Baccara Extra Band 24

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SEXY PRINZ GESUCHT! von KATHRYN JENSEN

Was für ein Mann! Geschmeidig kommt er aus dem Meer auf Elly zu. Wassertropfen glitzern auf seiner gebräunten Haut … Stopp! Elly ist nicht hergekommen, um von wildem Sex mit Daniel Eastwood zu träumen! Sie soll herausfinden, ob Dan der vermisste Prinz von Danubia ist …

DER MILLIARDÄR, DER MICH VERFÜHRTE von JULES BENNETT

Als Mia nach Hollywood kommt, trifft sie auf den Mann ihrer Träume: Filmproduzent Bronson Dane entfacht ein Inferno der Lust in ihr! Und doch kann sie nicht von einer Zukunft mit dem Millionär träumen - denn Mia weiß von einem Geheimnis, das sein Leben zerstören könnte …

SINNLICHE KREUZFAHRT MIT DIR von RACHEL BAILEY

Ein Kreuzfahrtschiff! Na ja, immerhin die Hälfte davon erbt Schiffsärztin Della. Zweiter Erbe ist Hotelier Luke Marlow. Und der ist leider nicht nur sexy, sondern auch profitgierig und will ihr geliebtes Schiff stilllegen. Nur drei Wochen bleiben Della, um ihn umzustimmen!

HEISSE KÜSSE FÜR DIE WÜSTENROSE von JENNIFER LEWIS

Wie ein Märchenprinz aus 1001 Nacht sieht er aus! Nur einen Vornamen nennt er ihr. Aber sein sinnlicher Kuss ist wie ein Quell in der Wüste für Dani. Zu spät erkennt sie, wer der feurige Quasar ist, der in ihr heiße Leidenschaft geweckt hat: der größte Feind ihres Vaters …


  • Erscheinungstag 02.03.2021
  • Bandnummer 24
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501866
  • Seitenanzahl 496
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kathryn Jensen, Jules Bennett, Rachel Bailey, Jennifer Lewis

BACCARA EXTRA BAND 24

1. KAPITEL

„Du gehörst mir, Lady.“ Daniel Eastwood warf seine Jeans zu dem Sweatshirt, das bereits im Sand lag. „Mir die kalte Schulter zu zeigen, wird dir nichts nützen.“

Sie war an diesem Morgen noch schöner als am Tag zuvor … und am Tag davor. Daniel war bereit für sie. Voller Vorfreude rollte er die breiten Schultern.

Drei lange Schritte und er tauchte in die Wellen des Atlantiks ein. Wie immer fügte sich die See seinen kraftvollen Schwimmzügen. Ihre kalten Finger griffen nach ihm und trugen ihn hinaus ins tiefe Wasser. In jeder grüngrauen Woge konnte er ihre Stärke spüren. Er schwamm genau eine halbe Meile parallel zum menschenleeren Strand, bevor er umkehrte und an die Stelle zurück kraulte, an der er sich ins Meer gestürzt hatte.

Vom ersten Moment an hatte Daniel eine fast schon intime Beziehung zur See gehabt. Er hatte sie zum ersten Mal während eines Schulausflugs von Baltimore nach Ocean City gesehen. Sie hatte auf das Stadtkind, das da auf dem hellen Sand stand, zugleich einschüchternd und faszinierend gewirkt. So viel Wasser! Und dieses Wasser schien in seinem eigenen Takt zu atmen. Die frische Luft gab dem kleinen Dan das Gefühl, stark zu sein, ein ganz neuer Mensch zu sein.

Obwohl er noch am selben Tag in die Stadt zurückkehren musste, hatte er die Schönheit des Meeres nie vergessen. Er hatte immer gewusst, dass er nirgendwo anders leben wollte als an der Küste.

Sobald er alt genug war, war er zurückgekehrt und hatte einen Sommerjob als Rettungsschwimmer angenommen. Von da an war er – abgesehen von der Zeit, die er bei den Marines verbracht hatte – jedes Jahr im Juni mit der Gleichmäßigkeit der Gezeiten wieder hergekommen.

Doch obwohl er die See liebte, wusste er, dass sie unberechenbar war. Es gab plötzliche Böen. Tiefes Wasser an Stellen, an denen es am Tag zuvor noch flach gewesen war. Es gab Strömungen, die selbst den stärksten Schwimmer mit sich reißen und umbringen konnten. Doch er liebte die Kraft und die Schönheit der See, auch wenn sie nicht ungefährlich war.

Als Dan jetzt den Kopf zur Seite wandte, um ein letztes Mal Luft zu holen, bevor er mit vier weiteren Kraulschlägen den Strand erreichen würde, sah er eine Frau neben seinen abgelegten Kleidern stehen. Mit der Hand schirmte sie die Augen vor der Morgensonne ab. Sie wirkte wie jemand, der seinetwegen gekommen war, nicht wie eine Spaziergängerin, die nur kurz einem Schwimmer zusehen wollte.

„Was zum Teufel …“, murmelte Dan und schluckte unabsichtlich einen Schwall Salzwasser. Seine Leute wussten, dass er um diese Zeit nicht gestört werden wollte. Er kam im brusthohen Wasser auf die Füße und musterte die Frau.

Sie war nicht von hier, denn dann würde er sie kennen. Sie war groß für eine Frau, stellte er fest, wahrscheinlich höchstens einen Kopf kleiner als er. Ihr rostbraunes Haar trug sie zu einem Knoten zusammengebunden. In ihrem grünen Kostüm wirkte sie am Strand deplatziert. Sie hielt ihre braunen Pumps in einer Hand und sah sogar auf die Entfernung genervt aus.

Als er langsam aus dem Wasser kam, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie wirkte jetzt beunruhigt. Vielleicht fürchtete sie, dass er ohne Badehose geschwommen war, dachte Dan. Er lächelte, als er auf sie zuging. Nach einigen weiteren Schritten aus dem Wasser heraus wurde dann klar, dass er nicht nackt war.

Sofort hoben sich ihre Mundwinkel.

Dan musste sich ein Grinsen verkneifen. Er hätte viel dafür gegeben, ihr Gesicht zu sehen, wenn er heute Morgen doch nackt geschwommen wäre.

„Werfen Sie mir bitte mein Handtuch her!“, rief er und steuerte direkt auf sie zu.

Sie runzelte die Stirn, als würde sie ihn wegen der lauten Brandung nicht verstehen. Dann sah sie sich um und griff schließlich nach dem Handtuch.

„Finden Sie es nicht ein bisschen ungewöhnlich im November in Maryland zu baden?“, fragte sie.

„Durchaus nicht.“ Die folgende Bemerkung konnte er einfach nicht unterdrücken: „Ich bin sehr heißblütig.“

Sie verdrehte die Augen und warf ihm das Handtuch zu. „Oh, bitte …“

„Es ist wirklich wahr. Meine Körpertemperatur ist etwas höher als die der meisten Menschen. Das war schon immer so. Allerdings kennt meine Begeisterung auch Grenzen. Wenn die See zufriert, schwimme ich nicht mehr.“

„Das klingt vernünftig“, antwortete sie amüsiert.

Elly zwang sich, den Horizont zu betrachten und nicht den fast nackten Mann. Sie versuchte sich daran zu erinnern, warum sie mitten im Winter am Strand stand und fror. Aber es fiel ihr schwer, Dan Eastwood nicht anzusehen. Keiner der Männer, die sie kannte, hatte einen solchen Körper. Die breiten muskulösen Schultern eines Schwimmers, einen festen Waschbrettbauch und schmale Hüften, die in starke Beine übergingen.

Aber sie war nicht hierhergekommen, um mit ihm zu flirten. Ihr Auftrag war wichtig, und außerdem drängte die Zeit.

„Sind Sie Daniel Robert Eastwood?“, fragte sie und riskierte doch noch einen kurzen Blick. Gott, er war umwerfend!

„Der bin ich. Und wer sind Sie?“

Er trocknete sich zuerst seine muskulöse Brust ab, dann die starken Arme, schließlich den Bauch. Das Handtuch wanderte tiefer …

Elly schaute hastig weg. An ihrem Haaransatz bildeten sich trotz der kalten Luft kleine Schweißperlen. „Ich heiße Elizabeth Anderson. Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen, wenn Sie Zeit haben.“

Er zuckte die Achseln. „Falls Sie Hotelbedarf verkaufen, dann sollten Sie sich mit meinem Geschäftspartner, Kevin Hunter, treffen. Er ist für die Bestellungen zuständig. Sein Büro liegt im Hauptgebäude.“

„Mit Mr. Hunter habe ich bereits gesprochen. Er hat mir gesagt, wo ich Sie finde.“

„Aha.“

Elly mochte es, wie seine dunklen Augen sie anblitzten, ein Hinweis darauf, dass er es guthieß, dass sein Partner sie hergeschickt hatte.

Ihr fiel auf, dass sie sich unwillkürlich mit der Zunge über die Oberlippe fuhr. Sie schloss den Mund. Daniel könnte es als Reaktion auf den Anblick seines Körpers verstehen – was es ja auch war. Sie sollte sich besser auf das Geschäftliche konzentrieren. Eine Menge Leute waren auf sie angewiesen, wichtige Leute, darunter ihr Vater.

Als Dan sich das Sweatshirt über den Kopf zog, hatte er sich einen ersten Eindruck von der Fremden verschafft. Sie war schlank und wirkte fit, auch wenn sie etwas blass war. Sie sah aus, als hielte sie ihr Job drinnen fest und als nehme sie sich nicht die Zeit, sich draußen zu erholen. Ihr kurzer Rock enthüllte lange, gut geformte Beine. Über ihre Brüste … ließ sich nicht viel sagen, denn sie trug eine konservative Kostümjacke. Schade, dass nicht August war. Sie hätte ihre Jacke ausziehen müssen.

„Lassen Sie uns zu meinem Haus hochgehen“, schlug er vor. „Und Sie erzählen mir, was Sie herführt.“

„Warum ziehen Sie sich nicht zuerst um, Mr. Eastwood, und wir treffen uns in Ihrem Büro?“

„Weil es unpraktisch ist.“ Er ging los. Einen Augenblick später hörte er sie hinter sich herhasten. Er lächelte in sich hinein.

„Warum ist es unpraktisch?“, rief sie.

„Ich habe um neun Uhr einen Termin in der Stadt und weiß nicht, wie lange es dauert. Haben Sie schon einmal davon gehört, dass man sich anmeldet, Miss Anderson?“

„Dafür reichte die Zeit nicht. Ich muss jetzt mit Ihnen sprechen.“

Dan blieb stehen und drehte sich um. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. „Vielleicht sollten wir es gleich hier klären. Worum geht es?“

Sie seufzte und blickte nachdenklich den Strand hinunter. Dann sah sie ihn an.

„Beeilen Sie sich“, forderte er sie auf. Gleich würden ihm vor Kälte die Finger abfallen.

„Also gut“, sagte sie schnippisch. „Ich bin Ahnenforscherin. Ich arbeite in der Firma meines Vaters. Wir sind beauftragt worden, nach den Erben und Nachkommen eines verstorbenen Herrn zu suchen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sie mit ihm verwandt sind.“

Dan lachte. „Das ist alles?“

„Das ist alles“, sagte sie. „Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Dann sind Sie mich auch schon los.“ Sie legte den Kopf schief. „Ihre Lippen werden blau. Ich nehme an, wir unterhalten uns lieber drinnen. Hier draußen ist es zu kalt.“

„In Ordnung.“ Er trat auf den Bohlenweg aus grauen Treibholzplanken, der sich über eine Meile am Strand entlangzog. Die meisten Gebäude am anderen Ende des Wegs waren Hotels und mehrstöckige Häuser mit Eigentumswohnungen. Hier, im älteren Teil der Stadt mit den überdachten Arkaden, den bunten Verkaufsbuden und kleinen Imbissen, gab es noch einige der traditionellen Strandhäuser, die die gewaltigen Stimmungsumschwünge der See überstanden hatten.

Vor vier Jahren, als der Hurrikan Evelyn ganze Blocks der niedrigen Holzhäuser weggefegt hatte, bot sich Dan die Gelegenheit, auf die er so lange gewartet hatte. Seine Zeit bei den Marines lag hinter ihm, er hatte seinen Master in Betriebswirtschaft gemacht und Geld gespart. Und er hatte schon lange nach einer Investitionsmöglichkeit Ausschau gehalten, die so nah wie möglich an seinem geliebten Strand lag.

Er und sein bester Freund Kevin hatten ihre Ersparnisse zusammengelegt, um den zerstörten Besitz zu kaufen. Sie hatten das Grundstück mit Tonnen von Erde höher legen und mit künstlichen Dünen schützen lassen. Dann hatten sie fünfundzwanzig kleinere, solidere Versionen der Originalbungalows bauen lassen. Sie hatten die Wohn- und Urlaubsanlage Haven genannt. Sie war inzwischen sehr viel erfolgreicher, als Kevin und er je erwartet hatten. Dan war stolz auf das Erreichte.

Nun, wo die Aufbauarbeit hinter ihnen lag, kam ihm allerdings ein Tag wie der andere vor. In der Nachsaison war es einsam an der Küste. Nach dem Labor Day verschwanden die meisten Touristen – auch die alleinstehenden Frauen.

Aber jetzt war die selbstbewusste, beeindruckende Elizabeth Anderson mit ihren rotbraunen Locken und ihren langen Beinen aufgetaucht. Dan spielte mit dem aufregenden Gedanken, seinen Termin um neun Uhr sausen zu lassen und den Vormittag mit ihr zu verbringen … Wie konnte er es schaffen, ihre angekündigten zehn Minuten Gesprächszeit in mehrere Stunden zu verwandeln?

„Also, erzählen Sie mir von meiner geheimnisvollen Familie.“ Er öffnete die Tür des ersten Strandhauses und winkte sie herein.

„Wir wissen nicht genau, ob es Ihre Familie ist“, wandte sie ein. „Noch nicht. Deshalb muss ich ja mit Ihnen reden.“

„Dann mal los.“ Er warf sein feuchtes Handtuch über die Lehne des braunen Ledersofas, was Elizabeth mit einem missbilligenden Blick bedachte.

„Wie heißen Ihre Eltern?“, fragte sie.

„Meine Mutter heißt Margaret Jennings Eastwood. Sie wird Madge genannt. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Sein Name war Carl Eastwood. Er ist kurz nach meiner Geburt gestorben.“

Elizabeth Anderson nickte und zog einen Notizblock und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche. Sie notierte sich etwas. „Wann sind Sie geboren?“

Er sagte es ihr.

„Dann sind Sie jetzt also zweiunddreißig?“ Er nickte. „Die Adresse Ihrer Mutter und ihre Telefonnummer?“

Dan blieb auf dem Weg zum Badezimmer stehen und sah seine Besucherin misstrauisch an. „Warum wollen Sie das wissen?“

„Weil ich sicher bin, dass sich Ihre Mutter für Ihr Erbe ebenso interessiert wie Sie“, sagte Elizabeth mit einem strahlenden Lächeln. Doch sie senkte den Blick, bevor sie zu Ende gesprochen hatte.

Dan fragte sich, ob sie etwas vor ihm verbarg. „Wenn Sie mit meiner Mutter sprechen müssen, werde ich mitkommen. Welche Informationen benötigen Sie sonst noch?“

Sie sah enttäuscht aus, schaute aber weiter auf ihren Notizblock. „Nun, wo sind Sie geboren worden, Mr. Eastwood?“

„Nennen Sie mich Dan. Im Mercy Hospital in Baltimore.“

Sie blinzelte, blätterte einige Seiten zurück und nickte. „Haben Sie immer in Baltimore gewohnt?“

„Bis ich mit der Highschool fertig war. Nach meinem Abschied von den Marines bin ich nach Ocean City gezogen. Seitdem leben wir hier.“

Sie wirkte, als habe er ihr gerade eine wichtige Information gegeben. Das beunruhigte ihn. Er hasste es, im Unklaren gelassen zu werden.

„Haben Sie Geschwister?“, fuhr sie fort.

„Nein.“

„Auch keine Stiefbrüder oder – schwestern von einem anderen Vater?“

Dan blickte finster drein. Er mochte diese privaten Fragen nicht. „Was wollen Sie damit andeuten, Miss Anderson?“

„Meine Freunde nennen mich Elly.“

Sie warf ihm einen betont unschuldigen Blick zu, und er spürte, wie ihn ein erregendes Prickeln durchlief. Automatisch lächelte er zurück, obwohl er vermutete, dass sie auf etwas hinauswollte, das sie ihm verschwieg.

„Es ist nur eine einfache Frage“, fuhr sie fort. „Heutzutage gibt es immer mehr Patchworkfamilien. Außerdem dürfen Frauen mehr als einmal heiraten.“

„Meine Mutter hat nicht wieder geheiratet“, sagte er rasch.

„Aha.“

Dan hätte gern gesehen, was sie da aufschrieb. Er mochte es nicht, dass sein Privatleben dermaßen ans Licht gezerrt wurde. „Ich muss mich für den Termin umziehen“, brummte er. „Wenn Sie mir nicht sagen, worum es eigentlich geht, ist unser Gespräch hiermit beendet.“

Sie klappte den Notizblock zu und packte ihn mitsamt dem Kugelschreiber in ihre Handtasche zurück. „Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen noch nicht mehr sagen. Die Angelegenheit ist vertraulich.“

„Dann sollten Sie besser gehen“, sagte er schroff, obwohl er wusste, dass er ein Trottel war, wenn er das Schönste wegschickte, was seit Monaten am Strand aufgetaucht war. Elly gefiel ihm hier drinnen im Haus ebenso gut wie draußen am Strand. Der einzige Unterschied war, dass ihre Augen jetzt zu leuchten schienen – fast so, als habe sie gerade etwas Interessantes erfahren.

Aber das Treffen mit dem Bauunternehmer war wichtig. Obwohl seine Hormone forderten, er solle sich wenigstens ihre Telefonnummer geben lassen, warnte ihn sein Verstand, es sei besser, sich von ihr fernzuhalten. Er wusste nicht wieso, aber sie schien nichts als Ärger zu versprechen.

„Ich melde mich, wenn ich Ihnen mehr sagen kann“, sagte sie.

„Vielleicht haben Sie beim nächsten Mal Lust, mir beim Schwimmen Gesellschaft zu leisten“, schlug er vor und öffnete ihr die Tür.

Sie lachte. „Im November?“

Schade, dachte er, als er kurz darauf allein in seinem Wohnzimmer stand.

Ich würde dich gerne nach einem kalten Bad aufwärmen.

Elly saß im Auto und versuchte, sich zu sammeln. Ihr Vater würde mächtig sauer auf sie sein, weil sie so wenig von Daniel Eastwood erfahren hatte. Die Dinge waren nicht gut gelaufen. Sie hätte sich ihm fast zu Füßen geworfen, als er aus dem Wasser gestiegen war – mit seiner feucht schimmernden, bronzefarbenen Haut und diesen Muskeln … Wie ein junger Gott hatte er ausgesehen. Die winzige Speedo-Badehose hatte nichts, aber auch rein gar nichts, der Fantasie überlassen.

Ihre Wangen wurden heiß. Sie seufzte frustriert. Normalerweise machten Männer sie nicht nervös. Sie hatte sich dafür entschieden, sich gegen solche Gefühle zu schützen, um sich nicht auf jemanden einzulassen. Sich auf jemanden einzulassen, bedeutete Intimität, und Intimität bedeutete …

Ohne Vorwarnung kam die Erinnerung an jene Nacht zurück. Der Schrei … die aufgeregten Telefonate ihres Vaters … seine Hilflosigkeit und ihre bewegungslos im Schlafzimmer liegende Mutter. Dann hatten Sirenen die Stille durchschnitten.

Ebenso schnell, wie die Bilder erschienen waren, verschwanden sie wieder und ließen Elly zitternd und schwitzend zurück. Sie schlug die Hände vors Gesicht und atmete bewusst langsam und tief ein und aus, um sich zu beruhigen. „Es ist vorbei. Es ist vorbei“, flüsterte sie vor sich hin, bis die Angst sie losließ und sich der Druck auf ihrer Brust löste. Sie konnte wieder klar denken. Was war ihr noch durch den Kopf gegangen, bevor …

Dan Eastwood.

Sie öffnete die Augen und konzentrierte sich auf die graugrüne Brandung des Meeres.

Sie konnte es immer noch schaffen!

Dan hatte sich zwar geweigert, weitere Fragen zu beantworten, aber es wäre eine Quälerei, jetzt zurückzugehen und ihn sich noch einmal vorzunehmen. Solange seine dunklen Augen sie fixierten, würde sie sich nicht konzentrieren können. Das wusste sie. Sie würde daran denken, wie er unten am Strand ausgesehen hatte, und ihren Job vermasseln.

Andererseits wusste sie bisher nicht genug über ihn, um sicher zu sein, dass er derjenige war, den sie suchte.

Elly schaute auf ihre Armbanduhr. In einigen Stunden würde sie ihren Vater anrufen müssen, um ihm zu sagen, was sie herausgefunden hatte. Sie beide wussten, dass die Hölle los sein würde, wenn sie die Person, die sie suchten, nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden fanden. Die Londoner Boulevardzeitung, die sich irgendwie Insider-Informationen aus dem Palast beschafft hatte, würde einen Skandal lostreten, der das Fürstenhaus von Danubia bedrohte. Und die Stammbaumforschung Anderson würde sich schlechte Presse einhandeln.

Was sollte sie also tun?

Beunruhigt zog Elly ihren Laptop vom Beifahrersitz auf ihren Schoß. Sie schaltete den Computer ein und fügte die Informationen, die sie von Dan Eastwood erhalten hatte, einer Datei hinzu. Seinen Namen und seine Adresse hatte sie im Internet gefunden, doch Adresse und Telefonnummer seiner Mutter tauchten dort nicht auf.

Immerhin hatte Eastwood indirekt eingestanden, dass seine Mutter in der Gegend lebte.

„Seitdem leben wir hier.“

Er hatte wir gesagt und nicht ich. Und er hatte ihr angeboten, sie zu seiner Mutter zu begleiten. Also musste sie in der Nähe wohnen.

Nachdem Elly die Datei vervollständigt hatte, nahm sie ihre Handtasche und stieg wieder aus dem Wagen. Vielleicht konnten ihr die Nachbarn helfen.

Elly stand ganz oben auf der Treppe, die zu einem gelben Bungalow führte, zog ihre Kostümjacke glatt, setzte ein freundliches Lächeln auf und klopfte. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet.

„Ja, bitte?“ Eine kleine blonde Frau in mittleren Jahren sah sie neugierig an.

„Margaret Eastwood?“, fragte Elly.

„Ja.“

„Ich habe heute Morgen mit Ihrem Sohn gesprochen und …“

Die Frau machte ein erfreutes Gesicht. „Sie sind eine Freundin von Dan?“

„Keine richtige Freundin. Ich habe eigentlich nach Ihnen gesucht und Dans Adresse zuerst gefunden.“

„Kommen Sie herein und erzählen Sie mir, warum er Sie geschickt hat.“ Margaret strahlte Elly an. „Das ist das Nette hier in Haven. Sie nennen es eine bewachte Wohnanlage. Hier kann man den Menschen vertrauen. Es ist nicht so wie in unserer früheren Wohngegend, wo wir darüber nachdenken mussten, wen wir hereinlassen können und wen nicht.“

„Ja … natürlich …“, stimmt Elly zu und fühlte sich ein bisschen schuldig. Schließlich war sie selbst ein Eindringling.

Als sie das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer betrat, fielen ihr gleich die Fotos auf dem Klavier auf. Auf den Bildern war immer derselbe Junge zu sehen: als Baby, als Kleinkind, in der Schule … Elly sog die Luft ein. „Es riecht wundervoll.“

„Ingwerbrot“, sagte Margaret. „Ich backe im Herbst immer das traditionelle neu-englische Ingwerbrot. Es erinnert mich an zu Hause. Und Danny liebt es.“

„Dann stammen Sie nicht aus der Gegend?“

„Meine Güte, nein. Aber jetzt bin ich in Maryland zu Hause. Ich habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. Nehmen Sie doch Platz. Ich bringe Ihnen einen Kaffee und ein Stück warmes Ingwerbrot.“

Elly wollte protestieren, doch Margaret war schon hinausgegangen.

„Sie haben gesagt, dass Sie fast Ihr ganzes Leben hier verbracht haben?“, rief sie ihr nach.

„In Maryland, nicht in Ocean City. Wir haben in Baltimore gewohnt, als Dan noch klein war. Aber nachdem er hier einige Jahre als Rettungsschwimmer gejobbt hatte, ist er richtig süchtig nach der Küste geworden. Nach seiner Zeit bei den Marines hat er mich gebeten, mit ihm hierher zu ziehen. Später haben er und sein Freund Land gekauft und diese niedlichen kleinen Bungalows bauen lassen.“ Sie lächelte stolz, als sie zurückkam und ein Tablett mit Kaffee und Ingwerbrot ins Wohnzimmer trug. „Danny organisiert auch ein Ferienlager für Kinder aus der Stadt.“

„Das wusste ich nicht“, gestand Elly.

„Oh ja. Es ist ihm sehr wichtig, dass die Kinder von dort mal etwas anderes sehen.“

Elly nahm einen Becher mit dampfend heißem Kaffee und einen Teller mit Kuchen entgegen. Wieder fühlte sie einen Stich, weil sie diese freundliche Frau hinterging. „Mrs. Eastwood, ich muss gestehen, dass es nicht Dan war, der mich zu Ihnen geschickt hat.“

„Nicht?“ Margaret sah enttäuscht aus.

„Eine europäische Familie hat mich damit beauftragt, einen fehlenden Zweig ihres Stammbaums zu ergänzen. Die von Karloffs. Ist Ihnen der Name bekannt?“

Margaret Eastwood wurde blass. Ihre Finger bewegten sich nervös auf ihrem Schoß hin und her. „Nein.“

„Sie sind so etwas wie die Grimaldis in Monaco, nämlich die fürstliche Familie von Danubia, einem kleinen europäischen Land.“

„Ich glaube, Sie sollten gehen“, sagte Margaret knapp.

Doch Elly war jetzt fest entschlossen. Sie wählte ihre Worte vorsichtig. „Wir glauben, dass eine junge amerikanische Frau vor dreiunddreißig Jahren eine kurze, romantische Affäre mit dem jungen Fürsten hatte, bevor er eine andere Frau heiratete. Es ist möglich, dass die junge Amerikanerin schwanger war, als sich die beiden trennten. Jedenfalls ist sie verschwunden, bevor das Kind geboren wurde. Wissen Sie etwas darüber, Mrs. Eastwood?“

Dans Mutter setzte ihren Teller vorsichtig ab und schaute aus dem Fenster. „Mein Ehemann war Amerikaner. Er hieß Carl Eastwood und starb, bevor Dan ein Jahr alt war“, sagte sie schließlich.

Carl Eastwood. Diesen Namen hatte Dan ebenfalls genannt. Carl mit C. War es ein Zufall, dass der junge Fürst Karl geheißen hatte? Seine Hoheit Karl von Karloff war vor einigen Jahren gestorben. Sein Sohn Jacob herrschte nun in Danubia. Jacob schien der einzige Erbe zu sein, bevor die Affäre seines Vaters vor einigen Tagen ans Licht gekommen war. Diese paar Tage kamen Elly inzwischen wie Monate vor.

„Ich weiß weder etwas über Affären noch über Fürsten und schon gar nichts über illegitime Babys“, erklärte Margaret scharf.

Ellys Herz schlug schneller. Etwas in Margarets Gesichtsausdruck sagte ihr, dass die Frau log.

„Ich verstehe, dass es für Sie sehr schwer sein muss.“ Elly stellte ihren Kaffee und den Kuchenteller ab und beugte sich zu Margaret hinüber, um ihr über den Arm zu streichen. „Aber wenn Sie mir vielleicht mehr Informationen geben könnten, bitte.“

Margaret atmete schwer. Sie saß jetzt wie erstarrt in ihrem Stuhl. „Gehen Sie“, flüsterte sie. „Verschwinden Sie aus meinem Haus.“

Elly seufzte unhörbar. Sie verstand den Wunsch der Frau nach Privatsphäre gut, aber wenn sie nicht schnell die Wahrheit herausfand, dann würden Madge und ihr Sohn bald in einer schrecklichen Klemme stecken. Für Katz-und-Maus-Spiele war jetzt ganz und gar nicht der richtige Zeitpunkt. Auf ihrem Weg von Connecticut nach Baltimore hatte Elly schon zwei Reporter abhängen müssen. Sie konnten jeden Moment hier aufkreuzen – und dann hätte sie die Sache nicht mehr in der Hand.

Elly entschloss sich, es anders zu versuchen. „Mrs. Eastwood, ich möchte Sie nicht verärgern. Aber in Fällen, in denen Beziehungen zerbrechen, wollen Kinder wissen, was aus ihren verlorenen Familienmitgliedern geworden ist. Glauben Sie nicht, dass Dan gerne wissen würde, wer sein leiblicher Vater war?“ Sie bluffte, denn noch war sie sich nicht ganz sicher. Doch wenn ihr Bluff funktionierte, würde sie es wissen.

Madge öffnete den Mund und schnappte nach Luft. „Mein Sohn muss nicht wissen, dass …“

Ihre Worte schwebten noch im Raum, als sich die Haustür öffnete und Schritte zu hören waren. Beide Frauen sahen zur Wohnzimmertür.

Dan Eastwood schaute um die Ecke. Sogar auf diese Entfernung sah Elly die Ader an seiner Schläfe pulsieren. Er war offenbar sehr zornig. „Was muss ich nicht wissen, Mutter?“

Eine eiskalte Hand schien Ellys Brust zusammenzupressen. Sie verkrampfte ihre Hände ineinander und schluckte.

Als sie einen Blick auf Madge warf, sah sie, dass sich deren Dickköpfigkeit in Hilflosigkeit verwandelt hatte. „Oh. Da bist du ja. Ich schätze, ich hätte diese junge Dame nicht hereinlassen dürfen. Sie hat mir erzählt, sie sei deine Freundin, Danny.“

Elly sprang auf. Diese Frau war ganz und gar nicht so harmlos, wie sie wirkte. „Das habe ich nie gesagt! Mrs. Eastwood, Sie wissen genau, dass mein Besuch …“ Sie unterbrach sich, weil ihr klar wurde, dass Dan ihr kaum glauben würde. „Egal! Ich bin allein hierhergekommen, weil ich geglaubt habe, dass es für Ihre Mutter vielleicht besser ist, wenn sie unter vier Augen mit mir redet.“

Dan sah sie skeptisch an.

„Wirklich. Ich wollte niemanden verletzen.“

„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Sie begleiten würde“, fuhr Dan sie an. Dann wandte er sich seiner Mutter zu. „Ich weiß nicht, wie sie dich gefunden hat. Es tut mir leid. Aber was ist es denn nun, was ich nicht wissen muss?“

Madge presste die Lippen zusammen.

„Dann verraten Sie mir, worum es geht“, sagte Dan und wandte sich wieder an Elly.

„Es ist noch nicht sicher, ob es überhaupt etwas zu verraten gibt.“ Elly versuchte ihr Möglichstes, um diskret zu bleiben. „Es ist wichtig, dass ich herausfinde, ob Ihre Mutter jemals in Europa war. In Paris, um genau zu sein.“

Dan schaute von Elly zu seiner Mutter. Madge sah ängstlich aus. „Was geht hier vor, Mom?“

„Sie quält mich“, wimmerte Madge. „Mach, dass sie geht.“

„Sie wird sofort das Haus verlassen, wenn sie erklärt hat, was zum Teufel sie eigentlich sucht“, presste Dan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Obwohl Elly ihn einerseits auf die Palme brachte, fühlte er sich doch wohl in ihrer Gegenwart. Er würde sie am liebsten einfach nur anschauen: ihr hübsches Gesicht, ihre Hände, ihre Brüste … Sie hatte nämlich ihre Kostümjacke ausgezogen, und der Anblick ihrer Kurven unter der Bluse war extrem vielversprechend …

„Warum ist es wichtig, ob meine Mutter in Europa war?“ Offenbar konnte er doch noch einigermaßen klar denken.

Elly trat einen Schritt auf ihn zu. Sie hoffte, dass sie die richtigen Worte fand. „Kürzlich sind Dokumente aufgetaucht, in denen eine junge Frau namens Margaret Jennings erwähnt wird. Diese junge Frau hat ein Jahr in Paris studiert. Jennings ist ihr Mädchenname, nicht wahr, Mrs. Eastwood?“

Dan antwortete für seine Mutter. „Das stimmt. Und sie hat ein Jahr an der Sorbonne studiert. Das hast du mir doch erzählt, Mom.“

Madge schloss die Augen und schwieg.

Elly setzte nach. „Haben Sie in diesem Jahr einen jungen Mann …“

„Ich habe dort Carl Eastwood kennengelernt“, stieß Madge hervor. „Wir haben geheiratet, und neun Monate später wurde Dan geboren. Doch Carl starb früh.“ Madge wischte sich die Tränen aus den Augen.

Dan sah verwirrt drein. „Ich dachte, du und Dad, ihr hättet in Baltimore geheiratet.“

„Nein. Es war in einem Städtchen in der Nähe von Paris.“ Madge schniefte und vermied den Blick ihres Sohnes. „Die Kirche sei abgebrannt, habe ich später gehört, und mit ihr wohl alle Aufzeichnungen.“

Elly öffnete den Mund, um der Frau zu sagen, dass das eine Lüge war. Doch dann überlegte sie es sich anders.

„Nur weiter.“ Dan sah sie auffordernd an. „Sie wollten etwas sagen.“

Elly schluckte. „Es ist wahr, dass kein Beleg für eine Hochzeit existiert.“ Sie zögerte. „Und das kommt daher, weil es im Leben Ihrer Mutter keinen Carl Eastwood gegeben hat. Ebenso wenig gab es eine Hochzeit.“

„Okay. Das reicht. Es wird Zeit für Sie zu gehen!“ Dan fasste Elly am Ellbogen und schob sie zur Tür. Elly konnte gerade noch ihre Handtasche und ihren Mantel an sich raffen.

„Ich habe keine Ahnung, welches Spiel Sie hier spielen, und es ist mir auch egal.“ Dan öffnete die Tür. „Sie gehen jetzt.“

„Wollen Sie denn nicht …“

Bevor sie ihren Satz beenden konnte, fand sie sich draußen vor Madges Tür wieder. Sie spürte immer noch Dans Finger auf ihrem Arm und seine Hand in ihrem Rücken, obwohl er längst zurück ins Haus gegangen war. Der Mann hatte vielleicht Nerven! Er hatte sie rausgeworfen!

Und dann fiel ihr auf, was gerade passiert war. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.

Sie hatte ihren Prinzen gefunden!

2. KAPITEL

Elly rutschte vor Vorfreude – den Telefonhörer fest ans Ohr gepresst – auf ihrem Hotelbett herum. Jemand holte gerade ihren Vater ans Telefon. Sie kannte den Kristallpalast zwar nicht aus eigener Erfahrung, doch auf Fotos sah er riesig aus. Frank Anderson konnte leicht eine halbe Meile vom nächsten Telefon entfernt sein.

Doch dann hörte sie seine rauchige Stimme. „Du rufst spät an. Was hast du herausgefunden?“

„Es ist ein Junge!“, rief sie.

„Der alte Fürst hat einen Sohn mit dem Jennings-Mädchen gezeugt?“

Elly lächelte und genoss den Moment. „Das Mädchen ist inzwischen in den Fünfzigern. Sie wird Madge genannt und will nicht zugeben, dass sie vor über dreißig Jahren eine fürstliche Affäre hatte.“

„Verständlich“, brummte ihr Vater. „Sie ist verheiratet und will nicht, dass ihr Ehemann etwas über ihre Vergangenheit erfährt.“

„Das ist es nicht“, gestand Elly seufzend. „Aber sie bleibt bei ihrer Geschichte über einen amerikanischen Ehemann, der jung gestorben ist. Ich glaube, sie hat sich das für ihren Sohn ausgedacht.“

„Aber du bist dir bei diesem jungen Mann sicher?“

Elly zögerte kurz. „Ja. Er sieht sogar wie Jacob aus, Dad. Und die Fotos von Karl in jungen Jahren könnten auch Daniel Eastwood von heute zeigen. Sie haben beide dasselbe dunkle Haar und denselben Körperbau. Eastwoods Augen sind allerdings dunkelbraun und nicht blau.“

„Die Augenfarbe könnte von der mütterlichen Seite stammen. Na gut, ich informiere Jacob.“

„Haben wir wirklich genug Material, um zu beweisen, dass er Karls Sohn ist?“, fragte Elly. Sie vertraute zwar ihrer Intuition und den Informationen, die sie gesammelt hatte, aber die gesetzliche Seite war noch etwas anderes.

„Karl hat zur gleichen Zeit wie Margaret Jennings an der Sorbonne studiert. Er hat ihre Liebesbriefe an ihn und ihren Abschiedsbrief aufbewahrt. Ein Handschriftenspezialist kann die Schrift in diesen Briefen mit der von Margaret Eastwood vergleichen. Außerdem gibt es noch andere Dokumente.“

Elly war so aufgeregt, dass sie kaum sprechen konnte. Sie kannte die Briefe und fühlte sich von der Geschichte, die sie enthüllten, berührt. Für den jungen Prinzen, der bald Fürst werden sollte, und seine Geliebte musste die Situation verzweifelt gewesen sein. Ob Karl überhaupt gewusst hatte, dass die Frau, die er liebte und die er nie würde heiraten können, ein Kind von ihm erwartete? In den Dokumenten wurde ihre Schwangerschaft nicht erwähnt. Wie traurig es wäre, dachte Elly, wenn der Mann gestorben war, ohne etwas von seinem Erstgeborenen zu erfahren.

Aber jetzt, Jahrzehnte später, könnte eine neue, wundervolle Zeit für Dan und seine Mutter beginnen. Nicht, dass sie es verdient hatten, wo sie sie einfach aus dem Haus geworfen hatten, dachte Elly. Aber man stelle sich vor, einen Bruder zu finden, von dem man nicht einmal gewusst hatte, dass er existiert! Ein Bruder, der ein europäischer Fürst war!

„Was jetzt?“, fragte Elly.

„Jacobs Berater haben mir heute erklärt, dass – für den Fall, dass du die Mutter und ihr Kind findest – beide mit dem nächsten Flugzeug nach Danubia gebracht werden sollen.“

„Warum?“

„Schadensbegrenzung. Sie glauben, dass die beiden in Danubia besser vor der Presse geschützt sind. Außerdem müssen ein paar Dinge geklärt werden. Je früher das geschieht – das ist jedenfalls die Meinung des Hofes – desto besser.“

Elly überlegte kurz. „Eastwood glaubt mir aber nicht. Wie soll ich ihn in einen Flieger nach Europa schaffen? Dad, das ist nicht mehr unsere Sache. Wir sollten nur seine Identität klären. Wir sind keine Privatdetektive.“

„Elizabeth.“ Ihr Vater hustete. Elly fand es schrecklich, dass er rauchte. Aber seit dem Tod ihrer Mutter ließ er sich von niemandem etwas sagen – nicht über seine Gesundheit und auch nicht von seiner einzigen Tochter.

„Wir haben keine andere Wahl“, fuhr ihr Vater fort. „Der Fürst macht uns dafür verantwortlich, dass etwas durchgesickert ist. Er ist überzeugt, dass die undichte Stelle nicht am Hof zu finden ist. Wir müssen alles tun, um weitere Probleme zu vermeiden. Und …“ Er verstummte.

„Gibt es schlechte Neuigkeiten?“

„Denk an die Folgen dieser Entdeckung, Elly. Es geht um eine riesige Geldsumme. Selbst ein illegitimes Kind hat ein Recht auf das Erbe seines Vaters. Und was ist mit der Mutter? Soweit wir wissen, hat sie nie Unterhalt für das Kind bekommen.“

Elly verdrehte die Augen. Das Briefbündel, das ihr Vater vor einiger Zeit zufällig hinter einer Holzpaneele entdeckt hatte, begann sich in eine Büchse der Pandora zu verwandeln. Nicht nur Margaret Eastwoods Liebesbriefe waren dabei gewesen, sondern auch andere Briefe, die als unzustellbar aus den USA zurückgekommen waren. Offenbar hatte Karl zehn Jahre lang vergeblich versucht, seine große Liebe wiederzufinden. Vielleicht hatte er nur nach Margaret gesucht. Vielleicht hatte er aber auch wissen wollen, ob er ein Kind gezeugt hatte, einen Erstgeborenen.

„Ich soll sie also in ein Flugzeug schaffen“, wiederholte Elly und schüttelte den Kopf. „Klingt nach einer Entführung. Ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.“

„Uns bleibt nicht viel Zeit“, erinnerte ihr Vater sie. „Ich an ihrer Stelle würde mich über ein sicheres Versteck freuen. Die Medien werden sie lebendig fressen.“

„Ich habe das Gefühl, dass Daniel Eastwood nicht besonders leicht einzuschüchtern ist“, gab Elly zu bedenken.

„Elizabeth …“, ihr Vater klang besorgt, „… wenn diese Sache nach hinten losgeht, ist unser Ruf ruiniert. Hast du das verstanden?“

Sie schluckte. So schlimm war es also. „Ich bringe sie zu dir“, versprach sie.

Dan kam eine halbe Stunde zu spät zu seinem Termin mit dem Bauunternehmer. Auf dem Weg dorthin schweiften seine Gedanken ab. Immer wieder musste er an die attraktive Rothaarige denken, die er aus dem Haus seiner Mutter geworfen hatte – und an die unerfreuliche Tatsache, dass er Elly Anderson wahrscheinlich nie wieder begegnen würde.

Glücklicherweise wartete der Bauunternehmer noch auf ihn. Sie besprachen offene Fragen und unterzeichneten dann einen Vertrag. Innerhalb der nächsten Woche würden die Schäden an einigen Häusern behoben sein. Eine Sache weniger, über die er sich Sorgen machen musste.

Als er nach Haven zurückkam und seinen Wagen parkte, fiel ihm die rothaarige Frau auf. Er spähte durch die Windschutzscheibe. Elizabeth Anderson stand mit einem Mann am Rande des Parkplatzes.

Ellys Beine sahen noch länger aus, fand Dan, als er beobachtete, wie der Wind mit ihrem Rocksaum spielte. Ihr Haar umfloss ihr Gesicht in weichen Wellen, während sie mit Kevin sprach und immer wieder einige Strähnen nach hinten strich.

„Was hat diese Frau jetzt wieder vor?“, murmelte Dan vor sich hin und stieg aus dem Wagen.

Der gute alte Kevin hatte diesen hypnotisierten Ausdruck im Gesicht, den manche Männer unwillkürlich aufsetzten, wenn sie einer attraktiven Frau gegenüberstanden. Dan konnte nur hoffen, dass Kevin nichts getan hatte, um Elly bei ihren Schnüffeleien zu ermutigen. Er lief auf die beiden zu. „Ich dachte, wir seien uns einig gewesen, dass Sie mit dem Unsinn aufhören!“, rief er.

Elly drehte sich zu ihm um. Dan war hin- und hergerissen zwischen seiner Wut auf sie und dem hinreißenden Anblick, den sie bot, während der stürmische Wind an ihrem Rock, ihren Haaren und ihrer Jacke zerrte.

Entschlossen sah sie ihm entgegen. „Wir müssen dringend miteinander reden, Mr. Eastwood.“

„Das haben wir doch schon heute Morgen getan.“

Kevin schaute von einem zum anderen und trat dann verwirrt zwei Schritte zurück. „Ich weiß zwar nicht, was hier los ist, aber ich glaube, ich lasse euch zwei allein. Auf mich wartet Arbeit.“ Er ging davon, aber nicht ohne noch einen Blick zu ihnen zurückzuwerfen.

„Sie und Mrs. Eastwood müssen mit mir nach Europa fliegen. Spätestens heute Abend“, erklärte Elly ungerührt.

Dan lachte. „Sie irren sich nicht nur in meiner Mutter, Sie sind auch komplett verrückt.“

„Nein“, sagte Elly ruhig. „Weder das eine noch das andere ist richtig. Ich kann es beweisen. Hören Sie mir bitte zu! Wenn Sie sich weigern, kann das für Sie und Ihre Mutter sehr unangenehme Folgen haben.“

Etwas in ihrem Tonfall ließ Dan aufhorchen. Diese Frau war überzeugt von dem, was sie sagte. Der bestürzte Gesichtsausdruck seiner Mutter kam ihm wieder in den Sinn. Etwas hatte ihr Angst eingejagt. Und das machte auch ihm Angst.

Er schaute auf seine Armbanduhr. „Es ist fast Mittag. Haben Sie Hunger?“

„Ich habe sogar sehr großen Hunger“, gab Elly zurück. „Ich hatte keine Zeit für ein Frühstück heute Morgen. Warum?“

„Lassen Sie uns essen gehen. Wir können alles bei Krabbenküchlein besprechen.“

Kirby’s, das beliebteste Restaurant an der Ocean Avenue, war ganz im Stil der Fünfzigerjahre eingerichtet. Sie setzten sich in eine Nische, und Dan bestellte zwei große Teller mit Krabbenküchlein und Pommes frites.

Elly begoss ihre Fritten großzügig mit Ketchup und schaufelte sie hungrig in sich hinein. Dan aß langsam und beobachtete sie. Er war sich ihrer atemberaubenden Figur sehr bewusst. Immer wieder schaute er fasziniert auf ihren Mund, während sie noch ganz mit den knusprigen Kartoffelstücken und den leckeren Krabbenküchlein beschäftigt war.

Dan war zugleich neugierig und misstrauisch. Warum wollte sie ihn unbedingt nach Europa schaffen? „Also erzählen Sie mir von den Beweisen“, sagte er schließlich. „Und warum haben Sie es so eilig, mich aus dem Land zu bringen?“

„Ich weiß, dass Sie mich aufdringlich finden“, begann sie, spießte eine weitere Fritte auf ihre Gabel und fuchtelte damit in seine Richtung. „Und ich freue mich nicht darüber, jemanden der Lüge bezichtigen zu müssen …“

„Aber Sie tun es trotzdem“, sagte er leise.

Elly betrachtete ihn eingehend. „Menschen können sehr erfinderisch sein, wenn es darum geht, ihre Vergangenheit zu schützen. Vor allem, wenn sie Angst haben. Frauen müssen besonders vorsichtig sein. Und eine alleinerziehende Mutter muss anderen Menschen ununterbrochen erklären, warum sie allein ist. Zweifellos hat ihre Mutter gedacht, dass ein toter Ehemann für ihre Umwelt leichter hinzunehmen ist als die Wahrheit.“

„Und was ist die Wahrheit?“ Vielleicht würde er ihr glauben, dachte Dan. Aber ganz bestimmt nicht ohne eine gute Erklärung.

Elly zog einen Umschlag aus ihrer Handtasche. „Dies sind Fotokopien von Briefen, die kürzlich auf dem Besitz der von Karloffs gefunden worden sind. Die Unterschrift auf diesen Briefen stammt fast sicher von Ihrer Mutter. Letzte Zweifel können wir in Danubia beseitigen. Wir glauben, dass Ihre Mutter sich in Paris in Karl von Karloff verliebt hat. Sehr wahrscheinlich hat sie gedacht, dass er sie heiraten würde. Aber er war nicht ganz ehrlich zu ihr. Er war bereits verlobt und außerdem der Thronfolger von Danubia.“

Elly hob die Hand, als Dan etwas entgegnen wollte. „Karl war unter einem anderen Namen an der Sorbonne eingeschrieben“, fuhr sie fort. „Als Margaret herausfand, dass er sie niemals heiraten konnte, ist sie nach Amerika geflohen. Wahrscheinlich wusste sie da schon, dass sie schwanger war. Statt zu ihren Eltern nach Massachusetts zurückzukehren, ließ sie sich in Baltimore nieder und erfand einen Ehemann. Vielleicht wollte sie mit ihrem Umzug nach Baltimore auch Karl abschütteln. Möglicherweise fürchtete sie sich vor dem, was er tun könnte, wenn er entdeckte, dass er ein Kind hatte.“

Dan wurde heiß. Er betrachtete den Umschlag auf dem Tisch. „Das alles ist schwer zu glauben.“

Elly schüttelte langsam den Kopf. „Es tut mir leid. Aber sehen Sie selbst.“

Dan konnte kaum atmen, er fühlte sich wie erstarrt. Er war noch immer wütend auf Elly, aber gleichzeitig fürchtete er, dass sie die Wahrheit sagte. Sie musste nicht betonen, dass sich sein Leben drastisch verändern würde, wenn es so war.

Und was würde aus seiner Mutter werden? Sie hasste Auseinandersetzungen und wünschte sich nur, ruhig und einfach leben zu können. Unglückliche Beziehungen und ungeplante Geburten waren schon schlimm genug. Dazu musste der Vater nicht aus einer fürstlichen Dynastie stammen, die regelmäßig in der Öffentlichkeit stand und dem Klatsch der Regenbogenblätter nicht entgehen konnte.

Elly legte ihre Hand auf seine. „Das alles muss ein Schock für Sie sein. Es tut mir wirklich leid.“ Sie sah ihn ernst und mitfühlend an. „Mir wäre es lieber gewesen, wenn Ihre Mutter mit ihrem Geheimnis unbehelligt hätte weiterleben können. Aber andere wissen davon. Deshalb musste ich Sie informieren.“

Dan war sprachlos. Er fühlte sich seltsam betäubt und hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte.

„Nehmen Sie sich Zeit, die Papiere durchzulesen“, schlug Elly vor. „Und dann können wir darüber reden.“

Ihm fiel jetzt auf, dass sie einen leichten Dialekteinschlag hatte. Sie klang nach Neu-England, irgendwie nach Ahornsirup. Er würde sie gerne näher kennenlernen. Sie schien nett zu sein – und sie war natürlich auch sehr attraktiv. Aber so wie es aussah, gab es weit dringendere Fragen, die er klären musste.

Er nahm einen Bissen von einem inzwischen lauwarmen Krabbenküchlein und kaute, ohne etwas zu schmecken. „Es wird eine Menge Wirbel geben, oder? Nicht nur in der Presse.“

Sie warf ihm einen unergründlichen Blick zu. „Das könnte durchaus sein.“

Dan zog die Fotokopien aus dem Umschlag. Er überflog rasch das erste Blatt.

Daniel Robert Jennings. Geboren am 20. August 1970. Geburtsort: Baltimore, Maryland. Die Geburtsurkunde liegt bei. Mutter: Margaret Jennings. Ein Vater wurde nicht angegeben. Name der Mutter und des Kindes drei Monate später in Eastwood geändert. Als Grund wird genannt: Heirat mit Carl Eastwood. Ein Mann dieses Namens taucht nirgendwo auf. Ergebnis: sehr wahrscheinlich ein ausgedachter Name.

Es gab noch andere Berichte, die sich Dan mit trockenem Mund und rasendem Puls hastig durchlas.

Margaret Jennings, von 1969 bis 1970 Studentin an der Sorbonne, ausgezeichnete Noten. Verließ die Universität im März 1970. Genannte Gründe: persönlich.

Kleine Schweißperlen liefen seinen Nacken hinunter. Er starrte auf die nächste Seite, auf der jemand „Liebesbriefe, unterschrieben mit ‚deine dich liebende Margaret‘, keine Umschläge“ notiert hatte. Es gab sogar Fotokopien von zwei Briefen. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie viel Liebe und Sehnsucht sich hinter den Sätzen verbargen. Aber er sah auf den ersten Blick, dass die Schrift der seiner Mutter erstaunlich ähnelte. Dann entdeckte er eine weitere Anmerkung:

Briefe seiner Hoheit Karl von Karloff an eine Margaret Jennings in den Vereinigten Staaten, datiert 1970 (3), 1972 (2), 1973, 1975, 1976 und 1980. Alle als unzustellbar zurückgeschickt.

„Nun?“, fragte Elly und schaute von ihrem leeren Teller auf.

Dan lächelte schwach. „Ich könnte mir vorstellen, dass Karls legitimer Sohn wegen Ihrer Entdeckungen ein bisschen nervös ist.“

„Etwas mehr als nur nervös. Vor allem, weil Sie vor ihm auf die Welt gekommen sind.“

„Autsch.“

„Und das ist noch längst nicht alles“, fügte Elly hinzu. „Jemand aus dem Palast hat geplaudert. Ein Reporter samt Fotograf ist Ihnen auf den Fersen. Sie waren hinter mir her, aber ich habe sie in Baltimore abgehängt. Dass ich Sie vor Ihnen gefunden habe, war ziemliches Glück.“

Dan hatte keinen Appetit mehr. Er schob seinen Teller weg. Vor seinem inneren Auge erschienen Bilder von Fernsehkameras, von Reportern mit Mikrofonen, und er sah sich schon mit ständigen Anrufen von irgendwelchen Zeitungsleuten konfrontiert. Gleichzeitig versuchte er sich einzureden, dass die ganze Sache vielleicht eine gute Seite haben könnte. Immerhin würde sie Werbung für sein Projekt für die Stadtkinder machen.

Im nächsten Moment fiel ihm ein, dass die Aufmerksamkeit weder ihm noch seiner ehrenamtlichen Arbeit gelten würde. Es würde um seine Mutter und ihre Vergangenheit gehen, die sie vor ihm, vor ihren Freunden und Nachbarn hatte verbergen wollen. Das Ganze würde sie umbringen.

Er starrte Elly entsetzt an. „Wir wollten das nicht.“

„Ich weiß. Und ich schwöre Ihnen, dass mein Vater und ich nichts damit zu tun haben, dass die Vergangenheit Ihrer Mutter ans Licht gezerrt wird. Aber wir werden alles tun, um das Ganze nicht noch schlimmer zu machen.“

„Was haben Sie vor? Uns wegzaubern?“

Sie lächelte ihn wieder geheimnisvoll an. „So etwas Ähnliches.“

Elly war erleichtert, als Dan zustimmte, mit ihr nach Danubia zu fliegen. Seine Mutter davon zu überzeugen, dass es besser für sie wäre, ihr behagliches Häuschen zu verlassen, war zuerst ein Kampf. Doch dann rief der erste Journalist vom Washington Star an.

Offenbar hatte die englische Presse, die als erste Wind von der Angelegenheit bekommen hatte, sich auf ihrer Suche nach dem verschwundenen Prinzen mit verschiedenen amerikanischen Zeitungen in Verbindung gesetzt. Der Star hatte ein Team auf die Sache angesetzt, und bald war klar, dass es nicht bei Anrufen der Reporter bleiben würde. Die Vorstellung, dass ihr Haus über kurz oder lang von Journalisten und Fotografen belagert werden würde, brachte Madge schließlich dazu, einzulenken und der Reise zuzustimmen.

Mit Unterstützung der Botschaft von Danubia buchte Elly für denselben Abend einen Flug. Auf dem Weg zum Flughafen nach Washington D. C. stießen sie auf zwei Wagenladungen mit Journalisten. „Solange wir in Bewegung bleiben …“, versicherte Elly der ängstlichen Madge, „… ist alles in Ordnung. Auf dem Flughafen wird uns der Sicherheitsdienst abschirmen.“

Sie hängten die beiden Limousinen schließlich ab. Auf dem Flugplatz wurden sie sofort in einen bewachten Bereich gebracht, wo sie unbehelligt von der Presse auf ihre Maschine warten konnten. Als sie schließlich einstiegen und das Flugzeug abhob, hätte Elly am liebsten einen Freudenschrei ausgestoßen. Doch sie wusste, dass mit ihrem Verschwinden aus den USA die Probleme noch längst nicht gelöst waren.

Sie schloss die Augen. Sie war erschöpft, und ihre Gedanken drifteten ab. Sie dachte an eine Zeit in ihrem Leben, in der es mehr als zwei Andersons gegeben hatte: Damals hatte es sie selbst, ihren Dad – und ihre Mom gegeben. Sie sah das lächelnde Gesicht ihrer Mutter vor sich. Elly kämpfte gegen diese Erinnerungen an, die es ihr so schwer machten, ihren inneren Frieden zu finden. Ihr Herz begann zu rasen. Sie atmete schwer.

„Es wird alles gut gehen, mein Schatz“, hatte ihre Mutter ihr damals versichert, als eine weit jüngere Elly sich Sorgen machte, dass sie die Ankunft des Babys verpassen würde. „Es ist alles genau geplant. Ich gehe an dem Tag ins Krankenhaus, den du und ich im Kalender angestrichen haben. Kannst du dich daran erinnern? Dort werde ich eine kleine Operation haben, die man Kaiserschnitt nennt. Du wirst deinen kleinen Bruder gleich nach der Geburt sehen können. Und dann werden wir uns darüber streiten, wer zuerst mit ihm kuscheln darf.“

Sie hatten darüber gelacht. Ihr Vater hatte Elly erzählt, dass sie mit zwölf Jahren schon alt genug war, um selbst Mutter zu werden – jedenfalls in einigen Teilen der Welt. Elly hatte sich darauf gefreut, ihren kleinen Bruder in die Arme zu nehmen und ihn zu beschützen.

Während sie Richtung Danubia durch die Nacht flog, versank Elly noch tiefer in der Vergangenheit. Ihre Gedanken kehrten wieder zu jener Nacht zurück.

Wieder quälten sie die lauten Schreie ihrer Mutter und die Stimme ihres Vaters, der am Telefon verzweifelt nach Hilfe rief. Als sie zu ihrer Mutter ins Schlafzimmer gehen wollte, hatte ihr Vater ihr den Weg versperrt. Er hatte sie angeschrien, dass sie nicht dort hineingehen dürfe, und sie in ihr Zimmer geschoben. Sie fühlte sich, als würde sie für ein Verbrechen bestraft, das sie nicht verstand.

Vor ihrem Fenster hatten die Lichter des Rettungsdienstes geblinkt. Zwei Sanitäter waren ins Haus gerannt, während der Fahrer des Krankenwagens eine Trage herauszog. „Es wird ihr bald wieder gut gehen“, hatte Elly geflüstert. „Dad hat es gesagt.“ Doch die Zeit verging, und der Rettungswagen stand noch immer da. Irgendwann wusste Elly, dass die Sanitäter ihre Mutter nicht ins Krankenhaus bringen würden.

Elly hörte ein Wimmern und spürte etwas Feuchtes auf ihren Wangen. Sie drehte sich in ihrem Sitz herum, fühlte, wie eng ihr die Brust war, und bemerkte eine Hand auf ihrer Schulter.

„Geht es Ihnen gut?“ Es war nicht die Stimme ihrer Mutter, die sie so oft bei ihren schlimmsten Flashbacks gehört hatte. Diese Stimme gehörte einem Mann. „Elly?“

Sie blinzelte und brauchte einen Augenblick, um sich in der schwach beleuchteten Flugzeugkabine zu orientieren. Ihre Kehle brannte, ihre Schläfen pochten. Als sie den Kopf drehte, sah sie, dass sich Dan auf den leeren Sitz neben sie gesetzt hatte.

„Sie haben schlecht geträumt“, sagte er leise.

„Wirklich?“ Der Unterschied zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schien fließend, so, als könne sie jederzeit zu den dramatischen Momenten ihrer Kindheit zurückkehren und sie noch einmal erleben.

Dan nahm ihre Hand. „Wollen Sie mir davon erzählen?“ Er lächelte sie an.

„Nein, lieber nicht.“ Sie schauderte und schluckte zweimal, um den Kloß in ihrer Kehle loszuwerden und ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. In ihrem Kopf klangen immer noch die schrecklichen Schreie nach. Die kalte Hand des Todes griff nach ihr. „Egal, was ich tue, dieser Albtraum kehrt immer wieder.“

„Er ist schlimm, was?“

„Sehr schlimm.“ Sie hätte es dabei belassen können. Doch seine ehrliche Anteilnahme brachte sie dazu, mehr zu sagen. Es schien ihr, als hätten sie und Dan etwas gemeinsam: Sie beide wurden von ihrer Vergangenheit verfolgt, die sie ihr ganzes Leben lang nicht mehr loslassen würde. „Es ist keine reine Fantasie, sondern wie die Endlosschleife eines wirklichen Ereignisses.“

„Wie bei einem Soldaten, der plötzlich wieder auf dem Schlachtfeld steht?“

„Etwas in der Art.“ Elly zog sich in ihrem Sitz hoch und schaute zur schlafenden Madge hinüber. „Sie sind sehr freundlich zu ihr.“

„Warum sollte ich nicht? Sie ist meine Mutter!“

„Nicht alle Menschen wissen zu schätzen, was sie an ihren Eltern haben.“

„Wahrscheinlich haben Sie recht“, stimmt er ihr zurückhaltend zu. „Behandeln Sie Ihre Mutter gut?“

Elly schloss die Augen und erschauerte.

„Es tut mir leid“, flüsterte Dan. „Das war wahrscheinlich zu persönlich.“ Er atmete tief durch. „Ich glaube, es kommt daher, weil Sie so viel über mich herausgefunden haben und ich nichts über Sie weiß. Außer, dass Sie für Ihren Vater arbeiten.“

Sie zuckte die Achseln, entspannte sich aber beim Klang seiner sanften Stimme. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war zwölf Jahre alt. Meine Eltern hatten jahrelang versucht, ein zweites Kind zu bekommen. Sie waren überglücklich, als meine Mutter endlich schwanger wurde.“ Ihre Stimme klang flach. Von den Gefühlen, die sie mit diesen Ereignissen verbanden, war nichts zu hören. „Mom starb im Kindbett. Mein kleiner Bruder ist auch gestorben.“

„Das ist furchtbar.“ Dan drückte ihre Hand. „Es muss lange gedauert haben, darüber hinwegzukommen.“ Dann trafen sich ihre Blicke, und er verstand. „Vielleicht verfolgt Sie das sogar noch heute.“

Sie schaute nach draußen, um seinem allzu wissenden Blick zu entgehen. Der Mond war nicht zu sehen, dafür funkelten die Sterne über dem Atlantischen Ozean. Dans Daumen malte beruhigende Kreise auf ihrem Handrücken.

Plötzlich konnte sie ihre Gedanken nicht mehr für sich behalten. Die Worte strömten regelrecht aus ihr heraus. Noch nie hatte sie sich jemandem so rückhaltlos anvertraut, und sie fragte sich, warum sie ausgerechnet diesem Mann ihr Herz öffnete. Vielleicht, weil sie wusste, dass Schmerz und Anstrengung vor ihm lagen. Vielleicht aber auch, weil sich ihre Wege bald wieder trennen würden.

Als sie ihm von der furchtbaren Nacht erzählte, vom Tod ihrer Mutter und der Trauer ihres Vaters, legte Dan den Arm um sie, als wolle er sie vor ihren Erinnerungen beschützen.

„Mein Vater hat nach dem Tod meiner Mutter irgendwie aufgehört zu funktionieren“, sagte Elly. „Er ist nicht mehr arbeiten gegangen. Er hat nicht genug gegessen. Er hat wieder angefangen zu rauchen. Und er hat eine Menge getrunken, glaube ich. Er war tagsüber selten zu Hause und nachts nie. Er hat ihren Namen nicht erwähnt. Wir haben nie mehr darüber gesprochen.“

Dan schaute sie betroffen an. „Aber gerade in dieser Zeit hätten Sie ihn dringend gebraucht.“

Elly seufzte. „Ja. Aber ich kann ihm nicht vorwerfen, dass er Abstand benötigte. Ich sehe ihr unglaublich ähnlich. Mich anzusehen, war einfach zu viel für meinen Dad.“

„Das ist keine Entschuldigung“, entgegnete Dan.

Sie schloss die Augen. „Sie können sich nicht vorstellen, wie es war.“ Sollte sie ihm nun auch noch den Rest erzählen? Den Teil, der ihre Zukunft überschattete? Doch nun, wo sie ihm ihr Herz geöffnet hatte, schien es kein Zurück mehr zu geben.

„Erst Jahre später“, flüsterte Elly, „hat mir Dad erzählt, was in jener Nacht wirklich passiert ist. Meine Mutter hatte ein vergrößertes Herz. Sie wussten es seit meiner Geburt und hatten sich deshalb für eine Kaiserschnittentbindung entschieden. Aber als die Wehen begannen, hat ihr Herz versagt. Das Baby ist erstickt, bevor der Rettungswagen kam.“

„Es tut mir sehr leid, Elly.“

Sie nickte nur. „Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich mich gründlich untersuchen lasse. Er war nicht besonders überrascht, als sich herausstellte, dass ich das Herzproblem meiner Mutter geerbt habe. Mein Herz ist ein bisschen größer, als es sein sollte. Nichts Schlimmes. Man kann ohne Weiteres damit leben. Aber an dem Tag, als ich es erfahren habe, beschloss ich, keine Kinder zu bekommen. Ich mag Kinder wirklich gern“, betonte sie. „Aber ich will mein Leben ihretwegen nicht aufs Spiel setzen, wie es meine Mutter getan hat.“

„Heutzutage kommt es sehr selten vor, dass Frauen im Kindbett sterben“, entgegnete Dan vorsichtig. „Wenn man frühzeitig ins Krankenhaus kommt … Sie sollten nicht …“

Elly entzog ihm ihre Hand. „Erzählen Sie mir nicht, was ich tun oder lassen soll!“, fuhr sie ihn an. Um die anderen Passagiere nicht aufmerksam zu machen, unterdrückte sie ein Schluchzen. Sie presste die Worte heraus: „Belehren … Sie … mich … nicht!“

„Das tue ich nicht, Elly“, flüsterte er. „Ich weise nur auf die medizinischen Fakten hin. In den vergangenen zehn Jahren gab es eine Menge Fortschritte. Die Chancen, dass Sie ohne jegliche Komplikationen ein Baby bekommen können, sind groß.“

Sie schaute ihn an. „Chancen. Glauben Sie wirklich, dass ein Kind mehr auf dieser Welt es wert ist, dass ich oder eine andere Frau, deren Körper zu schwach ist, ihr Leben dafür riskiert?“

Er antwortete nicht.

Sie atmete tief durch und fühlte sich seltsamerweise besser, weil sie endlich einmal laut ausgesprochen hatte, was sie empfand.

In ihrem Leben hatte es in den vergangenen Jahren natürlich auch Männer gegeben. Mit einigen davon hatte sie geschlafen, aber erst, nachdem sie ganz sicher gewesen war, dass diese Männer keine Familie gründen wollten. Während dieser Affären hatte sie die Pille genommen. Und weil sie sich in keinen verliebt hatte, hatte sie es auch nicht bedauert, wenn diese Männer sich irgendwann eine andere Frau gesucht hatten.

Die letzte Trennung war trotzdem schmerzhaft gewesen. Sam war wirklich ein netter Kerl gewesen und mit der Zeit hatte sie angefangen, ihn sehr zu mögen. Sein einziger Fehler war, dass er seine Meinung geändert hatte: Er hatte beschlossen, Ehemann und Vater werden zu wollen.

Das war ein Jahr her. Seitdem war sie allein. Doch nun saß ein ausgesprochen verlockender Mann neben ihr. Vielleicht zu verlockend für sie. Sie versuchte abzuschätzen, wie sehr sie Dan mochte, und stellte fest, dass die Leidenschaft für ihn sich neu und ausgesprochen stark anfühlte. Er hatte etwas in ihr berührt. Alle anderen Männer waren nicht einmal in die Nähe dieses Etwas gekommen. Dabei kannte sie Dan erst seit wenigen Stunden.

„Was ist mit Ihnen?“, fragte sie schnell. „Warum sind Sie nicht verheiratet?“ Sie hoffte, er würde sagen, dass er keine Kinder wollte und sich deshalb noch nicht fest gebunden hatte.

„Ich nehme an, dass ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt war“, gestand er stattdessen. „Bei den Marines war der Zeitpunkt nicht gut. Ich wurde andauernd versetzt. Nach der Uni stand meine Firma an erster Stelle. Ich habe immer eine Familie gründen wollen. Aber jetzt, wo es ginge, fehlt die richtige Frau dafür.“

Elly zuckte innerlich zusammen. Okay. Das war’s. Er suchte nach einer Lebensgefährtin, nach der künftigen Mutter seiner Kinder. Und das bin ich nicht, dachte sie und war überrascht, dass sie dieser Gedanke traurig machte. Trotzdem fand sie Dan weiterhin anziehend. Er erweckte Gefühle in ihr zum Leben, von denen sie nicht mehr gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten.

Dan strich ihr leicht über den Arm. „Geht es Ihnen besser?“

„Ja“, gestand sie halbherzig. „Mir geht es gut. Danke, dass Sie mir Ihre Schulter geliehen haben.“

Er schaute zu seinem eigenen Platz hinüber, den inzwischen die schlafende Madge mit Beschlag belegt hatte.

„Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich noch ein bisschen hier sitzen bleibe?“

„Nein. Bleiben Sie nur.“ Und mit einem Blick auf Madge fügte Elly hinzu: „Sie wird in Danubia ihre ganze Kraft brauchen.“

Sie unterhielten sich die ganze Nacht lang über unbedeutende Dinge. Es war, als wüssten sie beide, dass sie schon genug über Persönliches gesprochen hatten. Aber Elly bedauerte nicht, dass sie es getan hatten – irgendwie war es der richtige Zeitpunkt gewesen.

Der Jet landete früh am Morgen auf dem Pariser Flughafen Orly. Die amerikanischen Reporter waren zwar in den USA zurückgeblieben, doch sie hatten ihre europäischen Kollegen alarmiert. Vor dem Ausgang drängten sich die Paparazzi.

„Schrecklich“, seufzte Madge. „Wie sollen wir nur an denen vorbeikommen?“

Elly zeigt auf einige französische Polizisten, die aufmerksam die Fluggäste musterten. „Sieht ganz so aus, als hätte der Hof die hiesigen Behörden alarmiert. Lassen Sie uns zu den Polizisten hinübergehen.“

Dan folgte den beiden Frauen.

Ein Sicherheitsteam eskortierte sie zu einer Limousine, die sie zu einer privaten Startbahn brachte. Dort wartete ein Hubschrauber mit dem Wappen der von Karloffs auf sie. Zwei Stunden später kam der Kristallpalast in Sicht, der über Danubias Hauptstadt thronte, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückreichte.

Madge stieß einen leisen Schrei aus. „Wie schön!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah ihren Sohn traurig an und rief ihm über den Lärm der Rotorblätter zu: „Bist du böse auf mich, weil ich es dir jahrelang verheimlicht habe, Danny?“

Er schüttelte den Kopf. „Du hast mir eine sichere, liebevolle Kindheit geschenkt.“ Er lächelte ihr aufmunternd zu. Doch als seine Mutter sich wegdrehte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

Elly flüsterte ihm ins Ohr: „Was ist los?“

„Später“, formten seine Lippen unhörbar.

Elly nickte und versuchte, Dans Gedanken zu erraten. Es war nicht Madge gewesen, die ihrem Sohn einen fürstlichen Titel und eine ebensolche Erziehung vorenthalten hatte. Tradition und Politik waren daran schuld.

Es wäre Madge niemals gestattet worden, ihr Baby hierher zu bringen. Wären Karls Geliebte und sein illegitimer Sohn in Danubia aufgetaucht, wäre das eine Beleidigung für die Fürstin gewesen. Karl hätte Madge bestenfalls anbieten können, für das Baby und sie aufzukommen, vermutete Elly. Dans Mutter musste das gewusst haben. Sie hatte sich dafür entschieden, sich vor ihm zu verstecken. Sie hatte ihrem Liebhaber und seiner Mildtätigkeit – oder seinem Schweigegeld – den Rücken gekehrt.

Elly verstand das alles. Wenn das Schicksal es mit einer Frau nicht gut meinte, war ihr Stolz alles, was ihr blieb, wenn sie überleben wollte.

Sie wusste nun, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen musste, um Madge und Dan beizustehen. Schließlich war sie mitverantwortlich für ihre Schwierigkeiten. Wenn ihr Vater und sie die Informationen nicht versehentlich an die falsche Person weitergeleitet hätten, wüssten die Medien heute noch nichts von Madge und ihrem Sohn.

3. KAPITEL

Beim Abendessen in einem der intimeren Räume des Palastes traf Elly schließlich die fürstliche Familie. Sie und ihr Vater kamen gemeinsam, Dan und Madge warteten bereits – mit Cocktails in den Händen, wie das Dutzend weiterer Gäste. Elly ließ sich von einem der Kellner ein Glas Weißwein geben, ging zu Mutter und Sohn hinüber und stellte den beiden ihren Vater vor.

„Wer sind diese Leute?“, fragte Dan.

Frank Anderson sah sich um. „Es sind Angehörige von Fürst Jacobs Hof sowie seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Berater. Sie sind hier, um Sie unter die Lupe zu nehmen und zu beschließen, was sie mit Ihnen machen sollen.“ Er lächelte Dan zu und hob sein Glas. „Aber ich möchte Sie nicht unter Druck setzen, mein Junge.“

Dan sah sich argwöhnisch im Raum um. Er wirkte angespannt. „Warum sagen sie nicht offen, was sie denken?“

„Sie wissen noch nicht, was sie denken sollen“, entgegnete Elly. „Keiner weiß, wie Sie sich verhalten werden.“

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich nichts haben will!“, gab Dan scharf zurück.

Elly fragte sich, ob Dan die fremde Umgebung nervös machte oder ob er eher deshalb schlechte Laune hatte, weil er die Ereignisse nicht kontrollieren konnte. Vielleicht war er auch verärgert, weil man ihn gezwungen hatte, um die halbe Welt zu fliegen, nur um jetzt neugierig beäugt zu werden. Sie drehte sich zu Madge, die an einem Glas Wein nippte. „Wie geht es Ihnen, Mrs. Eastwood?“

„Ich möchte zurück nach Hause“, sagte Madge düster. Dann presste sie die Lippen zusammen und schaute weg.

Elly konnte sich gut vorstellen, wie sehr Madge ihren gemütlichen Bungalow vermisste. Der Palast mit seinen unzähligen Räumen voller antiker Möbel und unbezahlbarer Kunstwerke war einschüchternd. Es war, als bewohne man den Louvre. „Vielleicht fühlen Sie sich besser, wenn Sie dem Fürsten und der Fürstin begegnet sind“, sagte sie aufmunternd.

„Sie sind freundlich und fair“, warf Frank ein.

Madge nickte, sah aber immer noch unglücklich aus.

Dan betrachtete seine Mutter besorgt. Er schien wie Madge nicht daran zu glauben, dass das Fürstenpaar sie wohlwollend behandeln würde.

Elly wünschte, sie könnte etwas tun, damit Dan dem Aufeinandertreffen mit seinem Halbbruder offener gegenüberstand. Doch bevor sie etwas sagen konnte, öffneten sich die riesigen vergoldeten Türen am Ende des Saals. Ein livrierter Diener trat hindurch. Er postierte sich schweigend an der Seite, während die Gespräche verstummten.

„Ihre Hoheiten, Fürst Jacob von Karloff und Fürstin Allison …“ Dann folgte eine lange Liste mit Titeln des fürstlichen Paares. Ellys Herz klopfte schneller, als das junge Herrscherpaar den Saal betrat.

Jacob war attraktiv, sah aber sehr ernst aus. Er schien nicht oft zu lachen. Wenn er es doch einmal tat, vermutete Elly, konnte er das Herz jeder Frau erobern. Sein Haar war schwarz wie Ebenholz, seine Augen dunkelblau.

Seine Frau war wunderschön. Die junge Amerikanerin, die Jacob geheiratet hatte, trug ihr hellblondes Haar zu einem Knoten hochgesteckt, in dem ein diamantbesetztes Diadem funkelte. Elly erinnerte sich undeutlich an eine Fernsehsendung über den Fürsten. Jacobs Entscheidung, eine Bürgerliche und dazu auch noch eine Amerikanerin zu heiraten, hatte in seiner Heimat Unruhe ausgelöst. Doch das Paar hatte den Sturm überstanden und schien glücklich zu sein.

Fürstin Allison lächelte ihren Gästen zu, während sie am Arm ihres Mannes durch den Saal schritt.

Jacobs Blick glitt suchend über die Anwesenden, bis er Dan bemerkte. Einen Moment lang wirkte er sehr nachdenklich, dann setzte er wieder sein offizielles Lächeln auf. Vor Frank, Elly, Dan und Madge blieb er stehen.

Sie machten die vorgeschriebenen Hofknickse und Verbeugungen, die ihnen ein Protokollbeamter beigebracht hatte. Dans Verbeugung war eher angedeutet, fiel Elly auf, und er lächelte nicht. Das gegenseitige Misstrauen der beiden Männer war mit Händen greifbar.

Frank Anderson übernahm die Vorstellung.

„Hatten Sie einen guten Flug?“, fragte Jacob freundlich.

Dan nickte steif. „Keine besonderen Ereignisse.“

„Ich habe gehört, Sie hatten auf dem Weg zum Flughafen Begleitung“, bemerkte Allison. „Ich hoffe, die Reporter haben Ihnen keinen Schrecken eingejagt, Mrs. Eastwood“, wandte sie sich an Madge.

Dan ergriff das Wort, bevor seine Mutter etwas sagen konnte. „Viel Aufregung um nichts, wenn Sie mich fragen.“

„Wirklich?“ Jacob sprach Englisch mit einem deutschen Akzent. „Sie glauben, die Behauptung, ein Fürst sei Ihr Vater, wäre eine Kleinigkeit?“

Dan straffte die Schultern und erwiderte Jacobs feindseligem Blick. „Sehen Sie, Hoheit, vor weniger als achtundvierzig Stunden bin ich noch im Meer geschwommen und habe über den bevorstehenden Arbeitstag nachgedacht. Ich habe nicht einmal gewusst, dass es diesen Zwergstaat gibt. Ich behaupte gar nichts. Andere Leute machen viel Wind um das Ganze, nicht ich.“

Elly hielt den Atem an, während Jacob seinen Halbbruder unwillig musterte. Alle Gespräche im Raum waren verstummt. Jacobs Fürstentum mochte klein sein, doch hier hatte er die Macht, und das könnte durchaus gefährlich werden.

Abrupt wandte sich der junge Fürst an Madge. „Waren Sie wirklich die Geliebte meines Vaters?“ Takt gehörte offensichtlich nicht zu Jacobs starken Seiten.

Madge errötete. Ihre Hände zitterten, und sie vergoss ein bisschen Wein.

„Jetzt reicht es aber!“, fuhr Dan seinen Halbbruder an. Sein Gesicht war rot vor Wut.

Die Fürstin griff beschwichtigend nach dem Arm ihres Mannes. Jacob sah sie aus den Augenwinkeln an; sie hob eine Braue.

„Es tut mir leid“, sagte Jacob unbeholfen. „Ich bin wohl zu direkt. Das liegt daran, dass wir alle etwas aufgeregt sind wegen dieser Entdeckung. Die Menschen hier machen sich Sorgen über ihren Zwergstaat, wie Sie ihn genannt haben.“ Er warf Dan einen eisigen Blick zu. „Sie wollen wissen, ob ihre Regierung gefährdet ist …“

Dan lachte laut auf. „Was, zum Teufel, glauben Sie, werde ich tun? Den Palast stürmen?“

Jacob lächelte nicht. „Sie können den Ernst der Lage doch kaum anzweifeln.“

Dan reagierte gereizt. „Und Sie können sich wohl nicht vorstellen, dass Ihre Einmischung meinen Geschäften schadet. Von der Privatsphäre meiner Mutter ganz zu schweigen.“

Elly warf Madge einen raschen Blick zu. Madges Lippen waren nur noch ein bleicher Strich. Allison schaute Elly an, als wolle sie sagen: Es tut mir leid, aber hier darf ich mich nicht einmischen. Sogar Ellys Vater schien sich in die hitzige Debatte der Brüder nicht einschalten zu wollen.

Elly nahm ihren Mut zusammen und trat zwischen Dan und den Fürsten. „Ein Streit macht die Sache nicht besser“, sagte sie fest.

Die Brüder warfen sich über ihren Kopf hinweg einen Blick zu. Elly war erneut überrascht, wie ähnlich sich die beiden sahen. Waren sie denn blind? Sie hatten denselben Vater! Zählte das denn gar nicht?

„Bitte“, versuchte sie es erneut. „Vielleicht ist das Abendessen heute nicht der richtige Ort für diese Auseinandersetzung. Mir kommt es so vor, als würden Sie beide dasselbe sagen – keiner von Ihnen mag die Situation. Hoheit“, sie wandte sich an Jacob. „Ich kenne Dan Eastwood noch nicht lange. Aber mir scheint es so, als wolle er nur in Ruhe gelassen werden. Er will aus der Situation keinen Profit schlagen.“

Elly schaute Dan an. „Versuchen Sie, sich in Jacobs Lage zu versetzen. Das Ganze wäre schon für eine normale Familie schwer genug. Aber die von Karloffs haben eine Menge zu verlieren, wenn die Dinge nicht richtig gehandhabt werden.“

„Was meinen Sie mit richtig? Sollte man die Angelegenheit vertuschen? Ich glaube nicht, dass das gegenüber den Beteiligten fair ist.“ Dan schaute vielsagend zu seiner Mutter hinüber.

Madge schüttelte nervös den Kopf. „Bitte, ich möchte nicht an dem Durcheinander schuld sein.“

„Sie haben kein Durcheinander verursacht, als Sie Ihren Sohn allein aufgezogen haben. Das versichere ich Ihnen“, mischte sich nun Frank Anderson ein.

„Sie tun so, als sei alles mein Fehler oder der Fehler meiner Mutter“, knurrte Dan und schob Elly beiseite, um näher an Jacob heranzukommen.

Sofort steuerten zwei bullige Bodyguards auf die Gruppe zu. Jacob winkte sie entnervt auf ihren Platz zurück. „Sprechen Sie weiter“, sagte er. „Vielleicht ist es besser, wenn Sie es loswerden.“

Elly hielt den Atem an und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die beiden Männer sich nicht gegenseitig an die Kehle gingen.

Wie Dan stemmte auch Jacob die Hände in die Hüften und reckte das Kinn nach oben.

Dan sah seinen Bruder herausfordernd an. „Meine Mutter hat sich nicht darum gerissen, schwanger zu werden. Wenn jemand schuldig ist, dann Ihr Vater. Er hat ein junges Mädchen betrogen und sitzen gelassen, als sie sein Kind erwartet hat.“

„Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie nicht respektlos von meinem Vater sprechen würden. Er kann sich nicht verteidigen“, gab Jacob scharf zurück.

„Die Tatsache, dass er tot ist, ändert nichts. Er hat einer jungen Frau die Unschuld geraubt. Keine Frau sollte dazu gezwungen sein, ein Kind zu bekommen, das sie nicht haben will.“

Elly blieb fast das Herz stehen. Ob er wohl wusste, wie genau seine Worte ihre Gefühle widerspiegelten?

Jacob lächelte dünn. „Interessant“, murmelte er. „Sie argumentieren ja gegen Ihre eigene Existenz. Aber hier sind Sie nun mal, Mr. Eastwood, und ich nehme an, dass jemand mit einem so starken moralischen Empfinden wie Sie, nun eine Wiedergutmachung fordert. Ich jedenfalls würde mich so verhalten.“ Sein Blick ließ keinen Zweifel daran. „Ich würde eine Wiedergutmachung für meine Mutter wollen. Sagen Sie mir, Sir, dass Sie das nicht wollen!“

Es herrschte atemlose Spannung im Raum. Elly griff im selben Moment nach Dans Arm wie Allison nach Jacobs.

„Bitte“, sagte Elly ruhig. „Wir wollen jetzt essen. Wir sind müde und hungrig. Das beeinflusst unsere Stimmung. Vielleicht können Sie beide sich später darauf verständigen, die Angelegenheit in einem privaten Rahmen zu besprechen.“

Allison blinzelte ihr beifällig zu. „Ich bin derselben Ansicht. Geben wir der Vernunft eine Chance.“

Elly stand am nächsten Morgen wahre Qualen aus. Sie fürchtete, die Brüder hätten sich womöglich gegenseitig umgebracht, vielleicht lag Dan auch im Krankenhaus oder war schon ins Gefängnis abtransportiert worden.

Der gestrige Abend hatte zwar schlecht begonnen, aber das Essen war dann wunderbar gewesen. Es hatte sieben himmlisch leckere Gänge gegeben. Elly hätte es allerdings noch mehr genossen, wenn die Anspannung zwischen den beiden Brüdern nicht weiterhin deutlich spürbar gewesen wäre. Die Unterhaltung war dahingeplätschert und hatte sich nur um Nichtigkeiten gedreht. Am Ende des Abends hatte Jacob Dan für den folgenden Morgen zu sich ins Büro gebeten. Für ein Gespräch unter vier Augen.

Kurz nach Mittag klopfte es an Ellys Tür. Sie öffnete und fand sich Dan gegenüber, der mehr als wütend wirkte. „Er will, dass ich irgendwelche Dokumente unterzeichne“, schimpfte er und stürmte an ihr vorbei ins Zimmer.

Elly sah ihn an. „Dokumente? Worum geht es darin?“

„Abstammungserklärungen, die seine fürstlichen Anwälte aufgesetzt haben. Darin steht, dass ich weder mit ihm noch mit seiner Familie verwandt bin.“

Elly schnappte nach Luft. „Aber das ist doch nicht wahr!“

„Genau. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht unterschreiben werde.“ Dan tigerte wie ein gefangenes Raubtier im Raum auf und ab.

Elly dachte nach. „Vielleicht will Jacob nur die Presse an der Nase herumführen. Das würde Ihnen beiden helfen.“

„Ich weiß. Aber ich kann mich nicht wie meine Mutter verhalten und die Vergangenheit einfach verleugnen.“ Dan stöhnte verzweifelt auf. „Außerdem verdient meine Mutter eine Entschädigung für das, was sie wegen dieses Mannes hat durchmachen müssen.“

„Sie sprechen von Ihrem Vater“, sagte Elly sanft.

„Mein Vater!“ Dan lachte grimmig. „Ein aufgeblasener, verwöhnter adeliger Teenager. Wahrscheinlich hat er überall in Europa kleine Karls hinterlassen.“

„Das glaube ich nicht“, sagte Elly. Sie spürte deutlich, wie gekränkt und wütend Dan war. Aber sie hatte den Eindruck, dass er nicht nur wegen seiner Mutter so aufgewühlt war. Er fand wohl, er selbst sei auch betrogen worden. „Ich glaube, dass Ihr Vater Sie und Ihre Mutter wirklich finden wollte.“

Dan kam mit großen Schritten näher. „Warum? Um sie dazu zu bringen, den Mund zu halten.“

„Das denke ich nicht“, sagte Elly langsam. „Ich habe seine Briefe an Madge gelesen, nachdem sie Paris verlassen hatte. Es sind wunderschöne Liebesbriefe, in denen er sie um Vergebung bittet und darum, dass sie ihm ihren Aufenthaltsort nennt, damit er ihr helfen kann.“

„Dann wusste er von mir?“

Elly zögerte. „Da sind wir uns nicht sicher. Er hat es vielleicht vermutet. Madge hat ihm nicht gesagt, warum sie ihn verlassen hat. Sie hat nur erwähnt, dass sie herausgefunden hatte, wer er war, und dass sie nicht zusammenbleiben konnten.“

„Dieser Bastard hat ihr das Herz gebrochen!“, grollte Dan.

An seiner Schläfe pochte eine Vene, seine Augen glänzten verdächtig. Aber er bemühte sich, seine Gefühle nicht zu zeigen. Trotzdem spürte Elly seine Hilflosigkeit und seine Wut. Sie fürchtete, dass er sich nicht viel länger beherrschen könnte, und gleichzeitig hatte sie Mitleid mit ihm.

Sie ging zu ihm und legte sanft eine Hand an seine Wange. „Ich weiß, dass Karl Ihre Mutter tief verletzt hat“, flüsterte sie. „Ihr nicht die Wahrheit zu sagen, war falsch. Aber aus den Briefen geht hervor, dass er Ihre Mutter geliebt hat und zu ihr halten wollte. Aber er war der Thronfolger und musste sich an die Regeln des Fürstenhauses halten. Er hatte keine andere Wahl, als die für ihn ausgesuchte Frau zu heiraten, Dan. Erst sein Sohn Jacob konnte diese Regeln ändern.“

Dan nahm ihre Hand, als wolle er sie wegschieben. Doch dann trafen sich ihre Blicke – und etwas passierte zwischen ihnen. Es war, als ob es eine Verbindung gab, ein gegenseitiges Erkennen … Dan trat auf sie zu, und plötzlich spürte Elly die Wand im Rücken.

Noch bevor seine Lippen ihren Mund berührten, wusste Elly, dass er sie küssen würde, wenn sie nichts unternahm. Aber sie konnte sich nicht wehren. Sie wollte nicht. Seit sie Dan begegnet war, hatte sie ihn küssen wollen. Inzwischen war ihre Begierde nach ihm so stark geworden, dass weder der gesunde Menschenverstand noch ihre Ängste sie mehr davon abhalten konnten.

Dan küsste sie voller Leidenschaft. Seine Hände fanden ihre Brüste und streichelten sie. Ihre Brustwarzen zogen sich hart zusammen, und Elly schmiegte sich enger an ihn. Sie hatte das Gefühl, als würde sie innerlich zerfließen, als ob er eine Sehnsucht in ihr geweckt hatte, die sie kaum mehr kontrollieren konnte.

Er fragte nicht um Erlaubnis. Es war, als wüsste er genau, was sie wollte. Als er seine Lippen von ihrem Mund löste, griff sie in seine Haare, hielt ihn fest und küsste ihn noch einmal, ließ ihre Lippen dann über seinen Hals wandern und knabberte an seiner Kehle.

Er hielt sie weiter fest, und sie genoss die Berührung seiner Hände, die sie erst durch ihre Kleidung hindurch, dann darunter spürte. Ihre Haut prickelte. Als sie an sich herabsah, waren plötzlich die Knöpfe ihres Kleides offen. Dan wartete eine Sekunde lang – wollte sie es auch? Als sie nicht protestierte, öffnete er den Verschluss ihres BHs und entblößte ihre Brüste.

Elly drängte sich ihm entgegen, als er sich herabbeugte, um eine Brustwarze mit seiner Zungenspitze zu umspielen. Er küsste sie, saugte an ihr, und Elly stöhnte auf. Sie grub ihre Finger in seine Schultern und ließ den Kopf gegen die Wand sinken.

„Fass mich an!“ Er griff nach ihrer Hand.

Sie war sich zuerst nicht sicher, was er wollte. Also überließ sie ihm die Führung. Sie spürte den Bund seiner Hose unter ihren Fingern, dann fühlte sie ihn – wie stark und hart er war.

„Ich weiß, dass wir uns noch nicht lange kennen“, flüsterte er. „Aber ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich dich begehre, Elly.“

Es schien ihr, als habe sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Mann gewartet, der sie all den Schmerz dieses schicksalhaften Tages, an dem sie ihre Mutter und ihren kleinen Bruder verloren hatte, vergessen ließ. Der sie ihre einsame, kinderlose Zukunft vergessen ließ.

Von Anfang an hatte sie zwischen ihnen beiden eine starke Bindung gespürt. Sie verstand den Aufruhr seiner Gefühle und wollte ihm in dieser schweren Zeit beistehen. Vielleicht wollte sie auch, dass er sie unterstützte. Vielleicht konnte sie ihm genug vertrauen, um sich ihm ganz und gar hinzugeben. Doch er hatte recht. Sie kannten sich erst ein paar Tage.

Unwillig schob sie den Gedanken beiseite. Dieses eine Mal wollte sie ihren Gefühlen folgen und nicht ihrem Verstand, also küsste sie ihn, umfasste gleichzeitig seine Erektion, streichelte ihn …

Er stöhnte leise auf. „Lass das lieber, es sei denn, du …“

Sie brachte ihn mit einem weiteren Kuss zum Schweigen und verstärkte den Druck ihrer Finger.

Er schnappte nach Luft. „… du meinst es ernst.“

Und dann geschah das, was sie am meisten gefürchtet hatte.

Als ob irgendeine Mechanik unvermittelt in ihr einrastete, waren ihre Lust und ihre Hingabe plötzlich weg. Sie spürte nichts mehr. Dann verwandelte sich dieses Nichts in Angst. Das aufgedunsene Gesicht ihrer Mutter tauchte vor ihrem inneren Auge auf und dann der kleine Sarg, der neben einem größeren stand. Die alte Panik ergriff von ihr Besitz. Sie erstarrte in Dans Umarmung.

„Was ist los?“, fragte er.

„Ich kann nicht“, flüsterte sie. Ihre Augen brannten. Sie blinzelte und wünschte sich, sie hätte die Stärke, sich diesem wunderbaren Mann hinzugeben. „Ich möchte, aber ich kann nicht.“

„Ich kann dich beschützen, Elly.“

„Nein. Du hast recht. Es ist noch zu früh.“ Für sie würde es immer zu früh sein.

Er schwieg lange. Dann trat er einen Schritt zurück. Sein enttäuschter Gesichtsausdruck brach ihr fast das Herz. Sie hätte alles dafür gegeben, seine Bedürfnisse befriedigen zu können – und ihre eigenen.

Elly ließ sich gegen die Wand sinken und fühlte sich nur noch einsam.

„Möchtest du darüber reden?“, fragte er.

Wozu sollte das gut sein? Sie konnte nur das wiederholen, was sie ihm schon erklärt hatte. „Es tut mir leid. Ich wollte dir nichts vormachen.“

„Ich weiß“, flüsterte er und berührte ihre Wange mit den Fingerspitzen. „Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist … mit dem richtigen Mann … dann wird es gehen.“

„Glaubst du das wirklich?“

Er lächelte. „Ja. Ich hoffe, dass ich dieser Mann sein werde, Elly.“

4. KAPITEL

Als ein Mann, der an Bewegung und Aktivität gewöhnt war, brauchte Dan das Gefühl, sich körperlich auspowern zu können. Zum einen ging er regelmäßig Schwimmen. An Tagen, an denen das Wetter so schlecht war, dass nicht einmal er sich vorstellen konnte, ins Wasser zu springen, war das Hanteltraining sein Ersatz. Die andere Möglichkeit war Sex.

Natürlich gab es beim Sex das Problem, dass er die richtige Partnerin brauchte. Im Laufe der Jahre fand er es immer schwieriger, mit einer Frau intim zu werden, für die er nichts empfand. Bei Elly stimmte beides, die körperliche wie die seelische Anziehung. Doch sie hatte sich ihm nicht hingeben können. Und nun fühlte er sich hilflos.

Doch er gab nicht Elly die Schuld. Sie begehrte ihn ebenso stark, wie er sie begehrte – wenn nicht sogar mehr. Er war zuversichtlich, dass er ihr helfen konnte, wenn er die Schranken durchbrach, die sie vor langer Zeit um sich herum errichtet hatte. Wie er das hinbekommen sollte, wusste er allerdings nicht. Sie zu drängen, wäre sinnlos.

Aber er fühlte sich so unruhig und sehnte sich nach körperlicher Betätigung. Er vermisste sein morgendliches Schwimmtraining im Meer – irgendetwas, das ihn körperlich beanspruchte, damit er nicht ununterbrochen an Elly dachte. Deshalb beschloss er, eine Runde zu laufen, um die Anspannung loszuwerden.

Er hatte Shorts, T-Shirt, Laufschuhe und Socken eingepackt. Es war zwar Winter in Danubia, und überall im Garten und um den Palast herum häufte sich der Schnee, doch die Straßen waren freigeräumt. Außerdem war er daran gewöhnt, auch im kältesten Winter mit nackten Beinen am Strand zu laufen. Er joggte durch die geöffneten Palasttüren und winkte den Wachen zu, damit sie sich an ihn erinnerten und ihn bei seiner Rückkehr passieren ließen.

Während der ersten Meile fühlte er sich noch steif. Jeder Schritt bedeutete Arbeit. Doch dann atmete er leichter und begann zu schwitzen. Im Laufe der zweiten Meile lösten sich seine Muskeln, und seine Arme schwangen locker im Rhythmus seiner Schritte mit. Schultern und Nacken entspannten sich.

Mit der Selbstverständlichkeit des Athleten lief er durch die mittelalterlichen Straßen von Danubia; die einzige größere Stadt des Fürstentums hieß genauso wie das kleine Land.

Wenn man es nicht besser wüsste, dachte Dan, könnte man glauben, mit einer Zeitmaschine in längst vergangene Jahrhunderte transportiert worden zu sein oder einen historischen Freizeitpark zu besuchen. Elly hatte ihm ein wenig von der Geschichte Danubias erzählt, das zwei Weltkriege und davor verschiedene Auseinandersetzungen der europäischen Herrscher überstanden hatte. Während er seine Schritte beschleunigte, fielen ihm die bunt verzierten Fronten der Geschäfte auf, die so früh noch geschlossen waren, und die Häuser mit ihren pittoresken Fassaden und Ziegeldächern.

Aufmerksam setzte er seine Füße auf das Kopfsteinpflaster und konzentrierte sich auf seinen Körper. Bald schon achtete er nicht mehr auf die Häuser und Straßen, stattdessen sah er Ellys Gesicht vor sich. Sie war ein süßes Rätsel, eine Herausforderung und eine gehetzte Seele. Es würde sicher Mühe kosten, ihr dabei zu helfen, ihre Ängste zu überwinden und ihr Vertrauen zu gewinnen, doch das Ergebnis wäre die Anstrengung wert. Er hoffte, dass er genügend Geduld aufbringen konnte.

Elly fand ihn offenbar anziehend. Gestern waren sie nahe dran gewesen, miteinander zu schlafen. Aber warum wollte sie mit ihm zusammen sein, wenn sie doch wusste, dass er Kinder haben wollte und sie nicht? Ging es darum, dass er der Sohn eines Fürsten war? Sah sie in ihm vielleicht einen reichen Erben?

Noch beunruhigender war für Dan allerdings, dass sie ihn so stark anzog. Obwohl sie sehr deutlich gemacht hatte, dass sie keine Familie gründen wollte.

Er hatte schon nicht mehr erwartet, die ideale Gefährtin zu finden, die perfekte Mischung aus Intelligenz, Schönheit, Freundlichkeit und Sachlichkeit, und er war durchaus zu Kompromissen bereit. Aber er wollte auf jeden Fall eine Familie und Kinder haben.

Er sollte sich also von einer Frau wie Elly Anderson fernhalten. Stattdessen sehnte er sich nach ihr.

Beunruhigter denn je machte sich Dan auf den Rückweg. Die Straßen belebten sich allmählich, die Geschäfte öffneten. Dann kam das Palasttor in Sicht. Doch etwas hatte sich verändert. Er lief langsamer, um sich die Sache anzusehen.

Vor dem geschlossenen Haupttor standen Frauen und Männer mit Kameras, Mikrofonen und Aufnahmegeräten. Ein Mann mit einer Fernsehkamera auf der Schulter filmte durch die Eisenstäbe, während zwei Wachen ihn missmutig dabei beobachteten.

Dan blieb stehen, zögerte einen Moment und ging dann auf die Gruppe zu. Eine der Wachen sah, dass er die Hand hob, um zu zeigen, dass er zurück sei. Sofort kam der Mann zu ihm herüber, um ihn zu eskortieren.

„Hier entlang, Sir“, sagte er.

Die Wache schob ihn an den aufgeregten Reportern vorbei, die ihm Fragen zuriefen, durch das Tor in den Hof, während die Paparazzi laut ihr Missfallen kundtaten.

„Was ist hier los?“

„Wir hatten gehofft, Sir, dass Sie vor ihnen zurück sein würden.“

„Sie wussten, dass sie kommen würden?“

„Es kam nicht unerwartet, Sir.“

Dan schüttelte den Kopf. In Begleitung der Wachen betrat er die Halle, wo ihn Jacob mit Elly und der Fürstin erwartete. Sie sahen beunruhigt aus; Jacob warf Dan einen ärgerlichen Blick zu.

„Wo sind Sie gewesen?“, fragte Elly.

Dan zuckte unwillig die Achseln. „Laufen. Ist das in diesem Land etwa ein Verbrechen?“

Jacob trat einen Schritt auf ihn zu. „Es war dumm. Wir hätten alles leugnen und die Reporter wegschicken können. Aber nun haben sie Sie gesehen und wissen, dass Sie in Danubia sind.“

„Ich bin hierhergekommen, um eine Lösung für das Durcheinander zu finden“, sagte Dan aufgebracht. „Ich verstecke mich vor niemandem.“

„Offenbar nicht“, schimpfte Jacob.

Elly trat zwischen die beiden Männer. „Bitte hören Sie auf zu streiten.“

Der junge Fürst schien nicht besonders erfreut darüber, dass sie sich schon wieder einmischte. Elly brach der kalte Schweiß aus. Was dachte sie sich eigentlich dabei, so mit ihm zu reden? Wenn Jacob sie vor die Tür setzte, konnte sie nichts mehr für die Firma ihres Vaters tun.

Schlimmer noch: Sie würde Dan Eastwood nie wieder sehen.

Allison seufzte. „Jacob, bitte. Sie will nur helfen. Und dein Bruder weiß nicht, wie es ist, unter der ständigen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu leben.“ Sie lächelte ihren Mann an, worauf sich Jacob ein wenig zu entspannen schien.

„Ich bekomme gerade einen Eindruck davon“, gab Dan zurück. „Und ich kann nicht behaupten, dass ich es mag. Ich musste mich ein bisschen bewegen. Und einen passenden Ozean scheint es hier nicht zu geben. Also habe ich mir gedacht …“

„Im Untergeschoss gibt es einen Fitnessraum mit allem, was Sie brauchen“, entgegnete Jacob. „Sie hätten nur etwas sagen müssen.“

Dan betrachtete seinen Halbbruder und fragte sich, warum sie sich ständig an die Kehle gehen mussten, wenn sie sich begegneten. Verhielten sich Brüder immer so? Kämpften sie wie Löwen um die Vorherrschaft im Rudel? Und holten er und Jacob jetzt etwas nach, was sie in ihrer Jugend verpasst hatten, weil sie getrennt voneinander aufgewachsen waren? Egal, was es war, er konnte es jedenfalls nicht ausstehen, dass Jacob seine Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen.

„Haben Sie nie das Bedürfnis auszubrechen, Hoheit?“, fragte Dan leise.

Jacob schwieg und starrte Dan an. Dann sagte er leise, fast unhörbar: „Jeden Tag meines Lebens. Jeden einzelnen Tag.“

Dan war verblüfft. Sein Bruder hatte offenbar menschliche Züge und war ihm ähnlicher, als sie beide angenommen hatten.

Allison griff nach Jacobs Hand und lächelte Dan schwach an. „Wir freuen uns immer, wenn die Journalisten unterwegs sind, um Menschen in anderen Ländern aufzulauern. Leider geschieht das zu selten. Wenn wir Danubia verlassen, folgt uns regelmäßig ein ganzer Tross von der Presse.“

Dan sah Jacob in die Augen. Er sah darin das Bedürfnis nach Abgeschiedenheit und Frieden, was er nur zu gut verstand. Wenn Jacob und er ganz normale Brüder in Ocean City wären, würde Jacob jeden Morgen an seiner Seite durch die See kraulen. Doch hier würde er nie erfahren, wie es war, seine Privatsphäre zu genießen.

„Es tut mir leid, dass ich einen solchen Aufruhr verursacht habe“, sagte Dan. „Das wollte ich nicht.“

Jacob nickte. „Was geschehen ist, ist geschehen.“ Er drehte sich um. „Lassen Sie uns in mein Büro gehen. Mein Pressesprecher kommt, um mit uns über die offizielle Stellungnahme zu reden.“

Dan wischt sich mit dem Saum seines feuchten T-Shirts über das Gesicht. „Ich würde gerne zuerst duschen, wenn das in Ordnung ist.“

„Natürlich“, gab Jacob zurück.

Dan wollte schon zur Treppe gehen, da hielt Jacob ihn zurück. „Ich sollte erwähnen, dass ich mit meinen Beratern konferiert habe und Ihnen eine gewisse Summe anbiete, wenn Sie öffentlich auf den Thron verzichten. Da Sie nicht lügen wollen, was unseren Vater angeht, sollte Ihnen das doch gefallen. Und was das Fürstentum angeht, sind Sie damit aus dem Schneider. Schließlich wollen Sie ja weder mit den von Karloffs noch mit Danubia etwas zu schaffen haben. Wenn Sie möchten, können Sie die Erklärung noch heute unterschreiben.“

Dan erstarrte mitten in der Bewegung. Er drehte sich um und sah Elly an, deren Gesicht aschfahl geworden war. Sie blinzelte und wollte ihn so zur Vorsicht ermahnen, nahm er an.

Aber er hatte nicht vor, seinen Bruder mit Glacéhandschuhen anzufassen.

„Hören Sie gut zu“, sagte er langsam. „Es kann sein, dass ich nur ein hergelaufenes Stadtkind bin, das sich seinen Weg selbst erkämpft hat. Mag sein, dass ich nicht in einem Schloss wohne und weder einen Titel trage noch wie Sie auf großem Fuß leben kann, Jacob. Aber ich bin stolz auf mich. Und zwar nicht, weil in meinen Adern blaues Blut fließt, sondern um meinetwillen.“

Jacob erwiderte nichts.

„Ich nehme es äußerst übel, dass Sie mich wie einen Eindringling behandeln und mich bestechen wollen.“ Er hielt einen Moment inne, um Jacob die Chance zu geben, zu reagieren, etwas zu sagen. Doch sein Bruder schwieg.

Dan holte tief Luft. „Ich werde weder dieses Papier unterzeichnen noch Geld von Ihnen annehmen.“

Weniger als eine Stunde später stand Dan am Fenster und betrachtete den winterlichen Palastgarten. Er war immer noch trüber Stimmung und rieb mit dem Daumen über seine Nasenwurzel, um sich zu beruhigen. Ihn beschäftigten so viele Dinge, darunter der Zwischenfall mit Elly. Bei der Erinnerung an ihre Umarmung fühlte er nackte Begierde und zugleich Sehnsucht in sich auflodern.

Aber jetzt musste er sich zunächst auf seine Mutter konzentrieren. Sie schien zu glauben, sie sei an der Situation schuld. Seit die Presse ihren Aufenthaltsort kannte, wurde sie immer nervöser.

Dan verstand nicht recht, warum eine Liebesaffäre, die Jahrzehnte zurücklag, alle so sehr interessierte. Bisher schien es immerhin im Palast ruhig zu bleiben. Dan betrachtete die Rosenbüsche und stellte sich vor, wie herrlich der Garten im Frühling aussehen würde. Am Horizont war die Silhouette einer verschneiten Bergkette zu sehen. Dieses kleine Land musste wirklich schön sein. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sein Vater hier gelebt hatte. Dieser Palast war also im Grunde sein Familiensitz.

„Worüber denkst du nach?“

Er drehte sich zu Elly um. „Über das Schicksal, nehme ich an.“

„Schicksal?“ Sie zog eine Grimasse. „Wieso das?“

„Ich sehe mir diesen beeindruckenden Ort an, an dem ich noch nie zuvor gewesen bin. Trotzdem kommt er mir bekannt vor.“ Er hob eine Augenbraue. „Gruselig, was?“

„Definitiv.“ Sie stellte sich neben ihn und spähte aus dem Fenster.

Das Glas hatte eine eigentümlich unregelmäßige Struktur, es war, als blicke man durch Wasser. Zu der Zeit, als der Palast erbaut worden war, hatte es womöglich noch gar kein Fensterglas gegeben, überlegte Dan. Im Laufe der Jahrhunderte war das Schloss nach und nach modernisiert worden. Man hatte elektrische Leitungen verlegt und die sanitären Anlagen auf den neuesten Stand gebracht. Dennoch war die Vergangenheit allgegenwärtig.

Dan dachte an seinen Vater, den er nie gesehen hatte. Vielleicht hatte Karl ebenfalls einmal an dieser Stelle gestanden. Und sein Großvater … und die anderen Männer seiner Familie.

„Du hast gesagt, dass die von Karloffs seit Jahrhunderten hier herrschen?“

„Seit etwa fünfhundert Jahren“, antwortete Elly.

„Es ist beeindruckend, ein Teil davon zu sein“, entgegnete er.

„Ja.“ Sie sah mit leuchtenden Augen zu ihm auf.

Später wusste er nicht mehr genau, was ihn überkommen hatte. Vielleicht war es der romantische Einfluss der Vergangenheit, vielleicht war es aber auch der Gedanke, der Nachfahre von Eroberern zu sein. Elly hatte ihn angesehen, als sei er ein wahrhaftiger Prinz. Ob es nun die Geschichte oder die Hormone waren – nun wollte er Elly erobern.

Sie war so nah, er musste sie nur um die Taille packen und sie an sich ziehen. Überrascht schaute sie zu ihm hoch. Er küsste sie und bemerkte, dass ihre Lippen zitterten.

Als er den Kopf hob, wandte sie den Blick ab. „Ich dachte, wir wollten das lassen.“

„Das hast du beschlossen. Aber so sehr ich Eure Wünsche auch respektieren möchte, Mylady, finde ich es sehr schwer, Euch fernzubleiben.“

Sie schwieg.

„Elly, mag sein, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich mein halbes Fürstentum dafür geben würde, mit dir zu schlafen.“

Sie lachte und schüttelte den Kopf. „Du hast kein Fürstentum, das du verschenken kannst. Und an deiner Stelle würde ich nicht davon reden, wenn Jacob oder jemand vom Hof dabei ist. Sie werden glauben, dass du den Thron an dich reißen willst.“

„Ich würde den Job nicht annehmen, wenn er mir angeboten wird“, stellte er fest und berührte zärtlich ihre Locken. Ihr Haar sah im Licht des späten Nachmittags wie poliertes Kupfer aus. Es fühlte sich wunderbar warm an. „Ich mag mein Leben, wie es ist“, erklärte er. „Mit einer Ausnahme: Ich möchte Kinder. Und eine Frau, die sie mit mir macht.“ Und es wäre schön, wenn diese Frau so hübsch und warmherzig wie Elizabeth Anderson wäre, dachte er.

Elly erstarrte in seinen Armen.

„Warum fühlst du dich so unwohl, wenn ich erwähne, dass ich eine Familie haben will?“

„Du weißt warum“, sagte sie fest.

„Zwei Menschen müssen nicht unbedingt über den Namen ihres Nachwuchses nachdenken, wenn sie sich ein oder zwei Mal küssen.“

„Natürlich nicht“, stimmt sie zu. Doch sie schaute ihn dabei nicht an.

„Und wir müssen auch nicht das Aufgebot bestellen, wenn ich dich so berühre.“ Er legte seine Hand an ihre Wange und ließ sie langsam über ihren Hals bis hinunter zu ihren Brüsten hinabgleiten.

„Absolut nicht“, murmelte sie mit rauer Stimme und schaute langsam zu ihm auf.

Dan lauschte auf Schritte von draußen, auf Anzeichen, dass jemand in der Nähe war. Doch es war nichts zu hören.

Er senkte den Kopf und küsste Elly erneut, dieses Mal intensiver. Dabei versuchte er, nicht daran zu denken, wohin das führen konnte. Oder daran, dass Elly sich möglicherweise gleich wieder zurückzog. Als er verlangend über ihre Brüste strich, legte sie die Arme um seinen Nacken.

„Wir wollen verschiedene Dinge“, flüsterte sie.

„Wirklich?“, fragte er und betrachtete sie lächelnd. „Jetzt gerade scheinen wir dasselbe zu wollen.“

„Das meine ich nicht. Du willst eine Familie und ich nicht.“

Er schob sie ein wenig zurück, um sie genauer ansehen zu können. „Erstens befinden wir uns im zwanzigsten Jahrhundert. Es gibt etwas, das sich Geburtenkontrolle nennt. Zwei Menschen können miteinander schlafen, ohne dass einer von beiden schwanger wird. Zweitens ist es mir vielleicht gerade ganz egal, ob du eine geeignete Mutter und Ehefrau bist. Hast du das schon in Betracht gezogen, süße Elly? Vielleicht will ich mich mit dir nur auf dem großen Himmelbett in meiner Suite austoben, weil du eine wunderschöne Frau bist, die mich erregt. Ende der Geschichte.“

Sie starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. Er wusste nicht, ob sie ihm glaubte – oder ob er selbst glaubte, was er gerade gesagt hatte. Spielte das überhaupt eine Rolle? Er wollte sie einfach berühren, und zwar jede Stelle ihres Körpers. Wenn sie miteinander Spaß hatten, war das gut, oder? Es war schon lange her, seit er eine Frau so begehrt hatte wie Elly. So lange, dass er sich nicht einmal daran erinnerte, wann es gewesen war.

„Ich kenne dich erst seit wenigen Tagen“, murmelte sie. „Ich schlafe nicht mit Fremden …“

Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. „Sag mir einfach, dass du nicht mit mir schlafen willst“, sagte er, als sie beide irgendwann Luft holen mussten. „Ich werde das Thema dann nie mehr ansprechen.“

„Lügner.“

„Wetten, dass …“

Sie schwieg. Er lächelte. Gut.

Schließlich sagte sie zögernd: „Ich behaupte nicht, dass du mich nicht ein bisschen …“ Sie überlegte kurz. „Dass du mich nicht auf eine sehr angenehme Weise unruhig machst. Ich möchte mich nur nicht kopfüber in etwas stürzen und einen von uns beiden enttäuschen.“

Er setzte ein verletztes Gesicht auf. „Du glaubst, dass du enttäuscht sein wirst, wenn du mit mir geschlafen hast?“ Er liebkoste ihren Hals, strich über ihre Schultern und Arme und nahm schließlich ihre Hand.

Elly sah verwirrt aus. „Das meine ich nicht. Ich möchte dich nicht verletzen, Dan, falls es zwischen uns ernst wird.“

„Warum überlässt du das nicht mir. Ich komme ganz gut alleine klar.“

Elly blinzelte zu ihm auf. Aber was wird aus mir, fragte sie sich.

Wer kümmert sich um mich, wenn ich nicht mit dem klarkomme, was du willst?

Daniel Eastwood würde ganz sicher eine Frau finden, die ihn heiraten und Kinder mit ihm haben wollte, dachte Elly düster. Die Frauen würden sich sogar um ihn reißen. Und wenn er diese Frau gefunden hatte, würde er jede seiner früheren Geliebten vergessen. Einschließlich Elizabeth Anderson.

Die Erkenntnis machte sie traurig. Sie würde gerne diese Frau für Dan sein. Aber es war ihr Schicksal, zurückgelassen zu werden. Sie konnte ihm kein Kind schenken. Sie konnte nicht sicher sein, ob sie die Geburt überleben und das Kind aufziehen konnte. Sie hatte nicht nur Angst vor dem Tod, sie wollte auch nicht, dass ein Mann wegen ihr so unendlich trauerte, wie ihr Vater um ihre Mutter getrauert hatte.

„Es ist besser, wenn wir uns nicht aufeinander einlassen“, sagte sie hastig und suchte nach einer Erklärung. Ihr fiel nur keine ein. „Weißt du, wegen all der Dinge, die in den nächsten Wochen noch auf uns zukommen.“

Etwas flackerte in seinen Augen auf, das sie vorher noch nicht gesehen hatte. War es Entschlossenheit? Geduld? Oder einfach Sturheit? Empfand er ihre Ablehnung vielleicht als Herausforderung?

„Wirklich“, flüsterte sie und wand sich aus seinen Armen. „Es ist besser, wenn wir unsere Beziehung rein professionell halten.“

Am folgenden Tag stand Elly vor Dans Tür und klopfte zum dritten Mal. Keine Reaktion. Er war offenbar nicht da.

Sie fühlte sich schrecklich, weil er ihretwegen so viel durchmachen musste. Ihn nach Danubia zu bringen, hatte sich zuerst richtig angefühlt. Doch nun schien alles viel schlimmer zu sein als in den USA. Es gab mehr Durcheinander und Komplikationen. Zwischen Jacob und Dan gab es mindestens so viel zu klären wie zwischen Dan und ihr. Elly war sich nicht sicher, ob Dan und sie ihre Beziehung wieder rein sachlich betrachten könnten. Wenn er sie auf diese besondere Art ansah, kam es ihr sehr unwahrscheinlich vor.

Wo Dan wohl steckte? Bestimmt sehnte er sich nach seinem morgendlichen Sprung ins Meer, nach einem langen Spaziergang am Strand. Doch das war hier unmöglich – das Adriatische Meer war Hunderte von Meilen entfernt.

Also würde er sicher draußen sein, überlegte Elly, vielleicht im Garten, nachdem Jacob angeordnet hatte, dass sie alle das Palastgelände nicht verlassen sollten.

Sie schaute kurz in ihrem Zimmer vorbei, um ihren Mantel zu holen, dann lief sie durch das Schloss und suchte den Ausgang zum Garten. Sie fand schließlich eine große verriegelte Eichentür. Als sie den Riegel beiseiteschob, öffnete sich die Tür quietschend, und sie schaute in strahlend helles Sonnenlicht. Kurz schloss sie geblendet die Augen, dann trat sie hinaus ins Freie und atmete die frische Luft ein, die nach Bergen und Pinien roch, statt nach Benzindämpfen wie in der Stadt.

Autos waren in Danubia zwar nicht verboten, aber die Stadt war klein und die Wege leicht mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu bewältigen. Außerdem gab es kleine rote Busse, die die Bewohner überall hinbrachten, deshalb verzichteten viele auf ein eigenes Auto.

Ein schmaler Pfad führte durch den verschneiten Rosengarten. Die Büsche waren kahl und schienen auf wärmeres Wetter zu warten. Ein Stück vom Palast entfernt gab es einen klassischen englischen Garten mit Hecken und skurrilen Skulpturen. Elly ging weiter und kam zu einem efeubewachsenen Pavillon. Hinter den beschlagenen Fenstern bewegte sich jemand.

Als sie nur noch wenige Schritte vom Pavillon trennten, drehte sich die Person um, und Elly erkannte ihn: Es war Dan. Er öffnete ihr die Tür.

„Willst du mir Gesellschaft leisten?“, fragte er und ließ sie herein.

Im Inneren des Pavillons war es nicht gerade behaglich warm, aber auch nicht wirklich kalt. Die Sonne, die durchs Glas schien, hatte den Raum bereits ein wenig aufgeheizt.

Elly nahm die Hände aus den Manteltaschen und rieb sie aneinander, während sie Dans Gesichtsausdruck studierte. „Geht es dir gut?“

„Natürlich“, sagte er gereizt. „Warum sollte es mir schlecht gehen?“

„Du hattest gestern einen ziemlichen Zusammenstoß mit Jacob. Und dann die Sache zwischen uns. Ich hoffe, ich habe deine Gefühle nicht verletzt.“

„Ich habe keine Ahnung, was er von mir erwartet“, murmelte Dan und ignorierte, was sie über sie beide gesagt hatte. Er starrte mit gerunzelter Stirn auf den grün gestrichenen Holzfußboden. „Nein. Ich nehme das zurück. Ich weiß genau, was er von mir erwartet.“ Er kniff die Augen zusammen. „Jacob glaubt, dass alles so läuft, wie er will. Er ist es nicht anders gewöhnt.“

Elly gefiel Dans Strategie: Sie würden einfach so tun, als gäbe es die gegenseitige Anziehung nicht, und sich anderen Dingen zuwenden. Sie schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Jacob wirkt vielleicht arrogant und stur, aber er ist ein realistischer Mensch. Mein Vater und ich haben gestern mit ihm geredet, nachdem du gegangen warst. Er will einerseits zwar seinen Thron und sein Land beschützen, andererseits will er aber auch für dich und Madge das Richtige tun. Die von Karloffs sind eben keine normale Familie. Das Leben wird komplizierter, wenn du über ein Land herrschst.“ Sie lächelte schwach.

„Richtig“, stimmte Dan ihr trocken zu.

Elly trat einen Schritt näher zu ihm hin – und spürte sofort wieder die alte Anziehungskraft. Das Gefühl zu verdrängen, war unmöglich. Wir sind wie der Mond und die Gezeiten, dachte sie. Sie widerstand dem Drang, ihm noch näherzukommen. Aber es kostete sie Kraft.

„Ich denke, ich verstehe deinen Stolz“, sagte sie leise. „Aber lass deine Mutter nicht darunter leiden. Und versuche auch das Gute zu sehen, das bei all dem herauskommen kann.“

„Was sollte das sein?“, entfuhr es ihm.

Elly seufzte. Warum fiel es Männern nur so schwer, ein Geschenk anzunehmen, ohne davon auszugehen, dass etwas Negatives dahintersteckte? „Kannst du dir vorstellen, Jacobs Zahlung für dein Wohltätigkeitsprogramm anzunehmen? Überlass es deiner Mutter, was sie mit ihrem Anteil anfangen will. Falls sie es nicht haben will, könntest du es für sie investieren – vielleicht für später.“

Er starrte auf seine Schuhspitzen und schwieg.

Sie redete weiter. Immerhin hörte er ihr zu. „Du musst nichts davon für dich behalten, Dan. Aber diese Stadtkinder, die dir so wichtig sind, könnten davon profitieren. Durch Jacobs Hilfe könntest du mehr von ihnen nach Ocean City holen. Du könntest Unterkünfte für sie bauen oder eine Art Bildungszentrum. Ein Vermögen eröffnet viele Möglichkeiten, Gutes zu tun.“

Dan schaute sie bekümmert an. „Ich werde darüber nachdenken.“

„Versprichst du es?“

„Versprochen.“ Er lächelte halbherzig.

Autor

Kathryn Jensen

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