Baccara Weekend Band 42

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LIEBESGLUT IN MEXIKO – MIT DEM CHEF? von RED GARNIER

Marcos Allende hat einen Plan. Seine Assistentin Virginia soll ihn nach Mexiko begleiten und seine Geliebte spielen – während er dort ein Unternehmen übernimmt. Aber dann verkörpert Virginia ihre Rolle so überzeugend, dass Marcos wehrlos bei so viel erotischer Ausstrahlung ist … 

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  • Erscheinungstag 21.09.2024
  • Bandnummer 42
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527514
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Red Garnier, Jennifer Greene, Heidi Betts

BACCARA WEEKEND BAND 42

1. KAPITEL

Es war so weit: Sie würde ihn bitten.

Virginia erschauerte. Wie zum Schutz schlang sie sich die Arme um den Oberkörper und richtete ihren Blick aus dem Fenster der glänzend schwarzen Limousine, die fast geräuschlos durch die dunklen Straßen von Chicago glitt. Draußen eilten Menschen die Gehwege entlang, die Hände tief in die Taschen vergraben, den Kopf gesenkt, um sich vor dem beißenden Wind zu schützen. Einige telefonierten mit dem Handy, andere kämpften mit ihren Einkaufstaschen. Auf den ersten Blick sah alles so aus wie immer. Als wäre heute ein ganz normaler Abend.

Dabei war an diesem Tag rein gar nichts normal. Denn die Welt, wie Virginia sie kannte, hatte heute aufgehört zu existieren.

Schuld daran waren die Männer, die früh am Morgen an ihre Tür geklopft und ihr eine Botschaft überbracht hatten.

Virginia atmete tief durch und warf einen Blick auf ihr schlichtes schwarzes Kleid und die High Heels. Heute Abend musste sie einfach gut aussehen – nein, nicht einfach gut: kultiviert und elegant. Denn der Gefallen, um den sie bitten wollte, war alles Mögliche, aber ganz bestimmt nicht kultiviert oder elegant.

Und zu allem Überfluss gab es nur einen einzigen Menschen, den sie fragen konnte: ihn. Bei dem bloßen Gedanken, sich derart vor ihm zu erniedrigen, krampfte sich ihr Magen schmerzhaft zusammen.

Nervös zupfte sie an ihrer Perlenkette herum und versuchte, sich wieder auf die Szenen zu konzentrieren, die an den Fenstern vorbeiglitten. Die Perlen, die kühl und glatt durch ihre Finger glitten, waren das Einzige, das sie aus dem Erbe ihrer Mutter hatte retten können.

Alles andere hatte ihr Vater verloren.

Wette für Wette, Spiel für Spiel, hatte er Autos, Antiquitäten, ihr Haus verscherbelt. Und Virginia hatte in einer kaum erträglichen Mischung aus Hilflosigkeit und Zorn zusehen müssen, wie er ihre Familie in den Ruin trieb.

Sicher, sie hatte ihm gedroht, ihn angeschrien, ihn angebettelt, doch jeder Versuch war ergebnislos geblieben.

Es gab keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Die Spielsucht hatte ihn fest in ihren gierigen Klauen.

Und nun hatte er alles verloren.

Alles bis auf seine Tochter.

Sie konnte die Männer und ihre Drohung nicht einfach ignorieren. Ganz gleich, wie sehr sie ihren Vater für sein Verhalten verachtete, ganz gleich, wie oft sie schon beschlossen hatte, niemals wieder ein Wort mit ihm zu reden – er war und blieb ihr Vater. Die einzige Familie, die sie noch hatte.

Vor langer Zeit war er ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen. Man hatte ihn respektiert, ja sogar bewundert! Unfassbar, was aus ihm geworden war.

Virginia hatte keine Ahnung, wie hoch seine Schulden wirklich waren, und sie hatte den Verdacht, dass das auch besser so war. Im Augenblick zählte sowieso nichts weiter als der Deal, den sie an diesem Morgen mit den drei Fremden eingegangen war. Sie hatte einen Monat, um einhunderttausend Dollar aufzutreiben. Während dieser Frist würden die Geldeintreiber ihren Vater in Frieden lassen.

Selbst in ihren wildesten Träumen konnte sie sich nicht vorstellen, in so kurzer Zeit einen so hohen Betrag aufzubringen. Doch es gab jemanden, der es konnte: Marcos Allende.

Bei dem Gedanken an ihn stellten sich die Härchen auf ihren Unterarmen auf. Marcos. Ihr Boss. Der Mann ihrer geheimsten Träume. Es hieß, dass er ein fast schon magisches Talent hätte, alles, was er berührte, in Gold zu verwandeln. Sie war seit einem Jahr seine Assistentin – eine von dreien übrigens, denn alleine wäre es niemals möglich gewesen, all die Arbeit zu bewältigen –, und schon nach dieser kurzen Zeit neigte sie dazu, den Gerüchten zuzustimmen.

Marcos Allende war ein wandelnder Widerspruch.

Einerseits war er verwegen, skrupellos und stolz. Ganz auf sich gestellt, hatte er Unternehmen, die in Schwierigkeiten steckten, aufgespürt, aufgekauft und saniert und damit ein gigantisches, milliardenschweres Imperium geschaffen. Während seine Untergebenen ihn zutiefst verehrten, fürchteten seine Feinde ihn wie den Teufel höchstpersönlich. Und über die Gefühle, die er in ihr auslöste, wollte sie gar nicht erst nachdenken.

Morgen für Morgen musterte er sie mit seinem dunklen, fesselnden Blick, und die Leidenschaft, die in seinen schwarzen Augen lag, brachte sie jedes Mal wieder aus dem Konzept. Morgen für Morgen versuchte sie, sich professionell zu verhalten, seinem Blick auszuweichen, Marcos nichts weiter als ein kühles, sachliches Lächeln zuzuwerfen. Doch seine Blicke schienen bis tief in ihre Seele zu reichen und dort jenes geheime Verlangen aufzuspüren, das sie so verzweifelt zu verbergen suchte. Aber heute Abend traf sie ihn aus einem ganz anderen Grund, einem Grund, der sie möglicherweise ihren Job kosten würde.

Zwar hatte sie Marcos stets als ausgeglichenen, überlegten Menschen kennengelernt, doch es hieß, dass er ausgesprochen temperamentvoll werden konnte, wenn man ihn provozierte. Mühsam unterdrückte Virginia ihre Panik. Hoffentlich gab sie ihm keinen Grund, ihr seine andere Seite zu zeigen.

Als der Wagen in die breite Einfahrt vor dem luxuriösen Apartmenthaus an der viel befahrenen Michigan Avenue einbog, in dem Marcos lebte, wurde ihr beinahe übel. Ein uniformierter Portier hielt ihr mit einer knappen Verbeugung die Tür auf.

Sie murmelte ein schnelles „Danke“ und stieg aus. Als sie an dem imposanten Gebäude emporblickte, straffte sie unwillkürlich die Schultern und atmete ein letztes Mal tief durch, ehe sie die Lobby betrat.

Ein weiterer Portier führte sie zum Aufzug und versicherte ihr, dass Mr. Allende bereits auf sie warten würde. Dann schaltete er die Tastatur in der Kabine mit einer Keycard frei und drückte auf das P, das über den übrigen Zahlen thronte. „Einen schönen Abend noch, Madam“, schloss er, dann trat er zurück, und die Türen glitten zu.

Nervös musterte Virginia sich in den Wandspiegeln.

Bitte, bitte, lass ihn mir helfen. Ich würde alles tun. Wirklich alles!

Sekunden später öffneten sich die Türen wieder und gaben den Blick auf das Penthouse frei. Der gigantische Hauptraum war mit schwarzem Granit ausgelegt, der im Dämmerlicht einladend schimmerte. Sorgfältig ausgewählte exquisite Möbel verliehen Marcos’ Zuhause ein einladendes Flair.

Zögernd trat Virginia aus dem Lift und sah sich um. Der Eingang wurde von zwei eleganten Skulpturen flankiert, und am Ende des langen Flurs zu ihrer Rechten hing ein riesiges Ölgemälde, das von dynamischen schwarzen Linien beherrscht wurde. Vor ihr öffnete sich ein großzügiges Wohnzimmer mit hoher Decke. Marcos stand mit dem Rücken zu ihr an der Bar am anderen Ende des Raums, so elegant und reglos, als wäre er selbst eine Skulptur, und sah aus dem Fenster.

Mit klopfendem Herzen ging Virginia einige Schritte auf ihn zu. Nur das Geräusch ihrer Absätze auf dem polierten Boden durchbrach die Stille.

„Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt.“

Beim weichen, warmen Klang seiner Stimme erschauerte sie wohlig. Marcos sprach so sanft, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. Doch die knisternde Energie, die ihn zu umgeben schien, strafte seine Stimme Lügen.

„Ja, sicher. Vielen Dank, dass Sie mir den Wagen geschickt haben. Und natürlich dafür, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben“, erwiderte sie mit gespielter Ruhe. Sie kam näher, doch Marcos wandte ihr noch immer den Rücken zu. Ein Teil von ihr fürchtete den Augenblick, in dem er sich zu ihr umdrehen, ihr einen dieser Blicke zuwerfen würde, die sie jedes Mal trafen wie ein Pfeil ins Herz.

Doch sie war hier, in seiner Wohnung, um den Mann, der Nacht für Nacht in ihren Träumen auftauchte, um einen Gefallen zu bitten.

So viele Jahre lang hatte sie versucht, sich ein sicheres, solides Leben aufzubauen, sich an die Regeln zu halten und jeder Art von Ärger aus dem Weg zu gehen. Und all das musste sie nun aufs Spiel setzen, wenn sie ihren Vater retten wollte.

Sie hätte schwören können, dass Marcos ihre Gedanken lesen konnte, denn im nächsten Moment fragte er leise: „Stecken Sie in Schwierigkeiten, Virginia?“

Sie schluckte und musterte seine breiten Schultern. „Ich befürchte ja.“

„Und nun sind Sie gekommen, um mich um Hilfe zu bitten?“

Ihr schnürte sich die Kehle zusammen, nur mit Mühe konnte sie sprechen. „Ja. Bitte helfen Sie mir, Marcos.“

Als er sich umdrehte, zuckte sie unter seinem dunklen Blick zusammen. „Wie viel brauchen Sie?“, fragte er nüchtern.

Seine maskulinen Gesichtszüge, seine verwegene Ausstrahlung, sein leichter spanischer Akzent ließen ihr Herz schneller klopfen. Marcos Allende war gefährlich, und das machte ihn umso attraktiver. Die gebräunte Haut, die raubkatzenhafte Eleganz seiner Bewegungen, seine Körpergröße, all das zusammen ergab ein Bild vollkommener Männlichkeit.

Sein eindringlicher Blick glitt so langsam über sie, dass sie es kaum ertragen konnte. Stolz hob sie das Kinn und verbarg ihre zitternden Hände hinter ihrem Rücken. „Ich … Mir ist natürlich klar, dass Sie eine Gegenleistung erwarten. Selbstverständlich werde ich meine Schulden abarbeiten.“

Durch seine schwarzen Wimpern hindurch musterte er ihre Lippen. „Sie sehen heute Abend sehr gut aus, Virginia.“

Der sinnliche Unterton in seiner Stimme erregte sie. „Ich versuche …“ Sie hielt inne und nahm all ihren Mut zusammen. „Ich brauche einhunderttausend Dollar. Können Sie mir helfen?“ Sie schloss die Augen und senkte den Kopf. Es war so erniedrigend, so schmerzhaft, ausgerechnet ihn um Geld bitten zu müssen.

„Das ist alles, was Sie brauchen?“, fragte er mit weicher Stimme. Als wäre das nichts, eine Summe, die er aus der Portokasse bezahlen würde. Aber für ihn, den Milliardär, war vermutlich genau das der Fall.

Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: „Würden Sie mir verraten, wofür Sie das Geld brauchen?“

Sie blickte ihn kurz an und schüttelte kaum spürbar den Kopf. Noch mehr Erniedrigung konnte sie in diesem Augenblick wirklich nicht ertragen.

Marcos’ Mundwinkel zuckten, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich winzige Lachfältchen, sodass er plötzlich viel weniger bedrohlich wirkte. „Sie wollen es mir nicht verraten?“, sagte er herausfordernd.

„Wenn Sie nichts dagegen haben“, murmelte sie. Als sein Blick ihre Beine hinabglitt, zog sie den Saum ihres kurzen Kleids tiefer. „Marcos, bitte sagen Sie mir, was ich tun kann, um meine Schulden abzuarbeiten.“ Sie brachte die Summe nicht einmal über die Lippen, so hoch erschien sie ihr.

Marcos lachte auf. Hatte sie ihn jemals lachen hören? Dann stellte er sein Glas auf dem Bartresen ab und wies auf eine gemütliche Sitzgruppe aus schwarzem Leder. „Nehmen Sie Platz.“

Virginia setzte sich. Kerzengerade saß sie auf dem äußersten Rand des Sofas und beobachtete, wie Marcos den Raum durchquerte. Wie konnte sich ein so großer Mann mit solcher Anmut bewegen? Wie konnte er …

„Wein?“

„Nein, danke.“

Dennoch schenkte er auch für sie ein Glas ein und reichte es ihr.

„Trinken Sie.“

Virginia ergriff das langstielige Glas und konzentrierte sich auf die Skulpturen neben dem Lift, während sie verzweifelt versuchte, sich nicht von Marcos’ betörend männlichem Duft verwirren zu lassen. Mit angehaltenem Atem wartete sie ab, bis Marcos sich auf das Sofa ihr gegenüber gesetzt hatte.

Als er lässig seine Arme über die Lehne legte, schien das wuchtige Designerstück kleiner zu werden. Es war, als würde Marcos mit seiner imposanten Gestalt den ganzen Raum beherrschen. Unter seinem Jackett trug er ein Hemd, dessen oberste Knöpfe geöffnet waren und den Blick auf ein Stück gebräunte, glatte Haut und ein schimmerndes Goldkreuz freigaben.

Was hätte sie dafür gegeben, ihn zu berühren, herauszufinden, wie sich seine bronzefarbene Haut wohl unter ihren Fingern anfühlen mochte.

Als sie seinen prüfenden Blick bemerkte, hob sie das Kinn und warf ihm ein Lächeln zu.

Marcos wies auf ihr Glas. „Sie trinken ja gar nicht.“

Virginia zuckte zusammen, dann trank sie gehorsam einen Schluck. „Er ist gut … sehr weich …“

„Virginia, ich beiße nicht.“

Fast hätte sie sich verschluckt. Sie blinzelte irritiert, dann bemerkte sie sein amüsiertes Lächeln und entspannte sich ein wenig.

„Ich verstehe, wie schwierig diese Situation für Sie ist“, fuhr er fort. In seinen dunklen Augen lag ein warmer Ausdruck.

„Danke.“ Er hatte ja keine Ahnung.

Nachdem auch er einige Schlucke getrunken hatte, stellte Marcos sein Glas ab, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich bequem zurück. „Sie vertrauen mir nicht, oder?“

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Ihm vertrauen?! Sie respektierte ihn, bewunderte ihn, ja sie betete ihn an, aber sie hatte auch Angst vor ihm und seiner Macht.

Darüber, ob sie ihm vertraute, hatte sie noch nie nachgedacht. Allerdings hatte sie schon oft beobachten können, wie er die Angestellten seines Unternehmens Fintech mutig und entschlossen wie ein Löwe beschützte und verteidigte. Als Lindsay, Assistentin Nummer zwei, Zwillinge zur Welt gebracht und vor Überlastung am Boden zerstört gewesen war, hatte er ein Kindermädchen für sie eingestellt und Lindsay gemeinsam mit ihrem Mann in die zweiten Flitterwochen nach Hawaii geschickt.

Und nachdem Mrs. Fullers Ehemann verstorben war, hatte er alles dafür getan, ihr die schwere Zeit zu erleichtern und für sie und ihre Familie da zu sein.

Ganz gleich, wie erniedrigend ihre Situation auch sein mochte: Marcos war wie ein Fels in der Brandung. Virginia sah ihm fest in die Augen und erwiderte: „Ich traue Ihnen mehr als irgendjemandem sonst.“

In seinem Gesicht spiegelte sich Überraschung wider. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Und trotzdem wollen Sie mir nicht verraten, was Sie so bedrückt?“

Der Gedanke, dass ein Mann wie er erfahren könnte, in was für beschämenden Schwierigkeiten sie steckte, ließ sie verlegen zu Boden blicken. „Wenn das der einzige Weg ist, Sie davon zu überzeugen, mir zu helfen, werde ich es Ihnen erzählen.“

Marcos erhob sich und kam zu ihr herüber. Vorsichtig nahm er ihr das Glas aus den Händen. „Kommen Sie mit.“

Es war unmöglich, in diesem Mann zu lesen. Was mochte er vorhaben? Nervös lief Virginia neben ihm den langen Flur entlang. Dass er sie trotz ihrer hohen Absätze fast um einen ganzen Kopf überragte, trug nicht unbedingt dazu bei, sie zu beruhigen.

Außerdem war sie sich zunehmend unsicher, ob es nicht ein Fehler war, ihm so blind zu vertrauen.

Währenddessen spürte sie ununterbrochen Marcos’ raubtierhaften Blick auf sich ruhen. Wohin brachte er sie nur? Errötend versuchte sie, die Bilder von einem luxuriösen Schlafzimmer aus ihrem Kopf zu vertreiben.

Als Marcos die Tür am Ende des Ganges für sie öffnete, betrat Virginia mit klopfendem Herzen den dunklen Raum.

„Ihr Home Office?“

„Richtig.“

Dann schaltete er die Deckenlampe ein, und warmes Licht flutete den Raum. Drei der vier Wände waren vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen bedeckt. In der Sitzecke lag ein türkischer Teppich, und hinter dem massiven Schreibtisch standen fünf Aktenschränke aus glänzendem Holz. Keine Ziergegenstände, keine Bilder, keine Ablenkungen, dafür aber ein hochmoderner Computer. Noch mehr als der Rest des Penthouses strahlte das Büro Seriosität und Eleganz aus.

„Was für ein schöner Raum.“ Als Virginia klar wurde, dass sie sich gerade im Mittelpunkt seiner Privatsphäre befand, spürte sie erneut das Blut in ihre Wangen steigen. Ihre Finger zuckten, als sie den Impuls zu unterdrücken versuchte, die Papierstapel auf Marcos’ Schreibtisch aufzuräumen.

„Ich weiß Bescheid über Ihren Vater, Miss Hollis.“

Vor Schreck hätte sie fast das Gleichgewicht verloren. „Ach ja?“ Sie fuhr zu ihm herum.

„In der Welt, in der ich lebe, kommt man ohne Vorsicht nicht weit. Ich habe ein Dossier über jede Person, die in meinem direkten Umfeld arbeitet, und kenne alle Details ihres Lebens. Also weiß ich auch von Ihren Problemen.“

„Oh.“

Was er wohl sonst noch wissen mochte?

Als er den Raum durchquerte und an ihr vorbeilief, erzitterte sie wie in einer kühlen Brise. „Warum sind Sie nicht schon früher zu mir gekommen?“, fragte er sachlich.

„Ich bin jetzt gekommen“, flüsterte sie.

Hinter seinem Schreibtisch hielt er inne und beugte sich über die Arbeitsplatte. „Wie schlimm ist es?“

„Es … Die Spielsucht kommt und geht.“ Sie wich seinem forschenden Blick aus und wandte sich den Bücherregalen zu. Doch dann brach es plötzlich aus ihr heraus, so als habe Marcos mit seinen verständnisvollen Worten eine Tür in ihrem Inneren aufgerissen, die bisher fest verschlossen gewesen war. „Er hat vollkommen die Kontrolle verloren. Er verspielt mehr, als er hat, und mehr, als ich jemals verdienen werde.“

„Und nur deswegen sind Sie hier?“

In seiner Stimme schwang etwas mit, das eine Hitzewelle durch ihren Körper jagte. Sie wandte sich ihm wieder zu, schockiert über seine Frage, schockiert über die Antwort, die sie ihm am liebsten gegeben hätte.

Bei seinem Anblick stockte ihr der Atem.

Denn seine Augen enthüllten eine Wildheit, einen primitiven Hunger, eine plötzlich erwachte Begierde … Virginia musste unwillkürlich an ein Raubtier denken, das sich langsam, aber unaufhaltsam an sie heranpirschte.

Ihr lang unterdrücktes Verlangen überschwemmte ihren Körper, während Marcos sie weiter mit Blicken zu verschlingen schien. „Sind Sie heute Abend nur aus diesem Grund gekommen, Virginia?“, wiederholte er.

Wie in Trance kam sie mit zitternden Knien näher. „J… ja.“

„Und Sie wollen nichts weiter als das Geld?“

Wie sollte sie nur sprechen? Sie konnte kaum mehr denken, selbst das Atmen fiel ihr schwer. Ihr Herz fühlte sich an, als würde es gleich zerspringen, während sie verzweifelt nach einer Antwort suchte. „Nein, nichts weiter.“

Nur eine einfache Bitte, doch sie wurde so kompliziert durch all die Gefühle, die Marcos’ Nähe in ihr auslöste! Gefühle, die ihr Verstand ihr verzweifelt zu verbieten versuchte, Gefühle, die hier nichts zu suchen hatten und sich ihrer Kontrolle entzogen.

„Helfen Sie mir denn?“, fragte sie leise und trat näher an den Schreibtisch. Ihre Worte klangen so intim, als hätte sie ihn um einen Kuss gebeten.

„Das werde ich.“ Die Entschlossenheit in seiner tiefen, rauen Stimme ließ eine Welle der Erleichterung durch ihren Körper strömen.

Er würde ihr helfen.

Vor ihrem geistigen Auge entstand ein Bild von Marcos auf einem weißen Hengst, in der Hand eine wehende Flagge, auf der „Virginia“ stand.

„Ich erwarte nichts umsonst“, sagte sie. Noch immer zitterte ihre Stimme.

Es war, als würde eine unsichtbare Kraft sie anziehen, sie zwingen, ihm immer näher zu kommen. Wäre da nur nicht eine ganze Welt gewesen, die sie voneinander trennte.

Marcos fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann nahm er einen Kugelschreiber vom Tisch und räumte ihn in ein Lederetui. „Sie werden das Geld bekommen, aber dafür müssen Sie mir einen Gefallen tun.“

„Was auch immer Sie wünschen.“

Mit einem Mal wurde sein Blick stahlhart, seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Es gibt da etwas, das ich haben möchte. Etwas, das mir gehört, das ich haben muss, wenn ich nicht den Verstand verlieren möchte.“

Virginia lief es heiß und kalt über den Rücken.

Sie wusste, dass er nicht von ihr sprach, und dennoch berührten seine Worte etwas tief in ihr. Wie es sich wohl anfühlen mochte, derart von Marcos begehrt zu werden? „Ich … verstehe.“

„Ist das so?“ Er warf ihr ein düsteres Lächeln zu, dann nahm er einen Globus aus Halbedelsteinen vom Tisch und schob ihn zwischen sich und Virginia. „Hier“, sagte er und deutete mit dem Zeigefinger auf ein Stück Granitland, das in einem Lapislazuli-Ozean lag. „Was ich will, befindet sich hier.“

Sein Finger senkte sich auf den Stein.

Virginia trat noch näher heran und hob die Hand, um sehnsüchtig die lange Küstenlinie nachzuziehen. „Mexiko“, flüsterte sie.

Sein Finger verrutschte, berührte ihren. Reglos sahen sie einander in die Augen. Sein kräftiger, gebräunter Finger schwebte neben ihrem schlanken, alabasterfarbenen über Mexiko. Sie berührten einander kaum, und doch erschütterte ihre plötzliche Sehnsucht sie bis ins Mark.

Er sah ihr in die Augen, seine Pupillen wie zwei schwarze Strudel, die sie tiefer und tiefer in ihren Bann zogen. Dann flüsterte er, als würde er ihr seine geheimsten Wünsche und Träume gestehen: „Ich will Allende Transports.“

Sie begriff sofort. „Das Unternehmen Ihres Vaters?“

„Das Unternehmen, das er verloren hat.“

Er hob die Hand, und dann strich er sanft über ihre Wange. Marcos’ Berührung, sein seltsamer Blick … Oh Gott, was tat sie hier nur? Er roch so gut, dass ihr schwindelig wurde.

„Und Sie glauben, dass ich Ihnen dabei helfen kann?“, fragte sie und wich unwillkürlich vor ihm zurück. Fort von seiner überwältigenden, fesselnden Anziehungskraft, fort von den Wünschen, die er in ihr weckte.

Er fuhr sich ruhelos mit der Hand über das Gesicht. „Die neue Eigentümerin hat das Unternehmen fast ruiniert und mich um Hilfe gebeten.“ Sein Kiefermuskel zuckte. „Notleidende Unternehmen sind meine Spezialität, aber in diesem Fall ist die Sache komplizierter.“ Angewidert schüttelte er den Kopf. „Ich habe nicht vor, ihr zu helfen, verstehen Sie?“

„Ja.“ Tatsächlich begriff sie rein gar nichts, aber sie wusste, dass das Unternehmen seines Vaters Marcos’ wunder Punkt war und man Allende Transports ihm gegenüber besser nicht erwähnte, wenn einem das eigene Leben lieb war.

Er begann, unruhig auf und ab zu laufen. „Wenn es nötig ist, bin ich sogar zu einer feindlichen Übernahme bereit.“

„Ich verstehe.“

„Und ich brauche eine Begleitung.“

Eine Begleitung.

„Jemanden, auf den ich zählen kann. Aber vor allem …“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und suchte mit seinen geheimnisvollen Augen ihren Blick. „Vor allem brauche ich jemanden, der bereit ist, meine Geliebte zu spielen.“

Meine Geliebte.

Ihre Hände wurden feucht, und sie rieb sie unauffällig an ihrem Kleid trocken. „Geliebte“, wiederholte sie, und als Marcos auf sie zukam, wich sie instinktiv zurück, bis ihre Waden gegen eine kleine Ottomane stießen.

Unbeirrt trat Marcos an ihr vorbei ans Bücherregal. „Könnten Sie sich vorstellen, mir diesen Gefallen zu tun?“

Unwillkommene, anstößige Gedanken rasten durch ihren Kopf: Mexiko und Marcos, Martinis und Marcos, Mariachi und Marcos. „Ja, selbstverständlich. Nur … Ich verstehe nicht ganz, was genau Sie von mir erwarten.“ Ein fast schon schmerzhaftes Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus.

Marcos durchstöberte das Buchregal, schob Band um Band zur Seite. „Ich möchte, dass Sie mich für eine Woche nach Monterrey begleiten. Danach werden möglicherweise noch ein paar Überstunden zur Aufbereitung der Informationen anfallen. Mehr will ich nicht.“

„Sind Sie sicher, dass das alles ist?“

Er warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Ist das nicht mehr als genug?“

Sie lächelte schweigend und beobachtete ihn weiter.

Die Muskeln unter seinem Hemd – irgendwann musste er sein Jackett ausgezogen haben – spannten sich an, als er einen schweren Lederband aus dem obersten Regal zog.

„Sie könnten mich natürlich auch auf das Fintech-Galadinner begleiten“, schlug er vor und zog die Augenbrauen hoch, um sie fragend anzusehen.

Unruhig spielte sie mit ihren Perlen herum. „Sie … Natürlich habe ich immer Zeit für eine Verabredung mit Ihnen.“

Während er mit dem schweren Wälzer winkte, als sei er nur ein Blatt Papier, umspielte ein Lächeln seine Lippen. „Ich will keine Verabredung, Miss Hollis. Hier, nehmen Sie das mit, wenn Sie wollen. Darin finden Sie alles Wissenswerte über Monterrey.“ Sein Lächeln war umwerfend, und Virginia spürte, wie ihr Herz erneut heftig zu pochen begann.

„Ich fühle mich, als ob ich Ihnen das Geld aus der Tasche ziehe“, sagte sie, während sie den dicken Wälzer mit dem Titel Monterrey: Tras el Tiempo an sich nahm.

Marcos hielt inne und sah ihr tief in die Augen. „Da ich weiß, was ich tue, kann man wohl kaum davon sprechen, dass Sie mich ausnehmen.“

Sein Lächeln wurde etwas kühler, und Virginia drückte aus einem Impuls heraus das Buch gegen ihre Brüste, die unter seinem Blick verräterisch zu prickeln begannen.

„Sie sind eine große Bereicherung für mein Unternehmen“, fuhr er mit seltsam heiserer Stimme fort und ging zum Schreibtisch zurück. „Eine Woche Ihrer Zeit hat einen großen Wert für mich. Sie arbeiten hart und sind klug und loyal. Sie haben sich mein Vertrauen und meine Bewunderung verdient, Virginia. Und beides schenke ich nicht jedem.“

Seine Worte empfand sie wie eine sanfte Berührung. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, rettete sie sich in das, was ihr stets half, ihr inneres Gleichgewicht wiederherzustellen: Sie räumte auf. Vorsichtig legte sie das Buch beiseite, dann begann sie, die Unterlagen auf Marcos’ Tisch zu sortieren. „Danke für das Kompliment. Meine Arbeit bei Fintech bedeutet mir alles. Und natürlich meine Arbeit für Sie … Ich will auf keinen Fall meine Anstellung aufs Spiel setzen.“

Obwohl sie sich eifrig mit den Papieren auf dem Schreibtisch beschäftigte, spürte sie seinen durchdringenden Blick schwer auf sich lasten. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Marcos’ große Gestalt imposant, fast drohend, neben ihr aufragte.

„Und was sagen wir im Büro?“, fragte sie.

Klatsch und Tratsch konnten einem bei Fintech das Genick brechen. Der bloße Gedanke, dass Lindsay oder Mrs. Fuller glauben könnten, dass sie etwas Unprofessionelles getan hatte, um mit Marcos verreisen zu dürfen, machte sie nervös.

Als Marcos nicht antwortete, sah sie auf und bemerkte das herausfordernde Glitzern in seinen Augen. „Selbstverständlich werden wir sagen, dass ich Sie um Ihre Begleitung gebeten habe. Schließlich sind Sie meine Assistentin.“

Er musterte sie kritisch, so als würde er nur darauf warten, dass sie widersprach.

Meine Assistentin. Marcos’ Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. Sie würde niemals mehr als seine Assistentin sein. Er war Marcos Allende, der Unerreichbare. Ihr Platz in seinem Leben war der Schreibtisch vor seinem Büro.

Schluss mit den albernen nächtlichen Fantasien von ihm, mit den heimlichen Tagträumen! Es war hoffnungslos und dumm, und sie tat sich selbst damit keinen Gefallen.

Als die Papiere ordentlicher nicht mehr sortiert werden konnten, richtete sie sich mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, wieder auf. „Es wäre mir eine Freude, Sie zu begleiten.“

Er nickte langsam. „Gut. Ganz hervorragend sogar.“ Seine Stimme wirkte angespannt, bedeutungsvoll. „Ich wusste, dass wir uns einig werden würden.“

In Virginia tobte ein Wechselbad der Gefühle: Aufregung kämpfte gegen Besorgnis, Dankbarkeit gegen Begehren.

Eine Woche mit ihm allein in Mexiko. Sie würde seine Begleiterin, seine Geliebte spielen – eine Rolle, die sie in ihren Gedanken schon tausendmal eingenommen hatte. Nun würden ihre Träume Wirklichkeit werden. Naiv und unerfahren im Umgang mit Männern, wie sie war, sollte ausgerechnet sie die Geliebte eines Halbgottes, einer Legende spielen, eines Mannes, der sich normalerweise mit Models und Schauspielerinnen umgab.

Angesichts ihrer neuen Aufgabe flatterten ihr die Nerven. Nervös griff sie nach dem Buch, dann eilte sie auf die Tür zu und warf Marcos, die Klinke in der Hand, noch einen letzten Blick zu. „Ich danke Ihnen, Marcos. Für alles. Gute Nacht.“

„Virginia.“ Als sie bereits die Hälfte des Flures durchquert hatte, holte er sie ein, griff nach ihrem Handgelenk und drehte sie zu sich um. Unter seiner elektrisierenden Berührung begann ihre Haut zu kribbeln. „Der Flug dauert fünf Stunden, und ich würde gerne morgen Nachmittag aufbrechen. Sind Sie bis dahin bereit?“

Bereit. Die Doppeldeutigkeit des Wortes ließ sie erschauern.

Doch sie lächelte und nickte, viel zu heftig, wie ihr schien.

Sanft hob er ihr Kinn, und für einen kurzen Augenblick schien ihr Herzschlag auszusetzen. Die Spitzen ihrer Brüste streiften seinen festen Oberkörper. „Werden Sie bereit sein, Virginia?“, wiederholte er leise.

Ihre Beine drohten nachzugeben. Sie sog seinen warmen, duftenden Atem ein, fixierte seine sinnlichen Lippen, die ihr so nah noch nie gekommen waren. In ihrer Kehle formte sich ein leises Stöhnen, doch sie unterdrückte es, so wie sie ein Jahr lang ihr Begehren unterdrückt hatte.

Wie mochte es sich anfühlen, ihm wirklich nahe zu sein? Seine Hände, seine Lippen auf ihrer Haut zu spüren?

Er war so anders als alle Männer, denen sie zuvor begegnet war. In seiner Nähe fühlte sie sich sicher, beschützt, wie etwas Besonderes. Doch gleichzeitig entzündete er ein Feuer in ihr, das sie in seiner Fremdheit und Wildheit beängstigte. Sie wollte ihn, mehr, als sie ertragen konnte, mehr, als sie begreifen konnte.

„Ich werde bereit sein“, versicherte sie ihm und trat einen Schritt zurück, um sich in Sicherheit zu bringen. Vor Aufregung schien ihr Herz in ihrer Brust zu flattern wie ein eingesperrter Vogel. „Danke. Ich weiß, dass Sie auch eine andere um diesen Gefallen hätten bitten können, jemanden, den Sie nicht dafür bezahlen müssten.“

In seinen Augen glomm etwas auf, und ein undeutbarer Ausdruck glitt über sein Gesicht. „Aber ich will keine andere. Ich will Sie.“

Ich will Sie.

Hoffnung flammte in ihr auf. Doch sie durfte diesem Gefühl nicht trauen. Zu viel stand auf dem Spiel.

Für Marcos Allende war sie nichts Besonderes, so sehr sie sich auch danach sehnte. Er half ihr aus demselben Instinkt heraus, aus dem er auch seine anderen Angestellten unterstützte und seit Jahren immer wieder seinem missratenen Stiefbruder aus der Patsche half, über den bei Fintech zahlreiche Gerüchte kursierten.

Jeder wollte etwas von Marcos Allende, denn unter seiner harten Schale schlummerte ein Herz aus reinem Gold. Marcos kümmerte sich um seine Mitmenschen, übernahm da Verantwortung, wo jeder andere den Problemen den Rücken zugekehrt hätte. Manchmal, wenn sie frühmorgens zur Arbeit kam und ihn in seinem Büro fand, die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgerollt, die breiten Schultern über seinen Schreibtisch gebeugt, einige dunkle Haarsträhnen in der Stirn, die Stimme heiser und die Augen müde, dann sehnte sie sich aus ganzem Herzen danach, für diesen großen, stolzen Krieger zu sorgen. Wer gibt dir all das zurück, Marcos Allende? Wer kümmert sich zur Abwechslung mal um dich?

Was auch immer er von ihr verlangte: Sie würde es ihm geben. „Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen, Marcos“, versprach sie mit weicher Stimme.

Seine Lippen zuckten. Obwohl sein amüsiertes Lächeln seine dunklen, unergründlichen Augen nicht erreichte, setzte es eine ganze Armee von Schmetterlingen in ihrem Magen frei. Wieder strich er ihr über die Wange, hinterließ eine Spur aus Feuer auf ihrer Haut. „Ich bin derjenige, der hofft, dass Sie diesen Besuch niemals bereuen werden.“

2. KAPITEL

„Deine neueste Geliebte?“

Schweigend verharrte Marcos vor dem Wohnzimmerfenster und beobachtete gedankenverloren, wie die Limousine mit Virginia im Dunkel verschwand.

Je weiter sich das Auto im dichten Verkehr der Michigan Avenue entfernte, desto größer wurde der Druck in seiner Brust.

Noch immer pumpte das Blut heiß durch seine Adern, und alles andere als jugendfreie Gedanken schossen ihm durch den Kopf.

„Oder vielleicht ein Callgirl?“

Marcos fuhr herum und musterte seinen neuen Gast mit blitzenden Augen. Jack Williams, wie immer neugierig. Der ehemalige Wirtschaftsspion hatte es kürzlich zum Millionär gebracht und stopfte sich gerade genüsslich den Inhalt einer Packung Nüsse in den Mund, die er an der Bar gefunden hatte.

„Meine Assistentin“, erwiderte Marcos kühl und schwenkte seinen Scotch, sodass die Eiswürfel leise gegen das Glas klirrten.

Wie versprochen war Jack pünktlich um elf Uhr erschienen. Der groß gewachsene blonde Texaner kam niemals zu spät. Interessiert hatte er aus dem Hintergrund beobachtet, wie sein Auftraggeber und Freund sich von Virginia verabschiedete. Als sie ihm ein leises „Auf Wiedersehen“ zuflüsterte, hatte Marcos instinktiv begriffen, dass sie nur auf seine Bitte zu bleiben wartete.

Doch Jacks Anliegen ging vor. Denn „Williams, der Mistkerl“, wie die Presse seinen heimlichen Helfer nannte, hatte wichtige Informationen bei sich, Informationen, die nicht warten durften.

Dennoch konnte er nicht zulassen, dass Jack ein falsches Bild von Virginia bekam, und so hob er sein Glas zu einem ironischen Toast. „Sie kocht ganz fantastischen Kaffee.“

Jack warf sich eine Nuss in den Mund und kaute geräuschvoll. „Aha. Im Bett?“

Marcos seufzte und machte sich, gefolgt von Jack, auf den Weg in sein Arbeitszimmer. Reizbar, frustriert und erschöpft stellte er den Scotch auf seinem Schreibtisch ab und ließ sich in seinen wuchtigen Ledersessel fallen. „Das wäre nicht mein Stil, Jack. Arbeit und Vergnügen sollten sich nicht überschneiden.“

Doch noch immer hing Virginias süßer Duft in der Luft und schürte sein unerfülltes Verlangen. Das Ausmaß seiner Erregung strafte seine Worte Lügen, aber das brauchte Jack nicht zu wissen.

Marcos respektierte seine Angestellten und war stolz aus seinen guten Ruf. Doch sobald Virginia Hollis den Raum betrat, hatte er das Gefühl, auf die Instinkte eines Neandertalers zurückgeworfen zu werden.

Das ungezwungene Lachen, das aus Richtung der Tür erklang, trug zu seinem Unmut noch bei. „Keiner weiß das besser als ich, mein Freund, aber die Frage ist, ob du dich derzeit selbst an deine Regeln hältst. Jedenfalls hast du eben so ausgesehen, als ob du ihr gleich die Kleider vom Leib reißt.“

Marcos setzte an, sich zu wehren, doch dann besann er sich eines Besseren. So unangenehm ihm Jacks anzügliches Zwinkern auch war: Der Mann hatte recht. Wie verzweifelt hatte er sich danach gesehnt, Virginia zu küssen. Der verlockende Duft ihrer Haut, ihre Nähe, die Geschmeidigkeit, mit der sie sich in seine Arme geschmiegt hatte, die unfassbare Erregung, die er empfunden hatte …

Der Druck auf seiner Brust wurde schier unerträglich. Frustriert fuhr er sich mit der Hand über sein erhitztes Gesicht. „Vielleicht ist ja etwas dran an dem alten Sprichwort, dass die Ausnahme die Regel bestätigt. Vielleicht ist es ein Fehler, sich stets an die Regeln zu halten.“

„Lass es bleiben, Marcos.“ Jack stieß sich von der Tür ab. „Ich habe das alles schon durchgemacht, und ich kann dir nur sagen, es wäre ein Fehler. Schmerzhaft für dich, und ganz sicher schmerzhaft für sie. Büroaffären enden immer mit einem großen Knall – ganz egal, wie sorgfältig man alles plant.“

Marcos starrte düster auf das überfüllte Bücherregal gegenüber seinem Schreibtisch. Sein Verlangen war schier unerträglich, doch er wollte Virginia auf keinen Fall verletzen. Hätte er die Wahl gehabt, wäre er ihr am liebsten niemals begegnet.

Diablo … Seit dem Tag, an dem er sie angestellt hatte, war er sexuell frustriert. Von Anfang an war Virginia zurückhaltend und reserviert gewesen, und dennoch war Marcos schon nach kurzer Zeit klar geworden, dass sie ihn auf Dauer von seiner Arbeit ablenken würde. Doch damit, dass sein Verlangen ein solches Ausmaß erreichen würde, hätte er nie im Leben gerechnet.

„Ich hatte noch nie eine Affäre mit einer Angestellten. Aber das hier ist etwas anderes, Jack … Und ja: Mir ist klar, wie abgedroschen das klingt.“

Marcos verzog das Gesicht und lehnte sich zurück, um seine Hemdsärmel hochzukrempeln. Er konnte es nicht länger leugnen: Er dachte ernsthaft darüber nach, seine Regeln zu brechen, um sich und Virginia zu gewähren, wonach sie sich beide sehnten. Nein, wenn er ehrlich war, dachte er nicht nur darüber nach. Unbewusst hatte er sich schon lange entschieden.

Er war ein Mann aus Fleisch und Blut wie alle anderen. Ab einem gewissen Punkt konnte auch er sich nicht mehr zusammenreißen. Und ganz gleich, wie entschlossen Virginia ihre Reaktionen auf ihn auch zu unterdrücken versuchte: Sie erwiderte seine Gefühle. Unter der kühlen Fassade der sachlichen Assistentin schlummerte eine leidenschaftliche Frau, die es instinktiv ganz genau spürte, wenn ein Mann sie begehrte. Nein, nicht einfach nur begehrte: sich nach ihr verzehrte.

Und nun hatte er sie gebeten, ihr fast schon befohlen, eine ganze Woche mit ihm zu verbringen und seine Geliebte zu spielen. Dabei brauchte er im Augenblick all seine Kraft und Aufmerksamkeit, um die eine Aufgabe zu erfüllen, die schon so lange sein Leben bestimmte.

Die Übernahme von Allende Transports.

Er war sich nicht sicher gewesen, ob es klug war, Virginia darum zu bitten, denn um sein Ziel zu erreichen, musste er sich auf das Wesentliche konzentrieren. Doch heute Abend hatte sie ihm die Entscheidung abgenommen: Die süße Virginia, ganz allein und von ihrer Familie finanziell im Stich gelassen, was er bestens nachvollziehen konnte, hatte ihn um Hilfe gebeten.

Als er vorhin in ihre strahlenden Augen gesehen hatte, war ihm nicht mehr möglich gewesen, sein Verlangen zu unterdrücken.

Er wollte sie.

Zwar hatte er seinem Anliegen den Mantel des Geschäftlichen umgelegt, doch in Wahrheit ging es ihm einfach nur um sie.

Was für eine Qual waren die letzten Monate nur gewesen! All die Nächte, die Virginias Zauber ihn bis nach Hause verfolgt hatte. Ununterbrochen hatte er an sie denken müssen, hatte ihre kurzen Gespräche wieder und wieder durchlebt, daran gedacht, wie ihr helles Lachen manchmal durch seine geöffnete Bürotür drang, wenn Lindsay mal wieder ihre Scherze machte. Ihre Verzweiflung am heutigen Abend und die Uneigennützigkeit ihres Anliegens hatten ihn erstaunlich tief berührt.

Gedanklich hatte er schon vor langer Zeit eine Liste mit guten Gründen dafür aufgestellt, warum er besser die Finger von Virginia lassen sollte.

Sie war unschuldig, er nicht. Sie war verletzlich, er hatte die Macht, ihr wehzutun. Sie war seine Angestellte, er ihr Chef. Es gab Dutzende von Gründen, ihr aus dem Weg zu gehen.

Doch die Art und Weise, auf die sie ihn heute Abend angesehen hatte, hatte all seine guten Vorsätze zunichtegemacht.

„Warte, ich habe genau das Richtige, um dich abzulenken.“ Jack verließ das Büro und kehrte Sekunden später mit seiner Aktentasche zurück, der er einen großen Umschlag entnahm. „Hier, alles wie gewünscht. Jack Williams ist stets zu Diensten.“

Marcos nahm die Akte entgegen und warf einen finsteren Blick auf den Namen auf dem Etikett. Marissa Galvez.

Ein düsteres Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich nehme an, du hast wie immer ganze Arbeit geleistet?“

„Da drin findest du alles über Marissa und ihre schäbigen kleinen Betrügereien. Ganz schön geschäftig, die Kleine – ich bin mir sicher, du wirst die Lektüre außerordentlich anregend finden.“

Neugierig blätterte Marcos durch die Papiere. Der Stapel war so dick, wie Marissa intrigant war.

Zorn flammte in ihm auf. Hoffte sie etwa auf eine Versöhnung, ehe sie über die Zahlen sprachen?

Ach, was machte er sich vor? Dass sie versuchen würde, ihn zu betören, stand außer Frage. Marissa Galvez war clever, und mit Sicherheit wusste sie genau, dass der Sohn mittlerweile um ein Vielfaches mehr wert war als der Vater, für den sie ihn einst verlassen hatte. Heute ging es nicht mehr um Millionen, sondern um Milliarden. Dass er die umlaufenden Aktien von Allende Transports gekauft hatte, der Firma, die rechtmäßig ihm hätte gehören sollen, war kein Geheimnis. Der Schluss, dass er das darbende Unternehmen übernehmen wollte, lag nahe.

Doch eine schöne Geliebte an seiner Seite würde ihm helfen, Marissa und ihre intriganten Pläne in Schach zu halten. Statt der romantischen und finanziell einträglichen Versöhnung, auf die sie sicherlich hoffte, würde es harte Verhandlungen geben.

Verhandlungen um Allende Transports. Sein Erbe.

„Willst du mir verraten, wie du die reizende Dame zum Verkauf überreden willst?“, erkundigte sich Jack.

Marcos sprang auf und sah Jack mit funkelnden Augen an. „Mithilfe dieser Informationen“, grollte er und hob die Akte hoch. „Mein Spiel, meine Regeln. Allende steht kurz vor dem Aus. Früher oder später wird sie verkaufen müssen.“

„Aber nicht an dich.“

Marcos zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Marissa weiß genau, dass ich zu allem bereit bin. Ansonsten hätte sie mich nie im Leben kontaktiert. Sie appelliert an meine gute Seite.“

Doch ich habe meine schöne grünäugige „Geliebte“.

„Und, hat sie Chancen?“

Mit ihren sinnlichen vollen Lippen. „Was für Chancen?“

„Deine gute Seite kennenzulernen.“

„Eher würdest du freiwillig ein Ballettröckchen tragen, Jack. Natürlich nicht. Nach allem, was geschehen ist, bin ich immun gegen die Reize von Marissa Galvez.“

Zornig dachte er an ihren Anruf zurück. Sie hatte ihm Allende wie einen Köder präsentiert, ihm vorgeschlagen, dass sie die Zukunft des Unternehmens doch in ihrem Bett diskutieren könnten. Damals, als er noch ein naiver, großmütiger Achtzehnjähriger gewesen war, hatte sie ein leichtes Spiel mit ihm gehabt. Doch der Mann, der er heute war, wusste sich gegen ihre Avancen zu wehren.

„Sie hat angerufen, weil sie dich zurückwill“, stellte Jack sachlich fest.

„Nicht mich, sondern mein Geld. Außerdem habe ich jetzt eine Begleitung“, erwiderte Marcos und trat ans Fenster. „Da ich nicht zu haben bin, wird Marissa wohl oder übel gleich zum Geschäftlichen kommen müssen.“

„Ich verstehe! Deine schöne Assistentin ist nichts weiter als ein Werkzeug.“

Diese leuchtend grünen Augen, deren bewundernder Blick ihn bis ins Mark getroffen hatte … Virginia gab ihm das Gefühl, ein besserer Mensch zu sein. Er wäre bereit gewesen, sie tausendmal zu retten, nur um noch ein einziges Mal auf diese anbetungsvolle Weise angesehen zu werden.

Als sie ihn vor wenigen Stunden angerufen hatte, um ihn um einen Moment seiner Zeit zu bitten, hatte er sich einen kurzen Tagtraum gestattet. Er hatte sich vorgestellt, dass sie zu ihm kam, um sich ihm hinzugeben, um das Unausweichliche einzugestehen. Doch tief in seinem Inneren war ihm die ganze Zeit über bewusst gewesen, dass Virginia dafür viel zu anständig und vorsichtig war.

Jetzt lag es bei ihm: Wie würde er sich entscheiden?

Er warf Jack einen Seitenblick zu. „Marissa wird bekommen, was sie verdient.“ Und Virginia …

Jack nahm seine Aktentasche. „Genau. Den Teufel in einem Privatjet. Denn niemand sollte sich mit dem sagenumwobenen Marcos Allende anlegen.“ Dann grüßte er knapp und warf seinem Freund sein typisches Raubtiergrinsen zu. „Ich lasse dir jetzt wohl besser Zeit zum Packen.“

„Ich danke dir, Williams. Die Rechnung kannst du Mrs. Fuller zustellen, sie wird sich umgehend darum kümmern.“

Jack verschwand mit einem lockeren „Mach ich“, und Marcos kippte in einem Zug den Rest seines Scotch hinunter. Als vor seinem inneren Auge das Bild von Virginias Perlenkette aufstieg, runzelte er missbilligend die Stirn. Wenn sie seine Geliebte wäre, würde sie etwas anderes tragen. Diamanten, Rubine, Smaragde.

Der Gedanke an ihren zarten Hals, ihren geschmeidigen Körper, den er schon so oft heimlich beobachtet hatte, ließ eine Welle des Verlangens durch seinen Körper branden. Wie oft hatte er davon geträumt, ihr ein Kleidungsstück nach dem anderen auszuziehen, langsam, genießerisch.

Doch nun ging es zunächst darum, sie anzuziehen. Wenn Virginia Hollis überzeugend seine Geliebte spielen wollte, musste sie auch entsprechend aussehen. Er schätzte, dass sie Größe sechsunddreißig trug. Morgen früh würde er als Erstes eine neue Garderobe für sie ordern.

Der Hangar des kleinen Privatflughafens, der sich auf die Bereitstellung von Firmenjets spezialisiert hatte, lag in aller Stille da. Marcos, die Hände in den Hosentaschen vergraben, sah unruhig und voller Erwartung aus dem Fenster des Wartebereichs auf seine Falcon 7X. Der schnittige weiße Jet, der zu den schnelleren Modellen seiner Sammlung zählte, wurde im Augenblick aufgetankt. Schon bald würde es losgehen.

Auch wenn er versuchte, seine Aufregung auf die bevorstehenden Verhandlungen zu schieben, wusste er tief in seinem Inneren, dass es Virginia war, die er so ungeduldig erwartete. Virginia, die entgegen ihrer Gewohnheiten bereits zehn Minuten zu spät war.

Hatte sie in letzter Sekunde doch noch einen Rückzieher gemacht? Fürchtete sie sich vor den neuen Möglichkeiten, die sich ihr eröffnet hatten? Zum ersten Mal hatten sie die Chance, sich außerhalb des hektischen Büroalltags kennenzulernen.

Sie wird meine Geliebte spielen.

Dass Virginia sich bereit erklärt hatte, ihm diesen Gefallen zu tun, versetzte ihn in einen geradezu rauschartigen Zustand. Doch wie lange würden sie dieses Theater spielen können? Tage? Stunden? Minuten?

Die Glastüren am anderen Ende der Wartelounge glitten lautlos auf. Marcos fuhr herum und sah Virginia eintreten, die einen kleinen schwarzen Trolley hinter sich herzog.

Ihr Anblick weckte unwillkürlich seinen Beschützerinstinkt. Und ganz andere Instinkte.

Wie immer war Virginia korrekt gekleidet, doch heute trug sie ihre wilden ebenholzfarbenen Locken offen. Windzerzaust und unzähmbar umrahmten sie ihr zartes, ovales Gesicht und betonten ihre grünen, von dichten schwarzen Wimpern umkränzten Augen. Der Ausschnitt ihres grünen Pullovers enthüllte einen winzigen Ansatz von Dekolleté, bei dessen Anblick Marcos schlucken musste.

Als Virginia ihn entdeckte, richtete sie sich auf und strich sich die Locken hinters Ohr. Ein feiner Zitrusduft schwebte zu ihm herüber, als sie näher kam.

„Virginia“, raunte er.

„Marcos.“

Er lächelte, spürte, wie sich bei ihrem Anblick seine Kehle zuschnürte. Bis auf einen Hauch von Lipgloss trug sie kein Make-up. Er konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals so schön gewesen war. So sexy!

Direkt vor ihm blieb sie stehen und befeuchtete sich die Lippen. Dann stellte sie den Koffer wie eine Barriere zwischen ihnen ab. „Bitte entschuldigen Sie die Verspätung“, murmelte sie, die leicht heisere Stimme verriet ihre Nervosität.

Wie gebannt sah er auf ihre Lippen. Rosafarben und seidig schienen sie ihn dazu einzuladen, sie zu küssen.

„Ich musste im Büro noch ein paar Sachen erledigen.“

Marcos atmete tief durch und wies mit einer Kinnbewegung auf einen langen Tisch, auf dem Kaffee und Kuchen standen. „Bedienen Sie sich, wenn Sie möchten! Wir können in ein paar Minuten an Bord gehen.“

„Möchten Sie auch einen Kaffee?“

Er schüttelte den Kopf, beobachtete, wie ihr Rock um ihre wiegenden Hüften schwang, als sie auf das Buffet zuging.

Er war fasziniert, vollkommen hingerissen von der süß duftenden, sinnlichen Virginia Hollis. Einhundertfünfundsechzig Zentimeter pure Anziehungskraft. So sehr, wie er sie begehrte, würde ganz sicher niemand bezweifeln, dass sie seine Geliebte war.

Er fluchte leise in sich hinein und trat wieder ans Fenster, sah, wie das Flughafenpersonal gerade sein Gepäck verstaute, das fast ausschließlich aus Designer-Einkaufstüten bestand.

Ungeduldig wartete er darauf, endlich einsteigen zu dürfen. Die Akte, die der unfehlbare Jack Williams ihm am Vorabend überreicht hatte, barst fast vor Informationen, die er in seinen Verhandlungen gegen Marissa verwenden konnte. Schon bald würde Allende Transports ihm gehören. Marcos war nicht gerade glücklich darüber, dass er die Firma auf diese Weise an sich reißen musste, doch das Transportunternehmen pfiff förmlich auf dem letzten Loch. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit für die Übernahme. Jeder Tag zählte. Für lange Verhandlungen war es zu spät.

Als sich Virginia wieder zu ihm gesellte, war er für einen Augenblick wie erstarrt. Die Wirkung, die ihre Nähe auf seinen Körper hatte, war unbeschreiblich. Sie erregte ihn und weckte etwas tief in ihm, etwas, das sich außerhalb seiner Kontrolle befand.

Kaum merklich drehte er den Kopf und ließ seinen Blick über ihre kleinen, wohlgeformten Brüste schweifen, die sich deutlich unter dem Pullover abzeichneten. Als er merkte, dass Virginia wie immer ihre unauffällige Arbeitskleidung trug, durchfuhr ihn eine Welle der Zärtlichkeit. Ihr grauer knielanger Rock und die schlichten Pumps waren nicht das Richtige für die Frau seines Herzens. „Ich befürchte, so funktioniert das nicht“, murmelte er.

Als sie irritiert zu ihm aufblickte, umspielte ein hinreißendes Lächeln ihre Lippen. Heute wirkte sie lebhaft, ganz anders als gestern. „Wovon sprechen Sie?“

Wie sollte er diesem einladenden herzförmigen Mund nur widerstehen? „Der Pullover“, sagte er, dann trat er einen Schritt zurück und musterte sie von Kopf bis Fuß. „Der Rock. Die Schuhe.“

Sie stellte ihre Kaffeetasse ab und strich sich erneut das Haar zurück. „Ich habe auch ein paar Kleider eingepackt.“

„Aha.“ Kritisch musterte er ihre Perlenkette. „Designerkleider?“

„Nein, so etwas besitze ich nicht. Wieso?“

Vorsichtig strich er über die Perlen. „Wie sehr hängen Sie an dieser Kette?“, flüsterte er und ließ seine Finger langsam über die kleinen Kugeln gleiten.

Sie musterte ihn argwöhnisch und antwortete vorsichtig: „Sie gehörte meiner Mutter.“

„Sie sind schön. Sehr schön.“ In seiner Stimme lag all das Verlangen, das er in den letzten Monaten unterdrückt hatte. „Aber Sie müssen verstehen, dass meine Geliebte … etwas anderes tragen würde.“ Ihm war bewusst, dass er mit dem Feuer spielte, doch das war nicht mehr wichtig. „Meine Frau …“ Mit dem Finger streifte er wie beiläufig ihr Schlüsselbein. „Meine Geliebte würde nicht weniger tragen als Diamanten, Rubine und Smaragde.“

Verunsichert sah sie ihn an. „Finden Sie, dass ich nicht vorzeigbar bin?“

Er ließ die Hand sinken und warf ihr einen todernsten Blick zu. „Ich finde, dass Sie nicht wie meine Geliebte, sondern wie meine Assistentin aussehen.“

Virginia lächelte unbekümmert, was ihn nur noch tiefer in ihren Bann zog. „Ich verstehe.“

Er wies auf die Falcon. „Ihre neue Garderobe befindet sich im Jet. Bitte ziehen Sie sich gleich nach dem Start um.“

3. KAPITEL

Von allen selbstherrlichen, arroganten Chefs der Welt musste ausgerechnet Marcos Allende der Mann sein, in dessen Schuld sie stand!

In dem fensterlosen Raum im Flugzeugheck schlüpfte Virginia in das hautenge Kleid. Verdammt noch mal, sie war seiner Bitte zwar nachgekommen, aber wie sollte sie mit seinen überheblichen Befehlen umgehen? Und zu allem Überfluss waren die Kleider, die er für sie ausgesucht hatte, auch noch göttlich … Wie sollte sie wütend auf einen Mann mit einem so erlesenen Geschmack sein? Auf ihren Ritter in schimmernder Rüstung?

Begeistert, wie leicht und seidig sich das Kleid auf ihrer Haut anfühlte, strich sie den zarten Stoff über ihren Hüften glatt. Wie schade, dass es in der winzigen Kabine keinen Spiegel gab. Immer wieder schaffte Marcos es, sie mit seinem Verhalten zu verblüffen. Die Sachen, die er für sie ausgesucht hatte, waren wie für sie gemacht. Jedes einzelne Stück passte zu ihren Augen und ihrer Haarfarbe. War auch diese Aufmerksamkeit Teil seines Plans?

Virginia atmete tief durch, nahm all ihren Mut zusammen und zwang sich, den in Holz und Leder gehaltenen Passagierraum zu betreten. Die Luft schien durch Marcos’ bloße Anwesenheit zu knistern. Den Kopf über ein schweres, kostbar gebundenes Buch gebeugt, saß Marcos lässig in einem der cremefarbenen Ledersitze. Sein Haar schimmerte im Sonnenlicht. Heute war er von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Das kurzärmelige Polohemd betonte seinen kraftvollen Körper und gab den Blick auf seine gebräunten, starken Arme frei. Beim Anblick dieses großen, stolzen, stillen Mannes, so vertieft in seine Lektüre, hätte sie am liebsten laut geseufzt.

Entschlossen schüttelte Virginia das Gefühl ab und lief den Gang hinab. Ein kurzer Blick auf den Monitor verriet ihr, dass sie noch mindestens eine Stunde Flugzeit vor sich hatten.

Als sie Marcos gegenüber Platz nehmen wollte, schoss eine große Hand hervor und umschloss ihren Arm. Er zog sie so plötzlich zu sich herum, dass sie erschrocken aufkeuchte. Dann sah sie direkt in seine glitzernden Augen. Zum ersten Mal befand sich zwischen ihr und der sengend heißen Besitzgier, die er ausstrahlte, kein Schutzschild mehr. Kein sachliches Businessoutfit, kein Aktenordner, keine Kaffeetasse, die sie ihm reichen konnte.

„Nein, bleiben Sie stehen“, raunte er, seine Stimme so erotisch heiser, dass Virginia für einen Augenblick genießerisch die Augen schloss.

Ein warmes Gefühl breitete sich zwischen ihren Oberschenkeln aus. Langsam richtete sie sich auf und blickte auf ihn herab.

Nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt hob und senkte sich ihre Brust, viel zu nah, viel zu gefährlich. Virginia versuchte, ihr Handgelenk zu befreien, doch sie hatte keine Chance. „Und? Sind Sie zufrieden mit der neuen Virginia Hollis?“, fragte sie ironisch.

Er legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihr auf, während sich sein Griff etwas lockerte. „Sie sind wütend auf mich“, stellte er fest.

„Ich …“ Sie wies mit dem Kinn auf das Buch auf seinem Schoß, betete, dass er sie endlich loslassen würde. „Bitte, lesen Sie, ich wollte Sie nicht abhalten.“

Jahrelang hatte sie danach gestrebt, möglichst unsichtbar zu bleiben, doch jetzt hatte sie das Gefühl, als würden sich Marcos’ Augen wie zwei Flutscheinwerfer auf sie richten. Das dünne Wickelkleid von Issa London schmiegte sich um ihre Kurven. Der Stoff fühlte sich so feminin an, dass sie sich ihres Körpers auf eine ganz neue Art bewusst wurde – und bewusst waren ihr auch Marcos’ interessierte Blicke.

„Gefallen Ihnen die Kleider, die ich für Sie ausgesucht habe, querida?“, fragte er mit rauer Stimme.

Querida? Der Kosename durchfuhr sie wie ein Ruck. Panisch versuchte sie, sich mit mehr Vehemenz von ihm zu befreien, und flüsterte: „Sie können mich jetzt loslassen.“

Doch sein Blick bohrte sich in ihren, während sein unnachgiebiger Griff einen Ring aus Feuer in ihr Handgelenk einzubrennen schien. Ihr Körper reagierte so heftig auf seine Berührung, als würde er sie an einer ganz anderen Stelle berühren. Dort, wo ihre Brüste sich schmerzend nach seiner Berührung sehnten, dort, wo eine Gluthitze in ihrem Körper zu schwelen schien. Nur er konnte ihr Verlangen stillen und die schmerzvolle Leere in ihrem Leben füllen.

Endlich ließ er sie los, so plötzlich, dass sie fast gestolpert wäre.

Virginia ließ sich in ihren Sitz fallen. Ihr schwindelte, ihr Puls raste, und ihre Hände zitterten, als sie den Sicherheitsgurt schloss.

Noch immer lastete Marcos’ intensiver Blick auf ihr. „Kränkt es Sie, wenn Männer sich für Sie interessieren?“, fragte er mit seidenweicher Stimme.

Virginia errötete heftig und zog ungeduldig ihre Handtasche auf ihren Schoß. „Wussten Sie, dass Monterrey mittlerweile über fünf Millionen Einwohner hat?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln, und zog eine Liste mit Informationen und spanischen Ausdrücken aus ihrer Tasche. Beides hatte sie sich in letzter Sekunde im Büro zusammengestellt, um sich wenigstens ein bisschen auf ihre Reise vorzubereiten.

Marcos schloss das Buch auf seinem Schoß und ließ es mit einem dumpfen Knall auf den Boden fallen. „Oder sagen wir so: Kränkt es Sie, dass ich mich für Sie interessiere?“

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, erwartete, einem Lachen oder doch wenigstens einem Lächeln zu begegnen.

Doch seine Worte waren bitterer Ernst.

Oh nein, nein, nein, nein, das konnte er ihr doch nicht antun! Sie war bereit, diesen Auftrag zu erfüllen, aber sie konnte es sich nicht leisten, dass Marcos mit ihr spielte!

Ganz gleich, welche Gefühle sie im Geheimen für ihn hegte, sie durfte diesem Mann nicht nachgeben!

Nervös lächelnd drohte Virginia ihm mit dem Finger – einem zitternden Finger. „Mr. Allende, je näher wir Mexiko kommen, desto seltsamer werden Sie.“

Stille.

Für einen schrecklichen Augenblick schienen ihre nur teilweise scherzhaft gemeinten Worte wie ein Damoklesschwert in der Luft zu hängen. Virginia biss sich auf die Lippe und senkte den Blick. Was war nur in sie gefahren? Kraftlos ließ sie ihre Hand auf den Schoß fallen.

Marcos saß in trügerisch entspannter Haltung da, verschränkte seine Arme vor der Brust und sah sie mit undurchdringlicher Miene an. Dann fragte er mit seiner beruhigenden, überzeugungsstarken Stimme: „Denken Sie wirklich, eine Geliebte würde mich ‚Mr. Allende‘ nennen?“

Verlegen zupfte Virginia ihren Rocksaum zurecht und schob dann die Hände unter ihre Knie. „Ich wollte Sie nicht beleidigen.“

„Ich fühle mich auch nicht beleidigt, aber es wird einfach Zeit, dass wir uns duzen. Schließlich haben wir nur noch ein paar Stunden, um uns daran zu gewöhnen.“

Virginia überlegte verzweifelt, was sie erwidern sollte. „Ich weiß nicht, was gerade in mich gefahren ist“, murmelte sie schließlich.

Er beugte sich über den Gang hinweg zu ihr und kam ihr dabei so nahe, dass sie kaum mehr zu atmen wagte.

„Woher kommt diese plötzliche Distanz?“, fragte er. „Sonst nennst du mich doch auch ‚Marcos‘.“

Sie wich seinem Blick aus. Ihre Brust schmerzte, als hätte er ihr eine eiserne Fessel ums Herz gelegt. Weil wir noch nie so lange miteinander alleine gewesen sind.

Mühsam rang sie nach Luft und hüllte sich in Schweigen.

Wenig später startete der Pilot den Senkflug und landete den Jet kurz darauf sanft auf dem Privatflughafen von Monterrey. Je langsamer er vorwärtsrollte, desto schneller schien ihr Herz zu schlagen.

Während sie zwischen den riesigen Hangars entlangfuhren, suchte Virginia nach einer Möglichkeit, das peinliche Schweigen zu beenden. „Glauben Sie … glaubst du, dass Allende Transports eine sichere Investition für Fintech ist?“, fragte sie schließlich. Sie wusste, dass Allende alles war, was Marcos von seiner Vergangenheit geblieben war.

„Das Unternehmen wurde schlecht geführt.“ Er zog seinen BlackBerry aus seiner Tasche und schaltete ihn ein. „Die Kartelle haben zahlreiche Transportfahrzeuge beschlagnahmt, und Reisen ist in Mexiko derzeit alles andere als sicher. Wenn Allende wieder ein erfolgreicher Betrieb werden soll, brauchen wir strenge Sicherheitsmaßnahmen, neue Routen und neues Personal. Kurz gesagt würde ich eine Menge Geld investieren müssen. Alles in allem kann man also kaum von einer sicheren Investition sprechen.“

Während er seine neuen Nachrichten durchging, warf Virginia ihm ein bewunderndes Lächeln zu. Diese Stärke, die er ausstrahlte … Es war nicht nur seine körperliche Kraft, sondern auch seine Willensstärke, die ihn so interessant machte. „Du wirst Allende in eine Goldgrube verwandeln“, sagte sie voller Überzeugung. Gott, wie hatte sie ihn nur als „seltsam“ bezeichnen können!

Marcos hob den Kopf. „Ich werde Allende zerstören, Virginia.“

Das Flugzeug hielt, und die Triebwerke verstummten. Dann leuchteten die Bodenlampen im Gang auf.

Doch Virginia blieb wie betäubt auf ihrem Platz sitzen. „Du willst das Unternehmen deines Vaters ruinieren?“, fragte sie fassungslos. Mit einem Mal begriff sie, weshalb er den ganzen Flug über diese düstere Verbissenheit ausgestrahlt hatte.

Er steckte den BlackBerry wieder in seine Tasche und wandte Virginia sein markantes Gesicht zu. „Es gehört nicht mehr ihm.“ Auf den ersten Blick wirkte er unbeteiligt, doch seine Augen verrieten, wie tief ihn das Thema berührte. „Als er starb, hätte ich es erben sollen. Denn ich habe es mit ihm aufgebaut.“

Noch an diesem Morgen hatte Virginia sich im Büro zwischen Anrufen, Kopien und Besorgungen mit Monterrey vertraut gemacht. Die Stadt lag in einem von hohen Bergen umgebenen Tal. Hier lebten die Reichen Mexikos, doch um die Stadt lag ein Ring von Armenvierteln. Monterrey war fraglos der kosmopolitischste Teil von Nordmexiko und durch seine privilegier...

Autor

Red Garnier
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Die Liebesaffäre der preisgekrönten Autorin Heidi Betts mit dem Romance-Genre begann schon in der Grundschule, als sie sich in Liebesromane anstatt in ihre Hausaufgaben vertiefte. Es dauerte nicht lange, bis sie den Entschluss fasste, eigene Romane zu schreiben. Ihr erstes Buch wurde vom Dorchester Verlag im Jahr 2000 veröffentlicht, gefolgt...
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