Baccara Jubiläum Band 5

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DU BIST GENAU DIE RICHTIGE von JACKIE MERRITT
Wow, was für eine Frau! Hals über Kopf verliebt Rancher Duke sich in die schöne Lola, bald haben sie eine heiße Affäre. Doch als er ihr einen Antrag macht, sagt Lola Nein. Die unabhängige Ladenbesitzerin will ihre Freiheit nicht aufgeben. Wie kann Duke sie von sich überzeugen?

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Die muskulösen Beine in einer engen Jeans, den Stetson tief ins Gesicht gezogen: Für Nora ist der sexy Cowboy Mike das Versprechen einer perfekten sinnlichen Nacht. Aber die hübsche Konditorin ist noch Jungfrau - und Mike will nicht ihr erster Mann sein ...

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Olivia ist tabu! Die attraktive Kellnerin erwartet ein Kind von seinem verstorbenen Bruder, nur deshalb lässt Millionär Matt Ransome sie bei sich wohnen. Wie soll er das nur aushalten? Je länger er seine Luxusranch mit Olivia teilt, desto heftiger knistert es zwischen ihnen …

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  • Erscheinungstag 24.09.2019
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727697
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jackie Merrit, Maureen Child, Sara Orwig, Elizabeth Lane

BACCARA JUIBLÄUM BAND 5

1. KAPITEL

Lola Fanon betrachtete zufrieden lächelnd ihre Frisur in dem Spiegel über dem Waschbecken des kleinen Badezimmers in ihrem Laden. Sie mochte ihr neues Aussehen sehr. Früher hatte sie ihr fast schwarzes Haar immer lang, zumindest schulterlang getragen, und dieser kurze, aber raffinierte Schnitt war eine starke Veränderung.

Doch Lola liebte Veränderungen. Erneut lächelte sie ihrem Spiegelbild zu, das ganz ihrer Meinung zu sein schien. Ihre grünen Augen strahlten vor Unternehmungslust, und genau so fühlte sie sich auch. Erst vor drei Monaten hatte sie ihren Laden eröffnet, und es stellte sich immer mehr als kluge Entscheidung heraus. Dabei war ihr Entschluss, sich nach vielen Reisen um die ganze Welt in ihrer Heimatstadt niederzulassen und ein Herrenbekleidungsgeschäft zu eröffnen, wirklich eine enorme Veränderung.

Allerdings war Lola überzeugt, dass diese Neuerung von Dauer sein würde. Letztendlich hatte sie genug von der Welt gesehen, und zum Schluss hatte sie sogar starkes Heimweh bekommen. Heimweh nach Rocky Ford in Montana und nach ihrer Familie. Es war schön, zurück zu sein und wieder bei ihrem Onkel Charlie zu wohnen. Außerdem war es ein besonders befriedigendes Gefühl, Besitzerin eines eigenen Geschäftes zu sein.

Summend griff Lola nach ihrer Handtasche und verließ das kleine Badezimmer. Betty Drake, eine ihrer Teilzeitangestellten, stand hinter der Ladentheke und bediente gerade einen Kunden. Lola ging rasch in ihr Büro im hinteren Bereich des Ladens, verstaute ihre Handtasche in einer Schreibtischschublade und kehrte dann in den Verkaufsraum zurück. Während sie die Waren musterte, achtete sie darauf, ob irgendetwas in Unordnung geraten war. Betty schwatzte mit dem Kunden. Sie kannte fast jeden, der hereinkam, und Lola begann den Stapel Jeans mit zwanzig Prozent Nachlass zu ordnen, den der Kunde offensichtlich durchgesehen hatte.

Als der Mann den Laden mit seinen Tüten verlassen hatte, lächelten Laura und Betty sich zu, und Betty kam hinter der Theke hervor.

„Gutes Geschäft“, sagte sie. „Er hat drei Jeans und zwei Hemden gekauft.“

„Großartig“, erwiderte Lola.

Betty war Ehefrau und Mutter und arbeitete von Montag bis Freitag von acht Uhr bis ein Uhr dreißig, da sie freihaben wollte, wenn ihre drei Kinder aus der Schule nach Hause kamen. Lolas Unterstützung an den Nachmittagen und am Samstag bestand aus Highschoolschülern, die sich als große Hilfe herausstellten. Lola kam mit all ihren Teilzeitkräften gut aus, aber Betty mochte sie besonders. Betty war nur ein paar Jahre älter als sie und hatte einen trockenen Humor, mit dem sie Lola manchmal so zum Lachen brachte, dass diese Seitenstechen bekam.

Eine Frau betrat den Laden, und Betty ging zu ihr, um sie zu begrüßen. Lola war gerade mit den Jeans fertig, als die Ladenglocke erneut ertönte und einen weiteren Kunden ankündigte. Lächelnd drehte sie sich um, und plötzlich lief ihr ein prickelnder Schauer über den Rücken. Der Mann, der hereinkam, war groß und schlank und sah außerordentlich gut aus. Er hatte rotblondes Haar, und seine Haut war sonnengebräunt. Seine Augen konnte Lola nicht sehen, weil sie von einer ziemlich dunklen Sonnenbrille verborgen wurden. Wie die meisten ihrer männlichen Kunden trug er Jeans, Stiefel und ein Hemd im Westernstil. Das war also nicht ungewöhnlich, doch abgesehen von seinem guten Aussehen war da noch etwas anderes, das Lola anzog.

Sie dachte allerdings nicht weiter darüber nach, sondern ging auf den Mann zu. „Guten Morgen.“

Duke Sheridan wandte den Kopf, um zu sehen, wer ihn angesprochen hatte, während er im selben Moment die Sonnenbrille abnahm und sie in die Hemdtasche steckte. Ein gründlicher Blick auf Lola genügte, dass er sich sehr unternehmungslustig und zum Flirten aufgelegt fühlte. Sie war schlank, trug weiße Jeans und eine weite smaragdgrüne Bluse, die sie locker in den Bund ihrer Hose gesteckt hatte. Ihre dunklen Haare waren kurz geschnitten, und die Frisur passte perfekt zu ihrem schönen Gesicht. Ja, dachte er, sie ist schön. Wer war sie? Bevor er den Laden betreten hatte, hatte er geglaubt, alle attraktiven Frauen in der Gegend zu kennen.

Alle attraktiven und ungebundenen Frauen, korrigierte er sich im Stillen. Also musste sie wohl vergeben sein.

Er war zwar kein Frauenheld, doch er lebte schon immer in diesem Teil von Montana, und hier gab es nur wenige fremde Gesichter.

„Morgen“, erwiderte Duke mit einem leicht schiefen Lächeln, das Lola durch und durch ging. „Ich wollte schon lange mal vorbeischauen, seit dieser Laden eröffnet hat.“

Sie standen sich jetzt nah genug gegenüber, dass er das Namensschild auf ihrer Bluse erkennen konnte. Er neigte den Kopf und las laut: „Lola Fanon.“ Dann hob er den Blick und sah ihr in die Augen. „Sind Sie eine von Charlie Fanons Töchtern?“

„Sie kennen Charlie?“

„Jeder kennt Charlie. Lassen Sie mich mal nachdenken. Er hat drei Kinder, wenn ich mich richtig erinnere. Seit einer ganzen Weile habe ich sie aber nicht mehr gesehen.“

„Er hat zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, und eine Nichte“, sagte Lola. „Ich bin die Nichte.“

Duke hob eine Augenbraue. „Tatsächlich? Ich hatte immer den Eindruck, dass … Na ja, Sie wissen schon, was ich meine.“

„Viele Leute dachten, Charlie sei mein Vater, während ich hier aufwuchs. Einige tun das vermutlich heute noch.“

Duke musterte Lolas Gesicht. Ihre ebenmäßige Nase, die verblüffend grünen Augen und der sinnliche Mund verdienten durchaus eine genauere Betrachtung. Er genoss diese unerwartete Begegnung und wollte sie jetzt möglichst lange ausdehnen.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und richtete sich auf einen schönen langen Schwatz ein. „So, Charlie hat Sie also aufgezogen?“

„Ich kam mit neun hierher.“

„Aber wir sind uns nie begegnet, oder?“

„Nicht, dass ich mich erinnere.“ Das stimmte nicht ganz. Der Mann kam Lola vage bekannt vor, obwohl sie ihn nicht einordnen konnte. Es gab natürlich eine ganze Menge Dinge in ihrem Leben, über die sie mit ihm reden könnte, doch eigentlich ging ihn nichts davon etwas an, ob er nun gut aussah oder nicht.

„Gibt es etwas, womit ich Ihnen behilflich sein kann?“, fragte sie, während sie auf die Waren im Laden wies.

Er lächelte. „Wissen Sie, da gibt es vielleicht tatsächlich etwas. Ich glaube, ich habe etwas verloren, als ich hereinkam.“

„Pardon?“

„Ja, genau hier scheint plötzlich ein leerer Fleck zu sein.“ Er deutete auf die linke Seite seiner Brust. „Ich glaube, ich vermisse ein Stück meines Herzens. Haben Sie es vielleicht?“

Sie errötete. Was für eine unerhörte Art zu flirten! Aber sie hatte mit dieser Sorte Männer schon öfter zu tun gehabt. „Ich glaube, wenn Sie tatsächlich einen Teil Ihres Körpers vermissen, dann stammt er von einer Stelle, die wesentlich höher als Ihre Brust liegt.“

Duke lachte laut auf. Er mochte geistreiche Frauen. „Könnte es sein, dass Sie auf mein Gehirn anspielen, Lola Fanon? Ach, übrigens, ich bin Duke Sheridan.“ Er reichte ihr die Hand.

Lola blickte auf seine Hand. Jetzt wusste sie wenigstens, wer er war oder vielmehr, was er war. Ein Rancher. Die Sheridan-Ranch war eine der größten und erfolgreichsten in der Gegend. Zumindest war das so gewesen, als sie Rocky Ford verlassen hatte.

Aber wollte sie diese große männliche Hand wirklich berühren, auch wenn es nur um ein Händeschütteln ging? Betty kümmerte sich gewissenhaft um ihre Kundin, wirkte dabei jedoch auch sehr interessiert an dem, was neben dem Tisch mit den herabgesetzten Jeans vorging.

„Nun“, meinte Duke besänftigend. „Haben Sie keine Angst, meine Hand zu schütteln. Ich beiße nicht.“

Herausfordernd hob Lola das Kinn und begegnete dem Blick seiner braunen Augen, während sie seine Hand nahm.

Er lachte. „Ich jage Ihnen doch wohl keinen Schrecken ein, oder?“

„Nicht im geringsten.“ Trotzdem erlaubte sie es sich nicht, dass der Händedruck länger als ein paar Sekunden dauerte. „Nun, darf ich Ihnen irgend etwas zeigen, Mr. Sheridan?“

„Eine ganze Menge, Miss Fanon, wenn Sie wollen.“

Seine dunkle Stimme jagte ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken, doch sie tat ihr Bestes, das zu ignorieren. „Ich zeige Ihnen gern alles, was in diesem Laden zu verkaufen ist, Mr. Sheridan.“

Schmunzelnd ging er zu einem Regal mit Hüten. „Sie haben hier recht gute Ware.“ Er nahm einen Hut aus dem Gestell und setzte ihn auf. „Was halten Sie davon?“

„Der ist wie für Sie gemacht“, erklärte sie gedehnt, was schlichtweg gelogen war. Der schwarze Hut, den er gewählt hatte, war ziemlich groß, ungefähr fünfundzwanzig Zentimeter hoch mit einem breiten weichen Rand und sah einfach lächerlich auf seinem Kopf aus.

Duke lachte, als hätte sie etwas Lustiges gesagt. Dann legte er den Hut zurück auf das Gestell und griff nach einem anderen, einem cremefarbenen Stetson. „Ich glaube, mir gefällt dieser hier.“

Das fand auch Lola. Trotzdem behauptete sie mit einem honigsüßen Lächeln: „Der schwarze Hut stand Ihnen viel besser.“

„Ja, ich weiß.“ Er ließ den hellen Hut auf und ging zu einem Ständer mit Hemden. Während er sie durchsah, fragte er: „Wem gehört der Laden?“

„Mir.“

Er warf ihr einen Blick zu. „Dann sind Sie also eine Geschäftsfrau. Oder sollte ich lieber Unternehmerin sagen?“

Lola zuckte die Schultern. „Sie können sagen, was Sie wollen.“

„Na, das nennt man ein Angebot. Meinen Sie das auch ehrlich?“

„Ich spreche von meiner Berufsbezeichnung, Mr. Sheridan.“

„Duke. Ich habe mich entschieden, Sie Lola zu nennen, deshalb dürfen Sie Duke zu mir sagen.“

„Männliche Logik. Warum überrascht mich das nicht?“

„Vielleicht, weil Sie nicht leicht zu überraschen sind.“ Er strahlte sie an. „Außerdem könnte es doch sein, dass Sie genauso überwältigt von mir sind wie ich von Ihnen.“

„Oh, bitte“, sagte sie, wobei sie sich bemühte, verächtlich zu klingen. „Männer überwältigen mich nicht, Mr. Sheridan.“

„Nicht einmal hin und wieder?“, fragte er scherzend, während er drei Hemden aus dem Ständer zog. „Die nehme ich, zusammen mit dem Hut“, erklärte er dann, bevor sie auf seine alberne Frage antworten konnte.

Lola nahm die Hemden entgegen. Sie war ehrlich überrascht, dass er tatsächlich etwas wollte.

„Und diese beiden“, fügte er hinzu und legte sie zu den drei Hemden, die sie bereits hielt.

„Möchten Sie sie gern anprobieren?“, erkundigte sie sich.

„Nicht nötig. Sie passen. Mal schauen, was Sie sonst noch haben.“ Er ging zu dem Bereich mit den nicht reduzierten Jeans. Die Hände in die Hüften gestemmt, begutachtete er die vollen Regale. „Gutes Größenangebot. Für kleine Männer, für große Männer …“ Er lächelte sie an. „Jeder kann hier kaufen.“

„Diese Idee steckt dahinter.“ Sein Lächeln gefiel ihr so gut, dass sie auf der Hut sein sollte. Trotzdem ertappte sie sich dabei, dass sie auf das nächste wartete. Eigentlich genoss sie es mit einem außergewöhnlichen Mann zu flirten, wie das jeder Frau so gegangen wäre. Doch eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf hörte nicht auf, sie zu warnen. Soweit Lola sich an die Sheridans erinnerte, munkelte man sowohl über den Vater als auch über den Sohn, dass sie immer bekamen, was sie wollten. Im Übrigen war es ziemlich wahrscheinlich, dass Duke mit jeder einigermaßen attraktiven Frau, die ihm über den Weg lief, so flirtete wie mit ihr. Also sollte sie sich deswegen wohl nicht zu viele Gedanken machen.

„Ich bringe diese Hemden zur Kasse, während Sie sich umsehen“, erklärte sie ihm. „Möchten Sie, dass ich den Hut auch mitnehme?“

„Danke, aber er soll bleiben, wo er ist.“

„Gut.“ Sie ging zur Kasse und hängte die Hemden auf ein Gestell dahinter.

Betty entschuldigte sich kurz bei ihrer Kundin und eilte zu Lola. „Weißt du, wer das ist?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme.

„Er hat sich mir vorgestellt. Ich erinnerte mich dann an den Namen, aber nicht an ihn.“

„Er ist der begehrteste Junggeselle im Land“, flüsterte Betty. „Sei nett zu ihm.“ Mit einem strahlenden Lächeln kehrte sie zu ihrer Kundin zurück.

Lola sah, dass Duke aus einem Regal mehrere Jeans zog. Offensichtlich hatte er seine Größe gefunden. Sie holte tief Atem und ging wieder zu ihm. „Diese Jeans sind …“

„Verkaufstaktiken sind nicht notwendig. Ich nehme vier Stück.“

„Oh.“

„Wie ich sehe, führen Sie auch Stiefel.“ Duke ging zu der Ecke mit Stiefeln.

„Nicht viele, Mr. Sheridan. Ich habe jedoch vor, die Schuh- und Stiefelabteilung zu vergrößern. Aber im Moment ist die Auswahl begrenzt.“

„Diese hier sind gut.“ Er griff nach einem grauen Lederstiefel und musterte ihn. „Haben Sie die auch in Größe zwölf?“

„Das wäre möglich. Ich werde nachsehen.“ Sie eilte in den Lagerraum und überflog die Schuhkartons. Erfreut kehrte sie dann mit den Stiefeln in Größe zwölf zurück. „Bitte nehmen Sie Platz. Stiefel muss man richtig anprobieren. Abhängig von Stil und Marke fallen sie oft sehr unterschiedlich aus, und Stiefel sollten perfekt passen.“

„Tatsächlich?“

Sie errötete leicht. Wahrscheinlich trug er schon sein ganzes Leben lang Stiefel und brauchte bestimmt keinen Rat, wie gut sie passen sollten.

„Entschuldigen Sie“, sagte er. „Ich habe bloß gescherzt – weil ich mag es, wenn Sie rot werden.“ Er setzte sich auf einen der drei Stühle, die Lola in die Schuhecke gestellt hatte. „Werden Sie sie mir anziehen?“

„Nein, das tun Sie selbst.“ So, er mochte es also, wenn sie rot wurde. Aus irgendeinem Grund ärgerte sie das. Sie öffnete den Schuhkarton, nahm die Stiefel heraus und entfernte das Papier in ihnen. „Hier, bitte“, sagte sie, während sie die Stiefel neben seinen Füßen auf den Boden stellte.

Schmunzelnd zog Duke seine Stiefel aus und die neuen an. Anschließend stand er auf und betrachtete sich im Spiegel. „Was denken Sie?“

„Sie sehen toll aus, aber wie fühlen sie sich an?“

„Wie neue Stiefel.“ Er lachte kurz auf. Dann sah er Lola an und meinte so leise, dass weder Betty noch die Kundin ihn hören konnten: „Sie sind wirklich ein hübsches kleines Ding.“

Lola räusperte sich. „Danke. Um auf die Stiefel zurückzukommen …“

„Ich würde mich viel lieber über Sie unterhalten. Was halten Sie davon, mit mir jetzt eine Tasse Kaffee in dem Lokal nebenan zu trinken?“

„Danke, aber ich kann hier nicht weg.“

„Aber sicher können Sie das. Sie sind doch die Besitzerin, oder nicht? Sie können tun, was Sie wollen.“ Duke nahm wieder Platz und zog die Lederstiefel aus. „Ich nehme sie.“

Er hatte noch nicht nach dem Preis gefragt. „Sie kosten dreihundertfünfundsiebzig Dollar“, informierte ihn Lola.

Er zuckte die Schultern. „Wie steht’s jetzt mit dem Kaffee?“

Lola hob die Stiefel auf und legte sie zurück in den Schuhkarton, während Duke seine alten Stiefel anzog.

„Tut mir leid, aber ich kann den Laden wirklich nicht verlassen.“ In diesem Augenblick läutete das Telefon, und da sich ihr Büro direkt neben der Schuhecke befand, rief sie Betty zu: „Ich geh’ schon rann. Bitte entschuldigen Sie mich, Mr. Sheridan. Es wird nicht lange dauern.“

„Nehmen Sie sich Zeit, Schätzchen. Ich bin die Ruhe in Person und habe es nicht eilig.“

Seine forsche Antwort brachte sie dagegen etwas aus der Ruhe. Während ihrer Studienzeit und auf ihren Reisen hatte sie natürlich einige faszinierende Männer kennengelernt. Doch keiner war mit Duke Sheridan zu vergleichen.

Lola ließ die Bürotür hinter sich angelehnt und nahm den Telefonhörer ab. „Men’s Western Wear“, meldete sie sich.“

„Miss Fanon? Hier spricht Naomi Pritchard, die Direktorin der Lewis-and-Clark-School. Dürfte ich bitte mit Betty Drake sprechen? Ich fürchte, wir haben hier einen kleinen Notfall. Ihr Sohn Brian ist gestürzt und hat sich verletzt. Die Schulkrankenschwester glaubt, sein Arm könnte gebrochen sein.“

„Ich hole Betty sofort.“ Lola legte den Hörer beiseite, und da sie nicht durch den ganzen Laden nach Betty rufen wollte, ging sie zu ihr. „Betty, die Schuldirektorin möchte dich am Telefon sprechen.“

Bettys Blick drückte Erschrockenheit aus, doch sie sagte ruhig zu ihrer Kundin: „Bitte entschuldigen Sie mich, Mrs. Callahan.“

„Aber sicher, Betty. Ich bin sowieso fertig. Lola kann doch kassieren.“

Mrs. Callahan hatte sich eine auffallende Gürtelschnalle aus Silber ausgesucht, die mit Türkisen verziert war. Als Betty nun davoneilte, legte Lola das Schmuckstück in eine kleine Schachtel.

„Das ist ein Geburtstagsgeschenk für meinen Mann. Ich bin sicher, dass ihn die Gürtelschnalle begeistern wird“, erklärte Mrs. Callahan. „Würden Sie sie bitte hübsch verpacken?“

„Das tue ich gern“, erwiderte Lola. Mit einem raschen Blick stellte sie fest, dass Duke sich weiter in dem Geschäft umsah, und tippte den Preis für die Gürtelschnalle in die Registrierkasse ein.

Betty kehrte mit ihrer Handtasche aus dem Büro zurück. „Ich muss weg, Lola.“

Lola nickte. „Ich weiß. Mrs. Pritchard hat mir alles erklärt. Mach dir wegen des Ladens keine Sorgen.“

Betty war bereits an der Tür. „Dann bis morgen früh.“

„Nur, wenn alles in Ordnung ist“, rief Lola ihr nach. „Und gib mir Bescheid, wie es Brian geht.“

„Mach’ ich.“

Ein paar Minuten später, während sie gerade Mrs. Callahans Geschenk in hübsches grün-silbernes Papier verpackte, hörte Lola erneut die Türglocke läuten. Als sie aufsah, stellte sie fest, dass Duke gerade den Laden verließ. Dabei hatte er noch immer den Stetson auf. Stirnrunzelnd versuchte sie, sich auf das zu konzentrieren, womit sie gerade beschäftigt war. Aber sie fragte sich doch, weshalb er wegging, ohne zu bezahlen.

Oder hatte er vergessen, dass er den Hut noch trug?

2. KAPITEL

Minuten später dachte Lola immer noch besorgt über Duke Sheridans plötzliches Verschwinden nach, als Duke mit zwei großen Plastikbechern zurückkam. Er ging zur Ladentheke und reichte ihr einen Becher.

„Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg kommen“, erklärte er und zog Päckchen mit Kaffeesahne, Zucker und zwei kleine Löffel zum Umrühren aus der Brusttasche seines Hemdes. „Ich wusste nicht, wie Sie Ihren Kaffee mögen, deshalb habe ich von allem etwas mitgebracht.“

„Ich mag ihn mit Milch, danke.“ Lola stellte den Becher auf die Theke, nahm den Deckel ab und schüttete ein Päckchen Kaffeesahne hinein. Während sie den Becher dann an die Lippen hob, musterte sie Duke. Es wird nicht leicht werden, ihn abzuschrecken, dachte sie und überlegte gleichzeitig, ob sie ihn überhaupt abschrecken wollte. Nun, er geht scharf rann. Aber fühlst du dich durch sein starkes Interesse nicht mehr geschmeichelt als abgestoßen?

„Betty hatte es ziemlich eilig“, sagte er.

„Die Schuldirektorin rief an. Bettys Sohn ist gestürzt, und die Schulkrankenschwester glaubt, dass der Junge sich vielleicht den Arm gebrochen hat.“

„Das passiert schon mal bei wilden Kindern. Ich habe mir selbst ein paar Knochen gebrochen, als ich heranwuchs.“ Er trank einen Schluck Kaffee. „Und Sie?“

„Ich habe mir noch nie etwas gebrochen.“

„Dafür um so mehr die Herzen anderer, da würde ich wetten.“ Er lachte.

„Richtig“, bestätigte sie es mit unbeweglicher Miene, obwohl das nicht stimmte. Soweit sie wusste, hatte sie niemandes Herz gebrochen. Doch Duke hatte sie offensichtlich bereits in der Schublade der männermordenden Frauen abgelegt, und weshalb sollte sie sein Bild von ihr zerstören? Im Übrigen beruhte es auf Gegenseitigkeit. Wenn hier jemand ein Herzensbrecher war, dann doch wohl er. Ein Mann mit einem solchen Lächeln, der noch dazu so unverschämt flirtete, musste ganz einfach ein Herzensbrecher sein.

Betty hatte ihn als begehrtesten Junggesellen im Land bezeichnet. Folglich war er ein Mann, der ein wahres Geschick darin entwickelt hatte, feste Beziehungen zu vermeiden. Er würde mit ihr, Lola, spielen – oh ja, das würde er sicher –, doch er würde niemals bleiben. So attraktiv Duke auch war, und sosehr ihr seine Kühnheit imponierte, sie musste unbedingt vorsichtig bleiben.

Doch auf einmal schien er sich direkt vor ihren Augen in einen völlig anderen Menschen zu verwandeln. Er trank noch einen Schluck Kaffee und fragte dann mit einer Stimme, die sowohl leichte Neugier als auch Betroffenheit ausdrückte: „Was geschah mit Ihren Eltern, Lola?“

Überrascht blinzelte sie und fragte sich, wie eine solche Änderung so rasch möglich war. Aber dann nahm sie sich zusammen und antwortete: „Sie starben bei einem Autounfall.“

„Und Charlie hat Sie dann bei sich aufgenommen?“

„Mein Vater war Charlies einziger Bruder. Sie standen sich sehr nah.“

„Ein tragischer Tod. Meine Mutter starb, als ich fünf war. Deshalb erinnere ich mich kaum an sie. Vor drei Jahren starb mein Vater.“

„Das tut mir leid. Als Sie mir Ihren Namen sagten, habe ich mich vage an ein paar Bemerkungen über die Sheridans erinnert, über Vater und Sohn.“

„Dann wissen Sie also, dass ich auf einer Ranch lebe?“

„Ja, Sie sind Viehzüchter.“

Er musterte sie eindringlich. „Und Sie sind Ladenbesitzerin. Wie gefällt Ihnen dieser Job?“

„Er gefällt mir sehr.“

„Aber bevor Sie dieses Geschäft aufmachten, waren Sie lange Zeit nicht in Rocky Ford. Wo sind Sie da gewesen?“

„Zuerst war ich auf dem College und anschließend an zu vielen Orten, um sie aufzuzählen. Ich bin viel herumgereist.“

„Jahrelang?“

„Genau. Jahrelang.“ Sein verdutzter Gesichtsausdruck brachte sie zum Lachen. „Ich war nicht jeden Tag unterwegs. Ab und zu habe ich auch gejobbt. Zum Beispiel acht Monate in einer Boutique in Paris und ungefähr ein Jahr in einer kleinen Konditorei in London.“

„Eine richtige Weltreisende also. Ich dachte, Sie sprächen lediglich von Amerika.“

„Nun, ich bin auch in Amerika herumgekommen. Aber vor einem Jahr bekam ich plötzlich Heimweh.“

„Und dann sind Sie Ladenbesitzerin geworden. Sind Sie so unwahrscheinlich wohlhabend?“ Duke hatte Charlie Fanon niemals für reich gehalten. Doch Lola konnte ja etwas von ihren Eltern geerbt haben.“

Lola lachte. „Nein, ich war nie das, was man wirklich wohlhabend nennt. Allerdings brachte der Besitz meiner Eltern genügend Geld für meine Ausbildung, und mir blieb noch etwas übrig. Schon als Teenager träumte ich davon, etwas von der Welt zu sehen, und diesen Traum habe ich mir erfüllt.“ Stolz blickte sie sich in ihrem Laden um. „Mit dem restlichen Geld habe ich dieses Geschäft eröffnet.“

„Aber warum einen Laden für Männer? Man sollte meinen, eine Frau würde lieber hübsche Kleider an andere Frauen verkaufen.“ Er musterte sie mit einem amüsierten Lächeln. „Mit dieser Annahme liege ich offenbar falsch, richtig?“

„Sehr falsch.“ Sie sah ihm direkt in die Augen. „Mir gefallen Männer eben viel besser als Frauen, Mr. Sheridan.“

Duke schmunzelte. „Ich bewundere ihre Offenheit.“

„Tatsächlich?“

„Ganz bestimmt.“ Er strahlte sie an. „Natürlich gibt es da noch eine Reihe anderer Dinge, die ich genauso an Ihnen bewundere.“ Sie merkte, dass er ein paar Sekunden lang ihre Brüste betrachtete, bevor er den Blick erneut zu ihrem Gesicht hob. „Sie sind wirklich sehr schön“, sagte er ernst.

„Mit Schmeicheleien kommen Sie bei mir nicht weiter, Mr. Sheridan“, erwiderte sie und konnte leider nicht verhindern, dass ihre Stimme dabei leicht belegt klang.

„Das sind keine Schmeicheleien. Ich meine ehrlich, was ich sage.“

„Tatsächlich?“

Schweigend blickten sie sich in die Augen, und Lola brauchte eine Minute, um das Gefühl zu verdrängen, dass Duke und sie ganz allein auf der Welt waren. Sogar ihr Laden schien verschwunden zu sein.

Abrupt blickte sie dann weg und trank den letzten Rest ihres Kaffees aus. „Nun, ich muss jetzt wieder arbeiten“, erklärte sie energisch und warf den Plastikbecher in den kleinen Abfallkorb neben der Theke. „Mal schauen, Sie wollten also den Hut, diese Hemden und die Jeans.“

„Und die Stiefel“, erinnerte Duke sie. „Lola, wollen Sie heute Abend mit mir essen gehen?“

„Heute Abend? Äh, nein … nicht heute Abend.“

„Zu schnell, was? Wie wäre es dann mit morgen Abend?“ Als sie keine Antwort gab, fügte er hinzu: „Ich warne Sie. Ich werde mich häuslich auf Ihrer Schwelle niederlassen, bis Sie ja sagen.“

Sie lachte. „Wirklich, Mr. Sheridan …“

„Duke.“

„Also gut, Duke. Aber ich warne Sie ebenfalls, dass ich nicht sehr freundlich auf Erpressung reagiere.“

„Dann sagen Sie jetzt am besten sofort ja, und wir vermeiden das Feilschen. Sie dürfen Zeit und Ort bestimmen.“

„Wie überaus freundlich“, erwiderte sie ironisch.

Er lächelte sie an. „Aber nicht doch, ich bin ein sehr zuvorkommender Mensch.“

„Wissen Sie, aus irgendeinem Grund kann ich das nicht ganz glauben. Mir kommt es so vor, dass Sie nicht eher aufgeben, bis Sie haben, was Sie wollen.“

Lachend ging er ein paar Schritte von der Theke weg und kehrte dann zurück. „Schätze, Sie haben mich durchschaut.“

„Macht Ihnen das etwas aus?“

„Überhaupt nicht – ich durchschaue Sie ja auch.“

„Das glauben Sie auch nur“, gab Lola zurück.

Er beugte sich über die Theke und berührte ganz leicht den Kragen ihrer Bluse. „Nennen Sie Zeit und Ort, Lola“, sagte er mit seiner dunklen Stimme.

Zwei Männer betraten den Laden, und sie konnte nicht länger untätig herumstehen und mit Duke Sheridan einen Wortwechsel führen.

„Ich merke schon, Sie werden nicht aufgeben“, sagte sie leise. „Also dann am Freitag Abend. Und ich möchte ins Kino gehen, nicht zum Essen. Ich wohne bei Charlie, Sie können mich dort um acht Uhr abholen.“

Mit zufriedenem Gesichtsausdruck nahm Duke die Hände von der Theke und richtete sich auf. „Ich werde pünktlich sein. Nun dürfen Sie meine Einkäufe kassieren, Lola, meine Hübsche. Ich muss nämlich zur Ranch zurück.“

Charlie hatte gerade das Abendessen fertig, als Lola um halb sieben Uhr nach Hause kam. „Irgendetwas riecht hier sehr gut“, bemerkte sie nach einer fröhlichen Begrüßung.

„Selbst gemachter Gemüseeintopf mit Rindfleisch“, verkündete Charlie stolz.

„Wundervoll. Ich lege nur rasch meine Handtasche weg und mache mich frisch. In einer Sekunde bin ich zurück.“

Während Lola durch Charlies großes altes Haus lief, wurden Erinnerungen in ihr wach. Sie kam an Serenas und Rons Zimmern vorbei und dachte daran, wie lästig sie es als Kinder immer gefunden hatten, sich vor dem Abendbrot die Hände waschen zu müssen. Serena und Ron waren Charlies Tochter und sein Sohn, also ihre Cousine und ihr Cousin. Doch sie liebte sie, als wären sie ihre Schwester und ihr Bruder.

Inzwischen war Ron beim Militär und in Deutschland stationiert. Er gehörte dort zu einer Spezialeinheit, und alles, was er tat, war zur Bestürzung der gesamten Familie zu geheim, als dass er mit jemandem darüber reden durfte. Er war verheiratet mit einer hübschen zierlichen Frau namens Candace, und sie hatten einen kleinen Sohn, den die übrige Familie bisher nur von Fotos kannte.

Das letzte Mal hatte sie Ron bei seiner Hochzeit gesehen. Damals war er in South Carolina stationiert, und die ganze Familie war angereist, um an der Hochzeit teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit hatte sie auch Serena wiedergesehen.

Serena studierte Jura an der Georgetown University. Fasziniert von Washington, D.C., und der Politik hatte sie außerdem einen Teilzeitjob im Büro eines Senators angenommen. In einem ihrer Briefe hatte sie sich selbst humorvoll als den Laufburschen der Sekretärin der Assistentin des Senators bezeichnet. Ich bin für alles zuständig und gleichzeitig für alle wichtigen Personen unsichtbar, aber ich liebe diese Arbeit, hatte sie geschrieben.

Ob Ron oder Serena wohl jemals nach Rocky Ford zurückkehren? fragte sich Lola, während sie sich die Hände wusch. Es wäre so schön, wenn sie alle wieder einmal zusammenkämen. Außerdem würde Charlie sich riesig freuen, alle seine Kinder bei sich zu haben, selbst wenn es nur für einen kurzen Besuch wäre.

Nun, zumindest war sie, Lola, hier. Sie bürstete sich das Haar. Als sie nach Rocky Ford zurückgekommen war, hatte sie erwähnt, sich eine Wohnung zu suchen, woraufhin Charlie ganz bleich geworden war. „Nein, Liebling, nein!“, hatte er widersprochen. „Ich bin doch so froh, dass du wieder da bist. Du musst bei mir bleiben. Lass einem alten Mann seinen Willen, Lola.“

Er ist nicht alt, sondern schlau, dachte sie lächelnd. Wie Duke Sheridan so schön gesagt hatte, jeder kannte Charlie Fanon. Dem konnte sie nur hinzufügen, dass auch jeder Charlie Fanon mochte. Er war eine Persönlichkeit. Sein Haar wurde langsam schütter, und er hatte einen kleinen Bauch angesetzt, doch mit seinem herzlichen, ansteckenden Lachen und seinem freundlichen Wesen war er ein sehr liebenswerter Mensch.

Sie hatte sich dann auch keine eigene Wohnung genommen, und sie wohnte sehr gern wieder bei Charlie. Ihr altes Zimmer sah noch genau so aus, wie sie es verlassen hatte. Obwohl sie deswegen in den nächsten Tagen etwas unternehmen wollte, denn eine Jungmädcheneinrichtung passte nun wirklich nicht mehr zu ihr. Trotzdem war es etwas ganz Besonderes für sie zu wissen, dass ihr eigenes kleines Reich sich immer hier befunden hatte, sogar während sie selbst auf der anderen Seite des Erdballs gewesen war.

Als sie nun in die geräumige, im ländlichen Stil eingerichtete Küche zurückkehrte, fragte sie Charlie: „Kann ich dir mit irgendetwas zur Hand gehen?“

„Nein. Ich bin mit allem fertig.“ Er stellte zwei Teller mit dampfendem Eintopf auf den Esstisch.

Sie setzten sich, und Charlie lächelte seine Nichte an. „Lang ordentlich zu, aber sei vorsichtig. Das Essen ist heiß.“

Lola probierte einen Löffelvoll. „Hmmm, einfach köstlich dein Eintopf.“ Sie brach sich ein Stück von dem knusprigen französischen Weißbrot ab, das in einem Brotkorb zwischen ihr und Charlie lag. „Wie war denn dein Tag im Geschäft?“

„Großartig. Einfach großartig“, antwortete Charlie.

Sie lächelte. Für Charlie war jeder Tag großartig. Er entdeckte in jedem, dem er begegnete, etwas Gutes, und er machte immer das Beste aus allem. Die meisten seiner Kunden waren ältere Herren, die auf eine Tasse Kaffee, einen Donut und zum Schwatzen hereinschauten. Sie kauften ihre Tageszeitung bei Charlie und ihre Lieblingszeitschriften. Sein Geschäft brachte mit Sicherheit keinen großen Gewinn. Doch nachdem er in den Ruhestand getreten war, hatte er das große Zimmer im Eingangsbereich des Hauses renoviert und dort einen kleinen Laden eröffnet. Bis dahin hatte er bei der Telefongesellschaft als Techniker gearbeitet und das schon, seitdem er von Kalifornien nach Montana gezogen war.

„Und wie war dein Tag?“, fragte er nun sie.

„Das Geschäft lief sehr gut. Seitdem ich eröffnet habe, war das einer der besten Tage. Die meiste Ware hat heute ein einziger Kunde gekauft. Charlie, kennst du eigentlich Duke Sheridan?“

Charlie nickte. „Natürlich kenne ich ihn. Warum? War er heute im Laden?“

„Allerdings. Was weißt du denn so über ihn?“

„Über Duke? Lass mich mal nachdenken. Er ist ein erfolgreicher Rancher, arbeitet hart und ist sehr zurückhaltend.“

„Wie bitte? Zurückhaltend? Charlie, so wie Duke mit mir geflirtet hat, ist er der größte Playboy, dem ich je begegnet bin.“

„Duke ein Playboy? Das habe ich noch nie von ihm gehört. Aber, na ja, schließlich kenne ich ihn nur vom Sehen. Allerdings glaube ich, wenn er diesen Ruf hätte, wäre das überall im Ort bekannt.“ Charlie hob die Augenbrauen und grinste. „Er hat also mit dir geflirtet? Wahrscheinlich hat er sich gedacht, dass du das hübscheste Ding bist, das er je gesehen hat.“

„So etwas Ähnliches hat er behauptet“, erwiderte Lola trocken. Dann änderte sie jedoch den Tonfall. „War er jemals verheiratet?“

„Nicht dass ich wüsste. Obwohl ich mich erinnere, dass er und ein Mädchen namens Tess Hunnicutt eine Zeit lang zusammen waren. Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir ein, dass ich Tess schon lange nicht mehr gesehen habe. Vielleicht hat sie die Stadt verlassen.“

Wahrscheinlich mit gebrochenem Herzen, dachte Lola. Denn trotz Charlies guter Meinung von Duke hielt sie diesen Mann noch immer für einen Herzensbrecher.

„Übrigens hat er mich zum Abendessen eingeladen. Er bestand darauf, um genau zu sein. In diesem Augenblick kamen gerade Kunden herein. Betty hatte früher gehen müssen, weil ihr Sohn sich in der Schule den Arm gebrochen hat. Sie hat mich inzwischen aus dem Krankenhaus angerufen. Der Arm wurde gerichtet und in Gips gelegt. Brian geht es wieder gut, und Betty wird morgen früh wieder zur Arbeit kommen. Aber wie du dir vorstellen kannst, war ich ziemlich im Stress. Duke wollte unbedingt mit mir ausgehen, und um ihn loszuwerden, sagte ich schließlich ja.“

„Eine Verabredung mit Duke Sheridan ist bestimmt nicht das Schlechteste, was dir widerfahren kann, mein Schatz.“

„Mag sein, aber vielleicht habe ich auch einen Fehler gemacht.“ Lola runzelte die Stirn, als sie daran dachte, wie Duke sie unter Druck gesetzt hatte, auch wenn er das auf eine charmante Weise getan hatte. Zugegeben, sie hatte sich geschmeichelt gefühlt. Schließlich war er einer der bestaussehendsten Männer, denen sie je begegnet war: Doch möglicherweise war er sich seiner selbst ein wenig zu sicher und kehrte zu sehr den Macho heraus. Außerdem stand eine Beziehung mit einem Mann nicht gerade an oberster Stelle ihrer Prioritätenliste, obwohl sie eines Tages schon heiraten und eine Familie gründen wollte. Allerdings schien Duke nicht zu dem Bild zu passen, das sie sich von ihrem zukünftigen Lebenspartner machte.

Andererseits wusste sie gar nicht, was für eine Art Mann zu einem Bild passen würde, von dem sie selbst noch keine Vorstellung hatte.

„Wie alt ist er denn, Charlie? Weißt du das?“

Charlie schüttelte den Kopf. „Da kann ich bloß raten. Wahrscheinlich ist er um die fünfunddreißig, oder was würdest du sagen?“ Er lachte. „Ein gutes Alter für einen Mann, um einen Hausstand zu gründen.“

Nun lachte sie. „Eine Verabredung ist doch kein Anzeichen dafür, dass ein Mann einen Hausstand gründen will, Charlie Fanon.“

„Nein, aber jeder Mann, der jemals geheiratet hat, fing es mit einer Verabredung an, Lola Fanon.“

„In Gedanken hast du uns anscheinend bereits verheiratet. Dabei dachte ich, Duke wäre von der schnellen Sorte. Doch du schlägst ihn ja noch um Längen.“

Sie mussten nun beide lachen.

„Also ich bin überzeugt, in der nächsten Zeit wird schon irgendein Mann dein Herz im Sturm erobern, mein Schatz. Und wie ich bereits sagte, du könntest es schlechter treffen als mit Duke Sheridan. Für wann habt ihr euch denn verabredet?“

„Freitagabend. Er wird mich um acht Uhr abholen.“

Charlie zwinkerte ihr zu. „Vielleicht sollte ich ihn fragen, was seine Absichten sind.“

„Vielleicht frage ich ihn gleich selbst danach“, erwiderte Lola rasch.

Charlie grinste. „Das würdest du tatsächlich tun, nicht wahr?“

„Darauf kannst du wetten. Ein Annäherungsversuch, und Duke kann sich auf ein paar saftige Backpfeifen gefasst machen.“

„Das ist mein Mädchen“, sagte Charlie beifällig. „Zeig ihm nur gleich, wo’s langgeht.“

„Das habe ich auch vor.“

In dieser Nacht, als Lola im Bett lag, überlegte sie, wie viel an ihrer Behauptung stimmte. Falls Duke einen Annäherungsversuch unternehmen würde, würde sie ihn dann tatsächlich abweisen? Eigentlich fand sie ihn doch sehr anziehend, und abhängig davon, wie der Abend verlief, wollte sie einen Gutenachtkuss nicht grundsätzlich auszuschließen.

Ich werde einfach abwarten müssen, wie sich die Sache entwickelt, dachte sie und gähnte. Dann drehte sie sich auf die Seite und schloss die Augen. Während sie einschlief, sah sie Dukes braune Augen und sein unglaublich verführerisches Lächeln vor sich.

In seinem Bett auf der Ranch starrte Duke in die Dunkelheit und dachte an Lola Fanon. Er war in ihren Laden gekommen, um sich nur umzusehen, und nicht, um Kleidung zu kaufen, die er überhaupt nicht brauchte. Diesen Hut, zum Beispiel. In seinem Schrank befanden sich fünf Stetsons in verschiedenen Farben, sechs, wenn man den neuen mitrechnete, und ganz sicher brauchte er kein weiteres Paar Stiefel.

Aber sobald er Lola gesehen hatte, war er so hingerissen von ihr gewesen, dass er wie ein liebeskranker Teenager irgendwelche Dinge gekauft hatte, nur damit sie mit ihm redete. Sie war verflixt hübsch und außerdem klug. Und mutig. Wenn man sich vorstellte, dass sie alleine in der ganzen Welt herumgereist war … Er fragte sich, ob er jemals eine faszinierendere Frau kennengelernt hatte.

„Nein“, sagte er laut zu sich selbst. „Wahrscheinlich wird es auch keine geben, die Lola übertreffen kann.“

Er begehrte sie. Das spürte er ganz deutlich. Doch ihn hielt mehr wach als rein körperliches Verlangen. Er mochte Lola. Er mochte ihren wachen Verstand und ihre selbstbewusste Art. Ihm gefiel, wie sie sich bewegte und wie sie ihren Kopf hielt. Das zeugte von Courage. Der einzige Aspekt ihrer Persönlichkeit, den er ein klein wenig störend fand, war der starke Drang zur Unabhängigkeit, den sie ausstrahlte.

Doch darüber sollte ein Mann eigentlich hinwegsehen können, nicht wahr? Besonders wenn alles andere an einer Frau nahezu perfekt war.

Seufzend zwang er sich, Lolas Bild aus seinem Kopf zu vertreiben, und dachte stattdessen an die Ranch und die Arbeiten, die morgen zu erledigen waren. Auf der Ranch waren drei Ganztagskräfte beschäftigt und June und Rufe Hansen. June kümmerte sich um den Haushalt und die Mahlzeiten, und ihr Mann Rufe packte überall dort mit an, wo es nötig war. Rufe kümmerte sich um das Land, machte sämtliche Reparaturen im Haus, wartete die Fahrzeuge und erledigte auch jeden anderen Job, der gerade anfiel.

Die Hansens waren vor ungefähr fünfzehn Jahren von seinem Vater, Hugh Sheridan, eingestellt worden und gehörten praktisch zur Familie. Eigentlich waren sie die einzige Familie, die er noch hatte. Sie waren außerdem die Einzigen, die außer ihm noch auf der Ranch wohnten. Hugh hatte ihnen eine halbe Meile vom Haupthaus entfernt ein kleines Haus gebaut, um für sie und auch für sich selbst ein wenig Privatsphäre zu schaffen. Die Sheridan-Ranch umfasste mehr als viertausend Acres erstklassiges Weideland, weshalb es keinen Grund gab, eng aufeinander zu wohnen.

Das Haupthaus hatte ebenfalls sein Vater gebaut, das er, Duke, nun ganz allein bewohnte. Er unterschied sich sehr von seinem alten Herrn. Der hatte dieses große Haus mit den vielen Schlafräumen und Badezimmern errichtet, damit er sich Gäste einladen konnte, was er dann auch oft getan hatte. Seit seinem Tod hatte kein Gast mehr die Nacht auf der Sheridan-Ranch verbracht, nicht einmal Tess Hunnicutt, mit der er eine Zeit lang gegangen war.

Bei dem Gedanken an Tess runzelte Duke die Stirn. Beinahe hätte er sie geheiratet. Tess war von einer Heirat ausgegangen und er auch, bis ihm eines Abends klar geworden war, dass er nicht den Rest seines Lebens mit Tess verbringen wollte. Sie redete unaufhörlich, was er am Anfang ihrer Beziehung irgendwie amüsant gefunden hatte. Doch ihr fortwährendes Geplapper war ihm allmählich auf die Nerven gegangen.

Als ihm schließlich bewusst geworden war, dass seine Gefühle für Tess nachließen, hatte er ihr so sanft wie möglich beizubringen versucht, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten. Daraufhin hatte sie ihn mit vernichtendem Zorn und einem Schwall böser Worte förmlich überrollt, bis er weggegangen war. Ungefähr einen Monat später hatte er gehört, dass sie nach Missoula gezogen sei. Seitdem hatte es keine wichtige Frau mehr in seinem Leben gegeben. Sicher, er ging ab und zu mit einer Bekannten aus, doch keiner dieser Frauen hätte er einen Verlobungsring an den Finger gesteckt.

Nun war Lola aufgetaucht, die anscheinend jeder Frau überlegen war, die er jemals kennengelernt hatte. Mit der Zeit würde er herausfinden, ob das wirklich stimmte, doch eins wusste er bereits jetzt: er wartete sehnlichst darauf, dass es Freitag wurde, damit er sie wiedersehen konnte.

Er brachte sein Kissen in eine bequemere Position und schloss die Augen. Er musste endlich schlafen. Bald würde es fünf sein, und er hatte den morgigen Tag eine Menge Arbeit zu erledigen.

3. KAPITEL

Je näher der Freitag rückte, desto weniger machte Lola sich Gedanken darüber, wie ihre nächste Begegnung mit Duke ablaufen würde. Schließlich handelte es sich nur um eine Verabredung, und eigentlich kannte sie Duke ja kaum. Nach einem gemeinsam verbrachten Abend wollte sie ihn vielleicht nie wiedersehen. Falls das passieren sollte, nahm sie sich vor, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und ihm das auch sagen. Natürlich würde sie das auf keine gemeine oder verletzende Weise tun. Doch es gehörten zwei dazu, um eine Beziehung zu führen, jede Art von Beziehung, selbst eine harmlose Freundschaft. Falls Duke sich also als unausstehlich, zu aufdringlich oder als langweilig herausstellte – unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich – dann würde sie ihn wissen lassen, dass sie an keinem weiteren Kontakt mit ihm interessiert sei.

Lola war froh, dass sie nicht einverstanden gewesen war, mit ihm zu Abend zu essen. Zusammen ins Kino zu gehen eignete sich gut für eine erste Verabredung, denn das war viel weniger vertraulich als ein Dinner zu zweit in einem ruhigen Restaurant. In Rocky Ford gab es einige nette Restaurants und ein ganz besonders nettes, das ungefähr fünfzig Meilen außerhalb der Stadt lag. Charlie hatte sie in der ersten Woche nach ihrer Rückkehr dorthin zum Essen ausgeführt, weil er ihr stolz zeigen wollte, was sich in der Gegend alles getan hatte.

Während ihrer langen Abwesenheit hatte sich auch in der Stadt sehr viel verändert. Mehrere Wohnsiedlungen waren an den Ortsrändern entstanden, neue Geschäfte hatten eröffnet, Ampeln regelten an Kreuzungen, die besonders gefährlich gewesen waren, den Verkehr, und ein modernes Kino, das die neuesten Filme zeigte, hatte aufgemacht, um nur ein paar der Neuerungen zu nennen. Wachstum und Fortschritt hatten ihre Heimatstadt erreicht, und nun gehörte sie, Lola, mit ihrem Laden dazu. Die Vorstellung gefiel ihr.

Als es dann Freitag war, dachte sie allerdings wieder den ganzen Tag, während sie Kunden bediente und geschäftliche Dinge erledigte, an die Verabredung mit Duke und wie sie miteinander auskommen würden. Außerdem überlegte sie, was sie am Abend anziehen sollte – natürlich etwas Zwangloses, aber wie zwanglos?

Wie immer schloss sie den Laden um sechs Uhr. Nachdem sie die tägliche Abrechnung gemacht, das Bargeld im Safe deponiert und die Verkaufsbelege zur späteren Durchsicht beiseitegelegt hatte, fuhr sie durch den Feierabendverkehr nach Hause. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen, das sich mit den vernünftigen Erklärungen nicht vertreiben ließ, die sie sich ständig wiederholt hatte, seit sie sich einverstanden erklärt hatte, mit Duke auszugehen.

Also gut, sie musste zugeben, dass sie wegen des heutigen Abends nervös war. Eigentlich war das keine große Sache. Doch wann war sie jemals wegen einer Verabredung nervös gewesen? Falls das schon einmal passiert war, erinnerte sie sich jedenfalls nicht daran.

Als Abendessen gab es Fischfilets und grünen Salat. Lola und Charlie berichteten sich wie gewohnt gegenseitig von den Ereignissen des Tages. Danach erledigten sie zusammen den Abwasch und räumten die Küche auf. Anschließend ging Charlie nach vorne, wo sich sein Laden befand, um zu fegen und dergleichen zu erledigen, und Lola ging in ihr Zimmer, um sich umzuziehen.

Die Zeit wurde langsam knapp, deshalb beeilte sie sich, zu duschen und die Haare zu waschen. Nachdem sie sich frische Unterwäsche angezogen hatte, nahm sie ein Kleid aus dem Schrank und zog es an. Ihre Frisur bereitete keine Probleme. Sie föhnte ihr Haar nur kurz mit einer Rundbürste. Dann legte sie Make-up auf. Als sie auch damit fertig war, blieben ihr noch zehn Minuten Zeit.

Gut dachte Lola und atmete tief durch. Sie wählte eine zum Kleid passende Handtasche aus und flache Schuhe. Als sie die Tasche dann auf den Küchentisch gelegt hatte, war es fünf Minuten vor acht Uhr.

Im nächsten Augenblick hörte sie ein Auto in die Auffahrt fahren. Sie spähte aus dem Fenster und entdeckte einen schwarzen Geländewagen. Es handelte sich um ein teures Modell mit vier Türen, das so sauber und glänzend wie ein frisch polierter Spiegel aussah. Duke stieg aus. Er trug eine blaugraue Hose, ein Hemd im Westernstil und schwarze Stiefel. In der Abenddämmerung sah er so gut aus, dass sie einen Moment lang den Atem anhielt.

„Nicht übel“, murmelte sie, obwohl sie nicht besonders begeistert darüber war, dass der bloße Anblick eines Mannes sie dermaßen in Aufruhr versetzte.

Sie ließ Duke zweimal an die Hintertür klopfen, die als Eingangstür zum Wohnbereich diente, seit Charlie den vorderen Teil des Hauses in seinen Laden umgewandelt hatte. Erst danach öffnete sie.

„Hallo“, begrüßte sie Duke mit einem Lächeln.

„Hallo.“ Duke ließ den Blick über Lolas Kleid und die Schuhe wandern und sah dann wieder hoch in ihr Gesicht. Jeder Zentimeter an ihr war so anziehend, wie er es in Erinnerung hatte. Und in dem weinroten Kleid sah besonders hübsch aus.

„Ich bin fertig“, sagte Lola und wollte ihre Handtasche nehmen.

„Wir haben noch ein paar Minuten Zeit, bevor der Film anfängt. Wenn es Ihnen recht ist, würde ich gern Charlie Guten Tag sagen.“

„Sicher, natürlich. Er ist vorne.“ Sie ging voraus und rief: „Charlie!“

Sie betraten Charlies Laden, in dem sich Tische, Stühle und Regale mit Büchern und Zeitschriften befanden und in dem es herrlich nach frisch gemahlenen Kaffeebohnen duftete. Charlie stellte den Besen beiseite.

Duke trat an Lola vorbei und reichte ihm die Hand. „Hallo, Charlie.“

„Duke.“ Sie schüttelten sich die Hände.

„Ist eine Weile her, seit ich hier war“, sagte Duke und blickte sich um. „Netter Laden.“

„Ich werde davon nicht reich, aber ich habe etwas zu tun“, erklärte Charlie lächelnd. „Ich könnte mich nie damit abfinden, bloß herumzusitzen und nichts zu tun.“

„Da haben wir etwas gemeinsam“, erwiderte Duke. „Ich habe allerdings nie herausgefunden, ob diese Eigenschaft nun ein Fluch oder ein Segen ist. Und Sie?“

Charlie rieb sich das Kinn. „Kommt drauf an, wie man’s nimmt. Die meisten meiner Kunden sind ältere Herrschaften, und ein großer Teil von ihnen ist sehr zufrieden im Ruhestand. Während mich das Ausruhen immer nervöser machte, bis mir die Idee mit diesem Geschäft kam.“

„Da haben Sie eine gute Sache angefangen.“ Duke nickte und blickte dann auf seine Uhr. „Schätze, wir gehen jetzt besser, wenn wir den Anfang des Films nicht verpassen wollen. War schön, mit Ihnen zu reden, Charlie.“

„Nett von Ihnen, Hallo zu sagen, Duke. Kommen Sie mal wieder vorbei.“

Das war aufrichtig und verbindlich gemeint, denn Lola kannte Charlie gut genug, um das beurteilen zu können. Vielleicht hatte Duke nur höflich sein wollen, aber sie vermutete ein anderes Motiv. Er hatte wohl bezweckt, ihre Meinung von ihm positiv zu beeinflussen, indem er ein bisschen mit ihrem Onkel plauderte.

Als sie durch die Küche hinausgegangen waren und zu Dukes Wagen kamen, öffnete er ihr die Beifahrertür.

„Danke“, sagte sie bewusst knapp. Doch sie wollte sich von Duke nicht in eine unterlegene Position drängen lassen, der sowieso schon die Oberhand gewonnen zu haben schien, bloß weil er ein paar Worte mit Charlie gewechselt hatte.

Sie dachte über Charlies Verhalten nach, während Duke zur Fahrertür ging. Charlie mochte Duke sehr, das war eindeutig gewesen, und da Charlie Fanon sich noch nie von materiellem Besitz hatte beeindrucken lassen, musste sein Respekt Duke selbst gelten. Das kam ihr ein wenig merkwürdig vor, weil Charlie ihr doch gesagt hatte, er würde Duke nur vom Sehen kennen.

Duke stieg ein und startete den Motor. Dann legte er den Arm auf die Sitzlehne, drehte sich um und fuhr rückwärts aus der Einfahrt. Anschließend schlug er den Weg zum Kino ein.

Lola legte ihre Handtasche auf den Sitz zwischen ihnen und schnallte sich an.

Duke warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Haben Sie Angst, ich würde zu schnell fahren?“

„Wenn meine Eltern angeschnallt gewesen wären, wären sie bei dem Autounfall vielleicht nicht ums Leben gekommen“, erwiderte Lola ruhig.

Einen Augenblick herrschte Stille, dann entschuldigte Duke sich mit gedämpfter Stimme und legte nun seinen Sicherheitsgurt an.

Lola schwieg.

Duke räusperte sich. „Äh … netter Abend“, sagte er, auch wenn der Anfang nicht gerade ermutigend verlief.

„Ja, stimmt“, antwortete Lola. „Obwohl für das Wochenende Regen angekündigt ist.“

„Ja, ich habe den Wetterbericht vorhin auch gehört. Ich hatte das Radio an, während ich mich für heute Abend fertig machte. Aber mit Regen war ja zu rechnen. Drei Wochen lang herrschte jetzt Trockenheit. Das ist ein wenig ungewöhnlich für den Frühling in dieser Gegend.“

„Dieser Frühling ist wirklich schön. Obwohl mir Regen nichts ausmacht, solange er nicht wochenlang anhält.“

Das Kino kam in Sicht, und Lola rief überrascht: „Du liebe Zeit, was ist denn hier heute los?“

Scharen von Teenagern standen vor dem Kino.

Duke runzelte die Stirn. „Ich habe keine Ahnung.“ Er las den Filmtitel über dem Eingang. „Das ist nicht der Film, der gestern für heute Abend angekündigt wurde.“

Der Titel verkündete einen Horrorfilm über prähistorische Monster.

„Diesen Film will ich nicht sehen“, erklärte Lola.

„Ich auch nicht. Außerdem habe ich ihn schon vor Jahren gesehen. Ich werde mal parken und mich erkundigen, was diese plötzliche Programmänderung soll.“ Nachdem Duke am Straßenrand angehalten hatte, wandte er sich an Lola. „Wollen Sie hier warten oder mitkommen?“

„Ich werde warten.“

Die Teenager auf dem Gehsteig unterhielten sich, lachten und alberten herum, und Lola erinnerte sich lächelnd, wie sie in diesem Alter gewesen war. Damals hatte sie alles komisch gefunden und mit ihren Freundinnen ständig gekichert. Erst im Verlauf ihres Studiums war sie erwachsen geworden und hatte angefangen, ernsthaft über ihre Zukunft nachzudenken.

Sie war noch immer in Gedanken mit der Vergangenheit beschäftigt, als sie Bud Hawkins in der Menge entdeckte. Bud war einer der Highschoolschüler, die stundenweise in ihrem Laden jobbten. Sie kurbelte das Fenster herunter und rief: „Bud!“

Er blickte herüber und schlenderte zum Wagen, beugte sich vor uns schaute hinein. „Hallo, Miss Fanon.“

„Hallo, Bud. Was ist denn heute Abend hier los?“

„Neuerdings werden hier an zwei Freitagen im Monat besondere Filme gezeigt, um die Jugendlichen von den Straßen zu bekommen“, berichtete Bud. „Haben Sie nicht davon gehört?“

„Nein.“

„Na ja, für Jugendliche hat Rocky Ford nicht viel zu bieten. Ich schätze, deshalb haben sich ein paar Leute zusammengesetzt und diese Idee gehabt. Mr. Jules, der Kinobesitzer, war damit einverstanden, und nun sind wir hier. Die Sache scheint zu funktionieren, und wir haben wenigstens einen Ort, wo wir hingehen können. Außerdem können wir in der Eagles Lodge tanzen. Jetzt können wir freitags also entweder zu einer Veranstaltung in die Highschool, zur Eagles Lodge oder ins Kino gehen.“

„Klingt großartig, Bud.“ Lola biss sich auf die Unterlippe. Bisher hatte sie versäumt, sich um die Lokalpolitik und die hiesigen Probleme zu kümmern. Doch als Besitzerin eines Geschäftes sollte sie sich schon für die Arbeit des Stadtrats interessieren und eventuell Organisationen beitreten, die sich für Verbesserungen in Rocky Ford einsetzten.

„Natürlich kann jeder in diese Filme gehen“, fuhr Bud fort. „Sie sind nicht auf Jugendliche beschränkt, aber die Eintrittskarten kosten für jeden die Hälfte, der unter achtzehn ist, und Mr. Jules verkauft Popcorn und Getränke ebenfalls günstiger als sonst.“

„Anscheinend tut Mr. Jules einiges für euch.“

„Das stimmt wohl.“ Bud grinste. „Aber das trifft auch auf Sie zu, Miss Fanon. Mein Job in Ihrem Laden ist das Beste, was mir je passiert ist.“

„Freut mich zu hören, Bud. Ich habe gar nicht gemerkt …“ Dukes Kopf tauchte am Fenster auf. „Oh, Bud, kennst du Mr. Sheridan?“

Bud richtete sich auf. „Hi, Duke.“

„Hallo, Bud. Wie geht’s?“

„Ganz gut.“

„Und wie geht es deinem Dad?“

„Auch ganz gut. Der Doktor sagt, er kann in ungefähr zwei Wochen wieder arbeiten.“

„Das ist großartig.“

„Ja, ist es. Sie machen die Kasse auf. Besser, ich stell’ mich jetzt an. Man sieht sich.“ Zum Abschied von Duke tippte Bud sich an die Stirn und sah dann wieder Lola an. „Bis nächste Woche, Miss Fanon.“

Lola nickte. „Bis Montag nachmittag. Auf Wiedersehen, Bud.“

Duke ging um den Wagen herum und stieg wieder ein. „Ich wette, Sie haben von Bud erfahren, was los ist.“

„Ja. Klingt so, als würden viele in der Stadt zusammenarbeiten, um den Teenagern vernünftige Unterhaltung zu bieten. Als ich in der Highschool war, trafen wir uns auch alle Freitag abends, und meistens wussten wir nicht, was wir anstellen sollten.“

„Wie jetzt.“ Duke warf ihr einen Blick zu. „Nun haben also die Teenager etwas zu tun, aber wir nicht. Oder haben Sie einen Vorschlag?“

Natürlich hatte Rocky Ford verschiedene Kneipen. In einigen von ihnen gab es an den Wochenenden sogar Livemusik. Doch Lola ging nicht besonders gern in Kneipen.

Sie seufzte. „Eigentlich nicht.“

„Dann habe ich einen, beziehungsweise zwei Vorschläge. Was halten Sie erstens davon, wenn wir uns duzen?“

Darauf konnte Lola sich einlassen, und sie nickte. „Einverstanden.“

„Und zweitens, erinnerst du dich an das Lockland Grange? Das gibt es schon seit hundert Jahren. Bestimmt warst du früher schon einmal dort.“

„Ja, ich erinnere mich. Warum?“

„Heute Abend spielen sie dort Tanzmusik.“

Tanzen im Lockland Grange. Angenehme Erinnerungen stiegen in Lola hoch. „Spielen sie dort immer noch so gute Musik wie früher?“

„Piano, Gitarre und Geige“, bestätigte Duke. „Das Grange verändert sich nie.“

Lockland Grange lag dreißig Meilen außerhalb von Rocky Ford in einer ländlichen Gemeinde, die überwiegend aus Farmern und nicht aus Ranchern bestand.

Lola lächelte, als sie an früher dachte. „Als wir Teenager waren, hat Charlie uns zwei- oder dreimal zum Tanzen ins Grange mitgenommen.“ Da Bud das Grange nicht erwähnt hatte, fragte sie: „Gehen die heutigen Teenager nicht mehr dorthin?“

„Nicht viele“, antwortete Duke. „Wahrscheinlich wegen der Musik. Sie haben einen völlig anderen Musikgeschmack. Der ist viel stärker ausgeprägt als zu unserer Zeit, Lola.“

Sie nickte. „Mag sein. Soweit ich mich erinnere, mochte ich damals jede Musik.“

Eine Weile lang herrschte Schweigen.

Duke sah Lola an. „Nun, wie steht’s? Möchtest du ins Grange?“

Lola überlegte. Wollte sie mit Duke tanzen? Andererseits war das Grange kein dunkler Ort mit Kerzenlicht und schmalziger Musik. Die Band spielte Polka, Walzer und Twostep. Manchmal sogar schottische Musik. Damals hatte sie dort den Virginia Reel, einen schottischen Volkstanz, gelernt. Da das Grange seinen Stil offenbar beibehalten hatte, würde sie dort eigentlich mit jedem tanzen können, ohne sich darüber Sorgen zu machen, dass die Stimmung zu vertraulich wurde.

„Ja“, antwortete sie mit Bestimmtheit. „Das klingt nach Spaß.“

„Großartig.“ Duke fuhr wieder los.

„Ist Buds Vater irgendetwas passiert?“, fragte Lola unterwegs. Bud hatte ihr gegenüber nichts davon erwähnt.

„Jake Hawkins arbeitet für einen Bauunternehmer. Ungefähr vor zwei Monaten fiel er von einem Dachbalken und brach sich beide Beine. Ich war froh, von Bud zu hören, dass er bald wieder gesund ist.“

Sie blickte Duke an. „Du kennst jeden hier in der Gegend, oder?“

„So ungefähr.“ Er wandte den Kopf und hielt ihren Blick kurz fest. „Du nicht? Du bist doch ebenfalls hier aufgewachsen.“

„Ja, aber ich bin sehr lange fort gewesen. Seit der Highschool. Danach kam das College, und dann …“

„Wo bist du denn aufs College gegangen?“, fragte Duke.

„Ich fing in Bozeman an und wechselte dann nach Tempe in Arizona.“

„Begann damals schon deine Wanderlust?“

Lola lachte. „Ich glaube, ich wurde mit Wanderlust geboren.“

„Aber jetzt bist du wieder hier. Wo ist deine Wanderlust geblieben?“

„Verschwunden. Vermutlich habe ich sie aufgebraucht.“

„Bist du sicher?“

„Ganz sicher. Ich bin genau da, wo ich sein und bleiben möchte.“

„Also ist tatsächlich kein Ort mit der Heimatstadt vergleichbar?“

„Genau“, antwortete Lola leise. „Jedenfalls für mich.“ Sie hatte es erfahren. An einem Tag war sie noch zufrieden damit gewesen, tausend Meilen entfernt von Montana zu leben, und am nächsten Tag war das anders. Es hatte noch eine Weile gedauert, bis ihr das Gefühl der Einsamkeit wirklich bewusst geworden war, doch dann hatte sie alles verkauft, was sie dort besaß, außer ihrer Kleidung, und sich ein Flugticket gekauft.

„Warum hast du ein Geschäft eröffnet?“, wollte Duke wissen.

„Warum?“, wiederholte sie. „Das ist eine merkwürdige Frage. Natürlich wollte ich irgendetwas zu tun haben.“

„Aber du hättest dir doch einen Job suchen können. Warum sich Probleme aufladen und einen eigenen Laden führen?“

Sie drehte sich auf ihrem Sitz herum, damit sie Duke besser betrachten konnte. „Du steckst voller Fragen, nicht wahr?“

Erneut wandte er den Blick von der Straße und sah kurz zu ihr. „Ich weiß keinen anderen Weg, als Fragen zu stellen, um Antworten zu bekommen.“

„Du suchst Antworten? Warum denn, Duke?“

„Weil ich an dir interessiert bin, Lola. Sehr interessiert. Ich habe dir noch nicht gesagt, wie wundervoll du in diesem Kleid aussiehst, aber das tust du. Du bist auf jeden Fall eine besonders schöne Frau, doch Weinrot steht dir perfekt.“

„Genau das hat die Verkäuferin auch behauptet, als ich das Kleid in einem Laden in einer kleinen Nebenstraße in Paris anprobierte. Sie wollte mir das Kleid verkaufen. Was willst du mir verkaufen, Duke?“

Er lächelte. „Du bist ziemlich misstrauisch.“

Sie hob das Kinn. „Und du flirtest schon wieder, wie vorgestern, als du in den Laden gekommen bist. Weißt du was, Duke? In dir steckt mehr als nur eine Person.“

„Was?“, fragte er lachend.

„Wer warst du zum Beispiel, als du mit Charlie und mit Bud gesprochen hast? Du verhältst dich ihnen gegenüber ganz anders als zu mir.“

„Nun, das hoffe ich doch“, meinte Duke amüsiert. „Ich verspüre nämlich absolut kein Verlangen danach, mit einem von den beiden auszugehen.“

Lola setzte ein zuckersüßes Lächeln auf. „Sehr lustig.“

„Wenn das so lustig ist, wieso lachst du dann nicht?“

„Ich habe das ironisch gemeint. Als ob du das nicht wüsstest.“

„Du kämpfst dagegen an, stimmt’s, Lola?“

„Wogegen kämpfe ich an?“

„Gegen das, was zwischen uns passiert. Ich frage mich da natürlich, weshalb du das tust. Du bist eine so selbstbewusste, unabhängige Frau, da kann ich mir nicht vorstellen, dass du mit mir in diesem Augenblick in meinem Wagen sitzen würdest, wenn du lieber woanders wärst. Das führt mich zu dem Schluss, dass du mich magst. Unterbrich mich, falls ich mich irre“, sagte er und warf ihr einen raschen Blick zu, bevor er sie rundheraus fragte: „Magst du mich?“

Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Wir kennen uns doch kaum. Was, um alles in der Welt, soll ich wohl darauf antworten?“

„Die Wahrheit, mein Schatz. Die reine Wahrheit.“

„Die ungeschminkte Wahrheit ist, Duke Sheridan, dass ich mich in deiner Gegenwart unbehaglich fühle.“

„Aha, ein Hinweis auf deine innersten Gefühle.“

„Unsinn! Ich wünschte, du würdest aufhören, zu versuchen, aus mir schlau zu werden.“

„Versuchst du nicht auch, aus mir schlau zu werden?“

„Ganz bestimmt nicht. Ich dachte, wir würden uns einen netten Film ansehen. Mit einem Mann ins Kino zu gehen verlangt doch keine Analyse seiner Psyche. Zumindest habe ich das bis jetzt angenommen.“

„Zu diesem Thema habe ich eine völlig andere Ansicht“, erwiderte Duke ruhig. „Wenn ein Mann und eine Frau sich zum ersten Mal begegnen und zwischen ihnen knistert es vor Spannung, dann denke ich, dass sie vom ersten Moment an versuchen, die Persönlichkeit des anderen zu ergründen.“

Lola hob die Augenbrauen. „Ach, tatsächlich?“, erwiderte sie leicht spöttisch. Aber sie widersprach nicht seiner Bemerkung über die knisternde Spannung zwischen ihnen bei ihrer ersten Begegnung, obwohl sie diese Einschätzung für übertrieben hielt.

Allerdings wäre es blind gewesen, sich nicht einzugestehen, dass sie ein gewisses Prickeln empfunden hatte, als er in ihren Laden gekommen war, und sie vermutete, dass Duke das Thema gern vertiefen würde. Doch diesen Disput vermied sie lieber, auch wenn sie sonst immer offen ihre Meinung sagte, ohne vorher lange zu überlegen, ob das geschickt war.

Ihr kam ein unangenehmer Gedanke. Wenn Duke sich ihr gegenüber anders verhielt als bei anderen Leuten, dann traf das wohl ebenfalls auf sie zu. Doch was ließ sich daraus schließen?

„Wir sind fast da“, erklärte Duke, während er in eine Seitenstraße abbog. „Um noch einmal auf die Persönlichkeit des anderen zurückzukommen …“

Sie unterbrach ihn. „Lass uns mit diesem Thema aufhören.“

„Gehst du Meinungsverschiedenheiten immer aus dem Weg?“

„Nein, eigentlich nicht. Aber ich finde, du machst viel zu viel aus einer ersten Verabredung.“

Duke nahm eine Hand vom Lenkrad und schnippte mit den Fingern. „Jetzt verstehe ich! Du bist eher bei einer zweiten Verabredung bereit, über bedeutungsvolle Beziehungen zu sprechen.“

„Du machst dich über mich lustig!“

Er lachte vergnügt. „Ich bin sehr gern mit dir zusammen, und ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich dich ein wenig necke, oder?“

Er war so verflixt raffiniert, dass ihr Ärger sich in Luft auflöste und sie nun selbst lachen musste. „Nein, ich bin dir nicht böse.“

„Das ist gut. Es ist nämlich schwierig, mit jemandem zu tanzen, der auf einen böse ist.“

„Ich bin überzeugt, du hast damit Erfahrung“, erklärte sie trocken.

„Das ist noch so ein Thema, über das du wahrscheinlich bei der ersten Verabredung nicht sprechen willst.“

Fragend blickte sie ihn an. „Welches Thema?“

„Erfahrung. Du hast auf deinen Reisen doch sicher ein paar interessante Leute kennengelernt.“

„Ja, natürlich.“

Duke räusperte sich. „Interessante Männer?“

Sie beugte sich vor, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Du fragst mich doch nicht zufällig danach, wie viel Erfahrungen ich mit Männern habe, oder?“

„Nun, ich bin eben neugierig.“

„Möchtest du hören, was du mit deiner Neugierde tun kannst, Mr. Sheridan?“, entgegnete sie zuckersüß.

„Nein, lieber nicht.“ Nach einer kurzen Weile lachte er erneut. „Wir kommen doch ganz gut miteinander aus, findest du nicht?“

Sie sagte nichts dazu, sonder schüttelte nur verwundert den Kopf, obwohl sie ihre gegenseitigen Sticheleien eigentlich genossen hatte. Es machte Spaß, mit Duke zusammen zu sein, auch wenn er ziemlich neugierig war. Langweilig wird der Abend jedenfalls bestimmt nicht, dachte sie.

„Hier ist das Grange“, verkündete Duke.

Lola blickte nach vorn und sah die Lichter des alten Gebäudes. Dutzende von Autos und Pick-ups parkten um das Haus herum. „Sieht aus, als wäre hier ganz schön was los.“

Duke fuhr auf den Parkplatz und fand eine Lücke. Sobald er den Motor ausgeschaltet hatte, hörten sie die Musik. Lola lächelte, weil es die gleiche Musikrichtung war, an die sie sich erinnerte. Als sie nun die Wagentür öffnen wollte, um auszusteigen, legte Duke die Hand auf ihren Arm.

Sie drehte sich zu ihm. „Was ist denn?“

„Wenn du eine Minute wartest, öffne ich gern die Tür für dich.“

Sie lachte. „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich bin sehr wohl in der Lage, die Tür selbst zu öffnen.“

„Lola, bleib sitzen“, forderte er sie auf, stieg aus und eilte zur Beifahrertür.

„So ein Unsinn“, sagte sie leise, obwohl sie sich insgeheim geschmeichelt fühlte. Sie hätte ihm auch seine Frage, ob sie ihn mochte, ohne zu zögern, beantworten können. Sie mochte ihn. Sogar sehr.

Doch gerade deshalb wollte sie vorsichtig sein. Noch nie zuvor hatte sie so rasch und stark soviel Sympathie für einen Mann entwickelt. Deshalb hielt sie es für wichtig, Abstand zu wahren und vernünftig zu bleiben. Besonders da sie den Verdacht hatte, wenn sie Duke nur ein wenig ermutigte, würde er mit der Geschwindigkeit einer Rakete lospreschen und sie völlig vereinnahmen.

Er öffnete ihr die Tür und hielt ihr seine Hand hin, die sie erst nach kurzem Zögern ergriff. Als Duke deswegen lachte, gestand sie sich selbst ein, dass sie vielleicht ein wenig zu vorsichtig war und stieg aus. Im nächsten Moment zog Duke sie fest an sich, und sie standen Schenkel an Schenkel und Oberkörper an Oberkörper aneinandergepresst neben seinem Wagen. Verblüfft hob sie den Kopf und sah Duke in die Augen.

„Hör auf damit, Duke“, sagte sie wütend.

„Du küsst wohl auch nicht beim ersten Rendezvous?“ Seine Worte klangen neckend, doch der Blick seiner braunen Augen war ernst. „Ich will dich küssen, Lola“, sagte er leise. „Seit ich dir begegnet bin, habe ich kaum an etwas anderes gedacht.“ Die Arme um sie geschlungen und sie dicht an sich drückend, beugte er sich langsam über sie.

Ihr Herz klopfte wie wild, doch nein, sie wollte noch nicht bereit sein für einen Kuss. Sie legte die Hände auf seine Brust und stieß ihn heftig weg, wobei sie gleichzeitig einen Schritt rückwärts machte.

„Immer mit der Ruhe, Junge“, erklärte sie herausfordernd. „Ich lasse mich nicht überrumpeln.“

Duke musterte sie und fing an zu lachen. „Das muss ich ganz vergessen haben. Komm, lass uns reingehen.“

Lola runzelte die Stirn, während sie zwischen den Autos durchgingen, um zum Grange zu gelangen. Diesmal hatte Duke die Zurückweisung geschluckt. Was sie jetzt allerdings beschäftigte, war sein nächster Annäherungsversuch – und er würde einen unternehmen, daran bestand kein Zweifel. Vielleicht schaffte sie es dann aber nicht mehr, ihm eine Abfuhr zu erteilen.

Wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie zugeben, dass sie sich sehr rasch auf Duke Sheridan einlassen könnte. Sie seufzte. Da war sie kaum eine Stunde mit diesem Mann zusammen, und die Dinge wurden bereits kompliziert.

War sie dabei, sich in Duke zu verlieben? Vielleicht, obwohl sie sich wegen einer anderen Frage viel mehr Sorgen machte. Was mochte er von ihr denken? Falls er lediglich auf Sex aus war, war er bei ihr an der völlig falschen Adresse.

Doch wie sollte sie das herausfinden? Mehr als eine Frau waren schon auf einen charmanten, gut aussehenden Mann hereingefallen. Sie hatten ihm alles gegeben, einschließlich ihres Herzens, um dann fallen gelassen zu werden wie eine heiße Kartoffel, sobald eine andere attraktive Frau auf der Bildfläche erschien.

Wie kam sie nur darauf, Duke so einzuschätzen? Niemand hatte irgendetwas über ihn gesagt, dass sie zu dieser Annahme führen könnte. Wenn sie genauer darüber nachdachte, handelte es sich wohl mehr um ein Misstrauen, dessen Ursache womöglich bei ihr selbst lag.

Als sie den Eingang des Grange erreichten, kam ihr ein weiterer Gedanke, der sie nervös machte. War es möglich, dass sie lediglich nach Argumenten suchte, die dagegen sprachen, sich zu verlieben? Und würde sie das bei jedem Mann tun, der sein Interesse an ihr unverblümt zum Ausdruck brachte?

4. KAPITEL

Nachdem Duke für Lola und sich den Eintritt bezahlt hatte, zog er Lola sofort auf die Tanzfläche. Überrascht lachte sie, doch dann fiel sie augenblicklich in die Tanzschritte des Walzers, den die Musiker gerade spielten.

Erstaun schaute sie beim Tanzen um sich. „Hier sieht ja alles noch genau wie früher aus.“

„Das habe ich dir doch gesagt“, erwiderte Duke.

„Ja, aber nach so vielen Jahren habe ich wenigstens irgendeine Veränderung erwartet. Doch die Bedienung ist immer noch weiblich und steht immer noch hinter der Theke der Westwand, um Snacks und Drinks zu verkaufen, und das Piano steht exakt an derselben Stelle, wo es früher schon stand.“

„Manche Dinge verändern sich eben nie“, erklärte Duke.

„Aber nur sehr wenige.“

„Hast du Veränderungen in der Umgebung bemerkt, seit du nach Montana zurückgekommen bist?“

„Viele.“

„Und du magst keine Veränderungen?“, fragte Duke weiter.

„Im Gegenteil, ich war immer für Veränderungen. Ehrlich gesagt, habe ich sie geradezu gesucht. Bis vor Kurzem“, antwortete sie. „Allerdings meine ich damit jetzt persönliche Veränderungen“, fügte sie nach einem Moment hinzu.

„Also warst du eine unbeständige Frau und bist das nun nicht mehr.“

„So ungefähr.“

„Wie hat sich das ergeben?“

Gute Frage dachte Lola und hielt es für klüger, nicht darauf zu antworten. Stattdessen sagte sie: „Ich kann es kaum glauben, dass sogar die gleiche Band wie früher hier spielt.“

Ein Mann begrüßte Duke, als er mit seiner Partnerin vorbeitanzte. Duke grüßte zurück und nickte noch einem anderen Paar zu.

„Dies ist kein guter Ort, wenn man ungestört sein will, Lola“, sagte er lachend.

Sie lächelte. „Wer behauptet denn, dass wir ungestört sein wollen?“

„Ich würde es genießen, ungestört mit dir zu sein. Doch bei deinen Maßstäben darf man bei der ersten Verabredung ja keine einseitigen Entscheidungen treffen.“ Er blickte ihr so tief in die Augen, dass ihr sekundenlang der Atem stockte.

Dann flüsterte ihr leise zu: „Ich freue mich schon sehr auf unsere zweite Verabredung.“

Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, wie hart sie dagegen ankämpfte, dass sie es unglaublich genoss, ihm nah zu sein, mit ihm zu tanzen und seinen frischen Duft nach Seife und Aftershave zu riechen. Er presste sie beim Tanzen nicht plump an sich, doch selbstverständlich streifte sein Körper ihren. Schließlich tanzten sie Walzer. Und es störte sie auch eigentlich nicht, dass sie bei Dukes Größe den Kopf leicht zurücklegen musste, um ihm ins Gesicht zu sehen.

Doch dass er von einer zweiten Verabredung sprach, als wäre diese bereits ausgemacht und als habe sie dazu überhaupt nichts zu sagen, gefiel ihr weniger.

„Du bist dir deiner ja sehr sicher“, erwiderte sie genauso leise. „Wir sind noch mitten in der ersten Verabredung, und du denkst bereits an die nächste. Duke, mache bitte nicht den Fehler, mein Einverständnis für selbstverständlich zu halten. Ich bin mir nämlich noch gar nicht im Klaren, ob es überhaupt eine zweite Verabredung geben wird.“

Er hielt ihrem festen Blick stand und zog sie ein klein wenig näher an sich. „Es wird eine geben“, raunte er ihr zu. „Verlass dich drauf.“

Entschieden brachte sie wieder etwas Abstand zwischen ihnen. Fast im gleichen Moment endete die Musik, und die Leute begannen herumzulaufen. Einige Paare warteten auf den nächsten Tanz und plauderten miteinander, andere verließen die Tanzfläche.

Die Unerschütterlichkeit, mit der Duke stehen blieb und keinen Ton sagte, weil er offenbar voll darauf vertraute, dass sie weitertanzen wollte, machte sie nervös. Sie trat noch einen Schritt zurück und vermied es, ihm in die Augen zu sehen.

„Ich hole mir etwas zu trinken“, erklärte sie und steuerte umgehend auf die Getränketheke an der Seitenwand zu.

Duke folgte Lola und musterte sie nachdenklich. Sie war die aufregendste und faszinierendste Frau, der er je begegnet war, doch gleichzeitig war sie auch die dickköpfigste und selbstständigste. Statt ihm zu sagen, dass sie durstig sei und ihm die Möglichkeit zu geben, ihr ein Getränk anzubieten, verkündete sie beinahe streitlustig, dass sie sich einen Drink besorgen würde, und ließ ihn einfach stehen. Wenn er ihr nicht gefolgt wäre, hätte er plötzlich ohne Partnerin auf der Tanzfläche gestanden, und Lola schien das nicht einmal zu interessieren. Er hätte sich ihr gegenüber niemals so verhalten und auch zu keiner anderen Frau, das stand fest. Allmählich wurde er ärgerlich, weil sie einfach seine Gefühle missachtete.

Sie bestellte sich einen Eistee bei der Bedienung hinter der Theke, öffnete ihre Handtasche und bezahlte. Er kochte vor Wut, als er sich eine Limonade bestellte. Erneut kam ein Mann vorbei, den er kannte, und sie sprachen eine Weile miteinander.

Lola trat ein paar Schritte zur Seite und nippte an ihrem Eistee, während ihr Blick über die Menge wanderte. Als sie ein paar Leute entdeckte, die sie kannte, winkte sie ihnen lächelnd zu.

Die Band begann einen Twostep zu spielen. Duke ging zu Lola und sagte gereizt: „Wenn du eine Minute gewartet hättest, hättest du auch gleich meinen Drink bezahlen können.“

Sie drehte sich zu ihm. „Ich habe es ja schon die ganze Zeit vermutet, aber jetzt hast du mir bewiesen, wie sehr du dich Frauen überlegen fühlst.“

„Das ist lächerlich. Ich fühle mich dir kein bisschen überlegen und auch keiner anderen Frau. Aber wenn ich eine Frau einlade, mit mir auszugehen, dann erwarte ich, dass ich für die Kosten aufkomme.“

Verärgert blickte sie auf die Tanzfläche. „Dieser Eistee kostet fünfundsiebzig Cents. Du kannst mir ja das Geld zurückzahlen, falls das notwendig ist, um deinen offensichtlich verletzten Stolz zu heilen.“

„Es geht nicht um Geld, verdammt. Es geht um … es geht um Höflichkeit.“

Sie betrachtete sein energisches Kinn, und plötzlich wurde ihr bewusst, wie grob sie sich verhalten hatte. Nie zuvor hatte sie einen Mann auf der Tanzfläche einfach stehen lassen. Was war bloß in sie gefahren? Und sich einfach einen Drink zu bestellen, ohne ihn zu fragen, ob er ebenfalls etwas möchte, war genauso grob und unhöflich gewesen.

„Es tut mir leid“, sagte sie aufrichtig. Sie konnte einen Fehler zugeben und sich ohne falsche Scham oder gespielte Betroffenheit entschuldigen.

Duke musterte sie einen Augenblick lang, dann schüttelte er langsam den Kopf. „An dir beißt man sich die Zähne aus, was?“

„Falls du damit meinst, dass ich gewöhnt bin, für mich selbst zu sorgen, dann ja.“

„Und kein Mann wird dir jemals sagen dürfen, was zu tun ist, oder?“

Abschätzend blickte sie ihn an. „Würdest du einer Frau erlauben, dir zu sagen, was du zu tun hast?“

„Das ist etwas anderes. Ich bin ein Mann.“

„Und deshalb bist du überlegen, richtig?“

„Verdammt, Lola …“

„Das reicht“, erklärte sie, ging zum Tresen zurück und stellte ihr Glas ab.

Duke machte sie zunehmend nervös, und sie sprachen nicht die gleiche Sprache. Es gab keinen Grund für sie, den Abend zu verlängern. Da Duke direkt hinter ihr stand, brauchte sie nicht einmal die Stimme zu heben, um ihm mitzuteilen: „Ich möchte jetzt gehen.“ Sie sah, dass seine Lippen schmal wurden. Er war wütend, und das traf auch auf sie zu.

„Wir sind doch gerade erst gekommen“, entgegnete er finster.

„Bleib noch, wenn du möchtest. Du hast viele Freunde hier. Ich bin sicher, du kannst auch ohne mich einen netten Abend verbringen. Ich werde draußen im Wagen warten.“ Damit steuerte sie auf den Ausgang zu.

Duke stieß eine leise Verwünschung aus, stellte sein Glas ebenfalls ab und lief Lola hinterher.

Draußen beschleunigte Lola den Schritt, als sie merkte, dass er ihr nachkam. Sie erreichte den Wagen und wollte gerade die Tür öffnen, als Duke ihren Arm ergriff und sie mit einem Ruck zu sich umdrehte.

„Was, verdammt noch mal, ist passiert?“, fuhr er sie an.

„Lass mich sofort los“, sagte sie und entriss ihm ihren Arm. „Ich weiß nicht, mit welchen Frauen du gewöhnlich ausgehst, aber ich lasse mich nicht so behandeln.“

„Warum ruinierst du den Abend?“

„Ich?“, gab sie erstaunt zurück. „Von meiner Seite aus betrachtet, bist du derjenige, der den Abend ruiniert.“

„Und wie? Weil ich den Drink für dich bezahlen wollte? Wer hat denn wen wie einen Idioten auf der Tanzfläche stehen lassen?“

„Dafür habe ich mich bereits entschuldigt“, erklärte sie scharf und atmete tief durch. „Sieh mal, miteinander auszugehen, war offensichtlich ein Fehler. Ich kann nicht so tun, als gehörte ich zu den Frauen, die du zu bevorzugen scheinst.“

„Was soll denn das schon wieder heißen? Da du so klug und allwissend bist, sage mir doch bitte, welche Frauen ich bevorzuge.“

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Versuchst du, einen Streit anzufangen?“

„So wie du?“, konterte er.

Empört wandte sie sich ab. „Das ist die dümmste Unterhaltung, die ich jemals geführt habe.“ Über die Schulter sah sie ihn an. „Wirst du mich zurück in die Stadt fahren?“

„Aber gern!“, rief er. „Und ich werde nicht im Traum daran denken, dich erneut zu beleidigen, indem ich dir die Beifahrertür aufhalte. Steig ein.“

Beinahe hätte sie das nicht getan. Wütend blieb sie stehen, bis er aufreizend gelassen hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte. Von allen arroganten Chauvis, die existierten, bist du, Duke Sheridan, der schlimmste!, zischte sie ihm in Gedanken zu.

Doch sie befand sich dreißig Meilen entfernt von der Stadt, und ihre Vernunft gewann die Oberhand. Sie stieg ein und schlug die Tür zu. Duke startete den Motor und gab im Leerlauf Vollgas. Hastig legte sie den Sicherheitsgurt an und war überzeugt, dass Duke wegen seiner schlechten Laune jetzt entsetzlich schnell und rücksichtslos fahren würde.

Er überraschte sie allerdings damit, dass er sehr vernünftig fuhr und nicht schneller als auf der Herfahrt zum Grange, und nach wenigen Meilen begann sie sich zu entspannen. Sie warf Duke einen Seitenblick zu, doch der sah starr auf die Straße, und sie konnte nur sein Profil erkennen, das recht markant war, wie sie zugeben musste.

Sie verdrehte die Augen. „Nun nimm die Sache doch nicht so dramatisch, Duke. Ich bin erwachsen genug, um zuzugeben, dass der heutige Abend ein Fehler war. Dir sollte das eigentlich auch möglich sein.“

„Du warst von dem Augenblick an entschlossen, den Abend zu verderben, als ich dich abholte.“

„Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Weshalb sollte ich absichtlich eine simple Verabredung verderben?“

„Weil es eben für keinen von uns eine simple Verabredung war.“

„Was soll denn das nun wieder heißen?“

„Das heißt, zwischen uns existiert etwas, das so stark ist, dass auch die fortwährende Demonstration deiner dir ach so wichtigen Selbstständigkeit nichts daran ändern wird.“ Duke machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: „Du hast einfach Angst, deine Zuneigung für mich zuzulassen.“

Lola war empört. „Angst! Wie eingebildet kann ein Mann eigentlich sein? Lass dir gesagt sein, dass ich weder jetzt noch jemals Angst vor dir und … und vor deinem Charme haben werde, den du offensichtlich für unschlagbar hältst.“

„Du bist doch diejenige mit dem Charme, meine Dame. Du hast mich doch eingefangen wie einen Fisch mit dem Netz.“

„Ich habe nichts dergleichen getan! Deine Fantasie geht wohl mit dir durch. Aber selbstgefällig wie du bist, brauchst du natürlich einen Grund, um mir die Schuld dafür zu geben, dass wir nicht miteinander auskommen. Denn das kann ja unmöglich an dem vollkommenen Duke Sheridan liegen.“

„Sei so sarkastisch, wie du willst. Tatsachen bleiben Tatsachen.“

„Deine Tatsachen! Doch eine Geschichte hat immer zwei Seiten, und ich finde …“

„Du hast einfach Angst. Was ist denn los, Lola? Bist du noch nie einem Mann begegnet, der dich durcheinandergebracht hat?“

Sie holte tief Atem. „Das ist zweifellos mit Abstand das Überheblichste, was mir ein Mann jemals gesagt hat. Glaubst du wirklich, du bist unwiderstehlich?“

„Ich glaube, dass wir beide uns von dem Moment an, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, zueinander hingezogen fühlen. Ich glaube, dass du darüber nachgedacht und entschieden hast – und zwar aus Angst –, ich könnte dir zu nah kommen. Du willst keinen ernsthaft interessierten Mann in deine kleine Welt hereinlassen und …“

„Hör sofort auf! Meine Welt ist nicht klein. Ich habe eine ganze Menge mehr von der Welt gesehen als du, und ich habe beschlossen, nach Montana zurückzukehren, um mir hier mein eigenes Leben aufzubauen.“

„Genau, und du bist ein erwachsenes großes Mädchen, nicht wahr? Wie kommt es dann, dass du bei Charlie wohnst, wenn du so unabhängig und selbstständig bist?“

„Ich wohne gern bei Charlie. Außerdem muss ich mich dir gegenüber nicht rechtfertigen für irgendetwas, das ich bin oder tue.“

Plötzlich fuhr Duke auf einen großen offenen Platz neben der Straße und hielt an.

„Was machst du denn da?“

„Das“, murmelte er finster und rutschte zu ihr hinüber.

Bevor sie irgendetwas dagegen unternehmen konnte, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. Ihre Wut verrauchte schlagartig. Duke war so groß, er duftete so gut, und er küsste, wie noch kein Mann sie je geküsst hatte. Es war schlichtweg überwältigend, und es dauerte keine zwei Sekunden, bis sie seinen Kuss erwiderte.

Duke öffnete ihren Sicherheitsgurt und nahm sie in die Arme, und Lola schlang die Arme um seinen Nacken. Zwischen dem ersten Kuss und dem zweiten nahmen sie sich kaum Zeit zum Atemholen. Der zweite Kuss war stürmisch und fordernd, und Lola gab sich ihm mit fieberhaftem Vergnügen hin. Nicht einen Gedanken verschwendete sie daran, ob das auch vernünftig war, so sehr wurde sie von ihren Gefühlen mitgerissen. Sie grub die Finger in Dukes dichtes Haar, während er mit der Zunge aufregend sinnlich durch ihren Mund glitt.

Leidenschaft war ihr nicht fremd. In der Vergangenheit hatte es ein paar bemerkenswerte Männer in ihrem Leben gegeben. Doch keiner war mit Duke zu vergleichen. Es gefiel ihr unbeschreiblich gut, seinen kräftigen Oberkörper zu spüren, sein heftiges Verlangen und wie geschmeidig seine großen Hände waren, als er jetzt durch ihr Kleid hindurch ihre Brüste streichelte. Er atmete immer schneller, und ihre Erregung wuchs ebenso.

Dann schob er die Hand unter ihren Rock und wanderte damit über ihre Schenkel höher. Lola löste ihre Lippen von seinem Mund. Sie war kaum in der Lage zu sprechen und flüsterte deshalb nur heiser: „Nicht … nicht.“ Gleichzeitig hielt sie seine Hand fest.

„Lola … Liebling … halt mich nicht zurück“, bat er sie mit rauer Stimme. „Ich begehre dich so sehr.“

Sie begehrte ihn ja auch, doch sie befanden sich auf einem öffentlichen Platz. Autos fuhren vorbei. Es war durchaus möglich, dass ein Bekannter vorbeikam und sie hier in Dukes Wagen und in Dukes Armen entdeckte.

„Wir können das hier nicht tun.“ Sie war so außer Atem, als wäre sie meilenweit gelaufen.

Er liebkoste mit dem Mund ihr Kinn. „Wo dann?“

„Wo?“, wiederholte sie benommen und bemühte sich, klar zu denken, was ihr ungemein schwerfiel. Sprachen sie tatsächlich darüber, einen Ort zu finden, wo sie sich lieben konnten? Wollte sie sich wirklich so weit mit einem Mann einlassen, den sie kaum kannte? Mit jeder Faser ihres Körpers fieberte sie danach, mit Duke zu beenden, was er mit einem Kuss begonnen hatte, auf den sie überhaupt nicht vorbereitet gewesen war.

Krampfhaft hielt sie seine Hand fest, die immer noch unter ihrem Kleid auf ihrem Schenkel lag. Denn wenn sie sie loslassen würde, wusste sie, was passierte. Ein fast schmerzhaftes Verlangen kämpfte in ihr mit ihrer Vernunft. Heiß spürte sie Dukes Atem auf der Haut, während er mit den Lippen zärtlich ihre Kehle streifte. Sie wollte diesen Mann stärker als jeden anderen, dem sie jemals begegnet war.

Aber das alles geschah zu früh und zu schnell.

„Lass … lass mir einen Moment Zeit“, stammelte sie. „Ich muss nachdenken.“

Duke hob den Kopf und sah ihr in die Augen. „Nicht nachdenken, Liebling. Denken wird alles ruinieren.“

Doch ihr Verstand hatte bereits die Oberhand gewonnen. „Du bist mir zu schnell. Bitte bring mich nach Hause.“

„Lola“, stöhnte er und vergrub erneut den Kopf an ihrem Hals. „Verlang das nicht von mir. Wir begehren uns doch.“

Das war es ja. Sie begehrte ihn mit einer Leidenschaft, die sie nie für möglich gehalten hatte. Doch genau das machte ihr angst. Er schaffte es mit ein paar Küssen, dass sie dahinschmolz und alles andere vergaß außer Duke. Wie hatte es nur geschehen können, dass er soviel Macht über ihre Sinne besaß?

Verunsichert holte sie Luft. „Duke, ich möchte jetzt wirklich nach Hause.“

Er versuchte, sie noch einmal zu küssen, doch sie drehte den Kopf weg, sodass er nur ihre Wange traf. Sie wusste genau, was er vorhatte. Er hoffte, sie mit seinen weiteren Küssen endgültig zu verführen. Was ihm sehr wahrscheinlich auch gelingen würde, wenn sie seinen Mund erneut auf ihren Lippen spürte.

„Nicht“, wehrte sie ab. „Mehr gibt’s nicht, Duke.“

Auch er holte jetzt tief Atem, bevor er sich aufrichtete. „Also gut, nicht mehr für heute Abend. Willst du morgen wieder mit mir ausgehen?“

Hastig ordnete sie ihren Rock und zog ihn über die Knie. „Ich … ich weiß nicht.“

„Du bist durcheinander.“

Sie sah ihn an. „Ja, bin ich. Ich habe nicht erwartet …“

„Das hättest du aber erwarten sollen. Diese Gefühle waren vom ersten Moment an zwischen uns da.“ Er nahm ihre Hand. „Lola, das wird sich auch nicht ändern. Ich werde heute Nacht in meinem Bett liegen und an dich denken, und du wirst in deinem Bett liegen und an mich denken. Wir sind keine Kinder mehr. Wir sollten zusammen im selben Bett liegen.“

„Sag so etwas nicht.“

„Warum nicht? Verdammt sag mir, warum nicht?“

„Weil wir uns erst seit ein paar Tagen kennen“, stieß sie hervor, denn das war die einzige Antwort, die ihr dazu einfiel.

Eine Weile schwieg er und sah sie nur an. „Du denkst, die Zeit wird etwas verändern? Ich werde dich auch nächste Woche noch genauso stark begehren wie jetzt.“

Ihr wurde ganz flau im Magen. Er hatte entschieden die besseren Argumente, doch sie wollte das nicht zugeben. Außerdem war es egal, was sie im Innersten fühlte. Ihrer Meinung nach kannten sie sich noch nicht gut genug, um miteinander ins Bett zu gehen. Sie waren heute das erste Mal zusammen aus, das war eine Tatsache, ob Duke die nun wichtig fand oder nicht.

„Wendest du diese Masche bei jeder Frau an?“, entgegnete sie, obwohl ihn diese Frage sicher ärgerte. Doch sie musste seinen Überredungskünsten Einhalt gebieten. Vielleicht würde dadurch seine Leidenschaft ein wenig abgekühlt werden.

„Bist du gewöhnt, dass Männer dir gegenüber eine Masche anwenden?“ Seine Stimme klang angespannt, aber nicht wütend. „Falls ja, dann gibst du dich mit den falschen Typen ab.“

„Ich gebe mich mit niemandem ab“, erwiderte sie scharf, weil sie ihr Privatleben verteidigen wollte, beziehungsweise dessen Mangel. „Zu deiner Information, ich bin viel zu beschäftigt, meinen Laden am Laufen zu halten, um meine Zeit mit der Jagd nach privatem Vergnügen zu verschwenden.“

„Mit anderen Worten, seit du nach Rocky Ford zurückgekommen bist, hast du dich mit niemandem verabredet. Wenn das stimmt, wie kommt es dann, dass du mit mir ausgegangen bist?“

„Weil du mich dazu gezwungen hast.“

„Ich bezweifle, dass irgendjemand, ob Mann oder Frau, dich zu irgendetwas zwingen kann, das du nicht willst.“ Duke rutschte auf den Fahrersitz zurück. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Straße frei war, fuhr er wieder los.

„Weißt du“, sagte er nach einer Minute, „deine Wortwahl ist sehr interessant. Findest du wirklich, Vergnügen sei Zeitverschwendung?“

„Was?“, fragte Lola leicht bestürzt.

„Du sagtest, du wärst zu beschäftigt mit dem Laden, um deine Zeit mit der Jagd nach privatem Vergnügen zu verschwenden. Heißt das, du tust nichts anderes außer arbeiten?“

„Natürlich nicht! Warum verdrehst du mir ständig die Worte im Mund, bloß damit sie in dein einseitiges Weltbild passen?“, brauste sie auf.

„Was regst du dich so auf? Ich habe nämlich kein einseitiges Weltbild.“ Duke überlegte. „Außer bei dir. Was dich betrifft, ist meine Meinung vielleicht tatsächlich einseitig.“

„Ja, und wir wissen beide, in welche Richtung sie führt“, erwiderte Lola spöttisch.

Er lachte kurz auf. „Falls du glaubst, ich werde mich entschuldigen, weil ich dich mag und begehre, dann irrst du dich. Zumindest bin ich in diesem Punkt ehrlich. Ich will dich genauso sehr, wie du mich willst, nur dass du zu feige bist, das zuzugeben. Oder irgendetwas dafür zu tun“, fügte er nach einer Sekunde hinzu.

„Was du feige nennst, bezeichne ich als vernünftig“, konterte sie. „Deine Meinung über meine Moral ist beleidigend. Glaubst du wirklich, ich gehe mit jedem Mann ins Bett, der mich anlächelt?“

„Wir haben ein bisschen mehr getan, als uns nur angelächelt“, antwortete Duke trocken. „Wenn wir in einer … sagen wir … günstigeren Umgebung gewesen wären, dann hätte uns nichts aufgehalten. Das weißt du genau.“

„Dein Plan ist wohl, mich in eine … sagen wir … günstigere Umgebung zu bringen.“

Zu Lolas Verblüffung fing Duke an zu lachen. Offensichtlich war sein Ärger verschwunden. Allmählich glaubte sie, dass er es sogar genoss, mit ihr zu streiten.

„Lola, Lola“, meinte er gedehnt. „Du bist wirklich sehr misstrauisch.“

„Darauf kannst du wetten!“ Vielleicht war er nicht mehr ärgerlich, dafür reichte ihr Ärger für zwei.

„Meine Gefühle für dich werden jede Minute stärker“, erklärte er und strahlte sie dabei an.

Ihr Zorn verstärkte sich enorm. Wie konnte er es wagen, sie dermaßen anzustrahlen, wo sie doch vor Wut kochte? Sie fühlte sich in diesem Augenblick so hilflos, dass sie die beleidigendsten Worte sagte, die ihr gerade einfielen. „Deine Gefühle für mich befinden sich unterhalb deiner Gürtellinie, also versuch nicht, mir etwas vorzumachen, Duke.“

„Du bist wütend.“

„Ich bin nicht nur wütend, ich mag dich nicht. Da hast du die Antwort auf deine Frage von vorhin. Bist du jetzt zufrieden? Endlich hast du sie aus mir herausgelockt.“

Er lachte. „Ich halte dich nicht für eine Lügnerin, also versuchst du lediglich, uns beiden etwas vorzumachen. Du magst mich nämlich, Lola. Du magst mich sogar sehr. Wenn eine Frau einen Kuss auf die Weise erwidert, wie du es getan hast, dann mag sie den Mann, der sie in den Armen hält.“

Ob ihr das gefiel oder nicht, er hatte recht. „Das wird nicht wieder vorkommen“, behauptete sie rasch.

„Ganz sicher wird es das.“

„Wird es nicht!“ Sie bemühte sich mit aller Kraft, sich zu beruhigen. „Ich werde kein weiteres Wort mehr mit dir reden. Du bist viel zu eingebildet. Diese lächerliche Diskussion ist beendet. Fahr mich jetzt endlich nach Hause und lass mich in Ruhe.“

Zu ihrer Überraschung tat er genau das. Nach einer Weile kamen die Lichter der Stadt in Sicht. Erleichtert atmete sie auf. Bald schon würde sie Duke nie wiedersehen müssen.

Er fuhr direkt zu Charlies Haus und hielt in der Auffahrt. Bei laufendem Motor drehte er sich zur Seite und sah sie an. „Danke für den wundervollen Abend“, erklärte er, und seine Stimme klang, als würde er gleich wieder zu lachen anfangen. „Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mehr Spaß gehabt habe.“

„Du … du Mistkerl! Danke für nichts!“, fauchte sie und öffnete die Tür.

Als sie ausstieg, sagte er: „Ich rufe dich an.“

Wütend hielt sie einen Augenblick inne, um ihm mitzuteilen, dass er das unterlassen solle. Doch dann drehte sie sich um und stolzierte zum Haus.

Sie war sich so gut wie sicher, dass sie ihn doch tatsächlich lachen hörte.

5. KAPITEL

Lola erinnerte sich nicht, jemals eine schlimmere Nacht verbracht zu haben. Ruhelos warf sie sich von einer Seite auf die andere und schlief immer nur kurz ein, um dann erneut aufzuwachen. Diese schreckliche Nacht ist allein Dukes Schuld, dachte sie gereizt, als am Morgen der Wecker klingelte. Am liebsten hätte sie die Uhr gegen die Wand geworfen, doch stattdessen kletterte sie missmutig aus dem Bett. Samstags war meistens viel im Geschäft los, und sie musste heute früh dort sein, um noch einige Dinge am Computer zu erledigen, bevor sie den Laden öffnete.

Nach einer Dusche fühlte sie sich etwas besser. Charlie war immer vor Tagesanbruch auf, und in der Küche stand eine Kanne heißer Kaffee für sie bereit. Charlie selbst war bereits vorn in seinem Laden. Er öffnete um sechs Uhr am Morgen, da viele seiner Kunden, die bereits im Ruhestand waren, mit den Vögeln aufstanden und zu Charlie kamen, um dort ihren Morgenkaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen. Während des Tages schauten dann die anderen Kunden herein, manche nur, um Charlie einen Besuch abzustatten. Die langjährigen Bewohner von Rocky Ford, Charlies Stammkunden und Freunde, wussten über alles Bescheid, was in der Stadt passierte und genossen es, auf einen Schwatz vorbeizukommen und über Politik zu reden. Wenn die Meinungen allzu gegensätzlich waren, kamen manchmal hitzige Diskussionen in Gang. Charlies Laden war gewissermaßen zu einem Versammlungsort geworden, und es gab wenig, das sich in der Gegend ereignete, zu dem die Stammkunden nicht ihren Kommentar abgaben.

Charlie hatte vor einiger Zeit noch zusätzlich Tische und Stühle für Kartenspieler aufgestellt, und beinahe jeden Nachmittag kamen nun Leute, die dort Binokel, Gin Rommé oder Bridge spielten.

Als Lola sich eine Tasse Kaffee einschenkte, hörte sie Stimmen und Gelächter aus dem Laden. Es klang, als würden sich Charlie und seine Freunde Witze erzählen, und Lola lächelte. Manchmal ging sie morgens nach vorn um Hallo zu sagen und einen der frischen Donuts oder ein Croissant zu essen, die Charlie täglich von der besten Bäckerei des Ortes liefern ließ. Doch heute war ihr nicht nach Schwatzen und Scherzen zumute. Deshalb bereitete sie sich Toast zu und blickte dann beim Frühstücken aus dem Fenster. Den dunklen Wolken nach zu urteilen, stand Regen bevor.

Lola schüttete den restlichen Kaffee in eine Thermosflasche, die sie mitnahm, als sie das Haus verließ und zur Arbeit fuhr. Sie parkte ihren Wagen an der gleichen Stelle hinter dem Laden wie jeden Tag. Dann schloss sie die schwere Hintertür auf und trat ein.

Eine Weile arbeitete sie mit dem Inventurprogramm auf ihrem Computer, bevor sie sich angespannt zurücklehnte. So lächerlich ihr das auch vorkam, Dukes Gesicht erschien immer wieder vor ihrem geistigen Auge, was sie bei der Arbeit behinderte.

„Das gibt’s doch nicht“, murmelte sie leise. Duke hatte ihr bereits die ganze Nacht den Schlaf geraubt. Würde er sie heute auch noch in ihrer Konzentration stören?

Sie knabberte an ihrem Daumennagel und blickte gedankenverloren ins Leere. Warum benahm sie sich Duke gegenüber dermaßen anders als bei anderen Männern? Sie war bei einer Verabredung noch nie so launisch und gereizt gewesen wie gestern. Auch wenn sie es Duke gegenüber nicht zugegeben hatte, so war ihr doch bewusst, dass sie diejenige gewesen war, die den Abend verdorben hatte. Aber warum nur?

Was ihr allerdings noch mehr Rätsel aufgab war, dass sie in Dukes Armen die Kontrolle über ihre Gefühle verloren hatte. Nachdem sie den Abend über kaum ein nettes Wort für ihn übrig gehabt hatte, hatte sie seine Küsse mit einer Leidenschaft erwidert, von der sie gar nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt dazu fähig war. Oh, seine Küsse, dachte sie hingebungsvoll. Kein Wunder, dass sie letzte Nacht kaum Schlaf gefunden hatte.

Zum Abschied hatte Duke gesagt, dass er anrufen würde. Doch würde er das auch wirklich tun?

Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie hoffte, er würde. Es irritierte sie ungemein, wie stark dieser Mann sie innerlich beschäftigte. Sie fühlte sich ihren Gefühlen in einer Weise ausgeliefert, die sie zumindest als erwachsene Frau nie erlebt hatte.

Unwillkürlich dachte Lola an ihre Kindheit und die große Krise in ihrem Leben. Sie war erst acht Jahre gewesen, als ihre Eltern starben, an denen sie sehr gehangen hatte, und sie hatte nur noch weinen können. Dann war Charlie, ihr Onkel, erschienen. Er hatte ihre Tränen getrocknet, sie in die Arme genommen und ihr versichert, es würde alles wieder gut werden und dass sie mit ihm kommen und zusammen mit Serena und Ron bei ihm leben würde.

Doch das hatte sich als gar nicht so einfach herausgestellt. Der Staat Texas – ihre Familie hatte in Dallas gelebt – war eingeschritten. Sie war Vollwaise, und das Gesetz hatte Nachforschungen über Charlie verlangt, obwohl sie Blutsverwandte waren, um festzustellen, ob er ein geeigneter Vormund sein würde.

Während das Jugendamt und das Familiengericht über ihr Schicksal entschieden, war sie bei Pflegeeltern untergebracht worden. Briefe und Telefonanrufe von Charlie, Serena und Ron waren ihr einziger Halt gewesen. Von der ersten Pflegestelle war sie zu einer zweiten und schließlich zu einer dritten gebracht worden. Einige der Leute waren nett gewesen, andere nicht. Zunächst war sie immer schüchterner geworden und hatte nach ein paar Monaten erkannt, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen konnte. Sie war noch zu jung gewesen, um das Vorgehen der Behörden zu verstehen, doch eine Sache hatte sie recht schnell begriffen: sie war jetzt ganz allein in einer sehr großen Welt.

Als Charlie die Vormundschaft endlich zuerkannt wurde, war sie ein melancholisches kleines Mädchen gewesen, das von niemandem mehr etwas erwartete. Er hatte ihr beim Packen ihrer Kleider geholfen und ihr lustige Dinge gesagt, um sie zum Lächeln zu bringen.

Das Ende dieser schrecklichen Zeit war ihre Ankunft in Rocky Ford gewesen. Dort hatten Ron und Serena sie herzlich begrüßt und willkommen geheißen, und sie hatte ihr eigenes Zimmer gehabt. Nach einiger Zeit hatte sie schließlich begonnen, sich als Teil der Familie zu fühlen. Allerdings hatten die vierzehn Monate bei verschiedenen Pflegestellen sie stark verändert, und sie würde sich anderen wohl immer nur sehr zögernd und langsam öffnen – wenn überhaupt. Charlie, Serena und Ron hatten sie so akzeptiert, wie sie war, und da sie zusammen mit ihren Cousins aufgewachsen war, hatten sie eine starke und liebevolle Bindung zueinander entwickelt.

Lola blinzelte. Der Cursor auf dem Computerbildschirm blinkte, was sie daran erinnerte, dass sie zu arbeiten hatte.

Entschlossen drängte sie die Vergangenheit und Duke Sheridan aus ihren Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Aufgaben, die vor ihr lagen.

Duke war früh aufgestanden und hatte den ganzen Morgen auf der Ranch gearbeitet. Um halb eins war er zum Mittagessen ins Haus gegangen. Jetzt saß er im Arbeitszimmer an seinem Schreibtisch und sah die Post durch. Bei vielen Briefen genügte ein Blick, und sie landeten im Papierkorb. Aber einige und die Rechnungen erforderten eine genauere Durchsicht, und er stapelte sie links von sich neben dem Telefon.

Lola war jetzt sicher in ihrem Laden, und er wollte sie anrufen. Doch er traute ihr zu, dass sie einfach auflegte, und dazu wollte er ihr nicht die Möglichkeit geben. Warum, verflixt noch mal, konnte er sie sich nicht aus dem Kopf schlagen? Sie war sehr hübsch, zugegeben, doch das waren Millionen anderer Frauen auch. Er legte einen Brief ungeöffnet beiseite und trommelte mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch, wobei er vorwurfsvoll das Telefon musterte, als wäre es an der verzwickten Lage schuld, in der er steckte.

Seine Unsicherheit ärgerte ihn enorm. Wahrscheinlich deshalb, weil er sonst kaum unsicher war. Doch Lola machte ihn nicht nur nervös, bei ihr kam er auch keinen Schritt weiter.

Er stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu laufen. Der Raum war mit dunklem Holz vertäfelt. Außerdem war er mit einem gemauerten Kamin, einem dunkelgrünen Teppich, einem Ledersofa und mehreren Sesseln, Eichenregalen und dem Eichenholzschreibtisch ausgestattet. Er mochte dieses Zimmer besonders gern. Hier konnte er normalerweise am besten nachdenken, doch heute brachte er hier keine zwei klaren Gedanken zustande.

Das ist nur Lolas Schuld, dachte er gereizt. Die letzte Nacht hätte wundervoll werden können, doch sie hatte das nicht zugelassen. Also weshalb vergaß er die Sache nicht einfach und machte weiter, als wäre er Lola Fanon niemals begegnet?

Diese Vorstellung gefiel ihm allerdings überhaupt nicht. Er wollte die Sache nicht vergessen, und er wollte nicht so weitermachen, als wäre er Lola niemals begegnet. Sie war nicht einfach irgendeine Frau, verdammt. Sie war … sie war …

Er wusste nicht, was sie war, doch er wusste, dass er sie nicht loslassen konnte. Kopfschüttelnd über seine eigene Unzulänglichkeit kehrte er zum Schreibtisch zurück und setzte sich wieder, griff jetzt kurzerhand zum Telefon und wählte die Nummer von Lolas Laden.

Nach dem zweiten Läuten hörte er die Stimme, nach der er sich gesehnt hatte. „Men’s Western Wear, Sie sprechen mit Lola Fanon.“

Er antwortete in einem gelassenen Ton, der nicht im Mindesten seiner inneren Unruhe entsprach. „Hallo, meine Schöne.“

„Duke?“ Augenblicklich beschleunigte sich Lolas Puls. Er rief an! War das nun gut oder schlecht? Sie wusste es nicht, doch in ihr breitete sich wilde Freude aus, von der noch vor einer Minute nichts zu spüren gewesen war.

„Gleich beim ersten Mal richtig geraten“, meinte Duke gedehnt. „Wie geht es dir heute?“

„Gut. Und dir?“

„Nicht so gut, Lola. Seit ich dich nach Hause gebracht habe, denke ich über den vergangenen Abend nach. Ich weiß nicht, wie das passiert ist, doch irgendwie ist gestern etwas schiefgelaufen. Ich möchte mich für alles entschuldigen, was ich möglicherweise getan habe und was dich verletzt hat.“

„Ich … ich möchte mich ebenfalls entschuldigen.“ Vor seinem Anruf hatte sie gar nicht daran gedacht, ihn um Verzeihung zu bitten, doch jetzt erschien ihr das richtig. Wenn er so edel war, dann konnte sie das auch sein. „Ich bin sonst nicht die Zicke, als die ich dir gestern wahrscheinlich vorgekommen bin.“

Er lachte leise. „Ich habe dich nicht als zickig empfunden, Kleines. Kein einziges Mal. Hör mal, was hältst du davon, heute zum Abendessen auf die Ranch zu kommen?“

„Auf deine Ranch?“ Sie wusste genau, von welcher Ranch er sprach. Doch seine Einladung kam so überraschend, dass sie ein paar Sekunden zum Nachdenken brauchte und Zeit gewinnen wollte.

„Natürlich auf meine Ranch“, antwortete er lachend. „Bist du jemals hier draußen gewesen? Vielleicht früher als Kind?“

„Nein, da bin ich mir sicher.“ Sie würde sehr gern die Sheridan-Ranch besichtigen und sehen wo und wie Duke lebte. Doch ihre Neugier nahm ab, als sie daran dachte, dass sie den Abend dann alleine in seinem Haus verbringen würden.

„Kochst du selbst?“, fragte sie verlegen.

„Ich?“ Duke lachte. „Ich fürchte nein, Kleines. Ich kann mir Würstchen heiß machen, falls ich muss und eine Kanne Kaffee zubereiten. Aber das Kochen überlasse ich lieber June.“

„June ist deine Köchin?“

„June Hansen. Ihr Mann, Rufe, arbeitet ebenfalls bei mir. Sie wohnen schon sehr lange auf der Ranch.“

„Sie wohnen dort?“ Ein verheiratetes Paar, das bei ihm wohnte, warf natürlich ein ganz anderes Licht auf seine Einladung zum Abendessen. Sicher würde er keine Tricks versuchen, wenn sich noch andere Leute im Haus befanden.

„Seit fünfzehn Jahren“, erklärte er. „Die Hansens sind für mich wie eine Familie. Außerdem ist June eine großartige Köchin, und ich garantiere für ein gutes Essen. Na, wie steht’s?“

Zufällig blickte Duke in diesem Moment aus dem Fenster. „Heh, es hat endlich zu regnen angefangen. Wahrscheinlich wäre es da am besten, wenn ich dich nachher mit meinem Geländewagen abhole. Ich möchte nicht, dass du im Regen Probleme mit deinem Auto bekommst.“

„Wahrscheinlich regnet es gar nicht lange.“

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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