Baccara Exklusiv Band 46

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VIELLEICHT NUR EINE NACHT von BAXTER, MARY LYNN
Ellen will mit Männern nichts mehr zu tun haben. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an ihre gescheiterte Ehe. Bis der wohlhabende Porter Wyman in einer Nacht voller zärtlicher Berührungen und wildem Verlangen ihre Welt komplett auf den Kopf stellt.

HEISSE LIEBE KOMMT INS SPIEL von D'ALESSANDRO, JACQUIE
Herzrasen, unbändige Sehnsucht, heiße Leidenschaft - diese Gefühle muss ein echter Mann in Lexie wecken. So wie der umwerfend gut aussehende Rodeoreiter Josh. Der flirtet aber nicht nur mit ihr, sondern auch mit der Gefahr. Und das bricht Lexies fast das Herz.

MEIN HELD - MEIN RETTER von DEAN, ALYSSA
Eine Heirat mit ihrem attraktiven Nachbarn Morgan Brillings könnte Lacys Farm vor dem Ruin retten - aber eine Ehe ohne Leidenschaft kommt für sie nicht in Frage. Also beschließt sie, herauszufinden, ob Morgan in ihr ein Feuer entfachen kann.


  • Erscheinungstag 04.06.2008
  • Bandnummer 46
  • ISBN / Artikelnummer 9783863495855
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

ALYSSA DEAN

MEIN HELD - MEIN RETTER

Flirten ist Silber – Liebe ist Gold! Zwei Männer bemühen sich um die bildhübsche Famerin Lacy Johnson. Doch während Cal Robinson nur heiße Leidenschaft in ihr erwecken will, um an die Silbermine auf ihrer Farm zu kommen, möchte Morgan Brillings ihr aus ehrlichem Herzen helfen. Und hat am Ende etwas viel wertvolleres in seinen Händen: Lacys ganze Liebe

MARY LYNN BAXTER

VIELLEICHT NUR EINE NACHT

Es sollte nur eine Nacht sein – ohne Hemmungen, aber auch ohne Versprechen auf ein Morgen. Doch die Zärtlichkeit, mit der der attraktive Porter Wyman sie liebt, weckt in Ellen den Wunsch nach mehr. Ist es nur die Leidenschaft, die aus ihr spricht, oder hat ihr erregender Liebhaber auch ihr Herz berührt?

Jacquie D’Alessandro

HEISSE LIEBE KOMMT INS SPIEL

Ihr neuer Kunde Josh ist genau so, wie ein Mann für Lexie sein muss: stark, männlich und extrem begehrenswert. Und als Fitnesstrainerin weiß sie, wie sie seinen Puls tagsüber in die Höhe treibt. Doch nachts vertauschen sich die Rollen, und Josh zeigt Lexie was es heißt, sich ganz den Gefühlen und der Leidenschaft zu ergeben.

1. KAPITEL

„Wie wäre es mit einem gut aussehenden, geheimnisvollen Fremden, Oscar?“, fragte Lacy und drehte den durchtrennten Stacheldraht mit der Zange zusammen. „Könnten wir den nicht hier brauchen?“

Oscar, ihr Bordercollie, hielt den Kopf schief und musterte sie verständnislos.

Lacy ließ sich auf ihre Fersen sinken, zog die Arbeitshandschuhe aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du weißt, was für einen Typ ich meine. So einen, wie er im Film immer dann auftaucht, wenn die junge, hübsche Tochter des Ranchers schon jede Hoffnung aufgegeben hat und nahe daran ist, ihren Besitz zu verlieren.“ Sie schaute Oscar an. „Fast so wie im richtigen Leben, nicht wahr?“

Er neigte den Kopf zur anderen Seite und jaulte.

„Nicht ganz“, räumte Lacy ein. „Unsere Situation ist nicht zum Verzweifeln.“

Allerdings war sie auch nicht besonders erhebend. Ihre gesamte Heuernte war verbrannt, sodass sie für den Winter Futter kaufen mussten. Ihr bester Bulle war mit einer großen Anzahl junger Rinder ausgebrochen und in dem von den Regenfällen stark angestiegenen Bach ertrunken. Der Mähdrescher hatte nicht funktioniert und brauchte eine kostspielige Reparatur. Ihre finanzielle Situation war nicht rosig, und wenn sich die Umstände nicht gewaltig besserten, würden sie wohl in Bedrängnis geraten.

„In Filmen taucht in so einem Fall ein fantastisch aussehender Unbekannter mit undurchsichtiger Vergangenheit auf. Er verliebt sich in die Tochter, und sie sich in ihn. Sie erleben eine leidenschaftliche Romanze, und er rettet ihre Ranch schließlich vor den Gläubigern.“

Oscar legte sich neben ihr auf den Boden und gähnte.

Lacy tätschelte ihm den Kopf. „Du glaubst nicht, dass hier so etwas passiert, oder?“

Oscar schloss die Augen und ließ den Kopf auf die Pfoten sinken. Lacy richtete sich auf und ließ den Blick schweifen. Sie befand sich auf einer Anhöhe, die eine herrliche Aussicht bot. Abgesehen von dem kleinen Waldstück zu ihrer Linken und dem Bach unten im Tal sah sie nichts anderes als Gras, Weidezäune und Angusrinder. Weit und breit war kein Mensch in Sicht, und am allerwenigsten ein Traummann.

Lacy bückte sich und hob das Werkzeug auf, das sie gebraucht hatte, um den Zaun zu reparieren. Ihr Hund blickte gelangweilt drein, während sie die Sachen in den Satteltaschen eines der beiden Pferde, die sie mitgebracht hatte, verstaute.

„Außerdem eigne ich mich nicht als Traumfrau, auch wenn ich die Tochter eines Ranchers bin. Achtundzwanzig ist nicht mehr jung, und als hübsch würde ich mich auch nicht betrachten.“ Sie blickte auf ihre schmutzigen Jeans und verzog das Gesicht. „Die meiste Zeit kann ich mich nicht mal als sauber betrachten.“

Sie betrachtete sich sowieso kaum. Schon morgens war sie zu beschäftigt, um viel mehr zu tun, als sich anzuziehen, ein bisschen frisch zu machen und zu kämmen. Was Make-up betraf, benutzte sie ab und zu mal etwas Lippenstift. Doch konnte sie sich nicht erinnern, wann sie das zum letzten Mal getan hatte. Warum auch? Um Zäune zu reparieren, Rinder zu versorgen und Heu einzufahren, musste sie nicht umwerfend aussehen.

„In mich verlieben wird er sich nur, wenn er eine Frau mit einem einfachen, urwüchsigen Lebensstil mag“, stellte sie fest.

Und das erschien ihr unwahrscheinlich. Männer liebten langbeinige Blondinen und nicht etwa kleine braunhaarige Frauen, die nach Pferden und Heu rochen anstatt nach Parfüm. Doch ausmalen konnte sie sich, was sie wollte. Und so stellte sie sich vor, wie ein fantastisch aussehender Fremder den Hügel heraufgeritten kam und sie entdeckte. „Großartig!“, würde er zu ihr sagen. „Ich habe mich schon immer nach einer Frau gesehnt, die im Einklang mit der Natur lebt. Wie wäre es mit einer heißen Affäre? Ich rette auch die Ranch für dich.“

Lacy musste lachen. „Gern, mein Traummann“, würde sie sagen. Sie würden atemberaubenden Sex miteinander haben, und dann würde er … Ja, was würde er machen? Sie klappte die Satteltasche zu. „Selbst wenn so ein Mann auftauchen sollte, was könnte er schon tun?“, fragte sie Oscar. „In den Filmen erschießt er die bösen Gläubiger. Unsere Gläubiger sind aber keine Finsterlinge. Sie wollen nur das Geld, das wir ihnen schulden.“ Lacy überlegte. „Wenn mein Traummann nicht die Satteltaschen voller Gold hat, kann er mir sowieso nicht helfen.“

Sie verzog das Gesicht. Kein Wunder, dass sie einen solchen Mann weit und breit nicht entdecken konnte. So einen gab es vermutlich nicht!

Lacy klopfte dem Pferd auf den Rücken und ging zu dem anderen Tier. „Besser er taucht nicht auf, sonst habe ich nichts mehr zu tun. Und ich brauche nicht noch einen Mann, der mir Vorschriften macht.“

Ihr Vater war schon schlimm genug. Oh, er war ein wunderbarer Mensch, und sie liebte ihn auch. Aber er war mit Sicherheit der größte Chauvinist diesseits des Pazifiks. Er hatte seine eigenen Vorstellungen, wie die Ranch geführt werden sollte. Lacy konnte ihm das nicht verübeln. Schließlich hatte er sie von seinem Vater übernommen. Aber Lacy war nicht vollkommen unerfahren. Bis auf die kurze Zeit, in der sie Landwirtschaft studiert hatte, hatte sie immer hier gelebt. Und nachdem ihr Vater vor drei Jahren einen Herzinfarkt gehabt hatte, hatte sie praktisch die Leitung der Ranch und den Hauptteil der Arbeit übernommen. Trotzdem meinte er, ihr Vorschriften machen zu können.

Es könnte höchstens schlimmer werden. Zum Beispiel, wenn ihr Traummann das Kommando übernehmen wollte. Er würde dann die Arbeit tun, die ihr am meisten Spaß machte, während für sie nur das Kochen, Waschen und Putzen übrig blieb.

Jedenfalls war es all ihren verheirateten Freundinnen so ergangen. Manchmal überlegte Lacy, warum sie überhaupt geheiratet hatten. Natürlich gab es Momente, in denen sie sich nach einem Mann sehnte, aber das kam selten vor und meistens nur dann, wenn sie ein Pärchen miteinander schmusen sah. „Mir würde es genügen, wenn wir nur eine leidenschaftliche Affäre haben, ehe er wieder weiterreitet.“

Eine Romanze mit einem gut aussehenden, reichen, geheimnisvollen Fremden wäre ideal. Die Sache hatte nur einen Haken: Lacy wohnte bei ihren Eltern. Und die würden vermutlich nicht gelassen ihren Beschäftigungen nachgehen, während ihre Tochter und deren Traummann sich miteinander im Schlafzimmer vergnügten. Und so würde sie mit ihm im Gebüsch verschwinden müssen, was kalt, unbequem und wenig romantisch wäre. Zwar gab es ein Hotel im Ort, aber wenn sie sich dort einquartierten, würde bald jeder in Silver Spurs Bescheid wissen. Sie würden bis in die nächste Stadt fahren müssen, um …

„Vergiss es!“, sagte sie sich. Es hatte keinen Sinn, ein geheimes Rendezvous mit einem unbekannten Fremden zu planen, der nie auftauchen würde. Ebenso gut konnte sie sich wünschen, es möge Millionen Dollar vom Himmel regnen!

Trotzdem hing sie ihren Wunschträumen noch einen Augenblick nach, ehe sie jeglichen Gedanken daran restlos verdrängte und den Fuß in den Steigbügel schob. „Komm, Oscar, wenn wir uns beeilen, sind wir zu Hause, ehe …“

Sie verstummte, als sie auf den Hund hinuntersah. Oscar lag nicht mehr passiv zu ihren Füßen. Er stand vielmehr aufmerksam da und schaute reglos zu dem Waldstück hinüber. Lacy folgte seinem Blick und erstarrte.

Dort stand ein Mann, keine fünfzig Meter von ihr entfernt auf der anderen Seite des Zaunes direkt vor den Bäumen. Von seinem Cowboyhut bis hin zu den abgetragenen Stiefeln sah er aus wie der Mann, von dem sie gerade geträumt hatte. Er war über ein Meter achtzig groß und hatte einen dunklen Schnurrbart. Er trug eine braune Hose, braune Lederschurze für die Beine und einen staubigen braunen Mantel. Ein Waffengurt zierte seine schmale Taille, und über der Schulter hatte er eine abgegriffene Satteltasche hängen. Er wirkte unbestreitbar mysteriös, und auch sein Aussehen entsprach Lacys Vorstellungen von einem Traummann.

Einen Moment lang schaute er sie in der heraufziehenden Dämmerung über die Wiese hinweg an. Dann tippte er sich an die Hutkrempe, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Dunkel zwischen den Bäumen.

Lacy blickte sprachlos auf die Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, und wartete, bis ihr Herz ruhiger schlug. War es Einbildung gewesen, oder hatte tatsächlich dort jemand gestanden?

Nein, er war kein Produkt ihrer Fantasie. Aber sie hatte ihn noch nie hier gesehen. Was mochte er in dem Wald am südwestlichen Rand ihres Besitzes wollen? Hier hielt sich nur auf, wer nach den Rindern sah oder Zäune reparierte.

Lacy befeuchtete sich die Lippen. Sie sollte einen Fremden nicht einfach hier draußen herumspazieren lassen. Er konnte sich verirren und Hilfe brauchen, obwohl er nicht so ausgesehen hatte. Trotzdem konnte sie ihn wenigstens fragen, was er hier in der Gegend wollte … und sich dabei vorstellen.

„Du bleibst hier, Oscar!“, befahl sie ihrem Hund und band die Zügel ihres Pferdes am Zaunpfahl fest. „Pass auf die Pferde auf!“

Oscar schaute zu ihr auf, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Bäume und bellte kurz.

Morgan Brillings zügelte sein schwarzes Pferd oben auf dem Hügel und spähte in der heraufziehenden Dämmerung auf das andere Ufer des Baches. Er konnte niemanden dort sehen, aber er erkannte die beiden Pferde, den grauen Wallach, den die Johnsons als Lasttier benutzten, und Lacys Rotbraunen.

Er zögerte einen Moment, dann drängte er sein Pferd den Hügel hinunter. Seine Arbeit war getan, und daheim erwartete ihn nur ein leeres Haus. Zwar war er es gewohnt, viel allein zu sein, aber er hatte nichts dagegen, sich ein paar Minuten mit Lacy zu unterhalten.

Vor ein paar Jahren hätte er sich kaum nach anderen Leuten umgesehen. Doch in letzter Zeit zog es ihn öfter zu anderen Menschen. Dieser überraschende Wunsch nach Gesellschaft erstaunte ihn selbst. Möglicherweise war es die Reaktion auf eine Reihe langer, unnatürlich kalter Wintertage. Oder aber sein Bruder hatte recht, und er, Morgan, fühlte sich einsam.

Sein Bruder Wade hatte die Ranch bereits in jungen Jahren verlassen und war nur selten nach Hause gekommen. In den vergangenen Monaten hatte sich das jedoch geändert. Wade rief einmal die Woche an und besuchte ihn regelmäßig.

Das tat Wade, seit er mit dieser hübschen, zierlichen Kanadierin verheiratet war. Morgan war ziemlich verblüfft gewesen, als sein Bruder ihm mitgeteilt hatte, er werde heiraten. Allerdings hatte Morgan noch mehr gestaunt, als er Wades Frau kennengelernt hatte. Cassie war eine nette, kleine Person, die endlos über Dinge wie Dekor und Schränke redete. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie praktisch sein ganzes Haus renovieren wollen.

Doch seinem Bruder nach zu urteilen, war Cassies Verhalten typisch für Frauen. „Sie müssen immer irgendwelche sonderbaren, unlogischen Dinge machen“, hatte Wade erklärt, während Cassie sich Farbmuster angesehen hatte. „Ich glaube, das hat etwas mit ihren Hormonen zu tun.“

Morgan hatte zustimmend genickt, obwohl er im Stillen bezweifelte, das sein Bruder etwas von Hormonen oder dem anderen Geschlecht verstand. Wade und er waren nach dem Tod der Mutter von ihrem Vater großgezogen worden, und keiner von beiden konnte von sich behaupten, dass er viel Erfahrung im Umgang mit Frauen besaß. Außerdem glaubte Morgan nicht, dass alle Frauen gleich sein sollten.

Da brauchte er nur an Lacy zu denken. Er kannte sie schon sein ganzes Leben, und sie ließ sich nicht mit Cassie vergleichen. Nie hatte er erlebt, dass sie sich besondere Mühe mit ihrer Frisur machte, Make-up trug oder überlegte, was sie tragen sollte. Ihre Unterhaltungen drehten sich ausschließlich um Rinder und das Wetter, nicht etwa um Kleidungsstücke und Farben. Kein Wunder, Lacy arbeitete bereits von klein an auf der elterlichen Ranch.

Morgan zügelte sein Pferd neben den anderen beiden. Sie ignorierten ihn. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Waldstück ein paar Meter weiter. Morgan musterte sie, als er absaß, und empfand eine leichte Beklemmung. Es war zu still, die Tiere benahmen sich etwas merkwürdig, und Lacy war nirgends zu sehen.

Er bückte sich und kraulte den Hund hinter den Ohren. „Na, Oscar, was ist los? Wo ist Lacy?“

Der Hund winselte und schaute zu den Bäumen hinüber. Morgan spähte in die gleiche Richtung, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Er ging jedoch auf das Waldstück zu.

Fast hatte er den Rand des Hains erreicht, als die Zweige auseinandergedrückt wurden und Lacy auftauchte. Sie kam auf ihn zugestürmt, ohne darauf zu achten, wo sie hinlief. Ehe Morgan noch reagieren konnte, stieß sie schon mit ihm zusammen.

Damit Lacy nicht das Gleichgewicht verlor, fasste Morgan nach ihren Schultern. Erschrocken schnappte sie nach Luft und wollte sich aus seinem Griff befreien, den er automatisch verstärkte. „Halt, Lacy!“

Sie erstarrte und schaute zu ihm auf. Es war noch hell genug. Er konnte deutlich erkennen, wie blass sie war. „Morgan?“

„Ja, ich …“

„O Morgan!“, hauchte sie, warf einen Blick über die Schulter und schlang zu seinem größten Erstaunen ihre Arme um seinen Hals. „O Morgan, ich bin ja so froh, dass du da bist.“

Er strich ihr über den Rücken und fühlte, dass sie am ganzen Körper bebte. Sie drängte sich an ihn, presste ihre Brüste an seinen Oberkörper, und eine unerwartete Wärme durchflutete ihn. Er räusperte sich. „Was ist denn los?“

„Da hinten.“ Sie sah erneut beklommen über die Schulter. „Da war ein … ein …“

Morgan überlegte rasch, was einem Menschen hier draußen unerwartet begegnen konnte. „Was denn? Ein Puma? Ein Grizzly?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Was dann?“ Morgan spähte zu den Bäumen hinüber. Er dachte an seine Winchester, die er im Gewehrholster seines Sattels stecken hatte.

„Ein Geist.“ Lacy riss entsetzt die Augen auf. „Du meine Güte, Morgan, ich habe gerade einen Geist gesehen.“

„Zuerst stand er auf der anderen Seite des Waldes direkt neben einigen Steinen. Und dann … dann war er plötzlich weg“, schloss Lacy ihren Bericht. Ein kalter Schauer rieselte ihr über den Rücken, als sie sich daran erinnerte. Das Sonnenlicht war verblasst. Der Cowboy hatte sie offen angeschaut. Sie hatte ihn ansprechen wollen … „Er gestikulierte mit der Hand, als wollte er auf etwas hinweisen. Dann hat er sich in Luft aufgelöst.“

Lacy nippte an ihrem Tee und musterte ihre Zuhörer. Sie hielten sich im Wohnzimmer auf. Lacy hatte auf dem schwarzen Ledersofa Platz genommen. Ihr Vater saß in dem einen Sessel und Morgan Brillings in dem anderen.

Morgan war, wie die meisten Männer der Gegend, groß, sehnig und dunkelhaarig. Er hatte tief liegende blaue Augen und eine sonnengebräunte, wettergegerbte Haut. Doch hatte er auch etwas an sich, das Lacy an die Erscheinung erinnerte, die sie vor ein paar Stunden gesehen hatte.

Fröstelnd wandte sie den Blick ab. Das war sicherlich albern. Morgan hatte nichts mit ihrem geheimnisvollen Fremden gemeinsam. Er mochte gut aussehen, aber sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben. Er war ihr unmittelbarer Nachbar und mehr mit ihrem Vater befreundet als mit ihr. Außerdem hatte er sich noch nie in Luft aufgelöst.

Walt Johnson wechselte einen raschen Blick mit Morgan und runzelte die Stirn, als er sich an Lacy wandte. „Du hättest dem Kerl gar nicht nachgehen dürfen, sondern sofort umkehren müssen.“

Lacy schüttelte den Kopf. „Ich hatte keinen Grund davonzulaufen. Der Fremde befand sich auf unserem Grundstück. Ich musste doch nachsehen, was er da wollte.“ Außerdem hatte sie ihn, nachdem er wie von ihr herbeigewünscht aufgetaucht war, nicht einfach ignorieren können. „Sicherlich hättest du genauso gehandelt.“

„Das mag sein“, gab Walt zu. „Aber das ist etwas anderes. Du bist eine Frau.“

„Ach, Dad!“ Lacy ließ den Kopf auf die Sofalehne sinken. Die Tatsache, dass sie eine Frau war, hatte sie nicht davon abgehalten, die Arbeit auf der Ranch zu übernehmen, als ihr Vater sie nicht mehr geschafft hatte. „Ich wusste nicht, dass er ein Geist war. Sonst wäre ich ihm wohl nicht gefolgt.“

Walt wurde energisch. „Geister gibt es nicht.“

Mit dem Einwand hatte Lacy gerechnet. „Das habe ich auch immer geglaubt, bis ich ihn vor meinen Augen habe verschwinden sehen.“

„Lacy …“

„Es muss ein Geist gewesen sein“, beharrte sie. „Sonst müsste ich ja annehmen, dass es sich um einen Außerirdischen handelt, der in sein Raumschiff zurückgebeamt wurde.“

Walt wandte sich an Morgan. „Was meinst du dazu, Morgan?“

„Also, ich kam erst dort an, nachdem Lacy ihm begegnet war. Es wurde schon dunkel, und ich habe mich gar nicht weiter nach ihm umgesehen.“ Morgan schaute Lacy an. „Ich hielt es für besser, Lacy so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.“

Und sie hatte nicht protestiert, sondern es genossen, beschützt zu werden. Was war nur mit ihr los? Hatte die Begegnung mit dem Geist sie dermaßen verändert?

„Es könnte auch sein, dass der Kerl mich kommen sah und sich aus dem Staub gemacht hat“, gab Morgan zu bedenken.

„Das hat er nicht“, wandte Lacy ein. „Er hat sich einfach in Luft aufgelöst.“ Die Männer wechselten erneut einen vielsagenden Blick. „Doch, das hat er!“, versetzte Lacy mit Nachdruck.

Ihre Skepsis entging ihr nicht, und sie wünschte sich, ihre Mutter wäre da. Sie würde Lacy zwar ebenso wenig glauben wie die beiden Männer, aber zumindest würde sie ihr den Rücken stärken.

„Ich glaube, ich trinke noch einen Tee.“ Lacy nahm sich ihre Tasse, stand auf und ging in die Küche. Hinter ihr breitete sich Schweigen aus. Aber sie konnte den beiden nicht wirklich böse sein. Das Ganze klang einfach zu unglaublich.

„Ich weiß nicht, was mit ihr los ist“, hörte sie ihren Vater im Wohnzimmer sagen. „Sie weiß ganz genau, dass es keine Geister gibt.“ Er seufzte schwer. „Bestimmt war sie zu lange in der Sonne.“

„Ich war nicht zu lange in der Sonne!“, schimpfte Lacy vor sich hin. Sie wusste genau, wann sie sich einer Gefahr aussetzte.

„Ich weiß nicht, Walt“, meinte Morgan. „Sie war ziemlich erschüttert und ist mir regelrecht um den Hals gefallen.“

Lacys Wangen brannten. Was war nur in sie gefahren, dass sie sich in Morgans Arme geflüchtet hatte? Das war sonst nicht ihre Art. Sie war einfach froh gewesen, ein menschliches Wesen zu sehen. Kaum erinnerte sie sich an den Augenblick, fiel ihr auch eine Reihe Empfindungen ein, die sie verspürt hatte. Das Gefühl seiner beruhigenden Hand im Rücken, seines muskulösen Oberkörpers unter ihrer Wange und seiner kräftigen Schenkel an ihren.

Unangenehm war das nicht gewesen.

Es musste daran liegen, dass sie Angst gehabt hatte. Jeder andere Mann hätte sich in der Situation genauso gut angefühlt.

Sie verdrängte den Verdacht, dass sie nicht ganz ehrlich zu sich selbst war, und horchte auf, als Morgan fortfuhr: „Andererseits ist sie natürlich nur eine Frau.“ Lacy ging auf Zehenspitzen zur Schwingtür und spähte zu den beiden hinüber. Morgan lehnte sich in seinem Sessel zurück und strich sich übers Kinn. „Manchmal benehmen sie sich ein bisschen irrational. Ich habe gehört, es soll mit den Hormonen zusammenhängen.“

Was weißt du denn über Hormone, Morgan Brillings? Er verbrachte nicht viel Zeit mit Frauen, zumindest konnte Lacy sich nicht erinnern, ihn je mit einer Freundin gesehen zu haben. Andererseits hatte sie auch nie darauf geachtet. Und schlecht sah Morgan wirklich nicht aus. Vermutlich hatte er auch Erfahrung, obwohl sie …

„Stimmt“, erklärte Walt. „Ihre Mutter benimmt sich auch manchmal so.“

Lacy musste sich ein Auflachen verbeißen.

„Trotzdem glaube ich, dass Lacy etwas gesehen hat, auch wenn ich nicht weiß, was“, meldete sich Morgan wieder zu Wort.

Walt schwieg einen Moment. „Ich kann mir nicht vorstellen, was jemand dort gewollt haben soll, Morgan, außer, es war ein Viehdieb. Ich habe gehört, in der Nähe von Billings sollen welche gewesen sein. Es wäre möglich, dass sie jetzt hierhergekommen sind.“

„Das könnte sein“, pflichtete Morgan ihm bei.

„Lächerlich!“, murmelte Lacy. „Geister stehlen keine Tiere.“ Seiner Kleidung nach kannte der Mann sich mit Rindern und Pferden aus. Allerdings war er plötzlich verschwunden. Doch wenn Viehdiebe so etwas konnten, würden sie im Zirkus ein Vermögen verdienen und bräuchten keine Rinder zu stehlen.

„Wir sollten vielleicht Dwight Lanigan Bescheid sagen“, schlug Walt vor.

Lacy warf einen verärgerten Blick zur Decke. Dwight war der Sheriff. Was sollte er denn tun? Etwa einen Suchtrupp zusammenstellen und auf Geisterjagd gehen? Vermutlich würde er das sogar machen.

Die Männer hatten lange genug hinter ihrem Rücken herumgerätselt. Lacy kehrte ins Wohnzimmer zurück. „Es gibt keinen Grund, den Sheriff zu benachrichtigen.“

Die beiden wandten sich ihr zu.

„Lacy hat recht“, bekräftigte Morgan. „Noch besteht kein Grund dazu. Aber ich werde mich morgen noch einmal dort umsehen.“

Walt nickte. „Ich begleite dich.“

Lacy trat zu ihnen. „Ich komme mit.“ Liebend gern wollte sie ihre Gesichter sehen, wenn der Mann vor ihren Augen plötzlich verschwand. Falls es kein Geist gewesen sein sollte, wollte sie unbedingt wissen, wer der Mann war und was er dort oben vorgehabt hatte.

Beide Männer sahen sie an, als wäre sie begriffsstutzig. „Nein“, entschied ihr Vater. „Du bleibst zu Hause.“

Lacy hätte ihn erwürgen können. „Es wäre sinnvoller, wenn ich mitkomme“, meinte sie so ruhig wie möglich. „Ich kann euch nämlich zeigen, wo es passiert ist. Außerdem habe ich den Geist gesehen und will bei der Suche dabei sein.“

Walt verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein. Das ist nichts für Frauen, Lacy.“

„So etwas Albernes! Ich bin unzählige Male dort gewesen und ich war die ganze Zeit eine Frau.“

„Da war es nicht gefährlich“, entgegnete Walt gepresst.

„Jetzt ist es auch nicht gefährlich. Der Geist hat mir nichts getan. Er ist bloß verschwunden.“

„Du warst aber ziemlich erschüttert, als ich kam“, mischte sich Morgan ein.

Lacy wirbelte herum. „Natürlich war ich erschüttert. Schließlich habe ich noch nie gesehen, wie sich jemand plötzlich in Luft auflöst. Jetzt, da ich weiß, dass so etwas vorkommt, werde ich nicht so erschüttert sein, wenn es noch einmal passiert.“ In Wirklichkeit jedoch lief Lacy nur bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut über den Rücken. Aber das durften die beiden nicht wissen.

„Darauf müssen wir es doch nicht ankommen lassen, oder?“ Morgan grinste vergnügt. „Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, dich in dem Moment in den Armen zu halten.“

Lacy konnte nur staunen. Wollte er sich über sie lustig machen? Oder … mit ihr flirten?

Morgan senkte seine Stimme. „Und ich hätte auch nichts dagegen, es wieder zu tun.“ Mit funkelnden Augen schaute er sie an und stand auf. „Aber es wäre schon besser, wenn du zu Hause bleibst.“ Er nahm seinen Hut an sich. „Bis morgen, Walt.“

Lacy fasste sich. „Aber …“

Keiner von beiden schenkte ihr Beachtung. „Willst du dein Pferd nicht bei uns im Stall unterbringen und mit meinem Wagen nach Hause fahren? Du kannst morgen damit wiederkommen, und dann machen wir uns zusammen auf den Weg.“

„Das ist nett.“ Höflich verabschiedete sich Morgan von Lacy und schritt, begleitet von Walt, zur Tür.

Lacy warf ihnen einen finsteren Blick hinterher. Großartig, die zwei! Beide felsenfest von ihrer männlichen Überlegenheit überzeugt.

Trotz ihrer Verärgerung fiel ihr Blick unwillkürlich auf Morgans muskulöse Schenkel. Bisher hatte sie nie darauf geachtet, wie gut ihm die Jeans saß. Bestimmt war daran der Geist schuld. Sein Auftauchen hatte sich auf ihre Libido ausgewirkt.

2. KAPITEL

„Das ist richtig ungerecht“, beschwerte sich Lacy und schnippelte wütend Bohnen.

Vor einer halben Stunde waren die Männer weggeritten, um den Geist aufzuspüren. Lacy und Rita, ihre Mutter, sollten sich vor ihrer Rückkehr nicht vom Haus entfernen.

Darüber ärgerte Lacy sich am meisten. Ihr gefiel auch nicht, dass Morgan heute Morgen ebenso anziehend auf sie gewirkt hatte wie gestern Abend. Aber wahrscheinlich hing das mit ihren Tagträumen und dem gut aussehenden Geist zusammen.

„Wieso dürfen die beiden Männer nach dem Geist suchen, und die Frauen müssen zu Hause bleiben und Gemüse putzen?“, fragte sie mürrisch.

Ihre Mutter lächelte nachsichtig. „Du musst mir ja nicht helfen.“

„Kann ich aber, da ich ja sonst nichts machen darf!“ Das stimmte nicht ganz. Sie hätte sich den Motor des Traktors ansehen, die Scheune aufräumen oder sich um die Kälber kümmern können. Stattdessen verbiss sie sich in ihren Groll.

„Aber, Lacy …“

„Sie haben sogar ihre Gewehre mitgenommen.“ Stirnrunzelnd lehnte sie sich gegen die Anrichte. „Was glaubst du, wollen sie etwa den Geist erschießen?“

Rita tätschelte ihr den Arm. „Sie werden niemanden erschießen, Schatz.“

„Gut.“ Lacy widmete sich wieder der Arbeit. „Es hätte nämlich wenig Sinn. Geister sind bereits tot. Das ist schließlich Voraussetzung.“

Rita zog die Brauen zusammen. „Glaubst du wirklich, du hast einen Geist gesehen?“

Lacy zögerte. „Ich … ich weiß es nicht.“ Gestern Abend war sie fest davon überzeugt gewesen, aber heute Morgen erschien es ihr doch etwas seltsam. „Es dämmerte schon. Vielleicht habe ich nicht genau gesehen, wohin der Mann gegangen ist. Und wessen Geist hätte es auch sein sollen? Der einzige Mensch, der hier gestorben ist, war Grandpa, und ihm hat der Geist nicht geähnelt.“

„Ich weiß nicht.“ Ihre Mutter blickte nachdenklich drein. „Früher soll hier einmal ein Rancher von einem Revolverhelden erschossen worden sein. Wie hieß er noch? Parkland … oder Larkland … oder so ähnlich.“

„Ach ja.“ Lacy erinnerte sich, die Geschichte gehört zu haben. „Der könnte es gewesen sein, obwohl er nicht wie ein Rancher aussah, sondern eher wie ein Revolverheld.“ Ihre Neugier war geweckt. „Was ist denn aus ihm geworden?“

„Aus dem Revolverhelden? Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob die Geschichte stimmt. Du kannst aber deinen Vater fragen. Er weiß vielleicht etwas darüber.“

Lacy dachte darüber nach. „So wichtig ist es nicht. Außerdem habe ich mir die ganze Sache vermutlich bloß eingebildet. Geister gibt es nicht, obwohl der Mann fast schon zu gut aussah, um echt zu sein.“

Ihre Mutter staunte. „Lieber Himmel, Lacy, so etwas habe ich von dir noch nie gehört.“

Lacy wurde rot. „Das liegt daran, dass ich hier kaum gut aussehende Männer zu Gesicht bekomme.“

Rita musterte sie verwundert. „Es gibt aber doch eine Reihe netter Männer hier.“

Lacy fiel keiner ein. „Wer denn?“

„Mal sehen.“ Sie überlegte. „Da wäre Bill Larentia. Er sieht doch nicht schlecht aus.“

Lacy fand Bills einfältiges Gesicht nicht besonders anziehend. „Er ist aber nicht besonders attraktiv. Und bei seinen furchtbar veralteten Vorstellungen über die Nutzung des Weidelands grenzt es an ein Wunder, dass seine Rinder noch nicht verhungert sind.“

Rita schmunzelte. „Das hat aber nichts mit seinem Aussehen zu tun. Und wie wäre es mit Jon Taylor? Er hat so große, braune Augen …“

„Jon?“ Lacy rümpfte die Nase. „Jon hat einen Hundeblick, Mom!“

Rita lachte. „Da hast du nicht unrecht.“ Sie schwieg einen Moment. „Und was ist mit Morgan Brillings? An ihm gibt es sicher nichts auszusetzen, oder?“

Unwillkürlich erinnerte sich Lacy daran, wie Morgan sie in seine starken Arme genommen hatte. „Nein“, gab sie zu.

„Seine Weidemethoden sind sehr modern. War er nicht mit einer der Ersten, die diesen Kurs über die ganzheitliche Viehwirtschaft besucht haben?“

„Ja, das stimmt.“ Morgan war immer offen für neue Ideen.

Rita zerschnitt das Gemüse. „Ich würde zwar nicht sagen, dass er besonders attraktiv aussieht, aber doch recht gut.“

„Ja.“ Er hatte ein ausdrucksvolles Gesicht, einen netten Blick und war auch sonst nett. „Morgan ist passabel. Aber vom Alter her könnte er mein Vater sein!“

„Er ist erst sechsunddreißig, Lacy.“

„Wirklich?“ Lacy war fast achtundzwanzig. Also war er nicht so viel älter als sie. „Er kommt mir älter vor. Und ich bin nicht sicher, ob er mit einer Frau etwas anzufangen weiß.“

„Lacy!“

„Bin ich wirklich nicht. Bisher habe ich ihn noch nie mit einem weiblichen Wesen gesehen, das nicht muht.“

Rita lachte. „Ich allerdings auch nicht, zumindest nicht in letzter Zeit, aber …“

„Das liegt vermutlich daran, dass er ein eingefleischter Junggeselle ist. Bestimmt ist das gut so, denn er würde eine Frau wahnsinnig machen.“ Lacy wandte sich den Bohnen zu. „Er hat nämlich die gleichen antiquierten Ansichten über Frauen wie Dad.“

Rita klopfte ihr auf die Schulter. „Die meisten Männer in der Gegend sind hier so. Damit musst du dich wohl oder übel abfinden. Wen willst du sonst heiraten?“

„Niemanden“, versetzte Lacy.

„Aber, Lacy!“

„Ich will nicht heiraten, Mom.“ Sie wünschte sich nicht mehr als eine traumhafte Romanze. „Wie oft haben wir schon darüber gesprochen. Ich will hierbleiben und die Ranch bewirtschaften. Einen Mann brauche ich dafür nicht.“

„Aber …“

„Es ist schon schwer genug mit Dad. Er ist ja lieb, und ich mag ihn auch, aber er lässt mich nichts so machen, wie ich will. Ich habe ihm doch nach seinem Herzinfarkt bewiesen, dass ich es kann, und trotzdem will er mir vorschreiben, was ich tun soll und wie!“

Rita zeigte sich sofort mitfühlend. „Ich weiß, Schatz. Aber er meint es gut. Und er möchte dir doch nur helfen.“

Lacy kam sich undankbar vor. „Das verstehe ich ja, und ich habe eine Menge von ihm gelernt. Manche Dinge möchte ich bloß selbst bestimmen.“ Sie lächelte versöhnlich. „Ich will euch nicht vergraulen, Mom. Ich komme mit Dad schon zurecht.“

„Das musst du vielleicht bald nicht mehr“, sagte Rita etwas leiser und wirkte besorgt.

Lacy erschrak. „Wieso?“

„Ich glaube, es wird Zeit, dass wir wegziehen.“ Rita griff nach einem Handtuch und trocknete sich die Hände. „Ich möchte gern im Ort wohnen, Lacy. Dein Vater arbeitet zu viel.“

„Ich weiß. Ich versuche doch schon …“

„Du tust alles, was du kannst. Das liegt an ihm. Aber wenn wir im Ort wohnen, wird es leichter für ihn.“ Rita nagte an ihrer Unterlippe. „Außerdem sind die meisten unserer Freunde in den Ort gezogen. Dein Vater hätte auch einen Arzt in der Nähe. Wenn hier draußen etwas passiert …“

Lacy legte ihrer Mutter einen Arm um die Schultern. „Es wird nichts passieren, Mom.“ Bei dem Gedanken, dass ihre Eltern umziehen wollten, wurde ihr schwer ums Herz. Sie hatte gewusst, dass es eines Tages passieren mochte, aber bisher hatte dieser Tag in ferner Zukunft gelegen. „Wenn ihr das natürlich unbedingt möchtet, solltet ihr es tun.“

Rita begegnete ihrem Blick. „Und was wird dann aus dir?“

Lacy wandte sich wieder dem Gemüse zu. „Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon zurecht.“

Rita zeigte sich entsetzt. „Wir können dich doch nicht hier allein lassen.“

„Es wird schon gehen“, erwiderte Lacy, obwohl ihr etwas mulmig zumute wurde. „Schließlich war es so vorgesehen.“

„Nein, war es nicht. Du solltest jemanden einstellen, der dir hilft, und wir wollten für einen Wohnwagen sorgen …“

„Dann machen wir das eben“, unterbrach Lacy sie.

Rita sank auf einen Stuhl. „Wir können uns das jetzt nicht mehr leisten, Lacy.“

„Nun ja, in letzter Zeit lief es nicht besonders gut, aber …“

„Es lief ziemlich schlecht.“ Rita holte tief Luft. „Wir brauchen ein Einkommen, um im Ort zu wohnen. Das hätten wir nur, wenn wir verkaufen.“

Lacy nickte. So lief das auch bei anderen Familien. Die Eltern gaben den Besitz zu einem niedrigeren Preis an ihre Kinder ab, die den Betrag in Raten abzahlten. „Ich werde mich mal bei der Bank erkundigen. Ich …“

„Das geht nicht, Lacy. Du kannst unmöglich eine Hypothek abtragen, unsere Schulden übernehmen und so viel Gewinn erzielen, dass du davon leben und einen Angestellten bezahlen kannst.“

„Na ja …“

Rita presste die Lippen aufeinander. „Dein Vater und ich haben gestern Abend darüber gesprochen. Wir glauben, es wird Zeit, dass wir uns entscheiden.“

Lacy wurde es kalt. „Für was denn?“

„Für einen Umzug.“ Rita sah Lacy in die Augen. „Wir alle.“

„Wir alle?“, wiederholte Lacy tonlos. „Wie meinst du das?“

„Wir verkaufen die Ranch und ziehen alle drei um, Lacy.“

Lacy war entsetzt. „Das ist nicht dein Ernst.“

Rita blickte unglücklicher drein, als Lacy es je gesehen hatte. „Ich glaube nicht, dass uns eine andere Wahl bleibt.“

„Natürlich, ich kann die Ranch übernehmen.“

„Das geht nicht, Schatz. Nicht bei unseren Finanzen.“

Das durfte nicht wahr sein! „Ich lasse mir etwas einfallen“, versprach Lacy gepresst. „Auf jeden Fall, Mom. Ich habe schon immer hier gewohnt. Ich führe die Ranch doch schon, zwar mit Dads Hilfe, aber ich mache doch die meiste Arbeit. Ihr könnt unsern Besitz doch nicht einfach an irgendeinen Fremden verkaufen.“

„Ich weiß, wie sehr du dich angestrengt hast, Lacy“, sagte ihre Mutter. „Und wenn unsere finanzielle Lage besser wäre oder du heiraten würdest …“

„Heiraten?“ Lacy warf ihrer Mutter einen verärgerten Blick zu. „Was hat das damit zu tun?“

„Wenn du verheiratet wärst, wäre jemand bei dir, verstehst du?“

„Ich brauche niemanden.“

„Du solltest die Ranch nicht allein führen müssen. Das ist zu viel Arbeit. Dein Vater und ich waren sehr egoistisch. Wir haben uns nach seinem Herzinfarkt mehr auf dich gestützt, als wir hätten tun sollen, Lacy.“

„Das war nicht schlimm.“

„Du musst aber an deine Zukunft denken.“ Rita atmete tief durch. „Wenn du mit uns in den Ort ziehst, findest du sicher eine leichtere Tätigkeit. Mr. Krenshaw bei der Bank sucht immer Aushilfskräfte.“

„Bei der Bank!“ Lacy schüttelte sich. „Da könnte ich nicht arbeiten.“

„Du kannst auch in die Stadt gehen und deinen Horizont erweitern. Da hättest du mehr vom Leben und würdest vielleicht jemanden kennenlernen …“

„Ich will niemanden kennenlernen oder meinen Horizont erweitern. Ich will hierbleiben.“

Rita ließ die Schultern sinken. „Ich weiß nicht, ob das möglich sein wird.“

„Ein Pferd, ein Reiter“, folgerte Walt und blickte auf die schwachen, aber erkennbaren Spuren im Staub. „Lacy hat keinen Geist gesehen, außer sie hinterlassen auch Abdrücke.“

Morgan starrte ebenfalls auf den Boden. Walt hatte recht. Die Spuren deuteten darauf hin, dass jemand, und zwar ein Mensch, hier gewesen war. „So sieht es aus.“

Sie waren etwa zweihundert Meter von der Stelle entfernt, wo Lacy den vermeintlichen Geist gesehen hatte. Dort hatten sie keine Abdrücke gefunden, aber das war verständlich, denn der Boden war zu steinig. Es führten auch keine Spuren in den Hain. Die Erde war mit Blättern und Zweigen bedeckt, sodass jemand dort entlanggehen konnte, ohne sichtbare Zeichen zu hinterlassen.

„Sieht so aus, als wäre der Kerl ins Tal hinuntergegangen“, meinte Walt und deutete auf das Waldstück. „Wir könnten ihm folgen.“

Wäre er allein gewesen, hätte Morgan das getan. Doch weil er Walt bei sich hatte, wollte er kein Risiko eingehen. Viehdiebe waren unberechenbar, und Lacy hatte erwähnt, dass der Mann bewaffnet gewesen war. „Das hat wenig Sinn“, entschied Morgan. „Inzwischen ist er bestimmt schon weg.“

Walt musterte Morgan skeptisch und hob die Schultern. „Vermutlich hast du recht“, gab er widerstrebend zu.

Nachdenklich rieb Morgan sich den Nacken. „Ich verstehe bloß nicht, wie er sich davonmachen konnte, ohne dass ich ihn bemerkt oder gehört habe. Ich habe mich gestern Abend noch hier umgesehen.“

Walt klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Mach dir keine Vorwürfe, Morgan. Es fing schon an zu dämmern. Außerdem hast du dich um Lacy gekümmert.“

„Ja.“ Trotzdem war Morgan nicht ganz wohl bei der Sache. Irgendetwas stimmte daran nicht. „Lacy wird nicht gerade glücklich sein“, meinte er. „Sie war sich absolut sicher, es sei ein Geist gewesen.“

„Lacy war heute Morgen sowieso nicht glücklich“, erwiderte Walt mürrisch und nahm die Zügel an sich. „Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Gestern Abend hat sie einen Geist gesehen, und heute Morgen war sie gekränkt, weil wir sie nicht haben mitreiten lassen.“ Er schwang sich in den Sattel. „Das hätte sie sich doch denken können. Sie ist nun mal eine Frau, und Frauen sollten keine Viehdiebe verfolgen.“

Morgan war nicht minder verwundert über Lacys Verhalten. Sonst war sie so eine vernünftige Frau. „Es muss an den Hormonen liegen“, überlegte er. „Die wirken sich sicher auch bei Frauen wie Lacy aus.“

„Heute Morgen war es jedenfalls so. Sie war richtig außer sich.“ Walt schmunzelte. „Schade, dass du nicht da warst. Du bist gestern Abend wunderbar mit ihr fertig geworden.“

Morgan grinste. „Ich habe nur Wades Rat befolgt. Er hat gesagt, wenn eine Frau außer sich ist, sag ihr was Nettes. Das bringt sie aus dem Konzept.“ Er hätte nie gedacht, diese Vorgehensweise würde auch bei Lacy funktionieren. Offenbar kannte Wade sich mit Frauen besser aus, als er, Morgan, geglaubt hatte.

Ihm war auch aufgefallen, dass ihre erhitzten Wangen und ihre leuchtenden Augen sein Herz schneller schlagen ließen. Damit hätte er auch nicht gerechnet.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es bei Lacy hilft“, bemerkte Walt und sprach damit Morgans Gedanken laut aus. „So wenig Interesse, wie sie an Männern zeigt.“

„Tatsächlich?“ Bedeutete Lacys Reaktion etwa, dass sie sich für ihn interessierte? Nein, vermutlich war das ebenfalls typisch für Frauen.

„Es ist eine Schande.“ Walt seufzte erneut. „Ihre Mutter und ich würden uns freuen, wenn sie heiratet, aber das wird wohl nicht passieren.“

Morgan schwieg. Darüber hatte er bisher nicht nachgedacht. Aber jetzt wurde ihm bewusst, dass er sie noch nie mit einem Mann zusammen gesehen hatte. Sicher, gelegentlich kam sie auf einen Drink in die Bar – allein oder mit einer Freundin. Ab und zu tanzte sie auch mit jemandem. Morgan hatte sie bislang wie jeden anderen Rancher behandelt und nicht darauf geachtet, dass sie eine Frau war.

„Es ist wirklich schade“, fuhr Walt fort. „Für uns wäre es einfacher, wenn sie sich binden würde. Vielleicht wenn sie erst mal die Ranch verlassen hat …“

„Die Ranch verlassen?“ Überrascht schaute Morgan zu Walt hinüber. „Ihr wollt doch nicht etwa verkaufen?“

„Uns bleibt nichts anderes übrig.“ Walt räusperte sich. „In letzter Zeit lief es nicht besonders gut.“

„Ihr habt ein paar magere Jahre hinter euch“, meinte Morgan. „Das ändert sich aber wieder.“

„Ich kann nicht länger warten, Morgan.“

Morgan musterte Walt aufmerksam. Der schaute starr nach vorn, seine Lippen waren fest zusammengepresst. „Hör mal, wenn es ums Geld geht, ich habe etwas gespart und würde es euch gern …“

Walt schüttelte den Kopf. „Nein, bei Freunden leihe ich mir kein Geld.“

„Freunde helfen sich …“

„Ich weiß, Morgan, und ich weiß dein Angebot zu schätzen. Aber es geht nicht nur ums Geld. Ich werde nicht mehr jünger, und meine Gesundheit ist nicht die beste. Rita möchte gern in den Ort ziehen. Die meisten ihrer Freundinnen wohnen jetzt dort.“ Seine Stimme veränderte sich. „Außerdem will sie, dass ich es näher zum Arzt habe. Das ist zwar nicht nötig, aber du weißt ja, wie Frauen sind. Sie machen sich immer Sorgen.“

Morgan nickte. Davon hatte sein Bruder auch ein paarmal gesprochen, und in demselben nachsichtigen Ton. Fast hätte er neidisch werden können.

„Deshalb werden wir wohl verkaufen müssen“, fuhr Walt fort. „Ohne Einkommen kann ich im Ort nicht leben. Wenn ich einen Sohn hätte, na ja, der würde mich vermutlich auszahlen. Aber ich habe nur Lacy.“

„Sie macht ihre Arbeit aber gut“, stellte Morgan fest.

„Das stimmt. Aber sie kann nicht allein dort bleiben. Außerdem sollte sie auch ein wenig unter Leute kommen und einen Mann finden.“

Morgan versuchte sich Lacy als Ehefrau vorzustellen. Irgendwie wollte ihm das nicht gelingen. „Was sagt Lacy denn dazu?“

„Lacy hat kein Interesse, sich zu binden. Sie will die Ranch allein führen. Wenn sie sich eine Hilfe einstellen könnte, ginge es ja noch, aber das ist unter den Umständen ausgeschlossen, und allein möchte ich sie dort nicht zurücklassen.“ Er deutete auf das Waldstück. „Vergiss nicht, was beinahe gestern hier passiert wäre. Eine Frau allein ist zu verletzlich.“

Morgan nickte. Walt hatte recht. So abgeschieden wie auf der Ranch sollte keine Frau leben. Alles Mögliche konnte da passieren. Ob Lacy aber glücklich werden würde, wenn sie etwas anderes tun sollte? „Hast du denn schon Interessenten oder …?“

„Cal Robinson hat ein paarmal erwähnt, dass er unsere Ranch gern haben würde, sollte ich verkaufen wollen.“ Walt zügelte sein Pferd. „Es kann sein, dass ich darauf zurückkomme.“

Morgan war nicht sonderlich begeistert. Cal war zwar ein umgänglicher Mensch, aber er war anders als die Johnsons. Morgan konnte sich nicht vorstellen, dass er Cal so besuchen würde, wie er es bei den Johnsons tat. Andererseits hatte er natürlich volles Verständnis für Walts Lage.

„Ganz richtig“, bemerkte Morgan am Telefon. „An der südwestlichen Ecke der Johnson-Ranch. Wir haben niemanden gesehen, aber es waren Spuren da.“ Er begegnete Lacys Blick in der Küche ihrer Eltern. „Lacy hat ihn gesehen, aber … Ja, in Ordnung. Danke, Dwight. Ich richte es ihr aus.“

Er legte auf und setzte sich zu Walt, Rita und Lacy an den Tisch. „Der Sheriff überprüft die Sache. Du sollst zu ihm kommen und ihm den Mann beschreiben, Lacy.“

„Meinetwegen.“ Lacy war enttäuscht. Ihr Geist war doch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut und schien nicht gerade zu den Guten zu gehören. Kein Wunder, dass ihre Eltern besorgt dreinschauten. Viehdiebe hatten ihnen gerade noch gefehlt!

Morgan nahm seine Tasse in beide Hände. „Dwight gibt eine Warnung an alle anderen aus und will sich bei den Leuten in Billings umhören. Bis er Näheres weiß, sollen wir möglichst in der Nähe der Häuser bleiben und nur zu zweit ausreiten.“

„Das ist bestimmt nicht nötig“, widersprach Lacy. „Der Mann, den ich gesehen habe, wirkte nicht gefährlich. Wie ein Viehdieb sah er auch nicht aus. Getan hat er mir nichts.“

Morgan warf ihr einen abschätzenden Blick zu. „Trotzdem wäre es klüger, in der Nähe des Hauses zu bleiben, Lacy. Eine Frau ist ein leichtes Opfer.“

„Ich bin nicht mehr gefährdet als alle anderen“, wehrte sich Lacy und runzelte die Stirn. Schon wieder wechselten Morgan und Walt vielsagende Blicke. Verärgert stellte Lacy ihre Tasse auf den Tisch. „Müsst ihr euch jedes Mal ansehen, wenn ich etwas sage?“

„Müssen wir nicht“, erklärte Morgan lächelnd. „Ehrlich gesagt, gucke ich lieber dich an.“

Lacy stockte der Atem. Eine heiße Woge der Erregung durchflutete sie, während ihre Mutter ihn zum Essen einlud.

„Nein, danke“, antwortete Morgan. „Ich habe noch bei mir zu tun.“ Bevor Lacy sich gefasst hatte, schüttelte er ihrem Vater schon die Hand und schritt zur Tür.

Lacy blinzelte. Dann sprang sie auf. Diesem albernen Getue musste sie auf der Stelle Einhalt gebieten.

Morgan hatte bereits den Fuß im Steigbügel, als sie ihn einholte. „Warte, Morgan!“, rief sie. „Ich muss mit dir reden.“

Er schaute sich um und zog seinen Fuß zurück. „Gern, Lacy. Was hast du denn auf dem Herzen?“

„Eine ganze Menge!“, fuhr sie ihn an und stemmte die Hände auf die Hüften. „Was läuft hier eigentlich?“

„Was soll denn laufen?“

„Du weißt genau, was ich meine. Seit gestern machst du ständig irgendwelche Bemerkungen.“

Morgan tat so, als wüsste er nicht, wovon sie spreche. „Was für Bemerkungen?“

„Persönliche Bemerkungen über mich.“ Er blickte verständnislos drein. „Und Bemerkungen über mein Aussehen.“

„Ach so.“ Er gab sich gleichmütig, während seine blauen Augen aufleuchteten. „Nun, du bist hübsch, Lacy. Das ist nicht zu übersehen.“

Kein schlechter Spruch, aber Lacy nahm ihm den nicht ab. Denn vermutlich hatte Morgan bis vor Kurzem nicht mal bemerkt, dass sie eine Frau war, von „hübsch“ ganz zu schweigen. Er sagte das nur, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Bisher ist dir das nicht aufgefallen.“

Morgan ließ seinen Blick über ihre Figur gleiten. „Das versuche ich jetzt nachzuholen.“

Schon wieder fing er damit an! Lacy wusste nicht, was ärgerlicher war, sein Verhalten oder ihre ungewollte Reaktion darauf. „Hör auf damit!“, verlangte sie. „Und wo wir schon mal davon sprechen, möchte ich dich bitten, meinen Vater nicht zu ermuntern.“

Er hob seine Brauen. „In was?“

„Mit diesem unsinnigen Gerede, dass eine Frau verletzlich ist. Solche Dinge musst du meinen Eltern nicht erzählen. Es reicht schon, dass Dad allen verkündet, er will lieber verkaufen, als mich die Ranch führen zu lassen.“

Morgan presste die Lippen aufeinander. „Walt hat nicht unrecht. Allein solltest du nicht hier wohnen.“

„Warum nicht? Ich führe die Ranch schon seit Dads Herzinfarkt und habe bewiesen, dass ich das kann.“

Morgan hob beschwichtigend eine Hand. „Natürlich. Aber meiner Ansicht nach sollte eine alleinstehende Frau nicht auf einer Ranch wohnen, und du kannst nicht von mir verlangen, dass ich etwas anderes sage.“

„Dann halt lieber den Mund. Was du machst, hilft mir nämlich kein bisschen.“

„Hör mal, Lacy …“

„Nein, du hörst mir jetzt zu. Es geht hier nicht um einen Scherz. Für mich steht der Besitz auf dem Spiel.“ Sie schaute sich im Hof um und schluckte schwer. „Wie fändest du es, wenn du deine Ranch verlieren würdest?“

Morgan zuckte zusammen. „Das würde mir nicht gefallen, aber …“

„Diese Ranch bedeutet mir ebenso viel wie dir deine. Ich habe mein Leben lang nichts anderes getan, als hier zu arbeiten. Und es ist nicht gerecht, dass ich sie verlieren soll, nur weil ich eine Frau bin. Daran lässt sich nun mal nichts ändern.“

„Das wäre aber auch zu schade“, versetzte Morgan amüsiert.

Am liebsten hätte Lacy ihm eine Ohrfeige verpasst. Ohnmächtig vor Wut biss sie die Zähne aufeinander und riss sich zusammen, um nicht mit beiden Fäusten auf ihn einzutrommeln. „Spar dir das!“, fuhr sie ihn an.

Erschrocken wich Morgan einen Schritt zurück. „Langsam, Lacy …“

„Deine albernen chauvinistischen Einstellungen auch! Wenn du mir ein Freund sein wolltest, würdest du versuchen, mir zu helfen, anstatt mich um die Ranch zu bringen.“

Morgan presste seine Lippen aufeinander. „Moment mal! Ich will dich nicht …“

„Ich werde sie nicht hergeben, nur weil du glaubst, ich sollte sie nicht bekommen!“ Aufgebracht wirbelte Lacy auf dem Absatz herum. Männer! Hoffentlich verwandelten sich noch mehr von ihnen in Geister.

3. KAPITEL

Wenn einen das Heiraten so veränderte, wie es bei Janice Delany der Fall war, wollte Lacy nichts davon wissen.

Sie saß auf einem eleganten grauschwarzen Stuhl in Janice’ moderner Küche und schaute ihrer rothaarigen Freundin bei der Arbeit zu. Früher hatte Janice auch auf der elterlichen Ranch geholfen, an Seifenkistenrennen teilgenommen und sich wie Lacy für Rinder und Pferde interessiert.

Das alles hatte sich nach der Hochzeit mit Oliver verändert. Jetzt drehte sich bei Janice das Leben nur um Oliver, was er dachte, was er sagte und wie sie seine Socken sauber bekommen sollte. Die meiste Zeit machte sie Lacy damit verrückt. Doch ansonsten war Janice ihr eine gute Freundin, und heute Morgen hatte Lacy das Gefühl, sie bräuchte sie.

Janice schenkte ihr Kaffee ein und freute sich, dass Lacy die Plätzchen schmeckten, die sie gebacken hatte. „Ich würde mir wegen des Viehdiebs nicht den Kopf zerbrechen, Lacy. Oliver meint, er sei bestimmt schon über alle Berge.“

„Es geht auch nicht um den Viehdieb“, gestand Lacy ihr und stützte ihr Kinn in beide Hände. „Wir sind pleite, und Dad trägt sich ernsthaft mit dem Gedanken, die Ranch zu verkaufen. Außerdem redet mir jeder – sogar Morgan – ein, ich könnte nicht allein auf der Ranch bleiben.“

„Morgan?“ Janice holte ein weiteres Blech mit Plätzchen aus dem Ofen. „Hat Morgan das auf seine sexy Art gesagt?“

„Wie bitte?“

„Ich spreche von Morgan“, erklärte Janice. „Mir gefällt, wie er redet.“ Sie senkte ihre Stimme und ahmte Morgans Tonfall nach. „Du solltest nicht allein auf der Ranch wohnen, Lacy, meine Liebe. Hat er das so gesagt?“

Lacy lief ein Schauer über den Rücken, wenn sie nur an Morgans Stimme dachte. „So ähnlich ja, aber …“

„Ich wünschte, das würde er zu mir sagen. Ich würde ihm sofort zustimmen.“ Janice ließ ihre Wimpern sprechen. „Du hast selbstverständlich recht, Morgan, Liebster. Wie wäre es, wenn du hereinkommst und mir Gesellschaft leistest? Natürlich müsstest du erst meinen Mann in die Wüste schicken.“

„Janice!“

Janice lachte. „Ich wollte dich nur aufmuntern. Das war nicht mein Ernst. Ich würde Oliver doch niemals betrügen.“ Sie hielt inne. „Aber wenn ich es jemals täte, dann mit Morgan. Er ist ein starker, stiller Typ, nicht wahr? Außerdem ist er richtig gut gebaut, hat kräftige Arme und muskulöse Schenkel.“

Über seine Arme hatte Lacy nicht so viel nachgedacht. Seine Schenkel jedoch waren ihr aufgefallen. Sie waren tatsächlich verführerisch. Aber darüber wollte sie nicht nachdenken. „Ich wünschte, er würde den Mund halten“, schimpfte sie.

„O Lacy.“ Janice setzte sich ihr gegenüber hin und drückte ihr den Arm. „Morgan verhält sich wie jeder andere Mann. Das liegt am Testosteron. Das schießt ihnen geradewegs in den Kopf und füllt die Gehirnzellen. Selbst bei Oliver kommt das manchmal vor.“

„Wirklich?“, fragte Lacy erstaunt. Sie hatte oft einen solchen Eindruck von Oliver gehabt, doch hatte Janice sich nie geringschätzig über ihn geäußert.

„Ja. Wenn aber tatsächlich Viehdiebe ihr Unwesen …“

„Er sah nicht aus wie ein Viehdieb.“ Lacy holte tief Luft. „Ehrlich gesagt, als ich ihn das erste Mal sah, kam er mir wie ein Geist vor.“

„Wie ein Geist?“ Neugier spiegelte sich in Janice’ warmen braunen Augen wider. „Ehrlich? Erzähl mal.“

Lacy beschrieb ihr kurz die Begegnung. „Ich weiß nicht, was passiert ist“, schloss sie. „Es war schon dunkel. Ich war den ganzen Tag draußen gewesen. Vielleicht war ich zu lange an der Sonne oder so.“

„Oder du hast wirklich einen Geist gesehen“, meinte Janice.

Lacy starrte Janice wortlos an. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Freundin ihr mehr glauben würde als alle anderen. „Das kann nicht sein. Ich habe doch gerade gesagt, dass die Männer Spuren gefunden haben.“

Janice verzog das Gesicht. „Das hat nichts zu bedeuten. Die Männer finden immer, was sie finden wollen.“ Sie hob die Brauen. „Und wer hat behauptet, dass Geister keine Spuren hinterlassen?“

Lacy zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Mit Geistern kenne ich mich nicht aus.“

„Nun, ich aber“, brüstete sich Janice. „Ich habe viele Episoden von dieser parapsychologischen Sendung gesehen, in der sie sich mit diesem Thema befassen. Oliver guckt sie sich manchmal mit mir zusammen an. Aber sag ihm nicht, dass ich dir das erzählt habe.“

Lacy musterte die Freundin verwundert. „Du und Oliver, ihr guckt die Sendung?“

„Wir und eine Million anderer Menschen.“ Janice brachte es nicht in Verlegenheit, das zuzugeben. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Geistererscheinungen es in diesem Land gibt.“

Meinte Janice das ernst? Aufmerksam musterte Lacy sie.

„Eines steht jedenfalls fest, Lacy.“ Janice wischte sich die Hände an einem Handtuch ab. „Geister tauchen nicht grundlos auf. Es kostet sie eine Menge Energie, aus der anderen Dimension herüberzukommen.“

„Wirklich?“ Dass sie einen Geist gesehen hatte, war ja gut und schön, sich aber mit Janice darüber zu unterhalten kam ihr mehr als seltsam vor.

„Ja“, bekräftigte Janice. „Deshalb denke ich, du solltest versuchen herauszufinden, warum der Geist sich dieser Anstrengung unterzogen hat.“

„Gut.“ Trotz aller Skepsis war bei Lacy ein gewisses Interesse erwacht. „Und wie soll ich das machen?“

„Nun …“ Janice trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. „Als Erstes müsstest du herausfinden, wer er ist oder vielmehr war.“

„Ich weiß nicht …“

„Schwer dürfte das nicht sein. Er war auf deinem Grund und Boden. Das bedeutet, er muss in seinem Leben mal dort gewesen sein, sonst wäre er nicht da aufgetaucht.“

„Das ist ja faszinierend, Janice, aber …“

Janice schnippte mit den Fingern und sprang auf. „Ich weiß was. In diesem Buch über die Geschichte dieser Gegend, das die alte Mrs. Kilpatrick vor ein paar Jahren zusammengestellt hat, finden wir ihn vielleicht.“

Ehe Lacy sie davon abhalten konnte, stürmte die Freundin ins Wohnzimmer und kehrte gleich darauf mit einem dicken schwarzen Buch zurück. „Hier ist es.“ Sie legte es auf den Küchentisch. „Lass uns mal nachsehen.“

„Ich weiß nicht, Janice. Ich …“

„Nachsehen schadet doch nicht.“ Janice begann in dem Buch zu blättern. „Wie alt, glaubst du, war er?“

„Etwa Mitte dreißig.“

„Mitte dreißig. So, lass mal sehen …“ Gemeinsam beugten sie sich über die verblassten Fotos in dem Buch. „Hier sind die Taylors. Und das ist Howie Troshaks Familie … Josh Turnbull …“

„Weißt du, Mom sagte etwas von einem Rancher, der früher einmal hier erschossen worden sei“, überlegte Lacy. „Parkland oder Larkland.“

Janice blätterte auf die nächste Seite um. „Wie wäre es mit Larkspur?“ Sie tippte mit dem Fingernagel auf das Foto eines älteren Mannes, der neben einer wesentlich jüngeren, dunkelhaarigen Frau stand. „Das sind sie.“ Janice las die Bildunterschrift vor: „‚Frank Larkspur und seine Tochter Sarah. Sarah hat nach dem Tod ihres Vaters die Ranch übernommen.‘“ Janice schüttelte den Kopf. „Er kann es nicht gewesen sein. Hier steht, dass er bei einem Minenunglück ums Leben kam.“ Janice blätterte weiter. „Deine Mutter muss Karl Robinson gemeint haben. Dem Buch zufolge wurde er nämlich von einem Revolverhelden erschossen. Hier ist das Bild.“

Lacy musterte es aufmerksam, aber der untersetzte Mann hatte nichts mit ihrem Geist gemeinsam. „Das ist er nicht.“ Sie seufzte.

„Er muss aber hier irgendwo sein“, beharrte Janice und schlug die nächste Seite auf. „Schade, dass er es nicht war. Der sieht nämlich toll aus.“

Mittlerweile war Lacy der Ansicht, dass ihr Tun Zeitverschwendung sei. Fast uninteressiert blickte sie auf das alte Foto und erstarrte. „Wer ist das?“

„Der Revolverheld, der Karl erschossen hat.“ Janice runzelte die Stirn. „Er hieß Jake Malone.“ Sie schaute zu Lacy. „Was ist denn mit dir?“

„Das ist er.“ Lacy strich mit dem Finger über das verblasste Bild. „Das ist der Mann, den ich gesehen habe. Jake Malone, der Revolverheld.“

„Was du machst, hilft mir kein bisschen.“

Morgan versetzte dem einjährigen Stier einen letzten Klaps, schob die Hände in die Taschen und stapfte über den Hof zum Haus. Verflixt! Seit seinem Streit mit Lacy gestern hatte er sich mehrmals ihre Worte ins Gedächtnis gerufen. Jedes Mal, wenn er das tat, kam er zum gleichen Ergebnis. Allein sollte sie nicht auf der Ranch leben. Aber er hatte bis jetzt auch nichts getan, um den Johnsons wirklich zu helfen.

Er schlenderte ins Wohnzimmer, ließ sich in einen Sessel fallen und legte seine Füße auf den Hocker, der zu dem Sessel passte, in dem er saß. Sämtliche Möbel waren früher braun gewesen. Jetzt waren die Sessel dunkelgrün und das Sofa rostfarben. Die Kissen auf dem Sofa waren passend dazu in beiden Farben gehalten. Diese Veränderung hatte er Wades Frau zu verdanken. Er hatte eine Weile gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, aber jetzt gefiel es ihm.

Morgan lehnte sich zurück und schloss die Augen. Walt und Rita waren für ihn mehr als nur gute Nachbarn. Selbst an Weihnachten und zu anderen Feiertagen hatten sie ihn zu sich eingeladen. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass sie ihre Ranch verkaufen mussten.

Aber er wusste nicht, was er tun sollte. Hätte Lacy doch vor ein paar Jahren geheiratet, dann hätte sie jetzt jemanden, der ihr zur Seite stand. Aber warum hatte sie denn nicht geheiratet? Sie sah gut aus und war vernünftig. Jedenfalls war sie es gewesen, ehe dieser Unsinn mit dem Geist passiert war.

Falls es Unsinn war. Er dachte daran, wie sie aus dem Wald auf ihn zugerannt gekommen war. Irgendetwas hatte sie in Schrecken versetzt. Sonst hätte sie sich ihm nicht so an den Hals geworfen. Aber sie hatte sich mächtig gut angefühlt, als er sie in den Armen gehalten hatte. Sie war nicht besonders groß, besaß ausgeprägte weibliche Rundungen, sodass er sich unwillkürlich vorzustellen versuchte, wie sie wohl nackt aussähe. Ganz kurz sah er sie in seiner Fantasie vor sich, genoss den Anblick und merkte dann, was er da tat. Was zum Donnerwetter war bloß los mit ihm? Er kannte Lacy sein ganzes Leben und hatte nie darüber nachgedacht, wie sie wohl nackt aussähe. Wie kam er ausgerechnet jetzt darauf?

Es musste daran liegen, dass er immer allein war. Bis jetzt hatte ihm das nichts ausgemacht, aber seitdem Wade verheiratet war, war ihm bewusst geworden, wie einsam er lebte. Auch hatte er niemanden, der die Ranch einmal übernehmen konnte. Es sei denn, er würde heiraten und Kinder haben. Doch den Gedanken schob er sogleich beiseite. Er hatte im Moment keine Zeit, sich eine Frau zu suchen … und außerdem wusste er nicht, wie er das überhaupt anstellen sollte.

Dann schoss ihm eine Idee durch den Sinn. Gleich nebenan wohnte eine passende Frau für ihn … eine, die einen Mann brauchte, um ihre Ranch zu behalten.

Ja, das war die Lösung sämtlicher Probleme. Warum heiratete er nicht Lacy? Sie war vernünftig, abgesehen von der Sache mit dem Geist, und verstand etwas von Landwirtschaft. Er unterhielt sich gern mit ihr darüber, und sie würde vermutlich nicht ständig die Inneneinrichtung ändern wollen. So wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte, konnte er sich ein Zusammenleben mit ihr gut vorstellen.

Eine Ehe mit ihr wäre einfach ideal. Walt und Rita konnten in den Ort umsiedeln und mussten sich keine Sorgen um Lacy machen. Morgan würde ihnen die Ranch abkaufen, sodass sie sich kein Geld von ihm leihen mussten. Er und Lacy konnten ihren Besitz vereinen, sie konnte die Ranch ihrer Eltern weiterführen, wenn sie wollte, und müsste nicht mehr so schwer arbeiten. Er hätte eine Frau und müsste sich nicht mehr nach einer umsehen. Außerdem würden sie sogar auch ein zweites Haus für ihre Kinder haben, wenn die einmal erwachsen wurden.

Womit alle Schwierigkeiten beseitigt wären.

Morgans Kombi stand vor dem Haus ihrer Eltern, als Lacy zurückkehrte.

Lacy verzog das Gesicht. „Na, großartig!“, schimpfte sie vor sich hin und hastete ins Haus. Im Türrahmen des Wohnzimmers blieb sie stehen. Ihre Eltern saßen zusammen auf dem Sofa, und Morgan hatte wie immer im Sessel Platz genommen. Er stand auf, als sie hereinkam. „Hallo, Lacy.“

„Hallo.“ In dem schwarzgrau gestreiften Westernhemd mit den zugeknöpften Taschen und den glänzenden Silberknöpfen wirkten seine Schultern besonders breit. Lacy stockte der Atem. Er trug eine schwarze Jeans zu dem Hemd und hatte die Ärmel bis zu den Ellenbogen aufgerollt. Die dunkle Kleidung betonte seinen kräftigen Oberkörper und harmonierte wunderbar mit seinem schwarzen Haar und der gebräunten Haut. Ihr Blick glitt von seinen Schultern über seine Arme. Janice hatte recht. Er hatte wirklich beachtliche Muskeln und eine ausgeprägte männliche Ausstrahlung.

Sie presste ihre Lippen aufeinander, als ihr klar wurde, was sie da tat, und bedachte ihn mit einem kühlen Lächeln. „Hallo, Morgan.“

Als sie ihre Eltern ansah, fühlte Lacy sich beunruhigt. Die Augen ihres Vaters leuchteten zufrieden, während ihre Mutter die Stirn gerunzelt hatte und sich wohl zurückhielt, etwas zu sagen. Lacys Nervosität wuchs, denn plötzlich lag eine erwartungsvolle Stille im Raum. Die drei wussten doch nicht schon etwa, um wen es sich bei dem Geist handelte? Es musste um etwas anderes gehen.

Walt bestätigte ihre Vermutungen: „Gut, dass du da bist. Wir wollen mit dir reden.“

„Ja?“ Lacy schaute von einem zum anderen. „Weswegen?“

„Wegen der Ranch“, begann Walt. „Weißt du …“

Rita legte eine Hand auf seinen Arm. „Walt, ich weiß nicht, ob jetzt der richtige Moment …“

„Der Moment ist genauso richtig wie jeder andere, Rita. Schließlich geht es ja um sie.“ Er deutete auf einen Sessel. „Setz dich, Lacy.“

Nur widerstrebend betrat sie den Raum und setzte sich auf die Kante des Sessels. Zwar hatte sie ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf ihre Eltern gerichtet, doch sah sie aus den Augenwinkeln, dass Morgan wieder Platz nahm. Trotz ihrer Betroffenheit entging ihr nicht, wie sich der Stoff seiner Hose um seine muskulösen Schenkel spannte. Sie zwang sich, nicht darauf zu achten, sondern ihren Vater anzusehen. „Was ist mit der Ranch?“

„Nun …“ Walt räusperte sich. „Morgan und ich haben über unser Problem gesprochen.“

„So?“, staunte Lacy.

„Und Morgan hat eine glückliche Lösung gefunden.“

„Hat er das?“ Sie zwang sich, nicht zu Morgan hinüberzusehen, dessen obere Hemdknöpfe offen waren, sondern bemühte sich, ihre Aufmerksamkeit auf ihren Vater zu richten. „Und die wäre?“

Walt schmunzelte. „Man könnte sagen, es handelt sich um eine Art Vereinigung des Besitzes.“

„Vereinigung des Besitzes?“ Lacys Blick glitt fragend in die Runde. „Was soll ich darunter verstehen? Handelt es sich dabei … um eine neue Weidemethode?“

„Nicht direkt.“ Morgan räusperte sich. „Ich schlage vor, wir tun uns zusammen, sozusagen.“

„Wir tun uns zusammen?“

„Ja, das dürfte bestens funktionieren. Eddie hilft mir, und gelegentlich kommt noch Matt Walburn. Er würde bestimmt gern regelmäßig für mich arbeiten, und falls es notwendig sein sollte, kann ich noch mehr Arbeitskräfte einstellen. Über ein paar Einzelheiten müssen wir sicher noch sprechen, aber …“

Lacy hörte ihm nur mit halbem Ohr zu und achtete mehr auf seinen Tonfall. Er klang in der Tat sexy. Lacy bemühte sich, nicht darauf zu achten, sondern sich darauf zu konzentrieren, was er sagte. Wenn er sich um seine wie um ihre Ranch kümmern wollte, was sollte sie dann …?

Jegliche Hitze, die sie eben noch empfunden hatte, wich aus ihrem Körper. „Moment mal!“, unterbrach sie ihn. „Was läuft hier? Du willst doch nicht etwa unsere Ranch übernehmen?“

Morgan sah sie an, als wäre sie begriffsstutzig. „In gewisser Weise schon, aber …“

Lacy wurde kalt und gleich darauf heiß. „Nein“, flüsterte sie. „Nein!“

„Also, Lacy …“, begann Morgan.

Empört sprang sie auf. „Das ist deine glückliche Lösung? Du kaufst sie auf? Du bekommst meine Ranch?“

Walt richtete sich auf. „So ist das nicht …“

„Dad, ich kann nicht glauben, dass du verkaufen willst, ohne mit mir darüber zu reden!“ Lacy warf ihm einen finsteren Blick zu.

„Ich verkaufe nicht, Lacy. Morgan würde …“

„Morgan!“, schimpfte Lacy. „Nur weil es Morgan ist, hältst du das für richtig.“ Ihre Stimme wurde lauter. „Dabei macht es keinen Unterschied, ob du die Ranch an Morgan verkaufst oder an jemand anders. Ich verliere sie so oder so.“

„Lacy …“

Sie schnappte nach Luft und versuchte, ruhig zu bleiben. „Wie kannst du das nur tun? Ich liebe die Ranch. Das weißt du doch.“

„Natürlich, ich …“

„Ich wollte nie etwas anderes machen und habe so hart dafür gearbeitet, sie zu bekommen. Eigentlich gehört sie mir.“

Walt wurde ärgerlich. „Du weißt ganz genau, dass …“

„Ich will sie dir gern abkaufen, weißt du. Ich schaffe das, wenn du mir etwas Zeit lässt. Oder willst du mir die Chance nicht geben, weil ich eine Frau bin? Wenn das …“

„Moment mal, Lacy“, mischte sich Morgan in seinem aufreizenden Tonfall ein. „Es ist nicht die Rede von Kaufen. Es ist die Rede vom Heiraten!“

„Vom Heiraten?“ Zuerst verstand Lacy gar nichts mehr. „Wer will heiraten?“

„Noch niemand“, erwiderte Morgan beschwichtigend. „Ich habe nur vorgeschlagen, dass du und ich …“

„Du und ich?“ Es dauerte, ehe sie die Tragweite der Worte verstand. Sprach er etwa davon, dass sie … nein, das konnte er nicht meinen. Lacy schaute ihm in die leuchtenden blauen Augen und gewann den Eindruck, dass es wohl doch der Fall war.

Morgan bestätigte es ihr dann. „Ganz richtig. Ich finde, wir beide sollten heiraten.“

Lacy starrte ihre Eltern an. Vor zwei Tagen hatten sie noch ein völlig normales Leben geführt. Dann war ihr ein Geist begegnet. Heute hatte sie herausgefunden, um wen es sich handelte. Und jetzt, völlig aus heiterem Himmel, hatte Morgan beschlossen, dass sie heiraten sollten.

Stand denn die ganze Welt kopf?

„Ich fasse es nicht“, erklärte sie entsetzt, nachdem Morgan sich verabschiedet hatte. „Ihr erwartet doch nicht wirklich von mir, dass ich Morgan heirate, nur damit ich die Ranch behalten kann?“

Walt wollte etwas darauf erwidern, doch Rita kam ihm zuvor. „Nein, natürlich nicht, nicht wahr, Walt?“ Sie stieß ihren Mann in die Seite.

„Natürlich nicht“, gab er mürrisch nach.

„Gut“, stellte Lacy fest. „Denn sollte ich wirklich einmal heiraten, dann nur aus Liebe, so wie ihr. Und davon war nicht die Rede. Morgan hat nur von der Vereinigung des Besitzes gesprochen.“ Allein der Gedanke an einen solchen Vorschlag machte sie wütend. Zwar erwartete sie nicht von Morgan, dass er behauptete, sich Hals über Kopf in sie verliebt zu haben, doch … „Ich begreife nicht, wie er überhaupt auf so eine abwegige Idee gekommen ist. Außerdem hat er mehr mit Dad darüber geredet als mit mir.“

Als sie über das Gespräch nachdachte, wuchs ihre Empörung. Morgan hatte davon gesprochen, dass sie sich zusammentun sollten. Zusammentun! Selbst der dümmste Mann wusste, dass eine Frau eine Liebeserklärung hören und von unwiderstehlicher Leidenschaft überwältigt werden wollte. Hätte Morgan wenigstens so etwas angedeutet, hätte sie zwar nicht zugestimmt, sich aber zumindest nicht so gekränkt gefühlt.

„Er hat in solchen Dingen wohl keine Erfahrung“, bemerkte Rita beschwichtigend. „Ich bin sicher …“

„Nun, dann soll er seine Erfahrung woanders sammeln!“ Lacys Verärgerung wuchs. Wütend über ihre Eltern und die ganze Situation sprang sie auf. „Es tut mir leid. Ich weiß, es würde unsere Probleme lösen, aber ich weigere mich, Morgan zu heiraten, nur weil ich einen Geist gesehen habe und wir pleite sind.“

4. KAPITEL

Wollte niemand etwas sagen?

Beim Frühstück am nächsten Morgen schaute Lacy zwischen ihren Eltern hin und her. Im Allgemeinen führten sie um diese Zeit bereits rege Gespräche über die tägliche Arbeit. Heute jedoch nicht. Lacy war die Einzige, die etwas sagte.

Und die Einzige, die aß. Rita stocherte in ihrem Rührei herum, und ihr Vater verhielt sich nicht viel anders. Er schob den halb vollen Teller von sich, lehnte sich mit der Kaffeetasse in der Hand auf dem Stuhl zurück und starrte in die dunkle Flüssigkeit, als gäbe es dort etwas Interessantes zu sehen.

Bemüht, sich möglichst wie immer zu verhalten, bemerkte Lacy: „Ich glaube, ich sehe mir heute Nachmittag mal den Pick-up an. Er läuft etwas holprig. Der Motor muss vielleicht mal gründlich überprüft werden.“

Damit dürfte sie ihren Vater aus der Reserve locken können. Er hatte den Wagen nämlich erst vor ein paar Wochen durchgecheckt. Doch er reagierte kaum darauf.

„Wie du meinst“, versetzte Rita, warf ihrem Mann einen flüchtigen Seitenblick zu und stocherte erneut in ihrem Rührei herum.

Lacy gab auf. „Was habt ihr beide eigentlich heute Morgen?“ Sie schob ihren Teller von sich und wischte sich mit der Serviette den Mund ab. „Jedes Mal, wenn ich etwas sage, seht ihr euch an. Aber ihr antwortet mir nicht.“

Wieder sahen sie sich an. „Wir sind ein wenig in Gedanken heute Morgen“, entschuldigte sich Rita.

„Ja, so ist es.“ Walt stellte seine Tasse auf den Tisch. „Wir denken über Morgans Vorschlag nach. Du hast heute Morgen noch nichts dazu gesagt.“

Rita fasste nach seinem Arm. „Walt …“

Walt warf ihr einen finsteren Blick zu. „Es geht auch um uns, Rita. Wir haben ein Recht zu erfahren, was passieren wird.“

„Nichts wird passieren!“, erklärte Lacy. Ihre Eltern wandten sich ihr zu. „Ich habe nichts mehr dazu gesagt, weil ich bereits gestern alles gesagt habe. Ich werde ihn nicht heiraten, und damit ist die Sache für mich erledigt.“

Daraufhin herrschte Totenstille. Nur das Schrammen der Stuhlbeine auf dem Linoleum war zu hören, als ihr Vater vom Tisch aufstand. „Das halte ich für dumm!“, schimpfte er. „Es gibt keinen Grund, warum du Morgan nicht heiraten solltest. Er ist ein netter Mann und würde sich um dich kümmern. Was mehr kann eine Frau sich wünschen?“

„Vielleicht ein bisschen Romantik?“, entgegnete Lacy.

„Romantik?“ Walt schnaubte verächtlich. „Seit wann interessierst du dich für solchen Schnickschnack?“ Er stapfte empört aus dem Raum.

Lacy sah ihm nach. „Du verstehst das doch, nicht wahr, Mom? Ich kann Morgan nicht einfach heiraten, weil das für uns einfacher wäre.“

„Ich weiß, meine Liebe.“ Rita stand auf und begann, den Tisch abzuräumen. „Ich erwarte das auch nicht von dir. Aber du könntest ja noch mal darüber nachdenken.“

„Das habe ich bereits getan.“ Lacy brachte ein paar Teller zur Spüle. Sie hatte die ganze Nacht kaum über etwas anderes gegrübelt. Selbst im Schlaf war ihr Morgans seltsamer Antrag nicht aus dem Sinn gegangen. Außerdem hatte sie sich im Geiste mit ihm zusammen gesehen … in recht aufreizenden Situationen.

Bei der bloßen Erinnerung daran stieg ihr die Hitze in die Wangen und begann ihr Puls zu rasen.

„Im Ernst, Lacy, du und Morgan, ihr seid schon so lange miteinander befreundet, kommt gut aus und habt viel gemeinsam. Ich habe oft überlegt, ob nicht mehr zwischen euch sein könnte, als ihr beide wahrhaben wollt.“

Lacy stellte die Teller ruckartig ab. Wie kam ihre Mutter auf diesen Gedanken? Selbst wenn sie oft mit Morgan zusammen war, bedeutete das doch nicht, dass sie mehr als befreundet waren.

Auf keinen Fall hieß das, sie wollte Mrs. Morgan Brillings werden. „Zwischen uns ist aber nichts.“

Rita lehnte sich gegen die Anrichte. „Du musst dich ja auch nicht jetzt sofort entscheiden. Warum verbringst du nicht erst einmal etwas mehr Zeit mit Morgan und …“

„Ich bin mindestens zweimal die Woche mit ihm zusammen, solange ich mich erinnern kann. Wenn wir uns öfter sehen, ändert das nichts.“

Rita lächelte amüsiert. „Das weißt du nicht.“ Sie öffnete die Spülmaschine, um das Geschirr einzuräumen.

„O doch!“

Ihre Mutter zuckte nur mit den Achseln. Lacy gab auf. Sie konnte noch so oft beteuern, dass sie Morgan nicht heiraten würde. Ihre Eltern schienen es nicht begreifen zu wollen. „Am besten fahre ich auf der Stelle zu Morgan und teile ihm mit, dass nichts daraus wird.“

Rita schaute erschrocken auf. „Das finde ich ein wenig voreilig.“

„Ich aber nicht!“ Lacy stieß die Tür auf und bemühte sich, die Enttäuschung ihrer Mutter nicht zu beachten. Natürlich war es verständlich, dass sie Morgans Vorschlag begrüßt hätte. Es wäre ja eine leichte Lösung aus ihrem Dilemma gewesen. Bloß Lacy konnte sich mit der Lösung nicht anfreunden.

Obwohl es noch recht früh war, schien auf Morgans Besitz schon ein reges Treiben zu herrschen. Das Scheunentor war weit geöffnet, und davor stand ein Lastwagen mit Heu. Sie sah Eddie Bowman, Morgans Angestellten, die Heuballen in der Scheune verteilen. Er hielt mit der Arbeit inne und winkte ihr.

Lacy erwiderte seinen Gruß und stieg aus. Es war auf einen Blick zu erkennen, dass es Morgan besser ging als ihrer Familie. Die Scheune und die übrigen Anbauten waren frisch gestrichen, der Rasen ums Haus war sauber gemäht, und der Lastwagen war neu. Dafür wirkte alles ein bisschen kahl. Es wuchsen weder Blumen noch Sträucher im Garten, und es standen auch keine Kübel mit bunten Pflanzen auf dem Rasen, wie ihre Mutter sie aufstellte. Es war auf den ersten Blick zu erkennen, dass Morgans Anwesen die weibliche Note fehlte.

Vermutlich würde das weiterhin so bleiben. Sie jedenfalls wollte die Rolle nicht übernehmen.

Lacy ging auf die Scheune zu, als Eddie herauskam. „Hallo, Lacy“, begrüßte er sie. „Sie sind aber früh unterwegs.“

„Ja.“ Lacy atmete tief die kühle Morgenluft ein. „Ich wollte mit Morgan sprechen.“

„So?“ Eddies Neugier wuchs, und Lacy bekam einen Schreck. Hoffentlich hatte Morgan ihm gegenüber nichts von seiner unmöglichen Idee erwähnt. Eddie war ein netter Kerl, aber er und seine Frau waren schreckliche Schwätzer.

„Ist er da?“

„Ja.“ Eddie grinste und deutete mit dem Daumen auf den Schuppen neben der Scheune. „Er schimpft über den Traktor. Wenn ich ihn so höre, danke ich dem Himmel, dass ich keine Maschine bin.“

„Danke.“ Lacy reckte ihr Kinn und marschierte zu dem Schuppen. Je eher sie die Sache geregelt hatte, desto besser.

Unwillkürlich verhielt sie ihren Schritt, als sie um die Ecke bog. Morgan lag halb auf dem Traktor und fluchte unaufhörlich vor sich hin, während er den Motor untersuchte. Bei seiner Position spannte sich die Jeans über seinem Hintern und um die Schenkel. Janice hat recht, überlegte Lacy und blieb stehen, um ihn zu betrachten. Er war tatsächlich gut gebaut.

Das hieß aber noch lange nicht, dass sie mit ihm vor den Altar treten wollte. Lacy räusperte sich und bemühte sich, nicht daran zu denken, wie es war, wenn seine Schenkel sich an sie pressten. „Morgan?“

Er wandte sich um und sah sie über die Schulter hinweg an. „Hallo, Lacy.“ Er ließ sich zu Boden gleiten. „Ich habe dich gar nicht kommen hören. Ich war zu sehr mit diesem verflixten Traktor beschäftigt.“ Er zog einen Lappen aus seiner hinteren Hosentasche und wischte sich Öl von den Fingern. „Du bist aber früh unterwegs.“

„Mag sein.“ Morgan hatte auch einen Streifen Öl auf der Wange, einen weiteren Flecken auf der Nase und ein paar auf dem verwaschenen grünen T-Shirt, das seinen muskulösen Oberkörper betonte.

Morgan zeigte sich besorgt. „Es ist nichts passiert, oder?“

Autor

Mary Lynn Baxter
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Jacquie D´Alessandro
Jacquie D'Alessandro wuchs in Long Island auf und verliebte sich schon in jungen Jahren in Liebesromane. Sie träumte immer davon, von einem schneidigen Schurken auf einem lebhaften Hengst entführt zu werden. Als jedoch Joe, ihr zukünftiger Ehemann, zum erste Mal auftauchte, hatte sein Erscheinungsbild nur wenig mit ihren Träumen zu...
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