Baccara Exklusiv Band 256

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WOHIN DIE LUST UNS TRÄGT von JOSS WOOD

Vor zehn Jahren hatte sich Noah, der beste Freund der schönen Jules, nach einem Kuss aus dem Staub gemacht. Nun ist er zurück in Boston und will mit Jules eine Jacht entwerfen. Außerdem soll Jules soll seine Verlobte spielen, um Noah vor seiner aufdringlichen Ex zu retten …


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Für die erfolgreiche Geschäftsfrau Harper Fontaine zählt bloß ihre Karriere. Bis sie den sexy Starkoch Ashton Croft für ihr neues Hotelrestaurant in Las Vegas engagiert. Seine verführerischen Küsse bringen sie dazu sie dazu, ihren Job aufs Spiel zu setzen …


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  • Erscheinungstag 08.03.2025
  • Bandnummer 256
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530873
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Joss Wood

PROLOG

Callie

Wie schon seit dreißig Jahren küsste Callie Brogan ihre Tochter auf den tiefschwarzen Haarschopf, wie immer in dem Bewusstsein, dass es auf nichts eine Garantie gab, nicht auf Zeit, nicht auf Zuneigung, ja, nicht mal auf das Leben selbst. Und so nahm sie jede Gelegenheit wahr, ihre Kinder zu umarmen und zu küssen, alle sieben.

Nicht dass sie alle sieben persönlich zur Welt gebracht hatte, um Himmels willen, nein. Nur Levi und die Zwillinge Jules und Darby waren ihre eigenen Kinder. Noah, Eli und Ben Lockwood waren die Kinder ihrer Nachbarin und besten Freundin Bethann Lockwood, die vor zehn Jahren gestorben war. Aber sie liebte sie wie ihre eigenen, das galt auch für Dylan-Jane, DJ genannt, die siebte im Bunde.

Callie hatte bis vor drei Jahren ein luxuriöses Leben als die Frau eines mächtigen und reichen Investors aus Boston geführt. Vor drei Jahren war ihr geliebter Ray gestorben. Nun war sie vierundfünfzig und hatte das Gefühl, sie müsste sich dringend überlegen, was sie in Zukunft mit ihrem Leben anfangen wollte. Und das machte ihr Angst.

Wer war sie, wenn sie keine hingebungsvolle Mutter und nicht die Ehefrau eines lebhaften, erfolgreichen Mannes war? Ein Nichts? Im Moment war sie sich beinahe selbst fremd. Sie musste sich wieder kennenlernen.

„Mom?“

Callie drehte sich um und blickte in Jules’ strahlende Augen. Wie immer in dieser Situation stockte ihr kurz der Atem. Jules hatte Rays leuchtend hellblaue Augen … Ach, sie vermisste ihren Ray so sehr, sein tiefes Lachen, seine starken Arme, den Sex mit ihm …

„Mom? Alles in Ordnung?“ Jules konnte man nichts vormachen.

Callie schluckte herunter, was sie beinahe gesagt hätte. Sie hielt sich zwar für eine moderne Mutter, aber der erwachsenen Tochter zu gestehen, dass sie sich nach Sex sehnte, ging vielleicht doch etwas zu weit. Also lächelte sie nur. „Ja, alles bestens.“

Jules blickte sie misstrauisch an. „Das glaube ich dir nicht.“

Callie sah sich kurz um und wünschte, Noah oder Eli oder Ben wären hier. Aber Eli und Ben restaurierten einen Katamaran und hatten sich vom Sonntagslunch abgemeldet. Und Noah war in Italien … Oder Griechenland? Vielleicht auch in Cannes? Der Junge war ständig unterwegs.

Ob Noah jemals wieder nach Boston zurückkommen würde? Der älteste der Lockwood-Jungs war ernst und ziemlich verschlossen. Das Verhalten des Stiefvaters nach Bethanns Tod hatte ihn tief getroffen, auch wenn er es nicht zeigte. In dem Punkt war er wie seine Mutter. Gefühle und speziell Ängste zu äußern, hielt er für eine Schwäche. Sein Bedürfnis nach Unabhängigkeit hatte Callie oft frustriert, was aber nichts mit ihrer Liebe zu dem Jungen zu tun hatte, oder besser: dem Mann. Noah war schließlich schon Mitte dreißig.

Levi, ihr eigener Sohn, saß auf einem der beiden Ledersofas und stellte sein Whiskeyglas auf den niedrigen Tisch. „Genau, Mom. Was ist? Was hast du?“

Callie setzte sich in einen Sessel, Jules nahm auf der Armlehne Platz. Darby und DJ, die beste Freundin der Zwillinge, gesellte sich zu Levi. Jules strich ihrer Mutter zärtlich über den Rücken. „Nun sag schon, Mom. Was ist los?“

Na gut … „Letzten Dienstag vor drei Jahren ist euer Vater gestorben. Und ich habe mich entschlossen, gewisse Änderungen in meinem Leben vorzunehmen.“

Jules hob überrascht die Augenbrauen. „Woran hast du so gedacht?“

Callie blickte aus dem Fenster auf den See und den Golfplatz dahinter. „Schon vor eurer Geburt hatte Bethanns Vater den Besitz der Lockwoods in ein exklusives Wohngebiet umgewandelt, mit Golfplatz, Country-Club und allem, was dazugehört. Euer Vater hat als Erster hier ein Haus gebaut, das immer noch eins der größten ist.“

„Und? Das ist doch nichts Neues.“

„Nein. Aber ich sehe jetzt, dass das Haus für mich zu groß ist. Die Leute, die das Vierzimmerhaus auf der anderen Seite des Golfplatzes mieten, haben gekündigt. Und ich habe mich entschlossen, dahin zu ziehen.“

Die drei Kinder starrten die Mutter fassungslos, ja, entsetzt an. Callie konnte sich vorstellen, was es für sie bedeutete, ihr Elternhaus zu verlieren. „Wenn ich sterbe, Levi, erbst du dieses Haus“, versuchte sie sie zu beruhigen. „Aber ich finde, es sollte dir jetzt schon überschrieben werden. Ich weiß, dass ihr darüber gesprochen habt, euch endlich etwas Eigenes zu kaufen. Aber das ist eigentlich überflüssig, wo es doch dieses große Haus gibt.“ Sie sah die Zwillinge an. „Und ihr könnt doch auch erstmal hier wohnen, solange ihr euch nach was anderem umschaut. Das Haus liegt zentral, ist bequem, und ihr braucht nur für die Nebenkosten zu zahlen.“

„Mit Levi in einem Haus wohnen? Nie!“ Darby schüttelte sich. Mit dieser Reaktion hatte Callie gerechnet. Aber sie bemerkte auch den Blick, den Darby mit ihrer Zwillingsschwester Jules tauschte, und musste unwillkürlich lächeln. Sie wusste genau, was als Nächstes kam.

„DJ könnte dann doch in dem Apartment über der Garage wohnen, oder?“, schlug Jules sofort vor. Sie liebte dieses Haus, alle Kinder liebten es. Es war großzügig geschnitten, hatte hohe Decken, Holzfußböden, eine große Terrasse und einen weiten Garten. Es lag nahe am Clubhaus mit seinen ausgedehnten Fitnessräumen, die von allen benutzt werden konnten, und auch der elegant angelegte Golfplatz war nur einen Katzensprung entfernt.

Es war ihr Zuhause.

„Ich will aber nicht mit meinen Schwestern zusammen wohnen“, maulte Levi. „Es war schon schlimm genug, sie als Kinder ertragen zu müssen.“

Callie wusste, dass das gelogen war. Levi vergötterte seine Schwestern und fühlte sich als ihr Beschützer. „Glaub mir, Levi, es ist eine gute Lösung. So braucht ihr nichts zu mieten, während ihr euch nach etwas Passendem umseht. Vor allem, da du und Noah viel Geld für die neue Marina ausgegeben habt und sich eure Bankkonten erst einmal wieder erholen müssen.“ Das war übertrieben, das wusste sie selbst. Beide waren nach wie vor vermögend.

Levi schüttelte den Kopf. „Das ist sehr nett von dir, Mom. Aber du weißt, dass wir alle gutes Geld verdienen und du dir um uns keine Sorgen mehr zu machen brauchst.“

Mütter machen sich immer Sorgen, wollte Callie ihm antworten. Aber das würde er erst verstehen, wenn er selbst Kinder hatte.

„Willst du wirklich in dieses andere Haus ziehen, Mom?“ Jules runzelte die Stirn.

Allerdings. Hier wurde sie von zu vielen Erinnerungen verfolgt. „Ja. Ich muss was Neues anfangen, mein Leben ändern. Es gibt eine Menge, was ich unbedingt noch machen will, bevor ich fünfundfünfzig werde.“

„Das ist in zehn Monaten“, bemerkte Darby.

„Was denn zum Beispiel?“ Jules sah ihre Mutter neugierig an.

„Nichts Besonderes. Vielleicht eine Tour durch Frankreich, Malen lernen, die Kunstakademie besuchen.“

Jules lächelte nachsichtig. Himmel, wenn sie wüsste, was ich wirklich will, ging es Callie durch den Kopf. One-Night-Stands, Telefonsex, wilde Dschungelnächte, Bungee-Jumping, nackt im Freien schlafen … Ihre höchste Priorität war jedoch, dass alle Kinder den richtigen Partner fanden. Aber das würde sie ihnen natürlich nie sagen.

Ihr sehnlichster Wunsch allerdings war, dass Noah endlich wieder nach Hause kam, nach Boston, wo er hingehörte.

1. KAPITEL

Noah

Noah vergrub seine Hände in ihrem dichten, kräftigen Haar und blickte in diese faszinierenden hellblauen Augen. Ihr Duft, sexy und süß, die vollen rosa Lippen, die kleinen prallen Brüste, die sich an seine breite Brust schmiegten, ihr flacher Bauch, gegen den er seine harte Erregung presste, es war der Wahnsinn.

Doch das hier war Jules, seine beste Freundin seit Kindertagen.

Er nahm nur noch sie wahr, nicht den Lärm der Silvesterpartys, der durch das Fenster drang. Sie hob die Hüften an, ließ ihn die aufgerichteten Brustspitzen spüren und sah ihn flehend an. Küss mich.

Er wollte sie nehmen, wollte in ihr sein, aber ein Kuss war das Einzige, was er sich erlauben durfte. Er streifte ihren Mund mit seinem – und war verloren. Sie öffnete die Lippen, er spürte ihre Zunge, und sein Herz wurde leicht. Jules lag in seinen Armen, sie küsste ihn, und alles war auf einmal so, wie es sein sollte.

Er wollte gerade ihre Brüste umfassen und sich ihre Beine um die Hüften legen, als er brutal am Haar zurückgerissen wurde. Morgan und sein Stiefvater hatten sich über ihn gebeugt und lachten und lachten. Noah warf einen Blick auf Jules. Ihr Gesicht war tränenüberströmt.

„Du Schwein!“, schrie Morgan.

„Das ist ganz mein Junge“, sagte Ethan grinsend. „Blut oder nicht Blut, du bist mein Sohn.“

Wieder dieser Traum! Noah Lockwood schob die Bettdecke zur Seite. Ihm war glühend heiß. Er schwang die Beine aus dem Bett, griff nach seiner Boxershorts und zog sie über. Dann blickte er auf die andere Bettseite. Jenna, mit der er hin und wieder schlief, wenn er in der Stadt war, machte die Nachttischlampe an. Sie schaute auf die Uhr, fluchte leise, glitt aus dem Bett und suchte ihre Sachen zusammen. „Möchtest du darüber sprechen?“, fragte sie.

Nein, verdammt noch mal … Noch nicht einmal seinen Brüdern oder engen Freunden teilte er mit, was ihn bewegte. Jenna würde das Ganze ohne genauere Erklärungen sowieso nicht verstehen. Noah hasste Erklärungen, wenn es um seine Gefühle ging, die er nicht wagte zu analysieren. Wie er überhaupt versuchte, möglichst wenig an die Vergangenheit zu denken.

Er ging zur Balkontür und öffnete sie weit. Die kühle Herbstluft tat ihm gut. Das erste Sonnenlicht drang durch die Blätter der großen Bäume, die das Gebäude umstanden. Er liebte Kapstadt, diese Metropole zwischen Bergen und Ozean. Aber es war nicht sein Zuhause, war nicht Boston, die Stadt, nach der er sich sehnte. Aber er durfte nicht zurückkehren.

Jenna küsste ihn kurz auf die Wange und verließ den Raum. Endlich allein. Noah zog sich ein T-Shirt über, griff nach seinem Telefon und trat auf den Balkon. Immer noch hing der Traum ihm nach, und er atmete ein paarmal tief durch, um sich davon zu befreien. Wie immer nach diesem Traum hatte er das Bedürfnis, mit seinen Brüdern zu sprechen, daher wählte er Elis Nummer.

„Oh, Noah, ich wollte dich auch gerade anrufen.“ Elis Stimme klang atemlos, und sofort schlug Noahs Herz schneller.

„Was ist denn los?“ Noah versuchte, gelassen zu klingen. Er war der älteste, und obgleich er am andern Ende der Welt lebte, versuchte er, mit E-Mails und Telefon und Skypen das Firmenschiff allein zu steuern. Was allerdings nicht ganz stimmte, schließlich hatte sein Freund Levi einen Teil seiner Erbschaft aufgewendet, um mit Noah zusammen den Bootshafen auszubauen, und ihm dadurch viel Verantwortung abgenommen. Im Gegensatz zu Eli und Ben, die allzu hitzköpfig waren, war Levi die Ruhe selbst.

„Callie hat uns vorhin zusammengerufen. Lockwood steht zum Verkauf“, sagte Eli.

„Er will das Haus verkaufen?“

„Nein, alles. Noah, Ethan will alles verkaufen! Unser Elternhaus, das Land, den Country-Club, den Golfplatz und sämtliche Gebäude, sofern sie nicht in Privatbesitz sind.“

Noah fluchte laut.

„Man vermutet, dass er wieder dick in Schulden steckt.“

„Das muss ich erst mal verdauen, Eli. Ich ruf dich gleich wieder zurück.“

Noah ließ sich auf den nächsten Balkonstuhl sinken und schloss die Augen. Ihm war fast übel vor Zorn und Enttäuschung. Vor zehn Jahren hatte er den Mann, den er Dad nannte und liebte und von dem er sich geliebt glaubte, vor Gericht gebracht. Nach dem Tod seiner Mutter fand er heraus, dass deren Ehe mit Ethan alles andere als so ideal gewesen war, wie er immer gedacht hatte. Sein bewunderter Stiefvater war ein Lügner und Betrüger und gab das Geld mit vollen Händen aus. Auch das Geld, das er nicht hatte.

Wenn er Ethan daran hindern wollte, das Vermögen der mütterlichen Linie zu verschleudern, – seine Mutter hatte ihre beiden Ehemänner überredet, ihren Mädchennamen Lockwood anzunehmen –, blieb ihm nur eine Option. Er musste die besten Anwälte einschalten, die es gab. Noah erinnerte sich an die schrecklichen Monate zwischen dem Tod seiner Mutter und dem Gerichtsurteil. Den Lockwood-Jungs wurden die Marina und die Liegeplätze im Osten Bostons zugesprochen, Ethan Lockwood bekam den Country-Club inklusive des Elternhauses (mit allem, was sich darin befand), des Clubhauses und der Gebäude drum herum. Außerdem das Land sowie die millionenschweren Bankkonten. All das hatte der Mann inzwischen offenbar verjubelt. Für Wein, Weib und Gesang.

Die Auseinandersetzung vor Gericht war hart gewesen, und Noah hatte sie nur durchgestanden, weil er wusste, dass alles Lüge gewesen war. Dass die Ehe der Eltern schlecht gewesen und Ethans Liebe zu den Stiefsöhnen nur gespielt war. Noah war entsetzt, dass er sich so hatte täuschen lassen, und verlor vollkommen den Glauben an ehrliche Gefühle, an Liebe schon sowieso und erst recht an so etwas wie eine glückliche Ehe.

Und was Morgan, mit der er eine lockere Beziehung pflegte, ihm dann antat, bestärkte ihn nur in dieser Überzeugung. In diesem schrecklichen Jahr hatte er Weihnachten in Morgans Elternhaus verbracht. Nachdem ihre Eltern sich zurückgezogen hatten, nahm er sich den teuren Whiskey von Morgans Vater vor und betrank sich entsetzlich. Er erinnerte kaum etwas von dem Rest des Abends, nur dass Morgan irgendwas von Ehe und ewiger Liebe plapperte. Aber da sie gleichzeitig die Hand in seiner Hose hatte, war er mehr als abgelenkt.

Am nächsten Morgen hatte er einen fürchterlichen Kater und wurde zu seiner Überraschung von allen Anwesenden zu seiner Verlobung mit Morgan beglückwünscht. Er wollte das Missverständnis aufklären, sagen, dass er nicht beabsichtigte, jemals zu heiraten. Aber Morgan sah so glücklich aus, und sein Kopf war kurz davor zu zerspringen, sodass er die Aufklärung auf später verschob. Wenn er mit Morgan allein war, würde er in Ruhe mit ihr darüber sprechen. Und sich dann allmählich aus der Beziehung zurückziehen, was er ohnehin schon lange vorhatte. Er hatte genug Probleme, auch ohne eine ständig fordernde und an ihm klebende Freundin. Doch dann zog Morgans Vater ihn in sein Arbeitszimmer und dankte ihm dafür, dass er seiner psychisch etwas labilen Tochter die Ehe angetragen hatte. Er hatte über Noah Erkundigungen eingezogen, wusste, dass er vorhatte, Profisegler zu werden, und Sponsoren suchte, um sein eigenes Team zusammenstellen zu können.

Und er wusste auch, dass Noah Morgan eigentlich nicht heiraten wollte.

Das gab er auch offen zu und machte Noah dann ein unanständig hohes Angebot. Noah könnte die Jacht seiner Träume als Profi segeln, unter einer Bedingung. Er sollte die Verlobung mit Morgan zwei Jahre lang aufrechterhalten, während der Vater die besten Psychiater für seine Tochter engagierte. Die Verlobung bestand also quasi nur auf dem Papier, um Morgan ruhigzustellen. Noah würde in der ganzen Welt unterwegs sein und sollte nur hin und wieder mit seiner Braut telefonieren oder ihr E-Mails schicken. Ach, und noch eins: Noah sollte die Verbindung zu Jules Brogan abbrechen, denn Morgan war extrem eifersüchtig auf diese Freundschaft, was ihrer Gesundung nicht dienlich war.

Er hatte zögernd zugestimmt. Doch eine Woche später, am Silvesterabend, hatte er Jules das erste Mal geküsst, aus Verzweiflung, weil er sie verlassen musste. Aber das allein war nicht der Grund gewesen. Ihm war plötzlich aufgefallen, dass die Kinderfreundin zu einer aufregenden jungen Frau herangewachsen war, die ihn auf eine Weise erregte, wie er es nie für möglich gehalten hätte. Er musste sie einfach küssen. Und von diesem Kuss träumte er noch immer.

Das half ihm jetzt jedoch auch nicht weiter. Es gab ganz andere Probleme. Sein Stiefvater wollte das Haus verkaufen, in dem Noah mit seinen Brüdern aufgewachsen war, und außerdem das Land, das seit hundertfünfzig Jahren im Besitz der Lockwoods war. Sein Großvater hatte den Club gegründet, seine Mutter war Geschäftsführerin gewesen und hatte darauf geachtet, dass das Land nur sparsam bebaut wurde.

Aber da war noch etwas gewesen … Noah schlug sich das Telefon auf den Oberschenkel, als ihm die Gerichtsentscheidung wieder einfiel. Genau, das war es, was ihn quälte! Er rief Eli an. „Du, Eli, wenn ich mich richtig an den Gerichtsbeschluss erinnere, haben wir das Vorkaufsrecht an dem kompletten Besitz. Nur wenn wir es nicht in Anspruch nehmen, kann Ethan sich an den freien Markt wenden. Wir haben drei Monate Zeit, und er muss uns das Ganze um zwanzig Prozent unter dem Marktwert überlassen.“

Eli stieß einen leisen Pfiff aus. „Oh, gut! Das hatte ich ganz vergessen. Aber ehrlich, Noah, selbst mit dem Rabatt werden wir das nicht stemmen können. Der Besitz ist viele Millionen wert.“

„Dann müssen wir eben eine Hypothek aufnehmen.“ Noah war fest entschlossen, alles zu tun, damit der Besitz bei den echten Lockwoods blieb.

„Aber zwanzig Prozent vom Kaufpreis müssen wir selbst aufbringen. Und das sind sicher ungefähr zwanzig Millionen. Ben und ich haben gerade viel Geld für den Katamaran und die Marina ausgegeben. Hast du zwanzig Millionen herumliegen?“

Noah lachte kurz auf. „Nicht unbedingt herumliegen. Ich kann mein Apartment in London verkaufen und meine Anteile an einer Firma in Italien. Aber mehr als acht Millionen werden nicht dabei rumkommen.“

„Okay, dann brauchen wir noch zwölf. Ben und ich können jeder eine Million lockermachen, indem wir Aktien verkaufen. Die stehen im Augenblick ganz gut.“

Noah war froh, dass die Brüder genauso dachten wie er. „Ich kann Aktien für ungefähr drei Millionen verkaufen. Bleiben aber immer noch sieben. Mist!“ Er seufzte tief auf. „Ich fürchte, es wird nicht klappen, Eli.“

Eli räusperte sich. „Vielleicht doch. Ich habe gehört, dass Paris Barrow sich eine Luxusjacht bauen lassen will. Bisher hat sie noch niemanden gefunden, der ihr einen passenden Entwurf macht und den Bau überwacht. Ich weiß, du machst so was nicht gern, aber in diesem Fall lässt du dich vielleicht überreden? Sie will etwa sechzig Millionen dafür ausgeben. Zehn Prozent ist doch wahrscheinlich deine Provision. Macht sechs Millionen. Und die letzte Million kriegen wir auch noch irgendwie zusammen. Was meinst du? Soll ich einen Termin für dich bei Paris machen?“

Noah überlegte kurz. Er hatte allerlei Projekte am Laufen, aber keins war geldmäßig groß genug, um die finanzielle Lücke zu füllen. Doch dies wäre bestens geeignet … „Ja, mach einen Termin für mich. Dann werden wir weitersehen.“

„Paris ist superreich und spielt eine große Rolle in der Bostoner Gesellschaft. Wenn du für sie arbeitest, musst du zurück nach Boston kommen. Auf Fernkontakte wird sie sich auf keinen Fall einlassen“, gab Eli zu bedenken.

„Ja, das ist mir klar. Habe ich auch nicht anders erwartet. Sag mir Bescheid, wenn du Näheres weißt. Bis dann.“ Noah beendete das Gespräch und starrte nachdenklich auf seine nackten Füße. Er freute sich darauf, in die Stadt zurückzukommen, die er vor zehn Jahren verlassen hatte, spürte aber gleichzeitig eine gewisse Beklemmung. Er würde seine Vergangenheit ins Auge blicken müssen. Doch er würde auch Levi, Eli, Ben, DJ und Darby wiedersehen.

Und Callie natürlich. Darauf freute er sich besonders.

Aber Boston … da war auch Jules, der einzige Mensch, zu dem er jemals echtes Vertrauen gefasst und dem er sich geöffnet hatte. Sie war seine beste Freundin gewesen, seine Vertraute, bis er alles verdarb, als er sie leidenschaftlich küsste und ihr dann aus dem Weg ging. Schlimmer noch, er verlobte sich mit einer Frau, die Jules zuwider war, und verschwand dann ganz aus ihrem Leben.

Er hatte nie wieder etwas von ihr gehört, also hatte sie ihm auch nach zehn Jahren noch nicht verziehen. Und wahrscheinlich musste er die Hoffnung aufgeben, dass das jemals geschehen würde.

Jules

Jules verzog wütend das Gesicht, als sie in die Einfahrt zu ihrem Elternhaus einbog. Denn vorm Nebenhaus, in dem die Lockwoods wohnten, steckte ein Verkaufsschild im Rasen. Darüber war sie so aufgebracht, dass sie beinahe das Motorrad gerammt hätte, das auf ihrem üblichen Parkplatz gleich neben der angebauten Garage stand.

Sie bremste scharf und sah noch einmal zum Nachbarhaus hinüber. Es sollte also wirklich verkauft werden? Offenbar hatten die Lockwood-Brüder dem Verkauf zugestimmt, was sie sehr wunderte. Denn sie liebten das Haus, da war sie ganz sicher. Aber bestimmt war es finanziell sehr aufwendig, ein solch großes Anwesen zu erhalten. Bei diesen alten Bauten fielen ständig irgendwelche Reparaturarbeiten an. Dennoch war ihr das Herz schwer. Hier hatte sie fast so viel Zeit verbracht wie in ihrem eigenen Elternhaus. Wie oft hatte sie Noah in seinem Zimmer besucht, und sie hatten viele Stunden damit verbracht, sich auszutauschen. Aber das war lange her. In der Zeit waren sie noch eng befreundet gewesen. Dann hatte er diese schreckliche Morgan kennengelernt. Aber zerstört hatte er ihre alte Freundschaft erst dadurch, dass er sie in jener Silvesternacht vor zehn Jahren wie wild geküsst hatte, sie, Jules, seine beste Freundin schon aus Kindertagen, seine Vertraute.

Der Kuss hatte sie sehr erregt, und sie hatte ihn nie vergessen können, denn es war bis dato der definitiv beste Kuss ihres Lebens gewesen. Schade nur, dass sie ihn ihrem einst besten Freund und aktuellem Mistkerl zu verdanken hatte …

Jules zog ihren Schlüssel aus der Handtasche und schloss auf. Nichts war zu hören, obgleich es erst kurz nach acht war. Aber ihre Geschwister hatten das Haus bereits verlassen. Sie selbst hatte ihr letztes Projekt im Napa Valley zwei Wochen vor der Zeit fertigstellen können und freute sich auf die freie Zeit. Seit sie vor fünf Monaten einen begehrten Preis als Innenarchitektin gewonnen hatte, war sie extrem gefragt. Aber ein paar Tage würde sie sich gönnen. Entsprechend hatte sie die neuen Termine festgelegt.

Die Ferien konnte sie gut gebrauchen. Noch steif von dem letzten Flug quer über den Kontinent ging sie langsam die Treppe hoch und ließ instinktiv die knarrende Stufe aus. Die hatte sie früher oft verraten, wenn sie als Teenager zu spät nachts nach Hause kam und sich daraufhin unweigerlich die Tür zum Elternschlafzimmer öffnete.

Sie ließ den Rollkoffer vor ihrer Zimmertür stehen und ging den Flur entlang in das große Bad, das gern von der ganzen Familie benutzt wurde, obgleich es außer diesem zwei weitere Bäder im Haus gab. Noch im Gehen zog sie ihr seidenes T-Shirt aus der Hose und über den Kopf. Sie öffnete die Badezimmertür, warf das Hemd zur Seite und blieb überrascht stehen. Jemand war in der Dusche. Ihr kam heißer Wasserdampf entgegen, und sie hörte Wasser rauschen. Das konnte nur Darby oder DJ sein, Levi war bestimmt schon im Büro. Sie drehte sich um und erstarrte. Durch die nur leicht beschlagenen Glasscheiben der Dusche war eindeutig jemand zu erkennen, der weder Darby noch DJ war. Bestimmt einen Meter neunzig groß, schlank und muskulös, aschblondes Haar, braune Augen, ein breiter Brustkorb, schmale Hüften und weiter unten … ein eindeutig erregter Mann, dessen Erregung sich sichtbar steigerte, je länger er sie betrachtete. Denn er hatte ebenso gute Sicht wie sie, was er eindeutig ausnutzte.

Noah … Er war wieder da, stand nackt unter der Dusche und sah aus wie ein griechischer Gott!

Jules ließ langsam ihren Blick über diesen prachtvollen Körper wandern und sah Noah dann in die Augen. Ihr wurde heiß, was nichts mit dem Wasserdampf zu tun hatte, sondern mit dem, was sie in seinen Augen sah. Ungezügeltes Verlangen. Sie erbebte, und der Mund wurde ihr trocken. Sie wollte sich umdrehen und den Raum verlassen, zumindest nach einem Handtuch greifen, aber die Füße gehorchten ihr nicht. Sie konnte nicht atmen, sie konnte nicht denken, sie sehnte sich nur danach, ihn zu berühren. Aber das ging nun wirklich nicht. Zehn Jahre hatten sie sich nicht gesehen, hatten kaum voneinander gehört, wussten also so gut wie nichts voneinander. Sie hatte keine Ahnung, was inzwischen in seinem Leben passiert war. Vielleicht war er verheiratet und hatte drei Kinder … Also stand sie da wie angewurzelt und betrachtete ihn fasziniert, langsam von oben bis unten.

Noah konnte sich offenbar bewegen, denn er drehte das Wasser ab, strich sein Haar zurück und trat aus der Dusche. Er blieb auf dem Badeteppich stehen, stemmte die Hände in die Seiten und sah Jules schweigend an. Erst nach endlosen Sekunden trat er vor sie hin, legte ihr eine nasse Hand an die Wange und strich ihr sanft mit dem Daumen über die Unterlippe. Er roch nach Seife, Shampoo und Mann und dachte offenbar gar nicht daran, sich mit einem Handtuch zu bedecken. Jules spürte, wie sich seine Erregung auf sie übertrug. Ihre Glieder wurden schlaff vor Verlangen, und sie zwang sich, die Hände hängen zu lassen, so gern sie ihn auch berühren wollte. Jetzt tippte er mit seiner heißen Spitze gegen das Gummiband ihres knappen Slips. Ihre Brustspitzen stellten sich auf und drückten gegen das dünne Material ihres BHs.

Wie hypnotisiert blickte sie ihm in die Augen, während er den Kopf neigte, näher kam und ihr seine Lippen auf den Mund presste. Gleichzeitig umfasste er ihre nackte Taille, strich über ihren Rücken und zog sie fest an sich. Und sie kam ihm entgegen, erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich, konnte nicht anders … So standen sie minutenlang umschlungen da und küssten sich, als müssten sie die vergangenen zehn Jahre nachholen. Noah war muskulöser als früher und wusste genau, was er wollte. Ohne zu zögern schob er ihr die BH-Träger über die Schultern und legte die Hände auf ihre nackten Brüste.

Oh, ja … Jules’ Atem kam schneller, und sie schloss die Augen. Sie musste Noah berühren, über seine heiße Haut streichen, ihn umfassen in seiner ganzen harten Länge …

Doch als sie seine Hand zwischen den Beinen spürte, riss sie die Augen wieder auf. Himmel, was geht hier vor? Entsetzt trat sie einen Schritt nach hinten und stieß Noah mit beiden Händen zurück, als er ihr folgte. Sie blitzte ihn wütend an. „Was soll das, Lockwood? Du kannst doch nicht so einfach wieder in meinem Leben auftauchen und mich küssen, als sei nichts geschehen! Hast du wirklich geglaubt, wir beide würden hier nackt auf dem Badezimmerboden …?“

„Wieso nicht, ich bin doch schon nackt.“ Noah musterte ihre gerötete Haut, die harten Brustwarzen und ihren weichen rotgeküssten Mund und lächelte „Ja, irgendwie sieht es so aus, als hätten wir beide nichts dagegen.“

Jules wollte sich empören, aber außer „Ich … du … Mist!“, brachte sie nichts heraus.

Noah griff nach einem Handtuch und legte es sich betont langsam um die Hüften. Er grinste und sagte herausfordernd: „Na, ärgert es dich sehr, dass wir einander noch genauso begehren wie früher?“

Jules fluchte leise und wollte den Raum verlassen. „Jules?“ Sie drehte sich um. Er stand da, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. „Ich freue mich sehr, dich wiederzusehen.“

Sie presste die Lippen zusammen, schüttelte den Kopf und floh aus dem Bad in ihr Zimmer. Sie knallte die Tür zu und blieb verwirrt stehen. Was war da eben passiert? Hatte sie sich das alles eingebildet? Dann blickte sie an sich herunter, auf ihre nackten Brüste, die aufgerichteten Nippel. Nein, sie hatte nicht einen ihrer Sexträume gehabt.

Noah war tatsächlich wieder da.

War das etwa die Strafe dafür, dass sie mit dem Projekt früher fertig geworden war? Das Schicksal war unfair. Denn nun hatte sie keinen anderen Wunsch, als wieder nach Napa Valley zurückzukehren, doch ihr fiel leider kein vernünftiger Grund ein. Jules zerbrach sich den Kopf, aber das Projekt war wirklich total abgeschlossen, und die Termine für das nächste waren bereits abgesprochen. Der Kunde war sehr zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen und der Scheck bereits auf ihrem Konto gelandet.

Nach drei Monaten in Kalifornien hatte sie sich riesig gefreut, wieder nach Hause zu kommen. Endlich konnte sie die Kisten auspacken und sich mit Darby und DJ besprechen, die ihre Geschäftspartner in der gemeinsamen Firma Winston and Brogan waren. Ihre Zwillingsschwester Darby war Architektin, Jules also Innenarchitektin, und ihre Freundin DJ managte das Geschäftliche. Natürlich hatte sie mit den beiden auch während der drei Monate häufig telefoniert und geskypt. Aber sie sehnte sich danach, sie endlich wieder in die Arme zu schließen, mit ihnen morgens beim Frühstückskaffee zu besprechen, was anlag, und abends mit einer kalten Flasche Wein den Tag zu beschließen.

Seltsam eigentlich, dass keine der beiden ihr mitgeteilt hatte, dass Noah wieder da war. Die letzte Mail hatte sie doch heute Morgen noch per Smartphone erreicht.

Schnell zog sie sich an und versuchte dann, Darby oder DJ anzurufen. Leider kriegte sie jeweils nur den Anrufbeantworter zu fassen. Bevor sie sich auch noch bei Levi beschweren konnte, klingelte ihr Telefon. Ihre Mutter. „Hallo, Mom. Rate mal, wen ich hier im Haus vorgefunden habe“, sagte sie sarkastisch. „Du wusstest doch sicher auch nicht, dass Noah wieder zurück ist, oder?“

„Ach, du Schreck, du hast ihn angetroffen und hattest keine Ahnung!“

In der Dusche, nackt und sexy. Und er hat mich geküsst … „Ja, allerdings.“

„Ich hatte deine Geschwister gebeten, dich zu informieren“, sagte Callie kleinlaut.

Klirren und Gelächter im Hintergrund ließen Jules aufhorchen. „Wo bist du, Mom?“

„In einem entzückenden Coffeeshop in der Nähe vom Fitness-Center. Tolles Ambiente und fantastischer Kaffee …“

„Und der Besitzer sieht sehr gut aus!“, warf eine tiefe Stimme ein, und Callie lachte hell und etwas geziert auf.

Was war das? Flirtete Mom etwa? „Stimmt das, Mom?“

„Ich glaube schon. Aber er ist viel zu jung für mich.“

„Das ist nicht wahr.“ Wieder diese tiefe weiche Stimme. „Was sind schon zehn Jahre. Tun Sie mir den Gefallen, und überreden Sie Ihre Mutter, mal mit mir auszugehen.“

Unwillkürlich musste Jules lachen, als ihre Mutter den Mann leise zurechtwies. „Warum nicht, Mom? Macht sicher Spaß.“

„Darüber will ich jetzt nicht mit dir reden“, wiegelte Callie ab. Da sie normalerweise alles mit ihren Töchtern besprach, war Jules klar, dass der Mann einen größeren Eindruck auf sie machte, als sie zugeben wollte. „Wie findest du es denn, dass Noah wieder in Boston ist?“, fragte Callie, um das Thema zu wechseln.

Aufregend, verrückt, scharf, atemberaubend … Jules stieß ein verkrampftes Lachen aus. „Okay. War doch klar, dass er irgendwann wieder nach Hause kommt.“

„Und dabei bleibst du so ruhig? Bist du wirklich über ihn hinweg? Ich hatte den Eindruck, dass du seit Jahren Angst vor diesem Tag hast. Weil du nicht weißt, wie du ihm begegnen sollst.“

„Sei nicht albern, Mutter.“

„Du kannst mir nichts vormachen, Jules. Dir ist doch klar, dass du dich jetzt entscheiden musst. Entweder du streichst ihn aus deinem Leben, oder du verzeihst ihm.“

„Ich habe ihm nichts zu verzeihen.“ Na ja, ein paar kleine Sachen vielleicht. Dass er sich mit einer Frau verlobt hatte, die er nicht liebte. Dass er Jules am Silvesterabend wie wahnsinnig geküsst und definitiv begehrt hatte, aber trotzdem die Verlobung nicht löste. Dass er einfach aus ihrem Leben verschwunden war und sich auch, nachdem er sich von Morgan getrennt hatte, nicht mehr meldete.

Innerhalb von sieben Jahren hatte sie die beiden Männer verloren, die sie am meisten liebte. Ihren Vater Ray, der eigentlich immer kerngesund gewesen war und dann plötzlich und unerwartet einem Herzinfarkt erlag, und Noah, der sich einfach aus dem Staub gemacht hatte. Noch nicht einmal zur Beerdigung des Vaters war er gekommen, um bei ihr zu sein und sie zu trösten. Er wusste besser als jeder andere, was Dad ihr bedeutet hatte. Sie war enttäuscht, obgleich es unfair war, denn Noah steckte damals mitten in einer internationalen Segelregatta und hätte gar nicht kommen können.

„Für mich keinen Kaffee mehr, Mason“, hörte sie ihre Mutter sagen.

Jules tauchte aus ihren Gedanken auf. „Mason, ein hübscher Name“, sagte sie schnell. „Ist er sexy? Wenn er für dich zu jung ist, passt er vielleicht zu mir.“

„Er ist viel zu alt für dich und außerdem nicht dein Typ!“

Oha, dieser Mason war Mom also wirklich nicht gleichgültig. Gut, wurde Zeit, dass sie ihr Leben in die eigenen Hände nahm. „Ich habe eigentlich gar keinen bestimmten Typ, Mom.“

„Aber natürlich hast du einen. Dein Typ ist groß und schlank, aschblond, hat braune Augen und einen Körper, der jeden Bildhauer schwach macht.“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Ich bin alt, Jules, aber nicht tot. Ich weiß immer noch ziemlich genau, was sexuelle Anziehung ist. Und was dich in den vergangenen zehn Jahren gequält hat. Noah sieht fantastisch aus. Die Situation zwischen ihm und dir muss endlich geklärt werden.“

Wieso das denn? Noah hatte seine Gefühle doch sehr deutlich gemacht, als er einfach aus ihrem Leben verschwand, ohne sich auch nur von ihr zu verabschieden. Nach allem, was sie verbunden hatte. In seinen E-Mails an die Familie, die sie natürlich auch las, erwähnte er nie etwas Persönliches, machte aber sehr witzige und treffende Bemerkungen über die Menschen, die ihm begegneten. Und das waren zum Teil sehr skurrile Typen. Doch diese allgemeinen Bemerkungen und Beobachtungen waren Jules nicht genug, sie hoffte auf ein privates Wort. Da das nicht kam, hatte sie nie geantwortet.

„Mom, nun hör doch endlich auf!“ Schweigen, und Jules wusste, dass ihre Mutter sauer war. „Versteh doch, es ist eine Sache zwischen Noah und mir und geht dich nichts an.“ Sofort hatte sie wieder ein schlechtes Gewissen, weil sie die Mutter angefahren hatte. „Ich weiß, dass du mich liebst. Aber du musst mir vertrauen und akzeptieren, dass ich meine eigenen Entscheidungen fällen kann.“ Gelogen, total gelogen. Ihm aus dem Weg gehen, das war das Einzige, was ihr einfiel.

„Das Problem ist, dass ihr beide so dickköpfig seid, mein Liebes. Aber ihr müsst euch endlich aussprechen. Dieser kalte Krieg geht mir ziemlich auf die Nerven.“ Klick.

Mom hat aufgelegt, dachte Jules verblüfft, das sah ihr gar nicht ähnlich. Aber umso besser. Das war wirklich eine Sache, die sie nichts anging. Doch wie alle Mütter würde sie das wohl nie einsehen.

Jules hörte, wie sich die Badezimmertür öffnete und Schritte in Richtung ihres Zimmers kamen. Sie sprang auf. Schnell griff sie nach ihrer Tasche und stürzte aus der Tür – und wäre fast gegen Noah geprallt. Immer noch war er nackt bis auf das Handtuch, das ihm tief auf den Hüften hing.

„Ich … ich verlasse jetzt das Haus“, stieß sie hervor und drängte sich an ihm vorbei. „Wenn ich wiederkomme, möchte ich, dass deine Sachen aus meinem Zimmer verschwunden sind.“

„Entschuldige, aber Levi hat mir gesagt, du würdest erst in zwei Wochen zurückkommen. Er hat darauf bestanden, dass ich hier wohne, als er mich gestern vom Flugplatz abholte. Aber keine Angst, ich suche mir ein Hotelzimmer oder schlafe auf dem Boot.“ Das Boot war eine kleine, aber luxuriöse Jacht, die ursprünglich seinem Urgroßvater gehört hatte und die Noah sehr liebte.

„Wie lange willst du denn bleiben?“

„Ich weiß noch nicht. Einen Monat, vielleicht zwei Monate.“

Na wunderbar … Vier oder acht Wochen sollte sie nicht zur Ruhe kommen und jedes Mal fast in Ohnmacht fallen, wenn sie ihn sah … Als ob ihr Leben nicht schon stressig genug war. Sie konnte damit nicht umgehen, jetzt nicht, heute nicht, nie. Begierde, Kummer, Enttäuschung, Leidenschaft, wie sollte sie das ertragen, wenn sie doch eigentlich nichts anderes wollte, als ihm in die Arme zu sinken und ihm zu sagen, wie sehr sie ihn vermisst hatte, Noah, ihren besten Freund. Und wie sehr sie sich danach sehnte, ihn, Noah, den erwachsenen und erfahrenen Mann, kennenzulernen …

Sie lief zur Treppe und schnell die Stufen hinunter. Sich aussprechen, Mom. Leichter gesagt als getan.

2. KAPITEL

Callie

Nach einem kurzen und etwas angespannten Gespräch mit Levi ließ Callie sich auf einen der bequemen Stühle sinken und stützte den Kopf in die Hände. Levi hatte schließlich zugegeben, dass keiner von ihnen Jules über Noahs Ankunft oder temporäre Unterkunft informiert hatte. „Hätte ich es bloß selbst getan“, murmelte Callie vor sich hin. Sie wusste, wie empfindsam Jules in Bezug auf Noah war, wenn auch nicht, was eigentlich zwischen den beiden vorgefallen war.

Eine große Hand legte sich leicht auf ihren Kopf, und Callie sah hoch. Mason lächelte sie aufmunternd an. Mit seinem dunkelbraunen Haar, das nur an den Schläfen ein wenig grau war, kaum Fältchen um die blauen Augen und einer straffen Figur sah er jünger aus als fünfundvierzig. Er war sexy und charmant und konnte sicher jede Frau haben. Warum ist er dann ausgerechnet an mir interessiert? fragte sich Callie nicht zum ersten Mal.

Er schob ihr einen Caffè Latte hin und setzte sich ihr gegenüber. Dass er sie durch seine bloße Gegenwart nervös machte, besser gesagt, sie ein tiefes sexuelles Verlangen spüren ließ, ärgerte Callie. „Habe ich dich gebeten, dich zu mir zu setzen?“

Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein.“ Er legte seine kräftigen Unterarme auf den Tisch und beugte sich vor. „Was ist los?“

Sie sollte seine Frage übergehen, aber dann hatte sie doch den Wunsch, mit jemandem zu reden, der nicht zu ihrem nervigen Familienclan gehörte. „Ich habe mich mit meiner Tochter gestritten.“ Sie sah ihn über den Becherrand hinweg an und hatte plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courage. Die inneren Angelegenheiten der Familie gingen ihn wirklich nichts an. „Sie hat gefragt, ob sie sich nicht mit dir verabreden könnte. Sie ist groß und schlank, hat dunkles langes Haar und die schönsten hellblauen Augen, die du je gesehen hast.“

„Das kann ja gut sein. Aber ich bin momentan mehr an einer zierlichen Blonden mit kurzem Haar interessiert.“ Als Callie sich suchend im Raum umsah, lachte er auf. „Ich meine dich! Mit dir möchte ich ausgehen.“

Es hörte sich an, als sei es ihm ernst. Was steckte dahinter? „Das willst du doch gar nicht, Mason.“

„Ich bin erwachsen und weiß sehr genau, was ich will“, sagte er leise und bestimmt.

Callie stieg eine leichte Röte in die Wangen. Ihr wurde heiß. Himmel, sie war schon so lange nicht mehr in einer solchen Situation gewesen, dass sie nicht mehr wusste, wie man reagierte. Zum ersten Mal seit über dreißig Jahren sehnte sie sich danach, einen Mann zu küssen, der nicht ihr Ehemann war, und war neugierig auf den Körper eines Fremden. Aber was hatte sie zu bieten? Ihre Brüste waren nicht mehr so straff wie früher, um die Taille herum hatte sie etwas angesetzt, und auch die Hüften waren rundlicher.

In Masons Gegenwart fühlte sie sich unsicher und, schlimmer noch, alt. Schließlich war sie zehn Jahre älter als er. Was wollte er von ihr? Wusste er, dass sie reich war? Brauchte er Geld? Oder sehnte er sich nach einem Muttertyp?

„Erzähl mir von deiner Tochter“, sagte er und lehnte sich wieder zurück.

Gern. Wenn sie ihm von ihrer etwas komplizierten Familiensituation erzählte, würde er sicher gleich das Weite suchen. „Von welcher? Ich habe zwei eigene und eine angenommene. Außerdem vier Söhne, von denen einer mein eigener ist.“

Mason sah sie verdutzt an und runzelte die Stirn. Offensichtlich war er überfordert. Callie musste lachen. „Und du? Hast du Kinder?“

„Ja, zwei Jungs von fünfzehn und siebzehn.“

„Mein jüngster Sohn ist achtundzwanzig“, sagte Callie mit Nachdruck, um ihn wieder auf den Altersunterschied hinzuweisen.

Er grinste. „Ja, du bist wirklich uralt.“ Er stand auf, stellte sich hinter sie und beugte sich vor. „Und wenn du dich noch so wehrst, Callie, ich werde mit dir ausgehen“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Oh Gott, er war so nah, dass sie seine Körperwärme spüren konnte. Und diese leise dunkle Stimme …

„Und da ich schon mal dabei bin“, fuhr er fort, „kann ich dir auch gleich sagen, dass ich mit dir schlafen werde. Ich weiß noch nicht, wann, aber es wird geschehen.“

„Aber ich will nicht … ich kann nicht. Ich bin noch nicht so weit …“

„Es muss ja nicht heute sein. Aber irgendwann. Und dann … wow! Dann geht ein Feuerwerk ab!“

„Du bist dir deiner ja sehr sicher. Hast wohl reichlich Erfahrung.“ Der eigene Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren.

„Ein bisschen schon. Aber ich weiß, dass es mit dir etwas ganz Besonderes sein wird.“ Er drückte ihr einen Kuss aufs Haar. „Gewöhn dich nur schon an den Gedanken. Und noch etwas. Misch dich nicht in das Leben deiner Kinder ein. Mit Ende zwanzig und mehr können sie ihre eigenen Entscheidungen fällen.“

Er ging, und Callie sah ihm empört hinterher. Wie kam er dazu, ihr gute Ratschläge zu erteilen? Und wie konnte er es wagen, ihr zu sagen, dass er mit ihr schlafen würde? Ging er etwa davon aus, dass sie sofort schwach werden würde? Ganz schön arrogant. Aber er hatte einen knackigen Hintern, das musste sie ihm lassen …

Noah

Noah hätte Paris Barrow lieber in ihrem Büro aufgesucht. Aber vielleicht hatte sie gar keins? Und empfing nur in ihrem Luxusapartment? Doch die exzentrische Dame hatte darauf bestanden, ihn im April zu treffen, einer Bar in der Charles Street. Jetzt am Nachmittag war es dort hoffentlich einigermaßen leer, sodass er mit Paris ein paar wesentliche Details besprechen konnte. Wie groß sollte die Motorjacht sein, wie viel PS sollte der Motor haben – er brauchte ein paar Anhaltspunkte, bevor er mit dem Entwurf beginnen konnte. Und dann musste sie auch noch den Vertrag unterzeichnen, damit er sicher sein konnte, auch entsprechend bezahlt zu werden. Denn Paris, das hatte er nach ein paar Telefongesprächen festgestellt, hatte ein ziemliches Spatzenhirn und war nicht sehr zuverlässig …

Noah trat in die Bar und sah sich kurz um. Paris Barrow war noch nicht da. Er bestellte ein Bier, setzte sich auf die gepolsterte Bank in einer Nische und legte den Ordner neben sich. Dies war sein zweiter Tag in Boston, und schon hatte er das Gefühl, nie weg gewesen zu sein. Nachdem Jules ihn aus dem Haus geworfen hatte, hatte er die letzte Nacht auf der familieneigenen Jacht verbracht, wo Levi und die Brüder ihm mit reichlich Bier Gesellschaft leisteten. Glücklicherweise fragte keiner, warum er so schnell aus dem Haus ausgezogen war. Denn er hatte weiß Gott keine Lust, über Jules und die verkorkste Vergangenheit zu reden.

Die Kellnerin brachte das Bier. Noah nahm einen tiefen Schluck und musste daran denken, wie Jules plötzlich halbnackt vor ihm gestanden hatte, als er aus der Dusche kam. Sie hatte ihn wie eine Fata Morgana angestarrt, verblüfft, aber durchaus erregt. Es war wie in seinen verschwitzten Träumen gewesen, nur dass es die Wirklichkeit war. Das Haar lag ihr weich auf den Schultern, sie war schlank und hatte doch erstaunlich volle Brüste, deren dunkle Spitzen durch den rosa Spitzen-BH deutlich zu sehen waren.

Dann hatte er den Fehler gemacht und ihr in die Augen geschaut. Und was er da gesehen hatte, machte ihn jetzt noch hart. Erst Erstaunen, dann eine gewisse Unsicherheit, schnell abgelöst von eindeutigem Verlangen. Sie musterte ihn von oben bis unten. Und er wusste genau, was ihr dabei durch den Kopf ging. Denn er empfand ja das Gleiche. Er begehrte sie wie wahnsinnig, sehnte sich nach ihrem Kuss, wollte sie überall berühren, sie erregen, bis sie ihn anflehte, zu ihr zu kommen.

Was damals an jenem Silvesterabend mit dem Kuss begonnen hatte, war immer noch sehr lebendig, auch nach zehn Jahren. Als er sie gestern küsste, wäre er am liebsten sofort mit ihr unter die Dusche gegangen, hätte sie vollständig ausgezogen und leidenschaftlich geliebt, fest gegen die Wand gepresst, ihre schlanken Beine um seine Hüften …

„Noah? Noah?“

Er schreckte aus seinen Träumen hoch und blickte in Paris’ blaue Augen. Zögernd stand er auf – hoffentlich bemerkte keiner seine Erregung – und gab ihr die Hand. Für über sechzig sah sie erstaunlich jung aus. Beeindruckend, was die moderne Schönheitschirurgie so fertigbrachte.

Sie setzte sich ihm gegenüber und legte ihre Designertasche auf den Tisch. Sie winkte dem Bartender, und nachdem sie sich einen Martini bestellt hatte, lehnte sie sich zurück und musterte Noah neugierig. „Ich habe gehört, dass Sie mal mit Morgan Blake verlobt waren.“

Auch das noch … Noah verzog keine Miene und wartete darauf, dass sie fortfuhr. Was sie auch tat, und zwar mit Begeisterung. „Ich habe ihr erzählt, dass Sie mir einen Entwurf für eine Motorjacht machen …“ Sie beobachtete ihn lauernd.

„Das ist durchaus möglich“, erwiderte Noah freundlich lächelnd. „Aber bisher haben wir noch keinen Vertrag unterschrieben, und ich habe auch noch keine Anzahlung gesehen. Also sind wir eigentlich noch im Verhandlungsstadium.“

Paris krauste kurz die Nase, öffnete ihre Tasche und nahm ein schmales Lederetui heraus. Darin waren das Scheckbuch und ein goldener Füllfederhalter. Während sie das Scheckbuch öffnete, sah sie Noah an und hob fragend eine Augenbraue. Er nannte eine Summe und sah mit klopfendem Herzen zu, wie sie den Scheck ausschrieb und ihm reichte. Offenbar überraschte sie die Summe nicht. Er steckte ihn ein und nahm dann den Vertrag aus dem Ordner. Auch den unterschrieb sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Noah hätte am liebsten gejubelt. Ein Riesenstein fiel ihm vom Herzen. Die Anzahlung hatte er schon, den großen Rest würde er bekommen, wenn sie seinen endgültigen Entwurf akzeptierte.

Sie steckte den goldenen Füller wieder ein. „Können wir jetzt über Morgan reden?“

„Nein.“

„Aber warum denn nicht?“, schmollte sie.

„Weil wir über Wichtigeres zu sprechen haben. Ich muss wissen, was Sie sich für Ihre Jacht in etwa vorstellen, Größe, PS-Stärke, Kabinen, Bruttoregistertonnen und vieles mehr. Sonst kann ich Ihnen keinen Entwurf liefern.“

Paris machte eine gelangweilte Handbewegung. „Entwerfen Sie mir etwas Superschönes im Rahmen des Budgets, das Ihnen zur Verfügung steht. Ich habe gehört, dass Sie sehr viel Talent und tolle Ideen haben. Die Leute sollen vor Neid platzen, wenn sie meine Jacht sehen. Darauf kommt es mir an. An Einzelheiten bin ich nicht interessiert.“

Ideal, dachte Noah. Also hatte er grünes Licht und konnte tun, was er wollte. Hoffentlich wurde Paris nicht plötzlich zu einer nörgeligen Kundin, die sich an Kleinigkeiten festbiss und an allem herumzumeckern hatte. Na ja, wenn, würde er sie schon zur Vernunft bringen. Er gab ihr die Vertragskopie, die sie nachlässig in ihre Tasche stopfte. Dann bestellte sie sich einen zweiten Martini und sah Noah erwartungsvoll an. „Nun zu Morgan.“

Sie lässt wirklich nicht locker. „Ich möchte mit Ihnen lieber nicht über mein Privatleben sprechen, Paris. Sie sind schließlich meine Kundin. Und Privates und Berufliches halte ich streng auseinander.“

Paris wischte seinen Einwand beiseite. „Ach, bitte, Noah! Liebesgeschichten sind mein Schönstes, und ich mische mich zu gern in Dinge ein, die mich nichts angehen. Daran werden Sie sich gewöhnen müssen.“

Ganz sicher nicht … „Es gibt keine Morgan mehr für mich, Paris. Die Sache ist schon lange vorbei.“

„Ich habe aber den Eindruck, sie würde sehr gern wieder etwas mit Ihnen anfangen. Zumindest habe ich so was schon häufiger gehört.“

Da musste er wohl deutlicher werden. „Ich fürchte, meine Freundin hätte etwas dagegen, wenn ich wieder was mit Morgan anfinge.“

„Oh, Sie haben eine Freundin. Wer ist es denn? Kenne ich sie?“

Er hätte Jenna aus Kapstadt oder Yolande in London erwähnen können, beides interessante und schöne Frauen, mit denen er gelegentlich schlief. Aber unwillkürlich platzte er mit einem anderen Namen heraus und hätte sich hinterher am liebsten die Zunge abgebissen: „Jules Brogan …“

„Jules? Wie wunderbar!“ Paris war begeistert. „Ich kenne Jules. Sie hat schon für mich gearbeitet.“

Noah hätte sich am liebsten geohrfeigt. Wie hatte ihm das passieren können!

„Sie hat vor ein paar Monaten einen Preis als beste Innenarchitektin Bostons bekommen“, sagte Paris stolz. „Und sie ist Ihre Freundin?“

Wie man’s nimmt … „Wir kennen uns schon lange.“ Das zumindest stimmte.

Paris verzog die sorgfältig geschminkten Lippen zu einem breiten Lächeln. „Fabelhaft! Dann kann sie die Jacht ja einrichten.“

Oh nein! Das passte Noah nun gar nicht. „Theoretisch schon. Aber ich habe mein festes Team von Fachleuten in London, mit denen ich immer zusammenarbeite.“

Paris zog verärgert die sorgfältig gepflegten Augenbrauen zusammen und schob die Unterlippe trotzig vor. „Ich will aber Jules! Jemand anderes kommt gar nicht infrage! Wenn nicht, können Sie den Vertrag zerreißen und mir meinen Scheck zurückgeben.“

Noah begriff, dass Paris es gewohnt war, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. Leise seufzend lehnte er sich zurück und fixierte sein nerviges Gegenüber. „Sie erreichen wohl immer das, was Sie wollen?“

Paris nickte und grinste. „Oh, Darling, Sie haben ja keine Ahnung … Und was soll ich nun Morgan sagen?“

Noah stöhnte und bestellte sich einen doppelten Whiskey.

Jules

Ihr Telefon vibrierte mit einem dumpfen Ton. Halb neun Uhr morgens, Donnerstag, und Jules saß bereits vor ihrem Computer. Sie hatte sehr schnell festgestellt, dass Arbeit die einzig wirksame Ablenkung war, wenn sie sich nicht in Tagträumen verlieren wollte. Noah, nackt und nass und unverschämt sexy …

Also hatte sie sich nicht zwei Wochen Auszeit genommen, wie sie vorgehabt hatte, sondern sich gleich wieder in die Mühle eingespannt. Sie klickte einen Folder an, und schon erschien die Liste der heutigen Aufgaben auf dem Bildschirm. Sie seufzte leise, als sie sah, wie vollgepackt der Tag bereits war. Um neun würde sie sich kurz mit Darby und DJ zu ihrer morgendlichen Besprechung zusammensetzen. Dann traf sie sich mit Kunden, Zulieferern und Handwerkern. Um halb sechs Uhr abends hatte sie den letzten Termin, danach würde sie sich beeilen müssen, um rechtzeitig bei ihrer Kosmetikerin Dana zu sein. Der Termin dort hatte natürlich gar nichts mit einem blonden Beau mit braunen Augen zu tun, versuchte sie sich einzureden.

Sie nahm einen Schluck von ihrem jetzt kalten Kaffee, verzog das Gesicht und schob den Schreibtischsessel zurück, weil das Telefon sich immer noch meldete. Wer rief sie bloß schon so früh an? Sie blickte auf das Display, die Nummer kannte sie nicht. Dennoch musste sie das Gespräch annehmen, es konnte ein neuer Kunde sein.

„Jules Brogan.“

„Jules …“

Sie erkannte die Stimme sofort. Nur einer sprach ihren Namen so aus, dass ihr die Haut kribbelte. „Noah …“ Wie hatte sie sich früher gefreut, wenn sie seine Stimme hörte. Aber das waren kindische Reaktionen gewesen, und sie war kein Kind mehr, das Noah Lockwood anhimmelte. Auch kein Teenager mehr, deren Welt sich nur um ihn drehte. Und er war auch nicht mehr ihr bester Freund, dem sie alles anvertrauen konnte, sondern war ihr in den letzten zehn Jahren fremd geworden.

„Was willst du, Lockwood?“

„Ich muss mit dir reden.“

„Kommt mir bekannt vor. Genau das hätte ich von dir gern vor zehn Jahren gehört.“ Das klang verbittert, aber warum auch nicht. Nach dem leidenschaftlichen Kuss am Silvesterabend war er ihr aus dem Weg gegangen, hatte sich am Telefon verleugnen lassen und sich nicht einmal von ihr verabschiedet, als er das Land verließ.

Als sie seine erste E-Mail bekam, war sie überglücklich gewesen und las sie wieder und immer wieder. Bis sie feststellte, dass es eine Rundmail war, die er auch an die Familie und Freunde geschickt hatte. Und wenn er, was selten geschah, mal zu Hause anrief, fragte er nie nach ihr.

„Wir haben nichts zu bereden“, sagte sie knapp. „Das ist alles Vergangenheit. Wir sind jetzt erwachsen und können gelassen miteinander umgehen, wenn wir uns begegnen. Aber wir sollten nicht versuchen, irgendetwas wiederzubeleben, was längst vorbei ist.“

„Es ist nicht vorbei, Jules. Das hast du doch auch so empfunden, neulich bei unserem ersten Wiedersehen. Wir fangen gerade an, uns näherzukommen, und wissen noch nicht, wohin uns das führt“, sagte er leise. Ein kurzes Räuspern, und seine Stimme festigte sich. „Ich muss mit dir sprechen. Ich habe nämlich einen Job für dich.“

„So?“ Jules war schockiert. Wie kam er jetzt darauf? Glaubte er, sie hätte nicht genug zu tun? Heftig schüttelte sie den Kopf und dachte nicht daran, dass er das gar nicht sehen konnte. „Kann ja sein, aber ich arbeite nicht mit dir zusammen. Apropos Job, ich muss los.“

„Nicht auflegen, Jules, ich …“

Aber da hatte sie bereits die Verbindung unterbrochen und warf das Telefon auf den Schreibtisch. Mit ihm arbeiten? Nie im Leben!

Der Ausstellungsraum von Winston and Brogan diente den drei Eigentümerinnen auch als Besprechungszimmer. Normalerweise trafen Jules, Darby und DJ sich hier jeden Morgen, tranken ihren Kaffee und besprachen, was so anlag. So auch heute. Jules setzte sich auf einen der blau-weiß gestreiften Stühle und dachte daran, dass sie den Raum mal wieder umdekorieren sollten. Schließlich war der erste Eindruck für die möglichen Kunden entscheidend. Sie brauchten irgendetwas Auffallendes, Frisches und hatten schon häufiger darüber gesprochen. Auch heute war das das Thema.

„Cremefarben, rot oder funkelnd“, nahm sie die Diskussion auf und hob ihren Kaffeebecher.

„Funkelnde Farben“, erwiderte Darby, ohne von ihrem Smartphone hochzugucken. „Der Raum muss schon von außen auffallen, sodass die Leute stehen bleiben.“

„Das müsst ihr entscheiden.“ DJ konnte das Geschäftliche fantastisch managen und sehr gut mit Geld umgehen. Aber sie war keine Spur kreativ. Genau das machte ihr Team so erfolgreich. Darby entwarf die Häuser, Jules richtete sie ein, und DJ sah zu, dass sie auf ihre Kosten kamen.

Darby lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Jules bewunderte die bleistiftdünnen Absätze ihrer fleischfarbenen High Heels, mit einem herzförmigen Loch für den blutroten Nagel des großen Zehs. Die Schuhe musste sie sich unbedingt leihen. Als Zwillinge waren sie es gewohnt, ihre Sachen auszutauschen.

„Tina Harper, mit der wir zusammen auf dem College waren, ist schwanger. Im vierten Monat.“ Darby sah von ihrem Telefon hoch und lächelte, ziemlich gezwungen, wie Jules gleich auffiel. Jules fühlte mit ihr, denn sie wusste, warum Darby Probleme mit diesem Thema hatte. Als Teenager hatte ihre Schwester schwere Endometriose gehabt, und die Ärzte hatten ihr wenig Hoffnung gemacht, dass sie je ein Kind haben könnte. Das war in Darbys Fall besonders tragisch, weil sie sich sehr nach einem Baby sehnte, ob mit oder ohne Ehemann. Ein Leben ohne Kind konnte sie sich einfach nicht vorstellen.

„War sie nicht auch mal mit Ben zusammen?“, fragte DJ.

Darby zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Bei Ben gingen die Frauen ja ein und aus.“

„Das tun sie immer noch.“ Jules schüttelte lächelnd den Kopf. Ben war der jüngste der Lockwood-Brüder. Aber auch die beiden anderen, Eli und Noah, und sicher auch ihr eigener Bruder Levi hatten keine Probleme, Dates zu finden. Noah … schon bei dem Gedanken an ihn und den nassen wilden Kuss wurden ihr die Knie weich.

„Wie findest du es denn, dass Noah wieder da ist?“ DJ sah ihre Freundin neugierig an.

„Wieso? Normal.“ Wie auch den anderen Familienmitgliedern hatte Jules DJ als Erklärung für die Entfremdung damals nur gesagt, sie und Noah hätten sich auseinandergelebt. Das hatte ihr zwar keiner geglaubt, aber sie war die ganzen zehn Jahre dabei geblieben. Zwar war sie manchmal versucht gewesen, ihnen von dem Wahnsinnskuss am Silvesterabend zu erzählen, nur um zu sehen, wie sie reagieren würden. Aber sie hielt den Mund, weil sie wusste, dass die Brogans und die Lockwoods nur zu gern klatschten. Außerdem wäre die Fragerei dann weitergegangen. Warum habt ihr euch denn dann getrennt? Ihr hättet doch wenigstens ausprobieren können, ob eure Freundschaft Zukunft hat.

Genau das hatte Jules sich auch schon oft gefragt. Aber dann dachte sie daran, dass Noah gleich im neuen Jahr mit Morgan nach Las Vegas geflogen war, wahrscheinlich um die Verlobung zu feiern. Und dann hatte sie gehört, dass er sein Studium aufgegeben hatte und plötzlich Profi-Segler werden wollte. Sicher, er musste diese Entscheidungen nicht mit ihr diskutieren. Aber wie oft hatten sie über seine Pläne und seine Zukunftsträume gesprochen. In dieser Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr hatte er sich plötzlich verschlossen wie eine Auster, so als ob ihre lange Freundschaft ihm nichts mehr bedeutete.

Dass er und Morgan später nie heirateten, fand sie nicht weiter erstaunlich. Die beiden passten nicht zusammen. Aber er hatte zwei Jahre seines Lebens mit einer Pseudoverlobung vergeudet. Und nachdem er auf ihre Fragen nur Ausflüchte gemacht hatte und sich später gar nicht mehr meldete, hatte sie das Vertrauen in ihn total verloren.

Sie könnte nie wieder mit ihm befreundet sein, ihm nie wieder vertrauen. Und eine Liebesbeziehung ohne absolutes Vertrauen war für sie schlicht nicht vorstellbar.

„Hast du in Kalifornien einen Freund gehabt?“, fragte Darby.

„Nicht wirklich. Habe mich zweimal mit einem getroffen, aber die Sache hatte keine Zukunft, das haben wir beide schnell eingesehen. Schließlich leben wir auf entgegengesetzten Seiten des Kontinents.“ Jules traf sich generell zweimal mit einem Date, denn das erste Mal konnte man noch nicht viel sagen. Stellte sich der Mann als akzeptabel heraus, konnten es schon mal drei Monate werden. Länger hatte sie es noch nie ausgehalten. Unbewusst hatte sie wohl immer getestet, ob sie besser küssten als Noah. Zwei hatten seinen Standard fast erreicht, mit denen hatte sie dann auch geschlafen. Mit dem einen war sie noch ein paar Wochen zusammengeblieben. Der andere war zu seiner Ex zurückgekehrt.

Alles in allem hatte sie keine Beziehung gehabt, die länger als drei Monate dauerte, und jetzt war sie fast dreißig. Ganz schön traurig.

Natürlich hatte sie sich weiter mit Männern getroffen, immer in der Hoffnung, dass sie einen finden würde, der sie Noah Lockwood vergessen ließ. „Vielleicht sollte ich mal Internet-Dating versuchen“, fuhr sie lächelnd fort.

„Hör bloß auf!“ DJ war entsetzt. „Da findet man doch nur Verrückte und Loser. So was brauchst du nicht.“

...

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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Dani Wade
<p>Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...
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