Schon der Gedanke, ihn mit einer von Colins Kundinnen zu verkuppeln, war ihr unangenehm. Es waren zwar sehr sympathische Damen, aber Brodie hätte es schrecklich gefunden, ihren Traummann an eine Frau aus Fleisch und Blut weiterzureichen.

„Bloß nicht! Und warum sehen eigentlich alle mich an?“, beschwerte Quinn sich. „Kade ist genau so ein einsamer Wolf wie ich!“

Brodie zog eine Augenbraue hoch und sah Kade an.

Er schenkte ihr ein undurchschaubares Lächeln.

Brodie schaute sich um. Ihr Blick fiel auf die honigblonde Frau, die Mac nicht von der Seite wich. Rory sah nachdenklich von Quinn zu Kade und wieder zurück. Brodie ahnte, dass die junge Frau etwas ausheckte.

Macs tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Was möchten Sie gern trinken, Brodie?“

Ein kleiner Schluck Wein konnte nicht schaden, oder? „Ich hätte gern ein Glas Tangled-Vine-Chardonnay.“

Rory legte den Kopf schief und sah Quinn an. „Ist das der Wein, den du uns neulich mitgebracht hast? Der war wirklich lecker.“

Quinn nickte. „Dann bringe ich heute Abend eine Kiste mit. Was gibt es zum Abendessen?“

„Risotto. Troy kommt auch“, antwortete Rory.

Mac wirkte entsetzt. „Sie kommen schon wieder zum Essen? Gegen Troy habe ich ja nichts, aber diese beiden hier sind wie Ratten. Süße, wenn du sie weiter fütterst, werden wir sie nie wieder los!“

„Die Ratten sind Kade und ich“, erklärte Quinn Brodie lächelnd. Er zuckte die breiten Schultern. „Aber sie ist nun einmal eine gute Köchin.“

Brodie schaute Mac in die Augen und bemerkte die Heiterkeit unter seiner gespielten Empörung. Ja, er sah ein bisschen furchteinflößend aus – das taten sie alle –, aber sie erkannte, dass zwischen diesen Männern eine Verbindung bestand, die über Freundschaft hinausging. Sie spürte Loyalität, gegenseitige Unterstützung und den innigen Wunsch, dafür zu sorgen, dass die beiden jeweils anderen „Brüder“ glücklich waren. Sie beneidete die drei um ihre Verbundenheit. Früher hatte sie selbst solche Freundschaften erlebt. Ihre Nähe zu Jay und Chelsea hatte nur der Tod zerstören können.

Sie vermisste die beiden immer noch jeden Tag. Sie vermisste, dass sie schon im Voraus wussten, was sie sagen wollte, und ihre Witze verstanden. Sie vermisste den Satz: „Ja, ich weiß, es ist nach Mitternacht, aber ich habe dir Pizza mitgebracht.“ Sie vermisste Chelsea und ihre verrückten Aktionen: „Ich stehe vor deinem Fenster und habe ein Date. Wirf mir deinen rostroten Lippenstift runter!“

Sie vermisste Jay, den Jungen, der sie in- und auswendig kannte. Seine sanften Küsse, seine eben erst erwachte Besessenheit von ihrem Körper. Sie hatte geglaubt, dass sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen würde.

Solch eine enge Bindung hatte sie danach zu niemandem mehr aufgebaut. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass ihr noch einmal das Herz gebrochen wurde. Solch ein Verlust tat zu weh. Er hatte sie misstrauisch und vorsichtig gemacht. Ängstlich.

Aber das war ihr nur recht.

„Ich schicke euch bald eine Rechnung für all das Essen“, grummelte Mac. „Schmarotzer!“

„Rory ist eine tolle Köchin und hat uns gern da. Vielleicht braucht sie Abwechslung von dir“, sagte Quinn zu Mac, nahm das Glas Wein, das Kade für Brodie bestellt hatte, vom Tablett des Kellners und reichte es ihr. Kade sah finster drein. „Und ich bringe den Wein mit.“

Rory grinste. „Prima. Den Wein mag ich wirklich.“

„Muss ich dich erst daran erinnern, dass du ihn frühestens in einem Jahr wieder trinken darfst?“, murmelte Mac.

Ein kleines zärtliches Lächeln huschte über Rorys Gesicht. Sie berührte ihren Bauch.

Brodie verstand sofort, was das hieß. Macs Freunde brauchten ein paar Sekunden länger. Nach ihren verblüfften Gesichtern zu urteilen, hatten sie damit nicht gerechnet. Aber als ihnen dann klar war, was Mac gerade verraten hatte, fielen sie beide Rory um den Hals. Dann drückte Kade Mac an sich. Quinn folgte seinem Beispiel, und Brodie spürte, dass ihr die Tränen kamen, weil die beiden sich so für ihren Freund freuten. Sie hatte das Gefühl, dass sie diesen intimen Augenblick nicht hätte miterleben sollen, und trat zurück. Als sie sah, dass Wren dasselbe tat, lächelte sie leicht.

Komisch. Brodie erkannte, dass sie zufällig schon bei mehr als einem persönlichen Ereignis der Mavericks dabei gewesen war. Vernons Tod, Macs Baby … Wie kam es, dass sie immer wieder so etwas Privates mitbekam? Diesmal war es wenigstens eine gute Nachricht.

„So wollten wir euch das eigentlich nicht erzählen“, sagte Rory und lehnte sich an Macs Brust. Er legte ihr die großen Hände auf den noch sehr flachen Bauch.

„Herzlichen Glückwunsch“, murmelte Brodie.

„Ja, herzlichen Glückwunsch“, wiederholte Kade und grinste Mac an. „Bald musst du dich um zwei Kinder auf einmal kümmern, Rory.“

„Ha, ha.“ Mac lachte nicht.

„Ich weiß.“ Rory zitterte die Stimme. „Ich werde Mutter, Kade!“

„Das wirst du toll machen“, versicherte Kade ihr und sah wieder Mac an. „Bloß ihn musst du noch ein bisschen erziehen.“

„Ich fühle mich noch gar nicht alt genug, um Freunde zu haben, die Eltern werden.“ Quinn klopfte Mac auf die Schulter und nickte zur Bar hinüber. „Wir brauchen Champagner! Ich hole uns welchen.“

Wren schüttelte den Kopf. „So leid es mir tut, euch unterbrechen zu müssen: Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Wir sind schließlich die Gastgeber.“ Sie hakte sich bei Quinn ein und führte ihn zum Restaurantbereich.

Brodie spürte Kades Hand auf ihrem Rücken und trat unwillkürlich näher an ihn heran. Sie streifte seinen straffen Oberschenkel.

Kade senkte die Stimme, sodass nur Brodie ihn verstehen konnte: „Es ist immer noch da, oder?“

Brodie hätte es gern abgestritten, aber sie konnte ihn nicht belügen. Sich selbst auch nicht. Sie zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. „Ja.“

„Wir begehren uns immer noch wie wild?“

„Ja.“ Einsilbige Antworten waren alles, wozu sie gerade imstande war.

„Unternehmen wir diesmal etwas dagegen?“

Wren unterbrach das leise intensive Gespräch. „Kade, du sitzt oben am Haupttisch. Brodie, ich führe Sie zu Ihrem Platz.“

Brodie folgte Wren in das private Speisezimmer des Taste. Als sie einen Blick über die Schulter warf und erkannte, dass Kade ihr nachsah, wurde sie rot.

Und er hörte die nächsten neunzig Minuten nicht auf, sie zu beobachten.

Er wollte sie. Die feurigen Blicke, die sie über drei Tische hinweg ausgetauscht hatten – es gab keinen Zweifel. Zwischen ihnen knisterte es noch immer gewaltig.

Er wollte sie so sehr wie vor sechs Monaten, vielleicht noch mehr. Es war verrückt – und aufregend.

Was sollte sie nur tun?

Sie wusste, was er wollte: da weitermachen, wo sie aufgehört hatten. In der Damentoilette schnitt Brodie ihrem Spiegelbild über dem Waschbecken eine Grimasse und befeuchtete sich den Nacken, um sich abzukühlen. Sie wusste, dass es nichts nützen würde. Sie stand innerlich in Flammen, und daran war nur Kade Webb schuld.

Jeder Blick, den er ihr zugeworfen hatte, jedes kleine Lächeln, hatte ihr verraten, wie sehr er sie wollte.

Sie war sich ziemlich sicher, ihm das Gleiche signalisiert zu haben.

Brodie seufzte. Eine Nacht mit Kade würde niemandem wehtun. Ihr musste nichts peinlich sein – solange sie nichts Dummes tat, wie etwa, sich in ihn zu verlieben.

Sie hatte lange keine Affäre mehr gehabt. Auch keinen Sex, seit sie mit Jared, dem Informatiker, zusammen gewesen war. Das war drei oder vier Jahre her. Sie war fast dreißig und hatte es satt, allein zu sein.

Konnte sie es schaffen? Konnte sie einen One-Night-Stand mit Kade haben? Machte es ihr nichts aus, eine von „Webbs Frauen“ zu sein?

Brodie stützte sich auf den Waschtisch, starrte ins Becken und dachte nach.

Wenn sie auf eine Beziehung aus gewesen wäre – und das war sie nicht, davor hatte sie Angst –, wäre Kade der letzte Mensch gewesen, für den sie sich interessiert hätte. Er war berühmt, und sie hatte schon genug semi-prominente Männer verkuppelt, um zu wissen, wie anstrengend es war, mit einem Star zusammen zu sein. Sie konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als in den Klatschspalten zerpflückt zu werden, aber manche Frauen standen darauf.

Darüber hatte sie damals, als sie seine Einladung zum Kaffee angenommen hatte, nicht nachgedacht. Alles war so schnell gegangen, und sie hatte nur an die nächsten paar Stunden gedacht. Aber im Laufe des letzten halben Jahrs war Kade immer stärker ins Rampenlicht gerückt war. Sein Leben und seine Dates standen unter genauer Beobachtung. Die Presse war gnadenlos und interpretierte in einen gemeinsamen Kinobesuch schnell einen Heiratsantrag hinein.

Brodie erschauerte.

Sie wollte ihn trotz allem.

Wenn sie es diesmal durchzog, durfte sie nicht ausblenden, dass eine schnelle Nummer mit einem der begehrtesten Junggesellen von Vancouver Folgen haben konnte. Wenn sich herumsprach, dass sie miteinander geschlafen hatten, würde das berufliche Konsequenzen für sie haben. Sie hatte eine Datenbank voller Kunden, die ihr vertrauten. Viele von ihnen glaubten, dass sie verlobt war. Eine Liaison mit Kade würde sich nicht gut machen.

Männer waren oft romantischer und traditioneller eingestellt, als die meisten Frauen es ihnen zutrauten. Sie gönnten sich vielleicht selbst Affären, aber bei einer Partnervermittlerin hielten sie nichts davon.

Es war also viel vernünftiger, Kades Vorschlag zu ignorieren. Mit ihm zu schlafen würde vielleicht ohnehin nicht so toll sein, wie sie es sich vorstellte. Sicher verklärte sie seinen Kuss nur in ihrer Erinnerung. Sie würde auf Distanz bleiben.

Gute Entscheidung, dachte Brodie und betrachtete sich im Spiegel. Kluge Entscheidung.

Sichere Entscheidung.

Warum fühlte sie sich dann so verdammt falsch an?

3. KAPITEL

Die Damentoilette lag eine kurze Treppe über dem Herrenwaschraum, und als Brodie auf den Gang hinauskam, warf sie einen Blick nach unten und sah einen blonden Schopf und muskulöse Schultern, die nur Kade gehören konnten.

Sie strich sich das pinkfarbene Kleid glatt. Die hochhackigen nudefarbenen Schuhe ließen ihre Beine endlos lang wirken. Zu Hause war ihr das Outfit noch sehr angemessen vorgekommen, aber als Kade aufschaute und seine Augen fast schwarz wurden, wusste sie, dass er ihr am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte. Sie biss sich auf die Lippen und hatte Herzklopfen, als sie die Stufen zum Marmorfußboden hinabstieg.

Kade warnte sie nicht vor und fragte auch nicht um Erlaubnis. Er küsste sie einfach schwungvoll auf den Mund. Brodie musste sich an seinem Oberarm festklammern, um nicht umzufallen. Am Rücken spürte sie seine warmen kraftvollen Hände.

Sie schlang ihm die Arme um den Hals. Er schmeckte nach Kaffee und Kade und Pfefferminz, und seine Lippen fühlten sich an wie alte Freunde. Warm, fest, trocken. Selbstbewusst. Er tastete sich zu ihren Schultern hinauf, umfasste dann ihr Gesicht und streichelte ihre Wangen, während er die Zunge in ihren Mund gleiten ließ.

Die leichte Unzufriedenheit, die sie sonst nie ganz verließ, löste sich in Luft auf, als er sie fordernder küsste, sie an die Wand drängte und ihr das Knie zwischen die Schenkel schob. Es war ein wilder Kuss – einfach sexy. Brodie spürte, dass ihr heiß wurde, und hatte plötzlich Sehnsucht, sich in der Wärme, Schönheit und Stärke dieses Mannes zu verlieren.

Als er sich von ihr löste, hätte sie in seinen sündhaft dunklen Augen versinken können. Sie rang nach Luft.

Kade strich ihr über die Wange. „Brodie? Geht es dir gut?“

Ja. Ich versuche nur, mein Gehirn wieder auf Touren zu bringen. Brodie ließ die Stirn an seiner Brust ruhen und atmete tief durch.

„Verdammt, Kade“, murmelte sie am Ende.

„Stimmt, wir sind zusammen brandgefährlich.“ Kade ließ das Kinn auf ihrem Kopf ruhen. „Was sollen wir machen?“

„Nichts?“, schlug Brodie vor.

„Kommt nicht infrage.“

Sie hörte, wie entschlossen er klang. Er würde alles tun, um zu bekommen, was er wollte.

Was sie wollte. Er musste sie nicht erst überreden.

Sie durfte wunderbaren Sex mit jemandem haben, der wusste, was er tat, sagte ihr eine beharrliche innere Stimme. Sie war neunundzwanzig, überwiegend normal, aber sexuell schrecklich frustriert.

Er ist Single. Du bist Single. Du musst niemanden um Erlaubnis fragen.

„Brodie?“ Kade trat zurück und ging in die Knie, um ihr in die Augen sehen zu können. „Was meinst du?“

Brodie umklammerte seinen Oberarm. Er fühlte sich noch härter und muskulöser an, als sie ihn in Erinnerung hatte. Wie war das möglich? Sie hätte ihm gern das Hemd aufgeknöpft, um nachzusehen, was sich unter der teuren Kleidung versteckte. War seine Brust noch kräftiger als vorher? Waren seine Schultern breiter? Seine Arme stärker?

„Erlöst du mich bald?“, fragte Kade. Sie sah ihn an und las ihm die Gefühle an den Augen ab.

Frust, eine Menge Begehren und ein Hauch Panik. Weil er glaubte, dass sie Nein sagen würde? Er schien ein bisschen aus der Fassung zu sein, nicht so geschmeidig und selbstbewusst, wie sie zuerst angenommen hatte. Sein Anflug von Unsicherheit half ihr, sich stärker zu fühlen.

„Du bringst mich um, Brodie.“

Sie wusste, dass es kein Zurück mehr gab, wenn sie jetzt Ja sagte. Diesmal durfte sie keine kalten Füße bekommen.

Sie hatte ein bisschen Angst – zu Recht. Aber sie hätte genauso gut versuchen können, einen Schnellzug zu stoppen, wie sich diese zweite Chance entgehen zu lassen.

Brodie nickte. „Ja, lass es uns noch einmal versuchen. Eine Nacht. Keine große Sache.“

„Bist du dir sicher?“

Sie wusste, dass er sich vergewissern wollte, dass sie es sich nicht anders überlegen würde. Also legte sie ihm die Hand an die Wange und nickte. „Sehr sicher. Unter der Bedingung, dass wir es nur dieses eine Mal tun und die Sache unter uns bleibt.“

Erleichterung huschte über Kades Gesicht. „Ein Gentleman genießt und schweigt! Aber bist du sicher, dass wir nach einer Nacht aufhören können?“

Brodie zuckte die Schultern. Wahrscheinlich nicht. „Wir können es zumindest versuchen.“

Kade rieb sich den Nacken. „Interessant“, sagte er.

Brodie runzelte die Stirn. „Was?“

„Du gehst sehr … geschäftsmäßig ans Leben heran. Und an Sex.“

Sie hatte gelernt, Emotionen aus ihrem Alltag zu verbannen. Wenn sie das nicht getan hätte, wäre sie nach dem Unfall in eine Höhle gekrochen und nie wieder daraus hervorgekommen. Sie unterdrückte ihre Gefühle, weil sie so groß und überwältigend waren. Vor der Tragödie hatte sie von ganzem Herzen geliebt, hemmungslos und leidenschaftlich. Sie hatte sich mit allen Sinnen ins Leben gestürzt.

Der Autounfall hatte ihr ihre Familie genommen, aber die Gefühle waren geblieben und hatten sie fast umgebracht. Um zu überleben, hatte sie ihre Emotionen verleugnen müssen, weil sie nicht glücklich sein konnte, ohne zugleich traurig zu sein. Keine Freude ohne Schmerz. Keine Liebe ohne gebrochenes Herz.

Brodie schenkte Kade ein kühles Lächeln. „Also, wann und wo?“

Kade zog überrascht die Augenbrauen hoch, und Brodie sah ihn herausfordernd an. Er sah aus, als würde er gleich noch eine Bemerkung darüber machen, wie direkt sie war. Sie betete, dass er darauf verzichten würde. Kade schien in der Lage zu sein, sie zu durchschauen …

Das konnte sie nicht gebrauchen.

Kade warf einen Blick auf die Armbanduhr und dachte kurz nach. „Ich habe heute Nachmittag mehrere Meetings, sonst würde ich dich sofort mit nach Hause nehmen.“

Früher hätte ich mich darauf eingelassen, dachte Brodie. Frühstück um Mitternacht, Tänze im Regen, spontane Ausflüge und Sex am Nachmittag. Die Brodie von heute war nicht mehr so unbefangen.

„Und heute Abend findet der Ball statt. Kommst du?“ Kade stützte die Hand neben ihrem Kopf gegen die Wand, und sie musste sich zwingen, nicht die Schläfe an seinen Unterarm zu lehnen.

„Nein. Außerdem sind die Karten ausverkauft.“

Kade lächelte leicht. „Ich glaube, ich kenne da jemanden, der dich hineinschmuggeln könnte.“

Es ist verlockend, dachte Brodie. Aber wenn sie mit Kade zum Ball ging, würde es sich nach einem Date anfühlen, und das wollte sie nicht.

„Warum rufst du mich nicht morgen oder übermorgen an?“, schlug sie vor.

„Ich weiß nicht, ob ich so lange durchhalte“, gestand Kade. Er steckte die Hände in die Hosentaschen, und Brodie verspürte plötzlich den Drang, ihm die Krawatte zurechtzuziehen. „Aber … Okay. Habe ich Lippenstift im Gesicht?“

„Nein, man sieht nichts.“

Kade nickte. „Gib mir deine Handynummer und deine Adresse.“

Brodie tippte alles in sein Telefon.

Kade nickte. Seine Augen nahmen die Farbe von Kakao an. „Arbeitest du von zu Hause aus?“

„Nein, ich teile mir ein Büro in der Innenstadt mit meinem Geschäftsfreund. Er ist auch Partnervermittler.“

Kade kratzte sich am Kinn. „Ich kann immer noch nicht ganz fassen, dass du Leute verkuppelst. Das ist … seltsam.“

Sie nahm es ihm nicht übel. Oft dachte sie selbst, dass es eine merkwürdige Art war, Geld zu verdienen – vor allem weil sie eigentlich Finanzexpertin war und ihr Leben lang Single bleiben wollte. Aber sie war neugierig, warum er ihren Beruf seltsam fand, und fragte ihn danach.

Kade rieb sich den Nacken. „Ich schätze, es liegt daran, dass ich nie ein Problem damit hatte, mich mit Frauen zu verabreden.“

„Das geht den meisten meiner Kunden nicht anders. Aber es geht ihnen nicht um ein Date, sondern um eine feste Beziehung.“ Sie sah ihn zusammenzucken und musste lächeln. „Du wirst nicht so bald mein Kunde, oder?“

„Niemals.“ Kade umfasste ihr Gesicht.

Sie vergaß ihren Beruf und erschauerte vor Sehnsucht und Verlangen. Flüchtig strich sie ihm über die Brust und den flachen muskulösen Bauch.

„Ich kann es gar nicht abwarten.“ Er beugte sich vor, um sie auf die empfindliche Stelle zwischen Hals und Schulter zu küssen. Dann hob er den Kopf und sah sie unverwandt an. „Bald. Verspochen.“

Brodie schluckte. Ihr Mund war trocken geworden.

Ohne sie loszulassen, sah Kade noch einmal auf die Uhr und fluchte leise. „Ich muss zurück ins Büro. Ich bin spät dran.“ Er strich ihr über die Unterlippe. „Bitte überleg es dir nicht anders, Brodie.“

„Wir sehen uns.“

Kade nickte knapp, küsste sie zum Abschied und kehrte ins Restaurant zurück.

„Und das hoffentlich sehr bald, Kade Webb.“

Sie war zehn Kilometer gelaufen und hatte kalt geduscht, aber obwohl schon vier Stunden vergangen waren, schmeckte sie Kade immer noch auf ihren Lippen. Sie hatte Herzklopfen, und das lag nicht an ihrer Joggingrunde durch den Stanley Park. Wie sollte sie die nächsten Tage über bloß zurechtkommen, wenn dieser Erregungszustand sich nicht legte?

Er musste sich legen – so konnte sie nicht weitermachen.

Genau deshalb verzichtete sie auf komplizierte Beziehungen. Sie fühlte sich nicht gern so. Es fühlte sich zu sehr an, als ob sie …

… lebte. Leben hieß Vorfreude, Aufregung, Lust, Leidenschaft. Das war nichts mehr für sie, und sie hatte es nicht verdient, so viel zu empfinden, wenn fast alle, die sie einmal geliebt hatte, nicht mehr da waren.

Warum ist mir nichts passiert, obwohl alle anderen gestorben sind?

Sie war ein perfektes Beispiel für das Überlebensschuld-Syndrom. Brodie ging in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Sie hatte Psychologen konsultiert und Bücher darüber gelesen. Schuldgefühle waren normal und gehörten zum Heilungsprozess. Aber der zog sich verdammt lange hin. Sie wusste, dass sie sich zu sehr einigelte. Ein halbes Leben zu leben, war nicht gesund. Es machte ihre Angehörigen auch nicht wieder lebendig.

Doch sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie es nicht verdient hatte, glücklich zu sein.

Ihre Gegensprechanlage summte. Brodie runzelte die Stirn. Sie erwartete niemanden. Ihre Großtante Poppy, die ein Stockwerk tiefer lebte, war nicht in der Stadt, und wer sonst sollte bei ihr klingeln?

Sie ging zur Wohnungstür und betätigte den Knopf. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich habe neunzig Minuten Zeit. Kann ich raufkommen?“

Kade. Du meine Güte. Ihr Mund war sofort knochentrocken, und es fiel ihr schwer, etwas zu sagen.

„Komm schon, Süße, lass mich nicht betteln“, flehte Kade.

Das war Wahnsinn. Sie hätte ihm sagen sollen, dass er gehen sollte, dass sie nicht wollte, dass er zu ihr kam. Aber das wäre eine dicke fette Lüge gewesen. Sie wollte ihn sehen. Am liebsten nackt.

Also drückte sie den Türöffner für die Haustür und zog ihre Wohnungstür auf, um zuzusehen, wie er heraufgelaufen kam. Er trug immer noch denselben Anzug wie vorhin, hatte aber die Krawatte abgenommen. Über der Schulter trug er eine Sporttasche und einen Smoking in Plastikhülle.

Sportlicher, entschlossener, sexy Mann, dachte Brodie und lehnte sich gegen den Türrahmen. Kade lächelte sie an, sagte aber kein Wort. Er nahm einfach ihre Hand, zog sie in die Wohnung, stieß die Tür zu und warf seine Sachen auf den nächsten Stuhl. Dann hob er Brodie hoch und küsste sie, heißblütig und fordernd. Er schmeckte nach Leidenschaft.

Wow.

Eine Minute oder tausend Jahre später stellte Kade Brodie sanft wieder auf die Beine, küsste sie aber weiter und ließ die Zunge spielen. Sie erwiderte seine Liebkosungen und staunte über das aufgestaute Begehren, das aus der Intensität des Kusses sprach. Sie zog ihm das Hemd aus der Hose und stöhnte vor Verlangen, endlich seine nackte Haut zu spüren. Es störte sie, dass Kade sich kurz von ihr löste, um sich das Hemd aufzuknöpfen und es auszuziehen.

Brodie knabberte an seinem nackten Oberkörper, ließ ihre Zunge seine Brustwarzen umspielen und rieb die Wange an seinem Brusthaar. Was für ein Mann! Von den straffen Muskeln über die leicht raue Haut bis zu seinem sinnlichen Duft sprach er jede Zelle in ihrem Körper an. Sie konnte nicht aufhören. Sie wollte auch gar nicht.

Sie brauchte ihn. Jetzt. Sofort. Sie musste ihn haben, in ihr, um sich.

„Bett“, flüsterte Kade.

„Zu weit.“ Brodie schaffte es, die Hand zu heben und nach rechts zu zeigen. „Schreibtisch. Da drüben.“

„Das geht auch.“

Kade hob Brodie auf die Schreibtischkante und schob die Papiere und Aktenordner beiseite, sodass sie zu Boden purzelten. Es machte Brodie nichts aus. Ein Teil von ihr wusste, dass sie einen Fehler beging, aber das war ihr egal. Nichts spielte mehr eine Rolle – außer Kades Nähe. Es war unbeschreiblich erregend.

Kade streifte ihr schnell die Kleidung ab. Brodie beobachtete aus halb geschlossenen Augen, wie er in die Hosentasche griff und seine Brieftasche hervorzog. Auf der Suche nach einem Kondom verstreute er Kreditkarten und Bargeld. Schließlich fand er eines und riss die Hülle mit den Zähnen auf. Er zog seine restlichen Kleider aus und streifte das Kondom über. Brodie war nicht entsetzt, als er ihr das dünne Höschen einfach abriss. Dann rieb er seine pralle Erektion an ihren intimsten Stellen und wartete auf ihre Erlaubnis, in sie einzudringen.

Als er sie mit den Lippen berührte, hatte Brodie das Gefühl zu zerfließen. Sie genoss es, in der Stille des frühen Abends sein lautes Atmen zu hören.

Er sah ihr in die Augen, als sie ihn endlich an sich zog, schob ihr eine Hand unter den Kopf, die andere unter die Hüfte und ermunterte sie, sich auf den Ritt einzulassen.

Der Schreibtisch fühlte sich wie ein weiches Bett an, die zerwühlten Papiere wie Rosenblüten. Sie vereinigten sich. Endlich. Kade bewegte sich in ihr, und Brodie ließ sich von ihm führen. Er forderte, sie antwortete. Tiefer, länger, höher, schneller. Ihre Leidenschaft stand seiner in nichts nach. Sie war ungehemmt und frei.

Bei diesem Gedanken schrie Brodie auf und schluchzte. Im nächsten Augenblick bäumte auch Kade sich auf und brach dann auf ihr zusammen.

„Brodie?“, murmelte er an ihre Schulter geschmiegt. „Lebst du noch?“

„Hm.“

„Und der Schreibtisch?“

Brodie musste lachen. Sie tätschelte das Holz neben ihrer Hüfte. „Sieht so aus. Und du?“

Kade küsste sie auf den Hals, bevor er sich widerstrebend aus ihr zurückzog. Er richtete sich auf und wandte sich plötzlich ab. „Mir geht es gut, aber …“

Brodie setzte sich auf und runzelte die Stirn, als er einen ganzen Schwall von Flüchen ausstieß. „Was ist?“

Kade sah erst das Kondom in seiner Hand, dann sie an. „Das Kondom ist geplatzt. Verdammt. Es war doch brandneu!“

Brodie sprang vom Schreibtisch und sah sich nach ihrem Shirt um, das auf der Sofalehne gelandet war. Sie zog sich schnell an und fragte sich, was sie nur tun sollte. Wut oder Enttäuschung zu äußern hätte nichts genützt. Das Kind war schon in den Brunnen gefallen. Also beschloss sie, praktisch zu reagieren.

„Wenn du dich … äh … frischmachen willst, das Bad geht von meinem Schlafzimmer ab. Zweite Tür rechts.“

Kade verschwand. Brodie legte seine Anzughose zusammen, hängte sein Hemd über eine Stuhllehne und schob seine Socken in seine Schuhe. Sie hob ihr zerrissenes Höschen auf, knüllte es zusammen und ging dann in die Küche, um es in den Mülleimer zu werfen.

Sie betrachtete die Situation aus allen Blickwinkeln. Wie standen die Chancen, dass sie schwanger wurde? Sie nahm die Pille. War es überhaupt der richtige Zeitpunkt im Monat für ihren Eisprung? Sie ging zum Kalender, der seitlich am Kühlschrank hing, und versuchte sich zu erinnern, wann sie zuletzt ihre Tage gehabt hatte. Sie kam zu dem Schluss, dass nichts passiert sein konnte. Kein Grund zur Panik.

„Und?“

Brodie drehte sich um und sah Kade in der Tür stehen – immer noch nackt und immer noch sexy.

„Es wird schon gut gehen. Mach dir keine Sorgen, ich nehme die Pille.“

Erleichterung machte sich in Kades Gesicht breit. „Gut.“

Brodie biss sich auf die Lippen und fragte sich, wie sie ihm die Frage stellen sollte, die sie beschäftigte. Sie wollte ihn nicht beleidigen, aber … „Muss ich mich auf irgendwelche ekligen Krankheiten testen lassen?“

Kade schüttelte den Kopf. „Ich bin vor drei Wochen beim Arzt gründlich durchgecheckt worden, und ich benutze immer ein Kondom. Bisher ist noch nie eines geplatzt.“

Ein Glück. Das Gespräch war weniger peinlich geworden, als sie befürchtet hatte. Als Kade sie am Shirt packte und sie an sich zog, lösten sich ohnehin alle Gedanken an Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten in Luft auf. „Du hast zu viel an.“

Wie sollte sie ihm nur widerstehen, wenn ihr schon wieder ganz heiß wurde? „Du hast doch kein Kondom mehr.“

„Du aber. Ich habe sie in deinem Badezimmerschrank gesehen.“

Brodie verzog das Gesicht. Sie hatte sie vor Jahren gekauft, als sie mit dem Informatiker zusammen gewesen war. „Die liegen da schon seit einer Ewigkeit.“

„Ich habe das Haltbarkeitsdatum überprüft. Sie gehen noch.“ Kade knabberte an ihrem Gesicht. „Wollen wir?“

„Diesmal im Bett?“, fragte Brodie.

„Und dann unter der Dusche.“

Brodie warf einen Blick auf die Wanduhr in der Küche. Noch zwei Mal binnen einer Stunde und fünfzehn Minuten?

Sie hatte ja schon gehört, dass Kade Webb ehrgeizig war, aber sie hätte nie damit gerechnet, dass er es ihr so handfest beweisen würde.

Kade verließ ihr Badezimmer in seiner Smokinghose. Das weiße Hemd hing offen darüber. Während er unter der Dusche gewesen war, hatte sie sich die Haare gebürstet und einen Baumwollpulli und eine Yogahose angezogen. Jetzt saß sie im Schneidersitz auf dem Bett und versuchte so zu tun, als sei es ganz alltäglich, dass Kade sich in ihrer Wohnung aufhielt.

„Warum kommst du nicht mit zum Ball? Da kannst du sicher prima für deine Partnervermittlung werben“, sagte Kade und setzte sich neben sie, um die schwarzen Socken anzuziehen. „Du bist schließlich auch zum Lunch gekommen.“

„Als Spenderin, nicht, um Werbung für mich zu machen.“ Brodie stützte die Ellenbogen auf die Knie und das Gesicht in die Hände. „Ich kann nicht einfach durch den Saal spazieren und Visitenkarten verteilen. Mein Geschäft basiert auf Diskretion. Unsere Kontaktdaten stehen im Programm. Wenn jemand sich an uns wenden will, kann er anrufen. Ich vermittle nur Männer und kann dir garantieren, dass keiner von ihnen mich auf einem Ball ansprechen würde. Nicht solange jemand es belauschen kann.“

„Kenne ich welche von deinen Kunden?“

„Einige.“ Brodie hob abwehrend die Hand. „Und, nein, ich werde dir nicht verraten, wen, also frag gar nicht erst.“

Kade musterte sie nachdenklich. „Ich wette, viele der Kerle versuchen, bei dir zu landen.“

Brodie legte den Kopf schief. „Warum glaubst du das?“

„Also tun sie es – das sehe ich dir an. Und woher ich das weiß?“ Er zuckte die Schultern. „Sagen wir, ich wäre selbst auf der Suche nach einer Partnerin. Ich würde dich kennenlernen und denken: ‚He, sie ist nett und wunderschön. Ich muss nicht weitersuchen.‘ Männer sind faul.“

„Es kommt vor“, räumte Brodie ein.

„Wie gehst du damit um?“ Kade zog seine handgenähten schwarzen Lederschuhe an.

Brodie rutschte vom Bett und ging zum Frisiertisch hinüber. Sie nahm den Verlobungsring in die Hand und warf ihn Kade zu.

„Netter Ring“, bemerkte er und warf ihn zurück. „Schade, dass er nicht echt ist.“

„So unecht wie die Verlobten, die ich jede Woche erfinde“, antwortete Brodie.

„Aha.“ Kade beugte sich vor, um sich die Schnürsenkel zu binden, wandte den Kopf und sah sie an. „Warst du nie in Versuchung?“

Brodie ließ sich eine Weile Zeit, über seine Frage nachzudenken. Sie war überrascht, als er die Augen zusammenkniff. Vor Eifersucht? Unmöglich.

„Meine Kunden sind erfolgreich, oft wirklich nett und sehr wohlhabend. Sie fahren teure Autos, wohnen in schönen Häusern und sind intelligent. Sehr begehrenswert.“

Kade sah sie finster an.

„Aber sie wollen eine feste Beziehung. Ich nicht.“ Brodie legte ihren Ring wieder in die flache Schale, in der sie den Schmuck aufbewahrte, den sie am häufigsten trug. „Außerdem wäre es sehr unprofessionell, sich mit einem Kunden einzulassen.“

„Wie gut, dass ich nicht dein Kunde bin.“ Kade setzte sich auf und begann sein Hemd zuzuknöpfen. „Ich würde mich lieber erschießen, als mich verkuppeln zu lassen.“

Brodie gestand sich stumm ein, dass sie sich ihrerseits lieber in einen Vulkan gestürzt hätte, als ihn als Kunden anzunehmen.

Kade musterte sie. „Warum bist du eigentlich noch Single?“

Brodie wurde rot. „Ich bin genauso sehr gegen feste Beziehungen, wie du es zu sein glaubst.“

„Wie ich es zu sein glaube?“

Brodie zuckte die Schultern. Sie hatte ihn mit seinen Freunden gesehen und bemerkt, wie sehr er die Verbundenheit genoss. Er würde ein toller Ehemann und wunderbarer Vater werden, wenn er sich jemals entschloss, sein Partyleben aufzugeben.

Kade sah ihr lange in die Augen und grinste dann schief. „Mir geht es nur um den heißen Sex, danke.“

Brodie erwiderte sein Lächeln. „Dann ersteigere bloß nicht mein Angebot.“

Kade zog eine Fliege aus der Tasche und band sie sich rasch um, ohne in den Spiegel zu sehen. „Bestimmt nicht“, versprach er. „Aber jetzt muss ich los, sonst reißt Wren mir den Kopf ab.“

„Viel Spaß.“

Kade hob Tasche und Jackett auf und küsste Brodie zum Abschied erst auf die Schläfe, dann auf den Mund. „Ich hätte viel lieber Spaß mit dir.“

Brodie zwang sich zu lächeln. Das sagte er bestimmt zu allen Frauen. „Bis dann.“

„Bis dann“, sagte Kade und verließ ihr Schlafzimmer. Gleich darauf hörte sie, wie die Wohnungstür sich öffnete und wieder zufiel. Zwei Minuten später heulte der Motor seines Sportwagens auf.

Das war’s dann also. Sie hatte fantastischen Sex gehabt. Aber sie erinnerte sich plötzlich auch daran, wie sehr sie es immer genossen hatte, mit Kade zu reden, und wie leicht es ihnen fiel, sehr persönliche Gespräche zu führen. Es fühlte sich viel zu intim an.

Warum um alles in der Welt wollte sie mehr davon?

4. KAPITEL

Kade griff nach seinem Glas und trank einen großen Schluck Whiskey. Wie lange sollte dieser verdammte Ball denn noch dauern?

Es war schon elf. Wenn Quinn sich mit der Auktion beeilte, konnte Kade sich noch vor Mitternacht davonstehlen. Ob es schon zu spät war, Brodie anzurufen? Würde es aussehen, als ob er klammerte, wenn er sich so bald wieder meldete? Wenn sie schon im Bett lag, was trug sie wohl? Ein scharfes Negligé, ein Top und Boxershorts oder nur ihre goldene Haut?

Er liebte ihre Haut. Er liebte alles an ihrem Körper, und als er sie vorhin im Arm gehalten hatte, hatte er sich gefühlt, als ob … Wie hatte er sich gefühlt?

Kade fluchte. Er war schon wieder erregt. Er brauchte mehr als einen Whiskey mit Eiswürfeln – vielleicht ein Bad in Eiswasser. Wenn er so weitermachte, würde er nachher keine zwei Sekunden durchhalten, wenn Brodie wieder unter ihm lag. Seine Reaktion auf sie war der schiere Wahnsinn. Es musste irgendeine wissenschaftliche Erklärung dafür geben, dass sie beide bereit waren, einander im Handumdrehen die Kleider vom Leib zu reißen. Pheromone? Instinkte? Aber warum dann sie und nicht eine der vielen attraktiven Frauen hier im Ballsaal?

Er war sich nur sicher, dass er Brodie schon wieder wollte. Unbedingt. Sofort. Noch heute Nacht.

Nun mach schon, Quinn!

„Und nun kommen wir zu einer der interessanteren Spenden“, verkündete Quinn. Kade richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Bühne. „Ms. Brodie Stewart, eine der besten Partnervermittlerinnen der Stadt, stellt ihre Dienste zur Verfügung. Wenn Sie ein Mann auf der Suche nach einer festen Freundin sind, kann Brodie eine für Sie finden.“ Quinn sah die Mavericks an, die an den hinteren Tischen saßen. „Mir fallen ein, zwei Jungs aus meiner Mannschaft ein, die unbedingt mitbieten sollten.“

„Ich biete gern auf ein Date mit Ms. Stewart!“, rief irgendwer.

Kade sah Brodies Foto im Programmheft an und konnte es dem Mann nicht verdenken. Sie war wunderschön …

Aber im Moment gehörte sie ihm.

„Sie ist viel zu klug, mit dir auszugehen, Higgins“, ermahnte Quinn ihn. „Nein – hier geht es um eine Partnervermittlung für Männer, die ihre Traumfrau suchen. Wer bietet hundert Dollar?“

Sofort hoben mehrere Leute die Hand, und Kade beobachtete erstaunt, wie erst tausend, dann zweitausend Dollar geboten wurden. Dann mischte sich plötzlich Rory ein: „Dreitausend Dollar.“

Quinn wirbelte herum. „Für wen bietest du denn, Rory?“, fragte er stirnrunzelnd.

Kade lehnte sich grinsend zurück. Was für ein Spaß! Rory machte Quinn schon lange Vorwürfe, weil er seine Partnerinnen so oft wie seine Hobbys wechselte – Fallschirmspringen, Rafting, schnelle Motorräder … Sie wollte ihn unbedingt dazu bringen, eine Familie zu gründen.

Das würde ihr nie gelingen. Quinn war ein noch eingefleischterer Junggeselle als Kade. Ein Glück, dass sie es auf Quinn und nicht auf ihn abgesehen hatte …

Rorys Lächeln war geradezu diabolisch. „Nimmst du mein Gebot an oder nicht?“

Quinn hob zwei Finger, richtete sie auf seine Augen und zeigte dann in ihre Richtung. „Ich habe dich im Blick, McCaskill! Pass bloß auf, dass deine Frau sich benimmt.“

„Klar doch.“ Mac lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

„Drei-fünf“, brachte eine Stimme von hinten die Auktion wieder in Gang.

„Drei-sieben“, konterte Rory.

„Drei-acht“, verkündete Wren ruhig. Sie steigerte für die anonymen Bieter.

„Vier.“ Rory reckte die Hand in die Luft.

Wow, nicht schlecht.

Die Gebote stiegen weiter, und Rory ging bei jedem mit. Je höher der Preis wurde, desto mehr verdüsterte sich Quinns Miene. Kade war sich sicher, dass Rory Brodies Dienste ersteigerte, um eine Frau für Quinn zu finden, die es länger als eine Millisekunde mit ihm aushielt. Sie spielte mit dem Feuer, aber er konnte ihren Mumm nur bewundern.

„Rory“, sagte Quinn warnend, als ihr Gebot fünftausend Dollar überstieg.

„Quinn“, antwortete Rory und legte noch hundert Dollar drauf.

„Du kannst nicht gegen dich selbst bieten“, blaffte Quinn.

„Doch.“ Rory strahlte. „Das wird so ein Spaß, Quinn! Auch für dich. Also sei so lieb, erteil mir den Zuschlag und sag mir, dass ich gewonnen habe.“

Quinn sah Mac an. „Treibt sie dich nicht in den Wahnsinn?“

Mac küsste Rory auf die Schläfe und lächelte. „Doch, ständig.“

Quinn erteilte ihr den Zuschlag und zeigte dann mit dem Hammer auf sie. „Ich nehme die Partnervermittlung nicht in Anspruch, Rory. Du kannst mich nicht erpressen.“

Rory legte die Hand aufs Herz. „Wo denkst du denn hin, Quinn? Ich würde es nie wagen, dich so in die Falle zu locken.“ Kade und die anderen Gäste beugten sich neugierig vor. „Du sagst doch ständig, dass du für eine Beziehung noch nicht bereit bist, und das respektiere ich. Wirklich. Warte einfach ab, bis du dran bist.“

Wenn sie nicht für Quinn geboten hatte, für wen dann?

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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<p>Jules Bennett, die ihren Jugendfreund geheiratet hat, ist Mutter von zwei Mädchen – und, natürlich, Autorin. Voller Tatkraft managt sie ihr Leben. Wenn sie sich erst einmal ein Ziel gesetzt hat, hält nichts sie davon ab, es zu erreichen. Davon kann ihr Mann ein Lied singen. Jules Bennet lebt im...
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