Baccara Exklusiv Band 44

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VERLIEB DICH NIE IN EINEN COP von BEVARLY, ELIZABETH
Ob er sie jetzt wohl verhaftet? Sarah hätte nichts dagegen, denn der gut aussehende Polizist weckt ihre heißesten Fantasien. Doch nach einer traumhaften Liebesnacht macht sich Griffin rar. Ist es wirklich nur der Job, der ihn so in Beschlag nimmt?

EIN VERFÜHRERISCHER ANFANG von DAYTON, GAIL
Liebe? Ausgeschlossen! Sherry bittet Mike zwar, mit ihr eine Scheinehe einzugehen. Aber nur, um nicht den Mann heiraten zu müssen, den ihr Vater für sie vorgesehen hat. Mikes Millionen sind ihr egal. Gefühle auch. Bis sie zum ersten Mal in seinen Armen liegt ...

ERST EINE HEISSE NACHT - UND DANN? von BURNS, JULIET
Ein Interview mit dem Rodeostar Mark wäre der Durchbruch für die Reporterin Audrey. Nach einem Unfall meidet Mark die Öffentlichkeit. Also versucht es Audrey mit einem Trick. Ein Interview bekommt sie zwar trotzdem nicht. Aber dafür traumhafte Nächte voller Leidenschaft.


  • Erscheinungstag 02.04.2008
  • Bandnummer 44
  • ISBN / Artikelnummer 9783863495831
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

JULIET BURNS

ERST EINE HEISSE NACHT – UND DANN?

Vom Rausch des Ruhms in den Rausch der Leidenschaft! Als gefeierter Rodeostar führte Mark „Lone Cowboy“ Malone einst ein Leben im Luxus. Doch seit er nach einem Reitunfall seine Karriere beenden musste, lebt er völlig zurückgezogen auf seiner Ranch. Bis die Reporterin Audrey bei ihm erscheint. Und mit ihr die pure Leidenschaft!

ELIZABETH BEVARLY

VERLIEB DICH NIE IN EINEN COP

Griffin steckt in Schwierigkeiten. Dabei sollte er eigentlich welche lösen. Schließlich ist er Polizist. Doch er ist Sarah begegnet und hat mit ihr die schönste Nacht aller Zeiten verbracht. Es könnte das Paradies sein – aber es ist die Hölle, denn Griffin ermittelt gegen Sarahs Bruder. Und könnte dadurch die Liebe seines Lebens gleich wieder verlieren.

GAIL DAYTON

EIN VERFÜHRERISCHER ANTRAG

Wow – was für ein Mann! Sherry muss schwer schlucken, als Mike halbnackt aus der Dusche kommt. Sie hat ihn in seinem exklusiven Club „La Jolie“ kennen gelernt und nur bei ihm übernachtet, weil ihr Vater sie aus dem Haus gewiesen hat. Sie sollte ihm wohl einiges erklären, doch stattdessen bittet sie ihn um seine Hand. Und am liebsten um den ganzen Körper!

1. KAPITEL

„Du hast mir so gefehlt, Kleine“, flüsterte eine tiefe Stimme, und gleichzeitig schmiegte sich ein kräftiger männlicher Körper direkt an Audreys Rücken.

Sie schrie auf und versuchte, sich zu befreien, aber der Griff um ihre Taille wurde nicht gelockert. Jemand küsste ihren Nacken. Audrey war wie gelähmt vor Schreck, sie konnte sich nicht rühren – und dennoch verspürte sie eine seltsame süße Erregung.

Dann packte der Mann ihre Schultern und drehte Audrey zu sich herum. „Ich brauche dich heute, Baby.“ Der Mann nuschelte, er war kaum zu verstehen, und sein Atem roch nach Bier. Aber seine Stimme klang so sehnsüchtig, dass Audrey gegen ihren Willen gerührt war. Und als er sie küsste, war sie nicht fähig, sich zu wehren.

Sein Mund war fest und unglaublich geschickt. Der Mann zog Audrey dichter an sich heran, mit einer Hand glitt er tiefer bis zu ihrem Po. In diesem Moment erwachte Audrey aus ihrer Erstarrung. Mit einem Ruck löste sie sich von ihm, stieß ihn vor die Brust und trat ihn gegen das Schienbein.

„Verdammt!“, schrie der Mann und packte sein Bein mit beiden Händen. Langes Haar bedeckte eine Hälfte seines Gesichts, aber Audrey sah, dass er die Augen vor Schmerzen zusammengekniffen hatte. „Das war doch wirklich nicht nötig.“ Seine Jeans und das Flanellhemd waren zerknittert und er unrasiert. Audrey überlegte, ob sie die Idee, sich hier als Haushälterin auszugeben, nicht besser fallen lassen sollte. Es gab doch bestimmt einen weniger komplizierten Weg, eine Festanstellung als Reporterin zu bekommen.

Ihre Hände zitterten. „Sie … Sie haben mich einfach so angefasst.“ Auch ihre Stimme war unsicher, und ihr Atem kam schnell und unregelmäßig. Das hier konnte doch nicht der berühmte Rodeochampion sein, den sie interviewen wollte.

Er hob die Augenbrauen. „Keine Angst. Ich werde Ihnen nichts tun.“

Erschrocken starrte sie ihn an, als sie die berühmten blauen Augen erkannte. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Mark Malone. Der Mann, der Lone Cowboy genannt wurde – der einsame Cowboy.

Der unzugängliche Rodeoreiter war vor fünf Monaten von einem Stier abgeworfen worden. Das Letzte, was die Öffentlichkeit von ihm gesehen hatte, war sein Abtransport aus der Arena auf einer Trage. Seit dem Tag hatte sein Agent jedes Interview verweigert. Audrey hatte sich Malone schon in einem Rollstuhl vorgestellt, wenn nicht in einem noch schlimmeren Zustand.

„Sie sind’s! Ich meine … Sie sind …“

„Ich bin wer?“ Mark rieb sich das schmerzende Schienbein. Jedenfalls erkannte er jetzt, dass die Frau vor ihm nicht Jo Beth war. Er hätte wissen müssen, dass Jo Beth sich nicht hier draußen blicken lassen würde. Nach seinem Unfall hatte sie sich den nächsten Rodeostar geschnappt. Mark hinkte zu einem Stuhl und ließ sich darauf fallen.

„Sie sind der Lone Cowboy.

Er verzog den Mund zu einem sarkastischen Lächeln. „Nicht mehr.“ Er betrachtete die ausgebeulte Trainingshose und das unordentliche Haar der Frau. Wie zum Teufel war sie hier hereingekommen? War sie ein verrückter Fan, eine Journalistin? Wer sonst würde ungeladen zu seiner Ranch kommen? „Und wer sind Sie?“

Sie hob die Augenbrauen. „Ich bin die neue Haushälterin“, sagte sie, wobei ihr Ton beim letzten Wort in die Höhe ging, als wollte sie ihm eine Frage stellen.

„Haushälterin? Mein Vormann hat nichts von einer neuen Haushälterin erwähnt.“ Wieder ließ er den Blick über ihre Figur gleiten, die von ihrem schlichten Trainingsanzug nicht ganz verborgen wurde. Sie war viel zu jung, zu …

„Vielleicht waren Sie zu betrunken, um sich an das Gespräch zu erinnern.“ Kaum hatte sie ausgesprochen, schnappte sie erschrocken nach Luft und schlug sich mit der Hand vor den Mund.

Ganz schön dreist! Mark sah sie finster an. Sie warf ihm vor, er wäre betrunken? Nach den Neuigkeiten, die er heute von seinem Arzt erfahren hatte, hatte er das Recht auf ein paar Biere gehabt. „Selbst wenn er Sie eingestellt hat, ich feure Sie hiermit. Ich will Sie nicht hierhaben.“ Wenn er sich den Rest seines Lebens mit ständigen Schmerzen abfinden musste, wollte er sich wenigstens in aller Ruhe betrinken können.

„John hat mich eingestellt. Sie können ihn fragen. Es tut mir leid, falls ich Ihnen wehgetan …“

„Falls? Lady, Sie haben mich fast …“ Er hatte sagen wollen, dass sie ihn fast zum Krüppel gemacht hätte, aber das war er ja bereits. „Sie sind gefährlich! Gehen Sie einfach dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind. Ich brauche keine Haushälterin.“

Sie drehte sich abrupt zu ihm um, die Hände auf den wohlgeformten Hüften. „Sie brauchen nicht nur eine Haushälterin, Sie brauchen ein Wunder!“ Und damit brauste sie an ihm vorbei und aus der Küche hinaus.

Geschafft. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass eine lästige dumme Gans wie die hier herumschnüffelte. Er griff nach einer Flasche Whiskey, ging in sein Arbeitszimmer und sackte in seinem Sessel zusammen. Er konnte genauso gut beenden, was er begonnen hatte. Sein verdammtes Bein brachte ihn um.

Eine halbe Stunde später hatte der Whiskey seinen Job aufs Beste erledigt. Mark spürte keine Schmerzen mehr und verfolgte mit halb geschlossenen Augen einen Film im Fernsehen. Plötzlich riss ihm jemand die Fernbedienung aus der Hand.

Er kam endgültig zu sich, als John den Fernseher abstellte. „Die neue Haushälterin hat gerade angerufen. Sie sagt, du hättest sie gefeuert.“

„Ich will sie nicht hierhaben. Sie ist zu … vorlaut.“ John war eher ein Vater für Mark als ein Vormann.

John seufzte. „Mark, wann hast du das letzte Mal richtig gegessen?“

Mark nahm ihm die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher wieder ein. „Ich bin okay.“

„Mag ja sein, aber ich nicht! Ich ertrage es nicht mehr, dich so zu sehen!“

Mark biss die Zähne zusammen und blickte stur auf den Bildschirm.

Aber John stellte sich entschlossen zwischen ihn und den Fernseher und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hör zu, mein Junge. Ich bin sehr geduldig gewesen. Das Schicksal hat dir übel mitgespielt, aber du musst das jetzt einstecken und weiterkämpfen.“

„Lass es gut sein, John“, brachte Mark mühsam hervor. Das Einzige, was er wirklich gut konnte und was ihn hatte vergessen lassen, wer er wirklich war, gab es nicht mehr. Und er wollte nur, dass man ihn endlich in Frieden ließ.

John schüttelte den Kopf und fluchte leise, was er nur sehr selten tat. „Wie du willst. Versteck dich vor der Welt. Aber wenn du möchtest, dass ich bleibe, dann bleibt die Haushälterin auch. Es sind schon zwei andere vor ihr gegangen, und das Haus muss in einem guten Zustand sein, wenn du es verkaufen willst. Wir können von Glück sagen, dass die hier nicht auch gleich wieder fortgerannt ist.“ John sah ihn eine Minute stumm an, seufzte resigniert auf und drehte sich zur Tür um.

Mark runzelte die Stirn. Würde John ihn wirklich im Stich lassen?

„John“, rief er ihm nach und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. „In Ordnung. Sie kann bleiben.“

Nachdem John sie zurückgerufen hatte, zog Audrey sich aus, ließ sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht, die Küche zu schrubben, und ihr tat jeder Muskel weh. Aber das war nicht der Grund, weswegen sie nicht einschlafen konnte.

Das Bild, das sie sich einmal von ihrem Helden gemacht hatte, konnte sie wohl ein für alle Mal vergessen. Würde sie die Story nicht so dringend brauchen, wäre sie sofort nach Dallas zurückgefahren.

Enttäuschung schnürte ihr die Kehle zu. Sie war am Morgen auf der Ranch des Lone Cowboy angekommen und hatte eine romantische Westernatmosphäre erwartet. Aber das Haus hatte eher an einen Saloon nach einer Schlägerei erinnert. Der Geruch nach verdorbenem Essen, schalem Bier und Zigarettenrauch hatte alle Räume durchzogen. Auf dem Küchentisch türmten sich überquellende Aschenbecher, leere Bierflaschen und Reste von Fast-Food-Gerichten.

Sie holte tief Luft, drehte sich auf die Seite und drosch auf ihr Kissen ein. Sie konnte einfach nicht glauben, dass der ungepflegte, betrunkene Kerl von vorhin derselbe Mann war, der sie vor so vielen Jahren gerettet hatte. Sie schloss die Augen und erinnerte sich an die Nacht, als sie ihm das erste Mal begegnet war …

Sie hatte es sich in der Box seines Hengstes gemütlich gemacht und schrieb an ihrem Artikel für die Schülerzeitung.

„He, Miss Piggy, bist du nicht im falschen Stall? Die Schweine sind da drüben!“ Den grausamen Worten folgte grobes Gelächter.

Audrey war zusammengezuckt und hatte die Spitze ihres Bleistifts abgebrochen. Oh nein, nicht schon wieder! Es waren dieselben Jungen, die sie vorhin an der Verkaufsbude verspottet hatten. Sie straffte die Schultern und stand entschlossen auf.

Die Jungen kamen näher und grinsten verächtlich.

Audrey presste ihren Notizblock an die Brust und zwang sich, nicht vor ihnen zurückzuweichen. „Verschwindet, ihr Blödmänner!“

Der Anführer runzelte die Stirn und kam drohend auf sie zu.

„Was macht ihr alle hier?“, ertönte plötzlich eine tiefe Männerstimme.

Die Jungen wirbelten herum. Ein hoch gewachsener, breitschultriger Mann blieb vor ihnen stehen. Audrey hielt den Atem an. Es war … Mark Malone.

Er trug ein langärmliges weißes Hemd, das sich über der Brust und den breiten Schultern spannte. Lederne Beinschützer schmiegten sich um seine muskulösen Schenkel und lenkten die Aufmerksamkeit auf die besonders maskuline Stelle seines Körpers, die von seiner Jeans bedeckt wurde.

Audrey war verzaubert.

„Das geht Sie nichts an, Mann“, sagte der Junge in der Mitte.

Mark Malone ließ den Blick von den Teenagern kurz zu Audrey schweifen und konzentrierte sich dann auf den Jungen, der gesprochen hatte. Er kniff die Augen leicht zusammen, und die Muskeln in seinem Kiefer spannten sich an.

Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er den Jungen am Hemd und zog ihn zu sich heran, sodass sie Nase an Nase standen. Er sagte leise durch zusammengebissene Zähne: „Ich verdiene mir mein Geld beim Rodeo mit Bullenreiten. Weißt du, was das bedeutet?“

Dem Jungen quollen fast die Augäpfel aus dem Kopf, und er schüttelte heftig den Kopf.

„Es bedeutet, dass es mir egal ist, ob ich lebe oder sterbe.“ Mark betonte jedes Wort, indem er am Hemd des Jungen zog. „Ich werde dich und deine Freunde liebend gern auf den Hof bitten und euch allen fünf den Hintern grün und blau schlagen, dass ihr drei Tage nicht sitzen könnt.“ Mark ließ den Anführer los, der zurücktaumelte und ihn anstierte, aber kein Wort hervorbrachte. Die Jungen wechselten betreten einige Blicke und machten sich dann hastig aus dem Staub.

Audrey nahm den Duft nach Seife und Rasierwasser wahr, als er näher kam. „Bist du okay?“, fragte er sanft.

Audrey hielt den Atem an, als sie in seine tiefblauen Augen sah.

Er nahm seinen schwarzen Stetson ab, und nun sah sie sein kastanienbraunes Haar, das ihm bis zum Hemdkragen ging. Auf seinem markanten Kinn zeigte sich ein Bartschatten. Mark streckte die Hand aus, so, wie er es auch in ihren Träumen getan hatte. „Es ist in Ordnung. Sie sind fort.“

Sie hatte gelernt, sich mit ihrem Gesicht, das wenig Reizvolles hatte, und dem pummeligen Körper abzufinden, aber in diesem Moment wünschte sie sich verzweifelt, sie wäre so schön und schlank wie ihre Schwestern. Ein vertrauter, dumpfer Schmerz setzte sich in ihrer Brust fest.

Als sie sich gefasst hatte und Marks große, schwielige Hand berührte, war es, als ginge ein Stromstoß durch ihren Körper.

„Komm, ich bringe dich zum Coliseum.“ Die Skyline von Fort Worth glitzerte hinter ihm, als sie zusammen zur Arena gingen. „Wie alt bist du?“

„Sechzehn.“ Viel zu jung für einen zwanzigjährigen aufsteigenden Rodeostar. Audrey blickte auf den staubigen Boden und schluckte. „Vielen Dank für das, was Sie eben getan haben.“

Als er nicht antwortete, sah sie schüchtern zu ihm hoch. Der Ausdruck in seinen Augen war seltsam müde und resigniert. „Dafür sind wir Helden schließlich da, oder?“

Sie wunderte sich über seinen sarkastischen Ton.

Mark legte die Hand auf ihren Arm, und Audrey erschauerte. „Komm, ich bring dich zurück.“

Plötzlich erklang eine schrille Stimme und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Mark! Es wird langsam spät, Liebling, und du hast mir versprochen, mich noch zu Billy Bob zu bringen.“

Mark ließ Audreys Arm los und sah zu einer schönen Brünetten hinüber, die offensichtlich auf ihn wartete. Er zuckte die Achseln und schüttelte Audrey zum Abschied kurz die Hand. „Du kommst doch jetzt auch allein zurecht, oder?“

Sie nickte, und er schenkte ihr noch ein letztes hinreißendes Lächeln und schlenderte davon …

Mark wachte kurz vor Morgengrauen auf, steif und verspannt vom Übernachten in seinem Sessel. Verdammt! Sein Wadenmuskel hatte sich verkrampft, und Mark beugte sich vor, um ihn zu massieren. Er stolperte unsicher ins Bad, um nach einem Aspirin zu suchen. Als er das Licht anknipste, schloss er stöhnend die Augen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, fuhr sich mit den Händen durch das Haar und zog seinem Spiegelbild eine Grimasse. Wasser tropfte von seinem Bart, und seine Augen waren so blutunterlaufen, dass sie mit den Äderchen darin aussahen wie winzige Straßenkarten.

Leicht zu verstehen, warum die Frau den Lone Cowboy nicht sofort erkannt hatte. Er hatte sich in den vergangenen Wochen wohl ziemlich gehen lassen. Kein Wunder, dass John enttäuscht war. Mark konnte sich ja selbst nicht ertragen.

Er schluckte die Tablette und verließ das Badezimmer, fiel aufs Bett und kniff die Augen vor dem Tageslicht zusammen, das durch die Jalousien drang. Die flüchtige Erinnerung an weiche Lippen, eine volle Brust und sauberen Zitrusduft stieg in sein Bewusstsein. Jetzt würde er bestimmt nicht mehr einschlafen können.

Hatte er die arme Frau gestern Abend tatsächlich befummelt? Dann war er wirklich tief gesunken. Er würde sich duschen, zu ihr gehen und sich bei ihr entschuldigen. Als er sich herumrollte, um sich aufzusetzen, stöhnte er auf und hielt sich den hämmernden Schädel.

Mit der Entschuldigung würde er warten müssen, bis die Kopfschmerztablette zu wirken begann.

Audrey kam langsam die Treppe hinunter. Als sie die Küche betrat, erinnerte sie sich wieder an Marks Kuss. Selbst betrunken war Mark hinreißend. Die Erinnerung an seinen Körper ließ sie erschauern vor Sehnsucht. Mark Malone hatte jedenfalls nicht den Eindruck gemacht, verletzt zu sein.

Sie zwang sich wieder in die Wirklichkeit zurück und setzte Kaffee auf. Dann konzentrierte sie sich darauf, Würstchen zu braten. Warum hatte er gestern Abend getrunken? Sie hatte nie gehört, dass ihm besonders viel an Partys lag. Selbst als sehr junger Mann hatte er immer ein absolutes Saubermann-Image gehabt. In einigen der damaligen Interviews hatte gestanden, dass er seinen Privatjet benutzte, um Waisenkinder zu den nationalen Rodeowettkämpfen zu fliegen, und dass er alten Wildpferden und Stieren auf seiner Ranch ein Zuhause gab.

Audrey knetete den Teig für die Brötchen und schob sie in den Ofen, dann öffnete sie den Kühlschrank. Ein Sechserpack Bier stand ganz vorn. Sie schob ihn beiseite und griff nach den Eiern. Mit seinen neunundzwanzig Jahren hatte Mark für einen Bullenreiter eine lange Karriere gehabt. Er hätte sich vermutlich auch ohne den Unfall bald zurückgezogen. Was für Verletzungen hatte er nur davongetragen?

Sie musste mehr in Erfahrung bringen. Und am besten fragte sie gleich seine Angestellten beim Frühstück.

„Tag.“ Ein älterer Mann mit einer großen Hakennase stand an der Hintertür. Er hielt Audrey seine rechte Hand hin, nahm gleichzeitig den Hut ab und kratzte sorgfältig an einem Eisen neben der Schwelle den Schmutz von den Stiefeln ab. „Willkommen auf der Double M. Ich bin John Walsh, der Vormann.“ Er räusperte sich. „Ich habe gestern Abend mit Ihnen telefoniert, glaube ich.“

„Ja. Guten Morgen.“ Audrey sah über seine Schulter zu den anderen Männern, die noch auf der Veranda standen. „Kommen Sie doch herein und setzen Sie sich. Das Frühstück ist fast fertig.“

Audrey machte Rührei und holte die Brötchen aus dem Ofen, während die Männer einer nach dem anderen hereinkamen und ihre Hüte an Holznägel neben der Tür hängten.

„Lassen Sie mich alle vorstellen.“ John wies auf die Männer, die um den Tisch herumstanden. „Jungs, das ist Miss Audrey Tyson.“ Er wies auf den Mann neben sich. „Miss Tyson, das hier ist Jim. Trauen Sie ihm nicht über den Weg. Er hat es faustdick hinter den Ohren.“

„Morgen, Ma’am.“ Jim hob grüßend die Hand.

Als Nächstes wurde ihr Dalt vorgestellt, der mit seinem blonden Haar, den schokoladenbraunen Augen und den Grübchen in den Wangen ein sehr gut aussehender Mann war. Er nahm ihre Hand in seine beiden und hob sie an die Lippen. „Ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Audrey“, sagte er mit verführerisch tiefer Stimme und einem genauso verführerischen Südstaatenakzent.

„Flirten ist nur in deiner Freizeit erlaubt, Dalt“, fuhr John ihn an.

Audrey stellte überrascht fest, dass auch eine Frau unter den Cowboys war. Ruth war allerdings über einsachtzig groß, hatte kurzes, lockiges dunkles Haar, das sehr schick geschnitten war, und sie trug Make-up, aber sie sah trotz allem aus, als könnte sie es mit jedem einzelnen der Männer aufnehmen.

Abgesehen von ihr handelte es sich bei den Cowboys alles in allem um einen netten, freundlichen Haufen hart arbeitender Männer.

Aber Mark Malone war heute Morgen nicht unter ihnen.

Audrey stellte Würstchen, Eier und Brötchen auf den Küchentisch, als plötzlich ein wunderschöner Collie zu ihr getrottet kam und freundlich mit dem Schwanz wedelte.

„Curley!“, tadelte John den Hund. „Raus aus der Küche, mein Junge.“

Der schwarzweiße Hund schmiegte sich an Audreys Beine, und sie hockte sich neben ihn und flüsterte: „Keine Sorge, Curley. Ich heb dir ein wenig vom Frühstück auf.“

Sie setzten sich alle, und Audrey wich hier und da einem Ellbogen aus, während sie geschickt die Kaffeetassen füllte. Sie beschloss, den Sprung sofort zu wagen. „Wie ist es denn, für den berühmten Lone Cowboy zu arbeiten?“

Eine seltsame Stille legte sich plötzlich über den Raum.

Na ja, sie kauten schließlich alle. Einen Moment wollte Audrey ihnen noch geben.

Aber eine Minute verging und noch eine, und keiner der Cowboys sah auf. Na schön. Vielleicht war es doch besser, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. „Er hat eine wirklich unglaubliche Karriere gehabt, nicht wahr? Die Vereinigung der Profi-Stierreiter möchte ihm einen Platz in ihrer Ruhmeshalle geben. Immerhin hatte er den Weltmeistertitel im Stier- und Wildpferdzureiten, mit und ohne Sattel. Und er hat mit dem Stierreiten erst nach dem Ende der High School angefangen.“

Jim sah sie an. „Sind Sie ein Rodeofan?“

Audrey nickte. „Mein Dad war 1973 selbst Weltmeister im Zureiten von Wildpferden.“

„Wirklich? Wie heißt er?“, fragte Dalt.

Jetzt machte sie endlich Fortschritte. So schwierig war das gar nicht. „Schon mal von Glenn Tyson gehört?“

„Nein“, meinte Dalt grinsend. „Wollte nur wissen, ob Tyson Ihr Mädchenname ist. Sie tragen zwar keinen Ehering, aber man weiß ja nie. Haben Sie einen Freund, Süße?“

Dalt machte sich ausgerechnet an sie heran? Er musste es wirklich sehr nötig haben in dieser hinterwäldlerischen Gegend. Selbst an ihren guten Tagen hatte ihr Aussehen noch nie jemanden zum Flirten verleitet. Wie sollte sie nur das Gespräch wieder auf Mark bringen? „Nun, ich spare mich für den Lone Cowboy auf. Er ist doch nicht verheiratet, oder?“ Gott, hatte sie das wirklich gesagt?

Jim verschluckte sich an seinem Kaffee, und die anderen Cowboys grinsten und lachten. Ruth sah Audrey an, als hätte sie gerade vorgeschlagen, Hannibal Lecter zu heiraten. „Audrey, meine Liebe. Verschwenden Sie lieber nicht Ihre Zeit“, warnte sie sie.

„Was heißt das? Hat er eine Freundin?“

Ruth schüttelte den Kopf. „Ich arbeite schon lange auf der Double M, und Mark hatte nie eine Beziehung, die länger als ein paar Monate dauerte. Er geht mit Frauen aus, aber er traut ihnen nicht.“

„Sie sind doch auch eine Frau“, wandte Audrey ein.

„Ja, aber ich bin nicht an seinem Herzen interessiert, sondern an seinen Rindern.“ Ruth lächelte und stand auf. „Was mich daran erinnert, dass es Zeit ist, zu ihnen zu gehen.“

Audrey dachte nach. Sie war auch nicht an seinem Herzen interessiert. Nur an seiner Lebensgeschichte. Sie wandte sich ab, ging zum Ofen und holte die Lunchpakete heraus, die sie vorbereitet hatte.

Ruth und die Cowboys nahmen jeder eine Tüte und verließen die Küche, steckten ihren Proviant in die Satteltaschen, stiegen auf und ritten davon. Audrey winkte ihnen von der Veranda aus nach und rieb sich in der kühlen Morgenluft die Arme. Wie hatte sie sich nur einreden können, dass sie ihr Ziel erreichen könnte?

Aus reiner Verzweiflung wahrscheinlich.

Zwei Jahre lang hatte sie bei der Zeitung auf ihre Chance gewartet. Aber damit war jetzt Schluss. Die neue Audrey würde sich nehmen, was sie haben wollte. Sie hob das Kinn, straffte die Schultern und erinnerte sich an ihren Entschluss, ihr Leben zu ändern. Sie hatte an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag allein zu Hause gesessen, die ereignislosen Jahre ihres Lebens betrachtet und beschlossen, neue Wege einzuschlagen.

Heute Abend beim Essen würde sie diskreter vorgehen. Wenn sie ein wenig geduldiger war, würden die Cowboys sich ihr vielleicht öffnen. Sie brauchte Informationen für ihre Story. Sie musste wissen, warum der Lone Cowboy sich vor aller Welt versteckte.

Nachdem sie einen riesigen Berg von Geschirr abgewaschen hatte, legte Audrey eine kleine Pause ein, bevor sie das Esszimmer in Angriff nehmen wollte. Sie schenkte sich ein Glas Eistee ein und ging auf die überdachte hintere Veranda hinaus. Sie atmete tief die frische, nach Kiefern duftende Luft ein, hörte dem Gesang der Spottdrossel zu und dem Wind, der durch die Bäume rauschte. Sie nippte an ihrem Tee und schloss die Augen. Osttexas war so friedlich. Kein Smog, kein lärmender Verkehr. Vielleicht würde ein Leben fern der Großstadt doch nicht so schlecht sein. Und sie war nur dreißig Meilen von Tyler entfernt, sollte sie sich mal verzweifelt nach einem Einkaufszentrum oder einem Kino sehnen.

Ein Geräusch, das aus der Küche kam, riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah durch die Tür und unterdrückte einen Aufschrei. Mark stand mitten in der Küche, ungeduldig und offenbar verdutzt. Was für ein beeindruckender Mann er doch war.

Sein Haar war noch feucht von der Dusche, und er trug eine saubere Jeans und ein sauberes kariertes Flanellhemd. Er war noch unrasiert, aber er war unglaublich sexy. Er strahlte eine so überwältigende männliche Energie aus, dass Audrey erschauerte. Aber seine Augen waren auch heute blutunterlaufen und voller Schmerz.

Mühsam brachte sie ein fröhliches Lächeln zustande. „Guten Morgen!“

Das Erste, was Mark sah, war die helle Morgensonne, die auf ihr langes dunkelblondes Haar schien. War das dieselbe Frau wie gestern Abend? Auf ihren Lippen lag ein sinnliches Lächeln. Wie lange war es her, dass eine Frau ihn so angelächelt hatte? Und er las Respekt und ehrliches Interesse in ihren schönen grünen Augen.

Trotz gestern Abend.

Sie nahm ihm den Atem, und zu seiner Verlegenheit merkte er, wie sein Körper auf sie zu reagieren begann. „Ich wollte mich entschuldigen.“ Er räusperte sich. „Wegen gestern Abend. Ich habe Sie für jemand anders gehalten.“

Ihr Lächeln verschwand, und sie biss sich leicht in die Unterlippe. „Und mir tut es leid, dass ich Sie getreten …“

„Vergessen Sie’s. Das hatte ich verdient.“

Sie fuhr sich mit der Zunge über die vollen Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust, wobei sie ihre bemerkenswerten Rundungen nur betonte. War ihr klar, was sie einem Mann damit antat?

Seine neue Haushälterin war keine Schönheit im klassischen Sinn. Sie besaß kein besonders ungewöhnliches Gesicht, aber ihre Lippen waren schön geschwungen und sinnlich, und ihre grünen Augen blickten lebhaft und intelligent. Sie war klein, aber sehr gut proportioniert. Das weite T-Shirt konnte die Umrisse ihrer vollen Brüste nicht ganz verbergen.

Er hatte schon immer Frauen vorgezogen, die nicht nur aus Haut und Knochen bestanden. Bei dieser Frau konnte ein Mann wenigstens sicher sein, dass sie nicht zerbrechen würde, wenn er sich auf sie legte. Plötzlich entstand das Bild vor seinem inneren Auge, wie er mit seinen Hände ihre herrlichen großen Brüste umfasste.

Verdammt noch mal, er begehrte sie, dabei kannte er sie überhaupt nicht. Ein Zeichen dafür, wie lange es her war, dass er eine Frau gehabt hatte.

„Was ist? Habe ich mich bekleckert?“, rief sie aufgebracht, ihre Augen glitzerten empört.

„Hm? Oh …“ Reiß dich zusammen, Malone. Hol tief Luft und hör auf, ständig ihre Brüste anzustarren. „Gibt es noch Frühstück?“

„Ja, sicher. Lassen Sie mich …“

„Das kann ich schon allein.“

Sie achtete nicht auf seinen Einwurf, sondern machte sich an die Arbeit, holte Plastikbehälter aus dem Kühlschrank, erhitzte die Würstchen in der Pfanne und legte einige Brötchen dazu.

„Es sind keine Rühreier mehr übrig, aber ich kann schnell neue machen.“ Sie holte schon die Butter aus dem Kühlschrank.

Mark atmete genüsslich den Duft nach frischen Brötchen und Würstchen ein. Er erinnerte sich gar nicht mehr, wann er das letzte Mal richtig gegessen hatte. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich, wobei er die neue Haushälterin nicht aus den Augen ließ. Sie war gestern Abend nicht schlecht mit ihm fertig geworden. Er lächelte fast.

„Haben Sie sich das Bein bei dem Unfall verletzt?“

Sie stand jetzt vor ihm und sah ihn besorgt an, und Mark fiel auf, dass er geistesabwesend sein rechtes Bein gerieben hatte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er brauchte ihr Mitleid nicht.

„Müssen Sie nicht irgendwo sauber machen oder so was?“, fuhr er sie an.

Sie zuckte zusammen. Dann presste sie die Lippen aufeinander, knallte die Pfanne auf den Herd und ging mit hoch erhobenem Kopf aus der Küche.

Mark stieß resigniert die Luft aus. Er hasste es, wenn eine Frau ihm ein schlechtes Gewissen aufzwang, aber der verletzte Ausdruck in ihrem Gesicht würde ihn nicht loslassen. Keith hatte genau den gleichen Ausdruck gehabt, als Mark fortgegangen war. Das war das letzte Mal gewesen, dass er seinen kleinen Bruder gesehen hatte.

Entschlossen verdrängte Mark die Erinnerung. Und genauso wenig würde er an Miss Frechdachs denken. Nur weil sie ein wundervolles Lächeln hatte und ihn nicht voller Abscheu ansah, hieß das nicht, dass sie nicht genau wie alle anderen Frauen war.

Sie hatte wahrscheinlich absichtlich die Unterlippe zittern lassen, um ihn zu manipulieren, genau wie es auch seine Mom getan hatte. Er hatte mit ansehen müssen, wie seine Mutter sich auf eine Affäre nach der anderen einließ. So hatte er von klein auf gelernt, wie die Frauen waren. Warum sollte diese hier eine Ausnahme sein?

Er sah auf seinen Teller mit den kalt gewordenen Würstchen hinab und unterdrückte den Wunsch, ihn gegen die Wand zu knallen. Er brauchte unbedingt ein Bier.

2. KAPITEL

Audrey presste den nassen Waschlappen an ihr erhitztes Gesicht. Sie weigerte sich, den Tränen freien Lauf zu lassen. Wie hatte sie auch nur für einen Moment glauben können, dass sie Interesse in Marks Augen gelesen hatte? Warum sollte er sich zu ihr hingezogen fühlen? Er war mit den schönsten Frauen zusammen gewesen. Natürlich hatte er gestern Abend geglaubt, dass sie jemand anders war.

Aber das hieß nicht, dass sie sich wie ein unartiges Kind im Badezimmer verstecken musste. Warum war sie nur so aufgebracht? Was kümmerte sie es schon, dass ein ungehobelter Cowboy mit einem riesigen Kater sie verabscheute? Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und arbeitete bei einer Zeitung. Sie war nicht mehr die pummelige, einsame Zielscheibe des Spotts, als die er sie kennengelernt hatte. Und sie hatte ihrem Boss die Stirn geboten, oder?

Als sie Mr. Burke ihre Idee für diese Story vorgeschlagen hatte, hatte er, herablassend wie immer, gelacht. „Meine sanfte kleine Audrey? Sie sind noch nicht reif genug für eine so große Story. Wenn Sie etwas schreiben wollen, wie wäre es dann für ein paar Monate mit dem Kummerkasten?“

Audrey hatte gewusst, dass aus diesen Monaten Jahre geworden wären, so, wie sie seit Jahren den langweiligen Job des Schlussredakteurs ausführte. „Mr. Burke, das ist mein Vorschlag. Wenn ich Ihnen nicht die Story über Mark Malone bringe, werde ich alles tun, was Sie wollen. Aber …“, fuhr sie entschlossen fort, „wenn ich den Knüller bringe, möchte ich als Reporterin arbeiten.“

Mr. Burke hatte schließlich resigniert die Hände gehoben. „Okay, okay. Die Zeitung braucht eine gute Story für die Rodeoausgabe im Juli. Wenn Sie ein Exklusivinterview mit dem Lone Cowboy an Land ziehen können, gehört Ihnen der Job.“

Die Erinnerung an das Gespräch gab ihr die Kraft, in die Küche zurückzukehren. Als sie hineinging, kam John Walsh gerade durch die Hintertür herein. Hinter ihm folgte eine schlanke Frau mit weißem Haar, das sie zu einem kunstvollen Knoten hochgesteckt hatte. Wie jeder auf der Ranch trug auch sie schlichte Jeans und ein Hemd. „Sie müssen Audrey sein!“, rief sie und schenkte Audrey ein freundliches Lächeln. „Ich bin Helen, Johns Frau.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Audrey erwiderte ihr Lächeln erfreut. „Möchten Sie ein wenig Eistee?“

John schnappte sich einen Stuhl und setzte sich rittlings darauf. Helen lächelte ihn an. Dann nahm John ihre Hand und küsste sie, und beide wechselten einen Blick voller Zärtlichkeit.

Audrey hatte den Eindruck, dass sie immer noch ineinander verliebt waren, und das nach fünfzig Jahren. Von einer solchen Liebe konnte Audrey nur träumen.

„Wir wissen, dass das Haus in einem fürchterlichen Zustand ist, aber …“ Helen zögerte und warf John einen fragenden Blick zu. „Mark hat sich nur sehr langsam von dem Unfall erholt, und Sie können ja sehen, warum er eine gute Haushälterin braucht.“

Jetzt war ihre Chance gekommen, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. „Waren seine Verletzungen so schlimm?“

Helen senkte den Blick. „Nun, sein rechtes Bein ist regelrecht zermalmt worden. Er lag sechs Wochen im Krankenhaus, und dann folgte die Krankengymnastik. Danach dauerte es weitere zwei Monate, bis er wieder gehen konnte. Sein erzwungener Ruhestand bedeutete für ihn eine große Veränderung.“

„Und wenn ihr Damen fertig seid mit eurem Kaffeeklatsch“, sagte John und stand abrupt auf, „ich muss jetzt zurück an die Arbeit.“

„Arbeit?“, rief Helen. „Ich dachte, du wolltest Audrey herumführen.“

Er zwinkerte ihr zu und lächelte schelmisch. „Keine Zeit. Ich habe Mark gebeten, es zu tun.“

Audrey hörte Schritte hinter sich, und im nächsten Moment stand Mark in der offenen Tür, eine Bierflasche in der Hand. Er sah John stirnrunzelnd an, kam aber herein und begrüßte Helen mit einem Kuss auf die Wange. „Wie läuft’s mit deiner Arthritis?“

Helen winkte ab. „Mir geht’s prima, Mark. Mach dir keine Sorgen. Jetzt muss ich aber los.“ Sie folgte John auf die Veranda und drehte sich zu Audrey und Mark um. „Noch einen schönen Nachmittag.“

Audrey erwiderte ihr Lächeln ein wenig unsicher. Die Situation war nicht gerade die günstigste – sie und Mark allein. Alles Mögliche konnte geschehen.

Mark warf ihr einen finsteren Blick zu, öffnete den Kühlschrank und holte eine neue Bierflasche heraus. Dann wies er mit einem Nicken auf die Tür. „Nach Ihnen.“

„Die Double M erstreckt sich auf etwa 2.500 Hektar, und die Herde besteht aus etwa zwölfhundert Rindern“, erklärte Mark, als sie am Korral vorbeikamen. Er nahm einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, bevor er fortfuhr. „Die zusätzlichen Cowboys sind nur hier, weil das Zusammentreiben der Herde für den Frühling bevorsteht. Sonst sind es nur Jim, Ruth und John.“

„Und Sie“, warf Audrey ein, während sie sich bemühte, mit ihm Schritt zu halten.

Mark runzelte die Stirn. „Nicht mehr“, sagte er leise. Er schüttelte den Kopf und ging auf die Scheune zu, die Flasche wieder an den Lippen.

Audrey folgte ihm. „Warum wollen Sie verkaufen?“

Mark stockte nur ganz kurz, dann nahm er noch einen Schluck und ging weiter, als hätte er sie nicht gehört. An der Scheune drehte er sich zu Audrey um und sah sie verärgert an. „John sagt, Sie haben für eine Versicherungsgesellschaft in Dallas gearbeitet. Was machen Sie hier draußen bei uns Hinterwäldlern?“

Audrey öffnete den Mund, überlegte aber noch schnell, bevor sie etwas sagte. Am besten wäre es, wenn sie sich so weit wie möglich an die Wahrheit hielt. „Mein Onkel ist der Firmenpräsident. Ich arbeite schon lange nicht mehr dort. Aber dann sah ich die Anzeige für die Stellung einer Haushälterin und …“ Sie senkte den Blick. „Und ich war schon immer ein großer Fan von Ihnen.“

Mark lachte verbittert auf und wandte sich ab. „Hier bewahren wir das Heu und Viehfutter auf.“ Er wies mit der Flasche auf ein weiteres großes Holzgebäude. „Pferde und Zaumzeug im Stall. Und das war’s auch schon.“ Er wandte sich zum Gehen.

Aber Audrey ging an ihm vorbei in die Scheune hinein. Die Mischung aus Heu- und Ledergeruch erinnerte sie an ihren Vater. Sie lächelte wehmütig. In einer Ecke entdeckte sie ein großes Metallfass, um das ein Seil gezogen worden war. Dahinter an der Wand befand sich ein Hebel, und darunter lag ein dickes, weiches Schutzpolster, das sich mehrere Meter in alle Richtungen ausbreitete.

„Wow. Ein mechanischer Bulle!“

„Am Anfang hatten wir noch kein Polster auf dem Boden“, sagte Mark. „Aber als die Kinder hierher kamen, hielt ich es für sicherer.“

Kinder? Sie drehte sich um und sah ihn atemlos an. „Sie haben Kinder?“

„Nein“, erwiderte er etwas heftig, „ich meinte die Waisenkinder.“ Mark ging zum Scheunentor. „Kommen Sie?“

Audrey folgte ihm widerwillig. Sie hatte von Marks Unterstützung einer bestimmten Wohltätigkeitsorganisation, der „Big Brothers and Big Sisters“, gehört. Sie bewunderte ihn für sein Engagement, den Waisenkindern zu helfen, aber sie hatte nicht gewusst, dass er sie sogar auf seine Ranch eingeladen hatte. Diese Einzelheit war in keinem früheren Interview erwähnt worden. Endlich schien sie etwas Interessantes für ihre Story gefunden zu haben.

Mark begleitete sie zur hinteren Veranda, verabschiedete sich von ihr, indem er ironisch seine Bierflasche hob, und schlenderte zur Vorderseite des Hauses.

Eine unheimliche Stille legte sich über alles, nachdem er gegangen war. Audrey fröstelte. Sie hasste es, ihn so zu täuschen, aber sie würde schließlich niemandem wehtun. Sie wollte nur einen kleinen Artikel über einen berühmten Rodeoreiter schreiben und sich selbst einen guten Job sichern, und vielleicht hatte sie sogar das Glück, ihr Idol besser kennenzulernen.

Wenn sie nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen könnte, würde schon alles gut gehen.

Sie rieb sich die Arme und betrat das Wohnzimmer. Sie blickte wehmütig aus dem Fenster hinaus auf den Swimmingpool, den Garten, den Korral und dann in die weite Ferne. Ein dichter Wald von Kiefern und Eichen zeichnete sich vor dem Horizont ab.

Audrey drehte sich um und betrachtete den dunklen Raum, der so sehr die Stimmung seines Besitzers widerspiegelte. Die Tür in einer holzgetäfelten Wand führte in den Gang hinaus, von dem man zum Schlafzimmer kam. An der anderen Wand befand sich ein großer Steinkamin, der genau wie das Haus riesig war und kalt und leer. Die einzigen Möbelstücke waren ein ziemlich ramponierter Sessel und ein großer Fernseher.

Audrey seufzte. Wenn sie das Spiel richtig spielen wollte, konnte sie genauso gut damit anfangen, diesen Schweinestall aufzuräumen. Die schlammverkrusteten Jeans der Cowboys – und natürlich auch Ruths – lagen in einem Haufen in der Waschküche. Während Audrey die Waschmaschine füllte, kam ihr ein Gedanke. Eine echte Haushälterin würde Marks Zimmer sauber machen und die Laken wechseln. Sie beschloss, gleich morgen früh diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.

Beim Abendessen zog Audrey verlegen an ihrem T-Shirt, nachdem sie eine riesige Schüssel Kartoffeln auf den Tisch gestellt hatte. Dem Himmel sei Dank für Ruth. So viele Männer auf einmal machten Audrey unsicher. Das Mahl war eine recht laute, ausgelassene Angelegenheit.

Audrey erfuhr sehr viel mehr übers Viehzüchten, als sie je hatte wissen wollen. Es schien normal zu sein, sich bei Tisch über Themen wie Brandmarken, Ohrmarkierungen, Impfen und Kastrieren zu unterhalten.

Pete, einer der jüngeren Cowboys, hatte es geschafft, sich einen Platz neben Audrey zu ergattern. Er rückte dicht an sie heran, legte einen Arm auf ihre Stuhllehne und streichelte ihr die Schulter. Audrey versuchte, es zu ignorieren, aber jedes Mal, wenn er sie berührte, zuckte sie zusammen.

„Ma’am, die Schweinesteaks sind großartig!“, rief Jim vom anderen Ende des Tisches. „Wenn man den ganzen Tag mit Rindern arbeitet, ist es schön, nicht auch noch eins essen zu müssen.“ Er steckte sich genüsslich den nächsten Bissen in den Mund.

„Es sind die besten Steaks, die ich je gegessen habe“, stimmte Dalt zu und lächelte dabei verführerisch.

„Danke“, sagte Audrey erfreut. „Das Besondere daran ist die geheime Zutat.“

„Mark liebt Schweinesteaks auch“, meinte John beiläufig.

Mark war nicht zum Essen gekommen, und Audrey machte sich insgeheim Sorgen. Warum eigentlich? Andererseits gab Johns Bemerkung ihr eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen.

„Mr. Malone scheint sich seit dem Unfall sehr verändert zu haben.“

John runzelte nur die Stirn, sagte aber nichts.

Audrey hatte nicht vor, ihn so leicht davonkommen zu lassen. „War nur sein rechtes Bein verletzt? Und was wird er tun, wenn er die Ranch verkauft?“

John sah sie jetzt verärgert an.

„Es ist nur, dass er nichts zu essen scheint. Ich habe überlegt, ob ich ihm nicht etwas bringen sollte“, fügte sie hastig hinzu.

Mehrere Männer brachen gleichzeitig in Gelächter aus, und Jim meinte kichernd: „Nur, wenn Ihre geheime Zutat Whiskey ist.“

Noch mehr Gelächter, aber Audrey protestierte: „Ich sehe nicht, was so komisch daran sein soll, dass ein Mann sich jeden Abend sinnlos betrinkt. Sie sollten ihn dazu ermutigen, sich den Anonymen Alkoholikern anzuschließen.“

Das ernüchterte alle ein wenig, aber Jim sagte schließlich: „Seien Sie mir nicht böse, Miss Audrey, aber Mark ist ein erwachsener Mann und lässt sich von niemandem sagen, was er tun soll. Außerdem“, fügte er grinsend hinzu, „gewinne ich viel zu viel Geld von ihm, um etwas ändern zu wollen.“

Ruth sah Audreys verwirrten Gesichtsausdruck und erklärte: „Einige von uns pokern abends. Aber da Ihr Zimmer im ersten Stock ist, haben Sie wahrscheinlich nichts gehört.“

Das erklärte auch das Durcheinander, das im Esszimmer geherrscht hatte. Die Männer spielten Poker. Audrey murmelte nur, dass sie nachts sehr tief schlief, und sammelte das Geschirr ein. Die Männer und Ruth bedankten sich für das Essen und verließen die Küche.

Während Audrey die Spülmaschine füllte, kam ihr ein fürchterlicher Gedanke. Sie würde eine fantastische Story schreiben, aber Audrey konnte ja kaum ertragen, dass Mark vor seinen eigenen Männern zum Gespött wurde, wie sollte sie sich also dazu bringen, der ganzen Welt von seinem Problem zu erzählen?

Mit einem Tablett, das sie mit Schweinekoteletts, Kartoffeln, Brokkoli und einem Stück Apfelkuchen gefüllt hatte, stand Audrey vor Marks Schlafzimmer und klopfte an.

Keine Antwort.

Sie klopfte wieder, dieses Mal lauter.

Eine tiefe Stimme brummte: „Verschwinden Sie!“

Sie klopfte kräftiger und rief laut: „Ich habe Ihnen etwas zu essen gebracht.“

Stille.

Audrey holte tief Luft und stieß die Tür mit der Schulter auf.

Das einzige Licht kam von einer Nachttischlampe gleich neben dem Bett. Der Rest des Zimmers lag im Dunkeln. Das handgeschnitzte Bett und ein altmodischer Schrank waren die einzigen Möbel. Leere Bierflaschen und benutzte Gläser standen auf dem Boden, zusammen mit achtlos hingeworfenen Kleidungsstücken. Wie konnte er nur so leben?

Mark saß auf dem Bettrand. Er trug nur eine weiße Boxershorts und hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht auf beide Hände. Auf seiner breiten Brust sah sie einzelne kastanienbraune Härchen, und seine Arme und der linke Schenkel waren muskulös und kräftig. Selbst mit dem verletzten Bein und dem unrasierten Gesicht war Mark Malone hinreißend sexy.

Hör auf, ständig so was zu denken! Du bist zu einem bestimmten Zweck hier. Du willst die Story über den Lone Cowboy schreiben, sonst nichts.

Aber sie konnte nicht anders, als seinen Anblick zu genießen. Sein rechtes Bein war schmaler als das linke und vom Schenkel bis zum Knöchel mit langen, tiefen Narben bedeckt. Während sie fasziniert dastand, fragte sie sich, woher sie den Mut nehmen sollte, ihn nach seinem Unfall zu fragen.

Mark sah auf und hob ungläubig die Augenbrauen. Was sollte das denn? Seine neue Haushälterin tauchte schon wieder da auf, wo sie nichts zu suchen hatte. Konnte sie nicht die Privatsphäre anderer Leute respektieren? Er griff nach dem Laken und zog es über sein Bein. Hatte sie es gesehen?

„Was wollen Sie?“

Sie hielt das Tablett hoch. „Ich habe Ihnen das Abendessen gebracht. Ich finde, Sie sollten etwas essen.“

„Ich habe keinen Hunger.“ Sein Kopf tat weh, sein Bein machte ihn wahnsinnig, und ihr Mitleid wollte er nicht.

„Sind Sie sicher?“ Sie kam näher, und der Duft nach Honig und Knoblauch drang ihm in die Nase. „John sagte, Sie lieben Schweinesteaks.“

Natürlich! John hatte sie dazu angestiftet. „Nein danke.“ Er entdeckte eine halb leere Bierflasche und griff danach.

„Das brauchen Sie doch nicht wirklich, oder? Alkohol wird Ihre Probleme nicht lösen.“

„Hören Sie zu, Lady“, seufzte er. „Sie haben keine Ahnung von meinen Problemen.“

Sie stellte das Tablett neben ihm aufs Bett. „Ich heiße Audrey.“ Dann sammelte sie die leeren Bierflaschen ein. „Ich mache ein bisschen sauber, wenn ich schon mal hier bin.“

Mark zuckte zusammen. Sein Magen verkrampfte sich, und sein Kopf dröhnte, als wäre er von einem Wildpferd getreten worden. Er brauchte nur einen Schluck, um sich ein wenig besser zu fühlen. Bevor Audrey sie mitnehmen konnte, beugte er sich vor und nahm ihr die halb leere Flasche aus der Hand.

Verdammt, sie sah ihn schon wieder an wie ein verletztes Reh. Ihre grünen Augen waren ein einziger Vorwurf. Marks Blick ging zu ihren vollen Lippen. Audrey sah ihn wie betäubt an, und als er die Hand ausstreckte, um ihre Wange zu berühren, schloss sie die Augen, und ihre Lippen öffneten sich leicht. Aber gleich darauf holte sie tief Luft und wich zurück.

Mark konnte nicht verstehen, was in ihn gefahren war. Er wandte sich von ihr ab und begann zu trinken.

Aber er hatte kaum einen Schluck getan, da riss sie ihm die Flasche aus der Hand. „Hören Sie auf damit! Sie haben diese wunderschöne Ranch und viele gute Freunde, und trotzdem sitzen Sie hier und versinken in Selbstmitleid. Das Leben hat Ihnen noch so viel zu bieten. Warum werfen Sie es einfach weg?“

Er starrte sie vollkommen wütend an. „Wenn ich mir eine Predigt anhören will, gehe ich in die Kirche.“ Er griff wieder nach der Flasche.

Aber Audrey ließ nicht locker. „Bitte. Sie sind nicht der Mann, den ich so viele Jahre bewundert habe.“

Für wen hielt die Frau sich eigentlich? „Ich bin nicht mehr der Mark Malone, den Sie kennen, verdammt!“ Und als wäre ein Beweis nötig, verspürte er einen schmerzhaften Krampf im Bein. „Ich kann kaum gehen!“

„Ach, hören Sie doch auf!“ Sie überließ ihm die Bierflasche. „Tatsache ist, dass Sie gehen können. Und Sie besitzen zwei starke Arme.“ Beim Sprechen sammelte sie noch mehr leere Flaschen und herumliegende Sachen ein. „Sie können alles tun, was Sie wollen.“

„Sind Sie endlich fertig?“ Er erlaubte höchstens John, so mit ihm zu reden, aber bestimmt nicht einer nörgelnden Haushälterin, selbst wenn sie den hübschesten runden Po besaß, den er je gesehen hatte.

Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. „Nein. Mein Schwager hat die unheilbare Nervenkrankheit ALS. Jeden Tag werden seine Muskeln schwächer, und er kann immer weniger seine Arme und Beine bewegen. Er sitzt in einem Rollstuhl. Er kann weder reden noch seine Hände bewegen noch schlucken. Er wird seinen Sohn nicht aufwachsen sehen!“ Sie blieb vor ihm stehen. „Aber er dankt dem Herrgott für jeden neuen Tag.“

Mark sah sie betroffen an. Ihr Schwager lag im Sterben? Und der arme Kerl hatte einen Sohn? Was für eine grausame Welt. Sein eigener Vater hatte sich nie darum gerissen, Anteil an seinem oder Keiths Leben zu nehmen.

Marks Blick fiel auf die Bierflasche in seiner Hand. Ah, endlich ein guter, erfrischender Schluck. Aber plötzlich war die Frau wieder bei ihm und nahm ihm die Flasche endgültig weg. „Was soll das, zum Teufel?“

Der aufreizende kleine Teufel ging ins Bad, und Sekunden später hörte Mark, wie sie sein kostbares Bier in den Ausguss schüttete. Einen Moment lang saß er nur regungslos vor Wut da. Dann stieß er einen saftigen Fluch aus.

Audrey kam aus dem Bad und ließ Kleidungsstücke und Bierflaschen in einem Haufen vor seinen Füßen auf den Boden fallen. „Was für eine Verschwendung!“ Und nach einem letzten triumphierenden Blick auf ihn verließ sie das Zimmer.

3. KAPITEL

Ein heiserer Schrei drang in ihr Bewusstsein. Audrey schreckte aus dem Schlaf hoch, wickelte sich in ihren Morgenmantel und lief die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, von wo der Schrei gekommen sein musste. Brauchte ihre Mutter eine Spritze gegen ihre Schmerzen?

Audrey hielt inne und rieb sich die Augen, während sie langsam immer wacher wurde. Ihre Mutter war vor elf Jahren gestorben, und sie selbst befand sich auf der Double M.

Hatte sie den Schmerzensschrei nur geträumt? Sie ging leise bis zu Marks Tür und lauschte. Als sie nur Stille vernahm, wandte sie sich halb ab.

„Nein!“, ertönte ein erstickter Ruf.

Audrey stieß die Tür auf und eilte an Marks Seite. Schwaches Licht drang aus dem anliegenden Badezimmer, und sie konnte ihn auf dem Bett liegen sehen. Er schien zu schlafen. Das Laken hatte sich um seinen Unterkörper gewickelt, und sein Gesicht und seine Brust glänzten von Schweiß. Marks Haar war zerzaust, und er stöhnte leise. Sein Gesichtsausdruck war so gequält, so verzweifelt, dass Audrey ihn kaum wiedererkannte. Erinnerte er sich an den Tag, als der Stier ihm das Bein zerquetscht hatte? Oder gab es noch mehr im Leben dieses Mannes, das einen solchen Albtraum verursachen konnte?

Audrey streckte vorsichtig die Hand aus, um ihm eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, aber im letzten Moment hielt sie sich zurück.

Während sie ihre Hand noch zögernd über ihm schweben ließ, schoss Marks Arm plötzlich hervor und stieß ihre Hand grob von sich. Mark setzte sich auf, er zitterte am ganzen Körper. Der pochende Schmerz in seinem Bein war unerträglich. Erbarmungslose Bilder verfolgten ihn …

Seine Mutter schrie. Mark zerrte Keith in den Schutz des hinteren Schlafzimmers. Sein Bruder war erst drei Jahre alt und verstand nicht, was geschah. Durch das Fenster sah er die Lichter der Polizeiwagen. Der Arzt rief: „Sie lebt noch“, während die Polizisten seinen Vater in Handschellen abführten. Dad würde nie zurückkommen.

Und Mark wusste, dass alles seine Schuld war …

„Geht es Ihnen gut?“, fragte eine sanfte Stimme.

Mark blinzelte und konzentrierte sich auf die Gestalt, die neben ihm saß. Es war Audrey. Was machte sie hier? Oh Gott. Hatte er im Schlaf geschrien?

„Mir geht’s prima.“

„Kann ich etwas für Sie tun?“

Na, wunderbar. Florence Nightingale war zu seiner Rettung gekommen.

„Nein, es geht mir gut.“ Er schloss die Augen und zuckte zusammen. Hätte er nur nicht die Schmerztabletten weggeworfen, die der Arzt ihm verschrieben hatte. Sie hatten ihn im Krankenhaus so herrlich betäubt.

Bier. Er brauchte Bier und Aspirin.

Er warf das Laken zurück und machte sich daran aufzustehen, aber sie war immer noch da. Warum ließ sie ihn nicht endlich allein? Er konnte nicht viel sehen, aber was er sah, verursachte ihm zu allem Überfluss auch noch Lust. Die üppigen Formen unter ihrem Morgenmantel waren sehr aufregend, und Mark spürte, wie sein Körper reagierte. Wenigstens lenkte sie ihn von seinem Albtraum ab.

„Ich habe Sie schreien hören. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie darüber reden.“

Ihre melodische Stimme reizte ihn sogar noch mehr. „Sie wollen mir helfen?“ Er stand auf und stützte die Hände auf die Hüften, wodurch er seine Erregung nur noch betonte. „Meine Probleme werden mit einem Kuss von Ihnen sofort verschwinden“, fügte er spöttisch hinzu.

Audrey starrte ihn entsetzt an. Ihr Blick erinnerte ihn an den eines erschrockenen Fohlens. Und im nächsten Moment war sie davongelaufen, und er war allein.

„Was hatten Sie erwartet?“, schrie er ihr nach. „Einen Helden?“

Ohne auf den stechenden Schmerz zu achten, schlüpfte er in seine Jeans. Bevor er zum Stall hinausging, wehte ihm noch ein wenig von Audreys verführerischem Zitrusduft um die Nase.

Mark knipste das Licht an und ging mit einem Eimer Hafer und einer Bürste zur Box seines Hengstes. Er hatte schon seit einigen Tagen nicht mehr nach ihm gesehen. Lone Star wieherte und warf den Kopf hoch.

„Ist ja gut, mein Junge. Wie geht’s denn so?“ Er klopfte ihm auf die Flanke und schüttete den Hafer in seinen Trog. Lone Star schien es nichts auszumachen, dass es drei Uhr nachts war.

Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie darüber reden. Was wusste sie schon davon? Reden half nichts. Er hatte diesen Albtraum, seit er seine Mutter verraten hatte. Und dass er seinen Bruder im Stich gelassen hatte, machte es nur schlimmer.

Mark bürstete Lone Star den glänzenden Rücken. „Wir haben tolle Zeiten zusammen gehabt, was, Star? Eine Weile hatte ich gedacht, ich könnte so tun, als sei ich jemand anders.“

Er kratzte den riesigen Hengst hinter dem Ohr. „Haben sie dich gut behandelt, mein Junge? Warst du einsam?“ Lone Star wieherte und stupste Mark mit der Nase an. „Ja, ich dich auch.“ Aus Gewohnheit bückte Mark sich, um Stars Hufe zu überprüfen. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sein Bein, und Mark stolperte nach vorn und konnte sich nur im letzten Moment am Hals des Pferdes festhalten. „Verdammt!“

Lone Star erbebte, rührte sich aber nicht vom Fleck, bis Mark sich wieder aufgerichtet und die Stirn an seinen Hals gelegt hatte. „Ich sollte dich verkaufen“, flüsterte er. „Ich bin völlig nutzlos für dich.“

Mark rieb sein schmerzendes Bein, während er zum Haus zurückhumpelte. Gerade als er den Stall hinter sich gelassen hatte, glaubte er, etwas Angenehmes zu riechen … Zitrone. Er drehte sich abrupt um, und da war sie tatsächlich, mit dem Rücken flach an die Stallwand gelehnt, und sah aus wie ein Häftling auf der Flucht.

„Was machen Sie hier?“

Sie kam einen Schritt näher. „Ich machte mir Sorgen um Sie.“

„Um mich?“ Frauen machten sich keine Sorgen um Mark Malone. Sie wollten entweder Geld von ihm oder einen Platz im Scheinwerferlicht seines Ruhmes.

„Ist das so schwer zu glauben?“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, und wie. Waren Sie da drin?“

Sie nickte. „Offenbar gefällt es uns beiden, Lone Star zu besuchen, wenn wir über etwas nachdenken wollen.“

„Was? Sie haben wohl zu viele romantische Westernfilme gesehen, Lady!“ Er drehte sich um und ging auf das Haus zu, ohne sein verletztes Bein zu schonen. Er würde ihr auf keinen Fall den Gefallen tun zu hinken.

Im Haus ging er auf direktem Weg zur Bar und griff nach der Whiskeyflasche, ohne sich die Umstände zu machen, nach einem Glas zu suchen. Doch dann hielt er inne, als sein Blick auf die Gürtelschnallen seiner Meisterschaftstitel fiel, die er auf einem Regal angeordnet hatte. Bitterkeit schnürte ihm die Kehle zu. Mit einer ungeduldigen Armbewegung fegte er alle Schnallen auf den Boden.

Audrey wachte mit einem bedrückenden Gefühl der Hoffnungslosigkeit auf. Der gestrige Zwischenfall mit Mark lag ihr schwer auf der Seele. Sie würde niemals den herzzerreißenden Schmerz in seinem heiseren Aufschrei vergessen.

Es war immer noch dunkel, als sie in die Küche stolperte, um das Frühstück für die Cowboys zuzubereiten. Allmählich kam ihr die Vorstellung, für den Rest ihres Lebens den Kummerkasten betreuen zu müssen, wie ein Lottogewinn vor. Es sah sowieso nicht so aus, als könnte sie hier mehr bekommen als unsittliche Anträge von betrunkenen oder anzüglichen Cowboys.

Sie grübelte weiter, während sie den Tisch deckte. Vor neun Jahren hatte sie davon geträumt, dass Mark sie auf sein Pferd heben würde und sie glücklich bis an ihr Lebensende wären.

Bemitleidenswert.

Im Lauf der Jahre hatten nur wenige Männer über ihr pummeliges Aussehen hinweggesehen und sich um sie bemüht, aber keiner hatte sich wirklich für sie interessiert. Und selbst wenn sie bereit gewesen wäre, gleich am ersten Abend mit einem von ihnen zu schlafen, wäre es ihr viel zu peinlich gewesen, sich auszuziehen.

Sie war vierzehn gewesen, als ihre Mutter starb, und bis vor Kurzem hatte sie ihre ganze Energie darauf verwandt, sich um ihren Vater und ihre beiden jüngeren Schwestern zu kümmern. Aber Miranda hatte jetzt ihr Studium abgeschlossen und einen unglaublich gut aussehenden Freund, und Claire hatte ihren Mann und einen dreijährigen Sohn.

Und Audrey hatte nichts außer einem langweiligen Job.

Doch als die Sonne aufging und den Himmel in Rosa und Flieder tauchte, wurde auch Audreys Stimmung besser. Sie würde auf keinen Fall aufgeben. Nur weil die Dinge sich als ein wenig schwieriger erwiesen, als sie gedacht hatte? Sollte sie etwa zu ihrem Boss zurückkriechen und für den Rest ihres langweiligen Lebens ausgenutzt werden?

Niemals.

Nach dem Frühstück schleppte Audrey den Staubsauger ins Wohnzimmer, entschlossen, mit dem Schmutz und Staub dort kurzen Prozess zu machen. Gleich darauf kam Mark mit einem Sechserpack Bier herein, setzte sich in den Sessel und schaltete den Sportkanal im Fernsehen ein.

Audrey betrachtete ihn einen Moment finster und stellte dann entschlossen den Staubsauger auf höchste Stufe. Mark griff nach der Fernbedienung und erhöhte die Lautstärke. Audrey musste an sich halten, um ihm nicht die Fernbedienung wegzunehmen und in den Swimmingpool zu werfen.

Mark Malone war schließlich nicht der einzige Mensch, der es schwer gehabt hatte im Leben. Ihr war es auch nicht leicht gefallen, ihre Mutter zu verlieren, und trotzdem hatte sie nicht in Selbstmitleid gebadet.

Aber Audrey erlaubte sich nicht noch einen Ausbruch vor Mark. Vielleicht war ja jetzt der beste Zeitpunkt, sein Zimmer sauber zu machen. Sie hörte auf mit dem Staubsaugen, holte alle nötigen Reinigungsmittel und ging den Flur hinunter.

Zuerst öffnete sie die schweren Rollos, die das Sonnenlicht zurückhielten. Was für eine Schande, ein so schönes Kiefernbett so ungepflegt zu lassen. Eine gute Politur würde es wieder zum Glänzen bringen. Audrey machte das Bett und fing dann an, den Schrank abzustauben. In der Vitrine standen ein Spielzeugauto und ein leicht eingerissenes Foto von einem kleinen Jungen von etwa acht Jahren. Er sah nicht aus wie Mark. War es vielleicht ein Bruder? Oder ein Freund aus der Kindheit?

Sie nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr und schreckte auf, als sie Mark an der offenen Tür stehen sah.

„Was machen Sie damit?“

Sie stellte das Foto hastig wieder hin und ging mutig an Mark vorbei zum Bett und strich die Tagesdecke über dem sauberen Laken glatt. Sie hatte nur einen kurzen Blick auf ihn geworfen, aber allein die Tatsache, dass sein Hemd halb geöffnet war und sie seine muskulöse Brust sehen konnte, brachte sie aus der Fassung.

„Staubwischen.“

Er hob ungläubig eine Augenbraue, und im nächsten Moment hielt er wieder die unvermeidliche Bierflasche an die Lippen. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er einen tiefen Schluck nahm. Sein Blick ging von ihren Händen, die über die Decke strichen, ganz langsam und interessiert zu ihrer Brust, verweilte dort kurz und glitt dann gemächlich weiter bis zu ihren Hüften und Schenkeln.

Ihre vorgetäuschte Ruhe begann sie unter seiner Prüfung zu verlassen. Da war wieder dieser Ausdruck, den sie glaubte, sich beim letzten Mal nur eingebildet zu haben – ein Aufblitzen von Leidenschaft, das ihr das Gefühl gab, jemand anders, eine anziehende, aufregende Frau, zu sein.

Es war viel zu heiß hier. Ein Bett zu beziehen war keine leichte Arbeit. Aber das erklärte nicht das sehnsüchtige Ziehen zwischen ihren Schenkeln.

Mark verzog die Lippen zu einem anzüglichen Lächeln. „Wollen Sie mir dabei helfen, es wieder zu zerwühlen?“

Audrey blinzelte verblüfft. Jeder Gedanke an Romantik war verflogen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah zur Tür. „Ich dachte, Sie sehen fern?“

Er wischte sich die Lippen am Hemdsärmel ab. „Dazu hatte ich keine Lust mehr.“

Sie verdrehte die Augen, biss sich aber auf die Zunge, um ihm nicht ihre Meinung zu sagen.

„Was denn? Spucken Sie’s schon aus. Ich kann doch sehen, dass Sie geradezu darauf brennen, mir wieder eine Moralpredigt zu halten. Haben Sie sich vorgenommen, den armen, verkrüppelten Cowboy wieder zur Vernunft zu bringen? Sie trinken doch sicher nie einen Tropfen Alkohol, habe ich recht?“

„Jedenfalls nicht um zehn Uhr morgens!“

Seine Miene wurde noch mürrischer. Er kam auf sie zu, wobei er einen weiteren Schluck nahm. Als er stehen blieb, war er nur Zentimeter von Audrey entfernt, und sie war zwischen ihm und dem Bett gefangen. Er war ihr so nah, dass sie das Bier in seinem Atem roch. Aber sie weigerte sich, klein beizugeben.

„Sie hätten Missionarin werden sollen oder so was“, fuhr er sie an. „Ich sehe direkt vor mir, wie Sie mit anderen zimperlichen, vertrockneten alten Jungfern gegen den Teufel Alkohol wettern!“

Audrey stockte der Atem. Vertrocknete alte Jungfer. Es stimmte. Genau das war sie. Sie kämpfte mit aller Kraft gegen ihre Tränen an, aber gegen ihre Wut konnte sie nichts tun. „Wenigstens sitze ich nicht den ganzen Tag herum und heule vor Selbstmitleid!“

Er senkte den Kopf, sodass sie seinen Atem an ihrem Hals spüren konnte. „Wissen Sie, es gefällt mir, wenn Sie so in Fahrt geraten. Dann funkeln Ihre Augen, und Ihre …“ Er blickte bedeutungsvoll auf ihre Brüste. „Sie gefallen mir, Kleine. Ich will Sie.“

Oh Himmel. Ihre Brustspitzen verrieten leider nur allzu deutlich, wie sehr seine Nähe sie erregte. Sie erschauerte, als er ihren Hals küsste. Obwohl er nach Bier roch, sehnte Audrey sich danach, seine Arme um sich zu fühlen und seine Lippen auf ihrem Mund.

Nein. Mark war nicht mehr der Mann, den sie damals kennengelernt hatte. Sie stieß ihn von sich. „Machen Sie Platz, und ich lasse Sie in Frieden, damit Sie sich in aller Ruhe betrinken können.“

Mark stellte die Flasche aber auf dem Boden ab und ließ sich plötzlich nach vorn auf das Bett fallen, wobei er Audrey mit sich nahm. Er streckte die Arme vor sich aus, sodass er nicht mit seinem ganzen Gewicht auf sie fiel. Audrey bekam trotzdem auf einmal keine Luft mehr. Sein Mund war nur wenige Zentimeter über ihrem.

„Wahren Frieden gibt es nicht, Baby. Aber Leidenschaft ist auch nicht schlecht.“

Audrey kämpfte gegen den plötzlichen Drang an, ihn zu packen und zu sich herabzuziehen.

„Was für schöne grüne Augen“, flüsterte er. „Küss mich, Kleine.“ Gierig presste er den Mund auf ihre Lippen und drängte sie, ihn einzulassen.

Aber er brauchte sie nicht zu drängen. Audrey fuhr ihm mit den Händen durch das Haar und erwiderte seinen Kuss nun voller Leidenschaft.

Er ließ sich langsam auf sie sinken und stöhnte leise, während er mit der Zunge zwischen ihre Lippen drang. Audrey erschauerte, als er sie anschließend auf den Hals küsste. Sie spürte den Beweis seines Verlangens hart an ihrem Schenkel. Mark presste sich an sie, und dann merkte sie, dass er mit einer Hand unter ihr T-Shirt glitt.

Sie musste verrückt sein! Vor nur einer Minute hatte er sie eine alte Jungfer geschimpft. Er wollte sie nur, weil er betrunken war. Audrey kam wieder zu Sinnen und schob ihn heftig von sich. „Nein!“

Er rollte sich von ihr herunter und setzte sich auf. „Was ist los?“

Audrey sprang vom Bett herunter und lief zur Tür, wo sie schwer atmend stehen blieb. Sie wusste nicht, welches Gefühl stärker war – Demütigung oder Bedauern. „Sie kennen mich nicht einmal.“

Er griff wieder nach der Bierflasche und nahm einen Schluck. „Was hat das denn damit zu tun? Die Frauen, die den Lone Cowboy haben wollten, haben mich auch nicht gekannt.“

Audrey schüttelte fassungslos den Kopf. „Das heißt doch nicht … Oh!“ Glaubte er etwa, weil sie fett und unansehnlich war, würde sie nicht Nein sagen?

Mark runzelte die Stirn. „Ah, ich verstehe. Der Krüppel ist Ihnen nicht gut genug.“

„Ihre Verletzung hat überhaupt nichts damit zu tun.“

„Ach, hören Sie doch auf, Lady. Ich weiß, wie ihr Frauen seid.“

Audrey hätte am liebsten geschrien vor Enttäuschung und Scham. Warum gab sie sich überhaupt die Mühe, mit ihm zu reden? „Denken Sie doch, was Sie wollen. Und tun Sie, was sie wollen. Aber lassen Sie mich in Frieden. Dann lasse ich Sie auch in Frieden, okay?“ Sie drehte sich auf dem Absatz um, packte Eimer und Reinigungsmittel und lief aus dem Zimmer.

Mark fluchte beherzt und ließ die leere Flasche auf den Boden rollen. Jetzt hatte er endlich seine Ruhe. Aber er konnte den Staubsauger aus dem Wohnzimmer hören.

Ja, endlich Ruhe. Das war es doch, was er wollte, oder? Seine Ruhe haben und allein sein. Dann konnte ihn keiner kritisieren, und keiner konnte etwas von ihm erwarten. Aber warum spürte er dann ein solches Brennen in der Brust? Warum hatte er die Hand nach Audrey ausstrecken und sich bei ihr entschuldigen wollen? Warum hatte er ihr alles versprechen wollen, wenn sie nur bei ihm blieb? Was zum Teufel war nur mit ihm los?

Er straffte die Schultern. Nichts, was ein Bier nicht wieder einrenken würde.

Audrey verbrachte den Rest des Tages mit Saubermachen. Sie musste ständig daran denken, wie sehr Mark Malone sich verändert hatte. Wirklich, ein großartiger Held. Vielleicht stand der Name Double M für „Malone, der Meschugge“. Sie konnte sich schon die Schlagzeilen vorstellen.

„Malone, der Meschugge, massakriert die Medien“. Sie kicherte. Oder vielleicht auch: „Lone Cowboy auch im Leben einsam.“

Oder wie wär’s mit: „Sturer Cowboy will keinen Trost.“ Wieso Trost? Hatte sie ihn denn trösten wollen?

Audrey seufzte. Genau das hatte sie tun wollen, und zwar seit sie den Schmerz in seinen Augen gesehen hatte.

Während sie die leeren Flaschen vom Boden einsammelte, sah sie durch den Flur zum Wohnzimmer hinüber, das außer einer Bar und einem halb vollen Weinregal leer war. Dann sah sie die Gürtelschnallen, die überall auf dem Boden verstreut lagen. Das waren doch Marks Meisterschaftsschnallen.

Jetzt, da ihre Wut verraucht war, erweckte die Erinnerung an Marks Kuss wieder neue Sehnsüchte in ihr. Er hatte sie tatsächlich geküsst! Und er hatte sie schön genannt. Das Bier musste sein Urteilsvermögen getrübt haben. Aber dass er erregt gewesen war, war nur allzu deutlich gewesen. Allerdings hatte er selbst gesagt, dass man eine Person nicht zu kennen brauchte, um sie zu begehren. Da war etwas Wahres dran.

Schließlich hatte sie ihn auch begehrt.

Er war ihr Boss, aber der Gedanke, ihn wegen sexueller Belästigung anzuzeigen, war ihr keinen Moment in den Sinn gekommen. Und er hatte sie nicht gefeuert, als sie sein Bier in den Abguss geschüttet hatte.

Und wie sie mit ihm geredet hatte. Wenn er sie jetzt entlassen wollte, würde sie nie die ganze Geschichte über ihn erfahren. Aber sie konnte nicht im selben Haus mit ihm wohnen und ruhig mit ansehen, wie er sich langsam zu Tode trank. Er hatte offensichtlich vor, sich von seiner Verletzung das Leben zerstören zu lassen. Es ging Audrey zwar nichts an, aber er bedeutete ihr einfach zu viel. Sie musste versuchen, ihm zu helfen, und wenn auch nur wegen jenes denkwürdigen Tages, als er sie wie ein wahrer Held aus einer schwierigen Situation gerettet hatte.

Mark Malone war mehr als nur eine Story für sie, und das würde sich nie ändern.

4. KAPITEL

Am folgenden Nachmittag war Audrey gerade mit einem großen Stapel ordentlich gefalteter Wäsche auf dem Weg zu den Schlafbaracken der Cowboys, als sie Gelächter aus dem Stall kommen hörte. Curley, die ihr in letzter Zeit ständig auf dem Fuß folgte, bellte und lief hinein.

Audrey kam eine Idee, und sie ging impulsiv auch auf den Stall zu. Vielleicht würden die Männer im Stall, wer immer sie auch waren, in dieser ausgelassenen Stimmung eher eine Information über ihren Chef ausplaudern. Sie musste einfach die Antwort auf ihre Fragen finden. Marks Zustand musste auf mehr zurückzuführen sein als nur auf seinen Unfall. Was hatte ihn nur so sehr verändern können?

Sie folgte den Geräuschen bis zur hinteren Ecke des Stalls und sah Dalt, der sich auf dem zuckenden mechanischen Bullen zu halten versuchte, während Jim den Hebel bediente.

Ein, zwei Sekunden später flog Dalt im hohen Bogen in die Luft und landete auf seiner Kehrseite. Als er Audrey entdeckte, sprang er schnell auf und rieb sich die malträtierte Stelle. Mit einem besonders charmanten Lächeln schlenderte er auf sie zu. „Hi, Audrey. Wollen Sie es mal versuchen? Wir fangen auch ganz langsam an.“ Er hob die Augenbrauen und zwinkerte ihr zu. Ausgerechnet mit ihr flirtete er! Wollte er sich über sie lustig machen?

Hinter ihr feuerten einige Cowboys Pete an, auf den Stier zu steigen. Der warf Audrey eine Kusshand zu und kletterte grinsend auf das Fass.

„Versuchen Sie es als Nächste?“ Dalt legte einen Arm um ihre Taille, zog sie dicht an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich werde Ihnen helfen, sich festzuhalten, wenn Sie wollen.“

„Nein, ich …“ Plötzlich meldete sich eine leise Stimme in ihr zu Wort. Wieso nicht, flüsterte sie. Du wolltest doch mutiger werden, oder?

„Okay.“ Sie übergab dem verblüfften Dalt die Wäsche. „Ich brauche aber eine Trittleiter oder so was.“

Dalt grinste von einem Ohr zum andern. „Klar doch, Süße. Was Sie wollen. Kommen Sie nur, und wir kümmern uns um alles.“

Pete sprang herunter, und bevor Audrey wusste, wie ihr geschah, half Dalt ihr auf das Fass hinauf, das sich auch gleich darauf langsam in Bewegung setzte. Audrey klammerte sich nervös an das Seil. Ihre Beine schmiegten sich so fest um das Fass, dass ihr die Muskeln wehtaten.

Nach einigen Sekunden und während Dalt und die anderen Männer sie begeistert anfeuerten, wurde die schaukelnde Bewegung stärker. Audrey konzentrierte sich darauf, nicht herunterzufallen. Eine seltsam erregende Energie schoss durch ihren Körper. So musste Mark sich gefühlt haben, wenn er ritt – erregt, voller Leben, unbesiegbar. Audrey stieß den rechten Arm in die Luft und lachte.

„Müssen Sie nicht das Abendessen kochen?“, rief eine tiefe Stimme.

Das Schreien und Johlen hörte abrupt auf. Das Fass bewegte sich nicht mehr. Audrey hielt erschrocken den Atem an, als sie Marks unfreundlichen Blick auf sich gerichtet sah. Sie wurde sofort knallrot vor Verlegenheit.

Dalt ging auf Mark zu. „Es ist meine Schuld. Ich habe sie aufgehalten.“

Mark achtete nicht auf ihn, er sah immer noch Audrey an. Sein Atem kam unregelmäßig, und seine blauen Augen blitzten ärgerlich.

Audrey rutschte vom Fass herunter und war sich bewusst, dass er keinen Moment den Blick von ihr nahm. Sie war entschlossen, sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen. Als sie vor ihm stand, konnte sie das Bier riechen. Und ausgerechnet er wollte ihr Vorhaltungen machen! „Das Abendessen, Mr. Malone, ist schon längst im Ofen. Ich war dabei, alle zum Essen hereinzurufen. Aber Sie riechen so, als hätten Sie Ihr Abendessen schon getrunken.“ Sie nahm die Wäsche auf, die Dalt auf einen Heuballen gelegt hatte, und ging mit hoch erhobenem Kopf zum Haus zurück.

Alle Männer außer Dalt eilten zu den Baracken, um sich zu waschen, während Mark Audrey nachstarrte. Er wusste nicht, was er lieber tun wollte – ihr den Hals umdrehen oder sie in die Arme reißen und hier vor aller Augen küssen.

„Sie machen einen großen Fehler, Malone.“

Er sah Dalt flüchtig an. „Was wissen Sie schon?“

Dalt schüttelte den Kopf. „Wenn Sie eine Frau haben wollen, müssen Sie nett zu ihr sein und ihr nicht den Kopf abreißen.“

Marks Blick war eine unausgesprochene Warnung, und Dalt erkannte das, zuckte die Achseln und ging davon.

Schlief Audrey mit Dalt? Er war erst seit wenigen Wochen auf der Ranch, aber die Männer erzählten sich, dass seine Erfolge beim schönen Geschlecht legendär wären. Warum sollte ausgerechnet Audrey gegen ihn immun sein?

Die ganze Woche über hatte sie beim Saubermachen gesummt und gelächelt. Mark hatte gesehen, wie sie Curley unter dem Tisch fütterte, und sie hatte sogar John freundschaftlich umarmt. Sie war ihm so unschuldig, so liebenswert vorgekommen. Das Haus hatte sich unter ihren Händen von einem dunklen, finsteren Loch in ein warmes, sonniges Heim verwandelt. Zum ersten Mal seit Jahren schien es Mark, als wäre alles in Ordnung mit der Welt.

Dieses Gefühl wollte er nicht mehr missen. Er wollte, dass Audrey ihm zulächelte, wie sie es heute Morgen in der Küche getan hatte.

Er wollte, dass Audrey ihm gehörte.

„Sind Sie sicher, dass Sie nicht mitkommen möchten?“, fragte Ruth noch ein letztes Mal. Es war Freitagabend, und alle Cowboys fuhren nach Quitman, um die ganze Nacht durchzutanzen.

„Ja, Ruth, aber danke. Ich bin einfach zu erschöpft.“ Audrey tanzte sehr gern, aber sie war schon lange nicht mehr ausgegangen, und früher hatte der Abend meist damit geendet, dass sie am Rand gestanden und den anderen beim Tanzen zugesehen hatte.

Ruth zögerte. „Lassen Sie mich Ihnen noch einen Rat geben, Mädchen. Halten Sie sich fern von Pete. Er ist ein absoluter Mistkerl. Lassen Sie sich nicht von ihm in eine dunkle Ecke ziehen.“

Audrey fröstelte. „Warum sagen Sie das? Hat er Ihnen wehgetan?“

„Ha!“ Ruth lachte. „Wegen mir machen Sie sich keine Sorgen. Pete wird mich nicht wieder belästigen. Ich wollte Sie nur warnen. Seien Sie vorsichtig.“

Audrey schluckte nervös, nickte und winkte Ruth zum Abschied zu. Sie ging in die Küche und öffnete ein Fenster. Die kühle Brise war eine Wohltat für ihre erhitzten Wangen und beruhigte ihre angespannten Nerven.

Sie stellte das Radio ein und begann mit dem Abwasch. Etwas später beim Abtrocknen kam eins ihrer Lieblingslieder. Audrey stellte die Musik lauter und fing an zu tanzen.

Wie sehr sie sich nach einem Mann sehnte, der sie so lieben würde, dass er nur sie sah. Einen Mann, der mit ihr tanzen und sie nachts in seinen Armen halten wollte, mit dem sie Kinder haben und zusammen alt werden würde.

Sie erinnerte sich an das wunderschöne Lächeln, das Mark ihr vor so langer Zeit geschenkt hatte. Jetzt lächelte er nie. Es war, als hätte er zusammen mit seiner Karriere auch sein Lächeln verloren. Was musste geschehen, damit es wiederkehrte?

Mark hörte die Musik und ging ihr nach. Er glaubte, dass Audrey mit allen anderen ausgegangen war, stattdessen tanzte sie allein in der Küche. Sie sah einfach hinreißend aus. Ihr blonder Pferdeschwanz wippte hin und her, und ihre Arme hielt sie vor sich ausgestreckt, als umarme sie einen Tanzpartner.

Zum Teufel mit seinem verflixten Bein! Er konnte sie nicht einmal in die Arme nehmen und mit ihr tanzen. Warum war sie nicht mit den anderen gefahren? Er ging unwillkürlich auf sie zu und stöhnte leise auf, als sie gegen ihn stieß. Ihre Augen waren geschlossen, weswegen sie ihn natürlich nicht gesehen hatte – aber was war seine Ausrede?

Audrey hielt sich an seinen Armen fest, um nicht zu fallen. „Oh, Entschuldigung! Ich habe nicht aufgepasst …“

Es war wunderbar, als sie mit den Händen über seine Arme strich. Er trug ein ärmelloses Sweatshirt und empfand ihre Berührung wie eine Liebkosung.

Audrey holte tief Luft und löste sich hastig von ihm. Hatte sie etwa Tränen in den Augen gehabt? Ohne zu überlegen, folgte er ihr zum Fenster. Moment mal, Malone. Sie hat dich schon mal abgewiesen, vergiss das nicht! Aber er wollte ihre unausgesprochene Verachtung einfach nicht länger hinnehmen.

Er senkte den Kopf und atmete den Zitrusduft ihres Haars ein. Er sehnte sich so sehr danach, ihren hübschen Nacken zu küssen. Nein. Er ballte die Hände zu Fäusten. Er würde sie nicht berühren. „Was ist los?“, fragte er leise.

Jetzt würde sie „nichts“ sagen wie alle Frauen, und dann würde sie ganz nebenbei erwähnen, was sie wirklich wollte. Wahrscheinlich Geld.

Sie drehte sich zu ihm um, den Blick auf den Boden gerichtet, und trocknete sich die Wangen mit dem Handrücken. „Es war nur dieses Lied.“ Ihre Lippen zitterten leicht, und sie versuchte zu lächeln. „Es ist ziemlich dumm, wegen einer Melodie loszuheulen, nicht wahr?“ Sie lachte leise, aber schon wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen.

Autor

Elizabeth Bevarly
<p>Elizabeth Bevarly stammt aus Louisville, Kentucky, und machte dort auch an der Universität 1983 mit summa cum laude ihren Abschluss in Englisch. Obwohl sie niemals etwas anderes als Romanschriftstellerin werden wollte, jobbte sie in Kinos, Restaurants, Boutiquen und Kaufhäusern, bis ihre Karriere als Autorin so richtig in Schwung kam. Sie...
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