Baccara Extra Band 5

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LADY IN RED von LONDON, JEANIE
Brave Mädchen kommen in den Himmel, wilde ins Bett von Nick Fairfax - das zumindest hofft Julienne. Mit dem attraktiven Playboy will sie endlich ihre geheimen Fantasien ausleben. Ob er ihr widerstehen kann, wenn sie auf der Party heute Nacht ihr rotes Lederminikleid trägt?

HEIßE NÄCHTE IM HOTEL von DUNAWAY, MICHELE
Sie soll sich eine Hotelsuite mit Harry Sanders teilen? Wow. Megan überlaufen prickelnde Schauer, wenn sie an die Geschäftsreise mit ihrem sexy Kollegen denkt. Bei einem nächtlichen Tanz spürt sie, wie heiß der erfolgreiche Manager sie begehrt. Worauf wartet er denn noch?

SO SEXY WIE DU von FIELD, SANDRA
"Ich will noch erleben, dass du heiratest!" Um ihrem kranken Vater seinen Wunsch zu erfüllen, macht Celia dem so attraktiven wie armen Jethro ein kühnes Angebot: 60 000 Dollar für eine Ehe ohne Sex. Bald erkennt sie: Jethro braucht ihr Geld nicht - doch sie braucht seine Küsse …

MIT EINEM SCHUSS EROTIK von SHALVIS, JILL
Das wird der Renner! Der TV-Produzent Mitch weiß, wie er das Interesse an Dimis Kochshow anheizen kann: Die Blondine braucht einen Assistenten, der vor laufender Kamera mit ihr flirtet. Und zwar ihn! Dass Dimis Reize ihn tatsächlich betören, wird er ihr nach Drehschluss beweisen …


  • Erscheinungstag 27.08.2013
  • Bandnummer 0005
  • ISBN / Artikelnummer 9783954467525
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jeanie London, Michele Dunaway, Sandra Field, Jill Shalvis

BACCARA EXTRA BAND 5

JEANIE LONDON

Lady in Red

Party im Erotiktheater: Sofort fällt Nick die schöne Fremde auf, deren Blick noch erregender ist als ihr Kleid. Er kann es kaum erwarten, sie hinter die Kulissen einzuladen – und zu verführen …

MICHELE DUNAWAY

Heiße Nächte im Hotel

Megan ist die pure Versuchung – und gibt ihm ständig Kontra im Job. Klar, dass Harry sein Verlangen zügelt. Bis er sie auf einer Geschäftsreise nachts tanzen sieht. In nichts als einem Hauch von Seide …

SANDRA FIELD

So sexy wie du

Erst rettet Küstenwächterin Celia ihn aus Seenot, nun bringt sie sein Herz in Gefahr: Mit der Bitte um eine Ehe ohne Sex! Aber Jethro sehnt sich danach, sie mit seinen Küssen zu erregen …

JILL SHALVIS

Mit einem Schuss Erotik

Heiße Flirts vor der Kamera – das ist das Rezept, mit dem Mitch ihre Kochshow retten will. Dimi weiß: Als TV-Profi sollte sie dabei cool bleiben – doch ihr Verlangen erreicht den Siedepunkt …

PROLOG

VOR 21 TAGEN

Böse Mädchen fühlen sich gut dabei, böse zu sein.

Julienne O’Connor las diesen Satz und wiederholte ihn stumm, ehe sie den Mut aufbrachte, ihn laut auszusprechen.

Die Worte hörten sich total ungewohnt an. Juliennes Gedanken schweiften zu den Bildern an den Wänden ihres Wohnzimmers. Auf den meisten war sie mit ihrem Onkel zusammen zu sehen, wie sie gerade irgendein Gebäude renovierten. Ja, das waren schöne Zeiten damals gewesen …

Glücklicherweise war Onkel Thad nicht im Zimmer. Sonst hätte er mit anhören müssen, wie sie den Satz ein weiteres Mal laut aussprach. Der Inhalt hätte ihn bestimmt an seinen Erziehungsmaßnahmen zweifeln lassen. Schließlich hatte er seine früh verwaiste Nichte zu einem aufrichtigen und anständigen Mädchen erziehen wollen. Sollte er, der selbst kinderlos war, bei dieser Aufgabe versagt haben?

„Böse Mädchen fühlen sich gut dabei, böse zu sein.“

Julienne war immer das gute Mädchen gewesen. Bis vor etwa sechs Monaten ihre Beziehung scheiterte und sie sich ernsthaft fragte, ob es im Leben nicht auf mehr ankam, als die Erwartungen anderer zu erfüllen. Ihr Exverlobter hatte ihr die Schuld an der Trennung in die Schuhe geschoben. Angeblich verfüge sie nicht über genügend Feuer und Leidenschaft für eine dauerhafte Partnerschaft …

Pah. Sie schlug das Handbuch für böse Mädchen zu.

Ja, sie würde gern mal ein bisschen böse sein und sich auch noch gut dabei fühlen. Besonders jetzt, wo sie gerade dreißig geworden war. Von nun an wollte sie das Leben endlich einmal genießen. Nach den fünf Jahren mit Ethan … Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie fünf Jahre ihres Lebens an diesen Typen verschwendet hatte.

„Wieso sitzt du denn hier im Dunkeln, Julienne? Alles in Ordnung?“

Sie öffnete die Augen und sah die Silhouette ihres Onkels in der Tür. Rasch hob sie das Handbuch für böse Mädchen vom Tisch auf und presste es mit der Vorderseite nach unten auf ihren Schoß. Dann sah sie in seine Richtung. Sie freute sich immer, wenn er zu ihr kam. Seine roten Wangen und der gepflegte weiße Bart erinnerten sie an den Weihnachtsmann.

„Mir geht’s gut, danke“, beruhigte sie ihn. „Bin nur ein bisschen müde.“

„Dann solltest du lieber ins Bett gehen.“ Er kam ins Zimmer und ließ sich in den Schaukelstuhl sinken. „Es sei denn, du bist extra aufgeblieben, um dir die Dokumentation auf dem Geschichtskanal anzusehen. Diesmal geht es um ein Gerichtsgebäude in Philadelphia, das Dr. Fairfax vor einigen Jahren renoviert hat. Er kommt bald in die Stadt und restauriert das Risqué-Theater. Der Beitrag fängt in ein paar Minuten an.“

Julienne sah sich normalerweise gern Sendungen an, die sich mit den Projekten dieses berühmten Architekten beschäftigten. Aber ab heute sollte alles anders werden.

Es ist doch immer das Gleiche, Julienne. Wenn ich nicht regelmäßige Treffen mit unseren Unikollegen organisieren würde, säßen wir deinetwegen jeden Abend zu Hause und würden uns zusammen mit deinem Onkel diese langweiligen Architektursendungen im Fernsehen ansehen, hörte sie immer noch Ethans Vorwürfe.

Doch so ein toller Gastgeber oder Partylöwe war Ethan auch wieder nicht gewesen. Meist hatten die Begegnungen mit ihren Kollegen in langwierigen und fruchtlosen Debatten über die Vorteile der Hypnosetherapie in der heutigen Gesellschaft geendet.

Und heute war wieder einmal Samstagnacht, und anstatt mit Freunden auszugehen, würde sie erneut zu Hause rumsitzen und im Fernsehen zusehen, wie ein überaus attraktiver Architekt verrottete Balken abstützte. Nein!

„Ich werde lieber etwas schlafen. Wir sehen uns morgen früh. Gute Nacht.“

„Schlaf gut, Liebes.“ Er lächelte kurz und griff nach der Fernbedienung.

Julienne machte sich auf den Weg nach oben. Hoffentlich fand sie eine Balance zwischen dem „guten“ Mädchen, das Onkel Thad großgezogen hatte, und der Frau, die endlich wissen wollte, ob sie auch Leidenschaft empfinden konnte. Vor allem in puncto Sex hatte sie einen gewaltigen Nachholbedarf …

Als ordentlicher Professor für Hypnosetherapie an der Universität von Savannah war Dr. Ethan Whiteside zwar ein richtiger Bilderbuchakademiker, doch um ihre wahren Bedürfnisse hatte er sich nie richtig gekümmert.

Nachdem sie schon mit fünfundzwanzig ihren Doktor in der Erhaltung historischer Gebäude gemacht hatte, wollte Julienne eigentlich wieder raus auf die Baustellen.

Aber Ethan wollte eine Frau, die mit ihm zusammen an der Uni arbeitete. Nach seiner Vorstellung sollte sie einmal den Posten ihres Onkels übernehmen, wenn dieser in Pension ging. Sie hatte sich seinen Plänen wohl oder übel gefügt.

Damals hatte sie sich stillschweigend mit allem abgefunden. Du hast bisher noch nicht gelebt, sondern lediglich existiert. Leb endlich auf.

Julienne eilte in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. „Hör auf, immer nur das gute Mädchen zu sein. Nimm dein Leben selbst in die Hand und entdecke deine Sinnlichkeit.“

Sie hatte auch schon einen perfekten Kandidaten im Visier.

1. KAPITEL

HEUTE

Julienne ging eilig durch die Eingangstür von Casa de Ramón und tauchte in eine hektische Welt heller Lichter ein, die von Trocknergebläse und scharfen chemischen Gerüchen erfüllt war.

Die Inneneinrichtung von Chic Art déco bot die hydraulischen Stühle, Haarwaschbecken und außerirdisch wirkenden Trockenhauben eines erstklassigen Salons, der einen an gepflegte schöne Menschen denken ließ.

Los, Mädchen, denk an deine Schönheit.

„Jules, meine Liebe.“ Ramón, der Inhaber und gefeierte Hairstylist, durchschritt eilig den Gang zwischen den einzelnen Frisier­stühlen. „Ich sah Sie schon in meinem Terminbuch stehen und habe mir Stunden für Sie reserviert. Was haben Sie sich denn heute vorgestellt?“

„Ich bin mir nicht sicher, was ich genau will“, räumte sie ein. „Darum habe ich mich ja in Ihre professionelle Obhut begeben. Ich möchte einfach ein neues Erscheinungsbild.“

Julienne erwartete Jubel oder zumindest ein wenig Begeisterung.

Doch er sah sie nur skeptisch über die Ränder seiner schwarz gefassten Brille an. „Was hat diesen Drang nach einem neuen Image ausgelöst?“

„Ich bin gerade dreißig geworden.“

Das ist ein wichtiger Geburtstag, der einen neuen Lebensabschnitt einleitet. Was sonst noch?“

„Ich bin einfach reif für eine Veränderung.“ Sie holte tief Luft. „Vor sechs Monaten haben wir unsere Verlobung gelöst, und ich bin jetzt bereit, mein eigenes Leben zu leben. Ich möchte einen neuen Weg einschlagen.“

In Ramóns Gesichtsausdruck flammte endlich ein wenig Neugier auf. „Einen neuen Lebensabschnitt also?“

„Ja. Ich möchte von nun an meinen Spaß haben.“

Na also, endlich hast du’s gesagt und du bist nicht einmal rot dabei geworden.

„Ich habe den ganzen Tag für Sie eingeplant“, erklärte ihr Ramón. „Sie wollen mehr als nur eine neue Frisur, ja?“

Sie nickte.

„Gesichtspackung, Make-up und Imageberatung? Die ganze Palette?“

„Genau.“

Ramón richtete sich abrupt auf, wodurch Julienne im Stuhl schlagartig nach oben katapultiert wurde. „Celeste, rufen Sie bitte alle her!“, bellte er in den vorderen Bereich des Salons. „Wenn Jules uns heute verlässt, wird sie eine ganz neue Frau sein.“

Eine neue Frau! Genau das willst du sein. Lehn dich zurück und genieß die Verwandlung.

Julienne bekam einen schwarzen Frisierumhang umgelegt. Die Truppe rückte an: Kathy, die Hautspezialistin und Visagistin, Judith, die Haarcoloristin des Salons. Auch Katriona, eine hochgewachsene Manikürespezialistin mit goldenem Spandexbody, puderzuckerartigem Make-up und stoppeligen Wangen war dabei.

„Hey, Schwester“, sagte Kat. „Finde ich super, dass Sie endlich einmal vernünftige Nägel wollen. Was steht denn heute an? Ich hoffe, etwas Aufregenderes, als Farbreste von verrotteten Fuß­boden­brettern abzukratzen.“

„Die letzte Vorstellung im Risqué-Theater.“

„Im Risqué?“, fragte Ramón ungläubig. „Sie machen Witze.“

„Nein“, antwortete Julienne und war sich nicht sicher, warum er so überrascht klang. „Das Risqué-Theater ist ein architektonisch und historisch bedeutsames Bauwerk.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie da hingehen.“ Ramón zog die Stirn in Falten. „Das Risqué ist ein Erotiktheater. Ich habe dort bereits Aufführungen erlebt, die mir die Haare kraus werden ließen.“

„Doch, doch“, beteuerte sie. „Ich war schon oft dort. Allein.“

Ramón schenkte seinem Team ein selbstgefälliges Lächeln. „Jules, mein Goldstück, ich bin froh, dass Sie sich von Ihrem Exverlobten befreit haben. Sobald wir Ihnen ein neues Aussehen gezaubert haben, arbeiten wir daran, Ihnen auch einen neuen Freund zu suchen.“ Er räusperte sich. „Ich werde jetzt ein paar Strähnen aufhellen und einige dunkel einfärben, um Ihrem Gesicht den passenden Rahmen zu geben.“

„Sie blondieren mich doch nicht etwa, oder?“

„Ach woher. Ich denke eher an feine Strähnchen eines tieferen und helleren Rots, die sich dann optimal um Ihr Gesicht legen. Wir sollten Ihren unglaublichen Farbton auf natürliche Weise verstärken. Bestimmt wird Sie jeder fragen, welches Genie Ihnen die Haare gemacht hat, und Sie werden den Leuten dann meine Karte geben.“

Julienne lachte befreit auf. Heute war der große Abend, ihr Debüt als draufgängerische Frau, hübsch und selbstsicher genug, um einem heißblütigen Mann aufzufallen.

Sie würde heute Abend flirten, aber unter angenehmen Bedingungen. Nicholas Fairfax war schließlich kein Fremder für sie. Auch wenn sie den Mann bislang nicht persönlich getroffen hatte, so kannte sie sehr wohl jeden Artikel und Aufsatz, den er jemals veröffentlicht hatte, und wusste um seinen Ruf als landesweit geschätzter Experte auf dem Gebiet der Erhaltung historischer Gebäude.

Wenn es stimmte, was die Zeitungen über ihn schrieben, so war der Mann, den sie wegen seiner Brillanz auf dem Gebiet der Architektur bewunderte, der böse Junge schlechthin. Zu ihrem Glück hatte dieser böse Junge den Renovierungsauftrag für das Risqué-Theater angenommen und würde heute Abend der letzten Vorstellung beiwohnen.

Sie hing diesem Gedanken nach, während ihre Haare gefärbt und shamponiert wurden, sie eine Gesichtsmaske, Maniküre und Pediküre erhielt.

„Und jetzt sagen Sie mir doch bitte, was Sie heute Abend tragen werden“, wollte Ramón wissen.

„Das wollte ich eigentlich erst entscheiden, wenn ich mein neues Ich gesehen habe.“

„Was haben Sie denn zur Auswahl?“

Während Ramón sie stylte, beschrieb ihm Julienne ihr langes schwarzes Abendkleid.

„Gefällt mir nicht!“, überbrüllte er den Föhn. „Was hat Ihr Kleiderschrank sonst noch zu bieten?“

„Ein Kostüm, das mit blauen Perlen besetzt ist.“

„Farbe?“

„Ebenfalls schwarz.“

„Ich dachte, Sie waren schon vorher im Risqué. Es hört sich an, als ob Sie ausschließlich auf Beerdigungen waren.“

„Schwarz ist die klassische Farbe für formelle Anlässe und natürlich nicht die einzige Farbe, die ich im Schrank habe. Ich besitze auch noch ein mattrosa Kleid mit Pailletten, das ich schon auf einer Silvesterparty anhatte. Aber ich denke, es wäre etwas übertrieben für heute Abend.“

Der Föhn wurde abrupt abgestellt.

„Haben Sie Zeit, um in Leonas Boutique nebenan vorbeizuschauen? Sie hat bestimmt etwas Passendes für Sie, das Sie nicht wie Aschenputtel auf dem Weg zum Ball aussehen lässt.“

Julienne nickte. Der Zeitpunkt schien gekommen, ihre Garderobe zu erweitern.

Böse Mädchen ziehen sich auch dementsprechend an.

Sie überlegte, welcher Stil zu ihrem neuen Ich passen könnte, aber da sie ihr neues Ich ja noch nicht sehen konnte …

„Ich bin doch ein verdammtes Genie.“ Ramón drehte mit einem triumphierenden Lachen ihren Stuhl in Richtung Spiegel. Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte Julienne die Frau beinahe nicht, die ihr da entgegensah.

Eine Wolke von unglaublichem Haar floss um ihr Gesicht, fiel ihr auf die Schultern und verdeckte in einer Mähne verwuschelter Wellen ihren halben Rücken. Der feine Farbtonwechsel verlieh ihrem Haar einen sonnenlichtähnlichen Glanz, der ihre Haut übernatürlich cremefarben leuchten ließ. Und erst ihr Gesicht. Plötzlich erschienen ihre Wangenknochen weniger streng und ihre Gesichtszüge weniger scharf geschnitten. Sie sah weiblicher aus … und wesentlich erotischer.

„Sie sind wirklich ein verdammtes Genie“, war alles, was sie hervorbringen konnte.

Du siehst gut aus, Mädchen.

Sie musste ständig dran denken, während sie den kürzesten Weg zu Leonas Boutique nahmen.

„Kein einziges Stück bei Leona ist von der Stange“, raunte ihr Katriona zu, als Ramón durch die Boutique eilte und nach der Inhaberin rief. „Wir finden bestimmt etwas für Sie, das Sie heute Abend anziehen können.“

Leona musterte sie scharf und ermittelte ihre exakte Größe mit einem Blick. Bei Leonas Boutique handelte es sich um eines jener exklusiven Modegeschäfte, die Julienne bislang noch nicht einmal im Traum betreten hatte.

Julienne ließ sich in einen anderen Raum führen und war ganz begeistert von den Kombinationen aus Chinaseide, paillettenbestickten Kleidern und Schlauchkleidern aus anschmiegsamer Seide. Und Leder, jede Menge davon, in einer herrlichen Farbenvielfalt. Alle waren einer Meinung, dass ein rotes Lederkleid genau das Outfit war, das sie heute Abend ins Risqué anziehen sollte.

Julienne drehte noch einmal eine Pirouette vor dem großen, dreiteiligen Spiegel. Das rote lederne Trägerkleid schmiegte sich dabei auf eine Weise um ihren Körper, die sie vor einundzwanzig Tagen noch zum Erröten gebracht hätte.

„Schauen Sie nur, dieser Schwung im Haar, meine Liebe. Gott, bin ich gut.“

„Ja, Ramón, das sind Sie wirklich. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich das bin.“ Sie drehte erneut eine Pirouette, was ihr Haar fliegen ließ und ihr ein Lächeln von ihm einbrachte. Das Leder presste sich eng an ihren Körper, vom Oberteil bis zum schenkelbetonten Rock, und ließ ihre Knie und Waden durch einen verführerischen Schlitz unbedeckt.

Katriona begutachtete sie kritisch. „Das braucht mehr Dekolleté.“

„Dekolleté?“ Julienne warf erneut einen Blick in den Spiegel und war ganz begeistert über den Effekt, wie das Leder ihrem Busen eine bemerkenswerte Fülle und Form gab.

„Leona“, sagte Katriona, „Jules braucht einen Wonderbra, um ihre 75B zu etwas zu machen, an das man sich erinnert.“

„Da habe ich etwas Besseres. Korsage mit Strapsen, ein String und Seidenstrümpfe, die zu diesem exquisiten Teil passen.“ Die erfahrene Frau schmunzelte.

„Oh.“ Das Ganze schien etwas extravagant, besonders weil sie nicht die Absicht hatte, jemanden unter ihren neuen, sexy Lederdress blicken zu lassen, heute Abend jedenfalls nicht.

„Das wird wahre Wunder vollbringen. Glauben Sie mir, Schwester.“

„Probieren Sie es doch gleich einmal an.“ Ramón schob sie in Richtung Kabine.

Julienne lief schnell in die kleine, mit Plüsch dekorierte Umkleidekabine, schob das Kleid hinunter, stieg in die Spitzenkorsage und zog sie hoch. Die Spitzen schmiegten sich eng an, und sie spürte, wie die Bügel des BHs ihre Brüste nach oben drückten.

Der dazu passende String war nicht mehr als ein Fetzen hellen Stoffs um ihre Hüften. Als Julienne einen Blick auf ihren unbedeckten Po und den Streifen roter Seide warf, der zwischen ihren Beinen verschwand, war sie ganz beschwingt.

Aufgeregt lächelte sie in den Spiegel. „Nicholas Fairfax, ich komme.“

2. KAPITEL

DIE NACHT

Nick Fairfax krempelte seine Smokinghose hoch und kniete sich hin, um den Boden des Risqué-Theaters genauer zu untersuchen. Ihm fiel sofort auf, wie rissig und ungleichmäßig das Pflaster unter ihm infolge jahrelanger Erosion und mangelnder Pflege war. Auf diesem Grundstück wartete einige Arbeit auf ihn, so viel stand fest.

Gedankenverloren strich er über die römischen Ziffern des Grundsteins, der 1865 gelegt worden war. Dann schloss er die Augen und leistete, wie bei jedem neuen Projekt, ein stummes Versprechen: „Ich werde mein Bestes geben.“

Dieses Ritual praktizierte er, seit seine Firma für Architekturdesign den ersten Auftrag an Land ziehen konnte. Heute, zehn Jahre später, zählte die ADF zu den größten Firmen für historische Gebäudeerhaltung.

„Du hast stilistisch noch nie danebengelegen“, meinte Dale Emerson, ein erfahrener Projektleiter der ADF. „Und wir bauen diese alten Gemäuer nun wahrhaftig schon eine ganze Zeit lang gemeinsam wieder auf.“

Nick fühlte sich von Dales Worten geschmeichelt, der seine Arbeit genauso ernst nahm wie er selbst und verdientermaßen seine rechte Hand war. „Ach, weißt du, das Risqué-Theater ist bislang unser größter Auftrag. Das sollten wir nicht vergessen.“

„Du willst mir doch wohl nicht ernsthaft weismachen, dass du beim Anblick all dieser nackten Figuren im Stuck kalte Füße bekommen hast, Kumpel?“

Nick musste lachen. „Los, gehen wir endlich rein.“

Bei dem Theatergebäude handelte es sich um einen neoklassizistischen Bau, der unmittelbar nach dem Bürgerkrieg errichtet worden war. Man wollte damals die konföderierten Staaten architektonisch ins neue Vereinigte Amerika hinüberretten.

Nick kannte die gesamte Geschichte des Theaters in- und auswendig.

Das Risqué lieferte einen besonderen Anreiz. Es galt nämlich dessen ganz spezielles, etwas anzügliches Flair zu erhalten.

Dale sah sich verstohlen im Foyer um, wo sich bereits die ersten Zuschauer sammelten, und das, obwohl sie schon extrem früh gekommen waren. „Nicht schlecht, Herr Specht.“ Er musterte interessiert die nackten Engel, die lüstern von der Decke grinsten, während sie Tausende goldfarbener Liebespfeile in Richtung Publikum abschossen. „Würdest du dir mal bitte das da drüben etwas genauer ansehen?“

Nick betrachtete nun seinerseits die Säule. Auf den ersten Blick schien sie nichts weiter als äußerst detailliert gearbeitet zu sein. Wenn man sie jedoch genauer ins Auge fasste, konnte man den lebensgroßen menschlichen Akt eines Paares erkennen, das miteinander vereint war. Ganz schön raffiniert.

Sex war das bestimmende Thema im Risqué. Und wenn es nach Nick ginge, dann könnte Sex auch ruhig in seiner unmittelbaren Zukunft eine Rolle spielen.

„Ja, Kumpel, da kommt eine Menge Spaß auf uns zu, wenn alle Südstaatenschönheiten wie diese hier aussehen“, schwärmte Dale.

Nick folgte Dales Blicken in den Pulk der Menschenmenge und entdeckte eine bemerkenswerte junge Frau, die ganz allein dastand. Ihr Aussehen beschleunigte seinen Herzschlag.

„Das glaube ich einfach nicht.“ Die schöne Maid unmittelbar vor seinen Augen schien geradewegs irgendwelchen pubertären Jungenträumen entsprungen zu sein.

Sie war nicht besonders groß und eher schlank, doch die langen, unglaublich sinnlichen Tänzerinnenbeine ließen sie viel größer erscheinen. Ihre zarte, cremefarbene Haut stach ihm sofort ins Auge. Was für ein Anblick!

Und erst ihr Haar! Nick konnte sich nicht erinnern, jemals eine Frau mit derart verführerischen Haaren gesehen zu haben. Er wollte weiß Gott jetzt schon mehr von ihr als lediglich mit seinen Fingern durch dieses Haar fahren. Sein ganzer Körper sollte diese unglaubliche Haarfülle spüren, und zwar nackt.

Nick wurde jäh aus seinen Träumen gerissen. Wenn sie und sein Projektmanager erst auf Tuchfühlung gingen, konnte er wahrscheinlich alle Fantasien, die er in ihrem Zusammenhang hatte, begraben.

„Das Leben ist einfach nicht fair, was meinst du?“ Dale starrte sie an, als ob ihr rotes Lederkleid magnetisch wäre. „Aber die ist mehr deine Kragenweite, Kumpel. Sieht nach Champagner vom Feinsten, exquisiten Restaurants und Suiten in Fünfsternehotels aus. Mit der schnappst du dir nicht einfach einen Sechserpack und schipperst mit einem 68er Mustang in der Gegend herum.“

Nick dachte zwar, dass Dale allzu schnell die Segel strich, insgeheim war er aber ganz froh darüber. Diese rote Teufelin trug vor Rasse und Klasse schon fast einen Heiligenschein. Ein Blick genügte, und er wusste, dass einen diese Frau teuer zu stehen käme, bis sie seinen Verführungen erliegen würde und es Sex wie in Tausendundeiner Nacht gäbe.

Oh ja, das Leben meinte es manchmal gut mit ihm. Sehr gut sogar. Sonst wäre er nämlich gar nicht hier in diesem Theater, sondern ganz woanders. Er konnte an gar nichts anderes mehr als an Sex denken, und dabei hatte die Vorstellung noch gar nicht angefangen.

Schummrige Beleuchtung und eine Decke, die einem schwarzen Samthimmel gleich vor unzähligen blinkenden Sternen funkelte, machten selbst Juliennes ungünstigen Platz in der Nähe des Orchestergrabens zu einem Eingangstor in eine andere, magische Welt. Es war ein ganz besonderer Abend. Denn heute wurde die letzte Vorstellung in der berühmten Geschichte des Risqué vor seiner Generalrenovierung gegeben. Damit es ein unvergessliches Erlebnis würde, hatte man keine Mühen gescheut und alle wichtigen Aufführungen des Hauses in einer spektakulären Show der Superlative zusammengefasst.

Choreografie und Darbietung waren stimmig und schön anzusehen, doch Julienne hatte nur Augen für diesen attraktiven Mann oben in der Loge.

Er saß in der vordersten Reihe des Balkons, zusammen mit einem dunkelhaarigen Herrn und einigen weiteren Leuten, die sie aus der Zeitung kannte.

Julienne hatte natürlich schon vorher Fotos von Nicholas Fairfax gesehen, aber keines der Bilder kam auch nur im Entferntesten an das Original heran. Seine blonden Haare, der gebräunte Teint und diese fein geschnittenen Gesichtszüge – zum Anbeißen.

Die schwarzen Brauen bildeten einen scharfen Kontrast zu seinem ansonsten blonden Schopf. Sein markantes, männliches Profil verriet Tiefgang und weckte Assoziationen an das kalifornische Surf- und Strandleben.

Ihr String war schon ziemlich feucht.

Fieberhaft forschte sie im Programmheft nach Hinweisen, wann sie endlich an die Bar gehen konnte, um ihren überhitzten Körper mit einem Glas Champagner etwas abzukühlen.

Böse Mädchen sind leicht erregbar.

Allein der Gedanke an Sex brachte sie außer Rand und Band.

Plötzlich zerrte ein Paar starke Hände sie aus dem Sitz. Sie stand auf ihren Füßen und lief bereits den Mittelgang hinunter, ehe sie begriff, was eigentlich los war.

„Ramón? Katriona.“ Sie kam schlagartig zum Stehen. „Was habt ihr denn hier verloren? He, was macht ihr denn da mit mir?“

Ramón hielt sie fest. „Über die Hälfte der Schauspieler zählt zu meinen Kunden, Schätzchen, und du bist meine letzte Kreation. Ich möchte, dass dich alle sehen können. Darum gehen wir jetzt gemeinsam auf die Bühne.“

Julienne wehrte sich heftig. „Ich kann das nicht, Ramón. Da bringen mich keine zehn Pferde rauf. Lassen Sie mich endlich los.“

Selbst Katrionas schönes weißes Chiffonkleid, das ihre Größe und ihr prächtiges Dekolleté hervorragend zur Geltung brachte, konnte nicht verhehlen, dass sie eigentlich als Mann auf die Welt gekommen war. Und zwar als Mann von riesiger Statur und mit den breiten Schultern eines Linebackers vom American Football. Es fiel ihr leicht, Julienne wieder in die richtige Richtung zu drehen. Da war leider jeder Widerstand zwecklos.

Julienne wollte sich gerade aus der Reihe der Gratulanten schummeln, als einer der nackten – männlichen! – Darsteller sie an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Wange gab. Rot vor Verlegenheit, tanzte sie im Takt der Musik in Richtung Bühnenrand, mischte sich unter die tobende Menge und versuchte zurück zu den Stufen zu kommen, die von der Bühne wegführten. Hoffentlich erkannte sie niemand!

Wie Julienne den Abgang von der Bühne geschafft hatte, war ihr selbst noch ein Rätsel, als sie urplötzlich mit jemandem zusammenstieß.

Sie merkte, wie ihr Körper an die Brust eines sehr großen, überaus athletisch gebauten Mannes gedrückt wurde. Als sie rasch einatmete, roch sie sein Aftershave und wagte verstohlen einen ersten Blick zu ihm hoch. Sie sah in die schwärzesten und eindrucksvollsten Augen ihres Lebens.

Es dauerte nur einen Wimpernschlag, bis sie begriff, wer der Unbekannte war: Nicholas Fairfax.

„Ich sollte mich bei Ihnen entschuldigen“, sagte er mit seiner sinnlichen Stimme. „Doch wie ich Sie so in meinen Armen halte, tut es mir eigentlich gar nicht mehr leid, dass ich so ungeschickt in Sie hineingestolpert bin.“

Böse Mädchen bleiben immer cool.

„Mir auch nicht. Ich wollte nämlich herausfinden, ob Sie mich auffangen können.“

Das machst du großartig, Mädchen.

Seine schwarzen Augen blitzten auf. Wo sie mit ihrem Flirtversuch Neuland betrat, war Nicholas Fairfax klar in seinem Element. Er packte sie fester, und sie spürte, wie erregt er war.

Du lieber Himmel. Da half auch der Blick zur Decke nichts. Die lüsternen Cupidos lenkten sie nur schlecht von ihrer eigenen lustvollen Reaktion ab.

Ihr Blick nach oben war ihm nicht entgangen, denn er fragte sie sofort: „Interessieren Sie sich vielleicht zufällig für Architektur?“

Sie nickte stumm.

„Dieses Theater wird in Kürze umfassend renoviert werden.“

Du meine Güte, hatte dieser Mann eine Aura! „Deshalb bin ich auch hier. Ich wollte mir alles noch einmal in seinem alten Zustand ansehen.“

„Haben Sie die Befürchtung, dass Sie es später nicht mehr wiedererkennen werden?“ Er lächelte. Was für ein Lächeln, sie konnte kaum mehr atmen. „Keine Sorge, meine Schöne, weil ich nämlich persönlich das Renovierungsteam leite. Wenn Sie gestatten, ich heiße Nick Fairfax.“

Julienne schloss die Augen, als sein Mund ganz leicht ihre Hand berührte. Hatte Nicholas Fairfax – Nick, der brillante Restaurator, Architekt und berüchtigte böse Junge – sie eben wirklich „schön“ genannt?

Der erotische Glanz seiner Augen bejahte diese Frage unmissverständlich. Aber ehe sie sich mit diesem wunderbaren Gedanken vertraut machen konnte, hörte sie eine bekannte, momentan aber völlig unerwünschte Stimme rufen: „Jules, da sind Sie ja!“

„Jules.“ Nick gab ihr noch rasch einen Kuss auf den Handrücken, ehe er sie vorübergehend freigab. „Es ist mir ein Vergnügen.“

„Nick“, war alles, was sie noch herausbrachte, dann waren Ramón und Katriona auch schon bei ihnen.

„Ich habe alles über Sie gelesen“, versicherte Ramón Nick gegenüber eifrig und warf nebenbei Julienne ein paar verstohlene Blicke zu. Sie musste an ihre Unterhaltung denken, als es darum ging, einen neuen Freund für sie zu finden. „Bitte nehmen Sie meine Karte. Sie werden einen guten Hairstylisten brauchen, solange Sie in der Stadt sind. Schicken Sie ruhig auch Ihre Angestellten zu mir. Mein Team wird sich um jeden so optimal kümmern wie um unsere Jules, das verspreche ich Ihnen.“

„Wenn Sie wirklich am zauberhaften Erscheinungsbild dieser Dame hier beteiligt waren, vereinbare ich gleich jetzt einen Termin bei Ihnen und empfehle Sie auf jeden Fall allen meinen Leuten weiter.“ Nick betrachtete sie ausgiebig von Kopf bis Fuß.

„Ach, ich bin natürlich nicht ganz allein für ihren Look verantwortlich“, wehrte Ramón bescheiden ab. „Es macht einfach Freude, an einer schönen Lady wie Jules zu arbeiten.“ Er schnappte nach Luft. „Mein Gott, haben Sie gesehen, wie spät es schon ist, Katriona? Kommen Sie, wir müssen gehen.“ Er sah sich noch einmal rasch um und rief: „Jules, vergessen Sie Ihren Termin morgen nicht.“

Seit wann hatte das Casa de Ramón auch sonntags geöffnet? Aber als Ramón sie über seine Brille hinweg anblinzelte, begriff Julienne endlich, wie er das gemeint hatte. Sie sollte ihn morgen anrufen und erzählen, wie es gelaufen war.

„Vergesse ich bestimmt nicht“, bekräftigte sie, was ihr noch ein letztes Lächeln Ramóns einbrachte, ehe er zusammen mit Katriona im Publikum verschwand.

Nachdem Nick Ramóns Visitenkarte eingesteckt hatte, fragte er: „Sind Sie mit den beiden da hergekommen?“

„Nein.“

„Ich habe Ihren Begleiter noch gar nicht entdeckt. Dabei beobachte ich Sie schon, seit Sie hier angekommen sind.“

„Soso.“

„Besonders hat mir Ihre Darbietung vorhin auf der Bühne gefallen.“

Verflixt. Sie wurde schon wieder rot. Hoffentlich übersieht er es, dachte Julienne und vertraute auf die gedimmte Beleuchtung. „Es gibt keine Verabredung. Ich bin heute Abend allein hier.“

„Jetzt nicht mehr.“ Nick streckte seine Hände aus und machte eine einladende Geste. „Eine Etage tiefer wird heute eine Party veranstaltet. Ich fände es überaus reizend, wenn Sie mich dorthin begleiten würden. Na, hätten Sie Lust?“ Ein richtiger Gentleman.

3. KAPITEL

Nick war gespannt, wie Jules’ Antwort ausfallen würde.

„Mit dem größten Vergnügen“, hauchte sie.

Nick bot ihr seinen Arm, und Julienne hakte sich bei ihm ein. Dann führte er sie durchs Foyer ins Kellergewölbe hinunter. Die Party lief unter dem Motto „Der Letzte Vorhang“. Geladen waren natürlich alle Schauspieler, Musiker, Mäzene sowie wichtige Vertreter aus Kunst und Kultur.

Versonnen studierte Nick jede Nuance ihres Auftretens: Da war dieses leuchtende, auberginefarbene Haar, bei dem er unweigerlich an die saftigen Weinberge seiner Heimat denken musste. Auch diese Mischung aus kühner Sprache und scheuem Erröten beschäftigte ihn sehr. Er nahm sich vor, diesen Abend zu nutzen, um die Faszination dieser Schönheit zu ergründen. Eher würde er sowieso keine Ruhe finden.

Auf der Party kamen die unterschiedlichsten Leute zusammen: flippige Schauspieler und konservativ wirkende Mitglieder aus den verschiedenen städtischen Ausschüssen. Er und Dale waren bisher die einzigen Vertreter der ADF in Savannah. Das übrige Team würde erst im Lauf der nächsten Woche eintreffen.

Nick griff sich zwei Gläser Champagner vom Tablett eines Kellners und dirigierte Jules in ein ruhiges Eckchen, möglichst weit weg von Dale. „Was führt eine so reizende Dame in ein Erotiktheater? Und noch dazu ohne männliche Begleitung?“ Er berührte sie wie zufällig an der Hand, als er ihr das Sektglas reichte.

Sie zuckte die Schultern. „Es gibt nicht allzu viele Männer, die die historische Bedeutung des Theaters zu schätzen wissen. Ich wollte es auf jeden Fall noch ein letztes Mal vor seiner Renovierung sehen. So kann ich hinterher Ihre Leistung hoffentlich umso besser beurteilen.“

Nick wusste nicht, was ihn an seiner Gesprächspartnerin mehr anturnte: Ihr Interesse an seinen Fähigkeiten als Restaurator, oder ihre Zuversicht, dass er eine neue Meisterleistung vollbringen würde. „Sie erwärmen sich also für die Architektur dieses Theaters. Und wie steht’s mit dem Spielbetrieb?“

„Wenn ich ehrlich sein soll, so reizt mich primär die Gebäuderenovierung, dann der geschichtliche Kontext und zuletzt vielleicht der Theaterbetrieb. Die einzelnen Aufführungen kommen mir ziemlich belanglos vor und interessieren mich eigentlich nicht.“

Hm. Die Gläser klirrten leise aneinander. „Und die Aufführung? Fanden Sie das Stück überhaupt nicht, nun, wie soll ich sagen, anregend?“

„Anregend ist genau das richtige Stichwort.“ Sie wiederholte es langsam, tief und erotisch. „Das haben Sie schön gesagt, Nick. Ich bin zwar, wie gesagt, nur der Architektur wegen hergekommen, aber ich müsste ja direkt aus Holz sein, wenn ich die Vorstellung nicht … anregend gefunden hätte. Und Sie?“

„Sie haben meine Aufmerksamkeit mehr auf sich gezogen als das ganze Brimborium zusammen. Und Sie tun es immer noch.“

Nach dieser freimütigen Aussage wartete er gespannt auf ihre Reaktion. Würde sie überrascht, gespannt oder eher ablehnend sein? Auf einmal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Jules würde das Spiel nach ihren Regeln spielen wollen. Sie zog belustigt eine Braue hoch, führte das Champagnerglas an die vollen Lippen, nippte kurz und leckte sich anschließend mit der Zunge die Mundwinkel. Meine Herren, sah das lasziv aus!

Er starrte sie an und stellte sich vor, wie wohl der prickelnde Champagner schmecken würde, nachdem er von ihren Lippen leicht erwärmt worden war.

Dummerweise konnte er sich nicht gänzlich von den anderen Gästen abschotten und in eine ruhige Ecke zurückziehen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass die Präsidentin des Kunstsachverständigenrates ihn entdeckte und in ein Gespräch verwickelte.

Er blickte auf die hübsche Frau an seiner Seite hinab. Als sie das bemerkte und mit ihren Schlafzimmeraugen zu ihm hochsah, durchfloss ihn ein wohltuender Schauer. „Mrs Turner, darf ich Ihnen Jules vorstellen?“ Während er sie miteinander bekannt machte, würdigte er die alte Matrone keines Blickes. Seine ganze Aufmerksamkeit ruhte auf Jules. Fasziniert konnte er erkennen, wie sich ihr wunderschönes Gesicht in eine höfliche, gesellschaftliche Maske verwandelte. Sie gab Mrs Turner die Hand und wechselte ein paar höfliche Worte mit ihr.

Er war schon sehr gespannt, ob ihm das Gespräch zwischen Jules und der Präsidentin einige seiner offenen Fragen beantworten würde: Wer war sie, und warum interessierte sie sich überhaupt für die kulturellen Ereignisse Savannahs?

Doch leider wurde nichts geklärt. Jules hatte sich nicht einmal mit ihrem Namen vorgestellt! Nick war enttäuscht von dem alles andere als aufschlussreichen Geplänkel.

Er wollte nichts lieber, als diese langweilige Party verlassen und mit Jules unter vier Augen über ihr gemeinsames Thema, die Architektur, reden. Endlich konnte sich eine traumhaft schöne Frau für sein Fachgebiet erwärmen.

Aber kaum war es ihm gelungen, die Präsidentin loszuwerden, als das nächste nervige Hindernis in Form von Dale auftauchte, der darauf wartete, dass man sie miteinander bekannt machte.

„Jules, ich möchte Ihnen meinen leitenden Projektmanager Dale Emerson vorstellen.“

„Freut mich riesig, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Dale schüttelte ihr mit festem Griff die Hand und schien sie gar nicht mehr loslassen zu wollen.

„Ganz meinerseits“, entgegnete Jules, und ein Anflug von Unsicherheit ließ Nick sofort vermuten, dass sie doch keine so große Erfahrung im Flirten hatte, wie sie vorgab.

Glücklicherweise kam ein Kellner mit einem vollen Tablett Champagner vorbei. Nick griff sich sofort ein Glas und reichte es Dale, damit sie gemeinsam anstoßen konnten. Elegant befreite er auf diese Weise Jules aus Dales peinlich festem Händedruck. Doch der ließ nicht so schnell locker: „Wie hat Ihnen denn die Vorstellung gefallen, Herzchen?“

„Ich fand sie gut, sogar ziemlich anregend.“

Ah, schon wieder dieses kleine, anzügliche Wort.

„Jules hat mir gerade erklärt, wie clever ihrer Meinung nach die unterschiedlichen Bühnenbilder gestaltet waren. Jedes Einzelne zeigte eine ganz bestimmte Epoche in der Geschichte des Theaters, bevor es umgebaut wurde.“

„Tatsächlich? Trotz Ihres phänomenalen Aussehens interessieren Sie sich für etwas so Spezielles wie Architektur? Finde ich verblüffend, allerdings im positiven Sinne.“

Jules tat Dales Schmeichelei mit einem Schulterzucken ab. Beide sahen gleichermaßen beeindruckt auf ihren Busen, der sich unter ihrer roten Lederkorsage abzeichnete. „Mein Onkel ist auch in dieser Branche. Er hat mich von Kindesbeinen an auf alle Baustellen mitgenommen.“

Daher also das Interesse an Architektur.

„Worauf hat sich Ihr Onkel spezialisiert, wenn ich fragen darf?“, wollte Nick wissen.

„Denkmalpflege. Er ist letztes Jahr in Rente gegangen.“

„Ein Jammer, dass wir ihn nicht vorher kennengelernt haben. Er hätte uns mit seinem Know-how bestimmt weiterhelfen können. Fachkräfte sind in unserer Branche dünn gesät.“

„Es ist schon schwierig genug, überhaupt jemanden für Nicks Team zu finden.“ Dale seufzte resigniert. „Dieser Mann ist regelrecht als Tyrann verschrien.“

Ein belustigter Ausdruck stahl sich in Jules’ Augen. Obwohl Nick wusste, dass Dale ihn nur aufzog, würde er sich niemals vor dieser reizenden Lady in die Defensive drängen lassen. „So ein Tyrann bin ich nun auch wieder nicht.“

„Trotzdem werde ich mir Ihren Onkel merken“, insistierte Dale weiter. „Für den Fall.“

Jules musste lachen. „Soll ich ihn gleich einmal anrufen? Ich möchte zu gern wissen, was er davon hält, in seinen alten Tagen für einen Tyrannen zu arbeiten.“

Nick fühlte, dass sie ihm zulächelte und Dales Flirtversuchen geschickt auswich, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen. Sie gab ihm klar zu verstehen, wem sie heute Abend den Vorzug gab.

Jules hatte Klasse, doch dieses Gespräch nervte ihn. Er nahm Jules das Sektglas aus der Hand und gab es Dale.

„Jules möchte sich den Ort noch ein letztes Mal im Originalzustand ansehen, bevor wir mit unseren Renovierungsarbeiten beginnen. Du mischst dich am besten ein wenig unter die Leute und pflegst die Kontakte, während wir einen kleinen Rundgang machen.“

„Tyrann.“ Schnippisch machte Dale auf dem Absatz kehrt. Nick sah ihm mit Genugtuung nach, und Jules kicherte.

„Dale ist wohl mehr als Ihr Angestellter, oder täusche ich mich da?“, fragte sie.

„Ja. Er ist ein alter Freund von mir. Und ein prima Kumpel, meistens jedenfalls.“

Nachdem sie sich mit neuem Champagner versorgt hatten, führte Nick sie beschwingt in Richtung Eingang.

Wie er sie so von hinten in ihrem hautengen Lederkleid beobachtete, wusste er auf Anhieb, wohin er mit ihr gehen wollte. Die Erinnerung an ihre Tanzeinlage auf der Bühne stand ihm noch zu lebhaft vor Augen.

Julienne folgte ihm willig. Während sie vom Untergeschoss in Richtung Theaterraum gingen, besprachen sie ausführlich, wo er während seines Aufenthalts in Savannah wohnen würde und wie sie das Theater renovieren wollten. Ja, so mussten Gespräche mit einer Frau sein.

Er führte sie auf die dunkle, menschenleere Bühne und zog sie zu sich heran. Ihr Wahnsinnskörper zeichnete sich deutlich unter dem Lederkleid ab.

„Sie haben mich die ganzen letzten beiden Stunden mit Fragen nach dem Theater gelöchert, und ich habe Ihnen bereitwillig Antworten auf alles gegeben, was Sie wissen wollten. Jetzt möchte ich, dass Sie mir einmal ein paar Fragen über sich beantworten. Was machen Sie beruflich? Wo wohnen Sie? Erzählen Sie mir einfach alles über diese bezaubernde Frau, die es versteht, derart intelligente Fragen zu stellen, und allein in ein Erotiktheater geht. Na los, ich bin ganz Ohr.“

Julienne ließ den Inhalt ihres Champagnerglases kreisen und dachte nach. „Okay, wie Sie wollen. Ich habe bislang ein äußerst behütetes Leben geführt. Ich bin im Erziehungswesen tätig und wohne hier in Savannah, seit ich das College besucht habe. Warum ich heute Abend ins Risqué gegangen bin, habe ich Ihnen schon ausführlich geschildert. Ich bin allein hier, weil ich momentan keine Beziehung führe. Na, zufrieden?“

„Haben Sie keine Verabredungen?“

„Nein, habe ich nicht. Ich war lange Zeit verlobt, doch mein Verlobter und ich haben uns vor rund sechs Monaten getrennt.“

Nick fragte sich, was wohl der Grund gewesen sein mochte. Aber er bohrte nicht nach, sondern wollte von ihr wissen, wie lange sie mit ihm zusammen gewesen war.

„Sie werden es nicht glauben. Fünf Jahre.“

„Das ist ziemlich lange. Und, sind Sie schon darüber hinweg?“ Als sie nickte, prostete er ihr mit seinem Glas zu. „Des einen Verlust ist des anderen Gewinn. Darauf wollen wir erst einmal anstoßen. Wo haben Sie denn gelebt, bevor Sie hier aufs College gingen?“

„Überall und nirgends. Wir sind viel herumgekommen.“

Hört sich wie die Lebensgeschichte eines Soldaten an, dachte Nick, und erklärt ihre Unbefangenheit, so ganz allein in dieses Theater zu gehen. „Und was ist mit Ihren beiden Freunden, Ramón und seiner … Freundin?“

Jules musste schallend lachen. „Katriona ist nicht seine Freundin. Sie ist seine Maniküre. Rein technisch betrachtet, ist sie nicht einmal eine Frau.“

Nick runzelte erstaunt die Stirn. Eigentlich war das offensichtlich. Nur dieser mächtige Busen … Wie dem auch sei. Er wollte gar nicht so genau wissen, wie Katriona dazu gekommen war.

„Trotzdem macht sie ihren Job ausgezeichnet“, fuhr Julienne fort. „Da sehen Sie mal …“ Sie hielt ihm ihre Hand vor die Nase und schuf damit unbewusst genau die Gelegenheit, auf die Nick schon lange gewartet hatte.

Er nahm ihre Hand unter dem Vorwand, die Maniküre begutachten zu wollen. Dabei gab er ihr einen Kuss auf die Finger. „Muss ich denn noch irgendetwas über Sie wissen, ehe wir unser Augenmerk auf die ungewöhnlich starke Anziehungskraft zwischen uns beiden richten?“

„Mir fällt momentan nichts Besonderes mehr ein. Arbeit bestimmt größtenteils mein Leben.“

„Ich arbeite auch ziemlich viel. Das hat nicht gerade positive Auswirkungen auf meine Beziehungen. Meine Zeit ist kostbar und muss genau eingeteilt werden.“

„Sie scheinen aber rasch neue Freunde zu finden. Eine bemerkenswerte Gabe.“

Welche neuen Freunde? Außer dass sie bereitwillig auf seine Fragen eingegangen war, wusste er fast gar nichts über sie. Viel zu wenig, um sie als Freundin zu bezeichnen. „Ich würde Sie heute Abend gern näher kennenlernen.“

Sie ließ ihn nicht aus den Augen, als sie ihr Sektglas eine Stufe höher abstellte. Schatten umspielten ihr Gesicht und tauchten es in ein sanftes, intimes Grau.

„Küss mich, Jules, oder lass mich dich küssen“, war alles, was er mit gepresster Stimme hervorbringen konnte.

Mit den Fingerspitzen der einen Hand zog er kleine Kreise in ihren weichen Handflächen. Die Finger der anderen hielten nach wie vor den Champagnerkelch umklammert. Er kämpfte tapfer gegen die Versuchung an, sie zu sich heranzuziehen und leidenschaftlich zu küssen. Wie lange er ihren Reizen wohl noch widerstehen konnte?

Nie zuvor in seinem Leben hatte Nick ein derart starkes Verlangen nach einer Frau verspürt. Diese unwahrscheinliche Kombination aus Vamp und scheuem Mauerblümchen faszinierte ihn. Er atmete rau und stoßweise. Seit er vorhin das erste Mal ihre Lippen gespürt hatte, brannte er geradezu vor Verlangen nach ihr.

Sie hob das Gesicht an und berührte zart seine Lippen mit den ihren. Ihr Kuss war anfangs noch etwas zurückhaltend, schüchtern, fast vorsichtig. Deshalb überließ er ihr die Initiative. Am liebsten hätte er sie gleich wild geküsst, ihr die Zunge in den Mund geschoben und herausgefunden, wie weit er gehen konnte. Doch er schaffte es, seine Ungeduld zu bezähmen.

Prompt wurde seine Zurückhaltung belohnt. Sie umspielte mit der Zungenspitze sanft, eher kitzelnd, seine Unterlippe. Die intensivere Phase des Kennenlernens konnte beginnen.

Sie drängte sich fester an ihn, und ihre Zunge tauchte tief in seinen Mund ein.

Mann, die Frau konnte küssen, und Nick wusste das echt zu schätzen.

Jules hatte ihn jetzt schon so mächtig in Fahrt gebracht, dass er ihr am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte. Er wollte die Frau nackt sehen, nackt und bloß. Allein ihre langen Haare sollten sie beim Liebesspiel einhüllen.

Trotzdem hielt er sich noch immer zurück. Instinktiv ahnte er, dass sie jetzt mehr denn je die Kontrolle über die Situation brauchte. Ihre Beziehung war zu neu, zu fragil.

„Komm, lass uns tanzen. Ich will dich jetzt in meinen Armen spüren.“

„Das Orchester ist aber noch auf der Party, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf“, setzte Julienne atemlos entgegen. „Vielleicht sollten wir lieber heimgehen. Es ist ganz schön spät geworden.“

Doch davon wollte Nick nichts hören. Er griff nach ihr und wirbelte sie wie ein Kind herum. „Die Musik übernehme ich. Ich kann zwar nicht singen, dafür aber schön summen.“

Jules musste lachen. Das war das Letzte, was er sehen konnte, als er den Kopf in ihrem Haar vergrub und seinen Mund an ihr Ohr legte. Er summte eine Melodie aus der Vorstellung, an die er sich noch vage erinnern konnte. Strangers in the Night … Sie schmolz in seinen Armen dahin.

Ihre Körper waren perfekt aufeinander eingestimmt, als wenn sie sich schon seit Ewigkeiten kennen würden. Es schien fest zum Plan des Schicksals zu gehören, dass diese Frau jetzt und hier in seinen Armen lag. Sie war für ihn bestimmt.

Sein Summen wurde immer leiser, und er verlor völlig das Gefühl für Raum und Zeit. Das Einzige, was er wollte, war, sie seine Erregung spüren zu lassen. Beim Tanzen ließ sich das ideal bewerkstelligen, weil sich ihre Beine natürlich spreizten und an seine Schenkel drückten.

Plötzlich durchschnitt Dales Stimme diesen Moment intensiver Zweisamkeit. „Hey, Kumpel, steckst du hier irgendwo?“

Ausgerechnet jetzt mussten sie gestört werden.

„Dir scheint wohl das Zeitgefühl komplett abhandengekommen zu sein. Die Party ist vorbei. Zeit für uns, nach Hause zu gehen. Die Frau Präsidentin ist ganz schön angefressen, weil du dich nicht mal bei ihr verabschiedet hast. Du solltest Betty anweisen, ihr ein paar Blumen rüberzuschicken.“

Schlagartige Stille. Nick dachte nicht im Traum daran, das Theater zu verlassen. Nicht, solange er Jules im Arm hatte und das Risqué ganz für sich allein haben konnte.

„Wenn du hier noch irgendwo stecken solltest, hoffe ich, dass du allein wieder hinausfindest.“ Dale ließ nicht locker. „Wenn du morgen nicht zum Kaffee aufkreuzt, ruf ich die Bullen an.“

Endlich wurden seine Schritte leiser und verklangen in der Dunkelheit.

„Kommen wir hier allein wieder raus?“, wollte Jules ängstlich wissen.

Nick gab ihr einen Kuss und beruhigte sie. „Ich habe einen Generalschlüssel. Aber ich werde ihn erst verwenden, wenn ich dich glücklich gemacht habe.“ Die Privatvorstellung konnte beginnen, und es würde eine lange Nacht werden.

4. KAPITEL

Böse Mädchen stöhnen gern lustvoll auf.

Julienne murmelte diesen Satz im Geiste, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Nick hatte sie eng an sich gedrückt und ließ seine Blicke ungeniert über ihren Körper schweifen.

Sollte sie es wirklich tun? Sollte sie diesem unglaublich anziehenden Mann jetzt gestatten, sie zum Stöhnen zu bringen? Eigentlich hatte sie doch heute Abend nur seine Aufmerksamkeit erregen und hemmungslos flirten wollen.

Oder war sie schon für den nächsten Schritt bereit? Brächte sie es wirklich fertig, sich auf die Zehenspitzen zu stellen, ihm einen Kuss zu geben und ein sanftes „Ja“ zu hauchen? Könnte sie mit ihren Fingern über die unübersehbare Ausbuchtung seiner Hose streicheln und Bereitschaft für mehr signalisieren?

Ihr Körper gab eine unmissverständlich klare Antwort. Ja, Ja und nochmals Ja.

Böse Mädchen nutzen die Gunst der Stunde. Die innere Stimme meldete sich wieder zu Wort. Gönn dir einen One-Night-Stand. Er wird sich immer wieder gern dran erinnern. Lass all deinen Charme spielen, für ihn und für dich.

Die Selbsthypnose schien wirklich zu funktionieren. Mit Genugtuung nahm sie Nicks Reaktion zur Kenntnis, als sie ihre Handfläche auf seine ausgebeulte Hose legte und ihn dort sanft streichelte. Sie fasste neuen Mut.

Es würde ihre Nacht werden, heute im Risqué. Gähnende Leere auf den Rängen gab Anlass zur Vermutung, dass wahrscheinlich niemand mehr im Theater war. Aber konnten sie sich da wirklich so sicher sein? Allein der Gedanke, es vor Publikum zu treiben, ließ Julienne vor Lust erschauern.

In dieser einen Nacht könnten ihre kühnsten Fantasien Wirklichkeit werden.

Böse Mädchen stöhnen gern lustvoll auf.

Sie würde stöhnen und überhaupt nichts bereuen. An einen Morgen danach wollte sie gar nicht erst denken.

Es hat mich ungeheuer angeturnt, wie du heute Abend getanzt hast.

Juliennes Fantasie schlug Purzelbäume.

„Summst du noch etwas für mich, Nick? Bitte, sei so lieb.“

Nick strahlte. „Dein Wort ist mir Befehl.“

Dieser Mann war ein böser Junge, eine verwandte Seele, zumindest für heute Nacht. Sie ließ ihr Auge über die Bühne schweifen und fand unter den Bühnenrequisiten, die dort noch massenweise vom Finale herumstanden, auf Anhieb, was sie gesucht hatte.

Sie nahm Nicks Hand und befahl: „Setz dich doch einfach dorthin.“

Sein Lächeln wurde breiter, als er eine Liebesschaukel erkannte, die an dünnen Schnüren von der Decke hing. Das ganze Ding bestand praktisch nur aus Nylonschlaufen und weich gepolsterten Bügeln.

„Du willst wohl mit mir einen kleinen Ausritt machen, was, Schönheit?“, fragte er.

Sie lächelte geheimnisvoll und nickte.

„Das wird ein Ausritt, den du dein ganzes Leben nicht mehr vergessen wirst, das verspreche ich dir.“

Markige Sätze, die der fremde Mann da von sich gab! Doch er spielte ihr Spiel offensichtlich mit und fing an zu summen. Die Augen hatte er voller Erwartung geschlossen, während er sein Jackett mit Weste auszog und seine Krawatte lockerte. Anschließend bugsierte er seinen knackigen Po auch schon in den dafür vorgesehenen Sessel der Liebesschaukel. Dort lehnte er sich erst einmal zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.

Jetzt war der Moment gekommen. Julienne trat zur Bühnenmitte und holte tief Luft. Ihre Tanzeinlage konnte beginnen.

Für einen kurzen Augenblick verstummte ihr Orchester vor Aufregung, bevor es langsam wieder einsetzte. Julienne lächelte. Es war ihr ein Leichtes, seine Aufmerksamkeit auf ihre kreisenden Hüften zu lenken.

Sie merkte, wie er sie anstarrte. Ihr Tanzstil war langsam, lasziv und erotisch. Es war einfach himmlisch, wie sich ihr Haar bei jeder Drehung erotisierend um die Schultern schmiegte und die enge Korsage ihre ohnehin schon harten Brustwarzen kitzelte. Jeder Luftzug kribbelte auf ihrer Haut und ließ sie vor Lust heftig erschauern.

Nick summte scheinbar unbeeindruckt weiter. Dennoch hatte sie den Eindruck, dass er etwas schneller wurde. Ob das wohl etwas mit seiner zunehmenden Erregung zu tun hatte?

Sie genoss es, dass ein derart anziehender Mann wie Nick so spontan auf ihren verrückten Einfall eingegangen war. Er würde tun, was immer sie befahl.

Die Vorstellung von ihrer Macht über Nick stimulierte sie enorm. Dazu kam noch das riesige, dunkle Theater. Jules war von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Erregen und erregt werden, lautete ihre Devise.

Langsam vollführte sie kreisende Bewegungen mit dem Kopf, die sie gekonnt auf den übrigen Körper ausdehnte. Dabei rutschte ihre Seidenstola ein wenig tiefer über die Schulter.

Sie tanzte weiter. Es gab für sie kein Zurück mehr. Wenn sie jetzt aufhören würde, wären sie beide enttäuscht. Aber das waren absurde Überlegungen. Schließlich hatte sie selbst den bisherigen Verlauf des Abends bestimmt. Bekam sie etwa Angst vor ihrem eigenen Mut? Nicks Psyche würde alles verkraften, ganz egal, was heute Nacht noch passieren würde.

Bei sich selbst war sie da nicht so sicher. Sie wollte endlich Aufschluss darüber haben, ob sie echte Leidenschaft empfinden konnte. Mit zittrigen Fingern ließ sie ihre Stola weiter die Arme hinabgleiten. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt.

Die Musik geriet ins Stocken und hörte vorübergehend auf. Erst nach einem ausgiebigen Räuspern, was sich mehr wie ein tiefes Stöhnen anhörte, konnte man wieder etwas hören.

Julienne streifte ihre Stola vollständig ab und ließ sie betont lässig zu Boden fallen. Anschließend gab sie ihr mit der Spitze ihrer Pumps einen provokativen Stups. Während sie das tat, wiegte sie ihren Körper hin und her.

Jetzt beugte sie ihren Rücken zur Seite. Ihr Kleid klaffte eine Handbreit auf und gab den Blick auf ihre wohlgeformten Beine frei. Schlagartig stoppte die Musik.

Lächelnd stieß sie ihr Becken vor und zurück. Ihr kleiner Seidenstring verstärkte ihre Lust, und ihre Brustspitzen waren hart wie kleine Perlen.

Böse Mädchen stöhnen gern lustvoll auf.

Julienne konnte sich nicht daran erinnern, jemals in ihrem Leben so erregt gewesen zu sein. Es war einfach unbeschreiblich. Bestärkt durch ihr intensives Lustempfinden, versuchte sie den Reißverschluss ihres Kleides mit den Händen zu erreichen. Geschafft! Ein leichter Zug genügte, um ihr aufreizendes weißes Spitzenkorsett sichtbar werden zu lassen.

Die Musik verklang, wie es schien ein für alle Mal, denn sie wartete vergeblich auf das vertraute Summen. Nicks erregte Atmung war alles, was sie neben ihrem eigenen Herzschlag noch hören konnte. Ansonsten war es vollkommen still. Aber sie tanzte weiter. Das Kleid schob sich an ihrer Seite hoch und enthüllte mehr und mehr nackte Haut. Doch damit nicht genug.

Sie ließ ihr Kleid vollständig zu Boden fallen.

„Du bist der nackte Wahnsinn“, war alles, was Nick herausbringen konnte.

Langsam stieg sie aus dem Haufen roten Leders heraus. Sie warf das Haar in den Nacken und sah sich neugierig um. Eine Frau in Reizwäsche auf der leeren Bühne eines Theaters, die für einen beinahe Unbekannten strippte. Na, wenn das nichts war!

Sosehr sie sich auch seine Mimik im Geiste ausgemalt hatte, auf diesen Ausdruck von Lust und wilder Begierde war sie überhaupt nicht gefasst gewesen.

Er begehrte sie! Oh, tat das gut.

„Komm her, Jules.“ Seine Stimme klang heiser. „Ich habe gesehen, wie du dich bewegst und dich langsam vor mir ausgezogen hast. Da ist es doch nur gerecht, wenn ich dir auch etwas biete, findest du nicht?“

Er durchbohrte sie fast mit lustvollen Blicken. „Kannst du dir vorstellen, wie sich meine Hände auf deinem Körper anfühlen? Ich möchte mit meinen Fingern deinen zarten Schwanenhals und die Schultern hinabgleiten. Ich will dich streicheln. Was meinst du, wie es sich anfühlt, wenn ich deine herrlichen Brustspitzen in den Mund nehme? Möchtest du wissen, wie sich das anfühlt?“

Sehnsuchtsvolle, nie gekannte Gefühle stiegen in Julienne auf und ließen sie nach Atem ringen. Ein gehauchtes „Ja“ war alles, was sie über die Lippen brachte.

„Dann komm her zu mir. Ich möchte dich berühren und verwöhnen, wie du es noch nie zuvor erlebt hast.“

Seine blonden Haare leuchteten im Dunkeln. Magisch angezogen, kam sie langsam auf ihn zu, was noch mehr Leidenschaft in sein Gesicht zauberte.

Er griff nach ihrem Handgelenk. „Komm her. Ich helfe dir.“ Die Liebesschaukel geriet zwar mächtig ins Schlingern, aber Nick drückte Julienne einfach noch etwas fester an sich und lachte leise. „Hallo, Schönheit.“

Der Moment war erotisch aufgeladen und unwirklich zugleich, wie sie da so nahezu schwerelos zwischen Himmel und Erde schaukelten. Sie hing mit gespreizten Beinen über ihm und konnte seine Erektion deutlich fühlen. Sein Gesicht war auf Höhe ihrer Brüste.

„Ich würde dich jetzt gern lieben“, flüsterte er. „Was meinst du, darf ich das?“

Sie konnte nur noch vor Lust aufstöhnen und ihre Lippen auf seinen Mund pressen.

Ja.

Nick ließ sich nicht zweimal bitten. Energisch stieß er die Zunge in ihren Mund und küsste sie.

Und sie genoss es aus ganzem Herzen, begehrt zu werden, selbst zu begehren, hingebungsvolle Zungenküsse zu spüren, hemmungslos die geheimsten Winkel seines Mundes zu erforschen.

Zärtlich streichelte sie ihm über Haar und Nacken. Sie fuhr mit beiden Händen über sein Seidenhemd und ertastete darunter die angespannten Muskeln seiner breiten Schultern.

Kein Wunder, dass ihn die Frauen anbeteten. Dieses einnehmende Lächeln und diese geschickten Hände … die ihren Rücken liebkosten und immer weiter gingen… Gut, dass sie einen äußerst knappen String trug. So konnte er sie ungehindert berühren, ihren Po streicheln und jeden Zentimeter Haut erreichen.

Sie stöhnte auf. Da presste er seine beachtliche Erektion an ihre empfindlichste Stelle. Sie hätten beide genauso gut keine Unterwäsche tragen können bei dem zarten Nichts an Stoff zwischen ihren Körpern. Inzwischen strich er ihr mit den Fingern leicht über den Po, folgte den sanften Wölbungen und liebkoste sie zwischen den Schenkeln.

Julienne erschauerte heftig. Nick bedeckte ihre Halspartie mit einer ganzen Reihe von Küssen. Instinktiv beugte sie sich dabei nach hinten, reckte ihre Brüste seinem Gesicht entgegen und hielt den Atem an, als er den oberen Rand ihrer Spitzenkorsage mit den Zähnen nach unten zog.

Seine Augen weiteten sich vor aufrichtiger Bewunderung für das, was er zu sehen bekam. Er neigte sich sofort hinunter, spielte mit seiner Zunge an ihren Brustwarzen, bis sie seidig glänzten und richtig hart wurden. Unter diesen lustvollen Berührungen legte Julienne endgültig die letzten Reste von Schüchternheit ab.

Böse Mädchen nutzen die Gunst der Stunde.

„Du bist wunderschön, Jules“, flüsterte er fast ehrfürchtig, bevor er eine ihrer Brustspitzen in den Mund nahm und heftig daran zu saugen begann.

Sie konnte nur noch seine Schultern packen und sich an ihm festklammern, während er abwechselnd ihre Knospen liebkoste. Gleichzeitig fuhr er fort, sie mit den Fingern zu reizen, bis sie aufstöhnte.

Wenn die Belohnung für ihren Tanz ein derartiges Vergnügen war, würde sie jederzeit gern für diesen Mann tanzen, beschloss Julienne. Mit ihm wurden ihre kühnsten sexuellen Träume wahr.

Sie musste Nick jetzt einfach in sich spüren. Wie in Trance umfasste sie seine harte Männlichkeit und liebkoste ihn. Nick seufzte auf und zog sie noch näher.

Beide steuerten unaufhaltsam dem Punkt entgegen, von dem es kein Zurück mehr gab. Lediglich die Nylonschlaufen der Liebesschaukel bildeten eine letzte Brücke zur Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit. Julienne durchfuhr die Erkenntnis wie ein Schlag. Sie war ins Risqué gekommen, um zu flirten, nicht, um mit einem Mann zu schlafen. „Oh nein, Nick“, stieß sie frustriert aus. „Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass … nein, was ich damit sagen will, ist, ich habe nichts dabei. Du weißt schon, was ich meine.“

Nick zwang sich, die Augen zu öffnen. „Aber ich, Schönheit. Ich werde zur Treppe rüberschwingen, und du ziehst meine Anzugjacke zu dir.“

Bevor sie ihm ein Kompliment für seinen Weitblick machen konnte, setzte er die Schaukel auch schon in Bewegung und ließ sie nach vorne schnellen. Julienne hielt erschrocken inne und klammerte sich an ihn, während sie einige Male nach vorne pendelten. Doch er kam noch nicht ganz heran. Deshalb lehnte er sich nochmals zurück und versuchte es diesmal mit mehr Schwung.

„Jetzt habe ich sie.“ Sie zog seine Jacke vom Geländer.

„Gut gemacht, Prinzessin. Reich sie mir doch gleich mal rüber.“

Wie er sich so an seiner Sakkoinnentasche zu schaffen machte und gekonnt sein Portemonnaie herausfischte, war sich Julienne sicher, dass ein wirklich böser Junge immer Kondome griffbereit dabeihatte.

„Bitte lass mich das machen“, forderte sie, und sein Blick verriet Vorfreude, als er ihr das Päckchen gab. „Halt mich aber gut fest.“

„Du machst Sachen mit mir, von denen ich nie geglaubt hätte, dass ich sie noch erleben könnte, Jules.“

„Ach, was denn zum Beispiel?“

„Nun, du testest aus, wie lange ich mich zurückhalten kann.“

Irgendetwas in seiner Stimme veranlasste sie aufzublicken. Ihr fiel auf, dass er sie mit einer ernsten Miene ansah, die so gar nicht zu diesem Augenblick passen wollte. Sie hoffte inständig, dass sie seine Beherrschung tatsächlich auf die Probe stellen konnte.

„Das war doch erst der Anfang“, meinte sie leichthin.

„Nach diesem Striptease bin ich überzeugt davon.“

Sie hatte große Lust, ihm das Kondom mit dem Mund überzustreifen. Leider scheiterte dieses Vorhaben nicht nur an ihrer gegenwärtigen Stellung, sondern auch maßgeblich daran, dass diese Technik bestimmt einige Vorübung erforderte, ehe sie überzeugend in die Praxis umgesetzt werden konnte.

Deshalb entschied sie sich, ihm das Kondom auf die klassische Art und Weise überzuziehen.

Nick umfasste ihren Po und hob sie hoch.

„Ah.“ Julienne verschlug es den Atem. Sie klammerte sich an seinen Arm und schob die Hände zwischen ihre beiden Körper, sobald sie etwas Halt gefunden hatte, und führte ihn dahin, wo sie ihn am heißesten begehrte.

Seine Augen leuchteten wie Feuer in der Nacht. Der ganze Zauber des Augenblicks, der sie beide gefangen hielt, spiegelte sich darin wider. Dann drang er endlich in sie ein. Sie stöhnte wild auf und hieß ihn willkommen. Wellen der Lust schlugen über ihr zusammen.

Julienne konnte schon längst keinen klaren Gedanken mehr fassen. Die Liebesschaukel schwang heftig hin und her. Dadurch bekamen ihre Bewegungen eine Dynamik, die beide in einen sinnlichen Taumel versetzte. Das Liebesspiel steigerte sich noch einmal und gipfelte in einer Explosion, die Jules’ Lippen ein Stöhnen entriss und Nick gleichermaßen vor Lust aufschreien ließ.

Jeder Muskel seines Körpers versteifte sich, er drang wieder und immer wieder in sie ein, wurde mit der Zeit immer lang­samer, bis Julienne schließlich erschöpft an seine Brust sank. Ihre Herzen klopften wild aneinander, ihre entblößten Brüste klebten an seinem verschwitzten Hemd.

Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie keinen Ton herausgebracht. Doch sie hatte kein Verlangen danach. Dieser wundervolle Moment, wo sie befriedigt dalag und sich fest an diesen unglaublichen Mann kuschelte, sollte mit nichts so Banalem wie Worten, Gedanken oder vernünftigen Überlegungen zerstört werden.

Später blieb immer noch genügend Zeit, sich aus der Schaukel herauszuwinden und ungeschickte Verabschiedungsfloskeln zu murmeln. Eins war ihr aber jetzt schon klar: Von nun an würde sie mit Sicherheit für jede Art von normalem Sex unbrauchbar sein.

5. KAPITEL

DER MORGEN DANACH

Julienne schlenderte in die Küche und sah dort Onkel Thad sitzen, der tief in seine Sonntagszeitung versunken war.

„Guten Morgen. Ist gestern ganz schön spät geworden, oder?“

Sie konnte sich nur die übernächtigten Augen reiben und stumm nicken.

„Und wie war die letzte Vorstellung im Risqué?“

„Haarsträubend“, meinte sie kurz angebunden.

Seine blassblauen Augen fielen auf ihre wilden Haare. Wild war genau der richtige Ausdruck dafür, dachte Julienne und strich sich einige Strähnen ihrer jetzt nach allen Seiten hin abstehenden Frisur aus dem Gesicht. Gestern hatte ihre Mähne noch unwahrscheinlich sexy ausgesehen, aber heute? Keine Spur mehr davon. Der Glitter hatte schon vor einigen Stunden aufgehört verführerisch zu funkeln. Der Alltag hatte sie wieder.

„Du hast etwas mit deinen Haaren angestellt“, bemerkte Onkel Thad vorsichtig.

„Ach, du weißt doch, dass mich Ramón schon seit ewigen Zeiten bekniet, mir einen neuen Look zu verpassen. Er hat mich endlich klein gekriegt. Meine neue Frisur sieht echt fantastisch aus, wenn du mich nicht gerade in aller Herrgottsfrühe erwischst.“

„Du siehst sogar jetzt, nachdem du gerade aufgestanden bist, gut damit aus. Die neue Frisur steht dir.“

Jules schätzte sich glücklich, dass es einen so liebevollen und väterlichen Mann in ihrem Leben gab. Nach einem weiteren Schluck Kaffee wurde sie etwas gesprächiger. „Die Aufführung letzte Nacht war richtig gut.“ Sie erzählte ihm von dem Stück, von der Party und natürlich auch davon, wie sie Nick Fairfax kennengelernt hatte. „Ich habe ihn zusammen mit seinem Projektmanager getroffen. Du solltest einmal hören, was sie mit dem Theater alles vorhaben. Großartig. Das wird echt der Hammer, wenn sie damit fertig sind.

„Ah ja, Nick. Der scheint dich aber mächtig beeindruckt zu haben.“

Julienne starrte versonnen in ihre Kaffeetasse. „Er ist wirklich ein toller Mann“, erwiderte sie schlicht. „Auch sein Projektmanager hat mir sehr gut gefallen. Es wundert mich nicht, dass die ADF einen so guten Ruf hat.“

Als Onkel Thad nicht gleich antwortete, sah sie auf und merkte, wie er die Stirn in Falten zog. „Komm mal her, Julienne, und hör mir zu. Ich möchte dir etwas über diesen Dr. Fairfax erzählen.“

Onkel Thads Ton riss sie jäh aus ihren Träumereien, und plötzlich hatte sie ein ungutes Gefühl. „Was gibt es da zu erzählen?“

„Setz dich erst mal her. Ich möchte dir gern einige Gedanken mitteilen, die mir gerade gekommen sind. Du und Dr. Fairfax, ihr seid beide hier am Ort tätig. Das bedeutet, dass ihr euch über kurz oder lang ohnehin einmal über den Weg gelaufen wärt. Schließlich ist er aufgrund des umfangreichen Renovierungsprojekts lange genug hier in der Stadt. So viel wissen wir beide.“

Onkel Thad machte eine bedeutsame Pause. „Du siehst gut aus, Julienne, und hast gerade eine lange Beziehung hinter dir. Ich bin mir sicher, dass du bald wieder ausgehen wirst.“

„Möchtest du mich vor Nick warnen, oder was willst du mir damit sagen?“

Ihr Onkel nickte. „Genau das. Ich weiß zwar, dass du eine intelligente Frau bist, aber gegenüber einem Mann wie Dr. Fairfax ist eine Warnung immer angebracht.“

„Was meinst du damit? Willst du mir etwa damit sagen, dass du ihn nicht besonders magst?“

Seine Lippen wurden schmal. „Nein, ich mag ihn nicht besonders.“

„Aber ich dachte, du bewunderst ihn?“

„Beruflich ja, da gibt es überhaupt nichts an ihm auszusetzen. Aber wenn ich ihn als Mann beurteile, so fehlt es ihm meiner Meinung nach an Persönlichkeit. Je mehr ich im Laufe der letzten Jahre über ihn erfahren habe, desto enttäuschter war ich.“

„Ich wusste gar nicht, dass du ihm schon mal begegnet bist.“

Wenn sie vorher gewusst hätte, dass ihr Onkel Nick kannte, wäre sie nie im Leben mit konkreten Flirtabsichten ins Risqué gegangen.

„Ich kenne ihn nicht persönlich, aber mir ist diese Art von Mann leider nur allzu gut bekannt. Dieser Dr. Fairfax versteht es bestens, Frauen zu bezirzen und zu umschmeicheln. Meist dauert es dann nicht sehr lange, bis er sich einer anderen zuwendet und die bisherige einfach stehen lässt. Ein Mann, der keine dauerhaften Bindungen eingehen kann, bei dem stimmt irgendwas nicht.“

Das saß. Julienne musste ganz schön schlucken und verbiss sich die giftige Antwort, er möge doch nicht alles glauben, was die Medien an Blödsinn berichteten.

Sie dachte über die Worte ihres Onkels nach. Er hatte bislang eine sehr gute Menschenkenntnis bewiesen und ihr immer sinnvolle Ratschläge gegeben. Obwohl ihm Ethan nicht unsympathisch war, hatte er seinerzeit Bedenken geäußert, als plötzlich das Stichwort Heiraten im Raum stand.

Julienne wollte nicht bestreiten, dass ein Mann irgendwie fragwürdig war, der es verstand, eine Frau innerhalb der ersten gemeinsamen Stunden zu verführen. Aber eine Frau, die das mit sich machen ließ, war in keiner Weise besser. Im Gegenteil.

Böse Mädchen verfügen über den nötigen Mut, ihre sexuellen Wünsche in die Tat umzusetzen.

Genau den hatte sie auch, weshalb sie nicht einsah, warum sie sich schlecht fühlen sollte. Schließlich war es ja die ganze letzte Nacht lang um nichts anderes gegangen als darum, endlich einen bösen Jungen zu finden. Keiner von beiden hatte schließlich ahnen können, dass es gleich so mächtig zwischen ihnen funken würde, oder?

Doch ihr One-Night-Stand war Geschichte. Onkel Thad musste sich keine Sorgen mehr machen.

„Ich werde mich bemühen, deine Warnungen zu berücksichtigen.“

„Ich wusste, dass du vernünftig sein würdest.“

Sie hauchte ihm quer über den Tisch einen Kuss zu.

Er tat so, als wenn er ihn mitten in der Luft auffangen würde. Ein Spiel, das sie schon seit Urzeiten spielten. Es tat ihr gut und gab ihr Geborgenheit.

Julienne seufzte. Wenn letzte Nacht so verlaufen wäre, wie sie es sich gewünscht hätte, hätte sie mit Nick lediglich ein bisschen geflirtet, sich anschließend mit ihm verabredet und am Ende doch eine Ausrede erfunden, um ihm abzusagen. Jetzt konnte er sich nicht einmal vor ihrer Haustür blicken lassen, nach allem, was Onkel Thad über ihn dachte.

Egal. Nick und sie hatten einfach eine heiße Nacht miteinander erlebt. Nein, ihr Onkel musste sich überhaupt keine Gedanken mehr darüber machen. Ihr Verhältnis war leidenschaftlich, kurz, aber mittlerweile Vergangenheit. Aus und vorbei.

DREI TAGE SPÄTER

Nick bemerkte das Firmenschild mit der Aufschrift Casa de Ramón und bugsierte seinen geliehenen Sportwagen vorsichtig in die Parklücke davor.

Während er rückwärts in die Parklücke fuhr, betrachtete er das viktorianische Haus aufmerksam durch die Heckscheibe. Das also war er, sein einziger vager Anhaltspunkt, der ihn hoffentlich zur Nichte eines pensionierten Restaurators führen würde. Die Frau hatte ihn wirklich um den Verstand gebracht.

Wie hatte der überstürzte One-Night-Stand mit Jules überhaupt passieren können? Und warum hatte er sie bloß gehen lassen, ohne zuvor ihre Adresse oder zumindest die Telefonnummer erfragt zu haben? Sie hatte ihm zwar von ihrer Tätigkeit als Lehrerin erzählt, da er aber ihren Nachnamen nicht wusste, könnte er in einer Stadt wie Savannah, die unzählige Schulen hatte, genauso gut die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen suchen. Verdammt.

Seufzend öffnete er die Wagentür und lief die kurze Strecke zum Salon hinüber. Dort angekommen, trat er ohne zu zögern ein. Sofort umfing ihn jenes elegante Jugendstilambiente, das diesem Friseurladen seine ganz besondere Note verlieh. Er hatte jedoch jetzt kein Auge dafür, sondern ging direkt zur Rezeption.

„Ist Ramón da?“

„Haben Sie einen Termin bei ihm?“ Die hübsche Blondine sah fragend zu ihm hoch.

„Nein. Ich habe ihn am Samstagabend getroffen. Er hat mich gebeten, einfach mal vorbeizuschauen. Fragen Sie ihn bitte, ob er mich kurz mal zwischendurch drannehmen kann. Ich brauche dringend einen Haarschnitt.“

Knapp zwei Minuten später hörte er auch schon Ramóns laute Stimme. „Dr. Nick, schön, dass Sie gekommen sind! Für Sie habe ich immer Zeit.“

„Freut mich.“ Sie schüttelten sich die Hand, und Nick merkte sofort, wie der Meister seine Frisur begutachtete. „Ich brauche bloß einen Nachschnitt.“

Das war eine glatte Lüge, weil er sich immer die Haare schneiden ließ, bevor er ein neues Projekt anfing.

„Ah, verstehe. Kommen Sie einfach mit nach hinten.“

Sobald er auf dem Frisierstuhl Platz genommen und einen Umhang angelegt bekommen hatte, kam Nick sofort auf den Punkt. „Wissen Sie eigentlich, wo ich Jules finden kann?“

Ramón sah ihm in die Augen. Sein wissendes Lächeln verriet, dass er genau verstanden hatte, was hier lief. „Sie interessieren sich also für sie, richtig?“

„Ja.“

„Haben Sie wenigstens gefragt, wie sie mit Nachnamen heißt?“

„Natürlich.“

„Dann haben Sie nicht gründlich genug gesucht.“ Ramón machte eine kurze Pause und schob Nicks Stuhl an eines der überdimensionalen Waschbecken. „Meines Wissens steht Jules im Telefonbuch.“

„Ich hätte sie sicher auch schon längst gefunden, wenn ich ihren Nachnamen wüsste.“

„Aber Sie haben doch gerade gesagt …“

„Gefragt habe ich sie schon, sie hat ihn mir nur nicht ver­raten.“

Überrascht zog Ramón eine gepflegte Braue hoch und drehte mit Nachdruck den Wasserhahn auf.

Nick wusste sofort, dass er hier keine weitere Hilfe erwarten könnte. Er versuchte es ein letztes Mal. „Ich möchte Jules nur ein paar Blumen schicken. Wie wär’s, wenn ich den Strauß bei Ihnen anliefern lasse, und Sie sagen ihr anschließend Bescheid? Wäre das möglich?“

Ramón lachte und richtete den Wasserstrahl auf Nicks Kopf. „Abgemacht.“

Juliennes Tag auf Indian Knoll Island war lang und anstrengend gewesen.

Er hatte damit geendet, dass sie mit ihren Studenten Boden­fliesen ausgemessen und die Wandbemalungen zeitlich zugeordnet hatte. Es gab noch so viel in der alten Kirche zu erledigen …

Sie konnte sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten. Vielleicht könnte sie heute Abend endlich wieder richtig durchschlafen. Aber das bezweifelte sie insgeheim. In den Nächten träumte sie ständig von Nick Fairfax und ihren prickelnden Erlebnissen in der Liebesschaukel.

Sie war einfach hoffnungslos romantisch.

Sorgfältig stellte sie ihre Aktentasche neben dem überdachten Hauseingang ab. Dann zog sie ihre schmutzigen Arbeitsstiefel aus, weil sie keine Schlammspuren auf dem Flur hinterlassen wollte, und betrat das Gebäude. Sie war gerade in Richtung Küche unterwegs, als das Telefon läutete. Bevor sie rangehen konnte, hatte sich schon der Anrufbeantworter eingeschaltet.

„Jules, meine Liebe, ich habe Sie gebeten, mich anzurufen“, hörte sie die Stimme Ramóns aus dem Lautsprecher. „Doch Sie haben mich offensichtlich vergessen. Was hat sich eigentlich zwischen Ihnen beiden in dieser Nacht abgespielt?“

Sie machte einen Riesensatz in Richtung Telefon und griff sich den Hörer. Onkel Thad sollte seinen vagen Verdacht nicht durch etwaige Nachrichten auf dem AB bestätigt bekommen. „Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass sich da irgendetwas abgespielt haben könnte?“, fauchte sie in die Sprechmuschel.

„Dr. Göttlich kreuzte heute bei mir im Salon auf und hat sich die Haare schneiden lassen. Eigentlich gab’s aber gar nichts zu schneiden.“

„Das ist nicht wahr.“

„Doch, meine Liebe. Der Mann hat echt Klasse. Meinen Segen haben Sie, falls er der neue Kerl in Ihrem Leben werden sollte.“

„Sie haben ihm doch nichts über mich erzählt, oder?“

„Rein gar nichts. Ich bin verschwiegener als Ihr Beichtvater. Ich habe ihm erlaubt, dass er bei mir einen riesigen Strauß roter Rosen anliefern lassen darf. Die Rosen waren nicht billig, und es sind bestimmt mehr als drei Dutzend. Ich habe sie am Empfang für Sie aufbewahrt. Natürlich hat er auch eine Karte mitgeschickt. Ich habe den Umschlag nicht geöffnet, Diskretion verpflichtet, aber gegen das Licht gehalten. Er hat Ihnen seine Nummer aufgeschrieben. Rufen Sie ihn an?“

„Ramón!“

„Tun Sie doch nicht so. Sie wollten schließlich selbst ein neues Leben beginnen.“

„Ich weiß es noch nicht.“

„Was soll das heißen?“, brummelte Ramón. „Habe ich Ihnen nicht gerade gesagt, was ich von ihm halte?“

„Ich hole sie morgen auf dem Weg zur Uni ab, ja?“

„Oh nein, meine Liebe. Wenn Sie heute Abend ins Bett gehen, müssen die Rosen auf Ihrem Nachttisch stehen. Sie werden dann bestimmt von diesem tollen Mann träumen. Wissen Sie was? Ich werde den Salon heute etwas früher schließen und bringe Ihnen die Blumen einfach vorbei.“

Wie sollte sie ihrem Onkel die drei Dutzend Rosen erklären?

„Ach nein, das ist doch nicht nötig.“

„Und ob das nötig ist. Er ist Ihretwegen schon völlig aus dem Häuschen, meine Liebe.“

Juliennes Herz klopfte wild. „Nein, danke.“

„Dann versprechen Sie mir, dass Sie ihn anrufen werden.“

„Gut, einverstanden. Ich muss mich natürlich wegen der Rosen bedanken.“

„Das ist doch wohl hoffentlich nicht der einzige Grund.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Was gibt’s denn da noch nachzudenken! Wovor haben Sie eigentlich Angst?“

„Vor gar nichts“, log sie.

„Dann passt ja alles. Das Schlimmste, was Ihnen mit diesem netten Mann passieren könnte, ist doch, dass er Sie auf ein Glas Wein oder zum Essen einlädt, Ihnen teure Rosen oder andere Kostbarkeiten schenkt. Später werden Sie dann aufregenden Sex miteinander haben. Fangen Sie doch ein bisschen an zu leben, Jules, ehe Sie zu alt dazu sind.“

„Ich denke darüber nach.“

„Gut. Sie haben exakt zwanzig Minuten Zeit, bis ich bei Ihnen bin. Andernfalls muss ich mal ein ernstes Wort mit Ihrem Onkel Thad wechseln, was Sie für ein Mauerblümchen sind.“

Die Verbindung wurde unterbrochen. Ramón hatte aufgelegt. Julienne lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Rote Rosen und Nick, der wollte, dass sie ihn anrief …

Sei keine Spielverderberin. Du weißt genau, was das alles zu bedeuten hat. Nick Fairfax möchte es nicht bei einem One-Night-Stand bewenden lassen Und du?

Onkel Thad wäre bestimmt ganz schön gekränkt, wenn sie sich mit Nick einließe.

Sie war schon dreißig, um Himmels willen.

Wann fängst du endlich an, dein Gefühlsleben zu erforschen, Mädchen?

Was könnte denn nach dem phänomenalen One-Night-Stand noch Großartiges kommen? Julienne ging ins Schlafzimmer und holte das Handbuch für böse Mädchen unter dem Kissen hervor. Vielleicht konnte es auch diesmal weiterhelfen.

Sie suchte das Kapitel, in dem es um Beziehungen ging. Ah, da war etwas … nach einem One-Night-Stand ging’s erst richtig los. Hörte sich gut an.

In ihrem Fall war das allerdings etwas problematisch. Onkel Thad mochte Nick ganz und gar nicht. Sie dagegen wollte Liebe und Leidenschaft. Und genau das konnte ihr Nick bieten.

Sollte sie wirklich die Chance ungenutzt verstreichen lassen? Aber nie im Leben!

Doch wie sollte sie es Onkel Thad beibringen?

Sie ließ sich erst einmal zurück ins Bett sinken und vom Handbuch für böse Mädchen inspirieren.

Urplötzlich fiel ihr Blick auf die grasfleckigen, stark verschmutzten Knie ihrer alten Jeans und … auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Jetzt hatte sie einen Grund, warum sie sich näher mit Nick einlassen konnte.

6. KAPITEL

AM NÄCHSTEN MORGEN

Nick kroch aus der niedrigen Nische und sah zu Dale hoch, der im feuchten Untergeschoss des Risqué über ihm stand. „Ganz schön ungemütlich hier unten.“

„Das wundert mich nicht. Und, wie sieht’s aus?“

Nick ließ den Strahl seiner Taschenlampe hin und her wandern. „Wir brauchen unbedingt ein modernes elektrisches Installationssystem. Diese einhundertsechsunddreißig Jahre alte Flickschusterei ist total im Eimer.“

„Auweia.“ Dale machte sich einige Notizen und streckte die andere Hand nach Nick aus, um ihm hochzuhelfen.

Das Geräusch von Schritten, die rasch näherkamen und auf dem Steinboden widerhallten, weckte seine Aufmerksamkeit.

„Was gibt’s, Betty?“, fragte er seine Verwaltungsassistentin.

„Eine Professorin von der hiesigen Uni möchte Sie sprechen.“

„Verstehe. Ach, Betty, wenn Sie schon mal hier sind, gehen Sie doch mit Dale die morgendlichen Notizen durch und machen Sie eine Abschrift davon. Danke.“

Hoffentlich beabsichtigte diese Professorin nicht, sich einzumischen. Beim momentanen Stand des Projekts konnte er kaum etwas Konkretes sagen. Als er das Gebäude verließ, blendete ihn das Sonnenlicht so stark, dass er die Augen schloss. Das kommt davon, wenn man den ganzen Morgen Maulwurf spielt, dachte Nick belustigt. Obwohl er für kurze Zeit so gut wie nichts sah, bemerkte er die eindrucksvolle Frau auf Anhieb, die allein vor dem Bauwagen stand und auf ihn wartete.

Irgendwie kam sie ihm seltsam bekannt vor, doch wegen seiner eingeschränkten Sehfähigkeit wollte er darauf keine Wette abschließen.

Plötzlich trat sie aus dem Schatten des Bauwagens. Das Sonnenlicht fiel auf ihr Haar, und Nick erkannte die auberginefarbene Mähne sofort wieder. Was für eine Überraschung! Das war doch … Jules.

Keine Spur mehr von der roten Teufelin! Trotzdem handelte es sich um Jules, seine Jules, diesmal in einem anderen Outfit. Sie wirkte im Sonnenlicht genauso hübsch wie in der Dunkelheit und war in ihrem Businessoutfit genauso verführerisch wie im hautengen roten Lederkleid.

„Hallo, Liebes.“

Jules wirbelte herum und starrte ihn mit ihren grauen Augen an. Im Schatten hatte ihr Blick noch irgendwie rauchig gewirkt, aber jetzt im hellen Sonnenlicht war er klar wie Quecksilber. Nick konnte sich gar nicht sattsehen an ihr.

„Hallo, Nick.“ Dieses erotische Timbre hatte er die letzten fünf Tage ständig im Hinterkopf gespürt.

„Du bist also diese Professorin?“, wollte er wissen und grinste.

„Gestatten, Dr. Julienne O’Connor, ordentliche Professorin für historische Gebäudeerhaltung an der Universität von Savannah. Freut mich, Sie kennenzulernen.“

Als sie ihm die Hand zu einem formellen Gruß hinstreckte, waren Nicks Sinne hellwach. Er küsste ihre Hand. „Julienne“, flüsterte er. „Was für ein hübscher Name für eine wunderschöne Frau. Ist Jules dein Spitzname?“

Sie brachte nur ein schwaches Nicken zustande.

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich über dein Kommen bin.“

„Die Rosen sind wunderschön. Danke.“

„Ach, keine Ursache.“

Je länger er ihre Hand in seiner hielt, desto stärker wurde die erotische Spannung zwischen ihnen.

Nick gewann als Erster seine Fassung wieder. Was wäre, wenn Betty zurückkam und ihn hier Händchen haltend stehen sah wie einen verliebten Gockel? Nicht auszudenken.

„Bitte, komm doch rein. Ich möchte mit dir gern darüber reden, wann wir uns wiedersehen können.“

Sie sog scharf die Luft ein, als er an ihr vorbei zu dem Wohnwagen ging, in dem sich sein provisorisches Büro befand. Es hörte sich fast zittrig an … irgendwie scheu, was Nick sofort an die letzte Vorstellung zurückdenken ließ.

„Bitte, setz dich doch.“ Er deutete auf den Stuhl vor dem Tisch. „Ich möchte dich unbedingt wiedersehen und alles über diese faszinierende Frau herausfinden, die mich mit ihren architektonischen Kenntnissen beeindruckt und mit ihrer aufsehenerregenden Bühnenperformance fast um den Verstand gebracht hat. Du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Sinn.“

„Ach, Nick“, antwortete sie leise. „Ich habe das gleiche Problem.“

„Was können wir dagegen tun?“

„Ich habe schon darüber nachgedacht, wie wir das am besten lösen können.“

„Und was ist dabei herausgekommen?“

Sie setzte sich auf die Ecke seines Schreibtisches und starrte Nick unverwandt an. „Ich habe wirklich einige vielversprechende Leute in meinem Seminar, und …“

„Seminar, Jules?“, hakte er nach und merkte zu spät, dass er ihr einfach das Wort abgeschnitten hatte. „Tut mir leid, wenn ich dich unterbrochen habe. Aber du hast von deinem Seminar gesprochen. Was genau unterrichtest du denn?“

„Architektur mit Schwerpunkt Gebäudeerhaltung. Meine Lehrtätigkeit erstreckt sich über Grund-, Haupt- und Promotionsstudium. Momentan leite ich ein Seminar für Promotionsstudenten.“

„Seminar? Promotionsstudenten?“

„Jetzt bist du überrascht, was?“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Du bist aber noch ganz schön jung, um Promotionsstudenten zu unterrichten. Wenn ich raten müsste, würde ich dich selbst für eine Studentin halten.“

Er konnte durch ihre dünne Bluse deutlich sehen, wie sich ihre Brust hob und senkte. „Danke für das Kompliment. Ich bin kaum älter als meine Studenten, manchmal sogar jünger.“

„Wie hat es eine so reizende junge Frau wie du geschafft, Professorin für Promotionsstudenten zu werden, die teilweise älter als du selbst sind?“

„Kannst du dich an den Onkel erinnern, von dem ich dir erzählt habe?“

Er nickte.

„Eigentlich ist er mein Großonkel. Ich habe einfach seinen Posten an der Fakultät übernommen, als er in Pension ging.“

Nick stieß einen leisen Pfiff aus. „Raffinierter Trick. Ich kenne nicht viele Professoren für historische Gebäudeerhaltung, die so jung sind.“

„Ich kann auf vierzehn Jahre Praxiserfahrung zurückgreifen.“

„Wie hast du die denn zusammenbekommen?“

„Mein Onkel hat mich nach dem Tod meiner Eltern aufgenommen. Er ist Denkmalpfleger, wie gesagt, und ich habe ihn bei all seinen Projekten begleitet.“

Natürlich, ihr Nachname, O’Connor. Der Name sagte ihm etwas, aber sie konnte doch nicht auf den Mann anspielen, den er … nein, unmöglich. „Wie heißt dein Onkel?“

„Thaddeus O’Connor. Vielleicht hast du von einigen seiner Projekte gehört. Ich weiß, dass er verschiedene Gebäude kennt, die du restauriert hast.“

Ob er von einigen seiner Projekte gehört hatte? Er hatte sich seit seiner Collegezeit intensiv mit den Arbeiten von Thaddeus O’Connor beschäftigt. Dieser Mann war eine Ikone auf seinem Gebiet. Viele Studenten, so auch Nick, hatten ihre gesamte Karriere nach seinem Vorbild aufgebaut. Tatsache war, dass die Philosophie der ADF und Nicks persönlicher Schwur vor jedem neuen Projekt auf den Kernpunkten einer Vorlesung von Thaddeus O’Connor basierte, die Nick einmal besucht hatte.

Autor

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