Baccara Exklusiv Band 231

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DIE SCHAUSPIELERIN UND DER MILLIONÄR von ANNA DEPALO
Eine Scheinbeziehung, um die Presse von der Spielsucht ihres Vaters abzulenken? Schauspielerin Chiara stimmt zu. Der Stuntman Rick Serenghetti soll ihren Freund spielen – mehr nicht! Trotzdem sprühen die Funken zwischen ihnen – aber kann sie seinen Schwüren trauen? Er hat sie schon einmal belogen …

DIE BLAUEN STERNE VON KASCHMIR von JOSS WOOD
Piper will Jaeger Ballantyne nach der heißen Liebesnacht vor achtzehn Monaten vergessen. Doch als sie zehn wertvolle Saphire an das renommierte Juwelenimperium Ballantyne verkaufen muss, gibt es ein Wiedersehen. Schockiert stellt sie fest, dass ihr Ex-Lover sie nicht einmal erkennt …

DIR KANN ICH NIEMALS WIDERSTEHEN von SARA ORWIG
Früher war Erin in Cade Callahan verliebt – jetzt braucht er ihre Hilfe. Sie soll als Nanny seine kleine Nichte betreuen, die bei ihm auf der Ranch lebt. Nach sinnlichen Stunden voller Leidenschaft wird ihr klar: Sie liebt Cade noch immer. Doch ist sie für ihn mehr als nur ein Abenteuer?


  • Erscheinungstag 06.04.2023
  • Bandnummer 231
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516464
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Anna DePalo, Joss Wood, Sara Orwig

BACCARA EXKLUSIV BAND 231

1. KAPITEL

„Die Schöne und der Stuntman! Hinter den Filmkulissen knistert es gewaltig!“

Die Schlagzeile der Klatsch-Internetseite ging Chiara Feran nicht aus dem Kopf. Dabei brauchte sie gerade jetzt ihre ganze Konzentration.

Sie klammerte sich an die muskulösen Schultern des Stuntmans, während er sich an einem Helikopter festhielt und die Windmaschinen ihnen Luft ins Gesicht bliesen. Todesangst lag in ihrem Blick. Gespielte Todesangst natürlich; es handelte sich ja nur um Dreharbeiten.

Der Klatsch, dass sie und der Stuntman etwas miteinander hätten, kam ihr sehr gelegen. Er lenkte von anderen bösen Gerüchten ab – Gerüchten um ihren Vater, zu dem sie schon lange keinen Kontakt mehr hatte. Gerüchten, wonach er nicht nur spielsüchtig war, sondern obendrein ein Falschspieler.

Sie warf den Kopf zur Seite, um eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu bekommen. Ihr Stuntman hieß Rick, das wusste sie von den Proben. Wenn sie ehrlich war, mochte sie ihn überhaupt nicht. Er schien sie für eine mimosenhafte Diva zu halten, die man mit Samthandschuhen anfassen musste.

Bei den Proben hatte er ein paar hämische Kommentare in dieser Richtung abgelassen, die sie ihm übelnahm. Sie war überhaupt keine verwöhnte Prinzessin und fand es unverschämt, dass er ihr das unterstellte, obwohl er sie gar nicht kannte. Welche Ironie, dass das Klatschportal ihr ausgerechnet eine Affäre mit diesem unangenehmen Typen angedichtet hatte!

Andererseits musste sie zugeben, dass er eine enorme Anziehungskraft besaß. Ein gut aussehender, durchtrainierter Mann, keine Frage! Und er hatte das Charisma eines Filmstars, das sich viele Möchtegern-Schauspieler wünschten, aber nie erlangen würden. Man hatte es einfach – oder eben nicht. Er hatte es, und sie fragte sich, warum er sich dennoch mit seiner Stuntman-Tätigkeit zufriedengab. Andererseits war er auch so schon eingebildet genug. Wäre er noch mehr von sich selbst überzeugt gewesen, wäre er wahrscheinlich geplatzt. Außerdem gab es Gerüchte, dass er nicht der war, der er zu sein vorgab, und eine geheimnisvolle Vergangenheit hatte.

Es wurde zum Beispiel gemunkelt, dass er in Wahrheit unglaublich reich wäre und die Arbeit überhaupt nicht nötig hätte. Aber bei seinem großen Ego würde es sie nicht wundern, wenn er diese Gerüchte selbst in die Welt gesetzt hätte. Auf jeden Fall war er ein Macho, und Machos konnte Chiara nicht leiden. Sie hatte ihre Erfahrungen mit Männern gemacht und daraus gelernt. Sie würde sich von keinem Mann abhängig machen!

Der Regisseur gab ihr ein Zeichen, und sie spulte ihren Text ab. „Um Himmels willen, wir werden beide sterben!“

„Schön festhalten!“, knurrte er. „Dann wird alles gut.“

Er klang überzeugend, aber eigentlich war das egal. In der Nachbearbeitung würde er nachsynchronisiert werden von dem Schauspieler, für den er die Stunts machte.

Ich bin froh, wenn die Szene abgedreht ist, schoss es ihr durch den Kopf. Natürlich, Rick und sie waren durch unsichtbare Seile abgesichert, aber trotzdem konnten bei Dreharbeiten Unfälle passieren. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Eine Explosion ertönte, und sie zuckte zusammen, wie es das Drehbuch verlangte.

„Cut!“, rief der Regisseur. „Die Szene ist im Kasten. Das hast du sehr gut gemacht, Chiara.“

Sie atmete auf. Sie klammerte sich an Rick, und er hielt sie fest, während sie beide an den Seilen zu Boden gelassen wurden.

Der Drehtag war mal wieder ganz schön lang gewesen. Zwölf Stunden. In letzter Zeit hatte eine grundlegende Ausgelaugtheit von ihr Besitz ergriffen. Ein Gefühl des Überdrusses, als wäre eigentlich alles egal. Nur gut, dass der Film bald abgedreht sein würde.

Actionfilme langweilten sie, aber sie brachten gutes Geld ein. Außerdem bescherte diese Art von Filmen die meiste Publicity, wie ihre Agentin Odele immer wieder betonte. Und ein hoher Bekanntheitsgrad war wichtig, weil man durch ihn an lukrative Werbeaufträge kam. Also hatte sie den Vertrag für den Film „Pegasus Pride“ unterschrieben. In dem Streifen ging es darum, dass Anschläge auf mehrere Regierungsgebäude verhindert werden mussten. Gähn!

Kaum stand sie wieder auf sicherem Boden, löste sie sich von Rick und trat einen Schritt zurück.

Sein dunkles Haar war zerzaust, seine Kleidung verschmutzt und zerrissen. Er sah aus wie ein richtiger Actionheld. Und es schien nicht nur Maskerade zu sein. Irgendwie hatte Chiara den Eindruck, als ob er auch im wahren Leben in jeder Beziehung seinen Mann stünde.

Ja, er machte schon etwas her, das konnte sie nicht leugnen. Aber das waren nur Äußerlichkeiten. Seine Art und sein Verhalten gefielen ihr überhaupt nicht. Er war arrogant und nervig. Und trauen konnte man ihm sicher auch nicht, wie ohnehin kaum einem Mann.

Nein, sie würde sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Wer war er denn schon? Ein kleiner Stuntman. Sie hatte bestimmt zwanzigmal so viel Geld auf dem Konto wie er.

„Alles in Ordnung?“, fragte Rick. Seine Stimme war dunkel und wohlklingend.

„Warum sollte nicht alles in Ordnung sein?“, gab sie gereizt zurück. „Es war ein ganz normaler Arbeitstag. Ein bisschen anstrengender als sonst vielleicht, aber nichts Besonderes.“

„Etwas ist heute doch anders“, erwiderte er ernst.

„Wie bitte?“

„Hat Ihre Agentin Ihnen noch gar nichts gesagt?“ Er warf einen Blick zu Chiaras Wohnwagen hinüber.

„Was gesagt? Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.“

„Na, dann schauen Sie mal hier.“ Er holte sein Handy hervor und zeigte ihr das Display.

Die Schlagzeile eines Newsportals war zu sehen. „Chiara Feran und ihr Stuntman: Die Gerüchteküche kocht über! Wie lange wollen sie ihre Affäre noch geheim halten?“

Aha, jetzt hatte also die nächste Klatschseite das Gerücht aufgegriffen, und weitere würden folgen. Rick wusste jetzt offenbar auch davon. Vielleicht hätte sie dem Gerücht von Anfang an energisch entgegentreten sollen. Aber sie war so froh gewesen, dass diese Schlagzeile von dem wirklich brisanten Thema – ihrem Vater – abgelenkt hatte …

Sie bemerkte, dass Rick sie unverschämt selbstsicher angrinste. „Danke für den Hinweis. Ich werde gleich mit Odele darüber sprechen.“

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, was sie als unangemessen intime Geste empfand. „Wenn Sie mich wollen“, sagte er lächelnd, „brauchen Sie dafür doch keine Gerüchte zu streuen. Fragen Sie mich einfach direkt.“

„Eingebildet sind Sie wohl gar nicht, wie?“, zischte Chiara wütend. „Ich kann es Ihnen ganz direkt sagen: Ich habe keinerlei Interesse an Ihnen!“

Er lächelte. „Sie können mir ja Bescheid geben, wenn sich das ändert.“

Wutschnaubend wandte sie sich um und ging. Schnell war sie in ihrem Wohnwagen verschwunden.

Drinnen wartete schon Odele auf sie. Die erfahrene Agentin mit den ergrauten Haaren lächelte sie an.

Chiara fasste sich an den Kopf. „Ich habe immer noch Kopfschmerzen. Dabei habe ich schon vor über einer Stunde zwei Tabletten genommen.“

„Gegen Männerprobleme ist die Schmerzmittelindustrie immer noch machtlos“, kommentierte Odele mit ihrer rauchigen Stimme.

Chiara berichtete ihr von den Schlagzeilen und von Ricks Reaktion. „Dieser eingebildete Kerl glaubt doch tatsächlich, er wäre Gottes Geschenk an die Schauspielerinnenwelt!“

„Du brauchst einen festen Freund“, erwiderte Odele nur.

„Wie bitte?“

Ihrer eigenen Ansicht nach brauchte Chiara gar nichts. Sie hatte schon alles. Sie galt als Trendsetterin. Sie wurde von Modefirmen dafür bezahlt, bei öffentlichen Veranstaltungen eine bestimmte Handtasche oder bestimmte Schuhe zu tragen. Am Set wurde sie verwöhnt. Ihr Bankkonto war gut gefüllt. Sie vermisste nichts, erst recht keinen Freund.

Es stimmte, dass sie lange kein Date mehr gehabt hatte. Doch sie wusste, dass sie jederzeit eines hätte haben können. Sie wollte einfach nicht. Männer machten nur Ärger. Sie verkomplizierten das Leben ungemein.

„Wir müssen einen festen Freund für dich an Land ziehen“, sagte Odele.

„Was ist denn in dich gefahren? Ich will keinen festen Freund. Ich bin mit meinem Leben zufrieden, so, wie es ist.“

„Vergiss nicht: Du bist der Liebling der Nation“, sagte die Agentin. „Alle wollen dich glücklich sehen.“

„Du meinst, sie wollen sehen, wie ich allmählich auf eine Ehe und auf Kinder zusteuere.“

Odele nickte.

„Im Leben läuft es aber nicht immer so.“

Odele seufzte. „Was zählt in der Filmbranche schon das wahre Leben? Wir sind in Hollywood, da geht es um Illusionen, um Träume.“

Chiara sah sie gereizt an.

„Du weißt, wie wichtig ein positives Image ist“, fuhr Odele fort. „Deines würde durch einen neuen Freund mächtig aufpoliert werden.“

„Und wo soll ich so einen Freund herzaubern?“

Odele schnippte mit den Fingern. „Ich wüsste schon einen.“

„Wer soll das sein?“

„Ein Stuntman. Du kennst ihn sogar schon.“

Chiara blickte sie mit großen Augen an. „Jetzt wird mir so einiges klar. Du hast die Gerüchte über Rick und mich in die Welt gesetzt!“

Die Agentin nickte und lächelte zufrieden. „Das hast du sehr gut erkannt. Ich musste handeln, und zwar schnell. Wir brauchten ein Ablenkungsmanöver, damit sich die Presse nicht auf die Geschichte über deinen Vater stürzt.“

Chiara stemmte die Hände in die Hüften. „Wie konntest du nur? Ausgerechnet dieses Ekelpaket!“

Doch Odele blieb ruhig.

„Was hält er denn von deinem Plan?“

„Er ist nicht abgeneigt.“

Das erklärte Ricks Verhalten von eben. Odele hatte ihn bereits gefragt, ob der Chiaras Freund spielen würde. „Aber er ist überhaupt nicht mein Typ!“

„Er sieht gut aus, die Frauen stehen auf ihn. Er macht sich bestimmt gut neben dir auf dem roten Teppich.“

„Aber ich kann ihn nicht ausstehen!“

„Ihr gebt ein schönes Paar ab. Was willst du mehr?“

Chiara seufzte tief. Es war eine Sache, eine Story nicht zu dementieren. Aber selbst ein Gerücht in die Welt zu setzen …

„Das gefällt mir nicht. Du willst wirklich, dass ich mir für die Presse einen falschen Freund zulege?“

„Das ist doch gar nichts. Deine Konkurrentinnen machen noch ganz andere Sachen. Die lassen private Sexvideos von sich an die Öffentlichkeit dringen und tun dann ganz entsetzt …“

„Die wollen nur die Publicity. Aber ich will einen Oscar.“

„Du brichst dir doch keinen Zacken aus der Krone, wenn du ein paarmal mit ihm ausgehst. Das ist, als ob ein Freund euch ein Date vermittelt hätte …“

„Mit dem Unterschied, dass es pure Berechnung meiner Agentin ist.“

„Berechnung ist so ein böses Wort. Manche Dinge muss man einfach ein bisschen steuern.“

„Findest du wirklich, dass ich das nötig habe? Einige meiner Konkurrentinnen haben ihre Partner betrogen, sind betrunken Auto gefahren, waren in Sorgerechtsstreitigkeiten verwickelt – und stehen trotzdem ganz oben in der Gunst des Publikums.“

„Ja, aber nur, weil ihre Agenten oder PR-Berater sofort geschickt gegengesteuert haben. Glaub mir, so etwas ist nicht einfach und klappt auch nicht immer. Also, mach diese Sache mit dem Stuntman, und alles wird gut.“

„Ich will aber nicht!“ Vor allem diesen Rick wollte sie nicht. Sie verstand überhaupt nicht, warum er als Stuntman einen eigenen Wohnwagen am Set bekommen hatte. Der war sonst den Hauptdarstellern vorbehalten. Und sogar den Fitness-Wagen benutzte er, ebenfalls ungewöhnlich für einen Niemand …

Odele zog ihr Handy hervor und zeigte ihr eine Schlagzeile vom Vortag: „Chiara Ferans Vater in illegalen Wettskandal verwickelt. Der Beschuldigte klagt: Meine Tochter will nichts von mir wissen!“

Chiara seufzte. „Ja, ja, ich weiß, diese Schlagzeile muss von etwas Positivem verdrängt werden. Die ganze Sache ist total ungerecht. Natürlich will ich seit zwanzig Jahren nichts von ihm wissen. Er ist ein Lügner und Betrüger. Und plötzlich bin ich nicht nur für mein eigenes Image verantwortlich, sondern auch noch für die Taten und Untaten meines Erzeugers?“

„Erzeuger“ – das war die einzig richtige Bezeichnung für Michael Feran. Was man gemeinhin mit dem Wort „Vater“ verband, traf auf ihn nicht zu. Nicht mal sein Nachname war echt. Er war auf Ellis Island geändert worden, als seine Vorfahren vor drei Generationen eingewandert waren. Vom italienischen „Ferano“ zum amerikanischer klingenden „Feran“.

„Wir brauchen jetzt unbedingt gute Neuigkeiten über dich“, beharrte Odele. „Und deshalb brauchst du einen Freund.“

„Oh, mein verdammter Erzeuger! Alles nur seinetwegen! Ich könnte ihn erwürgen!“

Verstohlen schaute Rick Serenghetti auf dem Studiogelände zu, wie Chiara Feran ihre nächste Szene drehte. Er konnte es nicht leugnen – sie war eine überaus attraktive Frau. Ein fantastischer, kurvenreicher Körper, ein wunderschönes Gesicht. Und Talent hatte sie obendrein. Noch hatte sie keinen Oscar bekommen, aber die Presse schrieb gern und viel über sie. Und das, obwohl sie – für Hollywood ungewöhnlich – ein absolut skandalfreies Leben führte. Abgesehen von den Geschichten über ihren Vater, den notorischen Glücksspieler.

Eigentlich schade, dass sie nicht besonders gut miteinander auskamen. Sie benahm sich ihm gegenüber ziemlich ruppig; offenbar mochte sie seine Art nicht. Dabei hätte er sich gut etwas mit ihr vorstellen können, zumindest auf körperlicher Ebene …

„Rick, ich müsste mal mit Ihnen sprechen!“

Die Frau, die ihn angesprochen hatte, war Odele Wittnauer, Chiaras Agentin. Sie mochte um die sechzig sein, und als eine der wenigen Frauen in Hollywood versuchte sie nicht, ihr Alter zu kaschieren. Das machte sie ihm sympathisch.

Rick lächelte sie freundlich an. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich wollte Ihnen etwas vorschlagen. Es geht um eine Beziehung, also eine feste Beziehung …“

Er grinste. „Odele, Sie gehen ja ganz schön ran.“

„Um Himmels willen, doch keine Beziehung mit mir! Eine Liebesbeziehung mit Chiara Feran.“

Rick rieb sich nachdenklich das Kinn. Das kam überraschend. Doch dann ging ihm ein Licht auf. „Diese Gerüchte über Chiara und mich – die haben Sie gestreut, stimmt’s?“

„Gut erkannt“, antwortete Odele und lächelte. Es schien ihr überhaupt nicht peinlich zu sein. „Ich musste den Pressehaien Futter geben. Und sie vor allem von einer anderen Story ablenken – über Chiaras Vater.“

„Den Glücksspieler.“

„Den charakterlosen Versager.“

„Sie sind ganz schön hart“, stellte Rick fest.

„Chiara und Sie würden wunderbar zusammenpassen“, fuhr Odele ungerührt fort. „Sie beide sind ein schönes Paar, ein Traumpaar.“

Natürlich, Chiara gefiel ihm, andererseits ließ er sich nicht gern für irgendwelche eigennützigen Zwecke anderer Leute einspannen. „Schön, dass Sie das so sehen“, sagte er diplomatisch. „Aber wenn ich da mitspiele, gerate ich ins Kreuzfeuer der Presse. Und bei den Journalisten ist man schneller unten durch, als man denken kann.“

„Sie würden sehr schnell bekannt werden. Richtig berühmt.“

„Sorry, ich mag’s lieber diskret. Diese Art von Ruhm wäre mir nur lästig.“

„Ich … würde Sie sehr gut bezahlen.“

„Ich brauche das Geld nicht.“

Odele sah ihn enttäuscht an. Doch noch hatte sie ihr Pulver nicht verschossen. „Dann muss ich wohl an Ihre Ritterlichkeit appellieren. An Ihre Ritterlichkeit als starker Mann, als Beschützer …“

„Was soll denn das jetzt heißen?“

Sie sah ihm tief in die Augen. „Sehen Sie, Chiara hat da nämlich noch ein Problem. Einen Fan, der ein bisschen zu besessen von ihr ist …“

„Sie meinen einen Stalker?“

„Ich fürchte, darauf läuft es hinaus, obwohl es vielleicht noch zu früh wäre, ihn jetzt schon so zu bezeichnen. Auf jeden Fall hat er schon mal versucht, über den Zaun zu ihrem Haus zu klettern.“

„Er weiß, wo sie wohnt?“

„Wir leben im Internet-Zeitalter, mein Bester. So etwas wie Privatsphäre gibt es kaum noch.“

Rick hatte noch ein bisschen davon und wollte sie sich auch bewahren. Die Leute brauchten nicht alles über ihn zu wissen.

„Aber bitte erwähnen Sie diesen übereifrigen Fan in Chiaras Beisein nicht. Sie redet nicht gerne darüber.“

Rick musterte Odele misstrauisch. „Weiß sie, dass Sie mir diesen Vorschlag machen?“

„Sie glaubt, ich hätte es gestern schon getan.“

Das hieß, sie musste mit Odeles Plan einverstanden sein, obwohl sie ihm zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihn nicht mochte. Aber so waren sie eben, diese Filmschauspielerinnen. Der Zweck heiligte die Mittel. Leider hatte er schon einmal schlechte Erfahrungen mit einer Schauspielerin gemacht. Ihr war es nur um die Publicity gegangen, und er war am Ende der Dumme gewesen.

„Ich sehe schon, Sie müssen über meinen Vorschlag noch einmal nachdenken“, sagte die Agentin. „Geben Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie es sich überlegt haben.“

Sie wandte sich um und ging. Er blickte ihr stirnrunzelnd nach. Die Sache war kompliziert. Komplizierter, als Odele und Chiara ahnten. Denn Rick war kein einfacher Stuntman. Hinter den Kulissen hatte er noch mehr mit dem Film zu tun, in dem Chiara die weibliche Hauptrolle spielte: Er war einer der Produzenten.

In diesem Moment klingelte sein Handy. Auf dem Display erschien der Name seines Geschäftspartners Pete. „Hallo, Pete, was gibt’s?“

Pete hatte am Vormittag eine Besprechung mit dem Regisseur eines geplanten Independentfilms gehabt und schilderte ihm nun seine Eindrücke.

„Das hört sich gut an, Pete. Das Thema ist interessant, und die Herangehensweise des Mannes gefällt mir. Aber ich brauche mehr Details. Am besten, er mailt mir mal das Drehbuch. Wenn es mir gefällt, würde ich mich mit bis zu fünf Millionen an den Kosten beteiligen.“

In Ricks Welt waren fünf Millionen Dollar nicht besonders viel Geld.

„Du bist der Boss“, sagte Pete.

Ja, Rick war der Boss. Doch niemand hier im Studio wusste, dass er der Produzent des Films „Pegasus Pride“ war. Und wenn es nach ihm ging, sollte es auch so bleiben.

In der Ferne sah er Chiara, die gerade ihre Szene abgedreht hatte. Er musste schmunzeln, als er daran dachte, wie sie ihn bisher behandelt hatte. Eher wie einen Komparsen – jedenfalls nicht wie den Mann, der für ihren Film mitverantwortlich war.

Bisher waren die Dreharbeiten gut verlaufen, aber er war lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass sich das in jeder Minute ändern konnte. Und im Moment schien Chiara der größte Risikofaktor zu sein.

2. KAPITEL

„Hey, hallo, bleiben Sie mal stehen!“

Die Anrede war für Chiaras Geschmack etwas zu burschikos. Aber was konnte man von so einem ruppigen, verschwitzten Stuntman schon erwarten?

Komisch, dass ihr Herz dennoch höherschlug!

Manchmal fühlte man sich eben zu seinem kompletten Gegenteil hingezogen. Sie: Eine ehemalige Schönheitskönigin mit klassischer Theater-Schauspielausbildung, die der Ruf nach Hollywood ereilt hatte. Er: Vermutlich aus einfachsten Verhältnissen, auf der Straße großgeworden, ein Mann voller Körperlichkeit. Knochenbrüche, Narben.

Sie wandte sich zu ihm um. Niemand war in der Nähe. Sie standen nah bei den Wohnwagen der Schauspieler, etliche Meter entfernt von dem Platz, wo gerade gedreht wurde. Nach dem Gespräch mit Odele war sie ihm aus dem Weg gegangen, zwei Tage lang. Doch jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen.

„Sie brauchen also einen festen Freund“, sagte er ohne große Vorrede.

Das Lächeln, das seine Lippen umspielte, kam ihr mehr als unverschämt vor. „Ich brauche überhaupt nichts“, erwiderte sie gereizt. „Es geht nur um eine, sagen wir, geschäftliche Vereinbarung, die uns beiden Vorteile bringen würde.“

„Das haben Sie schön ausgedrückt. Aber im Klartext: Sie brauchen mich.“

So, wie er es sagte, hatte es obendrein noch sexuelle Untertöne. Als würde sie ihn begehren. Unglaublich!

Er lächelte. „Man hat mich im Laufe der Zeit ja schon um so einiges gebeten, aber noch nie darum den Gigolo zu spielen.“

„Lassen Sie sich das bloß nicht zu Kopf steigen.“

„Keine Sorge, ich bin ja Profi. Davon abgesehen würden Sie in mein Beuteschema passen. Diese langen schwarzen Haare …“

„Das heißt, Sie machen mit? Sie sind mit Odeles Vorschlag einverstanden?“

„Moment, Moment, so weit sind wir noch lange nicht. Wir müssen ja erst mal schauen, ob wir überhaupt miteinander harmonieren. Und dafür … müssen wir uns küssen.“

„Sind Sie verrückt geworden?“

„Nein. Auch wenn wir das Ganze nur spielen – auf die Öffentlichkeit und die Paparazzi müssen wir überzeugend wirken.“ Er strich ihr übers Haar. „Ihr schwarzes Haar gefällt mir. Es gefällt mir wirklich sehr.“

„Ich wette, das sagen Sie zu allen Frauen.“

„Nicht zu denen, die blond sind.“

Im nächsten Moment küsste er sie. Nicht fordernd, sondern überraschend sanft. Dann spürte sie seine Zunge in ihrem Mund.

Chiara war schon öfter geküsst worden – bei Filmdrehs und privat –, aber dieser Kuss nahm sie sofort gefangen. Er war wirklich gut, gefühlvoll, zärtlich …

Pass gefälligst auf! Denk dran, du magst diesen Typen überhaupt nicht!

Schnell zog sie sich von Rick zurück. „Das reicht“, zischte sie. „Die Probeaufnahmen sind beendet!“

„Und? Wie war ich?“

„Ich weiß noch nicht mal Ihren Nachnamen“, antwortete sie ausweichend.

„Ach, du darfst mich nennen, wie du willst. ‚Schatz‘, ‚Liebling‘, ‚Süßer‘ – ich bin nicht besonders wählerisch.“

„Das glaube ich dir aufs Wort. Trotzdem bräuchte ich den Nachnamen. Für den Fall, dass ich dich mal aus irgendwelchen Gründen bei der Polizei zur Fahndung ausschreiben lassen muss.“

Er lächelte. „Na schön, mein Name ist Rick Serenghetti. Aber wenn wir in der Öffentlichkeit auftreten, sag lieber ‚Schätzchen‘ oder so was zu mir. Mein Nachname darf ruhig aus dem Spiel bleiben.“

„Serenghetti? Das klingt italienisch. Mein Nachname stammt ursprünglich auch aus dem Italienischen. Ferano.“

„Für eine nordische Schönheit hätte ich dich auch nicht gehalten. Ich meine, für eine Schönheit schon, aber nicht nordisch. Man sieht dir die südeuropäische Abstammung an.“

„Deshalb hat man mir also nie die Rolle der Wikingerprinzessin angeboten.“

Er lachte. „Man kann eben nicht allen Rollen gerecht werden. Ich bin ja auch kein Prinz – ich spiele höchstens sein Double. Für die Nacktaufnahmen.“

Chiara verzog den Mund. „Irgendwie habe ich den Eindruck, das Ganze wird nicht klappen.“

„Du bist doch Schauspielerin, du kriegst das schon hin. Odele hat erwähnt, dass du auch schon mal Schönheitswettbewerbe gewonnen hast.“

„Na ja, ich war ein Mal Miss Rhode Island.“

„Der kleinste der fünfzig Bundesstaaten, da ist die Konkurrenz ja nicht so groß. Trotzdem eine Leistung. Glückwunsch!“

„Machst du dich über mich lustig?“

Er setzte eine ernste Miene auf. „Das würde ich nie wagen. Ich mache mich doch nicht über eine Frau lustig, die ich ins Bett kriegen will.“

„Bist du immer so direkt? Ich dachte, du magst mich nicht mal.“

„Seit wann muss ich dich mögen, um dich ins Bett zu kriegen?“

„Langsam reichen mir diese Unverschämtheiten.“ Sie waren in Hollywood, deshalb war Chiara jede Art von dummer Anmache gewohnt. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie sich so etwas gefallen ließ. „Ich habe das Gefühl, Odele wird mich doch nicht davon überzeugen können, ihrem Plan zuzustimmen.“

Rick zog eine Augenbraue hoch. „Soll das heißen, du hast noch gar nicht zugestimmt?“

„Keineswegs. Sie mag dich ja überzeugt haben – aber mich noch lange nicht.“

Erstaunt sah er sie an. „Ich habe mich nur bereit erklärt mitzumachen, weil ich dachte, du hättest schon Ja gesagt.“

„Nicht zu fassen! Und ich dachte, du hättest schon Ja gesagt. Das heißt, Odele hat uns beide manipuliert.“ Das erklärte auch, warum Rick es gewagt hatte, sie einfach so zu küssen. Er hatte geglaubt, sie wäre mit dem Plan einverstanden. „Und was machen wir jetzt?“

Er zuckte mit den Schultern. „Die Medien haben es sowieso auf uns abgesehen. Und wir streiten uns schon wie ein altes Ehepaar. Das heißt, wir sind die perfekte Besetzung. Vielleicht sollten wir es einfach durchziehen.“

Chiara sah ihn mit großen Augen an. „Du würdest es also wirklich tun? Aber wir sollen doch wie frisch Verliebte wirken, nicht wie ein altes streitsüchtiges Ehepaar.“

„Ein paar kleine Streitereien machen die Beziehung doch nur glaubwürdiger.“

„So, als ob wir die Schmetterlinge im Bauch schon hinter uns hätten?“, fragte sie. „Übrigens … welche Vorteile ziehst du überhaupt aus der ganzen Geschichte?“

„Ein bisschen Spaß“, antwortete er lächelnd. „Und vielleicht komme ich der falschen Wikingerprinzessin dabei ja näher.“

„Ach, richtig.“ Irgendwie erregte Chiara dieser Gedanke. „Das war ja dein Plan. Aber freu dich nicht zu früh!“

„Also, spielen wir Odeles Spielchen mit?“

„Mal ganz ehrlich: Wenn mir jemand diese Geschichte als Drehbuch angeboten hätte – ich hätte es sofort in den Papierkorb geworfen.“

Wütend stürmte Chiara in ihren Wohnwagen. „Ich kann nicht so tun, als wäre ich mit Rick Serenghetti zusammen. Das klappt einfach nicht!“

Odele blickte von ihrem Hochglanzmagazin auf. „Warum nicht? Was stimmt denn nicht mit ihm?“

Sie mochte seine Art nicht, und dennoch hatte sein Kuss sie mehr berührt, als sie zugeben wollte. Aber das würde sie ihrer Agentin nicht auf die Nase binden. Stattdessen sagte sie: „Es geht darum, der Öffentlichkeit etwas vorzuspielen. Das mag ich nicht.“

„Schätzchen, du bist Schauspielerin.“

„Ja, wenn ich einen Film drehe. Aber nicht im Privatleben. Du weißt, wie viel Wert ich auf Ehrlichkeit und Integrität lege.“

„Da bist du in Hollywood mit Sicherheit falsch.“

Chiara stemmte die Hände in die Hüften. „Außerdem hast du uns ausgetrickst. Du hast sowohl bei Rick als auch bei mir den Eindruck erweckt, der jeweils andere hätte deinem Plan schon zugestimmt.“

Odele zuckte mit den Schultern. „Ich hatte das Gefühl, du wärst der Idee gar nicht so abgeneigt.“

„Nein, nein, nein. Ich mache da nicht mit!“

„Na schön, ganz wie du willst“, lenkte Odele überraschend ein. Sie legte ihre Zeitschrift beiseite. „Dann müssen wir andere Maßnahmen ergreifen, um die Presse von deinem Vater abzulenken und deiner Karriere einen Schub zu geben.“

„Hört sich an, als hättest du schon eine Idee.“

„Habe ich. Könntest du, sagen wir, zwanzig Pfund zunehmen?“

Chiara seufzte. Das war ja fast so schlimm, wie die Freundin von Rick Serenghetti zu spielen! „Ungern. Warum?“

Vor zwei Jahren hatte sie schon einmal fünfzehn Pfund zugenommen, um die Hauptrolle in dem Film „Alibis und Lügen“ zu spielen. Dort hatte sie eine Wirtschaftsverbrecherin dargestellt, die nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis Zeugin eines Mordes wird und glaubt, dass ihr Ehemann ihr die Tat anhängen will. Um das Gewicht zu erreichen, hatte Chiara ihrer Liebe zu Pasta, kalorienreiche Saucen und Kuchen freien Lauf gelassen. Allerdings hatte es sie nach Abschluss der Dreharbeiten Monate mit einem Fitnesstrainer gekostet, das Übergewicht wieder loszuwerden. In dieser Zeit hatte sie sich nur selten – und wenn, dann in Verkleidung – nach draußen gewagt, um nicht von einem Paparazzo so „abgeschossen“ zu werden. Und am Ende hatten die Strapazen und Unannehmlichkeiten sich kaum gelohnt, denn sie war weder für einen Oscar noch für einen Golden Globe nominiert worden.

„Als ich mir das letzte Mal Übergewicht angefuttert habe, hat es mir eher geschadet. Manche fanden mich für die Rolle immer noch zu dünn, andere zu dick. Recht machen konnte ich es keinem. Was für eine Rolle wäre es denn diesmal?“

„Keine Filmrolle“, antwortete Odele. „Es geht um einen Werbevertrag. Und zwar für ein Diätprogramm.“

„Aber ich bin doch überhaupt nicht übergewichtig.“

Ihre Agentin lächelte. „Du könntest es ja werden.“

Chiara verzog den Mund. „Manchmal bist du ganz schön skrupellos.“

„Das gehört zum Beruf. Die Firma Slender You sucht ein neues Werbegesicht. Dazu gehören Werbespots und öffentliche Auftritte. Es geht da um Millionen. Wenn du den Vertrag bekommst, steigt dein Marktwert, dein Bekanntheitsgrad wird noch größer, und es wird Folgeaufträge geben.“

„Nein danke, abgelehnt.“ Marktwert und Bekanntheitsgrad – an etwas anderes schien Odele nicht zu denken. „Was kommt als Nächstes? Willst du mich für eine von diesen Reality-Shows vorschlagen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nur etwas für abgehalfterte B-Promis, die seit Jahren keine Hauptrolle mehr hatten. Dafür bist du viel zu weit oben, Schätzchen.“

„Danke. Das hört man gern.“

„Wie wär’s, wenn du ein Buch schreibst?“

„Ein Buch? Aber … worüber denn?“

„Ach, ist doch egal. Darüber soll sich dein Ghostwriter den Kopf zerbrechen.“

„Wenn ich einen Ghostwriter habe, schreibe ich das Buch ja nicht selbst. Nein, da mache ich nicht mit.“

„Du bist einfach zu gut für diese Welt“, seufzte Odele. „Zu ehrlich.“

Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. „Wie wäre es mit einem Parfüm?“

„Ich dachte, alle bekannten Parfümhersteller hätten schon ihre Werbegesichter.“

„Haben sie ja auch. Nein, du sollst deinen eigenen Duft entwickeln und auf den Markt bringen. Das ist heutzutage sehr lukrativ.“

„Meinst du?“

„Wir nennen den Duft einfach Chiara. Oder halt, noch besser, wir nennen ihn ‚Einfach Chiara‘. Auf die Idee ist noch niemand gekommen!“

„Ehrlich gesagt würde ich mich lieber darauf konzentrieren, endlich einen Oscar zu gewinnen.“

„Natürlich, ein Oscar wäre auch nicht schlecht, aber denk an die Wertschöpfungskette. Wir müssen mehrgleisig fahren. Schließlich bist du eine Marke, Schätzchen.“

Chiara seufzte. Früher, in der guten alten Zeit, waren Filmstars einfach nur Filmstars gewesen. Heute mussten sie obendrein eine Marke sein. „Ich finde, als Marke stehe ich doch ganz gut da.“

„An sich schon. Wenn da nicht dein Vater wäre, der ab und zu für negative Schlagzeilen sorgt.“

„Ach ja, richtig.“

„Vielleicht könntest du auch eine Lifestyle-Marke gründen. Mehrere Produkte und das ganze Drumherum. So wie Gwyneth Paltrow und Jessica Alba.“

„Später möglicherweise. Wenn ich einen Oscar gewonnen habe. Oder wenn ich Kinder habe.“ Sowohl Gwyneth Paltrow als auch Jessica Alba hatten bereits Kinder gehabt, als sie ihre Firmen gründeten.

Bei dem Gedanken an Kinder überkam Chiara ein ungutes Gefühl. Sie war jetzt zweiunddreißig. Das hieß, irgendwann würde sie das Verfallsdatum für Hollywood erreichen – und obendrein tickte gleichzeitig ihre biologische Uhr. Eigentlich wollte sie noch einen Oscar bekommen, bevor sie den Erwartungen unzähliger Fans nachkam, eine glückliche Familie mit Mann und Kindern zu gründen.

Natürlich, Kinder wollte sie auf jeden Fall. Das Problem war eher die Sache mit dem festen Freund oder dem Ehemann. Ihr Vater Michael war eher ein abschreckendes Beispiel für die Spezies Mann gewesen.

Man konnte es nicht anders sagen: Ihre Familiengeschichte war ganz schön verkorkst. Nicht mal einen vernünftigen Film hätte man daraus machen können. Weil es nämlich kein Happy End gab. Trotz dieser schlechten Erfahrungen sehnte sie sich nach einem Kind. Sie hätte dann jemanden, den sie bedingungslos lieben könnte, und der auch sie liebte und brauchte. Sie würde streng darauf achten, nicht die Fehler ihrer Eltern zu wiederholen. Und sie hätte etwas, das wirklich von Bedeutung war – anders als der Glanz und Glamour der Scheinwelt von Hollywood.

„Mehr fällt mir jetzt auch nicht ein, Schätzchen“, sagte Odele. „Das alles wäre nicht so einfach. Am praktischsten wäre es wirklich, wenn du dich auf ein paar Dates mit Rick Serenghetti einlassen würdest.“

Chiara sah ihre Agentin prüfend an. Wahrscheinlich hatte Odele die Litanei von Vorschlägen nur heruntergerattert, um ihre Klientin zum ursprünglichen Plan zurückzuführen. „Du bist ein ganz schön raffiniertes Luder.“

Die andere Frau lächelte. „Das gehört zu meinem Job.“

Chiara seufzte. Na schön, sollte Odele ihren Willen haben. Sie war immer noch ihre engste Vertraute und beste Freundin im Haifischbecken Hollywood.

„Na, Mann, warum die schlechte Laune?“

Rick musste an seinen Schauspielkünsten wohl noch arbeiten, wenn sein Bruder Jordan ihm sofort anmerkte, dass er nicht gerade bester Stimmung war.

„Schlechte Laune? Ich weiß gar nicht, wovon du redest.“

Sie saßen in der Küche seines kleinen gemieteten Apartments in West Hollywood. Wegen seines Jobs beim Film war Rick häufig unterwegs; er nutzte aber jede Gelegenheit, Kontakt zu seiner Familie zu halten.

„Um ehrlich zu sein, Mom hat mich gebeten, nach dir zu sehen“, gestand Jordan.

„Das macht sie ja immer, wenn wir zufällig gerade in derselben Stadt sind“, erwiderte Rick. „Aber ich muss dir verraten, dass es so etwas wie Gegenspionage gibt. Ich soll auch immer ein Auge auf dich haben und ihr Bericht erstatten.“

„Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Mein Leben war in letzter Zeit ziemlich langweilig.“

Jordan war Profi-Eishockeyspieler und befand sich gerade in Los Angeles, weil sein Team, die New England Razors, hier ein Spiel absolvierte. Der jüngste der drei Serenghetti-Brüder war ebenfalls sehr attraktiv, wie die beiden anderen. Er scherzte gern, dass ihre Eltern beim dritten Versuch endlich die absolute Perfektion erreicht hätten.

Wenn Rick sich für Eishockey interessierte, dann eigentlich nur aus Familiensolidarität. Auch der älteste Bruder der drei, Cole, war Profispieler gewesen, aber nach einer Verletzung hatte er seine Karriere beenden müssen. Nur Rick war, wie seine Brüder manchmal spotteten, aus der Art geschlagen – er hatte in der Highschool Wrestling als Sport betrieben.

Es wurmte ihn ein wenig, dass Jordan ihm sofort seine nachdenkliche Stimmung angemerkt hatte. Er grübelte nämlich ständig über die Sache mit Chiara nach. Eigentlich sprach einiges dafür, dass er, wie von Odele eingefädelt, ihren Freund spielte. Schließlich hatte er als Koproduzent des Films ja selbst ein Interesse daran, dass Chiara als der weibliche Star in der Öffentlichkeit ein positives Image behielt – trotz des Skandals um ihren Vater. Außerdem konnte er sie auf diese Weise besser beschützen, falls es wirklich ein Stalker auf sie abgesehen hatte.

Andererseits hatte er sich vor einiger Zeit geschworen, sich nie wieder mit einem Star oder Starlet einzulassen. Er hatte nämlich schlechte Erfahrungen gemacht.

Durch seinen Job hatte er viele Freunde in der Filmbranche, und einer von ihnen war der Beleuchter Hal Moldado gewesen. Eines Tages war er zufällig Hals Freundin, der Nachwuchsschauspielerin Isabel Lanier, über den Weg gelaufen. Überraschend hatte sie ihn geküsst und dabei mit ihrem Handy ein Selfie gemacht. Rick hatte das Ganze für eine plötzliche Laune gehalten, für einen Scherz – bis das Foto dann auf Isabels Facebook- und ihrem Instagram-Account auftauchte. Mit der Freundschaft zu Hal war es dann natürlich vorbei gewesen. Später zog er den Schluss, dass Isabel einerseits Hal hatte eifersüchtig machen wollen und andererseits auf Schlagzeilen in der Klatschpresse gehofft hatte, die sie bekannter machen würden.

In dieser misslichen Situation hatte Rick es noch als Glück im Unglück betrachtet, dass die Medien sich ganz auf Isabel konzentrierten und nicht einmal seinen Namen herausbekamen. Dennoch hatte er seine Lektion gelernt: Schauspielerinnen und Starlets handelten oft eigennützig.

Immerhin musste er Chiara zugutehalten, dass der Plan mit der vorgetäuschten Beziehung nicht von ihr kam. Die Drahtzieherin war ihre Agentin. Die Angelegenheit mit dem mutmaßlichen Stalker, vor dem Chiara geschützt werden musste, verkomplizierte die Situation noch …

Jordan musterte Rick. „Woran denkst du gerade? An eine Frau?“

„Im Gegensatz zu dir habe ich nicht nur Frauen im Sinn. Was läuft denn bei dir so?“

„Ach, nichts Konkretes. Allerdings ärgere ich mich ein bisschen über Serafina, die Cousine von Marisa. Ich hatte dir ja von ihr erzählt.“

Ihr Bruder Cole hatte vor kurzem Marisa Danieli geheiratet, die Liebe seines Lebens. Die beiden waren schon auf der Highschool zusammen gewesen, hatten sich dann aber zerstritten und jahrelang nichts voneinander gehört. Die späte Versöhnung hatte schnell zu einer Hochzeit geführt. Im weiteren Sinne gehörte nun auch Marisas Verwandtschaft zum Serenghetti-Clan – und dazu zählte ihre Cousine Serafina.

„Was ist denn mit ihr? Normalerweise hast du doch zu allen Frauen einen guten Draht …“

„Ja, aber sie ist unerklärlicherweise absolut kratzbürstig zu mir. Sie weigert sich sogar, mich im Puck & Shoot zu bedienen.“

Das Puck & Shoot war eine Sportbar in Welsdale, dem Heimatort des Serenghetti-Clans. Auch Rick hatte dort schon so manches Bier getrunken. „Kellnert sie immer noch dort?“

„Ja, gelegentlich.“

„Es tut mir in der Seele weh, dass selbst du mit deinem legendären Talent als Frauenflüsterer mal an deine Grenze gestoßen bist“, bemerkte Rick. „Aber mach dir nichts draus, früher oder später musste es ja passieren.“

„Dein geheucheltes Mitgefühl kannst du dir sparen“, erwiderte Jordan gereizt. „Damit du mich nicht falsch verstehst: Ich will gar nichts von Serafina, sie gehört ja praktisch zur Familie. Aber aus irgendeinem Grund lehnt sie mich völlig ab. Und ich habe keine Ahnung, warum.“

„Es gibt spontane Sympathien, und es gibt spontane Antipathien. Wenn du sowieso nichts von ihr willst, würde ich mich da nicht so hineinsteigern.“

„Ich steigere mich ja gar nicht hinein“, grummelte sein Bruder. „Aber kommen wir lieber zurück auf dich und deine Frauenprobleme.“

„Ich habe keine.“

„Keine Frauen oder keine Probleme?“

„Beides.“

„Den Berichten in den Medien und deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hast du sehr wohl beides.“

„Ach, tatsächlich?“

„Wer spielt noch gleich in deinem neuen Film die weibliche Hauptrolle?“

„Chiara Feran.“

Jordan nickte mit Kennermiene. „Eine absolut heiße Frau. Wunderschön.“

„He, sachte. Sie ist tabu.“

Jordan zog eine Augenbraue in die Höhe. „Tabu für mich, oder was meinst du?“

„Für jeden.“

„Außer für dich, was? Hast du dein Terrain schon abgesteckt?“

„Unsinn. Wie kommst du denn auf so was?“

„Ich kann lesen.“

„Es wird unsere Mutter freuen, dass du es doch noch gelernt hast.“

Jordan grinste. „Sehr witzig, Brüderchen. Aber im Ernst, zuerst stand es in einem Klatschportal im Internet, und dann haben andere Medien es aufgegriffen.“

„Du weißt doch, man sollte nicht alles glauben, was im Netz steht.“ Wenn Jordan es schon wusste, musste das Gerücht sich schneller verbreitet haben, als Rick gedacht hatte. Aber Chiara war eben auch ziemlich berühmt …

„Stimmt es oder nicht?“

„Wenn du’s genau wissen willst: Es ist nichts passiert.“

„Es ist noch nichts passiert, wolltest du wohl sagen.“

„Du kannst nachbohren, so viel du willst, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Rick schaute auf seine Armbanduhr. „Denk daran, wir haben einen Tisch im Restaurant bestellt. Du solltest also allmählich dein Bier austrinken.“

„Zu Befehl, Mister Filmstar“, scherzte Jordan. Er prostete seinem Bruder mit der Flasche zu. „Was macht eigentlich dein Bauprojekt? Ist dein neues Zuhause bald fertig?“

Rick lächelte zufrieden. „Ein paar Wochen noch, dann kann ich dieses lausige Apartment hier verlassen und umziehen.“

„Ich gehe mal davon aus, dass du mich zur Einweihungsparty einlädst.“

„Das werde ich mir noch mal überlegen.“

„Mach bloß keinen Fehler. Du weißt doch, wo ich auftauche, zieht es auch die heißesten Frauen hin.“

Eigentlich hätte Rick tatsächlich ein paar neue Kontakte brauchen können. Die einzige Frau, zu der er derzeit eine nähere Beziehung unterhielt, war Chiara Feran – und diese Beziehung war, wie man heute so schön sagte, Fake News.

3. KAPITEL

Zwei Tage lang traf Rick am Set überhaupt nicht auf Chiara. Sie drehte Szenen mit dem männlichen Hauptdarsteller Adrian Collins ab. Er nutzte seine freie Zeit, um sich im Wohnwagen mit den Trainingsgeräten fit zu halten.

Als er mit dem Training fertig war, wanderte er ziellos über den Set. Er wusste immer noch nicht, woran er in Bezug auf die vorgetäuschte Beziehung zu Chiara war; und das machte ihn unruhig. Hatte sie denn immer noch keine Entscheidung getroffen?

Zufällig kam er in die Nähe von Chiaras Wohnwagen. Dort sah er plötzlich, dass ein Mann sich an der Tür zu schaffen machte. Der Mann war eine unauffällige Erscheinung mit kleinem Bierbauch und schütterem Haar.

„Hey, was machen Sie denn da?“, fragte er den Unbekannten.

Der andere sah ihn nervös an. „Ich, äh, ich bin ein Freund von Chiara.“

„Weiß sie, dass Sie hier sind?“

„Ich … ich wollte ihr einen kleinen Überraschungsbesuch abstatten.“

„Haben Sie überhaupt eine Genehmigung, das Drehgelände zu betreten?“, fragte Rick und ging auf den Mann zu. Er bemerkte, dass sich Schweißperlen auf der Stirn des Unbekannten gebildet hatten. War er vielleicht der besessene Fan, von dem Odele erzählt hatte? „Ich bin übrigens Chiaras neuer Freund“, ergänzte er.

Sein Gegenüber runzelte die Stirn. „Ihr neuer Freund? Das … das kann nicht sein.“

Der Mann wirkte absolut nicht wie jemand, der mit einem glamourösen Star wie Chiara Feran näher bekannt war. Rick trat noch näher an ihn heran. In diesem Moment stieß der Unbekannte ihn beiseite und rannte davon. Er lief sofort hinter ihm her.

Chiaras merkwürdiger Fan legte ein erstaunliches Tempo vor. Das Tor des umzäunten Studiogeländes war bereits in Sichtweite, als Rick ihn zu fassen bekam. Beide stürzten zu Boden.

„Lassen Sie mich sofort los!“, schrie der Mann. „Das gibt eine Anzeige!“

„Die Anzeige bekommen Sie“, erwiderte Rick seelenruhig. „Wir werden gleich erst mal Ihre Personalien feststellen.“

„Ich bin Chiaras Verlobter“, rief der andere.

Inzwischen waren zwei Sicherheitskräfte herangeeilt.

„Geben Sie Chiara Bescheid“, forderte der angebliche Verlobte. „Sie wird Ihnen alles bestätigen.“

„Chiara Feran ist überhaupt nicht verlobt“, zischte Rick.

Ein Statist in der Nähe hatte alles mitbekommen und filmte die Szene mit seinem Handy. Auch das noch!

„Verlobt oder nicht“, keuchte der Mann, den er immer noch fest im Griff hielt, „wir sind zusammen. Wir gehören zusammen. Auf immer und ewig!“

Dieser Typ ist eindeutig psychisch gestört, schoss es Rick durch den Kopf.

Immer wieder versuchte der Möchtegern-Verlobte, sich loszureißen. Plötzlich begann er zu röcheln. „Ich kriege keine Luft mehr! Lassen Sie mich los! Ich habe Asthma!“

Ob wahr oder gelogen – Rick ließ den Mann los und übergab ihn den Sicherheitskräften.

Danach ging alles seinen Gang. Jemand von der Security rief die Polizei, und Chiaras ganz besonderer Fan – der seinen Namen als Todd Jeffers angab – wurde abgeführt. Ein Polizeibeamter nahm Ricks Aussage auf, und auch Chiara wurde kurz darauf von einem anderen Beamten befragt. Der Fan war unbefugt in das Gelände eingedrungen, und wie in solchen Fällen üblich, würde das Studio Anzeige erstatten.

Nachdem die Polizisten gegangen waren, besprach Rick den Vorfall mit Dan, dem Regisseur. Anschließend beschloss er Chiara aufzusuchen, die sich in ihren Wohnwagen zurückgezogen hatte.

Ohne anzuklopfen trat er ein. Sie saß an einem kleinen Tischchen und studierte ihr Drehbuch.

Nach diesem Vorfall besaß sie wirklich die Seelenruhe, ihren Text zu lernen? Eigentlich hatte er gedacht, sie wäre außer sich, verängstigt …

„Ein paar der Zuschauer haben deine Verfolgungsjagd gar nicht ernst genommen“, sagte sie ruhig, „weil sie dachten, ihr würdet vielleicht für eine Filmszene proben.“

„Aber nein, du brauchst dich bei mir nicht zu bedanken“, sagte er mit ironischem Unterton. „Ich habe dir doch gern geholfen.“ Dann wurde er ernst. „Nur gut, dass du nicht in deinem Wohnwagen warst, als er versucht hat bei dir einzudringen.“

„Ich war bei Proben. Wir drehen nachher noch eine sehr schwierige Szene.“

Deshalb studierte sie also noch einmal ihren Text. Obwohl Rick sich nicht vorstellen konnte, dass sie sich in dieser Situation wirklich auf das Script konzentrieren konnte.

„Bestimmt landet der Vorfall in der Presse.“

„Ein Statist hat die Szene mit seinem Handy mitgefilmt, aber mit dem habe ich schon geredet“, sagte Rick. „Er hat versprochen, die Aufnahme nicht zu verkaufen. Trotzdem – allein durch den Polizeibericht kommt die Sache an die Öffentlichkeit. Zur gerichtlichen Anhörung dieses Mister Jeffers erscheint bestimmt die Presse. Und wer weiß, vielleicht wendet er sich auch sogar selbst an die Medien …“

Chiara zuckte mit den Schultern. Die ganze Sache schien sie nicht besonders zu beunruhigen. Dabei hätte es schlimmer ausgehen können, wenn der verrückte Fan sie in einem unbeobachteten Moment allein erwischt hätte …

„So einen Stalker sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, meinte Rick. Chiara war zwar selbstbewusst und nicht gerade auf den Mund gefallen, aber vom Körperbau her war sie eher zierlich. Er mochte gar nicht daran denken, dass ihr jemand etwas antun könnte …

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, viele Schauspieler haben Fans, die ein bisschen eigenartig sind. Aber mein Haus hat einen Sicherheitszaun und ist kameraüberwacht.“

„Ich habe gehört, dass schon mal jemand bei dir eindringen wollte.“

„Ja, das war der gleiche Typ. Todd Jeffers. Er wurde damals schnell verscheucht, aber er hat mir einen Tag später einen Brief geschrieben, dass er versucht hätte, mich zu ‚besuchen‘.“

Rick sah sie mit großen Augen an. „Der Typ hat sogar schriftlich zugegeben, dass er unbefugt auf deinen Besitz eindringen wollte? Hast du eine einstweilige Verfügung oder ein Kontaktverbot gegen ihn beantragt?“

Chiara schüttelte den Kopf. „Nein. Ich denke mal, er ist nur lästig, nicht gefährlich.“

„Man weiß nie, in was solche Typen sich hineinsteigern. Es fängt halbwegs harmlos an und wird dann immer extremer.“

„Das könnte sein. Muss aber nicht.“

„Darauf können wir es nicht ankommen lassen. Du hast einen Stalker, also brauchst du zum Schutz und zur Sicherheit einen festen Freund. Mich.“

Rick hatte noch einmal über die ganze Sache nachgedacht, nachdem er mit Jeffers aneinandergeraten war. Wenn er Chiaras festen Freund spielte, war er meist in ihrer Nähe und konnte auf sie aufpassen. Außerdem würde der verrückte Fan vielleicht aufgeben, wenn er sah, dass sein Schwarm liiert war. Insofern war Odeles Idee doch gar nicht so schlecht gewesen …

„Jetzt hör aber auf damit“, protestierte Chiara. „Du bist doch nicht mein Leibwächter.“

„Doch, ich habe mich soeben dazu ernannt. Und keine Sorge, ich kenne mich mit so was aus. Während meiner Collegezeit habe ich schon als Security gearbeitet.“ Er kam zwar aus reichem Hause, aber seine Eltern hatten ihm nichts geschenkt. Deshalb hatte er, wie viele andere auch, neben seinem Studium gejobbt.

Chiara erhob sich vom Tisch und baute sich wütend vor ihm auf. „Das kannst du nicht allein entscheiden. Du brauchst meine Einwilligung. Und die kriegst du nicht.“

„Mit unserer Fake-Beziehung würdest du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Klatschpresse wäre von deinem Vater abgelenkt, und du hättest Schutz vor deinem Stalker.“

„Gegen den Stalker beantrage ich eine einstweilige Verfügung.“

„Dazu würde ich dir auf jeden Fall raten.“

„Also brauche ich dich nicht.“

„Oh doch, Prinzesschen. So eine einstweilige Verfügung ist nur ein Blatt Papier. Wenn der Typ richtig durchdreht, hält er sich garantiert nicht daran.“

„Dann engagiere ich einen Sicherheitsdienst.“

„Damit hättest du das Problem mit der Klatschpresse noch nicht gelöst.“

Sie seufzte auf. „Warum bist du plötzlich so wild darauf, mein angeblicher Freund zu sein? Was hättest du davon?“

„Sagen wir, ich möchte, dass das Filmprojekt wie geplant beendet werden kann. Ohne dass dem weiblichen Star etwas zustößt. Schließlich ist jeder Film so etwas wie das gemeinsame Kind aller Beteiligten …“

„Das hast du schön gesagt. Fast schon poetisch. Aber meine Antwort lautet trotzdem Nein.“

Nun war er es, der seufzte. „Leidest du immer unter diesem krankhaften Widerstandswillen? Oder hast du nur einen schlechten Tag?“

„Das wirst du wohl nie erfahren.“

Einen Augenblick lang sah er sie lächelnd an. Dann, ohne weiter darüber nachzudenken, küsste er sie einfach.

War sie zu überrascht, um Widerstand zu leisten? Auf jeden Fall ließ sie sich küssen, und er empfand den Kuss als genauso schön wie beim ersten Mal, wenn nicht sogar noch schöner.

Rick wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie ihn plötzlich von sich fortstieß. Ihre Brust hob und senkte sich schnell. „Das war schon das zweite Mal“, zischte sie.

„Wir müssen schließlich üben. Damit die Öffentlichkeit uns diese Beziehungsgeschichte überhaupt abkauft.“

„Hast du es immer noch nicht kapiert? Aus der Beziehungsgeschichte wird nichts. Und jetzt muss ich dich bitten zu gehen. Falls du es nicht freiwillig tust, schmeiße ich dich raus.“

Rick wusste zwar nicht, wie dieses zarte Geschöpf ihn hätte hinauswerfen wollen, aber er verließ den Wohnwagen freiwillig.

Amüsiert hörte er, wie sie hinter ihm die Tür zuknallte.

„Sie will mich weder als vorgetäuschten Freund noch als Aufpasser“, sagte Rick seufzend und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sie ist so verdammt widerspenstig.“

„Oh ja“, erwiderte Odele. „Davon kann ich ein Liedchen singen.“

Sie saßen bei einem Kaffee im Büro der Novatus Studios. Rick hatte Chiaras Agentin um dieses Gespräch gebeten und sich ausbedungen, dass sie Chiara nichts davon erzählte. „Wie lange belästigt dieser Stalker sie eigentlich schon?“

„Insgesamt geht das schon ein paar Monate. Es fing ganz harmlos an, mit ein paar Postings auf ihrer Facebookseite. Dann schickte er Mails, und anschließend hat er einen Fanclub gegründet und wollte Autogrammfotos von ihr.“

„Und inzwischen glaubt er offenbar, er wäre ihr Verlobter.“

Odele seufzte tief. „Hollywood ist nun mal die Traumfabrik, aber leider gibt es immer wieder psychisch labile Menschen, die sich zu sehr in diese Träume hineinsteigern.“

„Ein wahres Wort.“ Rick lehnte sich zurück. „Abgesehen von dem Versuch, bei Chiara einzusteigen – ist der Typ sonst schon persönlich in Erscheinung getreten?“

„Nicht dass ich wüsste, von gestern natürlich abgesehen.“ Sie nippte an ihrem Kaffee. „Ich habe Chiaras Anwalt angewiesen, eine einstweilige Verfügung gegen den Mann zu beantragen.“

„Gut, aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass dieses Schriftstück nichts ausrichtet, falls der Typ richtig durchdreht.“

„Richtig. Deshalb wäre es wirklich das Beste, wenn Sie ihren festen Freund spielen und zu ihrem Schutz am besten gleich bei ihr einziehen würden.“

Er lachte auf. „Damit wird Chiara nie im Leben einverstanden sein!“ Und selbst wenn – er und sie unter einem Dach, das konnte ja nicht gut gehen! Sie würden sich ständig streiten, während er andererseits versuchen würde, sich an sie heranzumachen.

Odele sah ihn schmunzelnd an. „Man muss ihr die Sache nur schmackhaft machen. Chiara weiß selbst, dass sie den Wölfen von der Presse etwas vor die Füße werfen muss, damit sie von dem Skandal um ihren Vater ablassen. Und wenn Sie nicht nur ihr neuer Freund werden, sondern gleich bei ihr einziehen – das dürfte einige Wellen schlagen. Obendrein können Sie als ihr Leibwächter fungieren, ohne dass sie davon viel mitbekommt.“

„Es wäre ideal. Aber ob wir ihre Zustimmung bekommen …?“ Rick seufzte. „Erzählen Sie mir etwas über ihren Vater.“

Die Agentin schob ihre Kaffeetasse beiseite. „Ach, da gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Chiaras Eltern haben sich scheiden lassen, als sie noch klein war. Sie und ihre Mutter haben in Rhode Island gelebt, bis Hollywood rief. Leider ist ihre Mutter vor ein paar Jahren gestorben. Das hat Chiara tief getroffen.“

„Und ihr Vater macht immer nur Ärger?“

Odele nickte. „Im vergangenen Jahr hat er einem drittklassigen Klatschblatt ein ‚enthüllendes‘ Interview über seine Tochter gegeben. Für viel Geld natürlich.“

Rick fluchte leise vor sich hin.

„Sie können sich vorstellen, wie sehr dieser Vertrauensbruch sie verletzt hat.“

Er nickte. Chiara hatte es also wirklich nicht leicht gehabt, ganz im Gegenteil. Kein Wunder, dass sie ihm gegenüber so kratzbürstig war. Wahrscheinlich konnte sie keinem Mann vertrauen.

„Ich glaube, ich werde sie noch überreden können“, sagte Odele. „Dann sind Sie ihr Leibwächter – was wir ihr gegenüber ja nicht zu erwähnen brauchen – und ihr Freund zugleich.“

„Wobei ich den festen Freund natürlich nur spiele.“

„Natürlich. Das ist der Plan.“

Ja, das war der Plan, aber Pläne konnten auch schieflaufen. Und Rick konnte nicht leugnen, dass er sich stark zu Chiara hingezogen fühlte. So widerspenstig sie sich ihm gegenüber auch aufführte, sie war schon verdammt verführerisch …

Chiara saß an ihrem Schreibtisch. Sie hatte übers Wochenende frei und genoss es, endlich mal wieder zu Hause zu sein. Weg vom Set. Die Sache mit ihrem Vater, der aufdringliche Rick und dann noch der Stalker – das war alles ein bisschen zu viel gewesen.

Doch so richtig zur Ruhe kam sie auch hier nicht. Sie spürte, wie angespannt sie innerlich immer noch war. Seit dem versuchten Einbruch in ihren Wohnwagen hatte sie Schwierigkeiten gehabt sich ihre Texte zu merken. „Pegasus Pride“ war ein Actionfilm, es gab also keine allzu komplizierten Dialoge, dennoch hatte sie Probleme mit ihren Zeilen gehabt.

Um sich abzulenken, surfte sie ein wenig im Internet. Doch schon bald bereute sie es zutiefst. Als sie nämlich die Schlagzeile eines Klatschportals las: „Chiara Ferans Vater aus Spielcasino geworfen!“

Vielleicht würde Michael Feran bald nicht mehr spielen können, weil er in jedem Casino Hausverbot hatte. Dann wären ihre Sorgen vorbei!

Chiara lachte verbittert auf. Wem machte sie etwas vor? Ein zwanghafter Spieler würde immer Mittel und Wege finden, seinem Laster zu frönen …

Es war ein Witz, dass die Öffentlichkeit glaubte, sie hätte ein wunderbares, sorgenfreies Leben. Natürlich war das auch Odeles hervorragender Pressearbeit zu verdanken.

Doch sie selbst kam sich überhaupt nicht wie ein Schoßkind des Glücks vor. Natürlich, die Natur hatte sie mit einem ansprechenden Äußeren gesegnet, und ihre Hollywoodkarriere war bisher gut verlaufen. Aber im Inneren ihres Herzens fühlte sie sich einsam. Wen hatte sie denn schon? Ihr Vater war charakterlos, ihre Mutter viel zu früh verstorben, und ihre beste – und einzige – Freundin war ihre Agentin. Ansonsten hatte sie nur noch ihre Bauchrednerpuppe, mit der sie zu Collegezeiten manchmal aufgetreten war. Ziemlich armselig! Komisch, dass dieser Todd Jeffers keinen beneidenswerteren Star gefunden hatte, den er stalken konnte.

Ihr Telefon klingelte. Wie sie auf dem Display sah, war es ihre Agentin. „Hallo, Odele.“

„Na, Schätzchen? Genießt du deine Freizeit?“

„Kommt drauf an, wie du genießen definierst. Ich muss meine Texte noch mal durchgehen.“

„Rick muss übrigens bei dir einziehen, wenn wir die Presse mit der Geschichte über deinen neuen Freund wirklich überzeugen wollen.“

„Kommt überhaupt nicht infrage“, erwiderte sie empört. Sie und Rick unter einem Dach? Sie würden sich gegenseitig an den Kragen gehen – oder übereinander herfallen. Und beides wollte sie auf keinen Fall.

Odele seufzte. „Meine Liebe, es hilft alles nichts, wir müssen schnellstens handeln. Sonst gerät die Geschichte mit deinem Vater völlig außer Kontrolle, und das willst du ebenso wenig wie ich. Ich werde meiner Assistentin sagen, sie soll in den sozialen Medien etwas durchsickern lassen, damit wir die Geschichte von Anfang an im Griff haben. Ich habe auch schon ein schönes Handyfoto von dir und Rick auf dem Set geschossen. Ihr beide im vertrauten Gespräch …“

„Im vertrauten Gespräch? Wahrscheinlich habe ich ihm in dem Moment gerade gesagt, er soll sich verziehen.“

„Spielt keine Rolle, ihr wirkt innig verbunden, und das zählt. Und ich habe auch schon einen Termin für ein Interview mit euch beiden organisiert, mit einer Reporterin, der ich trauen kann.“

„Hast du überhaupt mal Nachforschungen über diesen Rick Serenghetti angestellt? Vielleicht ist er in Wirklichkeit gefährlicher als jeder Stalker.“

„Er ist ein guter Kerl, verlass dich einfach drauf. Ihr beide gebt ein schönes Paar ab, und gleichzeitig passt er auf dich auf. Wegen des Stalkers und so.“

„Aber warum muss er denn gleich bei mir einziehen?“

„Wir sind in Hollywood. Da geht alles etwas schneller. Und jetzt beenden wir das Thema und ziehen es einfach durch.“

„Ich weiß schon jetzt, dass ich es bereuen werde“, murmelte Chiara.

„Ich kümmere mich um alles, damit er Ende der Woche bei dir einziehen kann“, verkündete ihre Agentin triumphierend.

„Aber ins Gästezimmer, Odele. Ins Gästezimmer.“

4. KAPITEL

Am Freitag kam Rick mit dem Motorrad.

Nachdem er die Maschine abgestellt hatte, betrachtete er eingehend die Fassade des Hauses, in dem Chiara wohnte. Für einen Filmstar war es eher bescheiden; es erinnerte ein wenig an ein englisches Landhaus. Der Garten, der es umgab, war üppig und außerordentlich gut gepflegt.

Kaum hatte er den Motorradhelm abgenommen, stand Chiara auch schon in der Tür. „Natürlich, du fährst Motorrad“, sagte sie genervt. „Ich hatte mich schon gewundert, wo der Lärm herkommt.“

„Ich bringe Aufregung und Abenteuer in dein Leben, was?“

„Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.“

„Dein Haus gefällt mir. Auf jeden Fall nicht so protzig.“

„Danke. Wie wohnst du denn so?“

Er lächelte. „Momentan in einem kleinen Apartment in West Hollywood. Aber ich fühle mich überall zu Hause, wo eine schöne Frau auf mich wartet.“

„Warum überrascht mich das nicht?“

„Sollten wir uns jetzt nicht küssen?“, fragte er vorwitzig. „Ich meine, wegen der Paparazzi mit ihren Teleobjektiven.“

„Hier sind keine Paparazzi“, gab sie gereizt zurück.

„Man weiß ja nie. Vielleicht hält sich einer im Gebüsch versteckt …“

Sie warf einen Blick auf seine Reisetasche. „Komm rein. Ich zeige dir dein Zimmer. Das Gästezimmer.“

„Kaum eingezogen, schon auf die Gästecouch verbannt“, scherzte er. „Vielleicht solltest du ein paar Reportern ein Interview über unseren ersten Streit geben.“

„Sehr witzig. Aber keine Sorge, du musst nicht auf die Gästecouch. Du bekommst ein richtiges Bett.“

„Das Bett wird nur einen Fehler haben.“

„Und zwar?“

„Du liegst nicht drin.“

„Das stimmt, die Hoffnung kannst du begraben. Aber weil wir eine Scheinbeziehung führen, gibt es eben auch nur Scheinsex.“

„Wirst du mich denn wenigstens morgens mit einem Küsschen wecken, Prinzessin?“

„Da kannst du lange drauf warten.“

Gespielt enttäuscht verzog er den Mund. „Ein bisschen mehr Romantik hätte ich schon erwartet.“

„Tu nicht so, als wärst du Romantiker. Deine Spezialität sind doch Actionfilme.“

„Vielleicht könnte ich mich ja an Liebesszenen gewöhnen …“

„Die musst du dann aber solo spielen.“

Rick unterdrückte ein Lächeln. Chiara war wirklich nicht auf den Mund gefallen. Das versprach ein interessanter Aufenthalt zu werden …

Nachdem er sich im Gästezimmer wohnlich eingerichtet hatte, machte er sich auf die Suche nach Chiara. Er fand sie in der Küche, wo sie gerade beim Kochen war. „Mm, das riecht aber gut hier“, sagte er.

Sie wandte sich zu ihm um. „Du scheinst überrascht zu sein, dass ich selber koche.“

„Überrascht und erfreut.“

„Heute gibt es Bœuf Stroganoff.“

„Jetzt bin ich erst so...

Autor

Anna De Palo
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